19920901_Heimat_Wolfurt_10

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Letzte Änderung 27.06.2021, 13:38
Gemeinde Wolfurt
Bereich oeffentlich
Schlagworte: heimatwolfurt
Dokumentdatum 1992-09-01
Erscheinungsdatum 1992-09-01
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Heft 10 Zeitschrift des Heimatkundekreises September 92 Die 92er. Ein besonders starker Jahrgang. 1942 zum 50er trafen sie sich mit ihrem alten Lehrer Wachter vor dem Kreuz. Mit diesem Bild grüßen wir Martin Höfle, unseren einzigen 100er. Inhalt: 40. Unser tägliches Brot (Heim) 41. Kriegstagebuch 1939-1946 (Fischer) Zum Titelbild Die 92er. «Hür schle-it jeda Stoaro us», soll Pfarrer Sieber 1892 gestaunt haben, als es so ungewöhnlich viele Geburten gab. Es wurde ein ganz besonders guter Jahrgang mit Frauen und Männern, die das Wolfurter Gemeinschaftsleben geprägt haben. Neben Oberlehrer Wachter sitzen Altbürgermeister Ludwig Hinteregger und Lehrer Alfons Fischer aus Tisis, Altadlerwirts. Du kennst sicher viele andere. Ich finde da: Sofie Köb - Gallers, Katharina Gunz im Kessel. Martha Jochum auf dem Bühel, Rosa Gmeiner - Steinhauers, Katharina Rohner - Haldobubs, Katharina Kalb Naglers, Gebhardina Böhler in Bregenz - Seppos, Rosa Schertler im Röhle, Rosa Rist in der Bütze, Berta Schertler - Altvorstehers, Katharina Gorbach - Eichenbergers, Julie Höfle - Dello Korles, Johann Arnold - an der Hub, Josef Gunz - Pläzolar, Johann Gmeinder - Frickeneschers, Paul Bohle - Mohrenwirts, Rudolf Fitz - Schwanenwirt, Hermann Fischer auf der Steig, Gebhard Klocker - Seilers, Gebhard Lohs an der Ach, Karl Podlipnik und natürlich Martin Höfle, der sich bescheiden an die Wirtshaustür drückt. DIE AUTOREN: Zuschriften und Ergänzungen zu Heft 9 Bildstein. Bis jetzt stand in vielen Schriften, die einen Druckfehler im «Rapp» nachdruckten, die Bildsteiner Kirche sei am 2. Mai 1676 eingeweiht worden. Inzwischen hatte ich Gelegenheit, in den uralten Bildsteiner Originalchroniken zu blättern und fand, daß sie schon an 2. Mai 1670 eingeweiht worden ist. Die Bauzeit betrug demnach 7 Jahre 1663 bis 1670. Ich bitte, dies in Heft 9 auf Seite 6 zu berichtigen. In Bildstein ist inzwischen eine sehr schöne bebilderte Festschrift erschienen, die auch allen Wolfurtern zu empfehlen ist. Schönes Bildstein - eine Reihe von Wanderern haben mir inzwischen bestätigt, wie sehr sie die Schönheiten von Stefano Veohwoand, Rappenfluh, Oberteilenmoos, Gallin . . . bis zur Roßgaß schätzen und daß sie auch nach den alten Parzellennamen Ausschau halten. Mohr-Sippe. Nicht alle Familienangehörigen wollten glauben, daß die Hübler und die Dörfler Mohren verwandt sind. Nun arbeiten sie an einer gemeinsamen Dokumentation. Große Bäume. Wer hat inzwischen die Riesenweide im Wiosa gefunden, angefaßt, mit staunenden Augen umgangen? Dir. Krieg von der Vorarlberger Naturschau hat den Beitrag, der ihn in seinem fast aussichtslosen Kampf für unser Ried unterstützen sollte, mit Befriedigung zu Kenntnis genommen. Wolfurter Grenzen im Ried. Das Heft Birken-Schwarzes-Zeug aus der Reihe «Natur und Landschaft» von Max Albrecht u. a. führt uns mit herrlichen Farbbildern und Karten wissenschaftlich und volkstümlich in die Tier- und Pflanzenwelt der bedrohten Landschaft ein. Es ist noch - kostenlos - im Gemeindeamt erhältlich. Unschlitt (S. 2 in Heft 9): Zu recht wurde berichtigt: In Wolfurt sagte man «Uschling» zu dem Darmfett der Rinder, mit dem man auch die Hände gegen Schrunden einfettete. Außerdem hing im Schopf ein «Su-Seckol», mit dem man die Waldsäge «gäng» machte und die «Seogass» vor Rost schützte. Nach Amerika hat sich ein vielfältiger Briefwechsel entwickelt. John Fischer schickte aus Florida eine Kopie der Todesanzeige des Wolfurter Malers Gebhard Flatz vom 19. Mai 1881, die in seiner Familie seither aufbewahrt wird. Einer seiner Angehörigen hat im Jahre 1945 als amerikanischer Offizier den Vetter Hermann Fischer an der Rutzenbergstraße auf der Steig besucht. Nun will John Fischer nächstes Jahr mit seiner Frau auch nach Wolfurt kommen (Heuer besucht er die Tochter in Singapore). Schon jetzt grüßt er alle Fischer-Familien: «Please give my most sincere best wishes to the Fischers of Wolfurt.» Heuer im Juli war Johann Heitz aus St. Louis in USA mit Sohn und drei Töchtern auf Besuch bei seinen Brüdern in Wolfurt. Der rüstige 85jährige Mann spricht drüben in 1 Siegfried Heim, geboren 1931 in Wolfurt, Hauptschuldirektor i. R. Hofrat Dipl. Ing. Alfons Fischer, geboren 1920 in Wolfurt. Er war Leiter der Wildbachund Lawinenverbauung in Vorarlberg. Unseren Lesern hat er in Heft 3 den «Rickenbach» vorgestellt. Die Bilder sind den Sammlungen von Hubert Mohr, Siegfried Heim und Alfons Fischer entnommen. Herausgeber: Heimatkundekreis Wolfurt Für den Inhalt verantwortlich: Siegfried Heim, Funkenweg 11, 6922 Wolfurt Satz und Bild: Norbert Mayr, 6922 Wolfurt Druck: Adolf Lohs Ges.m.b.H., 6922 Wolfurt Amerika seit 65 Jahren nur Englisch, «herüben» aber bringt er uns mit fröhlich im urwüchsigen Wolfurter Dialekt erzählten Jugendgeschichten zum Lachen. Er weiß noch genau, wo er und seine sechs Brüder einst Äpfel gestohlen haben, und wo die noblen Rickenbacher ihre offenen Autos vor den Gasthöfen stehen hatten, so daß man ihnen leicht «Roßbollen» auf die Sitze legen konnte. Johann Heitz ist 1908 geboren. 1911 erwarb sein Vater das alte Geiger-Haus an der Kreuzstraße und betrieb dort eine Wagnerei. Wie seine Brüder durfte Johann eine Handwerkslehre machen, was nach dem Ersten Weltkrieg keine Selbstverständlichkeit war. Aus seiner Schlosserlehre bei Doppelmayr erinnert er sich noch an den alten Chef Konrad, an seinen Meister Adolf Kaufmann und die Handvoll Mitarbeiter, die damals noch im alten Stammhaus landwirtschaftliche Geräte erzeugten. Er zählt auf: Vögel, Liberato Gebhardle, Lislo Albert (sein Vetter), Feogars Herbert... Als 19jähriger wanderte er 1927 mit vier Geschwistern nach Amerika aus. In 21 Tagen brachte sie der 21.000 BRT-Dampfer«New York» von Hamburg nach New York (Heute fliegen sie in 8 Stunden von Chicago nach Zürich!). Als Schlosser suchte er Arbeit in St. Louis, aber in den Krisenjahren 1929 bis 1931 war er oft arbeitslos. Nur der Zusammenhalt der Geschwister bewahrte ihn vor der größten Not. Seither aber ging es aufwärts. Schon 1949 machte er mit dem 9jährigen Sohn John den ersten Besuch in der Heimat. Woran sich der heute 52jährige «Bub» noch erinnert? An das «Castle» Schloß Wolfurt natürlich mit den französischen Offizieren. An die Kegelbahn beim Engel, in der er mit den Dörfler Buben spielte. An den «milkroom with Mary Heitz» in der Sennerei. An Rasierers Agathle, den ersten weiblichen «barber», der ihm die Haare schnitt. Und an den «Cable Car» auf den Pfänder, in dem sich die alte Großmama Theresia so fürchtete, weil auch sie dort 1949 zum ersten Mal fuhr. Was sich verändert hat? Oh, alles! vor allem die Autobahn. Als ihnen Vater Johann mit dem Mietauto von Kloten her den Weg wies, kamen sie richtig nach Wolfurt in die untere Straße - wo früher fast keine Häuser standen! - Die Abzweigung Kellhofstraße versäumte er, weil er Rädlers Hans suchte. - Dort steht jetzt die Raiffeisenbank! Schule und Post suchte er jetzt. - Er fand sie nicht mehr! Erst beim Kreuz und der Kapelle Rickenbach erkannte er, daß er zwei Kilometer zu weit gefahren war. Die obere Straße ist noch fast unverändert, Gott sei Dank! Die leitete ihn nun sicher heim, heim ins Haus seiner Brüder an der engen Kurve im Dorf. Was Vater Heitz nicht versteht? Daß die Geschäfte mittags geschlossen sind, daß sie abends geschlossen sind, daß wir soviel Freizeit haben. Aber er erkennt an, daß es uns auch gut geht, daß wir schöne (schönere!) Häuser haben mit vielen Blumen, daß er gerne nach Wolfurt kommt. Auch aus Etrechy in Frankreich ist ein Brief gekommen. Frau Amara Alaux war selbst schon zweimal in Wolfurt, um im Pfarramt nach ihren Ahnen zu forschen. Sie gehört zu einem Geiger-Stamm aus Bildstein: Von «Schützo Mathisos» im Röhle ist als letzte Frau Agatha Geiger-Schneider, die große Wohltäterin für Kirche und Pfarrheim, gestorben. Als entfernt Verwandte leben in Wolfurt noch «Schützos» von der Inselstraße 13 (Österle-Moosbrugger), aber auch Kressers Luise und Franziska von der Achstraße 29. Frau Alaux kam schon mit drei Jahren aus Dornbirn nach Paris, dann nach Beirut im Libanon und schließlich wieder nach Frankreich. Dort ist sie jetzt daheim, aber hier in der alten Heimat am Steußberg sucht sie nach den Wurzeln ihrer Familie. 2 Schließlich kam noch ein langer Brief von Marianne Barcatta aus Buenos Aires in Argentinien. Sie grüßt ihre Mitschüler und die 1931-Jahrgänger und erinnert sich besonders noch an Deuring Erich, Böhler Lorenz, Gunz Elmar, Waibel Agnes, Bohle Helga, Schwerzler Herta und Doppelmayr Traudi. Sie wohnte einst bei «Ammans» am Kellaweg, direkt am Rickenbach, und erzählt von lauter «sehr guten Nachbarn»: Waibels, Starks, Konzetts, Gmeiners, Winkels und Adlerwirts. Schon 1940 hatte Marianne ihre Mutter verloren. Die Schwestern Hermine und Luise erkrankten schwer an Tbc, Hermine starb. Der einzige Bruder Siegfried Barcatta mußte in den Krieg und fiel 1944 am Dnjepr in Rußland. Marianne kam an verschiedene Pflege und Arbeitsplätze. Als auch noch ihr Vater - die Wolfurter schätzten den tüchtigen Maurer - gestorben war, folgte sie 1958 ihrer letzten Schwester Luise nach Argentinien. «Am Anfang hab ich so geweint!» Dann aber half ihr die Arbeit über das Ärgste hinweg. Nun ist sie verheiratet, hat Kinder und Enkel. «Argentinien hat auch seine Schönheiten, aber man muß weit fahren, um Berge und Wälder zu sehen. Das ist, wonach ich so Sehnsucht habe!» An anderer Stelle schreibt sie: «Die Welt ist verrückt. Keiner ist zufrieden. Statt Gott zu danken für die Gesundheit und für die herrliche Natur, tun sie alles ruinieren.» Das wollen wir uns zu Herzen nehmen, liebe Marianne! Wir schicken Dir Grüße aus Rickenbach übers Meer und wünschen Dir Gesundheit und eine gute Fahrt zu den fernen Bergen und Wäldern. Die Michaelskapelle von St. Gallus ist der Bregenzer Historikerin Frau ReckefußKleiner ein besonderes Anliegen. Mit Herrn Dr. Kaltenhauser vom Bundesdenkmalamt und Herrn Dr. Swozilek vom Landesmuseum hat sie über den bedenklichen Zustand der «Wolfurter» Fresken gesprochen und deren Restaurierung reklamiert. Leider werden sie noch einige Zeit auf der Warteliste bleiben müssen. Frau Reckefuß will sich auch um die Erstellung von Fotos kümmern. Für ihre Bemühungen sagen wir ihr herzlichen Dank. Edith Fessler (Waibels Edith aus Rickenbach) hat im Konstanzer Münster das Wolfurter Wappen entdeckt. Gleich nach dem Eingang findet es sich im linken Seitenschiff in einem alten Glasfenster. Es ist noch das alte Ritterwappen mit einem seitenverkehrten Wolf und erinnert an Sigmund von Wolfurt, einen der berühmten sechs Söhne des Hans Jörg von Wolfurt. Ulmer berichtet über ihn (Burgen, Seite 394):Sigmund studierte 1588 in Ingolstadt und dann am Germanicum in Rom und wurde Kanonikus und Domdekan in Konstanz. Für den prunkliebenden Salzburger Erzbischof Mark Sittich, dem auch sein Bruder Laux von Wolfurt als Stadthauptmann von Salzburg diente, verwaltete er die Domprobstei in Konstanz. Welti schreibt (Graf Kaspar, Seite 86), daß Sigmund seinen Herrn in Salzburg auch mit Meersburger Wein versorgte. Im Domfenster wird 1621 als das Todesjahr Sigmunds angegeben. Um 1650 starb das zweite Wolfurter Rittergeschlecht aus. Welcher Wolfurter Fotograf macht uns einmal ein Bild vom Wolfurt-Fenster in Konstanz? 3 Siegfried Heim samt den unreifen Kolben an das Vieh verfüttert. Auch das Obst war sehr rar. Von einem Markttag zum anderen stiegen die Preise den ganzen Winter über und bis zum Sommer 1817 ungeheuer an. Dabei gab es keinen Verdienst mehr. Alle Fabrikation hatte aufgehört. Aber die nächste Ernte war noch weit entfernt. Die Situation wurde im Juni noch verschärft durch die rasche Schneeschmelze. Alle Flüsse und der Bodensee traten über die Ufer. In Hard und Fußach drang das Wasser in die Kirchen ein. In Bregenz stand es auf dem Kornmarktplatz zwei Schuh tief. Feldfrüchte und Heu wurden weitgehend vernichtet. Dazu kamen noch einige Hagelwetter, die in den verbliebenen Getreidefeldern, Weinbergen und Obstgärten fürchterlichen Schaden anrichteten. «Ein solches Theur Beträngtes Jahr, daß es den Hunger und die Noth nicht genugsam bescheiben kann.» (Originaltext im Anhang). Andere alte Chroniken berichten immer wieder von solchen Notjahren, etwa daß im fürchterlich langen Winter von 1572 Menschen von Wölfen zerrissen worden seien. Im anschließenden Notsommer hätten die Leute das Gras auf dem Feldern gegessen. Ebenso war es mehrmals im 17. Jahrhundert. 1676 berichtete Obersthauptmann Keis an die Regierung: «... dahero mehr alß der halbe theil underthonen nit allein höchst beschmertzlich schon eine geraumbe zeit an dem hungertuch nagen, sondern wie es mir selbsten alß anderen, die noch ein stuckh brodt zu essen, täglich erfahrlich, mit weib und kündern hier und aller orthen hin, das liebe brodt bettlendt vor der thür suechen müessen ...» Man stelle sich das heute, 300 Jahre später, im reichen Vorarlberg vor: Die Hälfte der Einwohner in Hungersnot am Betteln! Ein Großteil der arbeitsfähigen Bevölkerung als arbeitsuchende Gastarbeiter in fremden Ländern! (Siehe Heft 2, Seite 28!) Konnte man denn keine Nahrungsmittel einführen? Nein! Es fehlte ganz einfach das Geld. Es fehlten die Handelsstrukturen und auch die leistungsfähigen Transportfahrzeuge. «Theurung» hieß daher die Hungersnot. Unser tägliches Brot Dieser Beitrag ist den «Jungen» gewidmet, die durch Gottes Fügung in langer Friedenszeit in einem reichen Land leben dürfen. «Unser tägliches Brot gib uns heute» beten wir im «Vater unser». Oft gedankenlos! Ganz selbstverständlich nehmen wir, daß unser Tisch reichlich gedeckt ist. Unsere Kühlschränke sind voll. Die Regale im Lebensmittelgeschäft quellen über von wohlschmeckenden Angeboten. Ellenlang sind die Speisekarten in den Gasthöfen. Das ist nicht überall auf der Welt so. Das war bei uns auch nicht immer so. Hunger Die letzten Hungerjahre bei uns waren die Nachkriegsjahre 1945 und 1946, als es für Geld nichts mehr zu kaufen gab. Mit Wäsche und Geschirr versuchten blasse Mütter aus der Stadt, für ihre Kinder ein paar Liter Milch oder eine Tasche voll Kartoffeln einzutauschen. Ich erinnere mich noch an eine Flüchtlingsfrau aus dem Barackenlager im Weidach, wo Flüchtlinge lebten, die nur ihr nacktes Leben gerettet hatten. Mit einem Säugling auf dem Arm und einem Kleinkind an der Hand war sie in einen Acker in der Wolfurter Lärche gegangen. Mit bloßen Händen hatte sie nach den unreifen kleinen Kartoffeln gescharrt und ein paar in ihre Tasche gesammelt. Da war der Bauer gekommen. Schimpfend zerrte er nun die weinende Frau mit den Kindern durch die lange Straße, um sie im Gemeindeamt zur Anzeige zu bringen. Viel schlimmer noch hatten es unsere kriegsgefangenen Männer in den Lagern, wo manche die Hälfte ihres Körpergewichts verloren. Viele waren so geschwächt, daß sie keine Widerstandskraft mehr gegen Krankheiten besaßen. Deutsche verhungerten in russischen Lagern, Russen in deutschen, zu Hunderten, zu Zehntausenden. Hungerjahre hatte es auch 1917 bis 1919 nach dem Ersten Weltkrieg gegeben. Aber die letzte ganz schlimme Hungerkatastrophe war die von 1817, über die der Vorsteher Mathias Schneider berichtet. Im Sommer 1816 war das Wetter anhaltend naß und kalt. Auf den Bergen blieb der Schnee liegen, Die Kartoffeln faulten wegen der Nässe. Die Hauptfrucht, der Türken, wurde überhaupt nicht reif. Bis Allerseelen ließ man ihn stehen, dann wurde das Stroh 4 Jeder Bauer ein Selbstversorger Die Dreifelderwirtschaft des Mittelalters brachte es mit sich, daß sich im Dorf jeder nach seinen Kräften an der gemeinsamen Arbeit beteiligen mußte, damit er auch Anspruch auf seinen Ernteanteil hatte. «Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen», sagte man damals. Auch nach der Verteilung der Felder im 18. Jahrhundert war noch jeder im Dorf ein Bauer: der Doktor genau so wie der Pfarrer, der Wirt, der Schmied und der Schuster. Mit Lebensmitteln versorgte sich jeder selbst. Der Acker lieferte Dinkelkorn und Hafer, später auch Kartoffeln und Mais, dazu Kraut und Rüben. Eine oder zwei Kühe im Stall reichten aus für Milch, Butter und Käse. Wenn 5 eine Kuh «galt»1 ging, halfen die Nachbarn einander aus. Auch mit Fleisch und Schmalz versorgten sich die Bauern selbst. Geschlachtet wurde immer im Winter, Konservierung war ja ursprünglich nur im Rauch des Kamins möglich.Eier aus dem Hühnerstall, frisches und getrocknetes Obst, ein wenig Gemüse und Gewürze aus dem Garten und dazu noch ein paar Beeren ergänzten den Küchenzettel. Beeren und gedörrtes Obst waren neben Honig die einzigen Süßigkeiten. In Hanso Hus war einer der ganz wenigen Läden der großen Pfarre. Aber Lebensmittel gab es hier kaum zu kaufen, denn Geld hatte ja niemand. Nur die Bucherinnen schleppten manchen «Stumpen»2 Mehl, den sie für Holzwerkzeug oder Rebstecken eingetauscht hatten, durch den Ippachwald heim. Für Steuern und Abgaben und für Kleidung und Werkzeuge sparte man mühsam Kreuzer und Gulden zusammen, die sich jeder Bauer durch seinen Nebenverdienst als Schreiner, Schuster, Wagner, Schmied, Gerber, Küfer, Seiler oder einfach als Taglöhner verdienen konnte. Nur selten gelang es, Eier, Obst oder auch Brennholz und Torf in die Stadt zu verkaufen. Im Acker Ackerbau war also bis 1870, als er von der Viehzucht abgelöst wurde, die Grundlage der Ernährung in unserem Dorf. In Heimat 2, das leider vergriffen ist, haben Magister Volaucnik und ich in zwei Artikeln darüber berichtet. Von den sieben seit alters her bekannten Getreidesorten wurden in Wolfurt hauptsächlich Dinkel und Hafer angebaut. In dreijährigem Wechsel gab es zuerst Dinkel (bei uns hieß er «Feoso», Vesen, oder einfach Korn), dann Hafer (Haber) und im dritten Jahr Brache als Weidegebiet für das Vieh. Gemeinsam ging man zur Arbeit «is Feold». Unzählige Fußwege stammen noch aus j ener Zeit. Da gab es das Oberfeld und das große Unterfeld. Das Unterfeld war zuerst nur das fruchtbare Gebiet zwischen oberer und unterer Straße, dann kamen nacheinander die Felder bis zur Linie Unterfeld-Neudorfstraße-Schertlerstraße und schließlich bis zur Lärche-Fatt-Schmerzenbildstraße dazu. Um diesen riesig groß gewordene Esch ging noch bis 1938 die «Ösch»-Prozession an Christi Himmelfahrt, um Segen für die Äcker zu erbitten, als es dort längst fast nur mehr Graswiesen gab. Der mehrstündige Prozessionsweg führte über Oberfeld, Achstraße, Lärchenstraße, Fattstraße, Schmerzenbild zur Wälderstraße und dann über dir Kirchstraße zurück zur Kirche. Später ging man in umgekehrter Richtung. Nach der Entdeckung Amerikas 1492 waren zwei ganz wichtige Feldfrüchte nach Europa gekommen: Kartoffeln und Mais. Ab etwa 1730 wurden sie auch bei uns bekannt. Aber in den Eschen war kein Platz für sie. Nur in den Hausgärten und am äußersten Ende des Gemeindegebietes, im Neuwiesen und im Weitried, begann zögernd der Anbau. Das Ried mußte zuerst mühsam durch Gräben entwässert werden. 2 galt = ohne Milch! hier, weil die Kuh hochträchtig war. Stumpen = kleiner oder halbgefüllter Sack. 7 6 Als dann im 18. Jahrhundert Feld und Ried an die etwa 150 Wolfurter Bauern verteilt worden waren, stieg der Anbau von Mais rasch an. Er überholte zuerst um 1810 den Hafer und um 1840 auch den Vesen. Bald rollten die Bäuerinnen ihren «Hafoloab» 1 , us Türggo 2 -Meohl» statt aus dem billigen «Jau-Mehl» 3 . Jetzt verdrängten auch TürggoMuos und Türggo-«Stopfar» 4 das altgewohnte Habermus. «Hafoloabar» blieb aber der Spottname für die Wolfurter. Die Nachbarn wollten damit sagen: Die Wolfurter haben nichts zu essen als die Teignudel aus grauem Vesenmehl. Erst viel später kamen die «Speck-Seele» 5 oder gar «Speock und Krut» 6 dazu, die aus der ehemaligen Hauptspeise «Hafoloab» heutzutage eine delikate Beilage machen. Das ganze Jahr über gab es im Acker viel Arbeit. Sie begann schon im Herbst mit der Vorbereitung für das nächste Jahr, mit Aufräumen und Düngen, mit Ackern und Eggen, mit Instandhaltung von Marken, Gräben und Wegen. Das Werkzeug mußte hergerichtet werden: «Vum Wangar» 7 brauchte man einen neuen Stiel, «vum Schmiod» eine neue Haue. Die Böden wiesen verschiedene Qualitäten auf. Gegen die Ach zu waren sie steinig und lettig, das Schwemmland der Bäche war meist lehmig. Im Ried war der Schollenboden 8 zwar steinlos, dafür aber oft durch hochstehendes Grundwasser naß. Jeder Bauer sicherte sich seinen Besitz durch Marken, im Ried durch mit Sorgfalt gepflegte Gräben. Zäune waren im Ackerland nur hinderlich. Einen Markpfahl ausreißen oder gar eine Mark versetzen gehörte zu den ganz großen Freveln. Gute Marken verhinderten Streit. Vorsichtige Bauern schützten sich doppelt, indem sie zum Markstein noch «Zügo» 9 ins Erdreich setzten: flache Steine oder auch Ziegelsplitter. Eine beim «Eren» 10 verschwundene Grenzmark konnte danach wieder gesetzt werden. Nicht selten aber mußte das «hülzerne Gricht» 11 , zu Hilfe geholt werden. Das Eren und das Eggen besorgten jene wenigen Bauern, die Pferde besaßen, im Lohnauftrag. Für Neubruch 12 brauchte man zwei Pferde, für die lockeren Riedböden genügte eines. Für die schweren Lehmböden im unteren Rickenbach und in Engliswies Hafoloab = Hafenlaib. Ein Hafen ist ein Topf. Türggo = Türken, Mais, türkisches Korn 3 Jaumehl = graues, minderwertiges Dinkelmehl 4 Stopfar = Riebel. Der Grieskoch sättigt (stopft voll). Seele = ein Speckstreifen, in den Hafenloab eingelegt, machte diesen besonders schmackhaft. Speock und Krut = Selchfleisch und Sauerkraut. 7 Wangar = Wagner 8 Schollen = Torf Zügo = Zeugen Eren = acken, pflügen hülzernes Gricht = hölzernes Gericht. Ein vom Gericht Hofsteig bestimmtes Niedergericht aus Vertrauensmännern, die in Streitfällen vermitteln sollten. Es besteht auch in der heutigen Rechtsordnung noch als «Gemeindevermittlungsamt» fort, allerdings meist nur noch bei Ehrenbe\eiäigungen. 12 Neubruch = eine Wiese wird zu Ackerland umgebrochen. 8 9 1 brauchte man sogar Vorspann 1 . Da zog oft ein Pferd gemeinsam mit zwei Ochsen den schweren Pflug. Dem Pflug folgten der Hund und die flinken Buben mit der Haue, denn das «Ise»2 warf oft Mäuse ans Tageslicht. Auch die gefürchteten «Engora» 3 mußten eingesammelt werden. In manchen Jahren wimmelte das Feld davon. Viele von den kleinen Äckern waren aber nur schmale Riemen. Sie wurden mit der Grabe, einem Vorläufer unseres Spatens, umgegraben. Mit der Haue wurden die Schollen zerkleinert. «Do Bro houo» 4 galt als besonders schwere Arbeit, nach der manche müde Frau über Kreuzweh klagte. Von der Sonne hart gebrannte Lehmbrocken boten argen Widerstand. Im Ried zerfielen die Furchen dagegen fast von selbst. Da konnte man mit dem «Schollar», einem stabilen Holzrechen, den Boden lockern. Jetzt mußte man noch den richtigen Zeitpunkt für die Aussaat abwarten. «Benedikt 1 macht Zübola dick» galt zwar nur für das Stecken der Zwiebeln. Um diese Zeit sollte aber auch die Frühjahrssaat von Getreide schon im Boden sein. Für «Türggo und Bodobiora» 2 galt dagegen: «Steckst me im April, kumm-i wenn-i will. Steckst du me im Mai, kummi glei.» Türken wurde auf alle Fälle erst ab dem 1. Mai gesteckt, Frühkartoffeln dagegen doch oft schon im April. Ganz wichtig war dabei «do Mo», das Mondzeichen aus dem Bauernkalender: «Undorgento» 3 für Zübola und Bodobiora, für «Randig» 4 und «Rätig» 5 und Rüoba, «üborgento» 6 für Türggo und Korn und alles; was oben Früchte tragen sollte. Man achtete aber auch auf die Tierkreiszeichen: Für die Kartoffeln «a truckos Zoacho» 7 , am besten «im Stior», niemals «im Wassorma», sonst wurden sie wässrig und faulten. Manche aber sagten: «Des best Zoacho ist Miost bis a-d Knü8!» und legten eher Wert auf gute Düngung. Kartoffeln wollten alten Stallmist, Mais eher «a guote Bschütte 9 ». So stank es denn auch auf allen Feldstraßen anfangs Mai ganz fürchterlich, wenn die Jauchefuhrwerke auf dem Weg waren. Da gab es neben den großen «Bschütte-Fässern» auch noch die hochrädrigen «Bschütte-Bina 10 », die man mit dem Schöpfkübel füllte und leerte, «Bschütte-Beora 11 » und allerlei kleine Fässer, die auf Handwagen die scharfe «Hüsle-Bschütte 12 » zu den Äckern brachten. Ins Ried führte man Mist. Die Fuder hatte man daheim kunstvoll gebaut und mit dem «Pritschbreot» 13 geglättet, damit ja nichts auf dem Weg verloren ging. Die Riedböden hatten so wenig Tragkraft, daß die Eisenreifen der schweren Wagen oft einschnitten. Dann steckte das Fuhrwerk bis auf die Achsen im Sumpf. Mit dem «Kröl»14 wurde abgeladen. Mit «Beoro» oder «Miost-Zoanno 15 » verteilte man den Mist. In langen Reihen wurden mit der Haue Löcher vorbereitet. Für die richtigen Abstände sorgte eine Markierung mit dem «Kreislar»16, der mit seinen drei Zähnen Spuren ins Vorspann = vor das Zugtierpaar werden weitere ein oder zwei Zugtiere vorgespannt. Ise = Pflugeisen, Pflugschar Engora = Engerlinge, Maikäferlarven Bro = der Brach oder die Brache ist ein vom Pflug abgelöstes Rasenstück, aber auch der ganze unbebaute Acker 10 Benedikt = 21. März, Tag des Hl. Benedikt Bodobiora = Bodenbirnen, Kartoffeln 3 Undorgento = untergehender Mond Randig = Rote Rüben 5 Rätig = Rettich übergento = übergehender Mond; Mondbahnwechsel, die man aus dem Volkskalender las. Nicht verwechseln mit abnehmendem und zunehmendem Mond! a truckos Zoacho = ein trockenes Zeichen 8 Knü = Knie 9 Bschütte = Jauche (beschütten) 0 Bino = Zweiradkarren mit Behälter für 200 bis 5001 Flüssigkeit. Beoro = Einradschubkarren. Die «Bschütte-Beoro» faßt 70 bis 130 1 Jauche, die «Miost-Beoro» eine entsprechende Menge Mist. Hüsle-Bschütte = Jauche aus dem Abort. 13 Pritschbreot = Brett mit Handgriff 4 Kröl = Zughaken Zoanno = großer Korb mit zwei Henkeln Kreisler («Kröoslar») = Ackerwerkzeug 11 1 Erdreich zog. Nach dem Einbrigen des Düngers wurden die sorgfälltig ausgewählten Saatkartoffeln «gstupft» und dann mit lockerer Erde zugedeckt. Vom Mais wurden drei Körner in jedes Loch «gstupft», weil man sicher genug Pflanzen haben wollte. Gingen alle auf, so mußten zwei von den dreien wieder ausgerissen werden. Bei all der schweren Arbeit fand man immer noch Zeit für einen Gruß und ein Scherzwort zu den Nachbarn im Feld nebenan. Zum «z Obod-Eosso» 1 setzte man sich zusammen «as Grabo-Ort» 2 und ließ sich zu «Brot und Käs» den herben Most aus dem «Butsch» 3 schmecken. Es war ein gutes Gefühl, wenn nach Tagen schwerster Arbeit der Acker bestellt war. Das Gedeihen mußte man weitgehend dem Herrgott und seinem Wetter überlassen. So sprach denn auch vom 3. Mai an, vom Fest Kreuz-Auffindung, der Priester täglich den Wettersegen. Und täglich beteten die Gläubigen ihr «Vor Blitz, Hagel und Ungewitter bewahre uns!» Das taten sie bis zum zweiten Kreuzfest, dem «Hoalig-Krüz-Tag» am 14. September, an dem das Vieh von den Alpen kam. Groß war auch die Beteiligung an allen Prozessionen und andächtig beteten alt und jung: «Segne unsere Äcker und Güter! Wende ab von denselben alles Ungewitter und befehle, daß der Himmel uns gebe zu seiner Zeit den Regen, zu seiner Zeit die Sonne!» Trockenzeit im Frühjahr und anhaltende Nässe im Sommer beeinträchtigten die Ernteaussichten. Wenn gelbe Wolken über dem See Hagel androhten, legte die Großmutter voller Angst geweihte Palmzweige ins Herdfeuer. Mit Glockengeläute versuchte man, die Gefahr zu bannen, und schimpfte auf die Schweizer, die mit Kanonenschüssen den Hagel über den Rhein herüberjagten. Schwerer Regen walzte das unreife Korn nieder. In den Nestern wuchsen «Windla» 4 und «Distla» und der Rostpilz breitete sich aus. In guten Jahren stand die Frucht dagegen schön. Die paar Vögel und die Mäuse schmälerten die Ernte kaum. Nur wenige Bauern stellten Vogelscheuchen auf. Eher hängte man an einen Stock «an tota Rabb» 5 oder ein glitzerndes Blech. Bodobiora und Türggo brauchten ständige Pflege. «Eotto» 6 -«uffo Knü»- beugte tagelang und immer wieder die Rücken. «Hüflo7»- «mit dor Houo»- ließ die schnurgeraden «Zilota 8 » entstehen. Dabei durften die jungen Pflanzen nicht beschädigt werden.. Allzu leicht entstanden sonst bei den Kartoffeln grüne «Sunnoluogora 9 », die als giftig galten. Gegen die gefürchtete «Krut-Füle 10 » wußte niemand einen Rat. Gegen die Mäuse, die in manchen Jahren zu Hunderten in die Kartoffeläcker kamen, konnte man sich wehren. Z-Obod-Eosso = (Abendessen) Jause um vier Uhr. Grabo-Ort = Ackerrand am Graben Butsch = Tonflasche Windla = Zaunwinde, ein gefürchtetes Unkraut 5 tota Rabb = toter Rabe eotto = jäten hüflo = häufeln, mit der Haue Erdreich an die Pflanzen bringen a Zilat (zwo Zilota) = Zeile Sunnoluogora = Sonnenschauerinnen. In grünen Knollen entwickelte sich das Nachtschattengift Solanin 10 Krut-Füle = Krautfäule 12 Im Ried bohrte man alle paar Zeilen mit dem «Mus-Boahrar 1 » etwa ein Meter tiefe Löcher bis ins Grundwasser. Da hinab stürzten die Nager, wenn sie nachts durch den Acker huschten, und ertranken jämmerlich. Wie erschraken wir aber, als sich einmal auch eine große Ringelnatter in dem Bohrloch gefangen hatte! Während des Zweiten Weltkriegs suchten Schüler und Erwachsene in ganzen Kolonnen regelmäßig nach Kartoffelkäfern - erfolglos! Aus Amerika kommend hatten die gefräßigen Tierchen sich schon über Frankreich ausgebreitet und gebietsweise den Kartoffelanbau vernichtet. Erst 1945 wurden die ersten bei uns entdeckt. Als sie sich in den folgenden Jahren schnell vermehrten, spritzte man tödlich giftige Arsen-Lösungen. Im «Türggo-Ackar» drohten ebenfalls Schädlinge. Engerlinge fraßen die Wurzeln ab. Der «Zünzlar» 2 bohrte sich durch das Stengelmark, so daß die abgestorbenen Spitzen wie verbrannt aussahen. Hin und wieder ließen Brandpilze die Kolben zu unförmigen schwarzen Klumpen aufquellen. Die mußte man sorgfälltig vernichten, sonst hätten die Sporen sich über den ganzen Acker verbreitet. Auch Raben rissen manchmal die unreifen Kolben auf und der Dachs brach in einer einzigen Nacht an die 50 Stück ab. Da war man froh, wenn endlich Föhntage im Herbst «do Türggobart 3 » trockneten und die milchigen Körner an den Kolben hart machten. Erntezeit! Das Getreide schnitt man fast überall mit der Sichel, selten mit der «Seogass4», für die es einen speziellen Getreide-«Worb 5 » mit langen Rechenzähnen gab. Erst ab 1930 kamen Lohn-Dreschmaschinen auf (z. B. bei Schnidarles Rudolf an der Schulstraße). Vorher drosch man von Hand mit Flegeln auf den Dielenbrettern im «Tenn 6 ». Große Siebe, aus dünnen Holzspänen geflochten, trennten die Spreu von den Körnern. Geschickte Hände arbeiteten noch mit der «Schwinge», einem flachen Korb. Darin blieben nur die schweren Körner liegen - genau wie beim Goldwäscher die Körner in seiner Pfannne. Im August wartete man, bis bei den Kartoffeln «s Krut abgstando 7 ist», dann zog die ganze Familie mit Wagen, Säcken, Kisten und Kübeln zur Ernte ins Ried. Manche rissen mit der Haue die Zeilen auf, andere gruben mit der Furke. Da kollerten jedesmal 10 bis 15 große und kleinere gelbbraune Früchte heraus. Die wurden in Körbe oder Kübel gelesen und zum Fuhrwerk getragen. «Git as us8?» grüßten die Nachbarn. »As goht a so!»9 oder «Mior sind z-frido!» war die Antwort. Daheim wurden die Kartoffeln auf dem Hausplatz gut getrocknet und dann «vortleoso 10 »: «Fule» und «fleockige» sollten eigentlich keine darunter sein. «Klenne Böbbele 11 », oder auch übergroße und seltsam Mus-Boahrar = Mäusebohrer Zünzlar = Zündler, eine schädliche Raupe 3 Türggobart = die langen Griffelfäden der weiblichen Maisblüten. Die Kinder spielten damit, die Buben rauchten den trockenen Türkenbart. 4 Seogass = Sense 5 Worb = Sensenhalterung mit zwei Griffen 6 Tenn = die Tenne. Großer Arbeits- und Vorratsraum im Stadel 7 abgstando = welk 8 Git as us? = Ist die Arbeit ergiebig? 9 As goht a so = Es geht einigermaßen, 10 vortleoso = auslesen, sortieren 11 Böbbele = kleine Knollen 2 1 13 geformte Riesen kamen «zu-n Su-Bodobiora» als Schweinefutter. Besonders schöne, eigroße Früchte wurden als «Somo 1 -Bodobiora» für das nächste Jahr im Keller dunkel gelagert. Die große Menge der anderen waren «Eoß-Bodobiora». Sie sollten die große Familie bis zur nächsten Ernte ernähren. Und die Mutter brachte auch täglich mindestens einmal ein Kartoffelgericht auf den Tisch. «Nöüe» mit Butter, Salz und Milch waren ein Leckerbissen und wurden «mit zamt dor Mundur 2 » verzehrt. Dann folgten jeden Tag «brotene 3 » oder «gsottene», «Biree4» oder «Bodobiora-Knedol 5 », aber auch «Küochle» und «Nudla» und andere Köstlichkeiten. «Tschips» und «Bommfritt» gab es allerdings damals noch nicht. Im Winter durfte kein Frost an die Kartoffeln kommen, sonst schmeckten sie süßlich und verdarben. Im Frühling trieben sie lange Keime in Richtung auf das Kellerfenster. Man mußte sie mehrmals sorgfältig «abkido» 6 , um noch einen Vorrat über den Sommer zu retten. Je nach der Wetterlage wurden die Maiskolben nacheinander im September und oft erst im Oktober reif. Der eine füllte sein«Handwägele», der andere den großen «LoattorWago» bis «a-d Gättor 7 uffe». Das war jedesmal ein Fest! «Undorom Vorschutz 8 » vor dem Stadel wurde die Ladung abgekippt. Flinke Hände machten sich daran, die Schutzhülle von den Kolben zu reißen, «do Türggo usmacho». Drei «Schwärtola 9 » blieben stehen und wurden mit denen eines zweiten Kolbens verknüpft. Gelblich weiß glänzten jetzt in langen Reihen die Körner, bis zu 400 auf einem Kolben. Nur «wißo Türggo» pflanzte man bei uns. Aber wir freuten uns, wenn als Irrläufer auch einmal ein dunkelroter oder polentagelber darunter war. Auf langen Gerüsten wurden die Kolbenpaare nun «im Ufzug10» aufgehängt. Die Katze mußte dafür sorgen, daß die Mäuse nicht dahinter gingen. Die schönsten «Schwärtola» hatte die Mutter auch versorgt. Daraus flocht sie später starke Bänder für allerlei Zwecke. Wenn die letzten Kolben vom Vorjahr aufgebraucht waren, holte man «do ersto Trag » neue Kolben in die Kammer herab. Am kantigen Eisen eines großen Getreidekübels, «Staro» 12 hieß er, wurden die Körner abgerieben. «An Stumpo» von etwa 20 kg brachten wir zu Zehrers Mühle. Je nach Verlangen mahlte Marte daraus «Türggo-Meohl», «Türggo-Grioß» oder «Türggo-Bruch 13 ». Jetzt konnte die Mutter wieder «Muos», «Stopfar», «Polento» und natürlich «Hafoloab» kochen.. Und der «Bruch» reichte auch noch mit der «Grüsch14» für die Hühner und die Schweine. Somo = Samen mit zamt dor Mundur = samt der Schale (Montur) brotene = gebratene Biree = Püree, Kartoffelbrei 5 Knedol = Knödel abkido = Keimlinge wegreißen 7 Gättor = Gestelle aus Latten oder Sprossen, die der Ladung Halt geben. 8 Vorschutz = großes Vordach am Stadel Schwärtola = Schutzblätter am Maiskolben 10 Ufzug = Aufzug, der Dachboden 11 Trag = das Getragene, ein Armvoll 12 Staro = der Star ist ein altes Getreidehohlmaß mit 21, 51 Inhalt 13 Bruch = gebrochene Getreidekörner 14 Grüsch = Kleie 2 1 11 Pflügen in Unterrickenbach 1940; Wegen des schweren Lehmbodens hat Konrad Immler vom Oberteilenmoos drei Kühe eingespannt. Den Pflug führt sein Sohn Emil. Auf den Äckern wurde zuletzt das «Türggo»-Stroh mit einem scharfen «Gettar 1 » abgeschnittten. Das Kartoffelkraut mottete tagelang auf kleinen Funken. Spätherbst! Das Bauernjahr begann von neuem. Hoffentlich wieder ein gutes! * Der zweite Teil dieses Beitrages mit den Kapiteln «Zu Tisch», «Hungerjahr 1817» und «Wettersegengebet» folgt in Heft 11. Gettar = schweres Schlagmesser 15 14 Kriegstagebuch Im Jahre 1939 wurde der 19jährige Maturant Alfons Fischer in den Krieg einberufen. Sieben Jahre später-sieben lange bittere Jahre - kehrte er heim. An fernen Fronten zum Mann gereift, ausgezeichnet, verwundet, gefangen! Nun packte er seine in engen Bleistiftnotizen geschriebenen Tagebücher samt dem Eisernen Kreuz und dem Verwundetenabzeichen in eine Schachtel und versorgte sie - gleichsam mit den sieben verlorenen Jahren seiner Jugend - am Dachboden. Fast 50 Jahre später hat er sie nun wieder gesucht. Ihn bedrängen die Fragen unserer jungen Generation. Junge Historiker von links und von rechts bieten oft zu einfache Antworten an. Umso wichtiger ist es, daß Alfons Fischer uns allen und ganz besonders den ehrlich suchenden Geschichtsforschern seine Tagebücher zur Verfügung stellt. Sie sind weder ein Heldenepos noch ein Sensationsbericht. Manche Seiten wirken trocken und langweilig- das gab es im Krieg auch! An anderen Stellen überschlagen sich die Ereignisse - da war keine Minute frei, weder zum Schlafen noch zum Schreiben! Gerade dadurch aber werden die Aufzeichnungen zu einem wertvollen ehrlichen Dokument. Alfons Fischer, Jahrgang 1920, ist neben drei jüngeren Schwestern der einzige Sohn einer Wolfurter Bauernfamilie. Auch Vater Hans-Jrg war sieben Jahre Soldat gewesen, davon vier im Ersten Weltkrieg. Nun hielt er sich von politischer Tätigkeit zurück. Aus ihrer christlichen Weltanschauung machte die Familie aber kein Hehl. Daher gehörte Alfons als Realschüler dem Reichsbund der Kath. Jugend und später der Pfarrjugend an. Diese Vorbemerkung soll dem besseren Verständnis einiger Urlaubsschilderungen dienen. Doch lassen wir nun die Tagebücher sprechen! Fischer Alfons Tagebuch eines Wolfurters zwischen 1939 und 1946. Vorwort Der Krieg in Jugoslavien, der Tod von zwei Kriegskameraden und die Kontaktaufnahme mit meinem seit 1947 in russischer Gefangenschaft todgeglaubten Ladekanonier und Funker, an Weihnachten 1991, waren der Anlaß, meine Kriegstagebücher auszugraben und aufzuarbeiten. Aufgrund meiner politischen Herkunft und der Tatsache, daß ich vom 1.4.1939. bis 19.4.1946. Uniformen tragen mußte, liegt es mir fern, den Krieg zu glorifizieren. Ganz im Gegenteil, ich möchte versuchen, meinen Kindern und Enkeln den Wahnsinn des Krieges anhand meines Schicksals, das ein Millionenschicksal war, aufzuzeigen. Ich möchte aber auch daraufhinweisen, daß der Krieg und die Gefangenschaft unsere Generation Toleranz, Bescheidenheit und Kameradschaft gelehrt hat und unser Leben sicher stärker geprägt hat, als z.B. das Wirtschaftswunder. Die Kriegskameradschaft wird heute gerne als Hobby der Ewiggestrigen abgetan. Bedingungslose Kameradschaft, wie sie oft in ausweglos erscheinenden Situationen erlebt wurde, schätze ich auch heute noch hoch ein. Sie hat mit Kameraderie nichts zu tun. Ein Beispiel, die vier Mann im Sturmgeschütz waren auf Leben und Tod aufeinander angewiesen und haben das letzte Stück Brot miteinander geteilt. Solche Kameradschaften haben als Freundschaften die Jahrzehnte überdauert. Der jungen Generation, die diese Zeit wohl kaum nachvollziehen kann, möchte ich trotzdem Toleranz und echte Kameradschaft wünschen. Kriegerdenkmäler werden heute zum Teil als Kultstätten der Heldenverehrung diskriminiert. Wer an der Front und in Gefangenschaft war und wer die Bombenangriffe auf die Städte erlebt hat, der weiß, unter welch unmenschlichen Bedingungen Soldaten und Zivilisten gefallen, verbrannt oder verhungert sind. Wer davongekommen ist, liest die Tafeln der Verwandten Schulkameraden und Mitbürger mit Trauer. Das hat mit Heldenkult nichts zu tun. Er gedenkt der vielen Millionen Toten in Pietät. Ich glaube diese Pietät steht auch den Hinterbliebenen in der zweiten und dritten Generation zu. Ein Wort zu den Tapferkeitsauszeichnungen : Das Birkenkreuz und das Eiserne Kreuz lagen meist haarscharf beisammen. Ausgezeichnet wurden im allgemeinen nur die Überlebenden. -Und in der größten Not waren sehr viele tapfer Wenn man seine Kriegstagebücher nach mehr als 45 Jahren nachliest, dann fällt einem sofort auf, daß sehr vieles aus dem Soldatenalltag, Namen und Orte, aber auch manche Einsätze, in Vergessenheit geraten ist. Ganz Gescheite werden dazu sofort sagen, das 17 16 haben sie alle ja gerne vergessen und verdrängt. Tatsache ist aber, daß man die härtesten Fronteinsätze, die Gefangenschaft in den Hungerlagern und echte Kameradschaft weder verdrängen noch vergessen kann. Es kommt einem aber auch deutlich wieder zum Bewußtsein, von wieviel Fügungen das Überleben in dieser Zeit abhängig war. Glück ist dafür sicher eine zu simple Erklärung. Die Tagebücher enthalten eine Fülle von Fakten, Daten und persönlichen Eindrücken, vom Wetter angefangen, über Landschaftsformen, Landnutzung, Straßenzustand, Wohnverhältnisse, Leben der Bevölkerung, Leben in den Kasernen, Ruhequartieren und Gefangenenlagern, Überleben im Einsatz, Aktivitäten im Urlaub, Namen von Urlaubern etc. Ein großes Problem war die Langeweile. Kinos gab es überall, bis in die Soldatenheime hinter der Front. Ich habe, wie Millionen Soldaten, in diesen Jahren sehr viele Filme gesehen und alle Titel aufgeschrieben. Ich habe sie nicht gezählt, aber es waren Hunderte. Ich habe auch die Gottesdienste in den Garnisonskirchen, bei den Fronteinheiten und in den Gefangenenlagern aufgeschrieben. Daraus ist zu ersehen, daß bei der Wehrmacht die Nationalsozialisten sicher nicht überall präsent waren. Politische Einschätzungen fehlen in den Tagebüchern zur Gänze, das war damals für mich zu riskant. Die folgenden Aufzeichnungen sind daher nur eine grobe, trockene Übersicht über diese Jahre, auf weite Strecken im Telegrammstil. Parteitagszug kam man ausnahmsweise nicht nach der politischen Verläßlichkeit, sondern nach der Körpergröße. Damals blühten und dufteten im Rankweiler Ried hunderttausende blaue Schwertlilien. Heute stehen dort die Aussiedlerhöfe und Schwertlilien sind eine Rarität. 23.5. -1.6.1939. Das Lager 1/331 geht in Urlaub, ich war bei den 20 Mann Lagerwache. 2.6. - 9.6.1939. Die Lagerwache geht in Urlaub. Das Lager Brederis marschierte in Feldkirch dreimal durch die Fronleichnamsprozession und sang ein zeitgemäßes Lied, dessen Refrain ich mir über die Jahrzehnte gemerkt habe: „Was hat einer deutschen Mutter Sohn, mit Papst und den Pfaffen zu schaffen." 9.8.1939. Musterung zur Wehrmacht, Gebirgsnachrichten Landeck. 1.9.1939. Einmarsch der deutschen Truppen in Polen. Beginn des Zweiten Weltkrieges „Der Reichsparteitag des Friedens" wird abesagt. 3.9.1939. England und Frankreich erklären Deutschland den Krieg. 17.9.1939. Einmarsch russischer Truppen in Ostpolen. 25.9.1939. Erster Luftangriff auf Friedrichshafen. 3.10.1939. Die Mannschaften des Lagers 1/331 werden überraschend in den Wehrkreis München überstellt.Rankweil-Bregenz-München-Freising. 4.10. -19.11.1939. Rekrut bei der Nachrichten Eratz Batterie 157 Freising. Ausbildung zum Fernsprecher, Kasernenleben, Fußdienst, Unterricht, Sport, Schießen, Übungen im Gelände etc. Hier herrschte ein gutes Klima, wir kamen uns nach Brederis fast wie im Urlaub vor. In unserer Stube waren lauter Vorarlberger. 6.10.1939. Mit der Kapitulation des polnischen Generals Kleeberg erlischt der letzte geschlossene Widerstand polnischer Trupppen. - Es gab weder eine Kriegserklärung noch eine Kapitulationsurkunde. 10.11. -11.11.1939. Erster Kurzurlaub als Rekrut. 20.11.1939. Abstellung zur Bayrischen 57. Infanterie Division, die gerade aus Polen zurückverlegt wurde. Freising-München-Ingolstadt-Nürnberg-Würzburg-HanauGelnhausen in Hessen-Nassau. 21.11.1939.Ankunft in Dorf-Kassel bei Gelnhausen. Die Einheiten lagen in den Dörfern zwischen Hanau und Gelnhausen in Privatquartieren. Als Fernsprecher wurde ich der 5. Batterie zugeteilt. Wir waren jetzt nur noch drei Vorarlberger unter lauter Bayern und haben einige Zeit gebraucht, bis wir Ernst und Spaß der kernigen Sprüche auseinanderhalten konnten. Eine Batterie hatte vier leichte Feldhaubitzen, Kaliber 10, 5 cm. Die Geschütze und das Beobachtungsfahrzeug wurden 6-spännig, die Munitionsfahrzeuge 2 spännig und der übrige Troß 2 oder 1 spännig gefahren. Die Batterie hatte ca 130 Mann und etwa gleichviele Pferde. - Zuerst war ich Melder und mußte täglich mit dem Fahrrad ins übernächste Dorf nach Lauterbach zur Abteilung fahren, um Post und Befehle abzuholen. 18.12.1939. Der Futtermeister ist daraufgekommen, daß ich Maturant bin und hat mir gleich zwei Unteroffizierspferde zugeteilt. So wurden Futterfassen, Tränken, Füttern, Striegeln, Ausmisten, Auf- und Absatteln und Pferdeapelle, mit Ausnahme der Einsätze 19 Der Weg in den Krieg Jänner 1939. Da ich der Hitlerjugend nicht beigetreten bin, wurde mir die Ablegung der Matura verweigert. Nach der Meldung als vorzeitig Dienender zum Reichsarbeitsdienst wurde ich zugelassen. 20.2. - 22.2.1939. Vorgezogene schriftliche Matura. 14.3.1939. Musterung zum Reichsarbeitsdienst. 15.3.1939. Einmarsch deutscher Truppen in der Cschechoslowakei und ungarischer Truppen in Karpatorußland. 21.3.1939. Mündliche Matura, am gleichen Tag Einberufungsbefehl zum Reichsarbeitsdienst. 1.4. - 2.10.1939. Arbeitsmann im Lager 1/331. Rankweil/Brederis. Dieses Halbjahr war eine ungute Zeit mit Schikanen aller Art, vor allem für die zahlreichen Maturanten. Das Führercorps war mittelmäßig und bestand zum Teil aus Angehörigen der Österreichischen Legion. Im ersten Vierteljahr wurden im Rankweiler Ried, damals händisch, Drainagearbeiten durchgeführt. Ältere Leute haben vielleicht noch eine Vorstellung von der Dreckarbeit im dritten Stich, die ein Vorrecht der Maturanten war. Im zweiten Vierteljahr wurde der Fritzligraben in Brederis, als Vorfluter für die großen Drainagesysteme ausgebaut. Der Aushub wurde mit Rollwagen über Geleise verführt. Das war eine schönere Arbeit. Als Angehörige des Parteitagszuges für den „Reichsparteitag des Friedens" mußten wir nur am Vormittag arbeiten und wurden am Nachmittag brutal geschliffen. Zum 18 in Frankreich, mein Nebenjob bis Herbst 1940. Aber der Stalldienst hatte auch seine guten Seiten. Eine Kontrolle der im ganzen Ort verstreuten Ställe war kaum möglich. So konnte man zwischendurch immer wieder ins Quartier abhauen. Ich hatte ein gutes Quartier, dort stand immer eine Kaffeekanne auf dem Herd und auf großen Blechen gab es abwechselnd Streußelkuchen, Apfelkuchen oder Zwetschkenkuchen. Ich konnte auch Kameraden mitbringen, die es nicht so gut getroffen hatten. Da mein Stall am Ende des Dorfes lag, bin ich oft auf eigene Faust ausgeritten Der Winter war sehr kalt und schneereich.Bei den vielen Tag- und Nachtübungen im waldreichen, hügeligen Vorspessart gab es viele Zwischenfälle mit Pferden und Fahrzeugen. Heimaturlaub 6.2. -13.2.1940. Gelnhausen - Frankfurt - Darmstadt - Mannheim - Heidelberg -Stuttgart - Ulm - Bregenz. 8.2.1940. Am Abend wegen der Belanglosigkeit der schlechten Verdunklung der Fahrradbeleuchtung, Wortwechsel mit einer 3 Mannstreife des NS-Kraftfahrkorps. 9.2.1940. In der Früh hat mich ein Lauteracher Gendarm, ein Kaiserjägerkamerad meines Vaters, über die Anzeige und eventuelle Folgen informiert und die weitere Vorgangsweise besprochen. 10.2.1940. Einvernahme beim Posten Lauterach. 12.2.1940. Vorladung zur Gestapo (Geheime Staatspolizei) in Bregenz. Der Beamte hat mir nach einem kurzen Gespräch alles Gute als Soldat gewünscht. 12.2.1940. Friede zwischen Rußland und Finnland nach 104 Tagen Winterkrieg. 5.4.1940. Verlegung der Batterie nach Mittelgründau in Oberhessen nahe Hanau, wieder Privatquartiere. 9.4.1940. Einmarsch deutscher Truppen in Dänemark, Landung in Norwegen. 24.4.1940. Scharfschießen am Truppenübungsplatz Villbach, zum erstenmal Granaten heulen gehört und die Einschläge vor der Beobachtungsstelle gesehen. her. Die paar Stunden geschlafen haben wir fast nur im Freien, wegen der Pferde unter den Fahrzeugen. Den Grundsatz der bespannten Truppen „zuerst das Pferd und dann der Mann" habe ich bis zur Neige erlebt. Ohne die Mithilfe der Kameraden wäre die Versorgung der Pferde nicht möglich gewesen. Manches Pferd ist im Zug zusammengebrochen und mußte erschossen werden. Nachschub gab es genug, da Vieh und Pferde überall herrenlos herumliefen. Die deutsche Luftwaffe hatte die Luftüberlegenheit und trat Tag und Nacht massiv in Erscheinung. Aber auch französische und englische Flugzeuge griffen die Marschkolonnen immer wieder mit Bomben und Bordwaffen an. Die Bilder an der Vormarschstraße: Überall Zerstörung, verlassene Stellungen und Dörfer, abgeschossene Panzer, ausgebrannte Fahrzeuge, gesprengte Brücken, zerschossene Batterien, abgeschossene Flugzeuge, zerstörte Dörfer, Flüchtlingskolonnen, Gefangene, Verwundete, Tote. Dazwischen gab es wieder unzerstörte Landstriche wie im Frieden. 24.5.-27.5.1940. Marsch parallel zur Front, das Geschützfeuer wird stärker, nachts brennen Dörfer, das Durcheinander nimmt zu. Origny St.Benoite - Hornblieres St.Quentin - Peronne -Bopaume - St. Albert - Bellenglise - Basentin - Fixcourt. Schon seit Tagen immer wieder große Soldatenfriedhöfe aus dem Ersten Weltkrieg, eine beklemmende Kulisse zu den übrigen Zerstörungen. 28.5. - 4.6.1940. Ablösung einer Panzerdivision, die bis ans Meer durchgestoßen ist. Erste Feuerstellung bei Flesseles an der Somme, in der Nähe von Abbeville. Feuertaufe beim Leitungsbau im schweren Artilleriefeuer. Noch in der Nacht Stellungswechsel nach Bellancourt, Richtung Abbeville. Stellungskrieg und schwere Abwehrkämpfe an der Frankreich 10.5.1940. Einmarsch deutscher Panzerverbände in Luxemburg, Belgien und Holland. 11.5.1940. Alarm! Fertigmachen zum Abmarsch. 12.5.1940. Bahnverladung in Wächtersbach - Frankfurt - Mainz - Koblenz -Andernach. Marsch nach Kripp am Rhein. 14.5. -17.5.1940. Marsch durch das Ahrtal und die Eifel. Altenahr - Ahrweiler - Pelm Gerolstein - Matzerath -Lüneberg - Westwallbunkerlinie - Dasburg. 18.5. -20.5.1940. Mittags bei Dasburg die Deutsch-Luxemburgische Grenze überschritten - Clerv - die Bevölkerung war teilweise deutschfreundlich, Blumen und Zigaretten 20 Uhr die Luxemburgisch - Belgische Grenze überschritten - Bastogne -erste Zerstörungen, erste Verwundeten und Gefangenentransporte - St.Hubert - Maissin - Oure - Graide - Bievre - um Mitternacht bei Nahon die Belgisch - Französiche Grenze überschritten. 21.5. -23.5.1940. Fontaine de Brulet - Montherme, die Maas auf einer Pionierbrücke überschritten, das erste Grab, zwei französische Flieger, ein Kilometer weiter das zweite Grab, vier deutsche Soldaten - Mazures - Bourg Fidele - Etalle/Vervins - Le Pont de Pierre - Bossus - Auberton - Martigny - Hirson - Vervins. Wir haben jetzt 14 Tage Gewaltmärsche von 40 bis 60 Kilometer hinter uns, immer hinter den Panzerdivisionen 20 Rast an der Vormarschstraße in Frankreich 21 Somme. Wir waren fast Tag und Nacht, je zwei Fernsprecher auf uns alleingestellt unterwegs, um die zerschossenen Telefonleitungen zwischen der Beobachtungsstelle und der Batterie zu flicken und aufrecht zu erhalten. In der Weygandlinie lagen uns englische und französische 18 To und 32 To Panzer, starke gutschießende Artillerie, Engländer, schottische Hochländer, Franzosen und französische Kolonialtruppen gegenüber. Sie versuchten immer wieder mit großer Überlegenheit, zum Teil sechs-bis achtmal am Tag, vor allem die Brückenköpfe in Abbeville und St.Valery zu nehmen. Unsere Infanterie und Pakkompagnien hatten schwerste Verluste. Unsere Pak war den schweren französischen Panzern nur zum Teil gewachsen. So wurden Flakbatterien vorgezogen und im direkten Schuß eingesetzt, das waren Himmelfahrtkommandos. Unsere Batterien haben fast pausenlos auf zahlreiche gegenüberliegende Ziele geschossen. Es gab auch zahlreiche Stukaangriffe auf Panzerbereitstellungen und Artilleriestellungen. Unsere Beobachtungsstelle kam immer stärker unter Beschuß. Wir haben unsere Löcher zwischen den Einsätzen tiefer gegraben und wurden so von Verlusten bewahrt. Pferde hat es aber immer wieder erwischt. 5.6. - 8.6.1940. Nach starker Artillerievorbereitung begann um 4, 30 Uhr früh auf breiter Front der Angriff und der Durchbruch durch die Weygand-linie. In unserem Abschnitt kam der Angriff, bei massiver Gegenwehr bald zum Stehen. Nach mehreren Stukangriffen und dem Einsatz von 40 Panzern ging es weiter. Abbeville - Huppy - Pultieres - Doudelainville - Oisment -Monflieres - Mesnil/Endin - bei Francours die Bresle erreicht. Das war für unsere Batterie die letzte Feindberührung unter schwerem Artilleriebeschuß. Da die Telefonleitung durch einen Wald verlief, krepierten laufend Granaten in den Bäumen. Das war ein verdammt unguter Einsatz. Bei den mehrfachen Stellungswechseln dieser vier Tage sind wir Fernsprecher schwer zum Handkuß gekommen. Es gab laufend Feuerüberfälle der französischen Artillerie und Fliegerangriffe. Die Infanterie zahlte wiederum einen hohen Blutzoll. 9.6. -13.6.1940. Die Franzosen und Engländer leisten nur noch hinhaltenden Wiederstand und räumen nachts immer ihre Stellungen. In der Nacht sieht man immer noch brennende Dörfer. Aber die Zerstörungen nehmen ab. Die Zivilbevölkerung ist teilweise dageblieben. An den Straßen liegt massenhaft französiche und englische Ausrüstung. Vor allem die Engländer haben auf ihrer Flucht nach Dünkirchen große Fahrzeugkolonnen zurücklassen müssen. Wir lebten sehr gut aus den englischen Verpflegsbeständen. Wir marschieren wieder in Gewaltmärschen hinten nach, immer parallel zur Atlantikküste. Rieux - Grandcourt - NotreDame d'Aliermont - Neufchatelle -Doudeville - nördlich Rouen - Lillebone - Bolbec. 14.6 -16.6.1940. Wir erreichen in Fecamp die Atlantikküste und beziehen Stellungen zum Küstenschutz. Unsere Beobachtungsstelle ist eine Villa über der Steilküste mit herrlichem Blick auf das Meer, auf die Hafenstadt und im Dunst auf die Kreidefelsen der englischen Küste. Hier herrschte tiefer Friede. In der Stadt gab es um einen Schund zu kaufen, was das Herz begehrt. Nach einem Monat wieder ein Dach über dem Kopf, ordentlich gewaschen, ausgeschlafen, heimgeschrieben. Ein Leben wie Gott in Frankreich. 17.6. - 24.6.1940. Alarm! Aus mit dem schönen Leben. Toqueville - Antretot - Yvetot Barentin - Rouen - Elbeuf -Conches - nördlich Laigle. Nördlich und südlich Rouen waren weite Landstriche unversehrt. Hier waren nur noch größere Städte durch Bombardierungen schwer getroffen. In Rouen waren rund um den Dom ganze Stadtviertel zerstört, in den Trümmern hat es noch geraucht. Die Seine wurde über eine Kriegsbrücke aus Handelsschiffen überschritten. Die Seine ist bis Rouen für Hochseeschiffe befahrbar. Überall sind große Flüchtlingskolonnen nach Norden in ihre Dörfer, zu Fuß, mit Fahrrädern, Kinderwagen, Handwägelchen, Ochsenkarren, Pferden, Pferdefuhrwerken, Autos mit vorgespannten Pferden etc. unterwegs. Das waren Elendsbilder, Frauen haben um ein Stück Brot für ihre Kinder und Mädchen um Zigaretten gebettelt. Ab Null Uhr ruhen die Waffen in Frankreich. 25.6.1940. Die Nachricht erreichte uns um 1, 30 nachts auf dem Marsch östlich Argentan. 26.6. -11.7.1940. Argentan - Mauvaisville. Hier Bezug von Ruhequartieren. Ausgeschlafen, nach sechs Wochen Wäsche gewechselt, Uniformen gewaschen, in der Orne gebadet, Briefe geschrieben, Pferde betreut, ich hatte wieder meine zwei Reitpferde, Fahrzeuge und Geräte instand gesetzt. Nach 14 Tagen begann schon wieder die Spinnerei, Apelle, Fußdienst, Sport etc. Aber im Allgemeinen war es nach den Strapazen der letzten 6 Wochen doch eine ruhige Zeit. Pferde betreut, ich hatte wieder meine Wochen doch eine ruhige Zeit. 12.7. -14.7.1940. Weitermarsch nach Norden - östlich Falaise nach St. Pierre du Fresne, ein Schloß südlich Caen. Die ersten Soldatengräber 22 23 15.7. - 26.7.1940. Schon fast kasernenmäßiger Zopf im Schloß. 27.7. - 28.7.1940. Weitermarsch nach Norden, nach Mesnil de Bures bei Caen, in einen großen Gutshof. 29.7. - 25.8.1940. An meinem 20 Geburtstag den Urlaubsschein erhalten. Caen - Lisieux - Evreux - Paris - Compiegne - Laon -Charleville - Dinant - ArlonLuxemburg -Trier - Koblenz -Frankfurt - Stuttgart - Bregenz. Zwischen Paris und Luxemburg waren praktisch alle Brücken gesprengt und in allen Ortschaften und Städten Zerstörungen zu sehen. 2.8. - 21.8.1940. Daheim Heuernte, Aktivitäten bei der Pfarrjugend mit Kaplan Giesinger. 26.8.1940. Nach der Rückkehr sofort zum Rapport befohlen. Batteriechef Hauptmann Winterstein, ein alter k.k. Offizier und Bankdirektor aus Salzburg, zeigte mir einen Brief der NS-Ortsgruppe Wolfurt. Der Spieß las mir den Brief vor, der mich als Schwarzen und damit als schlechten Volksgenossen abqualifizieren sollte. Er zerriß dann den Brief mit der Bemerkung: „Damit du siehst wo er hingekommen ist." 26.8. - 31.10.1940. Meist ruhiger Dienst, dazwischen Spinnerei, oft mit dem LKW der Batterie an die Küste nach Cabourg zum Baden gefahren. Jede Woche mindestens einmal an die Orne Mündung marschiert und dort auf schwimmende Ziele im Meer geschossen. (Die Allierten sind dann u.a.1944. genau dort gelandet) Zwischendurch waren in den mondänen Badeorten Cabourg, Deauville und Trouville zusammen mit Gebirgsjägern Verladeübungen auf Pfräme, für eine eventuelle Landung in England. Bei dieser Gelegenheit habe ich meinen Cousin Luitpold Weh aus Bregenz getroffen. Die Pferde hatten auch gute Zeiten, da sie meist auf der Weide waren. Zwischendurch sind wir oft ausgeritten. Caen war eine geschichtlich interessante Stadt mit vielen alten Kirchen, Klöstern und Gebäuden. Zur Truppenbetreuung gab es ein Soldatenheim, Theater und Kinos. (Caen wurde 1944 während der Invasion dem Erdboden gleichgemacht.) Englische Jäger und Bomber haben uns oft überflogen, aber nie bei uns abgeladen. In Summe waren das friedliche, ruhige Monate in einer schönen Gegend. 17.10.1940 Mit der Bahn zur Stadtbesichtigung nach Paris gefahren. 25.10. und 26.10.1940. Zweimal je 100 Kilometer nach Bayeux zum Brennholz holen gefahren. Die wunderschöne Kathedrale besichtigt. Ende Oktober Pferde, Waffen und Gerät Einmarsch in das zerstörte Abbeville. übergeben. Verschiedene Einheiten scheiden aus der 57. Infanterie Division aus und kommen nach Deutschland zu einer Neuaufstellung. Unsere Division ist in sechs Wochen 1200 km marschiert und hat an der Somme und beim Durchbruch durch die Weygand Linie mit 452 Toten und 1400 Verwundeten die größten Verluste aller in Frankreich eingesetzten Divisionen erlitten. Im Bereich der Division wurden 135 Panzer abgeschossen. 30.10.1940.Großer Abschiedsabend, Bischof Werner aus Bizau und ich bekamen das EK II für unsere gemeinsamen Einsätze als Fernsprecher. 31.10 - 3.11.1940. Caen - Argentan - Alencon - Tours - Vierzonville - Bourges -Nevers - Le Creusot - Dijon - Gray - Vesul - Beifort -Mühlhausen - Straßburg - Karlsruhe - Stuttgart -Ulm - Memmingen - Legau im Allgäu. Wieder in Deutschland, Lazarett: 4.11. - 13.12.1940. Mit Musik und schönen Worten empfangen und in guten Privatquartiern untergebracht. Sturer kasernenmäßiger Dienst und Schikanen, daß sich sogar der Ortsgruppenleiter eingemischt hat. An drei Wochenenden konnten wir drei Vorarlberger zu einem Kurzurlaub heimfahren. Es hat sicher viele fanatische Nationalsozialisten, aber auch sehr viele Andersgläubige gegeben. Auch unter alten Nationalsozialisten gab es selbstverständlich anständige Leute. Ich war über ein Jahr mit zwei Münchner Blutordensträgern, beide waren Funker, hautnah am gleichen Fahrzeug, im Einsatz und in vielen Massenquartiern zusammen. Sie waren beide dreißig Jahre älter als ich, haben es in der Partei zu nichts gebracht, waren gute Kameraden, haben nie politisiert und hatten die Nase noch voller als wir Jungen. Sie haben den Polen- und Frankreichfeldzug mitgemacht und wurden in Legau aus Altersgründen entlassen. 1.12.1940. Zum Gefreiten befördert. 14.12.1940.-5.1.1941. Heimaturlaub, am 19.12.1940. mit hohen Fieber erkrankt, daheim gelegen, am 31.12.1940. nach Bregenz zur Untersuchung, Tuberkuloseverdacht. In den Reservelazaretten Riedenburg und Gaisbühel nicht untergekommen. 5.1.1941. Nach Legau eingerückt, im Kreiskrankenhaus weitere Untersuchungen. 8.1. - 29.1.1941. Nach München ins Resevelazarett Schwabing überstellt. Am 13.1.1941. nach gründlichen Untersuchungen der Befund: Schwere Bronchitis. Das wäre eine große Erleichterung. Die Bronchitis hat mich dann mein weiteres Leben begleitet. Mädchen aus einem Betrieb und aus einer Versicherung brachten jede Woche Zigaretten, Kuchen, Apfelsaft, Lesestoff und freundliche Gesichter mit. Neben mir ist ein im I Weltkrieg hochdekorierter Feldwebel und Blutordensträger an Rückenmarkskrebs gestorben. Er hat mir viel über seinen Einsatz in der Kampfzeit der Zwanzigerjahre und über die spätere Machtübernahme durch Opportunisten und Konjunkturritter erzählt. Seine Frau hat drei Tage vor seinem Tod, gegen seinen Willen, einen Besuch des Gauleiters arrangiert. Es war eine peinliche Situation, da sich die beiden nichts zu sagen hatten. Ich konnte als junger Andersgläubiger hinter die Kulissen schauen. - Es war der einzige Gauleiter den ich in den ganzen Jahren gesehen habe. 30.1.1941. -17.2.1941. Überstellung ins Reservelazarett Hotel Sonnenbichl in Garmisch. Ab lo.2.1941. bekam ich schon fallweise Ausgang. In Garmisch fanden 1941. noch Winterspiele statt, an denen auch Sportler der Verbün25 24 deten teilnahmen. Schispringen auf der Olympiaschanze mit Bradl, Weiler, Finnen und Slowaken. Im Eisstadion ein Eishokeyspiel Berlin gegen Rissersee und Eiskunstlauf mit den Geschwistern Pausin, Horst Faber und Lydia Feicht. - Soviele Generale habe ich nie mehr auf einem Haufen gesehen. 18.2. - 3.3.1941. Entlassung aus dem Reservelazarett Hotel Sonnenbichl. Garmisch - München - Augsburg. Genesenden Batterie, Leichte Artillerie Ersatz Abteilung 27. Jeden Tag in der Küche Kartoffel geschält, aber nicht nur Kartoffel gegessen. 4.3. - 26.3.1941. Genesungsurlaub, viele Bekannte sind schon eingerückt. 30.3. - 5.4.1941. Zur Erholung auf der Schihütte der 27er auf der Alpe Obere Kalle in Thalkirchdorf bei Immenstadt. Das waren schöne Vorfrühlingstage. 6.4.1941. Deutsche Truppen marschieren in Jugoslavien und Griechenland ein. 18.4.1941. Jugoslawien hat kapituliert. 19.4.1941. Kv. kriegsverwendungsfähig geschrieben und als Hilfsausbildner zur dritten Batterie versetzt. 20.4.1941. Ein gleichaltriger Leutnant hat mich zu einer Freischützaufführung ins Stadttheater eingeladen. 17.5.1941. und 25.5.1941. Die Wolfurter Brüder Mohr Erwin (gefallen) und Mohr Ernst in der Kaserne in Augsburg/Pfersee besucht. 20.5.1941. Deutsche Fallschirmjäger und Gebirgsjäger landen auf Kreta. 5.6. -11.7.1941 Unterführerlehrgang, viel Theorie und viel Schinderei beim Fußdienst, Geschützexerzieren und bei Übungen. 22.6.1941. Deutsche Truppen marschieren in Rußland ein: 14.7. - 29.7.1941. Verlegung auf den Truppenübungsplatz Hohenfeis in der Oberpfalz zur weiteren Ausbildung. Bahnverladung Augsburg - Ingolstadt - Regensburg - Haindorf. 28km Marsch ins Lager Hohenfels, sturer Kommißbetrieb, Scharfschießen mit Geschützen und Infanteriewaffen, Nachtübungen und andere Spässe. 9.8. -24.8.1941. Heimaturlaub, gerade recht zum Heuen gekommen. 28.8. - 6.9.1941. Zu dritt Zugwache in den Nachtzügen München - Berlin und Berlin München gefahren. Am Vormittag jeweils ein paar Stunden in der Wehrmachtsübernachtung geschlafen, dann die beiden Städte gründlich besichtigt. Am 1.9.1941. anstatt zu schlafen nach Augsburg zur Einheit befohlen, Beförderung zum Unteroffizier, nachts wieder nach Berlin. 7.9. - 30.9.1941. Ruhiger Dienst, an manchen Tagen bis in die Lechauen ausgeritten. 1.10. - 2.10.1941. Versetzung zur Sturmartillerie. Augsburg - Nürnberg - Halle - Sturmartillerieschule Jüterbog südlich Berlin, weitere Versetzung Jüterbog - Halle - Erfurt -Meiningen - Schweinfurt. 3.10.1941.-13.2.1942. Sturmgeschütz Ersatz Abteilung 200 Schweinfurt/ Main. Umschulungslehrgang, Ausbildung zum Richtunteroffizier und Geschützführer, sturer Kasernendienst, viel Theorie, Übungen am Sturmgeschütz. Ein Sturmgeschütz war ein Panzer III ohne Turm, mit einer Kampfwagenkanone Kaliber 7, 5cm kurz bis 1942 und 7, 5cm lang ab 1943., einem Gesamtgewicht von 24 Tonnen und 4 Mann Besatzung: Panzerfahrer, Richtunteroffizier, Ladekanonier und Funker, Geschützführer. Geschützführer waren Unteroffiziere oder Wachtmeister, Zugführer Wachtmeister oder Offiziere. Die Sturmgeschützbatterien waren Heeresartillerie und wurden den Divisionen fallweise in den Brennpunkten zugeteilt, manchmal bei zwei Divisionen am gleichen Tag. Eingesetzt wurden die Sturmgeschütze als Infanteriebegleitartillerie und gegen Panzer und PAK. Es gab viele Übungen im Gelände mit Geschützen und Munitionsfahrzeugen. Die Lichtblicke waren aber die Funkübungen, die uns ins schöne Maintal bis Volkach und Bad Kissingen oder Würzburg und Kitzingen führten. Während der Traubenernte ist es uns da gut gegangen. Fliegeralarm gab es schon jeden Tag, aber abgeladen haben sie damals noch nicht, obwohl Schweinfurt eine Industriestadt war. Die Sturmartillerie war Großdeutschland. In meiner Stube waren ein Schlesier, ein Sudetendeutscher, ein Berliner, ein Holsteiner, ein Rheinländer, ein Schwabe und zwei Bayern. 23.10.1941. Gefechtschießen am Truppenübungsplatz Hammelburg. 22.12.1941. In Würzburg das Schloß, die Residenz und den Dom besichtigt. 24.12. - 25.12.1941.17h Mette in der Stadt. Abends in der Stube eine Kerze angezündet, eine Flasche Wein getrunken und ein Stück Kuchen von daheim gegessen - Heimwehstimmung - Wir waren nur ein paar Mann, da man bis 200km, über die Feiertage heimfahren konnte. 10.1. -22.1.1942. Winterausbildung am Truppenübungsplatz Wildflecken in der Röhn. Gefechtsübungen, Gefechtsschießen. Die Panzer erwiesen sich im Schnee als rutschgefährdete Schlitten, es war sehr kalt, wir hatten die ersten Erfrierungen. 23.1. -13.2.1942. Zur Marschbatterie versetzt, warten auf die Abstellung nach Rußland, 27 Unser Sturmgeschütz mit Langrohrkanone 26 ruhiger Dienst, aber große Unsicherheit. Russland: 14.2. - 24.2.1942. Ab nach Rußland. Schweinfurt - Hof - Dresden - einige Stunden Aufenthalt, Burg Zwinger und Residenzkirche besichtigt -Görlitz - Sagan - Glogau Lissa -Litzmannstadt - Koluszky -Warschau - Rembertov - Sieldce - Wolkovysk Baranowitsche -Minsk - Shlobin - Bobruisk - Gomel - Briansk - Karatschew -Orel. Das war die längste Bahnfahrt meines Lebens, mitten im Winter bei eisiger Kälte. Wir waren 43 Mann und hatten einen Waggon Winterbkleidung aus der Spinnstoffsammlung für die Fronteinheit dabei. Im Viehwaggon stand in der Mitte ein Ofen, geschlafen wurde auf dickem Stroh mit den Füßen am Ofen, an den Wänden stand cm dick der Rauhreif. In den großen Bahnhöfen waren zum Teil längere Aufenthalte und wir konnten in den Rotkreuz Stationen etwas Warmes, einen Kaffee oder eine Suppe bekommen und einigemale sogar dort schlafen. - Die Rotkreuzschwestern haben einen schweren Dienst geleistet. 25.2. -27.2.1942. In der Frontleitstelle Orel gewartet. Die LKW, die uns abholen sollten, sind wegen der Schneestürme nicht durchgekommen. 28.2.1942. Fahrt nach Bolchow, für 60 km Rollbahn 6 Stunden gebraucht, immer wieder Schneeschaufeln und Schieben. 3.Batterie, Sturmgeschütz Abteilung 202. Wir waren 3 Unteroffiziere bei einer Russenfamilie mit 3 Kindern mit Hungerbäuchen unter ärmlichsten Verhältnissen untergebracht, aber es war warm in der kleinen Hütte. Hier lagen Divisonsstäbe und der Nachschub an die Front ging wegen der Schneestürme und der Schneeverwehungen nur noch mit Schlitten oder Kettenfahrzeugen weiter. Auch die motorisierten Einheiten hatten Pferdestaffeln. 4.3. - 10.3.1942. Mit Kettenfahrzeugen Munition und Benzin auf den Stützpunkt Droschka bei Karada/Kowa an der Oka vorgefahren. 2km hinter der Front, Maschinengewehrfeuer, Granatwerfer und Artillerieeinschläge bildeten die Hintergrundmusik. Die paar noch stehenden Hütten waren mit Infanteriereserven total überbelegt. Nach zwei Tagen Stellungswechsel nach Kasminka zu einer Kampfgruppe mit zwei Sturmgeschützen. - Die ersten Läuse geknackt. - Vorne rumpelte es Tag und Nacht. Am Tag sind hier die Ratas (Doppeldecker) mit Bordwaffen am Werken, nachts werfen einzelne Flugzeuge Bomben ab. 11.3. - 12.3.1942. Feuertaufe bei der Sturmartillerie in Kriwzowo. Hier ist seit dem Winterrückzug aus Riasan südlich Moskau seit drei Monaten Stellungskrieg an der Oka. Von dem Dorf steht kein Haus mehr, ein paar Keller bieten etwas Schutz gegen Beschuß und Kälte. Die frisch eingetroffenen asiatischen Truppen greifen im Morgengrauen an und dringen in die Stellungen ein. Nach zwei Gegenstößen mußten sie die Stellungen mit schweren Verlusten wieder räumen. Da die Munition knapp war, konnten wir nur auf kurze Distanz schießen. Mein Nachbar hat einen T34 abgeschossen, wir ein PAK. Die russische Artillerie hat uns schwer zugedeckt, ich bekam einen Splitter an die Stirn, hatte aber nur einen blauen Fleck und eine Brandblase. (Der T34 war der Standardpanzer der Russen, mit einer Kanone Kaliber 7, 62cm und war dem Sturmgeschütz in etwa gleichwertig. Wir haben ihn und er uns abgeschossen.) Nachts zurück nach Fadkewo und im Morgengrauen wieder vor. Die Russen haben mehrfach angegriffen und konnten mit schweren Verlu28 Russisches Dorf und «Rollbahn»-Straße während der Schlammzeit im Frühling. sten abgewiesen werden. Nachts wieder zurück nach Fadkewo. 13.3.1942. Ich wurde abgelöst und soll 6 Wochen an einem Lehrgang teilnehmen, solche Dinge gab es sogar an der Front. Bei Schneesturm mit Schlitten nach Kasminka und mit Munitionsfahrzeug zurück nach Bolchow. 16.3. - 24.3.1942. Beginn eines Kriegsoffiziersbewerberlehrganges, der schon nach einer Woche an den Realitäten des Krieges scheiterte. 25.3. -27.3.1942. Da die Schneeschmelze schon bald eintreten wird und dann alle Wege grundlos werden, wurde mit allen verfügbaren Kettenfahrzeugen Munition und Benzin auf den Stützpunkt Kasminka vorgefahren. 30.3. - 31.3.1942. Mit 3 LKW in Orel Bekleidung für die 112 Divison holen. Schneestürme, die Fahrt dauerte trotz des Einsatzes zahlreicher Schneepflüge und von tausenden Schneeschauflern, hauptsächlich Frauen, 10 Stunden. Die Rückfahrt verlief fast normal. Nach der Ankunft war Feiertag für mich, nach 6 Wochen gab es die erste Post von daheim. 3.4. - 5.4.1942. (Ostersonntag) Nocheinmal nach Orel Bekleidung holen. Am 4.4.1942. war die Rollbahn wegen Schneesturm gesperrt. Am 5.4.1942. sind wir nach Bolchow zurückgefahren und haben abgeladen. Zwei Stunden später mit Kettenfahrzeugen zum Stützpunkt Fadkewo vorgefahren. 6.4.1942. Ich sollte mit 2 Schlitten Munition und Benzin von einem vorgeschobenen Stützpunkt zur Kampfgruppe bringen, aber da war nichts mehr zu holen, das ganze Depot ist gestern Nachmittag durch Rata-Beschuß in die Luft geflogen. 7.4.1942. Vom Stützpunkt Fadkewo Munition und Benzin nach Kriwzowo vorgefahren. Vorne haben die Russen ihre Angriffe nach schwersten Verlusten eingestellt und sind über die Oka zurückgegangen. Es herrscht nur noch leichte Kampftätigkeit. 29 10.4. - 31.5.1942. Die Kampfstaffel wird abgelöst und nach Bolchow zurückverlegt. Ich bleibe allein mit Munition und Benzin am Stützpunkt Fadkewo zurück. Als erste Aktion habe ich Quartier möglichst weit weg von dem feuergefährlichen Depot gesucht. Verpflegt wurde ich bei einer Feldhaubitzbatterie. Die paar intakten Hütten waren ständig überbelegt, da die Infanteristen aus der vorderen Stellung fallweise kurz abgelöst wurden. Die armen Teufel konnten hier vier bis fünf Tage ausschlafen, sich waschen, den ärgsten Dreck von der Uniform kratzen, die Klamotten trocknen, Briefe schreiben und Läuse knacken. Hinter der Ortschaft war ein Fesselballon mit einem Artilleriebeobachter stationiert und von einer 2cm Flakbatterie geschützt. Bei Fliegerangriff sprang der Oberleutnant oft 4 bis 5mal am Tag mit dem Fallschirm ab. Der Ballon wurde mit Winden heruntergholt. Letzte Woche wurde der Ballon abgeschossen, die brennenden Fetzen hätten den Fallschirmspringer beinahe erwischt. Schon einen Tag später stand wieder ein neuer Ballon am Himmel. Mitte April hat die Schneeschmelze voll eingesetzt. Der Dreck wurde immer tiefer, die Dorfstraße war schon 10 Meter breit. Es kamen nur noch Pferde durch.Vorne aperten jetzt massenhaft gefallene Russen aus. Gefangene haben rund um Kriwzowo auf engstem Raum 1200 Tote zusammengetragen und eingegraben. Von meiner Batterie habe ich nichts mehr gehört. 30.4.1942. Ein Melder hat mir nach drei Wochen Post vorgebracht, 18 Briefe und 13 Päckchen a 100 Gramm. Anfangs Mai begann es langsam abzutrocknen, dazwischen immer noch Schneegestöber. Mitte Mai wurde es in ein paar Tagen grün. Am 20. Mai fuhren wieder die ersten Kraftfahrzeuge. 22.5.1942. Nach drei Wochen gab es wieder Post. Ich habe jetzt fast 7 Wochen am Stützpunkt verbracht. Es war eintönig und langweilig, beim Essenfassen habe ich immer wieder Nachrichten und neue Scheißhausparolen erfragt und hin und wieder eine Zeitung ergattert. Aber ich war fast ein Zivilist, ohne Vorgesetzte, ohne Zopf. Vorne war es relativ ruhig, bei den Fliegerangriffen ist zum Glück nicht viel passiert. 1.6. - 16.6.1942. Der Nachbarstützpunkt Kasminka wurde aufgelöst, ich bekam die Munition und den Benzin dazu. Gleichzeitig bekam ich drei Mann, um das explosive Zeug aus dem Häuserbereich auszulagern und zu tarnen. Vorne wird es wieder laut und die Fliegerangriffe nehmen zu. 17.6.1942. Alle Arbeit war wie üblich umsonst. Der Stützpunkt Fadkewo wird aufgelöst. Zehn LKW bringen Munition und Benzin zurück nach Bolchow. Der Barras hat mich nach mehr als drei Monaten wieder eingeholt. 22.6.-4.7.1942. Der Nachschub an Sturmgeschützen bleibt aus. Wir wurden an schweren Beute-Pakgeschützen, Kaliber 7, 62cm, ausgebildet. Es waren Kruppgeschütze, die während des Hitler-Stalin-Paktes 1939 an die Russen geliefert wurden. 6.7.1942. Tag und Nacht schweres Artillerie- und Stalinorgelfeuer bis Trommelfeuer. Wir fanden Unterschlupf in einem guten Bunker, der nach einem Volltreffer bis auf die unterste Balkendecke abgedeckt wurde. Rundherum Einschläge, rechts von uns wurde eine vorgezogene Feldhaubitze getroffen, es gab Tote und Verwundete. In der Stellung vor uns gab es Angriffe und Gegenangriffe, aber die Stellungen konnten unter schweren Verlusten gehalten werden. 7.7.1942. Weiter schweres Artilleriefeuer. Gegen 10 Uhr beobachtete ich ein Panzerbereitstellung von 25 T34 und mehreren LKW in einer Mulde ca 1km vor uns. Das Angriffziel war noch unklar. Um 11 Uhr wurde das Artilleriefeuer zurückverlegt, der Angriff auf die vorderen Stellungen begann. Um 12 Uhr brachen 5 T34 links zwischen uns und einer 21cm Mörserbatterie durch. Die Infanterie ging zurück, 8 T34 stehen 150m vor unserer Stellung. Wir konnten 3 abschießen, dann bekamen wir 2 Treffer auf unser Geschütz. Von unseren 7 Mann sind 2 gefallen, einer ist am Hauptverbandplatz gestorben und 4 waren verwundet. Wir konnten durch einen Obstgarten zurückflüchten. Der hat uns wahrscheinlich das Leben gerettet, da die meisten Granaten in den Bäumen hinter uns krepiert sind. Nach einigen 100 Metern traf ich in einem mannshohen Roggenfeld auf zwei Verwundete von meinem Geschütz. Gleich darauf ging nach einer Salve der Stalinorgel ein Teil des Roggenfeldes links von uns inFlammen auf. Wir haben uns zu Dritt gestützt, der eine hatte Splitter im Gesicht, war aber noch gut zu fuß, ich hatte den Segen in der rechten Seite und der dritte in der linken Seite. Nach ca 1km konnte ich auf ein Pferdefuhrwerk aufsitzen. Weiter hinten hat mich dann ein Krad-Melder meiner Batterie übernommen und zum Hauptverbandsplatz Babinka gebracht. Dort war Verwundet: 5.7.1942. Alarm! Die Russen greifen an der Oka massiv an. Mit 4 Pakgeschützen und pro Geschütz 35 Schuß Munition vorgefahren. Bei drei Tieffliegerangriffen und einem Bombenangriff wurden 6 Mann verwundet, 2 Zugmaschinen und 1 Geschütz sind ausgefallen. Abends bei Plina, hinter der Infanterielinie in Stellung gegangen. Schweres Artilleriefeuer und laufend Tieffliegerangriffe. 30 Schlammschlacht. Menschenkraft macht den Munitions-LKW flott. 31 Massenbetrieb, die Ärzte hatten nur noch Papierverbände. Durch den Blutverlust bekam ich Schüttelfrost und konnte nicht mehr aufstehen. Die T34 kamen fast bis zum Hauptverbandsplatz durch und schössen schon in den Gegenhang. Da kam Angst und Panik auf. Die russischen Panzer haben in 10 Minuten unsere drei Pakgeschütze und die 21cm Mörserbatterie, die auch noch T34 im direkten Schuß erledigen konnten, zusammengeschossen. - Im Lazarett habe ich dann noch erfahren, daß ein T34, der unser Geschütz zusammenfahren wollte, darauf hängen geblieben ist und beim Gegenangriff abgeschossen wurde.- Unsere Kampfgruppe von 28 Mann hatte in den 3 Tagen 22 Tote und Verwundete und die gesamte Ausrüstung verloren. Durch Stuka-Angriffe und einem Gegenstoß von 30 Panzern der Korpsreserve konnte der Einbruch am Nachmittag, mit schwersten Verlusten auf beiden Seiten bereinigt werden. Die Russen verloren 22 Panzer. Am Nachmittag wurde ich mit einem LKW mit eingebauten Tragbahren nach Bolchow zurückgebracht und nachts mit einer leeren Munitionskolonne nach Orel zurückgefahren. Das war, vor allem für die Schwerverwundeten, eine fürchterliche Fahrt über 60km Rollbahn. 8.7. - 17.7.1942. Feldlazarett 156 Orel. Ärzte und Sanitäter sind schon drei Tage und Nächte im Einsatz. Alle Gänge und der Hof liegen voll mit Verwundeten und es kommen laufend neue aus der Schlacht im Orelbogen. Nach zwei Tagen kam ich unter Dach. Mein Befund lautete: 30 lOPfennig bis 5Markstückgroße Splitterverletzungen am rechten Unterschenkel, Oberschenkel, Unterarm, Oberarm und im Rücken, zahlreiche kleine Splitter in beiden Händen und Trommelfellzerreißungen. Außer einer Wolldecke besaß ich nichts mehr. In einem Mückennetz hatte ich mein Soldbuch, mein Tagebuch, mein Sackmesser und meinen Geldsäckel gerettet. Da ich meine Hände nicht gebrauchen konmnte, war ich voll auf fremde Hilfe angewiesen. Dienstverpflichtete Tänzerinnen des Oreler Baletts haben uns vorbildlich betreut. Vorerst wurden laufend Schwerstverletzte abtransportiert. 18.7. - 21.7.1942. Nachts in einem behelfsmäßigen Lazarettzug, zwei Bretter von Bank zu Bank, links und rechts ein Strohsack, verladen. Jetzt besaß ich schon ein Hemd und eine Decke. Orel - Briansk - Gomel - Minsk - Baranovitschi - Brest/Litowsk - Deblin/Irena. 22.7. -29.7.1942. Reservekriegslazarett Stenzyca, eine saubere, helle, polnische Kaserne mit freundlichen Rotkreuzschwestern. Mein Fuß war stark angeschwollen, das Röntgenbild zeigte einen ziemlich großen Splitter zwischen Schienbein und Wadenbein, ich bekam eine Schiene. Die Ohren machten aber viel mehr Schwierigkeiten als die Wunden. Beim Reinigen der mit Blut gefüllten Ohrgänge bekam ich massive Gleichgewichtsstörungen. - An meinem Geburtstag, am 29.7.1942., haben mir die Schwestern Kakao und Keks gefüttert. 30.7. -1.8.1942. In einen Lazarettzug mit weißen Betten verladen. Deblin/Irena - Radom - Kattowitz - Hindenburg - Gleiwitz -Neiße - Kamenz - Königszelt - Dresden - Plauen - Hof -Lichtenfels - Haßfurt - Schweinfurt - Würzburg Aschaffenburg. 2.8. - 7.10.1942. Reservelazarett Aschaffenburg, Luisenschule. Gute Betreuung, nach 3 Wochen sind die Ohren langsam abgeheilt. Rechts war das Hörvermögen stark eingeschränkt. Es gab viel Fliegeralarm, aber keine Bomben. Langsam wird man wieder ein normaler Mensch.32 20.8.1942. Der große Splitter wurde herausoperiert. 31.8.1942. Verleihung des EK I für den Einsatz im Orelbogen. Verleihung des Verwundetenabzeichens. Anfangs September erster Ausgang, Mitte September nach Dorf/Kassel und später nach Mittelgründau gefahren und die Quartierleute vom Winter 1940/41 besucht. - Der Fuß macht immer noch Schwierigkeiten. Urlaube: 8.10. - 30.10.1942. Entlassung aus dem Lazarett und Genesungsurlaub. Aschaffenburg - Hanau - Frankfurt - Stuttgart - Bregenz. Es gab eine große Ansammlung von Genesungsurlaubern, Fronturlaubern und Sonntagsurlaubern.: Schedler Edelbert, Kaplan Giesinger, Geiger Emil, Klocker Armin, Füchsl Manfred, Herburger Georg, Köb Vinzenz, Höfle Heinrich, Kalb Alfons, Köb Erna, Rohner Siegfried und Thaler Sigbert. Zufällig habe ich Hans Kohler vom Wehrkreiskommando getroffen, der mich über die Möglichkeiten eines Studienurlaubes für Forstwirte und eines Ernteurlaubes informierte. Gleich um einen Ernteurlaub angesucht, der vom Ortsbauernführer befürwortet wurde, aber der Urlaubschein kam zu spät und ich mußte einrücken. Bregenz - Innsbruck - München - Regensburg - Hof - Dresden -Brieg - Neiße/Oberschlesien. Genesenden Batterie, Sturmgeschütz Ersatz Abteilung 300. 30.10. - 20.11.1942. In Neiße noch am gleichen Tag den Urlaubschein für den Ernteurlaub bekommen und noch in der Nacht abgefahren. Obsternte, Mosten, Düngen, Holz machen. Beim Einrücken am 20.11.1942. am Bahnhof Breslau Franz Amann (Postmeisters) getroffen. Gerade ein Bier miteinander getrunken, dann mußten wir wieder zu unseren Zügen. 21.11. -1.12.1942. Genesenden Batterie Sturmgeschütz Ersatz Abteilung 300. 23.11. -1942. Ein Ansuchen um Studienurlaub gestellt, es kommen aber nur Leute in Frage, die gvh (garnisonsverwendungsfähig Heimat) sind. Ein junger Truppenarzt schreibt mich kv (kriegsverwendungsfähig) - Aus der Traum .24.11. - 25.11.1942. Wachhabender, der Fuß ist in den 24 Stunden stark angeschwollen. Der junge Arzt ist versetzt worden, sein Nachfolger ist ein älterer Herr. Der mir gut gesinnte Sanitäter, ein Medizinstudent, hat den kv-Bescheid verschwinden lassen und mich neuerlich zur Untersuchung bestellt. 26.11.142. Der Arzt schreibt mich auf Grund des schlechten Fußes und väterlicher Gefühle drei Monate gvH. Sofort ein neues Gesuch geschrieben. 30.11.1942. Rapport beim Kommandeur, Hurra, der Urlaub ist trotz Stalingrad, genehmigt. 2.12.1942. - 2.4.1943. Studienurlaub in Wien. Mit meinem Kameraden Rudi Kriznic aus Wien, der Landwirtschaft studierte, noch in der Nacht nach Wien abgefahren. Neiße - Kamenz - Glatz - Brunn - Wien. Es verband uns dann eine 47 jährige Kameradschaft und Freundschaft, die 1990 durch seinen Tod beendet wurde. 4.12.1942. An der Hochschule für Bodenkultur, Forstwirtschaft inskribiert. Damals wurde Wien erst ab 23 Uhr verdunkelt, an Fliegerangriffe dachte noch niemand. Das Studium haben wir wegen der Frontlage, der Schlacht um Stalingrad, nur zaghaft angefangen, da wir jeden Tag mit der Rückholung rechnen mußten. 33 Stalingrad ist am 3.2.1943. gefallen. Wir waren praktisch Zivilisten in Uniform und mußten in den 4 Monaten nur zweimal zu einem Zählapell und Befehlsempfang erscheinen. Bei der Stadtkommandatur war ein Leutnant Raschke für uns ca 2000 Studienurlauber zuständig. Er hat uns sehr großzügig bei der Quartierbeschaffung beraten und uns billige Theaterkarten und viele andere kleine Annehmlichkeiten verschafft. Als Vorarlberger erhielt ich drei Zwischenurlaube vom 20.12.1942. - 4.1.1943., vom 2.3. -19.3.1943. und vom 28.3. - 31.3.1943., die nicht ins Soldbuch eingetragen wurden. Wir haben diese unerwarteten und fast unglaublichen Vergünstigungen mit großer Begeisterung wahrgenommen und haben Theateraufführungen in der Staatsoper, der Volksoper, im Burgtheater, im Volkstheater, im Theater in der Josefstadt, im Redutensaal, im Ronacher und im Apollo besucht. Selbstverständlich habe ich auch viele Sehenswürdigkeiten zwischen Stephansdom und Klosterneuburg und vom Riesenrad bis zum Kahlenberg gesehen. Wir haben aber nach einer Anlaufzeit auch studiert und zwei Prüfungen abgelegt. In dieser Zeit hat Schedlers Edelbert seine Gesichtsoperationen im Rudolfspital durchgmacht, Köb Alwin war als Sanitäter in Wien und meine Cousine Eva Böhler aus Bregenz hat als Arbeitsmaid in Wien gedient. Wir haben manchen lustigen Ausgang und Theaterbesuch miteinander unternommen. Als Studienurlauber bekamen wir 100 Reichsmark pro Monat, das war damals viel Geld. Der gelbe Straßenbahnfahrschein für Kinder, Soldaten und Hunde kostete 15 Pfennige. Das waren geschenkte 4 Monate mitten im Krieg und wir waren dankbar für diese unverhoffte Fügung. Nach dem Krieg haben wir erfahren, daß unser Betreuer Raschke zur Wiederstandsgruppe des Majors Szokoll gehörte. Er wurde nach Verrat als Oberleutnant, zusammen mit Major Biedermann und Leutnant Huth, während der Kämpfe in Wien, in Floridsdorf Am Spitz, öffentlich von der SS an einer Hinweistafel der Straßenbahn aufgehängt. 1.4. - 2.4.1943. Von daheim wieder zur Genesendenbatterie eingerückt. 13.4. - 4.5.1943. Zur Marschbatterie versetzt, nicht viel los, stur warten. 5.5. - 9.5.1943. Versetzung zur Neuaufstellung der selbsständigen Sturmgeschütz Batterie 741. Neiße - Breslau - Frankfurt/Oder - Berlin - Jüterbog. Die Batterie liegt in Kloster Zinna bei Jüterbog in Privatquartieren. Finnland: 10.5. -17.5.1943. In eineinhalb Stunden marschbereit, ein Leutnant, zwei Unteroffiziere und ein Obergefreiter gehen als Vorkommando nach Nordfinnland. Jüterbog - Berlin - Güstrow - zurück nach Berlin. Da unser Obergefreiter ein Berliner war, haben wir uns beidemal in Berlin Zeit gelassen und sind ordentlich ausgegangen. Insterburg - Tilsit - Memel - Mitau - Riga - Walk - Reval. Schöner Stadtkern mit Schloßberg, alten Kirchen und russischer Kathedrale. Mit dem Handelsschiff Bremerhafen in 8 Stunden bei völlig ruhiger See nach Hangö übersetzt. Weiter mit der Bahn Turku - Tampere - Oulu - Kemi - Rovaniemi. 18.5. -19.5.1943. Im Hauptquartier der Finnlandfront gemeldet und im Edelweißlager geschlafen. Am Polarkreis den vollmotorisierten Soldatensender Rovaniemi besichtigt. 20.5. - 22.5.1943. Mit der Bahn zurück nach Oulu und dort in der Frontleitstelle 2 Tage 34 auf eine Fahrgelegenheit gewartet. Die Stadt und den Hafen besichtigt. - Die Oberschwester des Soldatenheimes wurde unter großem Hallo als Mitschülerin eines Kameraden vom Vorkommando identifiziert. So haben wir zwei nette Abende mit den Rotkreuzschwestern aus Schleswig/Holstein mit Musik und Grog gefeiert. 23.5. - 24.5.1943. Mit Bus LKW und Kübelwagen, Oulu - Taivalkoski - Kuusamo Kananainen. Das sind 400km an die Front. 25.5. - 2.6.1943. Im Korps Hauptquartier der Kiestinki Front gemeldet und die weiteren Dinge abgewartet. Hier waren wir gut untergebracht, es hat uns niemand gestört und verpflegt wurden wir wie die hohen Tiere. 3.6. -7.6.1943. Inzwischen ist die Batterie auf dem Seeweg von Danzig in Oulu eingetroffen und nach Kiminki, 20 km von Oulu verlegt worden. Wir sind die 400 km mit zwei VW Kübelwagen zurückgefahren, sind in Kiminki durchgefahren und haben die Schwestern noch einmal besucht. Am Nachmittag haben wir uns dann bei der Batterie gemeldet, unsere Geschütze übernommen und wieder Dienst gemacht. 8.6. -14.6.1943. Wegen eventueller Fliegerangriffe in 60 bis 80 km Nachtmärschen an die Front vorgefahren. Kiminki - Putasjärvi - Taivalkoski - bei einem Waldbrand eingesetzt - Kuusamo, hier wurde uns eine Flak Batterie zugeteilt - Kananainen - Waldlager Kokosalmi. 15.6. - 5.9.1943. Das Waldlager ist erst halbfertig, aber die Baraken haben bereits Dächer. Lagerausbau, Splittergräben bauen, Bunker bauen, holzschlägern für Geschützunterstände, dazwischen Barrasspinnerei, fischen und fischeräuchern - Mücken - Mücken Mücken. 16.6.1943. Zwei Gebirgsjägergenerale besichtigen die Sturmgeschütze 25.6.1943. Zur Waldbrandbekämpfung eingesetzt. Anfang Juli können die Pritschen bezogen werden, wegen der Läuse ohne Stroh. Mitte Juli wurden die Heidelbeeren reif, das war eine gute Zubuße zur kargen Kost. Jetzt am Höhepunkt der hellen Nächte konnte man auch baden gehen, Seen gab es ja rundum. Geländeübungen wurden nur drei- bis viermal durchgeführt, im Sumpfgelände und auf den Granitbuckeln gab es mehr Schäden als im Fronteinsatz. 17.7. 1943. Generaloberst Dietl kommt zur Besichtigung, klettert in einem Geschütz herum und verteilt Zigaretten, Schokolade und Schnaps. 21.7.1943. Ein russisches Kommando greift das Lager an, bei uns fällt der Obergefreite vom Vorkommando, die Russen verlieren einen Toten und einen Gefangenen. Auf einer einzelstehenden hohen Kiefer, auf einem Felsbuckel war ein Beobachtungsstand. Ich bin dort manche Stunde mit dem Posten gesessen und habe in die Runde geschaut. Rundum war Wald, soweit das Auge reichte, dazwischen über 30 Seen, zivile Gebäude waren nur drei zu sehen. Den Städtern hat das zum Teil nicht gut getan, sie haben den Urwaldkoller bekommen. Zur Abwechslung gab es Fußdienst, Härtetraining, Biwakieren im Sumpfgelände etc. Der kurze Sommer geht zu Ende, die Nächte werden wieder dämmerig. Vom Krieg haben wir nicht viel gemerkt, außer ein paar Fliegerangriffen. Wir sollten ja erst im Winter über die gefrorenen Seen eingesetzt werden. 15.8.1943. Im Korps Hauptquartier Kananainen habe ich meinen Nachbarn Kaufmann Johann getroffen. 35 2.9.1943. Ein schwerer Reif, die Birken wurden gelb. Bei unserer Ankunft Ende Mai ist gerade das Eis auf den Seen aufgegangen. - Ein kurzer Sommer. 6.9. -12.9.1943. Heimaturlaub, mit LKW und Omnibus die 400 km zurück nach Oulu gefahren und dann mit der Bahn weiter. Seinejoki - Tampere - Turku - Hangö. Mit dem Handelsschiff Nordenham fuhren 1200 Urlauber bei spiegelglatter See nach Reval. 13.9.1943. In Reval den Urlaubsschein für 24 Tage und 6 Reisetage bekommen. Reval Walk - Riga - Mittau - Libau - Grottingen -Insterburg - Königsberg -Frankfurt/Oder Halle - Nürnberg -Augsburg - Bregenz an 16.9. 0, 45. 27.9. -1.10.1943. Telegramm, Urlaub abbrechen, Einrücken nach Königsberg. Bregenz - München - Nürnberg - Halle - Frankfurt /Oder -Königsberg. Bei der Stadtkommandatur gemeldet und weitere Befehle abgewartet, die Stadt besichtigt, und in der Oper Hochzeit des Figaro und Waffenschmied besucht. Mit Mädchen ins Gespräch gekommen, die Nachkommen von vertriebenen Salzburger Protestanten waren. 2.10. -5.10.1943. Ab nach Danzig/Neufahrwasser und dort weiter warten. Die Stadt besichtigt und im Stadttheater Gasparone besucht. 6.10. -10.10.1943. Gegen Abend läuft das größte deutsche Handelsschiff Neidenfels ein. Die Batterie wurde mit anderen Einheiten in Oulu verladen und ist auf dem Seeweg nach Danzig gekommen. Die Mannschaften gehen von Bord, die nächsten zwei Tage wird das Gerät ausgeladen. Am 9.10. mittags erfolgte ein schwerer Luftangriff von über 90 viermotorigen Bombern, das Hafenglände wurde schwer getroffen, auf der Neidenfels wurde ein Flakgeschütz samt Bedienung vernichtet. Bei uns war nur ein Waggon mit Munition beschädigt. 11.10. - 2.12.1943. Bahnverladung, Danzig - Dirschau - Königsberg - Deutsch/Eytkau Wirballen - Wilna. 15.10. - 31.10.1943. Beim Barras war vieles möglich, ich konnte den abgebrochenen Urlaub fortsetzen. Wilna - Kauen - Wirballen - Königsberg - Frankfurt/Oder -Berlin - Halle - Nürnberg Augsburg - Bregenz. Vom 18.10. bis 28.10. daheim. Rückfahrt über München - Regensburg - Plauen -Leipzig - Berlin - Königsberg - Wilna. 1.11. - 2.12.1943. Kasernenbetrieb in Wilna. Stadt besichtigt, mit Blitzmädchen (Nachrichtenhelferinnen) ein Batteriefest gefeiert, in der Oper Madame Butterflay, Rigoletto und La Traviata gesehen. Winterkrieg und Rückzug in der Ukraine: Alarm!.Bahnverladung, Wilna - Grodno - Bialystok Brest! Litowsk- Kowel - Kiwerse Rowno - Schepetowka -Berditschew - Kasatin. 6.12. - 23.12.1943. Weitermarsch auf der vereisten Rollbahn Kasatin -Rushin Schmerowka - Skwira - Biala/Cerca, südlich Kiew. Rege Fliegertätigkeit, die Russen greifen am Tag mit Bordkanonen und nachts mit Bomben an. Mehrere Luftkämpfe gesehen. Dann ruhiges Leben auf einem Stützpunkt. 24.12.1943. Ein Kraftfahrer brachte ein paar kleine Fichtenäste mit. Wir haben aus vier kleinen Ästen und einem Stecken mit Faden einen kleinen Christbaum gebastelt. Es gab Post und Päckchen von daheim und als Sonderverpflegung Schnaps, ein paar Kekse und eine Tafel Schokolade. Es herrschte gedrückte Stimmung. 25.12.1943. -19.4.1944. Die Russen greifen auf breiter Front an und brechen durch. Der große Winterrückzug beginnt, Biala/Cerca - Skwira - Rushin - Kasatin, ein unvorstellbares Durcheinander, wir beziehen immer wieder Sicherungsstellungen an der Rollbahn nach Kiew und werden ohne Feindberührung weiter zurück verlegt. 28.12.1943. Schwere Einsätze östlich Kasatin, einen T34 mit aufgesessener Infanterie auf 200 m abgeschossen, ein eigenes Geschütz ging verloren, die Besatzung kam durch. Am Abend weitere Panzerduelle. 29.12.1943. Nach einer Stunde Schlaf, Alarm! Rückzug unter Beschuß. Gegen Morgen war die Batterie und der Troß vor Kasatin eingeschlossen. Kurze Umgruppierung, zwei Sturmgeschütze, dazwischen einige LKW, dann wieder zwei Sturmgeschütze u.s.w. und im Morgengrauen Durchbruch durch die russischen Infanteriestellungen an den Südrand von Kasatin. Dabei ist nur ein VW-Kübelwagen verlorengegangen. Dann den ganzen Tag Einsätze gegen Infanterie und Pak. 30.12.1943. In schwerem Granatwerfer- und Pakfeuer Gegenangriffe bei Kasatin. Der Batterieschef und ein Richtunteroffizier sind gefallen, drei Mann wurden verwundet. Nachts haben wir die beiden Toten in einer aus dem gefrorenen Boden gesprengten flachen Mulde notdürftig begraben. 31.12.1943. Wieder einige Gegenangriffe gefahren und die Stellungen gehalten. Am Abend nach einer kurzen Ruhepause wieder Alarm, die Russen sind schon im Dorf, einige T34 schießen auf kurze Distanz. An einem Hang sind unsere letzten zwei Geschütze auf der Eisfahrbahn hängengeblieben. Wir legten die Ersatzkettenglieder unter und zogen sie immer wieder nach vorn. So konnten wir Meter für Meter den Hang 37 Winterrückzug 36