19900401_Heimat_Wolfurt_05

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Letzte Änderung 27.06.2021, 13:47
Gemeinde Wolfurt
Bereich oeffentlich
Schlagworte: heimatwolfurt
Dokumentdatum 1990-04-01
Erscheinungsdatum 1990-04-01
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Heft 5 Zeitschrift des Heimatkundekreises April 90 SCHLOSS WOLFURT auf einem Foto aus dem Anfang unseres Jahrhunderts. So hatte der Bregenzer Kaufmann Jakob Huter 1856 das alte Schloß umgebaut und den massiven Turm mit einem romantischen Zinnenkranz im «Neuschwanstein»-Stil geschmückt. 1936 bekam der Turm seine heutige Form. Das Schloß ist 1939 abgebrannt. Inhalt: 13. 14. 15. 16. 17. Schlösser in Wolfurt (Heim) Pfarrer Barraga (Köb) Pfarrkirche (Heim) Autos (Heim) Chronik (Engelbert Köb) Zuschriften und Notizen Wie hoch ist der Wolfurter Kirchturm? Eine Reihe von Anfragen befaßte sich mit der in Heft 4 veröffentlichten Planskizze aus dem Pfarramt, die die Turmhöhe mit 57, 30 m angibt: «In der Schule haben wir gelernt 65 m!» Ein erfahrener Handwerker berichtete sogar, wie er einst vom «Giggolar» bis zum Friedhof herab ein Seil ausrollte und nachher abmaß: 63 m. Mit modernsten Meßgeräten hat daher Karl Hinteregger den Turm im November 1989 noch einmal abgemessen: 56, 92 m. Ein Gruß daher an alle Heimatkundelehrer: Der Wolfurter Kirchturm ist 57 Meter hoch. Zu Kriegsende 1945 (Heft 3/36) erinnert sich Albert Köb (Mesmers auf dem Bühel): «Luise Bilgeri wurde nicht mit den beiden Soldaten in ein gemeinsames Grab gelegt, sondern einen Tag später allein ein paar Grabreihen weiter hinten beerdigt. Ich habe dem Totengräber beim Graben geholfen.» Mundartausdrücke (Heft 4/1) Besonders viel Aufmerksamkeit hat Helmut Heim mit seinem Beitrag gefunden. Manche haben fröhlich darüber diskutiert. ArminSchertlerund Celine Gliebe haben selbst ergänzende Beiträge geschickt. Wir bitten alle Dialekt-Freunde, uns weitere Sprüche und Notizen zuzusenden, damit bald eine Fortsetzung folgen kann. Weit in die Fremde werden manche unserer Hefte als Gruß aus Wolfurt verschickt, aus dem fernen Wien erreichte uns ein Brief: Lieber Heimatkundekreis! Vielen Dank für die Heimatkundehefte. Sie sind interessant, informativ und erweitern meine Kenntnisse in diesen Bereichen gewaltig. Allein die Entwicklung in den 28 Jahren, die ich von Wolfurt fort bin, ist unglaublich. Jedesmal wenn ich nach Wolfurt komme, hat sich wieder was verändert. Z. B. hat die Bregenzerstraße ein ganz anderes Gesicht als zu der Zeit, als ich noch zu Hause war. Überall entstehen neue Häuser oder Wohnbauten oder auch öffentliche Gebäude, wo ich mir dann überlegen muß, was da früher gestanden ist — wie es ausgesehen hat. Ein bißchen wehmütig berührt mich, daß die vielen Wiesen verschwinden, wo ich mit König 's Kühe hüten war oder mit den Freunden gespielt habe. Das Bächle in der unteren Straße, in das ich nicht nur einmal «abgestürzt» bin, vermisse ich auch—alles Nostalgie — lassen wirs. 1 DIE A U T O R E N : Siegfried Heim, geboren 1931 in Wolfurt, Hauptschuldirektor Heinrich Köb, geboren 1946, Hauptschullehrer in Wolfurt Berichtigungen 1. Die Kapläne (Heft 4/71): auf einen besonders schlimmen Fehler weisen mehrere aufmerksame Leser hin. In der Reihe wurde unser besonders beliebter Kaplan Pius Fäßler vergessen. Ich bitte den fröhlichen Pfarrer von Au um Verzeihung. Er feiert heuer das 20jährige Pfarrjubiläum. Am 13. September 1970 ist er von Wolfurt nach Au eingezogen. 2. Druckfehler (Heft 4/62, Zeile 12): statt Gelände richtig «Geläute». Herausgeber: Heimatkundekreis Wolfurt Für den Inhalt verantwortlich: Siegfried Heim, Funkenweg 11, 6922 Wolfurt Satz und Bild: Norbert Mayr, 6922 Wolfurt Druck: Adolf Lohs Ges.m.b.H., 6922 Wolfurt Die andere Seite ist, daß es jetzt viel mehr Möglichkeiten gibt, ob Freizeit, Schule oder Erwachsenenbildung und auch ein reges Vereinsleben. Ich komme immer wieder gerne das «Hoamweh abstroafa» und Dialekt «uffrischa». Auch meine Söhne sind mit dem Dialekt vertraut, denn jeder von ihnen kommt gern ins Ländle. Meine Haupt- und wesentlichste Erinnerung an Wolfurt ist die, daß ich überhaupt noch am Leben bin: Im Jahr 49 hatte ich Diphtherie, die der Arzt aber nicht erkannt hat. Dank Schwester Epiphania kam ich dann im letzten Augenblick noch zu meinem Luftröhrenschnitt und blieb dadurch am Leben. Die anderen Erinnerungen beziehen sich fast alle auf Flatz' Isidor, der für mich Vater, Großvater, Freund, Kumpel war und viel zu früh gestorben ist. 1958 sind wir an die Ach gezogen, und ich 1962 nach Wien. Damals ist der Kontakt zu Wolfurt und den Wolfurtern leider abgerissen. Schellings (Gliebe) Celine versorgt mich mit Informationen (Hinweis auf den Heimatkundekreis), Zeitungsausschnitten, Festbroschüren über Wolfurt. Sie ist meine Hauptquelle für Neues aus der Heimat. Ich wünsche Euch weiterhin viel Erfolg und bleibe mit herzlichen Grüßen Eure Helga Klement (Berkmann) Siegfried Heim SCHLOSS WOLFURT Auszug aus einem Vortrag im November 1989 Das Schloß auf dem Bühel über dem Kirchdorf prägt wesentlich das Bild unseres Ortes. Es ist Privatbesitz der Familie Schindler, aber es gehört doch auch uns allen. Sage und Geschichte Chronist Ferdinand Schneider nennt um das Jahr 1880 vier Schlösser in Wolfurt: «Vom Schlößle Holz bei Unterlinden weiß die Geschichte nichts.» Vom Schloß Kuien auf dem Rutzenberg kennen wir immerhin die Sage von der goldenen Schlange. Schloß Veldegg auf dem Hexenbühel im Oberfeld und Schloß Wolfurt sind durch viele Dokumente bezeugt. Zuerst die älteste Sage, die Weizenegger in seiner Beschreibung Vorarlbergs aus dem Jahre 1839 (auf S. 350) berichtet: «Unter den Familienmitgliedern pflanzte sich die Erinnerung fort, daß die ursprünglichen Wolffurth im 13. Jhdt. aus politischen Gründen Schottland verließen, und eigentlich den Namen M'Dewr the Wolf— sprich Mac Diur the Wolf— führten. Sie sollen nach Italien gezogen seyn, und sich später in unserem Ländchen niedergelassen haben, wo ihr Name in Wolvesford — Wolfsführe — und nach und nach in Wolffurth überging.» Es gibt keinerlei Beweis für die Echtheit dieser Sage. Aber tatsächlich durchzogen in jenen Jahrhunderten zahlreiche Ritter die Länder Europas, manche als Abenteurer und in Minnediensten, viele als Söldner und Söldnerführer. Ich verweise auf das berühmte Fresko von Ucello im Dom von Florenz, das den britischen Söldnerführer John Hawkwood («Giovanni Acuto») in florentinischen Diensten zeigt. Diese Sage von M'Dewr the Wolf würde erklären, warum der Name Wolfurt erst so spät um das Jahr 1220 auftaucht und zwar als Name einer Burg, während die Ansiedlung beim Kellhof schon lange bestand und nachweislich schon 1172 eine Kapelle St. Nikolaus besaß. 2 3 Ab 1220 tauchen der Name Wolfurt und das Siegel mit dem Wolf auf vielen Dokumenten im Raum von Lindau bis Konstanz und Pfullendorf auf und bezeugen ein mächtiges Rittergeschlecht. Thomas Lirer zählt es in seiner Schwäbischen Chronik zu den bedeutendsten Geschlechtern Schwabens. Das Lindauer Geschlechterbuch nennt es «fürnehm in der Ritterschaft des Landes Schwaben». In Vorarlberg selbst war Schloß Wolfurt mit seinem Kellhof und dessen selbständigem Gericht aber ein Fremdkörper. Der Kellhof war 1167 als Königsgut in den Besitz des Kaisers Friedrich Barbarossa gekommen und mit der Stadt Lindau Reichsgut geworden. Mitten im Montfortischen Hofsteig war er jetzt Stützpunkt der Staufer, die bei der Besiedlung des Bregenzerwaldes mit den Grafen von Bregenz konkurrierten. Wahrscheinlich waren Kellhof und Schloß auch Rastplätze am staufischen Kaiserweg über die Alpen nach Italien. Hierin könnte die ursprüngliche Bedeutung der Ritter von Wolfurt liegen, die sich zwar im Bodenseeraum einen Namen machten, in Vorarlberg selbst aber bei späteren Geschichtsschreibern kaum Beachtung fanden. Erst Burmeister richtete ab 1982 mit seinen Forschungen und seinen Veröffentlichungen «Das Edelgeschlecht von Wolfurt» (1984 in Lindau!) und «Die Siegel der Edlen von Wolfurt» (1984 in Eisenstadt!) die Aufmerksamkeit der Historiker auf das Wolfswappen. Er weist nach, daß die Wolfurter im 14. Jahrhundert zwanzig Burgen besaßen, allerdings in Vorarlberg nur ihr Stammschloß, aber zehn am Untersee und im Schwarzwald, neun in Ungarn und eine in Italien. 10. Jenny Samuel: Der Wolfurter Kelch in Pfäfers, LM-Jahresbericht 1888 11. Nigg Theophil: Der Wolfurter Kelch, Heimatblätter aus dem Sarganserland 1937/7 12. Rapp Anna: Der Meßkelch aus Pfäfers, Schatzkammer der Schweiz, Landesmuseum Zürich 1980/40 13. Vogler Werner: Die Wolfurter in Pfäfers, LM-Jahrbuch 1982 14. Weizenegger-Merkle: Vorarlberg 1839/1-350 Die goldene Schlange von Wolfurt Als erster hat Pfarrer Barraga 1834 diese alte Wolfurter Sage im Pfarr-«Catalogus III» aufgeschrieben. Er erzählt vom Schloß Kuien: «Von diesem Schloße sah man öfters eine goldene Schlange über die Felswand hinabschießen u. aus (dem) Rickenbach Waßer schlürfen.» Franz Josef Vonbun hat die Sage in Oberländer Mundart in Verse gesetzt. Die erste Strophe lautet: «Ob Wolfurt ist a Zwingburg gsi, sie ist jetzt frile zämmekeit und nur verwetterts Murewerk ist d'Loabat vu der Herrlichkeit.» Fälschlich verlegen schon Ulmer und nach ihm auch Burmeister die Sage vom Kuien nach Schloß Wolfurt. Die Überlieferung weist sie aber eindeutig dem nach der Sage im Jahre 1408 von den Appenzellem verbrannten Schloß Kuien am Rickenbach zu. Ungefähr so habe ich sie von meinem Lehrer gehört: « Ufom Kujo im Bahholz obor Rikkoba ist amol a Schloß gstando. Döt dorn heot an böso Rittar gwohnt. Am heallo Tag heot ar Kouflütt uf or Stroß üborfallo und heot eona s Geold gnuh. No meh händ alle dio hoffürtig Tochtor vum Rittar gfürchtot. Dio ist vielmol mit ihrom wildo Roß miotta dur d Kornäckargritto und heot mit dor Goasol uschuldige Lütt gschlago. Viel Gold heot si im Keor zemmod treit. Abor wenn an armo Beattlar am Burgtoar klopfot heot, dann heot sie dio böso Hund ufon ghetzt. Zletscht händ d Buro d Appozellar us or Schwiz z Hilf gholot. In ar dunklo Nacht händ se d Burg übrfallo und azündt. Heolluf heot as brennt und dann ist alls zemmodgfallo und dio brennigo Balko händ deo böso Rittar arschlago. Des hoffürtig Fräulein ist im Rouch ufom Geold im Keor eländig vorstickt. 5 Literatur: Für besonders interessierte Leser füge ich hier eine Liste von Werken ein, die Schloß Wolfurt oder seine Ritter beschreiben: 1. Schwärzler Kaspar: Die Edelgeschlechter von Wolfurt a) Manuskript 1897 in der Schulchronik Wolfurt b) Volkskalender 1898 c) Volksblatt 1898/48-51 2. Ulmer Andreas: Burgen und Edelsitze 1925/385 3. Neurauter: Schlösser, Feierabend 1932/5 4. Gasser Siegfried: Schloß Wolfurt, Illwerke 1972 5. Burmeister Karl Heinz: Die Wolfurter, Landesmuseum 1982, Katalog 99 6. Burmeister Karl Heinz: Ritter Konrad, LM-Jahrbuch 1982 7. Burmeister Karl Heinz: Das Edelgeschlecht von Wolfurt, Museum Lindau 1984 8. Burmeister Karl Heinz: Die Siegel von Wolfurt, Burgenländische Forschungen VII/1984 9. Bronner Franz Xaver: Herzog Werner von Urslingen, Aarau 1828 (aus italienischen Chroniken). 4 A bor d Seel vun-oro heot ka Ruoh gfundo. Sit do muoß seas Schlang im Keor goastoro und Buoß toa. All hundort Johr amol darfse ussar krücho und am Rikkoba Wassortrinko. Wenn däs an uschuldigs Sunntagskind sioht und ohne Angst stoh blibt, dann kan as dio arm Seel mit am Gebeott arlöso und kut viel Geold und Gold übor. Sus abor muoß dio glitzgorig Schlang wiedor zruck in Keor ine und ma hört se z Nacht rumplo und pflänno.» und ein anderer Baron mußten 100.000 Goldgulden, mehrere Freiherrn und Ritter 50.000, die Ritter und Schildträger von Neapel auch 50.000bezahlen; der Graf von Spreck und Wilhelm von Fogliano, die selbst um Sold dienten, verloren ihre Waffen, Harnische und Pf erde.» Mit den anderen Söldnerführern teilte Konrad von Wolfurt — die italienischen Chronisten nennen ihn «Wolfart» oder «Corrado Lupo», den Wolf— die unfaßbar große Beute von 500000 Goldgulden und die vielen Wagenladungen voll anderer Schätze: «Nebst dem beträchtlichen Geldschatze theilten sie unter sich auch eine Menge Streitrosse, reiche Harnische und Waffengeräthe, ferner ganze Haufen durch Kirchenraub zusammengebrachte silberne Kirchengefasse, Kreuze, Kelche, köstliche Priestergewänder, Altarschmucku. dgl., auch ganze Gewölbe voll theure Juwelen, Schmuckkästchen von großem Werthe, die sie den Gemarterten durch lange Qualen entrissen hatten. Nach dieser Theilung war jeder Soldat reicher als er erwartet hatte; das Heer zog sich über den Volturno zurück, und die Feldherrn gingen zu Rathe, ob sie sich trennen wollten. Die Deutschen trachteten mit ihrem Raube ins Vaterland zu entkommen; nur Conrad Wolfart mit einigen ungarischen Heerscharen blieb noch im Königreiche Neapel und ging nach Apulien in feste Plätze zurück. Die reichen Freibeuter nahmen, als sie schieden, viele Mädchen und Frauen, die sie ihren Männern geraubt hatten, mit sich auf die Reise, und schlugen den Weg nach Deutschland ein.» Ulrich machte mit seinen Schätzen nun Karriere als Graf in Ungarn. Unter anderem war er Herr von Ödenburg und ritt als Gesandter des Königs 1352 zum Papst nach Avignon. Konrad hatte sich zuerst nach Guglionesi in die italienischen Abruzzen zurückgezogen, doch dann finden wir auch ihn als Grafen in Ungarn. Auch er war 1355 Gesandter beim Papst. An seiner Seite ritt damals Marquard von Hohenems. 1365 kaufte Konrad Stadt und Burg Arbon am Bodensee. 1364 hatte er dem Kloster Pfafers den berühmten Wolfurter Kelch gestiftet. Selbstbewußt stellte er darauf sein Wolfswappen zu den Zeichen der vier Evangelisten. Der Kelch zählt heute zu den Kostbarkeiten der Schweizer Schatzkammer in Zürich. Die Gemeinde Wolfurt besitzt seit 1982 eine Kopie. Ebenso schnell wie die Wolfurter Ruhm und Reichtum gewonnen hatten, verloren sie auch alles wieder in wenigen Jahrzehnten. Schon 1402 mußten sie ihre Stammburg Wolfurt verkaufen, 1405 auch noch Burg Gießer bei Lindau «samt Mühle, Korn, Weinzehnten und aller Zugehör, dazu 40 Bauern mit ihren Weibern und Kindern, . . . » Die verschiedenen Ritterlinien im Schwarzwald und am Bodensee starben aus oder wurden Bürger in den Städten. Auch in Ungarn erlosch das Geschlecht um 1450. 7 Äbte und Raubritter Weil im Mittelalter die Klöster ungeheuren Einfluß hatten, versuchten Kaiser und Fürsten jeweils die Abtwahl zu beeinflussen. So kamen auch viele Wolfurter in den staufischen Klöstern zu hohen Ehren. Allein im wichtigen Pfafers (im oberen Rheintal) stellten sie dreimal den Abt. Um 1370 war Burkhart Abt in Pfafers und seine Schwester Agnes Äbtissin in Lindau. Im gleichen Jahr finden wir einen Konrad von Wolfurt als Prior in Chur, Wolfhard als Propst im Stift Waldsee und Guta von Wolfurt als Meisterin von Münsterlingen. Eine ungeheure kirchliche Machtfülle in der Hand eines einzigen Geschlechts! Weit größere weltliche Macht hatten aber die Brüder Ulrich und Konrad von Wolfurt als Anführer von Söldnerheeren in Italien gewonnen. Für König Ludwig den Großen eroberten sie 1348 das Königreich Neapel. Italienische Chroniken berichten mit überschwenglichen Worten von ihrer Tapferkeit und Kriegkunst, aber auch von ihrer Grausamkeit und Geldgier. Von Konrad heißt es, als er die Stadt Foggia plünderte: «Erließ seine Soldaten nach Gefallen wirtschaften, sie bemächtigten sich der Häuser, der Geräthe, der Lebensmittel, und überließen sich ihren bösen Gelüsten mit Frauen und Jungfrauen; nicht zu frieden, die Bürger ihres Eigenthums beraubt, und das Glück der Familien gestört zuhaben, quälten sie die Hausväter noch überdies mit ausgesonnenen Martern, um von ihnen noch mehr Geld zu erpressen. Man schaudert bei der Beschreibung solcher Unthaten.» Auch Capua und Aversa wurden geplündert. Dabei machten die Söldner zahlreiche Gefangene, die sie nun durch grausame Martern zur Zahlung von ungeheuren Lösegeldern zwangen: «Die gefangenen Feldobersten, Raymund del Balzo, die beiden Grafen Robert und Tricario von San-Severino, der Graf von Santo-Agnolo 6 Holzhändler und Beamte Im 15. Jahrhundert kauften die Habsburger Stück um Stück von Vorarlberg, darunter auch Wolfurt. Als Lehen vergaben sie es an die Familie Leber aus Bregenz, die durch Handel mit Holz und Wein reich geworden war und nun noch nach Titel und Wappen strebte. Jakob Leber wurde schließlich um 1515 von Kaiser Maximilian geadelt. Er begründete das zweite Geschlecht «Ritter von Wolfurt». Wohl als Symbol seines Reichtums setzte er dem Wolf im Wappen eine goldene Krone auf. 1529 bis 30 stellten die Leber von Wolfurt ihr Schloß dem Fürstabt Kilian von St. Gallen und seinem Konvent zur Verfügung, der vor der Reformation hatte fliehen müssen. Kilian verunglückte beim Durchreiten der Ach. Die Leber hatten große Besitzungen in Bregenz. Ihnen gehörte das Gut Kronhalde. Auch am Deuring-Schlößchen hat man ihr Wappen mit dem gekrönten Wolf gefunden. Einige von den sechs Söhnen des Hans Jörg Leber trugen es noch einmal weit in die Welt hinaus. Junker Laux (Lukas) von Wolfurt diente den Grafen von Ems, die um 1600 auf dem Höhepunkt ihrer Macht standen. Erzbischof Mark Sittich machte ihn zum Stadthauptmann von Salzburg, der seinen Herrn mit ungeheuer zahlreichem Troß im Jahre 1608 zum Reichstag nach Regensburg geleitete. Sigmund von Wolfurt war Dompropst zu Konstanz. Als solcher verwaltete er die dortigen Güter des Salzburger Erzbischofs und versorgte diesen unter anderem auch mit Meersburger Wein. Ein Fenster im Münster trägt sein Wappen und das Todesjahr 1621. Johann Eucharius von Wolfurt wurde 1616 Fürstabt des Benediktinerklosters Kempten. Er machte es zu einem Zentrum der Gegenreformtion im 30jährigen Krieg. Das Kloster erwarb Dörfer und Schlösser und betrieb eine eigene Münzstätte. Seine Münzen mit dem Wolfurter Wappen sind heute besondere Raritäten. Um 1650 starb auch das Geschlecht der «Leber von Wolfurt zu Wolfurt» aus. Österreichische Beamte versuchten nun, mit Schloß und Wappen ihren Namen Klang und Geltung zu verschaffen. Ihr bedeutendster Vertreter ist Benedikt Reichart «von Wolfurt und Wellenstein», ein verhaßter Stadtammann und Steuereintreiber in Bregenz, der das Lehen ab 1695 besaß. Unter ihm bekam das Schloß jenes Aussehen, das wir von den ältesten Bildern kennen. Der Turm trug ein Satteldach. Ebenerdig war eine Schloß kapeile eingerichtet. Auf der Südseite deckte ein großer Weinberg den steilen Hang. Die letzte Adelsfamilie «von Wolfurt» war die des Bregenzer Amtsrats Konrad von Tröndlin-Greiffenegg, die das Schloß 1750 für 900 Gulden kaufte. 8 Schloßbauern Zum Schloß hatten einst auch die Bauern und die Mühle im Holz gehört. Längst hatten diese ihre Freiheit gewonnen. Im Jahre 1760 war Johann Stadelmann aus Buch (1725—1800) Besitzer des zweiten Hofes im Holz geworden (In diesem Haus lebte später der Wolfurter Ehrenbürger Dr. Lorenz Böhler). Johann Stadelmann trieb 1772 die 3600 Gulden auf, die die Witwe Tröndlin für das Schloß und allen dazugehörigen Grundbesitz verlangte und wurde der erste Schloßbauer. Seine Tochter Agatha heiratete 1799 Franz Xaver Köb aus Bildstein-Haag (1777—1859). Sie zogen in das alte Gemäuer ein und begründeten mit ihren 12 Kindern die große Sippe «Schloßburos» in Wolfurt. Von den Kindern wurde der Krämer Johann Köb (1805—1849) im Haus Kirchstraße 6 in Unterlinden Stammvater der Waldaufseher Köbs (Alwin, Anna...) an der Kirchstraße, der Gottfrieda Köb-Kalb in Unterlinden und der Schmied-Köbs an der Wälderstraße, aber auch vieler Tochterfamilien. Johann Baptist Köb (1814—1884) zog in die Bütze. Aus dem 1930 dort abgebrannten Haus stammen nicht nur die großen Familien von Vinzenz und Herbert Köb in der Bütze und von Johann Köb an der Schloßgasse («Stenzlers»), sondern neben anderen weit zerstreuten Köb-Familien durch ihre Großmütter auch die «Kapeller» und einige «Mohr»-Familien. Die Schloßbauern Xaver Köb und seine Söhne verkauften das Schloß 1856 an den Kaufmann Jakob Huter in Bregenz. Mit seinen zehn Kindern, darunter der Bürgermeister und Ehrenbürger Josef Huter (1844—1902), baute Jakob Huter das verwahrloste Schloß zu einem schönen Sommersitz um. Der Turm erhielt einen romantischen Zinnenkranz. An die Stelle der alten Wirtschaftsgebäude kam ein Wehrgang mit Wohnzimmern. Der alte Roßweg über die Halde wurde durch eine Fahrstraße ins Dorf erweitert. Von Huters Erben erwarb 1937 der Textilindustrielle Dr. Fritz Schindler aus Kennelbach das wieder arg baufällige und unbewohnte Schloß samt drei Hektar Grund. Schon ein Jahr vorher hatte er mit dem Umbau begonnen. Der Turm wurde ein Stück erhöht und mit Schwimmbad und Fernrohr ausgestattet. Wohnhaus und Wehrgang wurden komfortabel eingerichtet. Die neue Elektroinstallation wurde aber zur Ursache eines Großbrandes, der das Schloß am Abend des 12. Dezember 1939 fast völlig zerstörte. Unersetzbare alte Möbel, Türen und Deckengewölbe verbrannten. Es gelang Schindler, das Schloß nach Plänen von Architekt Tscharner bis zum Herbst 1940 wieder aufzubauen. Seine mutigen Flüge als einer der ganz wenigen Sportflieger von Altenrhein mußte er im Krieg einstellen. Immer noch wurden aber die prachtvollen Luxus-Autos, darunter das von 36 Elementen mit Energie versorgte große Elektro-Mobil des Schloßherren, von der Wolfurter Dorf-Jugend bewundert. 9 Als die Familie Schindler zu Kriegsende in die Schweiz flüchtete, vertraute sie das Schloß der getreuen Wirtschafterin Lisa an. Bald nahmen es die Franzosen in Besitz. In den unruhigen Maitagen 1945 verschwanden zwar einige Kostbarkeiten aus der Bibliothek, Insgesamt aber blieb das Schloß in gutem Zustand, weil die französische Militärregierung unter Colonel Jung ihren Sitz hierher verlegte und es von Militärpolizei bewachen ließ. Immer wieder kamen jetzt hohe Gäste auf Besuch, darunter General Bethouard und das Fürstenpaar von Liechtenstein. 1950 kehrte die Familie Schindler heim. Auch Dr. Fritz Schindler empfing nun häufig Gäste aus aller Welt, Fabrikanten, Künstler, Weltreisende oder den bekannten Radioprediger Pater Suso Braun. Die Söhne der Familie brachten eine besondere Form von exotischem Leben ins Schloß. Sie züchteten gefahrliche Giftschlangen, seltene Echsen und Krokodile. Alexander, der jüngste Sohn, widmete sich einige Jahre lang dem ebenso gefährlichen Auto-Rennsport. Seit dem Tode ihres Gatten ist nun Frau Friedel Schindler Besitzerin und Bewahrerin unseres schönen Wolfurter Schlosses. Franz de Barraga 1788—1835 • Seelsorger und Kirchenbauer (Vorwort von Siegfried Heim) Unter den sechs Wolfurter Pfarrern im 19. Jahrhundert gebührt Franz Xaver Barraga ein besonderer Platz. Im Jahre 1818 hatte der Papst aus Teilen der uralten Diözesen Chur, Konstanz und Augsburg das neue Generalvikariat Vorarlberg zusammengefügt. Bischof Bernhard Galura, der als erster Generalvikar seit 1820 in Feldkirch residierte, fiel die schwere Aufgabe zu, die hier aufeinander treffenden theologischen Schulen von Konstanz und Chur zu vereinen. Weil ein Priesterseminar fehlte, entstand drückender Priestermangel. Nur 156 von 176 Stellen waren besetzt. Die starke überalterte Geistlichkeit wehrte sich gegen neue Strömungen. (Nach Elmar Fischer, Die Seelsorge im Generalvikariat Feldkirch, 1968). Vor diesem Hintergrund müssen wir die in der Folge berichteten Auseinandersetzungen um Pfarrer Barraga in Wolfurt sehen. Im Pfarrbuch Catalogus Ic / Seite 4, findet sich über ihn folgende Eintragung: «Franz de Barraga, Viennensis, Tirolensis, zur Aushilfe von Tirol nach Vorarlberg berufen. War Kaplan zu Rankweil, Schwarzenberg, Pfarrer zu Damüls, nun hier seit dem 2. September 1828. - Starb allhier den 2ten November 1835.» Barraga war 1828 in die von seinen Vorgängern, «welche die Wirtshäuser zu sehr liebten», ziemlich vernachlässigte Pfarrgemeinde Wolfurt gekommen und hatte sofort mit dem Kirchenbau begonnen (Siehe Heft 4, Seite 58!). Damit schuf er sich erbitterte Gegner. Unbeirrt ging der Pfarrer seinen Weg. 1834 war der Rohbau der Kirche fertig. Aber auch des Pfarrers Kräfte waren verzehrt. Am Allerseelentag 1835 starb er - erst 47 Jahre alt. Das Diösezanarchiv in Feldkirch verwahrt eine Reihe von Barraga-Dokumenten. Vier davon hat Heinrich Köb für uns aufbereitet. 10 11 Bewerbungen um die Pfarrstelle Wolfurt im Jahre 1828 An das Ordinariat in Bregenz Daß die Pfarrei Wolfurt den 16. 12. dieses Jahres durch den Tod des Pfarrers Joh. Alois Graßmayer zur Erledigung gekommen sei, hat das unterzeichnete Amt zur gehörigen Zeit angezeigt. Daß diese Erledigung der vorarlbergischen Geistlichkeit bekanntgemacht worden sei, bezeugen die angeschlossenen Umlaufschreiben. Diese Pfarre ist eine der gut dotierten und der angenehmsten im ganzen Lande: eine halbe Stunde von der Hauptstraße entfernt, eine Stunde von Bregenz, in einer schönen und fruchtbaren Gegend. Kirche und Pfarrhaus sind auf einer Anhöhe, die Kirche ist schlecht und viel zu klein. Die Gemeinde etwa eine Stunde lang, zählt über 1200 Seelen und besteht aus 9 Parzellen: Wolfurt mit 139, Rickenbach mit 37, Ach mit 10, Holz mit 5, Steig mit 4, Frikkenesch mit 3, Bannholz mit 3, Meschen mit 2 und Bächlingen mit 2, zusammen 205 Häuser; 229 Familien. Vermutlich hat die Zahl seit der Zeit obiger vor einigen Jahren geschehenen Angaben zugenommen. Daß diese Gemeinde keinen gemeinen, sondern einen außerordentlichen Seelsorger erhalte, ist für selbe dringendes Bedürfnis, indem sie von den zwei verstorbenen Pfarrern, welche die Wirtshäuser zu sehr liebten, ziemlich vernachlässigt worden ist. Daher sind Unglauben, Verachtung des Heiligen, Rohheit und auch Säumen mit dem Eifer für die Schule recht zu finden. Wie könnte es anders sein? Vor allem muß das unterzeichnete Amt pflichtgemäß bemerken, daß da ein Seelsorger notwendig sei, der ein Feind des Wirtshausbesuches ist, der jahrum zu Hause bleibt, sich durch ein stilles, frommes und sanftes Benehmen Achtung verschafft, Eifer mit Geduld, Sanftmut mit Bescheidenheit verbindet. Auch eine äußere Bildung ist für ein Volk notwendig. Hat einen steten Verkehr mit der Hauptstadt und dem Auslande. Kurz, da muß ein anderer Boden gelegt werden. Um diese Pfarre haben sich beworben: 1. 2. 3. 4. Franz Xaver Barraga, Pfarrer von Damüls Gebhard Bechter, Pfarrer von Gaißau Jos. Stebele, Pfarrer in Warth Joh. Caspar Willam, Pfarrer im Silberthal zu 1 Der Bewerber Barraga wurde am 19. Juli 1788 zu Wien geboren, Priester seit dem 13. Dezember 1812, ist der deutschen und der lateinischen Sprache kundig, von ausgezeichnet guten Sitten. Die Theologie hat er zu Innsbruck absolviert, teils mit Vorzug, teils mit der ersten Klasse. Die Einstellungs- und Fähigkeitsprüfung hat derselbe am 17. und 18. September 1823 abgeschlossen, er hat in allen Gegenständen Noten erster Klasse erhalten. Dieser Priester diente etwa 15 Jahre in der Seelsorge, zehn Jahre in Tirol und fünf Jahre in Vorarlberg, zuerst an der großen Pfarre Rankweil, dann in Schwarzenberg und seit 1823 an der wildgelegenen Gebirgspfarrei Damüls. Überall weiset er sich durch höchst rühmliche Zeugnisse aus und das unterzeichnete Amt bezeuget, daß Barraga einer der gesittetsten und frömmsten Priester des Landes sei, der stets zu Hause ist, alle Wirtshäuser meidet und die Würde seines Standes durch sein anständiges Benehmen vor jedermann behauptet. Den Ermahungungen seiner Oberen unterwirft er sich ganz, die, wenn sie notwendig sind, und Mäßigung seines Eifers zum Gegenstande haben. zu 2 Der Bewerber Bechter ist am 25. Juli 1778 zu Bregenz geboren, Priester seit dem 22. 9. 1804, ist von guten Sitten, der deutschen und lateinischen Sprache kundig. Die Theologie hat er teils zu Linz, teils zu Innsbruck absolviert, mit den Noten der ersten Klasse, aus einigen Gegenständen auch mit Vorzug. Bei der im Mai 1823 abgehaltenen Fähigkeitsprüfung hat er aus allen Gegenständen die Note der ersten Klasse erhalten. Dieser Priester dient seit 1804 in der Seelsorge, fünf Jahre als Katechet in Bregenz, 13 Jahre als Kaplan zu Rorschach in der Schweiz, einige Zeit als Josephs-Benefiziat in Bregenz und seit 1823 als Pfarrer in Gaißau. Derselbe weiset sich durch sehr rühmliche Zeugnisse aus und das gezeichnete Amt bezeugt, daß er für Seelsorge Eifer und gute Talente habe, daß er sich genau seinem Berufe widme, dient zum Beweise, daß er ein Gebetbuch im Manuskripte vorgelegt hat. Dabei ist er nüchtern und unterwirft sich ganz höheren Anordnungen. Da er von schwerem Körper und etwas engbrüstig ist, dürfte ihm die Situation der Gemeinde Wolfurt, wie diese beschrieben worden ist, beschwerlich und immer beschwerlicher werden. zu 3 Pfarrer Stebele in Warth weiset sich durch keine Zeugnisse aus, wohl aber kann das unterzeichnete Amt bezeugen, daß es mit ihm zufrieden sei, muß aber pflichtgemäß beisetzen, daß er für die sehr bedenkliche Pfarre Wolfurt nicht für geeignet gehalten wurde. 12 13 zu 4 Über den Pfarrer Willam muß das, eben das, was über den Pfarrer Stebels gesagt wurde, bemerkt werden. Das unterzeichnete Amt bezieht sich auf den bei Beschreibung dieser Gemeinde aufgestellten Hauptgrundsatz. Das Patronat stand ehedem dem Stifte Mehrerau und stehet nun der hohen Landesstelle zu. den 31. März 1828 Bernhard von Galura (Generalvikar seit dem 16. 4. 1820) Nachdem der öffentliche Unterricht im Spätjahr 1829 seinen Anfang etwas später genommen hatte, fing Mesch eine Privatschule an, ohne hievon eine Meldung gemacht zu haben. Die Eltern, welche ihre Kinder zu dieser Privatschule schickten, waren meines Wissen: Ferdinand und Jakob Schneider, Jakob Böhler, Franz Josef Dür, Ziegler, Josef Schelling und andere, welche mir nicht genau bekannt sind. Die Kinder, welche diese Schule (Privatunterricht) besuchen wollten, waren teils der Schule entlassen, teils Pflichtige Kinder. 3. Frage: Haben Sie keine Kinder der Werktagsschule entlassen, damit selbe obige Privatschule des Joseph Anton Mesch besuchen könnten? Wie alt waren diese Kinder? Unter den schulpflichtigen Kindern, die entlassen wurden (werden wollten), waren Joseph und Katharina Schelling. Johannes aber wurde zum Entlassen unfähig, die Katharina aber zu jung befunden, und somit erfüllt keines die förmliche und legale Entlassung. Da der Katharina Schelling am gesetzlichen Alter nur vierzehn Tage mangelten, wurde sie als entlassen angesehen, und sie besuchte die Privatschule des Joseph Anton Mesch. Dabei kann sich Herr Pfarrer nicht erinnern, daß bei der Entlassung der Katharina Schelling die Absicht gewesen sei, sie darum vom Schulbesuche frei zu sprechen, damit sie die Privatschule des Joseph Anton Mesch besuchen könne. Joseph Schelling aber besucht die öffentliche Werktagsschule noch dermal. 4. Frage: Ist die Privatschule des Mesch mit ihrem Willen und Wissen gehalten worden, wußten auch die Vorstehung und das Inspektorat davon? Diese Privatschule wurde zwar mit Wissen, aber nicht mit Willen oder Übereinstimmung des hl.* Pfarrers gehalten. Über das Wissen und Wollen der Ortsvorstehung kann Herr Pfarrer keine Antwort geben. Allein die Distriktsinspektion äußerte sich vor dem Vater des Oberlehrers dahin, man möchte noch 14 Tage zusehen, ob aus der Privatschule wirklich etwas werde, oder ob sie sich selbst auflöse. Die Privatschule des Joseph Anton Mesch bestand somit noch nicht von amtswegen, sondern nur willkürlich. 5. Frage: Wann nahm diese Privatschule ihren Anfang, und wann endete sie? Diese Privatschule nahm ihren Anfang am 16.10.1829 und endete am 15.1.1830. Soviel dem hl. Herrn Pfarrer bewußt ist, ohne jedoch diese Angabe zuversichtlich zu machen. Soviel bewußt, hörte dieser Unterricht auf, fing dann wieder auf kurze Zeit an. (*hl. = «hochlöblich») 15 Pfarrer und Lehrer im Jahre 1830 (Eine Auseinandersetzung vor dem Dekan.) Einberufungsprotokoll des Hochwürdigen Herrn Franz Barraga, derzeit Pfarrer in Wolfurt, in bezug auf die, gegen selben unterm 30.1.1830 von einigen Gemeindeangehörigen in Wolfurt eingereichten Beschwerden. Geschehen in Schwarzach am 24. 2. 1830 im Dekanatshause durch den hiezu vom hochwürdigsten Generalvikariate unterm 11.2.1830 beordneten Dekan und geistlichen Rat Joseph Stadelmann. An dem oben angeführten Tage erscheint der Hochwürdige Herr Franz Barraga, Pfarrer in Wolfurt, 42 Jahre alt, Pfarrer daselbst seit dem 2. Feber 1828. Er gibt ihm die Zusicherung, auf die ihm vorgelegten Fragen gewissenhaft zu antworten. 1. Frage: Hatte nicht der nun selige Schulkandidat Gebhard Köb in Wolfurt eine Privatschule gehalten, mit welchem Eifer, auf wessen Bewilligung? Gebhard Köb hat nebst dem, daß er erwählter und in der Folge durch Dekret angestellter Lehrer war, auch einigen Kindern Privatunterricht aus den Gegenständen der deutschen Schule gehalten, mit gutem Erfolg und ohne Widerspruch. 2. Frage: Sind nicht auch im Spätjahre 1829 einige Eltern auf Entschluß verfallen, für einige ihrer Kinder durch den gegenwärtigen Schulkandidaten Jos. Anton Mesch Privatunterricht erteilen zu lassen? Welche Eltern widmeten ihren Kindern diese Privatschule und was für Kinder besuchten selbe? 14 6. Frage: Durch welchen Auftrag wurde diese Privatschule geendet? Hat Mesch von der ihm erfüllten Bewilligung, in den Häusern den Unterricht zu erteilen, Gebrauch gemacht? Indem Joseph Anton Mesch vorgab, das k.k. Landgericht hätte ihm die Bewilligung erteilt den Privatunterricht fortzusetzen, machte Herr Pfarrer die Anfrage bei dieser Gerichtsbehörde, ob dieses wirklich geschehen sei. Das belobte k.k. Landesgericht gab hierauf die Antwort, dasselbe habe dem Mesch die Erteilung des Privatunterrichtes in seinem Hause untersagt, ihm aber bewilligt, in den Häusern der Eltern und unter dieser ihrer Aufsicht nur ihren Kindern Unterricht zu erteilen, wenn keine besonderen Verhältnisse obwalten. (Gerichtsakt No. IV 22/316 vom 14.1.1830). Der Privatunterricht in dem Hause des Mesch erhielt hiedurch das Ende. Er fing dennoch auf einige Zeit wieder an, ohne jedoch fortzudauern. Ob jedoch Mesch von der ihm erteilten Bewilligung, in den Häusern der Eltern Instruktion zu erteilen, Gebrauch gemacht habe, ist dem hl. Pfarrer nicht bewußt. 7. Frage: Wäre Herr Pfarrer mit dem Unterricht der Kinder in den Häusern der Eltern zufrieden gewesen? Warum aber nicht mit dem Unterricht in der Wohnung des Lehrers Joseph Anton Mesch? Herr Pfarrer gab auf dieses Ansuchen den Bescheid, den er mündlich vom Herrn Distrikts-Inspektor vernommen hatte: Wenn nämlich die Gemeinde-Vorstehung die Verantwortung aller Nachteile und Folgen, die diese Schule etwa hervorbringen könnte auf sich nehme, könne diese Privatschule im Hause des Mesch fortbestehen. Diese Bewertung und Vorsorge hielt hl. Pfarrer darum notwendig, weil selbem der verderbliche Charakter dieser Schule vor Augen schwebte, indem Knaben und Mädchen von 13, 14, 16, 17 bis über 18 Jahren, folglich Kinder im gefährlichsten Alter, diese Schule besuchten. Es war zu vermuten, die Vorstehung werde sich für die Verantwortung einer so gefährlichen Sache um so weniger einlassen wollen und können, da ihr Amt als Vorstand mit jedem Jahr aufhören kann. Der Vorsteher Martin Schertler protestierte anfänglich gegen die Abweisung einer solchen Verantwortung. 10. Frage: Hat Ihnen der Schulkandidat Mesch nicht ein Zeugnis von der Vorstehung vorgelegt? Ist das Zeugnis echt? Durch verschiedene bittliche Zudringlichkeiten mag. hl. Vorsteher endlich zur Ausstellung des anliegenden Zeugnisses beredet worden sein, welches, so viel ich glaube, mit jenem ganz eins ist, welches mir Mesch vorlegte. 11. Frage: Warum waren Sie mit diesem Zeugnis nicht zufrieden, welche Umänderung verlangten Sie? Mit diesem Zeugnis wollte Herr Pfarrer nicht zufrieden sein, weil es Lügen enthält und mit dem Inhalt der Benachrichtigung des hl. k.k. Landgerichtes vom 14.1.1830 übereinstimmt, da nicht der Pfarrherr sondern das k.k. Landgericht den Privatunterricht eingestellt hatte. Daß Herr Pfarrer aber der Schule das Wort gesprochen habe, dessen erinnert er sich nicht und stimmt mit seiner ganzen Stellung gegen diese Schule nicht überein. Herr Pfarrer verlangte, wenn man ihn mit diesem Zeugnis nicht in Ruhe lassen wolle, es möchten alle Unwahrheiten ausbleiben. 12. Frage: Was geschah hierauf? Ist nicht der Ausschuß Schneider und der Lehrer Mesch zu Ihnen gekommen, und zu welchem Ende? Waren Sie bei derselben Ankunft zu Hause? In welcher Stunde kamen Sie nach Hause? Was hinderte Sie, diesen zwei Männern gleich Gehör zu geben? Jakob Schneider und der Schulkandidat kommen dann wieder in den Pfarrhof. Herr Pfarrer war noch abwesend, entweder in der Schule, die mündliche Prüfung abzuhalten oder bei einer Kranken, das aber selbigem nicht mehr bewußt ist. Bei dessen Ankunft befand sich in der Küche bei der Köchin eine arme Weibsperson, welche da dem hl. Pfarrer und Häuserin den Bericht erzählte, der ihr das hl. k.k. Landgericht darüber gegeben hatte, weil sie zu große Forderungen an die Armenkasse stelle. Nachdem Herr Pfarrer diese Klage angehört hatte, verließ er die Weibsperson in der Küche bei der Köchin und eilte seinem Zimmer zu. 17 Auf dem das löbl. k.k. Landgericht einmal diese Bewilligung in den Häusern der Eltern ihre eigenen Kinder zu unterrichten erteilt hatte, konnte und wollte Herr Pfarrer nichts entgegen sagen. Aber gegen den Unterricht der Kinder in der Wohnung des Lehrers Joseph Anton Mesch glaubte Herr Pfarrer sich aus den Gründen erklären zu müssen: Weil der XVII Bbsh. § 10 der politischen Schulverfassung dererlei Winkelschulen ohne Erlaubnis der Behörde untersagt. Mesch aber konnte diese Bewilligung, obschon er sich bewarb, nirgends erhalten. Die Gründe, wegen welchen Mesch insbesondere vom Lesedienste an der hiesigen Gemeinde-Schule abgewiesen wurde, hat das HW Inspektorat zu Hörbranz an die höheren Behörden eingereicht. 8. Frage: Haben die Eltern der Kinder, welche an dem Privatunterricht des Mesch teilnahmen, das Ansuchen um die Bewilligung dieses Unterrichts nicht erneuert und durch wenn? Das Ansuchen um den Fortbestand der Privatschule des Mesch wurde erneuert, und zwar durch den Gemeinderat Jakob Schneider. 9. Frage: Welchen Bescheid gaben Sie? Bewilligten Sie die Fortsetzung der Privatschule nicht unter einer Bedingung und unter welcher? Und warum dieses? 16 13. Frage: Haben Sie den Jakob Schneider und Mesch in dieser Stunde angehört? Warum nicht? Es war schon über 12 Uhr mittags, die zwei Männer trugen sich an des Nachmittags oder Abends wieder zu kommen, sie wollen den Herrn Pfarrer vom Speisen nicht abhalten, wozu Herr Pfarrer zufrieden war. Die zwei Männer entfernten sich. 14. Frage: Wann kehrten diese Männer zurück? Welchen ließen Sie vor? Worüber unterredeten Sie sich mit Schneider? Am Abend dieses Tages kamen der Gemeinderat Schneider und Mesch in den Pfarrhof und wurden in das gewöhnliche geheizte Wohnzimmer eingeführt. Jakob Schneider aber wurde alsbald im größeren Wohnzimmer dem Pfarrherrn vorgestellt. Mit Mesch sich in ein Gespräch einzulassen, fand der hl. Barraga für ganz überflüssig. Mit dem Gemeinderat Schneider unterredete sich Herr Pfarrer über ein Zeugnis ab Seite der Gemeindevorstehung in bezug auf die Übernahme aller Folgen und Nachteile aus dieser Privatschule. 15. Frage: Wann brachte man Ihnen dieses zweite Zeugnis? Ist es wirklich jenes, welches Ihnen vorgewiesen wurde? Warum gaben Sie auch über dieses Ihr Mißfallen und haben Sie dieses Mißfallen mit einem Schwall von Beschimpfungen gegen Mesch ausgedrückt. Am folgenden Tage hinterbrachte der Gemeindeausschuß Jakob Schneider ein in etwas vom ersten abgehendes Zeugnis. Ihn begleitete Ferdinand Schneider und der hiesige Vorsteher Martin Schertler. Das nun vorgelegte zweite Zeugnis schien nun mit dem schon vorgelegten übereinzustimmen. Herr Pfarrer fühlte bewunderndes Mißfallen, daß der Vorsteher, der Anfangs, wie eben bemerkt wurde, gegen die Übernahme aller bösen Folgen aus dieser Privatschule geradestehe, nun jetzt dieses Zeugnis unterschrieben hat und erklärte den gegenwärtigen Männern abermals, daß hl. Pfarrer diese Winkelschule nicht genehmigen kann, und dieses um so weniger, da dieser Schule ein Mann vorstehen will, der nicht vorteilhaftesten Sittenzeugnisse aufzuweisen imstande ist. Ja, im hohen Mißtrauen bei dem k.k. Philosophischen Studiendirektorat zu Salzburg laut Zuschrift vom 28. Dezember 1829 stehet. Indem selbes dem Ermessen des hl. Pfarrers überläßt, ob ihm (für Mesch) ein Zeugnis ausgestellt werden soll oder nicht. Hierauf setzte hl. Pfarrer noch andere Umstände auseinander, aus welchen man von Mesch jenes gute und unbescholtene Betragen nie erwarten kann, welches einem Schullehrer, folglich einem Muster für die Gemeinde eigen sein muß. Wenn Herr Pfarrer diesen Männern, also den Vorständen der Gemeinde, auch im Eifer sagte, daß Mesch ein Schuldenmacher, ein ordnungsloser Übertreter der nächtlichen Polizeistunden u.s.w. sei, so sagte er eine Wahrheit, die nur zu allgemein bekannt ist. 18 16. Frage: Kennen Sie auch die Eltern jener Kinder, welche an dieser Privatschule Anteil nehmen wollen, und was halten Sie von ihrem Charakter und Lebenswandel? Einige von den Eltern jener Kinder, welche an dieser Privatschule des J. A. Mesch Anteil nehmen wollten, sind dem hl. Pfarrer bekannt: z. B. Ferdinand und Jakob Schneider, Jakob Böhler (Schwanenwirt), Franz Josef Dür (Ziegler), Magdalena Schertler (Wittwe), Kaspar Thaler (Wittwer), Kreszenzia Schneider, Barbara Gasser (Sternenwirtin), Johann Schelling (Kronenwirt) usw. In bezug auf den Charakter und Lebenswandel dieser Eltern kann Herr Pfarrer kein genaues Urteil fällen; wenn auch einige derselben eine belobungswürdige Aufführung haben, so zeigen sich andere als nicht ganz tadellos. Und überhaupt zeigt sich der Charakter dieser Eltern durch die Widerseztlichkeit gegen die gute Absicht des Herrn Pfarrers, welcher es mit seinen Pfarrangehörigen überhaupt, in diesem Falle aber insbesondere gut meinte, nicht in jenem Lichte, welches einem wahren Seelsorger angenehm und willkommen sein kann. 17. Frage: Haben Sie wirklich gesagt, wie die Anlage erweist, daß alle Eltern, welche ihre Kinder zum Mesch in die Privatschule zu seinem Hause schicken, schlechte, liederliche Eltern sind? Hl. Pfarrer fuhr in seinem wahrlich nicht ungerechten Eifer fort: Wenn Eltern wider den kräftig ausgedrückten Willen des Pfarrers ihre Kinder in eine Schule, wo ältere Knaben und Mädchen täglich zusammen kommen, in eine Schule, die keineswegs von der Obrigkeit genehmigt, sondern vielmehr untersagt worden ist, in eine Schule, wo ein gewester Student, der ohne Zeugnisse von seinem Studierplatze nach Hause gekommen und auch nicht das beste Sittenzeugnis aus dem Präparander-Curse in Bregenz erhielt, so fühlte sich hl. Pfarrer zu dem Ausdrucke gezwungen, daß jene schlechte Eltern sind, wenn sie das, was ihnen auf Erden das teuerste Gut sein soll, wofür sie die erste Sorge tragen und vor Gott so strenge Rechenschaft geben müssen, welches die eigenen Kinder sind, nicht einem würdigen, tadellosen, ehrenhaften Lehrerindividiuum anvertrauen wollen. Wer kann einem Seelsorger, welcher die Aufsicht über die Sitten und Seelenbildung der Pfarrjugend von der Kirche und von dem Staate anvertraut ist, einen solchen Ausdruck verübeln, da er gewahr wird, daß für einen unschuldigen Teil seiner Herde Gefahr drohet, einmal gewiß drohen könne? Herr Pfarrer sagte nicht, daß die Eltern jener Kinder, die an der Privatschule des Mesch Anteil nehmen, überhaupt schlechte, liederliche Eltern sind, sondern dadurch diesen Verdacht auf sich ziehen, indem sie zu wenig kluge Ansicht gebrauchen, wenn sie ihre Kinder anvertrauen und was die Kinder beiderlei Geschlechts in einer kleinen Winkelversammlung, in einem Alter von 16 bis 18 Jahren werden könnten. 19 18. Frage: Da die Kläger vorgeben, sie seien durch Ihre Beschimpfungen gekränkt worden und deswegen Satisfaktion verlangen, werden Sie sich verpflichtet finden, selbe zu leisten oder die beleidigende Aussage zu beweisen? Zu einer Satisfaktion kann sich der Hw. Pfarrer um so weniger verstehen, da er aus wohlwollendem, für das Heil seiner Pfarrjugend glühendem Herzen, seelsorglich und nur bedingt gesprochen, und nur diesen befraglichen Fall im Auge hatte. Übrigens sei für gute und sorgenvolle Eltern erklärt, wenn sie für ihre Kinder die beste Sorge tragen und auch die tauglichen, von ihren Seelsorgern ebenfalls gebilligten Mittel wählen. Da eben die Eltern jener Kinder, welche an dieser Winkelschule Anteil nahmen, sich dem bestgemeinten Bestreben des hl. Pfarrers widersetzten und blind und widersetzlich ihre, zur Verfügung so empfängliche Jugend beiderlei Geschlechts vom mehrmals bemelten Alter, in die Gefahr schicken wollten und darüber dem Seelsorger viel Ungelegenheit und kummervollen Mißmut verursachten, stehet das Recht an dem hl. Pfarrer, durch Abbitte an ihn Genugtuung und pflichtschuldige Aussöhnung zu fordern. Auch muß bemerkt werden, daß die zwei Augenzeugen Jakob Schneider und Joseph Anton Mesch jede Kleinigkeit, welche während ihrer Gegenwart im Pfarrhaus vorging, bezeugen wollen, um den Pfarrer vor den Zeugen seiner höheren Behörden herabzusetzen. Z.B.: sein spätes Nachhausekommen, wer weiß woher? Seinen Aufenthalt bei einem Weibsbild in der Küche, das Urteil der Köchin, welches aber durch die beiden berichtigt wird. Schließlich bittet gez. Pfarrer den Vorsteher das Unschickliche und Fehlerhafte seines Zeugnisses: «Für alle Folgen, welche aus dieser Schule entstehen durften, haften zu wollen», vor Zeugen zu stellen. Das Urteil des Dekans, 1830 Hochwürdiges Fürstbischöfliches Generalvikariat! Unterm 11. Februar 1830, Nr. 137, präsentiert am 16.2., hat das Hochwürdigste Generalvikariat dem gefertigten Dekanate den Auftrag erteilt, den Herrn Pfarrer Barraga in Wolfurt über die gegen ihn erhobenen Beschwerden Punkt für Punkt zu vernehmen und sodann die anher angeschlossenen Akten wieder ans Generalvikariat zurückzusenden, welches hiermit durch Anschluß geschieht. a) Eingebogen in dieses Schreiben folgt das Protokoll über die Klagepunkte einiger Gemeindeangehörigen von Wolfurt gegen den Herrn Pfarrer Barraga auf eine gewisse Privatschule unter dem Schulpräparanden Mesch zu Wolfurt, welches Klageprotokoll unterm 30. Jänner 1830 an das hochlöbliche Kreisamt eingereicht worden ist. b) Sodann folgte auch das Einvernehmungsprotokoll des benannten Herr Pfarrers gegen eine Klageschrift der Vorstehung von Wolfurt vom 29. Jänner 1830, beim k.k. Landgericht Bregenz eingereicht. zu a) Die Privatschule, welche J. A. Mesch in Wolfurt unternehmen wollte, war eine Sache de pane lucrando; aber unter den Verhältnissen, wie selbe da zusammentrafen, nicht ganz zu billigen. Ganz ungeeignet hat Herr Pfarrer den Vorsteher in dieses Geschäft einbezogen, von ihm eine Gewährleistung verlangt, die eitel, nutzlos und im Benötigungsfalle immer zu spät ist. Aus dem Klageprotokoll ist ersichtlich, wie Herr Pfarrer Barraga zwar alles ordnen will, sich aber nicht Rat weiß und endlich hinter die Wüste gerät. zu b) Die Klage der Vorstehung, daß sich Herr Pfarrer in die Angelegenheiten der Gemeinde einmenge, ist, wenn er sich schon hinauszuwinden bemühet, richtig. Der jetzige Vorsteher ist ein friedliebender Mann und hatte nun schon durch ein Jahr eine eiserne Geduld. Der vorige Vorstand klagte gegen den Herrn Pfarrer beim k.k. Landgerichte in jeder Sache. Hl. Barraga verkündete, daß jeder Streit, ehe man vor Landgericht gehe, vor ihn gebracht werde, wodurch verschiedene Spannungen und Reibungen entstehen. Das k.k. Landgericht beschwerte sich beim Gefertigten schon öfter über Barraga. Wenn das Dekanat ihm derlei Dinge vorhält, gehet er zum Landgericht, verlangt Aufschlüsse und Antwort. Die im letzten Herbste von Seiner Fürstbischöflichen Gnaden mir aufgegebenen Erinnerungen an Barraga machte ich ihm bekannt, wie auch mehrere Beschwerden vom hl. Landgerichte in Bregenz. Ich gab ihm die geeigneten Warnungen und Schwarzach, wie oben Joseph Stadelmann, Dekan Geistl.-Rat Franz von Barraga, Pfarrer Die eigenhändige Fertigung des Herrn Pfarrer Franz Barraga bezeuget Josef Stadelmann 20 21 Belehrungen. Er achtete nicht darauf, schickte an mich über 30 inquisitorische Fragen über meinen Bericht, und stellte mich dadurch unter seine Verantwortung. Barraga hat mehrere Weiber, die ihm vieles zutragen und rachgierige Klagen über die Gemeindevorstehung und andere Personen anbringen. Besonders gewichtig ist bei ihm die Mutter des Präparanden Stülz, welche unter dem Namen «Flatzen Mägdlein» bekannt ist und zweimal im Zuchthaus war. Barraga schreibt immer Protokolle, Briefe an die Leute in der Gemeinde, fordert die Gemeindevorstehung zur Verantwortung, macht Berichte an das Landgericht, eilt allem vor. Mit Verhören kaum etwas fertig, rührt er um1/211 zur Schule, hält die Kinder über die Zeit auf. Barraga hängt in allem, macht sich immer odioser, der Unwillen nagt bei einigen gegen ihn tief, er fragt niemanden was nach, ist stolz und unbeugsam. Daß er im übrigen sehr sittlich und ordentlich ist, und bei sich alles gut meine, überall die gute Absicht habe, kann ihm nicht in Abrede gestellt werden. Wenn selbem das Hochwürdige Generalvikariat eine triftige Zurechtweisung in seine Schranken, die vierteljährliche Einsendung seiner Predigten und Schriftenlehren und das Ausarbeiten theologischer Aufsätze auflegen und erteilen wollte, und vielleicht auch damit in die Schranken zurückweisen wollte, daß seine Eingaben an das Landgericht, Gemeinde, Kreisamt, jedesmal die dekanamtliche Fertigung haben müssen, ohne welche sie nicht anerkannt würden, könnte seinem exzentrischen Magen auf einige Zeit Einhalt getan werden. Aber zu wünschen wäre, Barraga möchte auf eine Kaplanei oder auf ein subalternes Benifizum versetzt werden. In Wolfurt wird er noch Geschäfte machen und kehret sich an keine Maßregel. Es ist war, er hat einige sehr böse Männer, diese sind gerade seine Feinde, nehmen ihm das Zutrauen, agieren rastlos gegen ihn, er gegen sie usw. Unter tiefster Verehrung Dekanat Schwarzach am 2. März 1830 Josef Stadelmann Dekan Der Moralitätsbericht des Pfarrers im Jahre 1832 Hochwürdiges, Gnädigstes, Fürstbischöfliches Generalvikariat zu Feldkirch Gehorsamst Unterzeichneter hat hiemit die Ehre, den Moralitätsbericht von der Pfarre Wolfurt vom Jahre 1831/32 zu erstatten. 1. Kinder sind 48 zur Welt gekommen. Unter diesen befinden sich zwei uneheliche. Indem eines dieser ledigen Kinder von einem übrigens sehr ordentlich gebildeten Weibsbilde, welches zudem sehr honette Eltern hat, herkommt, so glaubt Rat Herr Dekan Stadelmann, der diese Familie sehr gut kennt, man soll denken, daß ein Zwang angeordnet worden sei. Sie ist in einem Wirtshause. Das Weibsbild des zweiten ledigen Kindes ist eine Keßlerstochter. Sie ist von einem Keßler aus einer anderen Pfarrei - nicht in Wolfurt - verführt worden. Nebst zweckdienlichem Unterricht ist sie unter strenger Aufsicht gestellt, zudem hat sie fürdermal die Transportierung ins Schwazer Arbeitshaus erbettelt, aber zugleich den Revers abgegeben, daß sie, wofern sie sich noch einmal verführen lasse, ins Arbeitshaus gehen wolle und müsse. 2. Obwohl der gerechte Gott seit einigen Jahren schauderhafte Beispiele der Bestrafung des Lasters der unmäßigen Trunksucht aufgestellt hat, so gibt es leider noch Fälle des Volltrinkens. Neigung zur Unterhaltung in den Wirthäusern ist die Quelle dieses Lasters. Dazu gesellt sich noch eine Dosis Leichtsinn und Prahlerei, als dürfte man das Geld nicht achten. Möchten derlei Menschen die Ermahnungen, Vorstellungen zur Gottesfurcht, daher zur Nüchternheit, Bescheidenheit, pflichtschuldige Anwendung des Geldes, zur milden Freude immer mehr und mehr zu Herzen nehmen. Stufenweise werden sie sich aus ihrem Abgrunde reißen. 3. Die Trunkenheit gab auch die traurige Veranlassung zu Raufereien, die sich zweimal ereigneten unter Burschen, und aus diesen Raufereien entstanden Feindseligkeiten, indem auch die Obrigkeit einschreiten mußte und Unkosten absetzte. 4. Fernere Veranlassung aus dem obenbenannten Besuche der Wirtshäuser entsteht das bei einigen wenigen übliche Nachtschwärmen. Nebst Darstellung dieses Gott mißfälligen Benehmens wird auch in die Hausväter und Hausmütter gedrungen, solchen Vaganten keinen Unterschlupf zu geben. Daß aber die Belehrungen, Zusprüche viele Früchte bringen, wird den Seelsorger bei all seiner schuldigen, rastlosen Arbeit vor dem Tabernakel recht häufig sein Gebet ausgießen und in Erkenntnis seines Nichts vertrauensvoll rufen: Herr rette uns, wir gehen zugrunde! (Math. 5) 23 22 Mit blutendem Herzen und Tränen in den Augen durchblicke ich die nun hingelegten schauderhaften Schattenseiten der Pfarre; aber es sei doch auch erlaubt, einige Züge hinzuzusetzen, die gewiß ohne Rührung nicht gelesen werden können. a) Ausgezeichnet ist der Eifer der Eltern, ihre Kinder in die drei Klassen zu schicken. Wöchentlich aber sehen sie auch durch die Mühe der Lehrer die schönen Fortschritte der Kleinen. Sehr fleißig erscheinen die der Werktagschule entwachsene Jugend bis 18 Jahre in der Wiederholungsschule. Nur der enge Raum der Schule zwang Kinder aus der dritten Klasse zu entlassen, die noch gern - ohne Pflichtigkeit - geblieben wären. b) Sehr fleißig erscheint man auch bei den Gottesdiensten vor- und nachmittags. Es ist kein Sonn- und Feiertag, an welchem man nicht zur hl. Beichte und Kommunion geht. c) Die Jungfrauen bereicherten sich auch, ein prachtvolles rotsamtenes, mit reichen Goldblumen gesticktes Muttergotteskleid anzuschaffen. Tränen floßen, als man selbes das erste Mal in der Kirche erblickte. d) Auch die Jünglinge leisteten Beiträge zu einem prächtigen und lieblichen Muttergottesmeßkleid. Das unterwartete Erscheinen desselben erfüllte die ganze Gemeinde mit innigem Wohlgefallen. e) In Hinsicht des Kirchenbaues sieht man einem erstaunlichen Resultat entgegen. f) Das wohllöbliche k.k. Kreisamt und das löbliche k.k. Land- und Kriminalgericht wie auch die Ortsvorstehung arbeiten mit besonderem Interesse für das Wohl der Gemeinde. Indem Gehorsam Gefertigter in engen Umrissen den Schatten und das Licht seiner Gemeinde darlegte, so bittet er um die fernere Huld und Gnade des Hochwürdigsten Gnädig, Fürstbischöflichen Generalvikariats, und hat die Ehre in tiefster Ehrfurcht sich zu empfehlen. Wolfurt, den 29. Jänner 1832 verbindlichster, treugehorsamster Franz de Barraga, Pfarrer Siegfried Heim Bis nach Amerika! Auswandererschicksale Wer in unseren Jahrzehnten erlebt, wie Einwandererwellen aus Kärnten und Steiermark, aus Jugoslawien und der Türkei unser Industrieland Vorarlberg auffüllen, kann sich kaum vorstellen, daß einige Jahrzehnte früher ganze Ströme junger Arbeiter die kinderreichen und brotarmen Täler unserer Heimat verlassen mußten, um in fremden Ländern kargen Verdienst zu suchen. Nach Amerika flohen die ersten Wolfurter, als um 1850 die Handweberei durch die Konkurrenz der Fabriken brotlos wurde. Eine zweite große Welle folgte schon um 1870, weil die Fabriken nur Hungerlöhne zahlten und aus Amerika Gold-Nachrichten lockten. Die dritte Flucht ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten setzte 1922 ein, als die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg den jungen Kriegsheimkehrern die letzte Hoffnung auf Arbeit in der Heimat raubte. Insgesamt etwa 200 Wolfurter wanderten nach Amerika aus. Von drei besonders großen Familien will ich berichten. Im Haus Nr. 121 an der Kreuzstraße lebte seit 1903 der Wagner Johann Heitz aus Neustadt im Schwarzwald mit seiner Frau Theresia, geborene Reiner, die drüben an der Kirchstraße aufgewachsen war. Von 1906 bis 1914 wurde ihnen fast jedes Jahr ein Kind geboren, 7 Buben und 2 Mädchen: Karl, Josef, Anna, Johann, Albert, Maria, Franz, Anton und Ludwig. Als ersten zog es 1926 Josef Heitz nach Amerika. Der 21jährige Schlosser hatte bis dahin bei Doppelmayr gearbeitet und brachte es später in Amerika selbst zu einem großen Betrieb mit 70 Beschäftigten. Auf seine ersten Briefe hin folgten ihm schon 1927 die vier erwachsenen Geschwister: Karl, der Wagner und Zimmermann; Anna, die ein paar Jahre später den Wolfurter Auswanderer Franz Schertler heiratete; Johann, ebenfalls Schlosser; Albert, erst 18jährig. Im Jahre 1931 wollten auch die Eltern mit den vier jüngeren Kindern nachreisen. Sie hatten sich schon das Visum besorgt, mußten ihr Vorhaben aber dann wegen der hohen Kosten von je 300 Dollar aufgeben. Nach des Vaters Tod und dem Brand ihres Hauses bauten sie sich zu viert das große Haus an der Kirchstraße. Dort betrieb Franz seine Schreinerei und Ludwig seine Wagnerei. Die Konditorei des Bruders Anton konnte nicht mehr eröffnet werden, denn er ist 1940 als einer der ersten Wolfurter Soldaten gefallen. Als die Wagner kaum mehr Arbeit fanden, ging auch Ludwig 1955 bis 63 noch für ein paar Jahre nach Amerika. 25 24 Zwei Generationen früher hatten 1841 der «Tobler» Gebhard Schwerzler und seine Frau Maria Anna Rusch im Elternhaus im Tobel eine Familie gegründet. Zwischen 1843 und 1862 wurden ihnen zwölf Kinder beschieden, 7 Buben und 5 Mädchen: Ferdinand, Maria, Kreszentia, Josef, Anna, Gebhard, Johann, Wilhelm, Martina, Fridolina, Leopold und Fidel. Ferdinand heiratete in die Bütze und Josef ins Elternhaus. Beide begründeten selbst große Familien. Aber für die anderen zehn war kein Platz. Da wanderten sechs von ihnen nach Amerika aus: Kreszentia, Gebhard, Johann, Wilhelm, Leopold und Fidel. Es war eine Ausnahme, daß mit Schwester Kreszentia auch ein Mädchen ins Ungewisse mitfuhr. Sonst zogen ja nur Buben aus. Die Schwestern Maria, Martina und Fridolina mußten daheim ledig bleiben. Einzig Anna fand noch einen Ehepartner in Wilhelm Rohner aus Lauterach. Von ihren acht Kindern wurde Theodor Rohner 1938 Bürgermeister vonWolfurt.In Amerika starb Leopold schon mit 19 Jahren. Die anderen fanden zum Teil Arbeit beim Aufbau der 1871 durch einen Großbrand zerstörten Stadt Chicago. Einige ließen sich vor 100 Jahren in Tissin, Ohio, nieder. Bis zum Zweiten Weltkrieg kam manchmal ein Brief mit einem Foto. Seither sind die Kontakte erloschen. * Noch ein Jahrzehnt früher lebten in Rickenbach im Loch (Kellaweg 4) Martin Schneider und seine Frau Anna Maria Flatz. Sie war eine Nichte des Malers Gebhard Flatz. Ihr Vater, der Bäcker und Mohrenwirt Josef Anton Flatz, war verarmt gestorben. «Marteles im Lo» waren mit 13 Kindern gesegnet, von denen 6 früh starben. Franz Xaver, der älteste Sohn, fuhr schon 1851 nach Amerika. Als sich 1853 wieder ein paar Wolfurter Familien auf den Weg machten, schloß sich ihnen auch der zweite Sohn Johann Gebhard Schneider an. Er war noch nicht 17 Jahre alt. Über sein abenteuerliches Leben und das Schicksal seiner Eltern, die ihm 1859 mit ihren letzten 5 Kindern nach Amerika folgten, berichtet Schneider als 80jähriger Greis in gebrochenem Englisch in einer Chronik. Sein Urenkel hat mir eine Abschrift geschickt. Ich versuche hier eine Übersetzung, weil ich glaube, daß ein solches Wolfurter AuswandererSchicksal manchen von uns nachdenklich machen könnte: Martin Kalb und deren Familien. Wir wanderten durch die Schweiz und einen Teil Deutschlands und kamen in fünf Tagen nach Antwerpen in Belgien. (Anmerkung: Von Basel aus gab es damals schon eine ganz neue Eisenbahn, die überfüllte Auswandererzüge nach Antwerpen brachte.). Von dort schifften wir uns am 28. Februar 1853 in einem Segelschiff namens «: etrol» nach Amerika ein und landeten nach 49 Tagen am 8. April in New York. Am 24. April 1853 kamen wir nach Fremont in Ohio. Meine zwei Onkel kauften 40 "acres" Land (das sind über 16 Hektar) im Osten von Lindsay. Den ersten Sommer arbeitete ich dort für die Überfahrt in dieses Land, die sie für mich bezahlt hatten. Im Winter von 1853 auf 1854 versuchte ich den Möbelhandel bei Adam Miller in Fremont zu erlernen. Aber als er mich Hund (a dog) nannte, wollte ich nicht länger bleiben. Ich verließ ihn und ging nach Scott Township. Dort arbeitete ich einen Sommer lang für Jakob Zimmermann aufseiner Farm. Auch für andere Farmer arbeitete ich bis zum Frühjahr 1856. Im Herbst 1855 wurde ich von Fieber befallen und konnte es nicht mehr los werden. Man sagte mir, ich brauche einen Klimawechsel. So ging ich im Frühjahr 1856 nach Iowa, wo ich ein paar Freunde aus der Heimat wußte. Als ich zu ihnen stieß, machten sie sich gerade aufden Weg nach Minnesota. Sie sagten, ich solle mitgehen. Das tat ich und blieb den Sommer über bei ihnen. Sie warnten mich vor dem kalten Winter. Daher kam ich im Spätherbst wieder nach Ohio zurück, zu meinem alten Freund Zimmermann in Scott Township. Den Winter über blieb ich bei ihm. Drei Monate lang arbeitete ich in der Landwirtschaft und besuchte gleichzeitig eine Englisch-Schule. Im Frühjahr 1857 brachen Joseph Böhler und ich nach Kansas auf. Jeder von uns übernahm dort ein Stück Staatsland fürje 114 Dollar pro Acre (40 ar). Im Frühling 1859 erhob sich der Goldrausch (Gold Excitement) von Pikes peak. Joe Böhler und ich verkauften unser Land in Kansas und trafen in einer Gesellschaft zu viert Vorbereitungen für den Weg nach Pikes Peak. Jeder kaufte ein Paar Ochsen und einen Wagen. Wir zogen nach Leavenworth City und besorgten uns dort Proviant für sechs Monate. (Anmerkung: City war damals natürlich noch keine Stadt, sondern ein von Indianern bedrohtes kleines Nest im Wilden Westen.) Als wir ein paar Hundert Meilen weit gekommen waren, trafen wir auf Hunderte von Goldsuchern. Sie waren auf dem Rückweg und berichteten, es sei nichts. Da wir große Vorräte mitführten, beschlossen wir nun, nach Kalifornien zu gehen. 27 Autobiography Of John Gephart Sneider Lebenslauf des Johann Gebhard Schneider. Von der Zeit, da ich, Johann Gebhard Schneider, die Heimat ("the Old Country") verlassen habe, bis zum gegenwärtigen Datum, dem 15. März 1915. Ich verließ meine alte Heimat, ein Dorf mit dem Namen Wolfurt, nicht weit vom Bodensee (Lake Constance), Vorarlberg, Tirol, am 18. Februar 1853 mit zwei Onkeln, den Herren Flatz, und einer Tante, Johanna Flatz, mit Martin Schwerzler, Joseph Böhler, 26 Fünf Jahre und vier Monate war ich in Kalifornien und schuftete in den Goldminen. Aber ich gehörte nicht zu den Glücklichen, diedortReichtum fanden. Als ich in die Minen ging, besaß ich 150 Dollar. Nach fünf Jahren Arbeit kam ich mit 750 Dollar heraus. Im Dezember 1864 machte ich mich auf den Weg nach Ohio. Ich wollte meinen Vater, die Brüder und die Schwester besuchen, die ich seit nahezu zwölf Jahren nicht mehr gesehen hatte. Vater und Mutter waren mit unserer Familie 1859 ebenfalls in dieses Land gekommen, sechs Jahre nach mir. Meine Mutter war vier Tage nach Ihrer Ankunft in Fremont gestorben. DenRückweg von Kalifornien nach Ohiomachteich über das Meer (by water). Ich querte Pananama an der Stelle, wo jetzt der Panamakanal situiert ist. (1864 waren dort noch Urwald und Sümpfe.) Den Winter von 1864 auf 1865 wohnte ich mit Vater, Brüdern und Schwestern in Rice Township auf der Farm, wo mein Bruder Leonhard nochjetzt lebt. Im Frühling 1865 zog ich wieder westwärts nach Iowa. Ich arbeitete dort für die Eisenbahngesellschaft. Als Heizer auf einer BauLokomotive verdiente ich zwei Dollar pro Tag. Wäre ich jünger gewesen, so hätte ich das Eisenbahnergeschäft gelernt. Aber ich war schon in meinem dreißigsten Jahr, zu alt um noch eine Ausbildung als Eisenbahningenieur zu beginnen. Damals mußten alle noch als Heizer anfangen! Zu Winteranfang 1865/66 kam ich wieder heim. Am 22. Oktober 1866 wurde ich mit Mary Ann Reineck getraut. Für ein Jahr ließ ich mich in Fremont nieder. Dann kaufte ich sechs Acres Boden in Flat Brush, eine Meile westwärts von der Stadt Fremont. Darauf stellte ich ein Haus und machte es für 45 Jahre zu meinem Heim. Meine Frau wurde Mutter von zwölf Kindern. Eines starb im Alter von neun Wochen, die anderen erzogen wir zu Männern und Frauen. Meine liebe Ehefrau starb am 24. April 1908. Sie war mehr als fünf Jahre lang krank und von Schmerzen geplagt gewesen. Meine Töchter und ich haben uns sehr um Ma bemüht. Alles, was man für einen Kranken tun kann, wurde für sie getan. Nachdem ich geheiratet hatte und in die Stadt gezogen war, suchte ich in der Zimmermannswerkstätte John Stierwalt Arbeit. 27 Jahre lang war ich dort beschäftigt. Dann zog sich Mr. Stierwalt vom Zimmermannsgeschäft zurück und ich übernahm es bis zum Tod meiner lieben Frau. Nach ihrem Tod lebten meine jüngeren Kinder und ich weiter in 28 unserem alten Heim in Ballville Township zusammen, bis vor einem Jahr im Juli 1914. Dann verkaufte ich unser altes Haus an R.W. Jackson. Seither wohnen meine Jüngste Tochter Mary und ich in Fremont. So weit die Chronik. Gebhard Schneider zählt dann noch Namen und Daten seiner zwölf Kinder auf. Fast alle tragen Namen aus der alten Heimat Rickenbach, nur wenige sind amerikanisiert: Balbina, John Martin, Frank Joseph, Mary Josephine, Eleanor, Gephart, Ida Rose, Wilhelm, Johanna Adeline, Bernhard, Ann Mary und Roman Isidor. Aus ihrem Schneider-Namen wurde aber schnell das amerikanische Sneider. Von Heimweh geplagt kamen zwei von Martin Schneiders Kindern 1908 als alte Leute nach Rickenbach auf Besuch. Der 1836 an der Kellastraße geborene Gebhard hatte es um diese Zeit also zum selbständigen Zimmermann in Fremont gebracht. Sein 1878 dort geborener Sohn «Gephart» wurde ein leitender Gemeindebeamter der Stadt. 1906 wurde der Enkel Walter Johann geboren. Nach einer guten Ausbildung unterrichtete er als Professor am Katholischen Gymnasium Fremont Chemie und Physik. Der Aufstieg der Familie hielt an. Alle vier Urenkel machten Karriere: Patricia (1933) als Hausfrau und Mutter mit ihrem Gatten, der in einem Industriebetrieb in Ohio in leitender Stellung tätig ist Richard George Sneider (1934-74) als Geophysiker in Fort Collins James Roman Sneider (1936) als Rechtsanwalt in Chicago Dr. Thomas Sneider (1938) als Professor für Molekularbiologie. Er arbeitet als Krebsforscher an der Universität Fort Collins in Colorado. 1983 hat er anläßlich einer Gast-Vorlesung in Zürich sein Heimatdorf Wolfurt besucht und später vom Schicksal seiner Familie berichtet. Nur wenigen Auswanderern war im Land der unbegrenzten Möglichkeiten Reichtum beschieden, doch mancher brachte es mit Fleiß und Ausdauer zu bescheidenem Wohlstand. Ganz wenige kehrten an ihrem Lebensabend in das «Old Country» am Steußberg zurück. Allzuviele sind verschollen. Wie dankbar müssen wir sein, wenn uns und unseren Kindern das ungewisse Schicksal in der Fremde erspart bleibt! 29 Siegfried Heim Die Besitzer und ihre Kennzeichen: 6 Lastautos: W-II-651 W-II-652 W-II-653 W-II-654 W-II-655 W-II-656 Zuppinger J. W. Gebrüder Gunz Gmeiner Fidel Rädler August Haltmeyer Josef Festini Josef AUTOS! AUTOS! Die ersten Autos, die sich um die Jahrhundertwende im Lande sehen und auch hören ließen, wurden von der Dorfjugend und den Erwachsenen gleichermaßen bestaunt. Der Wolfurter Lehrer Wendelin Rädler hatte noch 1898 eine «Tram» von Kennelbach über Dornbirn und Lustenau nach Altstätten projektiert. Als aber schon das erste Teilstück Dornbirn—Lustenau mit Defizit fuhr, holte er Offerte für einen Omnibus ein. Von den «Fahrradwerken Bilgeri und Wurzer» in Hörbranz erhielt er am 29. Dezember 1900 ein Angebot: «Auf die zwischen Ihnen und unserem Herrn Bilgeri gehabte Unterredung Bezug nehmend, erlauben wir uns, Ihnen folgende Offerte zu machen: Einen Motor-Omnibus für 14 Personen offerieren wir Ihnen zu Gulden 5.500, — Netto. Derselbe besitzt 3 Geschwindigkeiten von 6, 10 und 18 Kilometer und einen Rücklauf; auf Wunsch kann der Wagen auch mit anderen Geschwindigkeiten ausgeführt werden. Der Wagen ist vollständig geschlossen. Der Motor wird mit Benzin betrieben und ist der Benzinverbrauch ca 16 Kilo per Kilometer, 1 Kilo steuerfreies Benzin kostet 12 bis 25 Kreuzer, so daß der Benzinverbrauch per Kilometer 4 bis 5 Kreuzer beträgt. Zu weiteren wünschenswerthen Mittheilungen erklären wir uns jederzeit bereit und zeichnen hochachtend Bilgeri, Wurzer und Co.» Das Geschäft kam nicht zustande. Erst 1925 fuhr der erste Omnibus durch Wolfurt. Das erste «Luxusauto» hatte Jungfrau Franziska Dür in der Bütze (in König Alberts Haus) schon 1907 besessen. 1908 schafften die Gunzbrüder in der Mühle das erste Motorrad an. Nach der Unterbrechung durch den ersten Weltkrieg hielt die Motorisierung schnell Einzug. Das VATC-Verzeichnis vom 15. November 1925 nennt für Wolfurt bereits 26 Kraftfahrzeuge (für Lauterach 12, für Hard 27, für Schwarzach 13, für Bildstein 1, für Buch 0; für ganz Vorarlberg 919). 30 (also zwei Müller, ein Fergger, ein Zementer und zwei Weinhändler) 6 Personenautos: W-II-491 W-II-492 W-II-494 W-II-495 W-II-496 W-II-497 Haltmeyer Johann Zuppinger J.W. Gunz Gebrüder Bohle Paul Schwarz Paul Doppelmayr Emil (da waren also auch Klöppler und Schlosser dabei, aber der Doktor noch nicht) 14 Motorräder: W-II-111 W-II-113 W-II-114 W-II-115 W-II-116 W-II-117 W-II-118 W-II-119 W-II-120 W-II-121 W-II-216 W-II-217 W-II-218 W-II-219 Schwerzler Joh. Georg Flatz Josef Gmeiner Fidel Gmeiner Josef Gebrüder Gunz Zuppinger Max Müller August Weber Alois Gmeiner Gottlieb Gasser Anton Fischer Johann Fischer J.A. Rohner Franz Schneider Ernst (da tummelten sich jetzt auch begeisterte Jungmänner) W-II bedeutet Land Vorarlberg, Bezirk Bregenz (Tirol fuhr mit E, Salzburg mit D, Wien mit A . . . ) 31 Darüber hinaus gab es schon seit 1909 das große A für Österreich neben dem D für Deutschland und dem CH für die Schweiz. Seit 1908 gab es auch schon 4 (vier! nicht mehr) Verkehrszeichen, damals noch weiß auf blauem Grund: Wassergraben, Kurve, Kreuzung, Eisenbahn. Während man in Vorarlberg 1925 bereits wie in Deutschland und der Schweiz rechts fahren und links überholen mußte, galt für Tirol bis Wien noch wie in England, Italien und Ungarn die Links-Fahrordnung mit rechts überholen. Damals kam nur höchst selten ein Tiroler oder Wiener über die geschotterten Arlberg-Serpentinen. Dabei mußte er sich auf rechts umstellen. Durch Verordnung des Landeshauptmanns waren auch die Höchstgeschwindigkeiten festgelegt worden. Sie betrugen im Jahre 1925: innerorts 25 Kilometer pro Stunde, von Mai bis September an Sonntagen aber nur 20 Kilometer! Außerorts 50 Kilometer pro Stunde, an Sommersonntagen aber nur 40 Kilometer. Seither mußten viele 1000 junge Schnellfahrer auf den Straßen sterben. Da und dort hat man wieder die Geschwindigkeit von 1925 vor Augen. Damals traf es aber auf 439 Österreicher erst ein Kraftfahrzeug! Das änderte sich nun schnell. Nach dem VATC-Buch von 1937 war die Zahl der Kraftfahrzeuge in Vorarlberg binnen zwölf Jahren von 919 auf 3395 geklettert. In Wolfurt gab es jetzt schon 39 Motorräder und 21 Autos, 10 davon waren Lastautos. Noch immer führten sie das Vorarlberger W auf der Nummerntafel, im Bezirk Bregenz mit Nummern von 5001 bis 7000. Die Autobesitzer von 1937 waren: 5176 5179 5218 5219 5223 5230 5243 5248 5264 5265 Bohle Konrad Klocker Eugen Haltmeyer Johann Sennerei Hub Doppelmayer Emil Festini Josef Gmeiner Fidel Gunz Gebrüder Roth Katharina Zuppinger Walter 5288 5289 5317 5320 5409 5413 5415 5421 5463 5545 5593 Rädler August Rädler August Schelling Josef Haltmayer J. Gunz Alfons Bohle Konrad Rädler August Rist Mathias Fischer Johannes Thaler Ernst Dr. Eugen Lecher Gottt sei Dank! zuletzt konnte sich nun doch auch noch der Gemeindearzt ein Auto leisten. Unter seinem rührigen Präsidenten Emil Doppelmayer hatte der VATC mitgeholfen, die Kraftfahrzeuggesetze völlig umzukrempeln. Man brauchte jetzt einen Führerschein. Statt 4 gab es nun 40 Verkehrszeichen, von denen die meisten heute noch gelten. Tirol und Kärnten hatten wie Italien auf Rechts-Fahrordnung umgestellt, während man von Salzburg bis Wien auch 1937 noch links fahren mußte. Un die Höchstgeschwindigkeit? Innerorts war sie trotz der schlechten Straßen auf 40 km/h erhöht worden, auf Freilandstraßen war jede Beschränkung gefallen. Der Straßentod hatte sich auch bereits seine ersten Opfer geholt. 32 33 Aus der Chronik des Engelbert Köb (Maler in Wolfurt, gestorben 1915) Um die Jahrhundertwende gehörte «Lehrers» Engelbert zu den führenden Köpfen in Wolfurt, der als Gemeinderat maßgeblich beim Bau der Achbrücke und bei der Einführung des elektrischen Stroms beteiligt war. Für seine Familie baute er 1907 die «Villa Lugaus» oberhalb des Dorfplatzes. Als Maler und Fotograf hinterließ er uns wertvolle Bilder. Die Chronik, die sein Sohn Hubert und seine Schwiegertochter Antoinette für uns bewahrt haben, ist ein kostbares Zeitdokument. Hier ein paar Auszüge daraus als Kostprobe für einen im Herbst geplanten Vortrag: 1898. Die erste Schifflimaschine hält in Wolfurt ihren Einzug. Mein Bruder Josef Anton («Lehrers Seppatone») und sein Schwager Martin Bildstein waren die ersten, diees wagten. Da auch in der näheren Umgebung noch keine «Schnell-Läufer» waren, so stutzte man anfangs undprofezeite den beiden nichts Gutes. Zum Betriebe verwenden sie einen Benzinmotor. 1900, 26. April. Electrische Kraft und Licht werden von Albert Loacker in die Gemeinde eingeführt. Da sich «'s Electrische» zum Betriebe der Schifflimaschine bedeutend günstiger stellt als ein Benzin Motor, und als die Leute sahen, daß es den ersten Schifflistickern gut ging, so steckt einer den anderen an und alles wurde vom Maschinenfieber erfaßt. Handwerker, Wirthe, Krämer, Fabrikler und Bauern schafften sich solche «Frankenmühlen» an. In mancher Stickerei wird Tag und Nacht gearbeitet, denn die «Ratten» sind sehr gefräßige Viecher. Man hatte bald zu wenig Leute um die Maschinen zu bedienen, so daß einer dem anderen das Personal weg nahm, indem man ihnen höheren Lohn versprach. Die alte biedere Handmaschine wird mit Verachtung zum Lokal hinausgeworfen und den Bauleuten blüht der Weizen wie nie zuvor. 1901. Volkszählung, die heuer durchgeführte Volkszählung ergab 2070 Einwohner. Davon sind 984 männliche, 1086 weibliche Personen. Italienisch sprechende: 239. 1906. Ein hier wohnender Lustenauer hat von Lustenau, wo er zu Besuch war, die Blatternkrankheit (Pocken) eingeschleppt. Das betreffende Haus im Strohdorf, wo er wohnt, wurde polizeilich gesperrt und eine Gendarmeriewache davor gestellt. Diese Krankheit trafgerade im Fasching bei uns ein, deßwegen durfte kein Ball und auch sonst keine Versammlung abgehalten werden. 34 1907. In diesem Winter fiel ungewöhnlich viel Schnee. Anfangs Dezember hats angefangen zu schneien, und sozusagen immer geschneit bis Ende Februar. Einige Stadeldächer, die gerade nicht mehr zu den besten gehörten, wurden eingedrückt. 1907. Während dem «Rorate» wurde im Pfarrhof hier eingebrochen. Alle Kästen und Schubladen waren aufgerissen und alles durchwühlt. Der Dieb scheint es noch eilig gehabt zu haben, denn auf Pfarrers Bett ließ er sein Handwerkszeug liegen, nämlich eine Axt und ein Zabin. 1907. In Wolfurt wüthet gegenwärtig das Schifflimaschinenfieber. Man konnte 50 bis 100 Franken und mehr täglich verdienen. Es ist ein Leben wie nie zuvor. Es entstanden 23 Neubauten und zwar: 3 Villen, 7 Wohnhäuser, das übrige waren Sticklokale. — Im Gemeindeamte erfolgten 450 Fremden-Anmeldungen. 1907. Die Zentralheizung wird im Schulhause eingerichtet. Die alten Zilinder Öfen werden hinausgeworfen. Die Kosten betragen 4200 Kronen. Es dürften im «Ländle» noch wenig Schulen sein, die diese Heizung schon haben. 1908. Die Herrlichkeit mit der Schifflistickerei hat plötzlich ein Ende genommen. Die Stickerei hat unserem Dorf gerade keinen großen Nutzen gebracht. In den «fetten Jahren» fiel es keinem Jungen mehr ein, ein Handwerk zu lernen, und mancher Handwerker, Meister und Gesellen, verließen das Handwerk, um den silbernen Boden der Stickerei zu betreten. 1908, 9. November. «Stellwagenfahrt». Der Wirt zur Wälderbahn dahier hat heute eine Stellwagenfahrt zwischen Kennelbach—Wolfurt—Dornbirn eröffnet. Doch diese Fahrten fielen kläglich genug aus. Der Fuhrmann und sein Klepper waren gewöhnlich die einzigen, die die Tour machten. Wer heute noch «einen» gesunden Fuß hat, fahrt mit seinem Rad. 1909, Der alte Lenz fabriziert auch noch «Linnen» auf seinem hölzernen Webstuhl. Es dürfte dies noch der einzige Leinenweber sein, der weit und breit zu finden ist. In meinen ersten Schuljahren standen fast in jedem Hause einer oder mehrere solcher Webstühle. 1910, 29. Mai. «Altfrohnleichnam». Während bei der Prozession das vierte Evangelium auf dem Kirchhof gelesen wurde, explodierte beim Pfarrhofdroben ein Pöller. Ein über zwei Kilo schweres Stück Eisen flog herunter und fiel mitten unter die Menge, ohne glücklicherweisejemanden zu verletzen. Statt dieser alten Pumberer hat die Gemeinde jetzt eine Pöllerkanone gekauft. 35 1910, IL—13. Juni. In Wassernöthen. In folge anhaltendem Regen wurde Vorarlberg, besonders einzelne Orte wie Montafon und Feldkirch, von großen Überschwemmungen betroffen. Im Montafon wurden viele Geschäfte weg geschwemmt. In Feldkirch staute sich dieIllderart, daß das Wasser in der Vorstadt bis zu 5 Metern an den Häusern hinaufreichte. Die Leute mußten mit Gondeln aus den Häusern gerettet werden. Aber auch die Bregenzerach hatte eine Höhe erreicht, wie man sich dessen nie erinnern konnte. Dazu war sie noch angefüllt mit Gebüsch, Wildholz, Brettern, Stiegen, Fenstern und allerlei Geräthe schwamm daher. Auf der neuen Brücke Wolfurt-Kennelbach standen viele Leute und schauten dem wilden Treiben zu. Plötzlich hieß es: Die obere Brücke kommt! Wirklich hat es den dritten Theil der Fabrickbrücke in der Mitte weggerissen und schwamm dieses Stück mit Boden und Seitenwänden wie ein Schiff daher. Aber wie es näher kam, sah man mit Entsetzen, daß aufdiesen Trümmern sich ein Mann befand, der ganz verzweifelt mit den Händen ringend um Hilfe bat. Es war der allen bekannte Jos. Karg von Kennelbach, 50 Jahre alt. Es war selbstverständlich unmöglich, ihm irgendwie zu Hilfe zu kommen. Denn es war keine Stange und kein Seil zur Hand. Der eben auf der Brücke anwesende Wolfurter Pfarrer erteilte ihm noch die Absolution. Karg getraute sich nicht, sein gefährliches Fahrzeug zu verlassen — vielleicht konnte er nicht schwimmen — und so fuhr er schnell abwärts der Lauteracher Brücke zu. Auch hier hatte Karg wieder viele Zuschauer, und auch diese konnten ihm nicht helfen. Bei beiden Brücken, die Karg passierte, lief er Gefahr, erdrückt zu werden, da das Wasser so hoch ging, daß er stehend kaum unter den Brücken durchkam. Karg stand noch immer auf den Trümmern der weggerissenen Brücke und passierte jetzt die Eisenbahnbrücke Lauterach-Rieden. Ein Stück unter dieser Brücke zerschlug sich jetzt das «Fahrzeug» und Karg verschwand in den schmutzigen Wellen. Am andern Tag fand man ihn tod an Steinen und Gebüsch verhängt. Er war ertrunken. Karg hat sein Unglück selbst verschuldet, indem er und sein Freund noch über die Brücke wollten, wo man schon sehen konnte, daß sie alle Augenblicke wegreißen konnte. Der andere, Gregor Karg, konnte sich mit einem Sprung noch früh genug retten. 1911, 2. April. Heute 8 Uhr früh, gerade als die Schulkinder aus der Messe kamen, flog «Zeppelin» mit seinem lenkbaren Luftschiff «Schwaben» ganz nahe an der Kirche vorbei. Das war ein Hallo! Zeppelin wurde von hier aus schon oft in den Lüften gesehen, doch hat er heute zum erstenmal «Wolfurter-Luft» befahren. (Aus der Chronik ausgewählt von Siegfried Heim) 36 Frau Brunhilde Eberle sandte uns für die Kinder ein altes Nachtgebet: «Hinat wend mor üs niodorlo. Viorzeh Engol söllond mit üs goh: Zwä ad Kopfnat, zwä ad Fuoßnat, zwä uf di reocht Sitto, zwä uf die lingg Sitto, zwä üs schö leggo, zwä üs guot zuodecko, zwä üs bewahro vor allom U-Glück. Amen!» Siegfried Heim So heo 's i ghört (5) Eosso und Trinko hebt Lib und Seel zämmod. Z Morgo — z Nüne — z Mitag — z Obod — z Nacht Z Morgo an ghöriga Stopfar mit Kafee. Z Nüne a Igsottos-Brot für d Kind, für dio Gwachsno Brot und Käs. Z Mitag (Betonung auf der zweiten Silbe!) a Kichoro-Suppo und Heoff-Küochle mit Holdor-Muos. Zum z-Obodesso nomol a Brot und eobbas zum Trinko: «Most muoß ma geo, Schnaps ka ma geo!» Z Nacht fast jedo-n Obod brotene Bodobiera. Noch om Beott-Lütto schneoll is Bett! Sus holot öü do Buhloma!