20060901_Heimat_Wolfurt_29

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Letzte Änderung 27.06.2021, 13:43
Gemeinde Wolfurt
Bereich oeffentlich
Schlagworte: heimatwolfurt
Dokumentdatum 2006-09-01
Erscheinungsdatum 2006-09-01
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Heft 29 Zeitschrift des Heimatkundekreises September 2006 Bild 1: Die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Für ihre Sicherheit bezahlte der Kaiser mit dem Kellhof Wolfurt. Inhalt: 145. Die Staufer und der Kellhof 146. Rund um den Kirchplatz 147. Die Bregenzerstraße 148. Das Schwesternhaus 149. Der Buggenstein 150. St. Rochus und die Pest 151. Die Dornbirner Mohr 152. Haus Gunz in Rickenbach Bildnachweis Mohr Hubert Hinteregger Karl Heim Siegfried Köb Engelbert Schertler Rudolf Fischer Hannes Ost. Nat.-Bibl. Dornb. Schriften Sammlung Heim 3, 10, 14, 16, 19 8, 23, 31 4, 5, 7, 13, 15, 17, 20, 27, 29, 30, 31, 33, 37 9 12 24 1, 2 34, 35 6, 12, 18, 21, 26, 28, 36, 38 Zuschriften und Ergänzungen Bitte! Nach der Aussendung des farbigen Sonderheftes „Die Schützen" legen wir diesem Heft 29 wieder einen Erlagschein für das Konto Heimatkundekreis 87 957 bei der Raiba Wolfurt (BLZ. 37 482) bei. Wir bitten Sie herzlich, mit Ihrem Beitrag unsere Anliegen zu unterstützen. In eigener Sache: Der Name „Wolfurt" Nach einigem Zögern habe ich mich entschlossen, nach dem Schützen-Heft Nr. 28 doch noch einmal ein weiteres Heimat-Heft folgen zu lassen. Mein besonderes Anliegen ist dabei der Beitrag über die Staufer. Nach vieljähriger Beschäftigung mit der Geschichte von Wolfurt und nach intensivem Studium von Akten und Pergamenten in verschiedensten Archiven fühle ich mich verpflichtet, zwei Sätze in den Wolfurter Büchern und in den Heimatkunde-Heften der Schüler zu berichtigen. Es geht um die Entstehung von Schloß Wolfurt und um die Herkunft des Namens Wolfurt. Über beides habe ich schon mehrfach geschrieben, etwa in Heft 24 unter „Wolford" oder in Heft 22 unter „Rickenbach". Die jetzige Wiederholung ist vor allem eine Einladung an die Heimatkunde-Lehrer, diese Sätze in ihre Vorbereitungen aufzunehmen! Ich selbst muß auch einige von meinen früheren Aussagen zu diesen Themen berichtigen. Filme Über „Kirchdorf und „Röhle" habe ich im letzten Jahr zwei Vorträge gehalten. Emil Büchele hat beide als Filme aufgenommen und mit vielen Fotos bereichert. Kopien sind unter den Titeln „Vom Schwanen bis zum Wälderhof' und „Das Dorf und die Dörfler" sehr preiswert im Gemeindeamt erhältlich. Dort gibt es auch noch die Film-Kassetten „Fleißzettel und Tatzen" über die Wolfurter Schulgeschichte und „Mönche und Ritter" über das Schloß. Fahrräder (Heft 27, S. 9) Elmar Eberle konnte die Hochrad-Fahrer auf Bild 4 nach einem ähnlichen Bild identifizieren. Es zeigt eine Fasnat-Ausfahrt im Jahre 1928. Von links: Martin Schwärzler (Klamporar), Wucher (ein Schreinerlehrling bei Rudolf Fischer), Seppl Köb (Sattlars Seppl von der Steig) und Siegfried Fischer (Schnidarles). Elmar besitzt als bekannter Bastler auch noch das ganz alte Mechaniker-Werkzeug, mit welchem sein Urgroßvater Josef Fischer (1823-1902) u.a. winzige Gewinde für die Fahrradspeichen schneiden konnte. Demnach hat der Schreiner Josef Fischer (Schnidarles) diese Hochräder selbst erzeugt. Noch lange blieb eines davon auf Eberles Dachboden erhalten, bis Elmar und Adalbert damit ihre Runden durch Strohdorf und Hub drehten und es schließlich demolierten. Andere Wolfurter wissen zu erzählen, wie sie schon um 1947 mit ihrem schweren Waffenrad rund ums Ländle fuhren und dabei das schwere Fahrzeug auf der Schulter über den steilen Pfad von Schröcken nach Hochkrumbach hinauf trugen. Bald genügte ihnen das nicht mehr. Ohne Gangschaltung überwanden sie Brenner und Reschen und sogar den gefürchteten Splügen in der Schweiz und rollten nach Neubestellungen Von den bisherigen Ausgaben von „Heimat Wolfurt" stehen noch die letzten zehn Hefte (Nr. 17 bis 28) in beschränkter Anzahl für Neubestellungen zur Verfügung, von älteren Heften nur mehr Einzelstücke. Bestellungen bitte mit Angabe der Adresse an die Schriftleitung. Keine weiteren Verpflichtungen! - Lediglich die Bitte um eine freiwillige Zuwendung. Herausgeber: Heimatkundekreis Wolfurt Für den Inhalt verantwortlich: Siegfried Heim, Funkenweg 11, A-6922 Wolfurt Satz und Grafik: Erik Reinhard, A-6922 Wolfurt Fotosatz: Mayr Record Scan, A-6922 Wolfurt Druck: Lohs Ges.m.b.H., A-6922 Wolfurt 3 Bozen, nach Mailand und sogar bis Venedig. Auf dem Gepäcksträger den Rucksack mit Schwarzbrot und ein paar Konservendosen zum Essen und eine alte MilitärZeltbahn zum Schlafen! O du gute alte Zeit! Ahnenforschung Viel Zeit und Eifer investieren immer wieder traditionsbewußte Leute in die Erforschung ihrer Sippen. Besonders genau machen das zum Beispiel Remigius Brauchle und Richard Gmeiner mit den langen Reihen der Kassiänler-Schertler, Gmeinder, Dür, Höfle, Rohner, Müller, Schelling, Kohler, Zehrer, Scheffknecht und von einigen anderen Familien, die auf weiten Wegen von Ober-Bildstein, Lauterach, Lustenau und aus dem Schwabenland in unser schönes Wolfurt gefunden haben. Auch für mich bleiben bei diesen Forschungen Überraschungen nicht aus. Schon mehrmals habe ich über die „Sammüller"-Böhler geschrieben und dabei erklärt, daß ihr uralter Hausname von , , Ammann Müller", einem früheren Besitzer des Hauses an der Kellhofstraße stammt. Dieses Geschlecht sei 1915 mit dem Sattler Gebhard Müller erloschen, der sein Haus im Kirchdorf dem Konsum zur Verfügung gestellt hatte. Nun hat sich ein anderer „echter" Sam-Müller gemeldet, Arthur Müller, Jg. 1938, aus Frastanz. Sein Ahn Gebhard Müller, 1802-1864, war ein Enkel des Gotteshaus-Ammanns Johann Müller gewesen. Gebhards Mutter Katharina Blank, die auch die Ahnfrau der Sammüller-Böhler ist, war 1808 beim Wäsche-Waschen in der Ach ertrunken. Lies darüber in Heft 11, S. 19! Gebhard erlernte das Schmiede-Handwerk und gelangte als Handwerksbursch um 1820 nach Wangen im Allgäu, wo er eine Familie gründete. Von seinen Enkeln fand Franz Müller als Schuhmacher nach Nenzing. Dessen Enkel Arthur Müller hat nun in Wangen gesucht und dort den Weg zurück nach Wolfurt gefunden. Rohner-Familien (Heft 27, S. 29) Nicht nur in Wolfurt, sondern auch in Fußach und in Dornbirn ist dieser Beitrag auf Interesse gestoßen. Aus Dornbirn fragte Franz Wehinger, der ehemalige Leiter des Arbeitsamts, an. Er schickte interessante Fotos aus dem Stadtarchiv. Eines zeigt seinen Urgroßvater Joh. Kaspar Rohner, 1827-1915, mit Frau Katharina Dietrich und zwölf Kindern. Kaspar war ein Urenkel des 1709 noch in Wolfurt geborenen Johann Rohner aus dem Stamm der „ Orglar "-Rohner und lebte nun als Bauer auf Heilgenreuthe. Von seinen zwölf Kindern gehen viele Linien aus, eine davon auch zu „Rohners vom Bürgle" in Mühlebach. Aus dieser stammt der von seinem Wirken in Übersee und aus vielen Leserbriefen bekannte Pfarrer Helmut Theodor Rohner. Wolfurter Blut! Siegfried Heim Die Staufer und der Kellhof Aus dem mittelalterlichen Kellhof ist unser Kirchdorf hervorgegeangen. In mehreren Beiträgen habe ich seine Geschichte gestreift.1 Hier möchte ich das Wesentliche noch einmal zusammenfassen. Daß die mächtigen Stauferkaiser bei der Gründung von Kirche und Dorf Wolfurt Pate gestanden sind, hat mich überrascht. „Als Kaiser Rotbart lobesam zum heil'gen Land gezogen kam ..." Ganze Generationen von Schülern haben Uhlands berühmte Ballade im Ohr und den mächtigen Kaiser vor Augen. Friedrich Barbarossa wollte das zerfallenene Reich Karls des Großen wieder aufrichten und sammelte dazu Ritter aus ganz Europa unter seinen Fahnen. Sechs Kriegszüge führte er über die Alpen gegen die widerspenstigen reichen Städte in Italien. Seine Heere erlebten Triumphe und fürchterliche Niederlagen. Als der Kaiser dann auch noch einen Kreuzzug ins Heilige Land unternahm, starb er im Jahre 1190 ganz plötzlich bei einem Bad im türkischen Fluß Saleph. Das Volk in Deutschland, durch Jahrzehnte geblendet von des Kaisers Pracht und Macht, wollte aber seinen Tod nicht wahr haben. In den tiefen Karsthöhlen im Kyffhäuser harre er auf seine Wiederkunft, um dann das zersplitterte Reich zu einen. So erzählte bald die Sage. Wie aber kamen Kaiser Rotbart und das Geschlecht der Hohenstaufen zu ihrem Einfluß auf unser damals noch sehr kleines Dorf Wolfurt? Als die Grafen von Bregenz im 10. Jahrhundert ihren Besitz teilten, behielt die Bregenzer Linie das Schloß in der Oberstadt, in welchem 949 der Hl. Gebhard geboren worden war. Dazu gehörte auch fast das ganze Umland, darunter der für die Versorgung des Schlosses wichtige Hof Steig. Die Pfullendorfer Linie bekam dagegen Lindau und den Kellhof. Geteilt wurden auch die Pfarrkirche St. Gallus in Bregenz, die vielerlei große Einkünfte besaß, und der Bregenzerwald, dessen Besiedlung gerade begonnen hatte. Die Bregenzer übernahmen den Vorderwald mit Lingenau und Andelsbuch. Das Gebiet links der Ach, wo später Egg und Schwarzenberg entstanden, fiel dagegen an die Pfullendorfer. Damit wird klar, warum der Graf von Pfullendorf Wert auf den Kellhof gelegt hatte: der lag ja mitten im gegnerischen Gebiet. Er brauchte ihn als Ausgangspunkt und Verbindung zu seinen neuen Siedlungen hinter der Lorena. Als die Bregenzer ihren Besitz in Andelsbuch um 1085 mit dem Bau eines Klosters absicherten, taten die Pfullendorfer ähnliches mit dem Bau einer Kapelle St. Nikolaus auf dem Bühel oberhalb ihres Kellhofes. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen, besonders als im blutig ausgetragenen Investiturstreit die Pfullendorfer zusammen mit dem Kloster St. Gallen auf die Seite des Kaisers traten, die Bregenzer dagegen mit ihrem Kloster Mehrerau auf die Seite des Papstes. 5 4 Bild 2: Der Stauferkaiser Friedrich Barbarossa mit seinen Falknern. Bild 3: Pfarrkirche St. Nikolaus. An ihrem Platz stand schon um 1090 eine Kapelle. Neuer Streit begann um 1165 im Krieg um das Erbe des letzten Grafen von Bregenz zwischen Hugo von Tübingen und Rudolf von Pfullendorf. Jetzt griff Kaiser Friedrich Barbarossa ein. Er entschied den Kampf für die Pfullendorfer, die damit auch Herren von Bregenz und fast des ganzen Rheintals wurden. Dafür verpflichteten sie sich, den Kaiser auf seinem vierten Kriegszug nach Italien zu begleiten. So ritt also an des Kaisers Seite auch Rudolfs Sohn Berthold von Pfullendorf, für den als einzigen Erben die Grafschaft am Bodensee bestimmt war. Vor den Toren Roms errang das Stauferheer einen großen Sieg. Dann aber brach eine TyphusEpidemie aus, die mit zahlreichen Kriegern auch den jungen Berthold dahinraffte. Der Kaiser mußte über die Alpen fliehen. Jetzt überließ der alternde Graf Rudolf die kurz zuvor erworbene Grafschaft Bregenz seinem früheren Gegner Hugo. Seine Privatgüter aber, darunter Lindau, 6 den Kellhof und Schwarzenberg, übergab er dem Kaiser Friedrich Barbarossa. So wurden die Kapelle St. Nikolaus und die aufstrebende Ansiedlung am Fuß des Kirchbühels kaiserlich staufisches Gut.2 Bald danach dürfte Barbarossa um das Jahr 1180 seinen Besitz mit der Errichtung einer Burg zusätzlich befestigt haben. Nach damaligem Brauch gab er sie einem seiner Ritter als Lehen. Den Namen des ersten Burgherren kennen wir zwar nicht aus Dokumenten, wohl aber aus der Überlieferung. Als erster hat diese der Historiker Weizenegger um 1820 aufgeschrieben: „ daß die ursprünglichen Wollfurth im 13. Jahrhundert aus politischen Gründen Schottland verließen, und eigentlich den Namen M 'Dewr the Wolf ...führten. Sie sollen nach Italien gezogen seyn, und sich später in unserem Ländchen niedergelassen haben, wo ihr Name in Wolvesford 7 Bild 4: Schloß Wolfurt. Es wurde zu Barbarossas Zeit um 1180 gebaut. gewann. Aber Kaiser Heinrich starb schon mit 32 Jahren in Messina und wurde im Dom von Palermo begraben. Sein einziger Sohn war erst drei Jahre alt. In wechselvollen Kämpfen gegen aufsässige deutsche und italienische Fürsten und vor allem auch gegen die Päpste gewann der Heranwachsende aber schließlich doch das bereits verlorene „Heilige Römische Reich" wieder. Papst Honorius III. war ihm zunächst wohlgesinnt und krönte ihn sogar im Jahre 1220 in Rom als Friedrich IL zum Kaiser. Kurz zuvor hatte der Papst auch das den Staufern nahestehende Kloster Weißenau bei Ravensburg unter seinen besonderen Schutz genommen. Diese Papst-Urkunde vom 31. März 1219 ist die älteste, die den Namen „ Wolfurt" enthält.4 Unter den 72 dort genannten Besitzungen des Klosters ist das „predium in Wolfurt" die einzige im heutigen Vorarlberg. Aber schon wenige Jahre später vermittelte Weißenau einen viel wichtigeren Bezug der Staufer-Kaiser zu Wolfurt. Das Reich hatte keine feste Hauptstadt. Seine Schwerpunkte lagen in Aachen, Mainz, Bamberg und Straßburg, aber auch im burgundischen Arles, in Pavia, Neapel und Palermo. Wo der Kaiser gerade Hofhielt, war der Mittelpunkt des Reiches. Es war für ihn viel zu riskant, die Insignien seiner Macht, vor allem Szepter und Krone, ständig mit sich zu führen. Zu viele aufständische Konkurrenten strebten nach deren Besitz. Da vertraute er diese kostbaren Schätze den Mönchen von Kloster Weißenau an. Nun ruhten sie, bewacht von zwei Prämonstratenser Chorherren, mehrere Jahre lang verborgen auf der Waldburg in der Nähe von Weißenau. Für diesen unschätzbaren Dienst sollten die Mönche entsprechend entschädigt werden. Im Auftrag des Kaisers schenkte sein Sohn König Heinrich VII. dem Kloster im Jahre 1226 wertvollen Grundbesitz. Es bekam die dem Kaiser gehörige Pfullendorfer Hälfte der Pfarre St. Gallus in Bregenz und die Kapelle St. Nikolaus in Wolfurt. Daraus bezog es ab jetzt jährlich 250 Malter Getreide als Zehent, dazu 6000 Liter Wein und noch manches andere.5 Also: Der Kellhof Wolfurt war im Jahre 1226 ein Geschenk von Kaiser Friedrich II. an das Kloster Weißenau für die sichere Bewahrung der Krone! Wolfsführe - und nach und nach in Wolffurth überging."3 So überraschend genau ist der überlieferte Text, daß er sogar noch vom Zug des Ritters nach Italien berichtet. Wir dürfen also festhalten: Kaiser Friedrich Barbarossa hat um das Jahr 1180 den Ritter Wolford auf sein staufisches Schloß gesetzt. Hier liegt die Wurzel zum Namen unserer Gemeinde und keineswegs, wie bisher in den Schulen gelehrt, in einer „wohlen Furt" über die Ach. Der Kaiser hat dann 1186 noch einen letzten (den sechsten!) Kriegszug nach Italien geführt, ehe er auf dem Kreuzzug vom Tod ereilt wurde. Nachfolger wurde sein Sohn Heinrich VI., der in verlustreichen Kämpfen auch noch das Erbe seiner Frau Konstanze, das Königreich Sizilien, zu seinem nun übermächtigen Stauferreich 8 So wichtig war dem Kloster die neue Erwerbung, daß es sich die Schenkung noch mehrfach in weiteren Urkunden vom Kaiser selbst, vom Papst, vom Bischof und vom Herzog von Bayern bestätigen ließ. Der Geschenkgeber, König Heinrich, empörte sich übrigens 1232 gegen seinen kaiserlichen Vater. Er wurde von diesem gefangen und starb im Kerker. Nachfolger als deutscher König wurde sein jüngerer Bruder Konrad IV. Der hielt seinem Vater die Treue, auch als dieser vom neuen Papst Innozenz IV. mit dem Bannstrahl geächtet wurde. Seine Truppen überfielen und plünderten das päpstlich gesinnte Kloster Mehrerau. Jetzt erhielt auch dieses vom Papst am 17. September 1249 jenen großen Schutzbrief, in welchem unter 60 Orten erstmals die Steig und Rickenbach dokumentiert sind.6 9 Mit dem Tod von Kaiser Friedrich II. im Jahre 1250 schwand die Macht der Staufer. Sein Nachfolger Konrad IV. starb mit 26 Jahren schon 1254. Als letzter aus dem einstmals so stolzen Geschlecht wurde der 16jährige Enkel Konradin gar im Jahre 1268 in Neapel enthauptet. Der Kellhof aber blühte auf und entwickelte sich mit der zur Pfarrkirche erweiterten Kapelle St. Nikolaus zum Mittelpunkt der Gemeinde Wolfurt. Und die Krone? Die wunderbare, mehr als 1000 Jahre alte Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches? Ein Reif aus acht massiv goldenen Platten mit aufgesetztem Kreuz und Bügel. Nach einem theologischen Konzept herrlich geschmückt mit Edelsteinen, Perlen und Emailarbeiten. Auf langen Umwegen gelangte sie im Jahre 1800 nach Wien. Der letzte „Römische Kaiser" Franz IL legte sie 1806 ab und barg sie in seiner Hofburg. Im „Dritten Reich" wurde sie 1938 nach Nürnberg entführt. Die Amerikaner brachten sie nach Wien zurück. Tausende Besucher ziehen jetzt in der Schatzkammer an ihr vorbei, halten staunend still und denken an Kaiserpracht und versunkenen Glanz. Siegfried Heim Rund um den Kirchplatz In den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts glaubte man, unser altes Kirchdorf sei sterbenskrank. Der Dorfbrunnen war abgebrochen worden. Der Kirchplatz vom Autoverkehr überschwemmt. Viele Geschäfte und Gasthäuser geschlossen. Die alten Bauernhäuser den Zuwanderern aus fremden Ländern überlassen! Nun ist das Dorf um das Jahr 2000 aber wieder zu neuem Leben erweckt worden. Der große rote Platz bringt mit regelmäßigen Markttagen die Menschen zusammen. Neue Geschäfte, Arzt-Ordinationen und schöne Wohnungen ergeben ein anderes Bild. Ein Spielplatz, ein kleiner Bach, ein vielbeachtetes Spielzeug-Museum lassen wieder Kinderlachen hören. Aus dem Dorfbrunnen sprudelt frisches Wasser! Viel Mut, viel Arbeit und viel Geld waren für diese Erneuerung notwendig. Wir sind den Verantwortlichen unserer Gemeinde dankbar dafür. Wir dürfen auf unser Kirchdorf wieder stolz sein! Das Dorf hat eine lange und wechselhafte Geschichte. In vielen Beiträgen in unserer Zeitschrift habe ich darüber berichtet.1 Hier fasse ich das Wesentliche noch einmal zusammen. Eine Wiederholung für eifrige Leser, aber auch eine Einführung für jene, die die alten Hefte nicht besitzen! Zur Zeit von Christi Geburt führte am Talrand eine Römerstraße zur Furt über die Ach nach Brigantium. Um das Jahr 500 ließen sich alemannische Bauern am Tobelbach nieder. Hier fanden sie Holz für ihre Häuser, frisches Wasser und fruchtbaren Ackerboden. Etwa ab dem Jahr 1000 mußten einige Höfe im Umland die Grafen von Bregenz versorgen, darunter der „Hof zue Staig" in Rickenbach und der „Kelnhof" am Tobelbach. „Keller" ist ein altes Wort für „Verwalter". Von den Grafen von Bregenz fiel der Kellhof an die Grafen von Pfullendorf, dann an Kaiser Barbarossa und schließlich an das Kloster Weißenau. Lies darüber im Beitrag „Die Staufer und der Kellhof'! Der Kellhof erhielt in dieser Zeit eine Kapelle St. Nikolaus und das Schloß auf dem Bühel und auch den neuen Namen „ Wolfurt". Jetzt entwickelte er sich zum Kirchdorf. In der Kirche behielten die Weißenauer Mönche ihren Einfluß bis 1600. Der Kellhof aber wurde mit seinen zeitweise zweihundert Leibeigenen mehrfach verpfändet und verkauft. Er kam zuerst in den Besitz der Grafen von WerdenbergBludenz, dann 1402 für 1100 Goldgulden an Montfort-Bregenz und schließlich 1515 nach weiteren Verpfändungen an den bekannten Landsknechtführer Merk Sittich von Hohenems. Verpfändet und verkauft! Mit Frauen und Männern, mit Äckern und Wäldern, einfach verkauft!2 Das gleiche Schicksal hatte im Jahre 1451 auch die Hofsteiger getroffen. Als es deren Herrin, der Gräfin Elisabeth von Bregenz, an Geld mangelte, verkaufte sie ihre 11 1 Heim, „Wolford", Heimat Wolfurt, Heft 24 / 2000 und „Weißenau", Heimat Wolfurt, Heft 17/1996 Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs, I, S. 138 Weizenegger-Merkle, Vorarlberg, 2 / 1839, S. 350 Kopie abgedruckt in Info Wolfurt, April 2004, S. 16. Siehe auch VLA, Helbok-Regesten Nr. 353! Binder, 850 Jahre Weißenau, 1995, S. 248 und VLA, Helbok-Regesten Nr. 364 Heim, „ 750 Jahre Rickenbach ", Heimat Wolfurt, Heft 22 / 1999 und VLA, Helbok-Regesten Nr. 445 2 3 4 5 6 10 halbe Stadt samt Hofsteig an Sigismund den Münzreichen, den Habsburger Herzog von Tirol. Seither, seit 1451, gehört Rickenbach mit den-anderen Hofsteiger Dörfern zu Österreich. Nicht so der Kellhof! Der verblieb noch dreihundert Jahre lang unter der Herrschaft der reichsunmittelbaren Hohenemser Grafen. Erst im Jahre 1765, als deren Geschlecht im Mannesstamm ausstarb, fiel auch Hohenems mit seinen Besitzungen in Lustenau, Dornbirn und im Wolfurter Kellhof an den Kaiser und damit an Österreich. Gräfin Rebekka, die Tochter und Erbin, hatte nach Böhmen geheiratet. Nun machte sie ihre Rechte zu Geld. Im Jahre 1771 kauften vier angesehene Wolfurter für insgesamt 4500 Gulden die letzten Hohenemser Besitzungen frei, darunter die fast zwei Hektar große „Bütze", den von einer Mauer gegen Hochwasser geschützten Emser Weingarten. Bald danach wurden die Reben ausgerissen und zuerst Heims und dann Rädlers Haus in den ehemaligen Garten gebaut. Bei Rädlers Haus blieb ein Stück von der alten Mauer noch bis 1976 stehen. Schon lange vor Rebekkas Zeit waren die Grenzen zwischen den beiden Gerichten, zu denen sich die gräflichen Höfe entwickelt hatten, durchlässig geworden. Durch Heiraten hatten sich die Besitzverhältnisse geändert. Jetzt gehörten viele Dörfler zu Hofsteig, Kellhofer wohnten umgekehrt auch in Schwarzach, Kennelbach und in Langen. Jedes Jahr aber mußten sich die Kellhofer Männer zur Musterung vor dem Emser Grafen oder seinem Vogt bei der Standlaube neben der Kirchenstiege einfinden. Zu großen Festen, etwa zur Hochzeit des Grafen, mußten sie sich sogar mit ihren Waffen in Hohenems aufstellen.3 Die Neuzeit hatte begonnen. Dem Hofsteiger Ammann Sebastian Schnell, der drüben an der heutigen Schloßgasse wohnte, gelang es, die beiden eifersüchtigen Äbte von Mehrerau und Weißenau an einen Tisch zu bringen und zur Gründung einer selbständigen Pfarrei St. Nikolaus zu bewegen. Seit 1512 müssen die Wolfurter und mit ihnen auch die Bucher und Bildsteiner nicht mehr zum Sonntagsgottesdienst durch die Ach waten. Seither haben sie einen eigenen Taufstein und einen eigenen Friedhof! Noch einen weiteren Erfolg konnte Ammann Bascha Schnell für sich verbuchen. Der Schloßherr Junker Jakob von Wolfurt erlaubte ihm, die Quellen bei seinem Weinberg zu fassen und durch Düchel-Rohre zu einem Brunnen auf dem Dorfplatz zu leiten, zum allerersten Brunnen. Mehr als vierhundert Jahre lang versorgte dieser Brunnen nun das Dorf mit Trinkwasser für die wachsende Anzahl von Einwohnern und auch mit Wasser zum Tränken der Tiere. Allerdings schöpften viele Bauern weiterhin wie bisher ihr Wasser aus dem Tobelbach. Wenn klirrender Frost oder anhaltende Trockenheit den Bach versiegen ließen, kamen sie aber auch zum Genossenschafts-Brunnen und nutzten dort ihr Recht. Der älteste „Seelenbeschrieb" von 1760 hatte erst 56 Häuser und dazu Kirche und Pfarrhof zum Dorf gezählt. Nach der Verteilung der Äcker dehnte es sich aber jetzt schnell nach Norden ins Röhle-Feld, nach Süden fast bis Unterlinden und nach Westen weit in die Bütze hinab aus. 12 Bild 5: Der neue Brunnen auf dem Kirchplatz Nach den im Gemeindearchiv aufbewahrten Brunnenbriefen waren im Jahre 1816 bereits 71 Genossen zur Wasser-Entnahme am Dorfbrunnen berechtigt. Es wurde eng, wenn aus 51 Ställen 83 Kühe und 34 Pferde zur Tränke geführt wurden.4 Auffallend ist dabei die niedrige Zahl der Kühe und die hohe der Pferde. Die Pferde setzte man beim Getreide-Anbau ein, der damals noch die weitaus wichtigste Lebensgrundlage der Wolfurter war. Kühe nutzte man dagegen hauptsächlich zur Eigenversorgung der großen Familien mit Milch. Sennereien gab es in Wolfurt noch nicht. Um dem täglichen Gedränge am Brunnen auszuweichen, faßten immer mehr Bauern eigene Quellen am Berghang. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verstanden es die Brunnenmacher auch schon, Pumpbrunnen ins Grundwasser zu setzen. Damit konnte man den steigenden Bedarf für die größer gewordenen Ställe, aber auch für Waschfrauen und Schnapsbrennereien decken. Große Angst hatte man weiterhin vor den Feuersbrünsten, die so manchen Hof in Schutt und Asche legten. Es muß ein gütiger Gott seine schützende Hand über die alten Holzhäuser im Dorfkern gehalten haben, daß es hier nie zu einer ganz großen Katastrophe gekommen ist. In jeder Küche loderte ja bis etwa 1850 ein offenes Feuer unter dem Kamin-Schurz. Löschwasser schöpfte man mit ledernen Kübeln aus dem Bach, wo Nachbarn mit Fallen das Wasser aufstauen konnten. Viel mehr als alle Schadensfeuer hat aber dann die moderne Zeit unter den alten Häusern gewütet. Dutzende von ihnen fielen der Spitzhacke zum Opfer, zerbrachen unter den Rammstößen der Bagger. Schließlich setzte in den letzten dreißig Jahren ein Umdenken ein. Von den allerletzten Rheintalhäusern wurden doch etliche behutsam renoviert und gelten heute als Schmuck der Gemeinde. Insgesamt 16 Häuser füllten früher einmal den Stock, das ist der Raum zwischen dem Dorfbrunnen und dem Kleinen Brunnen beim Kreuz an der Kreuzstraße, dicht aus. Davon stehen heute noch drei: der Alt Schwano, Sammüllars und s Schwöstoro-Hus. 13 Drei von 16! Die sind dafür alle drei vorbildlich hergerichtet worden. Weitere renovierte Häuser findet man noch ein paar an anderen Dorfstraßen. Mit den folgenden Zeilen will ich vor allem die alten und die verschwundenen Häuser ins Gedächtnis rufen. Mitten im Dorf stand einst am Rand des Kirchplatzes die hölzerne Laube, das , , tanz-hus" (T). Unter ihrem Dach war der Platz für die öffentlichen Gerichtssitzungen und Beratungen. Nach dem Sonntags-Gottesdienst verkündigten der Ammann und sein Waibel wichtige Neuigkeiten und gaben die Anweisungen für die Arbeiten bei Saat und Ernte in der kommenden Woche. Die Laube bot aber auch Platz für den Tanz in der Fasnat und für allerlei Kurzweil. Das war der Grund, warum sie der überfromme Pfarrer Barraga im Jahre 1830 abbrechen ließ. Daneben stand „An der Kirchstiegen " das uralte „Hanso Hus". Dort hatte der Arzt Antonius Bildstein seine Praxis und die damit verbundene Barbierstube gehabt. Nun richtete sein Sohn Crispin Bildstein um 1770 hier den allerersten Kaufladen ein. Nach der Messe war er für die Hausfrauen geöffnet. Manche mußten ihre Schulden anschreiben lassen. Kunden aus Buch bezahlten oft mit Rebstecken oder mit Heugeschirr. 1928 wurde Hanso Hus zum Bau des Kriegerdenkmals abgebrochen. Auf der anderen Seite der Kirchstiege stand das stattliche Gasthaus „Rößle". Seine beste Zeit hatte es mit Bäckerei, Handlung und Tanzsaal ab 1850 unter der Wirtsfamilie Fidel Müller. 1982 wurde es abgebrochen, 1985 entstand hier das neue Pfarrheim. Gegenüber befand sich hinter dem Dorfbrunnen das älteste Gasthaus im Dorf, das man heute als den „Alten Schwanen" bezeichnet. In der dortigen Stube fanden die Sitzungen der Brunnengenossen statt. Im Jahre 1811 wurde hier unter der BayernHerrschaft auch die erste Vorsteherwahl in der fünf Jahre vorher neu errichteten Gemeinde Wolfurt durchgeführt. Als der Schwanenwirt Kalb später zusehen mußte, wie sein Konkurrent, der Rößlewirt Müller, mit Bäckerei und Handlung und mit neuen Gaststuben das Geschäft an sich riß, erbaute er 1860 auf dem Platz einer abgerissenen Nagelschmiede den „Neuen Schwanen". Hundert Jahre lang galt dieser nun als nobelstes Gasthaus im Dorf, besonders als die reichen Sticker im „Römerstüble" ihre ausgelassenen Treffen abhielten. Um 1970 mußte zuerst die Gaststube geschlossen werden. Zehn Jahre später wurde die stark erweiterte Handlung als Schwanenmarkt an die untere Kellhofstraße verlegt. Das stattliche Haus mit dem alten Schwanen-Schild blieb aber glücklicherweise erhalten. Das dritte Gasthaus am Kirchplatz war der „Engel". Der ehemalige Löwenwirt und Hofsteig-Ammann Joseph Fischer aus Rickenbach hatte dort um 1800 ein altes Haus gekauft und zu einem Gasthaus umgebaut. Hier hielt die 1816 gegründete Bürgermusik ihre ersten Proben ab. Mit den „Sammar"- und den „Alt-Adlerwirt"Fischer stammen bedeutende Familien aus diesem Haus. Zum Gasthof gehörten eine Kegelhalle und ein großer Gastgarten am gegenüberliegenden Hang. 1975 übersiedelte der Wirt in sein neues Hotel Engel. 14 Bild 6: Das Kirchdorf Wolfurt im Jahre 1760 Eine Skizze aus Heimat Wolfurt, Heft 6 /1990. Dort sind die einzelnen Häuser aufgezählt. Der Pfarrer hatte im „Seelenbeschrieb" für den Steuerkataster der Kaiserin Maria Theresia alle Straßen und Häuser und alle Einwohner aufschreiben müssen. Das im Pfarrhof erhaltene dicke Buch gibt einen ersten Überblick über unsere Gemeinde. Die Landstraße führte am Hang entlang zum Tanzhaus (T) am Fuß der Kirchenstiege und dann über das Oberfeld zur Furt an der Ach. Die Numerierung beginnt bei der Kirche mit den 6 Häusern „Auf dem Bühel". Nach den 7 (hier fehlenden) Anwesen an der Ach setzt sich die Reihe im „Röhle" (beim heutigen „Engel") fort. Sie führt über „Loch" und „Berggasse" (heute Kellhofstraße), „Feldgasse" (Kreuzstraße) und „Gässele" ins „Tobel" und erreicht endlich „An der Kirchstiege" mit der Nr. 45 „Hanso Hus" beim Tanzhaus. Vom Dorfbrunnen weg folgen die Nummern jetzt der „Kirchgassen " in Richtung Unterlinden . Neben dem Dorfbrunnen (bei 47) gab es noch Gemeinschaftsbrunnen auf dem Bühel (bei 2), im Loch (bei 24), bei Stenzlers (54) und den Kleinen Brunnen (bei 57). 15 Bild 7: Kinder am neuen Bächlein Bild 8: Blick vom Kirchturm auf das Dorf An dessen Platz standen früher zu beiden Seiten der Straße „ im röle " die zwei großen Haltmayer-Gerbereien, die ihren Besitzer um 1870 zum reichsten Mann von Wolfurt gemacht hatten. Beide mußten ihren Betrieb später einstellen. In den riesigen Häusern wurden Miet-Quartiere eingerichtet. Zuletzt mußten sie neuen Häusern Platz machen. Abgebrochen wurde daneben 1982 auch die „Dörfler" Sennerei. Genau hundert Jahre vorher war sie über Betreiben von Oberlehrer Wendelin Rädler gebaut worden. Bis 1924 wurde hier die Milch aus der nördlichen Hälfte der Gemeinde zu Butter und Käse verarbeitet. Ab jetzt wurde sie für die Großmolkerei Dornbirn gesammelt. Gleich danach endete früher die Röhle-Straße am Vällenthor (V). Die Landstraße führte ja damals über das Oberfeld. Von dort aus sah man um 1760 noch ein unermeßlich großes Getreidefeld vom Bühel bis zu den Unterfeldern in der Lärche. Kein 16 einziges Haus bis zur Lauteracher Kirche, keines im heutigen Röhle, keines in der Bütze! Nur Getreide und das Buschwerk „ im Wida " an der Ach! Das Feld war in Drittel abgesteckt. Ein Drittel war mit „ Vesen " bebaut, das ist eine Weizenart, die man heute Dinkel nennt. Sie lieferte das Mehl für Brot, Mus und damals, bevor im Ried Mais angebaut wurde, auch für „Hafo-Loab". Das zweite Drittel trug Hafer für „Habor "-Suppe und „Habor-Stopfar". Das dritte Drittel lag brach. Es sollte sich bis zur nächsten Einsaat erholen. Ammann, Dorfmeister und der „Banwart" regelten die gemeinsam von allen Dorfgenossen durchgeführte Arbeit bei Saat und Ernte. Sie sorgten auch für die Abfuhr des Zehents an den Vogt und an das Kloster Mehrerau. Bis ins 18. Jahrhundert hatte sich diese Dreifelder-Wirtschaft bewährt. Dann waren Felder und Wälder an die einzelnen Bauern verteilt worden. Bis zur Inselstraße und zu den „Löchern" (an der heutigen Loackerstraße) herein 17 reichte das mit Stauden bewachsene Flußbett der Ach, doch überflutete das Hochwasser nicht selten die Äcker bis in die Lärche und bis zur Laüteracher Kirche. Erst 1771 ließ Kaiserin Maria Theresia den Schutzdamm errichten, der viel später zur Achstraße ausgebaut wurde. Und die Straßen? An der Stelle der heutigen Bregenzerstraße und der Bützestraße führten grasbewachsene „Bau-Gaßen " in die Äcker hinein, aber der Zutritt war bis zur Erntezeit durch die großen Gatter der „ Vällenthore " versperrt. Ab 1800 wurden noch in der Bayernzeit ein paar Häuser in das Röhle-Feld gebaut. Bald danach stellten die Familien Dür, Schertler und Klocker je eine Ziegelei in die Insel hinaus. Als „Iosol" bezeichnete man das ursprünglich wertlose StaudenVorland an der Ach, das man mit Maria Theresias Damm dem Fluß abgerungen hatte. Zu jeder Ziegelei gehörte auch ein großer Kalk-Brennofen. Am Damm stapelten die Flößer riesige Mengen Holz aus dem Bregenzerwald als Brennmaterial auf. Der Lehm wurde in den Lehmlöchern im Flotzbach gegraben und mit Pferdefuhrwerken an die Ach geführt. Der mühsame Umweg über das Oberfeld machte eine direkte Zufahrt durch das Röhlefeld notwendig. Daher wurde um das Jahr 1820 eine neue Straße gebaut, die heutige Bregenzerstraße. Etwa 1830 entwickelte sich auch die Bützestraße zu einer zweiten Zufahrtsstraße zu den Ziegeleien. Als die Schertler um 1880 eine ganz moderne neue Ziegelei im Flotzbach geschaffen hatten, mußten die drei alten bald schließen. An der Ach blieb nur das Geschäft mit dem Kalk und später mit Zementwaren. Aus der ursprünglichen SchertlerZiegelei und ihrer Kalkhütte entwickelte sich die Firma Baustoffe-Rädler. Inzwischen waren die meisten Weingärten gerodet worden. Ab 1860 ging auch der Getreide-Anbau rapide zurück, weil preisgünstiges Getreide zum Bregenzer Kornmarkt eingeführt wurde. Die Landwirtschaft geriet in eine ernste Krise, aus welcher sie sich erst durch den Obstbau und die Intensivierung der Milchwirtschaft mit der Errichtung von Sennereien wieder einigermaßen erholte. Die ehemaligen Äcker rund um das Dorf verwandelten sich in Obstgärten und Heuwiesen. Jetzt zurück ins Kirchdorf! Dort war auch die „ Berggaßen ", die heutige Kellhofstraße, mit einem Vällenthor beim Bütze-Weingarten gegen das Ackerfeld verschlossen. Es gab aber bereits einen Weg nach Lauterach und den „Bregenzer Weg" auf der heutigen Montfortstraße schräg durch Felder und Stauden-Vorland zur einzigen Brücke über die Ach in Lauterach. An der Berggasse brach Kaspar Gmeiner 1776 das oberste Haus beim Brunnen ab und stellte es weiter unten im damals noch freien Feld neu auf. Ergänzt mit einem Stadel steht es noch heute (Kellhofstraße 11, Mohrs). Schon früher hatte ein einzelnes Haus außerhalb des Vällenthores (Nr. 30, Bützestraße 1, Stülzes) die Besiedlung der Bütze eingeleitet. Am westlichen Teil der „Berggasse" stehen noch ein paar von den alten Häusern, darunter der am Giebel mit den allerschönsten Zimmermannsarbeiten geschmückte alte „Kunsum". In dem bereits 1779 erbauten Haus hatte der Arbeiter-Verein 1903 18 Bild 9: Die Berggasse 1890. Wandbild von E. Köb im Schwanen. Links s Wäschhütlle und Filitzos Hus Bild 10: Dr. Lorenz Böhlers Geburtshaus einen preisgünstigen Verkaufsladen eingerichtet, der 1938 zum weitaus größten und modernsten Gemischtwaren-Geschäft der Gemeinde erweitert wurde. Wie viele andere Läden ist auch der Konsum längst geschlossen. Ein Stück weiter unten mußte 1976 mit Rädlers Haus ein besonders schönes Bauernhaus samt dem letzten Stück der Weinberg-Mauer dem Neubau des Schwanenmarktes und der Raiffeisenbank weichen. Unterhalb der Weg-Abzweigung ins „Loch" (Im Dorf) hatten die Dörfler eine Waschhütte gebaut, in welcher das saubere Überwasser des Dorfbrunnens den Hausfrauen zur Verfügung stand. Eine zweite solche Waschhütte stand droben auf dem Bühel. Dort wurde auch Schnaps gebrannt. Auf der Südseite der Kellhofstraße steht noch, ganz nahe beim Alten Schwanen und 19 Bild 12: Gasthaus Lamm um 1930. Gemalt von Rudolf Schertler. Bild 11: Dörfler Konsum um 1935 Bild 13: Das Mohr-Haus an der Kellhofstraße. Es wurde 1776 aus dem Kirchdorf hierher übertragen. wie dieser schön restauriert, das „Sammüller "-Haus. Es trägt seinen Namen nun schon mehr als 250 Jahre lang vom Gotteshaus-Ammann Nikolaus Müller. In der Wohnung über der damals angebauten Schreinerei wurde 1885 unser Ehrenbürger Prof. Dr. Lorenz Böhler, „ Sammüllars Lorenz ", geboren. An der Ecke zur Kreuzstraße stand früher der Gasthof „Lamm ": Der Lohnmetzger Gebhard Fischer hatte um 1880 hier das allererste Metzgerei-Lokal von Wolfurt eingerichtet, in welchem er Fleisch und Wurst an die zunehmend nicht-bäuerliche Bevölkerung verkaufte, die in den „ Quartieren " der großen Häuser wohnte und ihren meist kargen Verdienst in der Fabrik in Kennelbach erarbeitete. 1962 ist das Lamm abgebrannt. Im großen Neubau wurde das Gastlokal „ Klim-Bim " eingerichtet. Wo die Kreuzstraße an ihrem Südende bei einem großen Wegkreuz in die Kirchstraße einmündet, war früher einmal das Ende des Dorfes gewesen. Das gemeinsam 20 Bild 14: Das Rädler-Haus. Vorne die Mauer des Emser Weingartens. 21 Bild 15: Rasiorars Hus an der Kurve. Links das Heitz-Haus. bewirtschaftete Feld westlich der zur „Kirchstraßen" gewordenen ehemaligen Römerstraße war durch Jahrhunderte gegen Verbauung geschützt. Im 18. Jahrhundert setzten sich einflußreiche Bürger über die alten Gesetze hinweg. Als erster baute der Hofsteig-Ammann Jerg Rohner beim Kreuz einen großen Hof und eröffnete darin ein Gasthaus. Dort soll nach der Legende einmal Kaiser Josef II. genächtigt haben, als er inkognito sein Reich bereiste.5 Vor dem Haus stellte der Wirt einen eigenen Brunnen auf, für welchen er Wasser von der Zuleitung zum Dorfbrunnen abzweigte. Der stolze Hof, damals der größte in der Gemeinde, ist 1869 abgebrannt. Im Jahre 1957 mußte auch der „Kleine Brunnen" dem zunehmenden Autoverkehr weichen. Gegenüber waren 1937 die zwei alten Häuser des Wagners Heitz und des Metzgers Reiner abgebrannt. Wegen der Beengtheit des Platzes versagte die Gemeinde die Erlaubnis zum Wiederaufbau. So legten die Geschwister Heitz beide Brandplätze zusammen und stellten darauf das übergroße Haus, das seither den Südeingang zum Kirchdorf dominiert. Im Erdgeschoß bauten die Brüder drei Werkstätten ein. Längst sind diese geschlossen und haben Platz gemacht für kleine Geschäftslokale. Noch weiter im Süden durfte man eigentlich nur auf der Bergseite der Kirchstraße bauen. Zu einem Doppelhaus zusammengezwängt standen dort weit abseits schon um 1700 zwei bescheidene Häuser. Sie wechselten alle paar Jahre die Besitzer. Nach dreihundert Jahren stehen die unverwüstlichen Zwillinge noch immer fest auf ihrem felsigen Grund und bieten Raum für junge Familien. Eines wurde in den letzten Jahren von Grund auf renoviert (Zilla Zollers). Noch einmal zurück ins Dorf! Im großen Rank an der Kirchstraße steht seit 1746 das bis heute fast unverändert gebliebene „Rochusles Hus". Daneben hat 1772 der reiche Ornath-Händler Gallus Fidel Gantner aus Feldkirch sein schönes Haus gebaut. Viel später hat dort „Rasiorars Agathle" ihren Kundschaften die Haare frisiert oder schon am Sonntag-Vormittag die Barte gestutzt. An der Ecke zur Schloßgasse erinnert uns ein besonders originelles Doppelhaus daran, wie knapp bemessen der Baugrund im Dorf einst gewesen ist. Die Westhälfte heißt man „Stenzlars Hus". Hier, wo einst das kleine Halden-Bächlein zum Tobelbach abgeleitet wurde, wohnte um 1500 der Ammann Bascha Schnell. Das Haus ist aber sicher jünger. Nach der Überlieferung soll es sogar einmal ein Gasthaus gewesen sein. Seinen Namen hat es von der Witwe Schwerzler, geborene Stenzel, die hier allein ihre Kinder aufzog. Ein Stück weiter in Richtung Kirche steht „ Tannbergers ", das seinen Namen von einem Josef Anton Huber aus Lech am Tannberg trägt. Vor ihm besaß es 1873 der böhmische Schneider Franz Eiselt, der 33 (!) Schlafstellen für arme Gastarbeiter einrichtete und damit viel Geld verdiente. Ein paar von den allerältesten Häusern drücken sich noch „Im Tobel" zusammen. Den Südhang deckte bis zum Jahre 1900 mit Pfarrers Rebgarten der letzte Weinberg in Wolfurt. Von der Friedhofmauer weg, wo sie ihren ersten Schießstand aufgestellt 23 Bild 16: An der Kirchstraße 1970. Tannbergars, Gitschges, Rüstos und Stenzlars. Bild 17: Mohro Emiles und der Alt Schwano, 1995 22 hatten, erprobten ab 1838 die Wolfurter Schützen ihre Vorderlader-Stutzen. Der Zielstock stand auf dem Bühel gegenüber. Beim Schwesternhaus beenden wir unseren Rundgang durch das Dorf. Der Schuhmacher Weiß hatte es 1921 den Schulschwestern vermacht. Darüber berichtet ein eigener Artikel. Auch die vielen anderen, an denen wir vorbei gegangen sind, könnten uns jedes eine eigene Geschichte erzählen! Siegfried Heim Die Besiedlung der Bregenzerstraße Das Röhle-Getreidefeld war schon vor 1750 aufgeteilt worden. Aber erst die um 1820 neu angelegte Straße am Fuße des Oberfelds machte eine Besiedlung möglich. Bis 1750 war ein Dür-Haus (Bregenzerstr. 7, Schützo-Mathisos) das äußerste nördliche Gebäude des Kirchdorfs gewesen, direkt neben dem Vällenthor zum Getreidefeld. Als erster überschritt 1752 Joseph Vonach diese uralte Grenze und baute sein neues Haus an den Vorsprung des „Röhle", an den steilen „kleinen Rain". Er überließ es später seinem Schwiegersohn Johannes Dür, der mit seinen vielen Kindern bald danach die Besiedlung von Röhle und Ach vorantrieb. Das Dür-Stammhaus steht noch heute, vor wenigen Jahren renoviert, als „Hannes Franzos" (Breg.str. 6). Erst 1802 erhielt es in Joh. Georg Klocker den ersten Nachbarn, den Stammvater der „Strickar"-Klocker. (Breg.str. 8, „Gigars im Röohle"). Damals führte die Landstraße ja noch über das Oberfeld und umging damit das Röhle-Feld. Erst weit im Norden senkte sie sich wieder zu den sieben alten Häusern an der Ach und erreichte dort als erstes das kleine Klocker-Haus (Breg.str. 31, Wachters). Das dritte Haus im Röhle erbaute 1805 Franz Josef Dür, ein Sohn des Johannes (Breg.str. 10, Kapeollars). Er begann nach den Franzosen-Kriegen mit dem Ziegelbrennen an der Ach. Sein jüngerer Bruder Lorenz Dür hatte das SchmiedeHandwerk erlernt. Er stellte 1812 auf der anderen Seite des Weges eine Werkstatt ins Feld und baute dazu ein Jahr später ebenfalls ein Haus (Breg.str. 11, Schorrers). Seine tüchtigen Söhne verlegten 1848 die Schmiede nach Rickenbach und schufen dort das Stammwerk der Firma Doppelmayr. Schon 1814 kam dann auch Josef Anton Schertler, ein Sohn des legendären Schützenmajors Jakob Schertler, aus Unterlinden und erbaute genau vis-a-vis von Franz Josef Dür ein großes Haus (Breg.str. 15, Schertler I, „Schädlars Sepplos"). Mit einer zweiten Ziegelei an der Ach wurde er der große Konkurrent der Firma Dür. Gemeinsam setzten die beiden aber jetzt den Ausbau des bisherigen Ackerweges zu einer Fahrstraße durch das Röhlefeld bis zur Ach durch. Zwei Jahrhunderte lang galt die neue Straße neben der Bützestraße als die „Obere Straße". Als erste in Wolfurt wurde sie 1931 „geteert". Seit 1953 trägt sie den neuen Namen „Bregenzerstraße". 1964 konnte sie den unerträglich gewordenen DurchzugsVerkehr an die „untere" Straße abgeben. Am Nord-Ende der damals neuen oberen Straße hatte als erster der Küfer Johann Böhler 1822 die Verbindung für ein Haus genützt (Breg.str. 21, „Hann-Batistos"). Drinnen im Dorf stellten jetzt die Haltmayer 1818 und 1828 ihre beiden Gerbereien auf. Aus dem Gasthof Engel übersiedelte die Witwe Magdalena Schertler-Fischer 1835 in ihr neues Ausgedinge-Haus am Röhle-Rank (Breg.str. 9, „Sammars"). 25 1 Empfohlen seien besonders aus Heimat Wolfurt Heft 4, S. 54 Pfarrkirche St. Nikolaus Heft 6, S. 2 Das Kirchdorf Heft 13, S. 6 Hofsteig Heft 23, S. 6 Dorfbrunnen Nach Ludwig Welti, Kellnhof Wolfurt, LMV Jahrbuch 1952 Nach Ludwig Welti, Jakob Hannibal, Wagner-Innsbruck, 1954 Heim, Dorfbrunnen, Heimat Wolfurt, Heft 23, 1999 Heim, Ein Kuß für den Kaiser, Heimat Wolfurt, Heft 14, 1994 2 3 4 5 24 Nun war nur mehr in der Mitte des Feldes ein Stück frei geblieben. Hierher bauten 1836 der Wagner Fidel Bildstein von der Hub (Breg.str. 12, Kassians) und der DürSchwiegersohn Max Rusch aus Kennelbach (Breg.str 20, „Küofar Böhlars", jetzt Fuchs). Die letzte Lücke schloß 1843 Franz Josef Dür (Breg.str. 14 u. 16, Bernhards). Als 1852 noch die Ziegelei-Firma „Schertler u. Cie" ihr großes Geschäftshaus auf die Westseite der Straße gestellt hatte (Breg.str. 21, Schertler II, „Schädlars Alfredos "), war die Besiedlung des Röhle für viele Jahre abgeschlossen. Nur an den Hang kamen 1888 noch die Schertler-Kalkhütte und 1889 die BöhlerWagenschmiede. Nach langer Unterbrechung stellte nach dem Ersten Weltkrieg Fidel Schwerzler, Toblars Fidele, seine Zimmermanns-Werkstatt auf, die Alwin Fuchs einige Jahrzehnte später zu einem Wohnhaus umgestaltete (Breg.str. 18). Und um das Jahr 1930 erbaute Josef Lässer erstmals nach fast 70 Jahren wieder ein Wohnhaus (Breg.str. 23). Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte dann die ungehemmte Besiedlung der Felder ein, verbunden mit einer massiven Rodung der schönen Obstbaum-Bestände. Sogar der steile Berghang wurde schließlich bebaut. Das Bild an der Straße bestimmen aber immer noch die alten Rheintal-Häuser mit ihren hohen Giebeln. Mit großem Einsatz haben mutige Besitzer bereits die meisten renoviert und die Wohnungen der neuen Zeit angepaßt. Eine schöne Straße ist uns erhalten geblieben, die Bregenzerstraße im Röhle! Bild 21: Die alten Häuser im Röhle auf einem Katasterplan von 1857 26 27 Bild 18: Bregenzerstraße und alte Landstraße auf das Oberfeld 1931. Neuer Schwanen, Engel und Kegelhalle. Bild 22: Das Röhle im Schmuck der großen Birnbäume. Schädlars Sepplos, Kapeollars und Kassians. Bild 19: Die zum Mietshaus umgebaute ältere „Gerbe" von 1818. Dahinter die Sennerei von 1882. Bild 23: Hannes Franzos Hus wurde 1752 als erstes im Röhlefeld gebaut. Bild 20: Schützo-Mathisos und Sammars. Beide vorbildlich renoviert. Bild 24: Die Dür-Ziegelei um 1890. Ein Bild von Schnidarles Hannes. 28 29 Siegfried Heim Das Schwesternhaus An der engen Kurve der Kirchstraße hat die Gemeinde Wolfurt vor wenigen Jahren ein altes Rheintalhaus renoviert. Mit dem Schwesternhaus bleibt ein wichtiges Gebäude erhalten, das nach außen das Bild unseres Kirchdorfs wesentlich beeinflußt, das in sich aber auch eine beachtliche Tradition trägt. In den letzten 250 Jahren war es nacheinander Mesmar-Hus Klockar-Hus Naglar-Hus Schuohmachar-Hus Schwöstoro-Hus und nun ist es noch zum Spielzeug-Museum geworden! Im Stock Nahe am neuen roten Marktplatz, wo im letzten Jahrzehnt große Anstrengungen zur Wiederbelebung des Kirchdorfs ihre ersten Früchte getragen haben, wurde im Mai 2004 ein neues Wohn- und Geschäftshaus eröffnet, das die Wolfurter nach den neuen Mietern bereits „s Doktor-Hus" nennen. Zusammen mit dem benachbarten Schwesternhaus hat „ der Stock" dadurch eine weitere Veränderung seiner in langen Jahren arg abgebröckelten Fassaden erfahren. „Stock" ist der alte Name für das Dreieck zwischen Kellhofstraße, Kreuz- und Kirchstraße. Bei unzähligen feierlichen Aufmärschen und manchmal auch bei großen Begräbnissen zog man früher mit Musik und Fahnen „umm-o Stock" zum Kirchplatz und zur Kirche. Das Schwesternhaus wurde um das Jahr 1700 nahe bei Kirchplatz und Dorfbrunnen als Bauernhaus erbaut und übertraf damals an Größe die meisten Nachbarhäuser. Von Anfang an hatte es unter den Überschwemmungen des Töbele-Baches zu leiden. Nach Schlagwettern brach dieser oft an der Ecke des gegenüber liegenden RößleStadels aus. Seine schmutzigen Fluten prallten dann an die Straßenwand des Schwesternhauses und suchten sich auf beiden Seiten einen Weg durch die Gärten hinab in die Bütze. Erst vor etwa hundert Jahren wurde am Haus eine hohe Betonschwelle angebracht, die seither die Fluten auf die Kirchstraße ablenkte. Die letzten Überschwemmungen durch den wilden Bach haben noch um das Jahr 1940 jeweils einen großen See unterhalb der Kreuzstraße entstehen lassen. Alte Familien Der erste Besitzer des Schwesternhauses, den unsere Bücher in des Pfarrers Seelenbeschrieb von 1760 in „domus 49 an der Kirchgaßen" erfassen, war der Pfarr-Mesner Anton Fischer, 1718-1789. Auf dem steilen Pfad durch Pfarrers Weinberg im Töbele konnte der Mesner damals zu seinem Dienst in die alte kleine 31 Bild 25: Schädlars Alfredos. Als Zentrale der SchertlerZiegeleien 1852 erbaut. Bild 26: Die SchertlerKalkhütte, später Kalkwerk Rädler. Bild 27: Hann-Batisto Jockls Huf- und Wagenschmiede. 30 Pfarrkirche hinaufsteigen und dort regelmäßig die Glocke zum Gebet läuten. Anton Fischer gehörte dem angesehenen Geschlecht der Stöoglar-Fischer an, zu dem man auch die Seppar, Klosos und Schnidarles-Fischer zählt. Weil er kinderlos blieb, fiel das Haus an seine Stieftochter, die 1772 Anton Klocker geheiratet hatte. Damit wurde es zum wichtigsten Zentrum der Wolfurter Klocker. Von den acht Kindern begründete der Sohn Joh. Georg Klocker im Röhle mit der Nachbarstochter Franziska Reiner aus dem alten Schwanen die Sippe der Strickar-Klocker. Der jüngere Sohn Xaver Nikolaus heiratete mit Barbara Haltmayer aus dem Adler in Rickenbach ebenfalls eine reiche Wirtstochter und wurde der Stammvater der Soalar-Klocker. Die Glasar-Klocker stammen dagegen von Vater Antons jüngerem Bruder Josef Klocker. Das Haus an der Kirchstraße behielt der Sohn Josef Anton Klocker, 1783-1859. Dieser erbaute 1835 von hier aus eine große Ziegelei an der Ach und dazu das damals übergroße Haus Bützestraße 24 (Rohners). Das Elternhaus im Dorf wurde frei. Im Jahre 1843 übernahm es der einflußreiche Gemeinderat Johann Kalb, Naglars, und zog mit seiner großen Familie vom Strohdorf her hier ein. Später überließ er es seinem Sohn Gebhard Kalb, 1829-1878, von dem die vielen Naglar-Kalb-Familien an der Ach, in Unterlinden, in Schwarzach und auch in der Schweiz stammen. Alle aus diesem Haus! Wie in vielen anderen Bauernhäusern wurden jetzt auch im Schwesternhaus Mieter ins „ Quartier" aufgenommen. So lebte im oberen Stock durch längere Zeit die aus Rickenbach zugezogene Familie des Johann Mathias Bernhard, Lohansolars. Das Haus bekam im Jahre 1900 bereits seine fünfte Hausnummer. Nach des Pfarrers „domus 49" von 1760 hatte man aus steuerlichen Gründen bereits 1785 unter Kaiser Joseph II. die Nummer 50 und 1806 unter den Bayern die Nummer 25 auf den Türstock malen müssen. 1843 folgte die Nummer 51 und 1900 bei der letzten Durch-Numerierung der Gemeinde von der Ach bis Rickenbach die Nummer 64. Diese hielt nun bis zum Jahre 1954. Dann wurde sie beim Schwesternhaus durch die noch heute gültige Bezeichnung „Kirchstraße 45" ersetzt. Die Weiß-Stiftung Als Kalbs erwachsene Kinder das Elternhaus vor dem Jahr 1900 nach verschiedenen Richtungen verlassen hatten, konnte es der Schuhmachermeister Josef Weiß, 18681921, kaufen. Weiß stammte aus Lauterach und heiratete 1901 Maria Hinteregger. Sie war die älteste Tochter unter den 15 Kindern des Gemeinderats und Dorfmeisters Franz Hinteregger in der Bütze. Ihre Mutter war 1888 wenige Wochen nach der Geburt des 15. Kindes gestorben. So hatte Maria die Mutterstelle bei ihren vielen Geschwistern übernehmen müssen. Nun zog sie zu ihrem Mann ins Dorf. Weiß hatte in den Stadel des Hauses eine Schuhmacher-Werkstatt eingebaut. In einem kleinen Schaufenster an der Kirchstraße zeigte er die fertigen Schuhe. Über seine Arbeit hinaus war er auch politisch tätig. Schon 1899 war er einer der maßgeblichen Begründer des Katholischen 32 Bild 28: Das Stifterbild im Schwesternheim 33 Bild 29: Das Schwesternhaus 1989. Bild 30: Sr. Regina 1992 im Kreis ihrer Wolfurter Mitschwestern. Arbeitervereins gewesen. Bei der ersten Sitzung im Sternen hatten ihn die Wolfurter Arbeiter sogar zum Obmann gewählt. Im folgenden Jahr 1900 schaffte er für seinen Verein eine schöne Fahne an. Erst im Jahre 1904 konnte er das GemeindeBürgerrecht erwerben. Die kleine Rosa, das einzige Kind der Eheleute Weiß, starb schon im Alter von einem Monat. Die Wirschaftskrise am Ende des Ersten Weltkrieges traf den Schuhmacher schwer. Er erkrankte und starb, erst 52 Jahre alt, im Jänner 1921. Auch seine Frau Maria war todkrank. Als Pflegerin hatte sie ihre jüngere Schwester Paulina ins Haus genommen. Vor dem herbeigerufenen Pfarrer Stadelmann erstellte Maria Weiß, ganz im Sinne ihres Mannes, ein Testament. Darin stiftete sie ihr Haus den Schulschwestern als Wohnung. Diese hatten sich seit ihrem Einzug in Wolfurt im Jahre 1864 viele Jahre lang mit einer kümmerlichen Notwohnung im Schulhaus begnügen müssen, bis die Gemeinde für sie eine Wohnung im Haus Bucherstraße 3 mietete. Nun sollten sie endlich ein eigenes Haus bekommen. Grundbücherlich gehörten zum Haus ein großer Garten auf der anderen Seite der Straße, das Recht zur Nutzung des Tobelbaches und ein Anteil am Dorfbrunnen. Marias leibliche Schwester Paulina Hinteregger behielt das Wohnrecht in zwei rückwärtigen Zimmern. Die Schuhmacher-Werkstatt sollte der Jungfrauen-Kongregation zur Verfügung gestellt werden. Am 25. Jänner 1921 starb die Stifterin Maria Weiß, nur eine Woche nach dem Tod ihres Gatten. Nach dem Testament mußten ihre Verwandten vom Pfarrer mit einem BargeldBetrag abgefunden werden. Wegen der Geld-Entwertung durch die Inflation hatte man dafür 500 Schweizer Franken bestimmt. Als der Pfarrer diese Summe im notleidenden Wolfurt nicht auftreiben konnte, wandte er sich an Auswanderer in Amerika, darunter an den Pfarrer Theodor Rohner. Schon nach wenigen Wochen 34 traf eine viel größere Summe ein, die auch noch für den Umbau des Hauses ausreichte. Erster Verwalter des Stiftungsvermögens wurde ein Schwager der Stifterin, der Schreiner Rudolf Fischer, Schnidarles. Schwesternhaus Noch im Jahre 1921 zogen die Barmherzigen Schwestern Sebastina Oberhauser, Hildegund Gmeiner und Gisela Amann ein. Vom nunmehrigen „Schwesternhaus" aus setzten sie ihr segensreiches Wirken für Schule und Pfarrei Wolfurt fort. Nach dem Tod von Sr. Hildegund stieß 1932 noch Sr. Regina Pichler zu ihnen. Sie war die letzte Schwester, die das Haus bis 1992 bewohnte, begleitet und betreut von ihrer Helferin Zilla Zoller. Als dann auch Zilla die Wohnung räumte, blieb das Haus zehn Jahre lang leer. In die ehemalige Werkstatt war 1922 die damals sehr aktive JungfrauenKongregation eingezogen. Sie hielt hier ihre wöchentlichen Heimabende mit Gebet, Gesang und fröhlichem Gespräch ab. Dazu kamen Bildungsvorträge, Koch- und Näh-Kurse und Ausbildung in Kranken- und Säuglingspflege. Das rührige Treiben trug dem Mädchenheim bald den Spottnamen „Henno-Stal" ein. Auch die Pfarr-Bücherei fand hier einen Platz. Nach Beschlagnahme und „Säuberung" in der NS-Zeit wurde die Bücherei mit den übrig gebliebenen alten und einigen wertvollen neuen Büchern nach dem Krieg wieder eröffnet und war jetzt ein wichtiger Treffpunkt für die bildungshungrigen Wolfurter. Darüber hinaus verwendete die Gemeinde die Räume viele Jahre lang als Wahllokal für Gemeinde-, Landes- und Bundeswahlen. Streng mußte der Wahlleiter darauf achten, daß am Wahltag zuerst im näheren Umkreis die Wahlplakate entfernt wurden. In den Gasthäusern durfte kein Alkohol ausgeschenkt werden. Findige Wirte sollen allerdings für ihre Stammgäste immer wieder einen Ausweg gefunden haben. 35 Als die Gemeinde dann in den 60er-Jahren neue Schulen und ein Rathaus gebaut hatte, wurden für Vereine, Bücherei und natürlich auch als Wahllokal bessere Räume gefunden. Die Kongregation wandelte sich zur Jungschar und fand im neuen Pfarrheim Aufnahme. Jetzt blieb der „Henno-Stal" lange Zeit ungenutzt. Schon 1922 hatte sich die Gemeinde zur Erhaltung des Schwesternhauses verpflichtet. Nach dem Statut kann sie es aber, wenn es nicht für Schulschwestern oder einen anderen Orden beansprucht wird, einem gemeinnützigen Zweck zuführen. So wurde mit Zustimmung des Generalrats der Barmherzigen Schwestern in Innsbruck und von Stiftungskurator Dr. Franz Hinteregger im Jahre 1991 im Stadelteil des Hauses der Kindergarten Kirchdorf eingerichtet. Weil der Orden wegen des Mangels an Nachwuchs keine Rückkehr von Schwestern mehr in Aussicht stellen konnte, machte sich die Gemeinde nach Sr. Reginas Tod Gedanken um eine Verwendung der Wohnung. Zu viele von den alten typischen Häusern des Dorfes waren bereits verschwunden. Eine Revitalisierung der alten Bausubstanz erwies sich als schwierig und aufwendig. Trotzdem entschloß sich die Gemeinde mutig zu dem Schritt, nach dem Alten Schwanen auch noch das traditionsreiche Schwesternhaus, das Stammhaus vieler Wolfurter Familien, für die Nachwelt zu erhalten. Mit einem Aufwand von über 300 000 Euro wurden Wohnung und Dachboden saniert. Uraltes Gebälk und „gestrickte" Wände wurden dabei freigelegt und als Zeugnisse der Baukunst unserer Vorfahren dauerhaft sichtbar gemacht. Nun konnte Frau Iris Alge, die in jahrzehntelanger aufwendiger Sammeltätigkeit einen einmaligen Schatz zusammengetragen hatte, hier vom Keller bis zum Dachboden ein Puppen- und Spielzeug-Museum einzurichten. Die Gemeinde Wolfurt leistete damit einen bemerkenswerten Beitrag zur Rettung und Erhaltung alter Kulturgüter. Dazu wünschen wir Glück! Und dem uralten Haus noch viele Jahre! Siegfried Heim Der Buggenstein Wer über die Wolfurter Bühel wandert und einen Aussichtspunkt sucht, der findet einen der schönsten Plätze droben auf „Stöckelers Bühel". Wir Älteren nennen den langen grünen Rücken zwischen Kirche und Ippachwald meist noch „Jochums Bühel". In den alten Schriften heißt er aber seit mehr als fünfhundert Jahren der „Buggenstein ". In dem Namen steckt das alte Wort „Buggel" für einen nicht gerade hohen und abgerundeten Bühel. Er ist ja nur 478 Meter hoch, 57 Meter über dem Dorfplatz und 45 Meter über dem nahen Friedhof. Aber sein sanftes Grün vor dem dunklen Ippachwald prägt neben Kirche und Schloß doch die Ansicht unseres Dorfes ganz entscheidend mit. Wunderbar läßt es sich da droben in der milden Herbstsonne sitzen. Bald aber fegt dann wieder der West-Sturm über den Querriegel, der sich ihm als erstes Hindernis vor dem Steußberg entgegenstellt, und zerzaust die zähen Birken. Steil fällt die schattige Nordseite zur Neuen Bucherstraße ab. Die Sonnenseite neigt sich dagegen gemächlich zum kühlen Tobel und zur idyllischen Rütte. Dort zieht seit dem Mittelalter die Alte Bucherstraße durch. Sie erschließt den großen Ippachwald. Harder, Lauteracher und Wolfurter Fuhrleute versorgten lange Zeit auf diesem Weg ihre Dörfer mit Bau- und mit Brennholz. Manch Interessantes könnte uns der Buggenstein erzählen. Nach der Meinung von Museumsdirektor Prof. Elmar Vonbank dürften Grabungen auf seiner windgeschützten Seite vielleicht Funde aus der Steinzeit erbringen. Jedenfalls wäre dieser Platz, nahe beim Wald und beim frischen Wasser des Tobelbachs, für ein Lager der frühen Jäger sehr geeignet gewesen. Einen seltsamen Hinweis dazu gibt die unbestimmbare Überlieferung, daß auf dem inzwischen fast ganz überwachsenen Felsband an der Südostkante einst eingeritzte Zeichen zu sehen waren. Ins Licht der Geschichte tritt der Buggenstein am Ende des Mittelalters. Eine Pergament-Urkunde im Landesarchiv nennt den Namen erstmals im Jahre 1449. (VLA, Nr. 1096, nach Wolfurt in Chroniken, 1982). Damals tauschten die Wolfurter einen Meßkelch für ihre Kapelle St. Nikolaus ein und gaben dafür „ein stück feld ob der kirche auf dem Buggestain". Der größte Teil des Südhangs war einst mit Weinreben bepflanzt. Erhalten geblieben sind Urkunden von 1457 vom Weingarten lyt ob der Küchen uff dem buggenstain 1464 Gärtle und Reben am Buggenstain 1494 1 Juch Weingart zu Buggenstain 1597 Weingart an Buggenstain 1601 Rebgertlin in Buggenstain 1610 Kloster Mehrerauw Reben in Buggenstain (Nach Werner Vogt, Heimat Wolfurt, Heft 19, S. 9 f.) 37 36 Bild 31: Neben Kirche und Schloß prägt der grüne Rücken des Buggensteins das Bild von Wolfurt. Bild 32: BuggensteinSüdseite und Alte Bucherstraße Bis 1601 hatte ein Teil vom Buggenstein zur Kirche Wolfurt und damit zum Kloster Weißenau gehört. Jetzt waren diese Rechte für bares Geld an das reiche Kloster Mehrerau verkauft worden. (Heimat Wolfurt, Heft 17, S. 7) Seit dem Niedergang des Weinbaus gab es da oben noch ein paar Dinkel-Äcker, aber etwa ab 1870 nur mehr Viehweiden. Von einer Bebauung blieben die Hänge noch lange Zeit frei. Einzige Ausnahme waren Kirche, Friedhof und Pfarrhof „uff-om Roa", auf dem westlichsten Ausläufer des Buggensteins. Das allererste Haus am Nordfuß des Bühels (heute Bucherstraße 6, Stöcklers) erbaute im Jahre 1824 Joh. Gg. Gasser. Gasser war Waffenschmied an der Berggasse (Bucherstraße 1) gewesen und zog nun mit seiner Frau Magdalena Flatz, einer Schwester des berühmten Malers Gebhard Flatz, ins Oberfeld. Später besaß ihre Tochter Viktoria Gasser, die in Bregenz den Onkel Gebhard in seinen letzten Lebensjahren betreute, das Haus. Pächter und nachfolgende Eigentümer behielten den Hof meist wenige Jahre, weil der steile Bühel nur mit großer Mühe zu bewirtschaften war und nur geringen Ertrag einbrachte. Auf Kressers, die nach Lauterach zogen, folgte die Familie Rai, die 1924 nach Amerika auswanderte. Jetzt kam aus Lech Johann Jochum, der mit Frau und Töchtern viel Kraft aufwendete, um dem Hang mehr Gras abzugewinnen. Dazu schaffte er sogar eine starke Jauchepumpe an. Mit langen eisernen Rohren konnte er nun erstmals richtig düngen. Inzwischen hatte der Zimmermann Josef Anton Köb, „Lehrars Seppatone", im Jahre 1900 ganz nahe bei der Kirche sein schönes Haus (Bucherstraße 2) als zweites nach dem Gasser-Haus errichtet. Auf der rechten Seite der Alten Bucherstraße baute die Gemeinde dann 1911 ihren oberen Friedhof mit den Arkaden. Der Pfarrhof war schon 1882 erneuert worden. Jetzt kehrte noch einmal für viele Jahre Ruhe auf dem Buggenstein ein. 38 Das wurde 1952 mit einem Schlag anders. Die Gemeinde betonierte fast ganz oben auf „Jochums Bühel", genau 468 m ü. M., ihren ersten Wasserspeicher in den Fels, der für den nötigen Druck im Leitungsnetz des neuen Wasserwerks sorgen mußte. Jetzt konnte mit der Zersiedelung der Felder auch die Überbauung der Bühel beginnen. Architekt Ernst Hiesmayr und DI Otto Gruber waren die ersten, die die herrliche Aussicht vom Westhang des Buggensteins und die Ruhe am Waldrand höher einschätzten als die Probleme mit der schwierigen Zufahrt über die Rütti-Gasse. Ihre beiden Häuser waren mit Nr. 444 und 446 die allerletzten, die 1953 noch eine Hausnummer nach der alten D-Reihung bekamen (Rüttigasse 5 und 7, später Bildhauer Albrecht). Um diese Zeit erwarb Erich Stöckler den Hof samt dem großen Bühel. Immer mehr Siedler erkannten den hohen Wohnwert am Hang. Ganz am Ostende von „ Stöcklers Bühel" - so hieß der Buggenstein jetzt - begann der Bregenzer Textil-Fabrikant Benger mit dem Bau von zwei großen Landhäusern. Bald folgten mehr als ein Dutzend Häuser an der Bucherstraße und an der Rüttigasse. Der bis weit ins Tal sichtbare Rücken des Bühels und seine sonnige Südseite blieben aber - Gott sei Dank! - frei und grün. Auch die malerische Birken-Gruppe auf dem Kamm blieb erhalten. Von der oberen Rüttigasse steige ich manchmal die paar Schritte hinauf und setze mich ins Gras. Ich durfte auch schon Gruppen von Schülern und von heimatkundlich interessierten Wolfurtern dorthin führen und ihnen die Aussicht erklären. Zu Füßen liegen das Oberfeld und das Kirchdorf und ein buntes Häusermeer hinaus bis zu den Flußauen an der Bregenzerach. Dahinter grüßen Gebhardsberg und Kanzele mit ihrem roten Felsband. Rechts sieht man die Kennelbacher Kirche und neben ihrer Turmspitze die Kapelle auf der Halden. Nach Westen schweift der Blick an der Wolfurter Kirche vorbei zur Kirche von Lauterach und, nur mehr ganz klein am Bodensee-Ufer zu sehen, zum Kirchturm 39