19991101_Heimat_Wolfurt_23

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Letzte Änderung 27.06.2021, 13:39
Gemeinde Wolfurt
Bereich oeffentlich
Schlagworte: heimatwolfurt
Dokumentdatum 1999-11-01
Erscheinungsdatum 1999-11-01
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Heft 23 Zeitschrift des Heimatkundekreises November 1999 Bild 1: Rickenbach hat heuer seinen 750. Namenstag gefeiert. Hier die Kapelle und der Gasthof Kreuz auf einem Bild von 1910. Inhalt: 116. 117. 118. 119. 120. Dorfbrunnen Hexen in Wolfurt Adlerwirts Haus-Chronik Fronleichnamsschützen Gasthäuser Bildnachweis: Siegfried Heim Bilder 3, V, 11, 16, 17, 22 Sammlung Tschaikner Kopien 9, 12, 13, 14 Alle anderen sind der Sammlung Heim entnommen, die meisten sind Reproduktionen von Hubert Mohr und Karl Hinteregger oder Kopien aus dem Gemeindearchiv. Zuschriften und Ergänzungen Ahnenforschung (Heft 22, S. 5) Einige Überraschung hat bei manchen Lesern die Nachricht ausgelöst, daß auch die Harder Köhlmeier ursprünglich eine Wolfurter Familie waren. Aber auch viele unserer heutigen Wolfurter Familien haben Köllmayer in ihrer Ahnentafel, so etwa die Stöoglar- und die Seppar-Fischer. Der in seiner Schreibweise mehrfach veränderte Name Köhlmeier hat wahrscheinlich einen Bezug zum Gericht Kell-Hof im Kirchdorf, vielleicht auch zum schon 1340 genannten Gut kelun, dem heutigen Kella. Die Krone (Heft 22, S. 7) Ganz genau haben Luzias Verwandte und natürlich auch die einstigen Gäste der nun schon beinahe vergessenen Krone den Beitrag studiert. Emil Herburger ergänzt dazu, daß die Gründungsversammlung der Turnerschaft Wolfurt am 22. Dezember 1946 in der Krone kein Zusammenschluß der Vereine gewesen sei, weil der liberale Turnverein die Wirren des Krieges nicht überstanden hatte. Die aus dem Kriege heimkehrenden Turner sammelten sich alte in der neuen Turnerschaft und übernahmen auch die im Jahre 1924 geweihte Vereinsfahne des aus dem Katholischen Arbeiterverein hervorgegangenen Turnerbundes. Anton Klettl hatte sie während des Krieges versteckt gehalten. 750 Jahre Rickenbach (Heft 22, S. 7) Für alle Wolfurter erhält der Beitrag über Wolfurt und die Mehrerau heuer durch die große Sommerausstellung des Landes Vorarlberg besondere Aktualität: Unsere Mutterkirche Mehrerau feierte! Ausgestellt war auch das Original der Papst-Urkunde von 1249. Hard hat das 750-Jahr-Namensfest wegen des Bodensee-Hochwassers zuerst verschoben und im September dann mit der Herausgabe eines schönen Buches gefeiert. Auch Schwarzach hat sich des historischen Termins erinnert. In Rickenbach war er Anlaß, sich um die beiden ältesten Wolfurter Bilder zu kümmern. Das 14-Nothelfer-Bild, im Jahre 1676 von Adlerwirt Mathias Haltmayer für eine Kapelle im Schlaft gestiftet und von dort 1914 in die Kapelle Rickenbach übertragen, bedarf dringend einer Restaurierung. Dann soll es endlich wieder den Gläubigen und den Kunstfreunden zugänglich gemacht werden. Das Hochwasser-Votivbild haben alle Rickenbacher gemeinsam nach einem Gelübde für die Errettung aus Hochwassergefahr im Jahre 1702 gestiftet. Von der Brücke beim Mohren wurde die Dreifaltigkeits-Kapelle schon vor vielen Jahren an den Anstieg der Bildsteiner Straße verlegt. Beim Besitzerwechsel des Gunz-Hauses gelangte das historisch für Rickenbach so bedeutsame Bild im Jahre 1996 leider in das Depot unseres Landesmuseums in Bregenz. Es gehört aber nach Rickenbach! Bitte! Diesem Heft 23 liegt wieder ein Erlagschein bei. Konto Heimatkundekreis 87 957 Raiba Wolfurt. Wir bitten Sie herzlich, mit Ihrem Beitrag die Herausgabe weiterer Hefte zu ermöglichen. Herausgeber: Heimatkundekreis Wolfurt Für den Inhalt verantwortlich: Siegfried Heim, Funkenweg 11. A-6922 Wolfurt Satz und Grafik: Erik Reinhard. A-6922 Wolfurt Fotosatz: Mayr Record Scan. A-6922 Wolfurt Druck: Lohs Gcs.m.b.H., A-6922 Wolfurt 3 Richard Kurt Fischer (Heft 22, S. 49) Bei einem Vortrag über die Rickenbacher wurden erstmals in Wolfurt Bilder des Tiroler Malers vorgestellt. Interessierte Zuhörer haben in der Folge Fischers Bildband Auf den Flügeln des Geistes im Gemeindearchiv ausgeliehen. Inge Stenzel hat sogar schon die Fischer-Kapelle in Arzl besuchen wollen, stand aber vor einer verschlossenen Tür. Sie will wiederkommen. Aus Innsbruck erfahren wir, daß Richard Kurt Fischer am 13. Oktober 1999 im Alter von 86 Jahren gestorben ist. Su-Biorar (Heft 22, S. 52) Wie schon vorher in den Zeitungen hat der Bericht über die Wolfurter Spezialität ein besonderes Echo ausgelöst. Altbürgermeister Emil Geiger erzählte, daß es früher auch ganz große Su-BiorarBäume gegeben habe. Einen besonders großen habe er selbst als junger Bursch um 1938 im Röhle um-to (gefällt). Nur die vier Rot-Biorar (Mostbirnen) seien noch größer gewesen. Die Nachbarin Rosmarie Schertler wußte, daß Kapeollars Hus früher einer Familie Flatz gehört habe. Wieso denn dann ein Kaspar Dür den Baum gepflanzt habe? Richtig! Die Dür-Erben verkauften das um das Jahr 1805 erbaute Haus schon 1860 an Kaspar Stadelmann aus Buch. Von ihm erbte es 1873 ein Peter Flatz aus Buch, der es dann 1885 an den jungen Zimmermann Ambros Flatz und dessen Frau Theresia Roth übergab. Hier sind deren Kinder Josef (Flatzo Beppe), Isidor, Franziska (verh. mit Franz Lang), Berta (verh. mit Xaver Very Fink) und Augusta (verh. mit Fritz Pehr) aufgewachsen. Erst als Vater Flatz um 1900 sein neues Haus an der Unterlindenstraße (Isidoros) erbaut hatte und mit seiner Familie dorthin übersiedelt war, konnte der Spinnereimeister Lorenz Rohner (Vinälars) mit seinen vielen Kindern im Röhle einziehen. Ihr Haus an der Ach (beim späteren Wälderhof) hatten sie 1897 durch einen Brand verloren. Der Sohn Franz Rohner hat dann schon 1901 die Kapellmeisterstelle bei der Bürgermusik übernommen. Und er hat auch als erster unseren kostbaren Su-Biorar gebrannt! Schnaps-Brenno (Heft 22, S. 59) Gefreut hat mich das Kompliment einer Leserin: / heo gat gmoant, i schmeck do Schnaps! Unser Dialekt ist in einer sehr schwierigen Umbruch-Situation. Noch wissen wir nicht, ob er in wenigen Jahrzehnten eine von der Allgemeinheit kaum mehr verstandene Museums-Sprache sein wird oder ob er sich unter den vielen Einflüssen unserer Zeit zu einem Gebrauchs-Slang wandelt. Für Anregungen und Kritik zu der Serie So heo s i ghört wäre ich daher besonders dankbar. Bild 2: Tante Cecilia mit ihrer Schwester Margaret am Grab ihres Großvaters in Pinckneyville. Grüße aus Amerika In Pinckneyville, Illinois/USA feierte im August 1999 Frau Cecilia Ruppert, eine Enkelin des Wolfurter Auswanderers Mathias Schneider, bei guter Gesundheit ihren 101. Geburtstag. Ihre Nichte Louise Grobl übermittelte uns Grüße und Fotos. Beste Wünsche von uns an die älteste „Wolfurterin" im fernen Land! Gute Nacht! (Heft 22, S. 57) Überrascht und erfreut über das Gedicht ihres verstorben Mannes zeigte sich Frau Maria Repolusk. Sie bedankte sich dafür mit einem wunderschönen Bildbändchen, das sie mit ihren geschickten Fingern selbst geschaffen hat. Ihre Bekannten wissen längst, wie viel Freude Frau Maria mit ihrem Kunsthandwerk immer wieder schenkt. Danke! 4 5 Siegfried Heim Der Dorfbrunnen Unser Dorfbrunnen plätschert wieder! Aus der großen Wasserstube am Waldrand droben, die unser Wassermeister sorgsam im Erdreich geborgen hält, fließt nach langen Jahren endlich wieder köstlich frisches Waldwasser in die neuen Sandsteintröge am Dorfplatz. Sogar die alte schön gezierte gußeiserne Brunnensäule haben sie wieder aufgestellt. Am 3. Juli 1999 sprach Pfarrer German Amann seinen Segen über den neuen Brunnen und Bürgermeister Erwin Mohr ließ unter dem Beifall vieler Gäste den Absperrhahn öffnen. Seither trinkt wieder mancher Durstige von dem "lebendigen" Wasser, Kinder spielen begeistert am Trog, Sport-Radfahrer bleiben stehen und suchen Kühlung. Meine Freude darüber wird noch größer, seit ich gesehen habe, daß die Gestalter des neuen Dorfplatzes sogar dem Töbelebach wieder einen Winkel der Freiheit gegeben haben. Ein richtiges Naturbächlein sprudelt durch die Wiese, bringt die Kinder zum Staunen und erquickt unser Herz. Vom Bach aus ist unser Kirchdorf entstanden. Durch Jahrhunderte war der Brunnen sein Mittelpunkt. Dann ist das Herz des Dorfes an dem Übermaß von Autos und Asphalt erkrankt. Jetzt ist es sichtlich auf dem Weg der Besserung. Den verantwortlichen "Ärzten" sei herzlich gedankt! Bei der Grundbuch-Aufnahme im Jahre 1903 ließen 60 Hausbesitzer im Kirchdorf ihr Wasserbezugsrecht am Dorfbrunnen eintragen. Am Rickenbacher Brunnen taten das 22 Eigentümer, 5 in Spetenlehen, 15 an der Hub, 25 im Strohdorf und 11 am Unterlinden-Brunnen.1 Viele Häuser besaßen aber damals auch schon zusätzlich eigene Laufbrunnen oder wenigstens Golggar-Pumpbrunnen. Zu den 60 Dörfler Brunnengenossen von 1903 gehörten die Häuser im Dorf, im Gässele, im Loch und im Tobel, dazu die an der Kirchstraße bis hinaus zum Hirschen und an der Bregenzerstraße bis zu Hannes Franz und Rößlewirts im Röhle, an der Kellhofstraße bis hinab zu Rädlers und Mohrs und droben alle Häuser auf dem Bühel bis zur Feldeggstraße, sogar noch das Fabrikshaus am Hexenbühel und auch der Pfarrhof. Zum neuen Pfarrhof hatte man aber schon 1882 eine eigene Leitung verlegt und sieben Anteile daran den Leuten auf dem Bühel für ihre eigene Waschhütte an der Oberfeldgasse überlassen. Das Überwasser davon bekam noch das darunter angrenzende Gerbe-Wohnhaus. Das Überwasser des Dorfbrunnens speiste den Kleinen Brunnen an der Kreuzstraße und den Brunnen in der Dörfler Waschhütte unterhalb des Schwanengartens. Wenn die privaten Brunnen in heißen Sommern austrockneten oder im strengen Winterfrost erstarrten, dann bestanden alle Bauern auf ihre alten Rechte am Großen Brunnen am Dorfplatz Sie führten ihre Kühe dorthin an den stets peinlich sauber gehaltenen Tränkbrunnen und wuschen allerlei Gerätschaften im kleinen Becken des Sudel6 Bild 3: Der neue Dorfbrunnen 1999 brunnens. Die Frauen tauschten meist noch ein paar Neuigkeiten aus, ehe sie ihre schweren Wasserkübel heim in die Küche schleppten. Ein Brunnenmeister sorgte für Reinlichkeit und Instandhaltung und verwaltete die Brunnengelder und die alten Brunnen-Briefe. Er kümmerte sich auch um den Brunnenwald, aus dem man die schlanken Tannen holte, die man für die Düchel, die langen Holzrohre der Zuleitungen, benötigte. Als die HofSteiger 1795 den Ippachwald aufgeteilt hatten, waren die drei allerersten Parzellen an der alten Bucherstraße für den Dorfbrunnen bestimmt worden. Der Brunnenmeister lud alle Jahre die Brunnengenossen zur Versammlung in den alten Schwanen oder ins Rößle, legte Rechenschaft ab und ließ über neue Vorhaben abstimmen. Durch mehrere Jahrhunderte funktionierte diese Brunnengemeinschaft. Ab 1950 begann ein Umdenken. Für die vielen neuen Häuser auf den Büheln und in den Feldern mußte die Gemeinde ein Wasserwerk erstellen. 1953 wurde das erste Pumpwerk bei der Schule Strohdorf eingeweiht. Jetzt bekamen alle Hausfrauen ihr Fließwasser in Küche und Bad eingeleitet. Für die meisten Kühe gab es nun Selbsttränker im Stall. Die Pümpbrunnen wurden fast alle verschrottet, viele von den insgesamt 52(!) alten Laufbrunnen abgebrochen. Die Autos beanspruchten deren Platz. Zuerst mußte der Kleine Brunnen beim Haus Kreuzstraße 1 der Straßenverbreiterung weichen, dann auch die beiden Waschhütten im Dorf und auf dem Bühel. Die Brunnengenossen zeigten kaum mehr Interesse am Dorfbrunnen. Als einer der letzten tränkte dort noch der Engelwirt seine paar Kühe. Der Schwanenwirt bürstete im Sudelbrunnen seine Ladenregale. Dann gaben auch sie auf. Ohne Brunnenversammlung vertrauten sie den Brunnenwald und den Brunnen der Gemeinde an. Sie stellten aber die Bedingung, die Gemeinde müsse "auf ewige Zeiten" die Dörfler mit Wasser versorgen. Nun ließ der Bürgermeister den Brunnen an die Gemeindeleitung anschließen, allerdings mit einem wassersparenden engen Spritzrohr. Ein Jahrzehnt später wurde auch 7 dieses verschlossen. Der undicht gewordene Trog mußte abgetragen werden. Noch viele Jahre bis etwa 1985 stand die tote alte Brunnensäule einsam am Straßenrand, eine anklagende Mahnung in unserer nur mehr dem Wachstum und dem Fortschritt huldigenden Zeit. Dann verschwand auch sie im Schuppen des Bauhofes. Als letzter Brunnenmeister hatte Schrinars Seppl (Sargmacher Josef Bernhard) die wertvollen Brunnenbriefe von seinem Vater Hannes übernommen und auf einem Sims in der Schreinerwerkstatt aufbewahrt. Verärgert über das Geschehen in den letzten Jahrzehnten und ohne Hoffnung auf Änderung, holte er sie am 22. Juni 1981 herab und drückte sie mir in die Hand: Kast toa damit was d' wit! Seither bin ich statt der verschwundenen Brunnensäule ein oft unbequemer Mahner für den Brunnen und auch für den Bach geworden. Die Brunnenbriefe Die Dörfler Brunnenbriefe gehören zu den ältesten Wolfurter Dokumenten. Der von 1517 ist sogar das allerälteste in unserem Gemeindearchiv. Nur wenige Wolfurt-Pergamente im Landesarchiv und in Freiburg sind älter. Als Beginn der Neuzeit nehmen die Geschichtsbücher das Jahr 1492 mit der Entdekkung Amerikas an. Ebenso geeignet wäre das Jahr 1514, als Kopernikus erstmals die Sonne im Mittelpunkt des Weltalls verkündete und damit die kommenden Reformationen und Revolutionen des Geisteslebens einleitete. Von beiden wußte man bei uns im Lande noch nichts. Aber eine neue Geisteshaltung, ein Aufbegehren gegen bisher als unveränderlich betrachtetes Tun und Denken, machte sich auch bei uns bemerkbar. Sebastian Schnell führte damals die Wolfurter in die neue Zeit.2 Sein Haus stand im Dorf am Anfang des Weges zum Schloß.3 Zwischen 1496 und 1540 wählten ihn die Hof Steiger mehrmals zu ihrem Ammann. Als solcher brachte er 1512 den Ausgleich zwischen den mächtigen Klöstern Mehrerau und Weißenau zustande, deren Interessen an Hofsteig und Kellhof sich seit Jahrhunderten gekreuzt hatten. Jetzt fanden sie sich in der gemeinsamen Gründung der neuen Pfarrei St. Nikolaus in Wolfurt. Die erste Zeile des Stiftungs-Pergaments nennt den Namen. Ich Sebastian Schnell, der Zeit Ammann im Hofstaig ....4 Mit diesem Akt lösten sich die Wolfurter aus der übergroßen Pfarrei St. Gallus in Bregenz. Auf dem Kirchplatz wurde neben der Stiege das tantzhus errichtet, eine große überdachte Laube, in der Graf und Vogt Gericht hielten, und die den Kellhofern wohl auch als Ratsstube diente. Zur Laube aber plante Bascha Schnell einen Brunnen, wie man ihn bisher nur in den Städten gesehen hatte. Fast tausend Jahre lang, seit sich die Alemannen hier am Tobelbach niedergelassen hatten, schöpften die Bauern ihr Trinkwasser aus dem Bach. Am Bach tränkten sie ihre Haustiere und hier wuschen die Frauen ihre Wäsche. Und auch wenn die Feuersbrunst die kleinen strohgedeckten Holzhäuser bedrohte, rannte alles mit Lederkübeln um Löschwasser an den Bach. Aber nicht immer führte dieser genug Wasser. 8 Bild 4: Brunnenbrief von 1517:.... bisher großen Mangel... an gueten Trunkh waßer.... Dem wollte Bascha Schnell abhelfen. Oberhalb seines Hauses sickerte aus dem zum Schloß gehörigen Weinberg eine Quelle. Das Bächlein wurde (so steht es im Hofsteigischen Landsbrauch) an Schnells Haus vorbei in den kelnhofbach geleitet. Jetzt erbat er sich beim Schloßherrn Jakob Leber, der gerade von Kaiser Maximilian geadelt worden war und sich jetzt Junker Jakob von Wolfurt auf Wolfurt nannte, das Recht auf die Quelle. Er erhielt es auch, allerdings gegen jederzeitigen Widerruf! Ein feierlicher "Brief wurde erstellt, ähnlich wie bei der Stiftung der Pfarre fünf Jahre vorher. An das Original hängte Ammann Schnell sein Siegel. Mit dem Geschlecht der Ritter von Wolfurt ist der Brief längst verschwunden, zu Staub geworden. Die Abschrift aber, die der Ammann seinem Brunnenmeister übergab und die dieser getreulich mit den späteren Briefen seinen Nachfolgern aushändigte, die blieb erhalten, bis Schrinars Seppl sie schließlich mir überließ. Seit 1517, nun schon beinahe 500 Jahre! Allerdings dürfte um das Jahr 1764 eine neue Abschrift angefertigt worden sein, die dann mit den folgenden drei Briefen zusammengeheftet wurde, um sie zu sichern. Einen gekürzten Auszug wollen wir hier abdrucken: Wür Amman Richter und Gemain Inwoner des vorderen Theils des Dorfs, bey und under der Pfar Kirchen zu Wohlfurth, im Hofstaig .... Als wür und unßere vordem bisher großen Mangel und Gebrechen gehabt habend an gueten Trunkh waßer, Leuth und vieh zu gehörig haben wür 9 gemainiglichen den Edlen und Vesten Jakoben von Wohlfurth uf Wohlfurth gebeten, uns Seinen Brunnen auf und in Seinem aigenen guet in Wohlfurth under den Reben gelegen durch Tüchel in das Dorf Wohlfurth.... zu Lauen und füran zu vergunen geruhen .... in unßern Kosten ihme ohn allen schaden herab gen Wohlfurth in ein Brunen Beth zuführen und laiten.... .... als dan er auch, Seine Erben und nachkommen, über Kurz oder lange Zeit wen Sie wöhlendt Solches Waßer und Brunen .... widerum absagen.... .... so hat der ehrsame wis Sebastian Schnell dißer Zeit Kais. Landamman im Hofstaig, von allen in Wohnern und Brunnen Genossen ... Sein aigen In Sigl an dißen Brif gehenckht, der gegeben ist auf Sancta Philipe und Jakobs Tag, Appostolorum. Nach Christi geburth gezelt, Tausend, fünf hundert, und Siben zehen Jahr. Das Fest der Apostel Philip und Jakob wird am 1. Mai gefeiert. Demnach ist das genaue Urkundsdatum der 1. Mai 1517. Im gleichen Jahr mußte sich Ammann Schnell übrigens noch namens der Hofsteiger mit den Plänen der Stadt Bregenz auseinandersetzen, die zum Bau der ersten Brücke bei Lauterach über die Ach führten und die der Wolfurter Furt viel von ihrer einstmaligen Bedeutung nahmen. Der zweite Brunnenbrief ist wesentlich jünger, aber nun auch schon fast 270 Jahre alt. Er trägt die Überschrift Extract 1731 den 21ten Cristmonath und berichtet von 42 Brunnengenossen, die durch immer wieder erneuerte Tüchel das Wasser vom Schloß und aus dem Tobel auf den Dorfplatz leiteten. Der schon 1723 verstorbene Hofsteigammann Jakob Schneider hat zu seinem neuen Haus, das weit außerhalb des Dorfs gegen Unterlinden zu stand, einen eigenen Brunnen erbaut. Seine Erben zahlen, wie auch die acher, keine Brunnenbeiträge. Der jetzige Ammann Jerg Rohner hat zu seinem Gasthaus ebenfalls einen Brunnen erstellt. Dieser, später beim Haus Kreuzstraße 1 als Kleiner Brunnen bezeichnet, bezog sein Wasser aus einer Abzweigung von den Tücheln des großen Brunnens: .... Die Weillen Man ein Theil saul gemacht in Marthin gigers Büchel.... Seit Ammann Rohner 1728 den Gasthof an seinen Sohn Anton übergeben hatte und zu seiner dritten Frau nach Rickenbach übersiedelt war, wehrten sich die anderen Brunnengenossen, weil .... der Brun quel nicht allezeit im stand ist, das er 2 Brunen dreiben Mag.... Sie wollten an den Kleinen Brunnen nur Wasser liefern, wenn sie selbst Überfluß hatten, .... mit dem geding das der Brunen bey der Dantz Lauben allezeit ein Rohr voll wasser haben Solle .... Der Brunnenmeister übernahm den Schlüssel zum Theil saul. Diese Scheidesäule stand oberhalb vom Haus Schloßgasse 1 (heute Stenzlers). Dort, wo 200 Jahre früher der Ammann Sebastian Schnell daheim gewesen war, wohnte jetzt Martin Geiger, der Stammvater vieler Geiger-Familien im Röhle, in der Höll und in Unterlinden. 10 Bild 5: Der alte Brunnen um 1920 mit Dorfbach und Waschhütte Der dritte Brunnenbrief vom 15. Jänner 1764 schlichtete einen Streit zwischen der Brunenschaft bey der Tanzlauben und den vier Höfen im Holz. Wegen des häufigen Wassermangels war eine weitere Wasserstube am schwärzen Bach durch eine TüchelLeitung mit dem Dorfbrunnen verbunden worden. Das Durchleitungsrecht mußte die Genossenschaft nach einem vor dem Hofsteig-Gericht ausgetragenen Streit von Michael Gmeiner für drei Gulden erkaufen: .... in gegen warth Bedter angeregten Parteyen, und mit vihlen zu reden in Einen Ver glich Ein gestanden, welcher auf Solche arth beschehen, daß der klagende Michael gmeiner für den erfolgenden schaden, wo die Teüchel 80 schrith über sein acker und Hey Boden geführt werden Müßen, .... Selben betrefenden Boden 2 schuh breith ab er kauft worden durch die Intreßenten pro 3 f.... zu all und Ewigen Zeiten. Der Brief trägt bei den vier Unterschriften auch die jenes Holzmüllers Johann Stadelmann, der im Jahre 1772 von den allerletzten Adeligen das Schloß Wolfurt kaufte und dort als Schloßbauer durch seinen Schwiegersohn Franz Xaver Köb die Sippe der Schloßburo-Köbs begründete. Der vierte Brief ist ohne Datum, wurde aber vermutlich gemeinsam mit dem dritten geschrieben. Er faßt den Inhalt der anderen drei zusammen. Dazu wird berichtet, daß .... die Brunen Intreßenten al Jährlich darführ eine heilige Meß applitziren lassen, abends des St. Martini Bischofen .... Es wird auch festgehalten, daß sogar die Bauern im Holz in Notzeiten Zugang zur Dörfler Brunnenstube bekommen sollen. Ganz am Ende ist noch ein besonderer Satz angefügt. Zu Wissen d. ein jewelcher Brunen Maister Bey Entlaßung Seines ambts die vor geschribnen Brunen brif, dem Neyen Brunen Maister wider ordentlich zu banden geben Solle! 11 Das haben die nachfolgenden Brunnenmeister denn auch alle getreulich getan - bis 1981! Der fünfte Brief stammt aus dem Jahre 1816. Die alten Gerichte Hofsteig und Kellhof waren jetzt aufgelöst worden. Von Bregenz aus regierte der K.K. Landrichter Dr. Moosbrugger. Dieser präsentierte nach Lokalaugenschein und Anhörung beider Parteien im alten Schwanen seinen Akt und stellte nach Einhebung der fälligen Gebühren die Abschrift einer neuen Brunnenordnung zur Verfügung: Actum Wolfurth den lten Juny 1816 in der Schwanenwirths behaußung Das Dorf hatte sich durch den Bau vieler Häuser stark ausgeweitet. Alle brauchten Wasser. Aus den 42 Brunnengenossen von 1731 waren genau 70 (siebzig!) geworden. Neben den alten Häusern in Dorf, Bühel, Tobel und Loch erstreckte sich das Einzugsgebiet jetzt hinaus ins Röhle bis zu den Häusern B 8 (B nach dem Bayerischen Kataster) und 8 1/2, das sind heute Bregenzerstraße 21 und 22, Kapeollars und Schädlars. In der Bütze ging es nach Norden bis zu B 45 und 46 (Bützestraße 4, Heims, und Rittergasse 1, Mohrs), nach Westen sogar hinab bis B 52 (Lauteracherstraße 5, Thaler-Kressers). Und auch von der Kirchstraße her durften noch die Bewohner von B 71 (Kirchstraße 27, Kalbs) Wasser vom Dorfbrunnen holen. Heute unvorstellbar weit! Auch wenn man damals nur sehr wenig Vieh hatte und viele Bauern dieses noch weiterhin im Dorfbach tränkten, mußte die große Zahl zu Reibereien führen. 17 Anwohner von Kirchstraße und Feldgasse (das ist die heutige Kreuzstraße) hatten daher ihren Kleinen Brunnen neu erbaut und verlangten von den anderen eine Beteiligung an den Kosten, Der Schiedspruch sagt ihnen dies auch zu. Neu ist, daß sich die vielen neuen Häuser nur an einem Viertel der Brunnenkosten beteiligen müssen. Sie haben nämlich keinen der damals so wertvollen Waldteile bekommen, die alten aber schon und der Brunnen selbst den allerschönsten. Die anderen drei Viertel werden an die alten Genossen verrechnet, und zwar zur Hälfte nach dem Schätzwert von deren Häusern, zur anderen Hälfte nach deren Viehstand. Ein recht kompliziertes Verfahren, das die damals noch des Schreibens kaum kundigen Bauern erstmals mit Fragebogen konfrontierte! Aber jetzt regierten kaiserlicher Absolutismus und Bregenzer Beamtenmacht. Dagegen murrte man vorerst nur im Stillen. Der Brief trägt die Unterschriften von 28 Wolfurter Bürgern. An deren Spitze unterfertigte Johann Georg Fischer, der allererste Gemeinde-Vorsteher. Er wohnte in Spetenlehen und war natürlich nicht Brunnengenosse im- Kirchdorf. Aber seine Unterschrift macht deutlich, welche Bedeutung man dem Brunnen zubilligte. Der Landrichter Dr. Moosbrugger beglaubigte die Unterschriften am 18. Juli 1816. Bild 6: s Wäschhüttle auf dem Bühel um 1960 Schon sieben Jahre später mußten 1823 gleich vier Brunnenhriefe erstellt werden. Zu schwierig war die Brunnenrechnung nach den amtlichen Vorschriften von 1816 geworden. Diese umfangreichen Aufschreibungen ermöglichen uns aber heute höchst interessante und aufschlußreiche Einblicke in das Besitztum der damaligen Bauern. Zunächst zählt der sechste Brief die jetzt 71 Häuser des Kirchdorfs auf. Seit 1816 sind zwei weggefallen, drei andere kamen dazu. 71 Berechtigte an einem Brunnen! Von Steuerfachleuten wurde der Wert der Häuser eingeschätzt. Die Schätzsumme für die 57 alten Häuser betrug 23 981 Gulden, demnach etwa 420 Gulden für jedes Haus. Am höchsten wurden der von Ammann Fischers Sohn groß umgebaute Gasthof Engel (B 14) mit 850 fl und der Gasthof Rößle (B 21) mit 825 fl bewertet, während der alte Schwanen nur mehr 575 fl galt. Andere Häuser wurden nur auf 200 fl geschätzt, zwei besonders arme sogar auf 80 fl. Diese schon 1823 so gering geschätzten Häuser haben wir beide noch gekannt. Das eine, Girschkes Hus (Kirchstraße 26), wurde um das Jahr 1975 abgebrochen. Das andere, Büocheles Hus (Kirchstraße 18), steht noch heute als Nordteil eines uralten Doppelhauses. Die 14 neuen Häuser wurden separat aufgeschrieben, weil sie keinen eigenen Waldteil besaßen und daher nach dem amtlichen Brunnenbrief von 1816 nur zum ersten Viertel der Brunnenkosten beitragen mußten. Ihre Gesamtsumme betrug 8335 Gulden, das trifft etwa 600 fl auf jedes Haus. Weitaus am höchsten, nämlich auf 960 fl, schätzte man dabei das Haus des Ornathändlers Gallus Fidel Gantner5 ein, das dieser zwei Jahre vorher in der Bütze gebaut hatte (B 47 1/2, Bützestraße 7, Hintereggers). Höher als die großen Gasthöfe im Dorf! Ob da die Schätzer nicht etwa neidig auf den reichen Gantner gewesen sind? 12 13 Dert siebte Brief nennt sich Brunnenrechnung zu Wolfurt vom lten Juny 1816 bis löten 8ber 1823 Er wiederholt zuerst die Vorschriften von 1816 und gibt dann die einzuhebenden Brunnensteuern an: Für das erste Viertel der Brunnenkosten trifft es allen Hausbesitzern pro 100 Gulden Schätzwert 6 Kreuzer Brunnensteuer. Für die anderen drei Viertel, die ja auf Haus und Viehstand umgerechnet werden müssen, trifft es bei den Häusern pro 100 fl das Doppelte, also 12 x, für Pferd und Kuh je 24 1/2 x, für Füllen und Jährling mit je 12 1/4 x die Hälfte. Dazu ist also eine genaue Viehzählung notwendig, die als achter Brief nachfolgt. Zwei Beispiele für die umfangreiche Berechnung: Haus B 10 des Johann Dür (Bregenzerstraße 6, Hannes Franz): Hauswert geschätzt 550 fl ergibt für das erste Viertel an Steuer 33 x für die anderen drei Viertel 66 x Weil 60 Kreuzer einen Gulden ergeben, 1 fl 39 x sind das zusammen Viehzählung: 2 Pferde + 1 Kuh + 2 Kälber ergibt dreimal 24 1/2 x 73 1/2 x und zweimal 12 1/4 x 24 1/2 x 1 fl 38 x das sind zusammen 98 Kreuzer oder Die gesamte Brunnen-Vorschreibung betrug daher 3 Gulden und 17 Kreuzer, das sind mehr als 6 Taglöhne! Übrigens wurde in der Brunnenrechnung 1 Kreuzer(1x) noch in 8 Heller (8 hl) unterteilt. Dieser alte Heller darf nicht mit dem erst 1892 zur Kronen-Währung geprägten Heller verwechselt werden! Durch die Heller wurde die Rechnung noch schwieriger. Es lassen sich daher auch einige Rechenfehler finden. Noch ein Beispiel: Haus B 14, Joh. Georg Fischers Witwe (Bregenzerstraße 3, Gasthof Engel): Hauswert 850 fl (der zweithöchste nach G.F. Gantner!) für das erste Viertel 51 x 1 fl 42 x für die anderen drei Zusammen 2 fl 33 x Viehzählung: 1 Pferd + 1 Füllen + 3 Kühe + 1 Kalb viermal 24 1/2 x 98 x zweimal 12 1/4 x 24 x 4 hl Zusammen 2 fl 2 x 4 hl Gesamtvorschreibung daher 4 fl 35 x 4 hl Wenn die Engelwirtin also mehr als 9 Taglöhne für den Brunnen aufbringen mußte, so wurde sie noch von Andreas Vonach in B 64 übertroffen, der 5 Gulden, dazu keinen Kreuzer, aber noch 6 Heller bezahlen mußte. Der Flötzer- Vonach war jetzt Besitzer des ehemaligen Rohner-Gasthofes an der Feldgasse und der weitaus größte Bauer. Ein Jahr später wurde er zum Vorsteher gewählt.6 14 Die Brunnenrechnung im 7. Brunnenbrief trägt vier wichtige Unterschriften: Wolfurt, den 16ten 8tber 1823 (8tber heißt Oktober) Mathias Schneider alt Vorsteher Joh. Georg Müller Lehrer Vorsteher Fink Joh. Georg Kloker Gds Rath Gotteshaus-Ammann Schneider und Kirchenpfleger Klocker waren selbst Brunnengenossen. Müller wurde als Schreiber eingesetzt, er lebte an der Hub. Fink war Adlerwirt in Rickenbach. 7 Eine Woche später wurde, diesmal im Gasthof Rößle beim Bäcker Haltmayer, auch noch ein neuer Brunnenmeister gewählt: Anno 1823 den Iten 9ber ist ihn der Wirths Behausung deß Johann Haltmeyer Bek Ein Neuer Brunen Meister zum Brunen Bey dem Kirchblatz öfentlich durch mehrheit der Stimmen gewählt worden, & ist durch mehrheit der Stimmen Baptist Gmeiner Melber im Dobel ernant worden durch 11 Stimmen Jos Anton Rohner im. Loch hat 9 Stimmen & X Franz Jos Schalling 6 do. Wolfurt obigen Dato Joh. Georg Kloker Gemeindsrath Mathias Schneider alt Vorsteher Baptist Gmeiner als Brunen Meister ihm Nammen aller andern Der neue Brunnenmeister Baptist Gmeiner, 1771-1847, lebte kinderlos verheiratet als Mehlhändler (Melber) im Tobel (Tobelgasse 2, Kalbs). Er war ein Neffe des Wolfurter Pfarrers Lorenz Gmeiner und ein Bruder des Gemeindearztes Joh. Georg Gmeiner (1766-1827). Ein anderer Bruder Benedikt Gmeiner war bis 1798 Pfarrer von Buch gewesen, dann aber auf eine Pfarrstelle in der Nähe von Freiburg übersiedelt, das ja damals wie auch Wolfurt zur Diözese Konstanz gehörte. Der 8. Brunnenbrief enthält als Beilage zum 7. eine genaue .... Aufnamm des Pferd & Viehstandes ...., die durch Gemeindediener Johann Mäsch erstellt werden mußte. Diesmal stehen nur die 57 Brunnengenossen aus den mit Waldteilen ausgestatteten alten Häusern samt ihren Hausnummern aus dem Bayerischen Kataster untereinander: 6 davon besaßen in ihren an der Kirchstraße eng aneinander gebauten kleinen Häusern überhaupt kein Vieh. Die insgesamt 83 Kühe, die am Brunnen getränkt werden durften, kamen also aus 51 Häusern. 26 Bauern hatten jeder nur eine einzige Kuh (!) und dazu allenfalls noch ein Kalb. 20 Bauern hatten je zwei Kühe. 4 Bauern hatten je drei Kühe. 1 Bauer besaß fünf Kühe. 15 Wir können uns solche Bauern heute kaum mehr vorstellen. Wichtigste Nahrungsquelle für die großen Familien war damals noch der Anbau von Dinkel und Hafer, im Ried begann gerade der Anbau von Mais und Kartoffeln.8 Eine Kuh gab täglich nur zwei bis höchstens sechs Liter Milch und stand einige Monate vor dem Kalben trokken (galt). Da mußte man wohl den Nachbarn um Milch bitten, wenn die Mutter für die große Familie das tägliche Mus anrühren wollte. Eine Sennerei gab es im Kirchdorf erst mit der Umstellung auf Milchwirtschaft 50 Jahre später ab 1876. Zu den Bauern mit drei Kühen zählten der reiche Gerber Mathias Haltmayer und die Engelwirtin, die ein paar Jahre später am Röhle-Rank ein ganz neues Haus als Ausgedinge für sich baute (Bregenzerstraße 9, Sammars). Der Großbauer mit fünf Kühen war der schon weiter oben genannte Flötzer-Vonach an der Ecke Feldgasse-Kirchstraße beim Kleinen Brunnen. Zu seinen fünf Kühen besaß er noch ein Kalb und zwei Pferde. Daher mußte er natürlich auch am meisten Brunnensteuer bezahlen. Überraschend ist im Vergleich zu den 83 Kühen die große Anzahl von Pferden, die man im Ackerbau einsetzte. In den 51 Bauernhäusern finden sich insgesamt 34 Pferde und dazu noch 4 Fülle. Von 26 Pferdehaltern waren 18 Bauern mit je einem Pferd und 8 Bauern mit je zwei Pferden. Der 8. Brief besitzt im Anhang noch eine zwei Jahre später am 5. Juni 1825 angefügte Anmärckung Heut tato ist an der Bronenrechnung Laut Angab des Gemeinds diener Johann Mäsch noch schuldig seit löten Ochtber 1823 Es folgt eine Liste von sechs Brunnengenossen, die ihre Schuld noch nicht oder nicht vollständig bezahlt hatten. Zwei davon in neuen Häusern ganz draußen im Röhle und einer weit unten in der Bütze planten wohl bereits den Ausstieg aus der Genossenschaft. So mußte allerdings der Gemeindediener weiterhin auf seinen kargen Einzieherlohn von zwei Gulden warten. Der 9. Brief beinhaltet eine Abrechnung von 1823, aus der ersichtlich wird, daß viele Brunnengenossen auch Forderungen an die Genossenschaft zu stellen hatten. Zwar ist nicht zu lesen wofür, aber es dürfte sich wohl hauptsächlich um Arbeiten im Brunnenwald, um das schwierige Düchel-Bohren und das Verlegen der Leitungen handeln. Eine Forderung sticht als mit fast 18 Gulden weitaus höchste heraus. Es ist die von Aloys Haltmayer, der damals im Gässele direkt hinter dem alten Schwanen ein Haus besaß, genau dort wo heute das neue Bächlein sprudelt. Vielleicht war er als naher Nachbar für die regelmäßige Pflege des Brunnens verantwortlich? Der 10. Brunnenbrief ist der jüngste von den erhalten gebliebenen. Er stammt aus dem Jahre 1827 und ist also auch schon mehr als 170 Jahre alt: Brotokoll in Betreff des Hauptbronnen im orte Wolfurt. Seit 1824 war Bernhard Bildstein Vorsteher von Wolfurt. Er war zwar in Hanso Hus am Kirchplatz neben dem Brunnen aufgewachsen, wohnte aber nun mit seiner Familie in einem 1806 neuerbauten Haus weit drunten in der Bütze (Bützestraße 15, Schellings). Als Vorsteher hat er wohl keinen Streit gescheut. Jedenfalls legte er sich auch mit dem neuen Pfarrer Barraga an und strich diesem das Geld für den Opferwein.9 Schon zuvor war ihm die im 5. Brunnenbrief 1816 vom K.K. Landrichter aufgezwungene Brunnenordnung ein Dorn im Auge gewesen. Ihre komplizierte Durchführung und Abrechnung, die im Jahre 1823 gleich vier umfangreiche Briefe notwendig gemacht hatte, beseitigte keineswegs die alten Probleme, sondern ließ vielmehr neuen Streit entstehen. Zwar hat Vorsteher Bildstein seine Brunnensteuer brav bezahlt, aber er fühlte sich solidarisch mit jenen, die weit entfernt vom Brunnen dessen Wasser nur in besonderen Notfällen nutzten und daher aus der Genossenschaft austreten wollten. So rief er denn am 15. Jänner 1827 die Brunnengenossen zu einer Beratung zusammen und ließ deren einhelliges Ergebnis als neue Brunnenordnung in einem Protokoll aufschreiben. Die wichtigsten Ansatzpunkte der Kritik waren: .... Das zu diesem Bronnen alle .... Häuser, seien selbe nache oder weith von selbem Bronnen entpfernet.... zu bezahlen haben .... .... das die Neuerbauten Häuser an denen aufgehenden Unkosten nur den Vierten Theil zu Bezahlen haben .... .... das Diese Häuser Schätzung aber zur Repartizion der Bronnen Rechnung nicht für Billich & anwendbahr gefunden werden kann .... In einem schlechten und alten Haus könne man ja ebenso viel oder noch mehr Wasser brauchen als in einem neuen, hoch eingeschätzten Haus. Wenn ein Brunnengenosse sein jetzt baufälliges und daher niedrig bewertetes Haus verbessere, so werde eine Neueinschätzung notwendig, was alle Jahre zu Abänderungen führen müßte. Auch jetzt schon seien gleichwertige Häuser ganz verschieden hoch eingeschätzt, .... so würde das immerwährende Streuten & Zangen niehmals kein Ende nehmen. Daher schliesen die erschienenen folgenden Antrag. a/ Das die Häuser bis zu denen jemahls Bestandenen Wällenthörer .... ohne unterschied zu diesem Bronnen gleich viel zu bezahlen haben .... Genau wird die Lage der ehemaligen Fällentore beschrieben. Das waren große Gatter, welche die das Dorf umgebenden Getreidefelder gegen jeden Zutritt abschirmten und erst nach der Ernte zu Trib und Traft für das Weidevieh geöffnet wurden. Gegen das Röhlefeld stand eines beim Haus B 9 1/2 des Lorenz Dur Schmied (Bregenzerstraße 11, Rößlewirts) das andere gegen Lautrach bey No. 53 des Nicklaus 17 16 Fischers (abgebrannt 1883 am Platz von Kellhofstraße 13). Als dritter Grenzpunkt wird gegen Unterlinden zu das Haus B 69 (Kirchstraße 16, Zilla Zoller) angegeben. Zur ersten Hälfte der Brunnenkosten sollen jetzt alle Häuser in diesem Bereich, egal ob alt oder neu, ob wertvoll oder baufällig, zu gleichen Teilen beitragen. Den anderen Brunnengenossen, die außerhalb der einstigen Fällentore wohnen, .... stehe esfrey, als ob selbe bey dem Bronnen bleiben, oder selben nicht mehr gebrauchen wollen.... b/ Solle die andere Hälfte auf Pferd & Viechstand Repartiert werden.... Weiterhin müssen also die Tiere gezählt werden. c/ Die 17 Besitzer des kleinen Brunnens haben die auf diesem liegende Schuld selbst abzuzahlen. d/ Es bleibt für sie auch bei dem Abkommen von 1731, sie bekommen nur den Überfluß des großen Brunnens. Nach dem ablesen haben sich die gegenwärtigen Bronnen=lntressenten mit Zufriedenheit & das es bey diesem Brotokoll verbleiben solle Eigenhändig unterschrieben. Wolfurt den 15ten Jener 1827. An die Unterschrift des Vorstehers schließen sich die zum Teil mit schwerer Hand geschriebenen Namen von 54 Brunnengenossen an. Nur ein einziges gekritzeltes Handzeichen muß der Vorsteher als das des Josef Anton Schwerzier bestätigen. Die meisten Wolfurter haben also jetzt das Schreiben gelernt. Seit 1778 mußten ja alle Kinder die Schule besuchen. Mit einem kleinen Vermerk beschließt der Vorsteher den letzten von den alten Briefen: Die eigenhändigen Unterschriften der neben stehenden Bronnen genossenen im Orte Wolfurt Bestättiget. Wolfurt den 16ten Merz 1827 Bernhard Bildstein Vorsteher Bald danach dürften sich die entfernten Höfe in der Bütze und im Röhle aus der Genossenschaft gelöst haben. Der Brunnenmacher verstand es jetzt, mit Hilfe eines Schwenkhebels und von einfachen Leder-Ventilen Grundwasser aus etwa vier Metern Tiefe zu pumpen. Anfangs wurden dazu hölzerne, am unteren Ende durchlöcherte Düchel-Rohre in einem tiefen Brunnenschacht aufrecht in die Grundwasserschicht gegraben. Später konnte man starke Eisenrohre unter Anwendung einer schweren Katze (ein Eisengewicht) in die wasserführende Kiesschicht schlagen. Zusätzlich nutzten manche Familien noch bis zum Beginn unseres Jahrhunderts den Tobelbach als Wasserquelle. Selbstverständlich konnte dieser auch an mehreren Stellen für die Feuerwehr gestaut werden. Die Brunnenordnung von 1827 scheint sich lange Zeit bewährt zu haben. Die neueren Aufzeichnungen und Kassabücher sind allerdings verschollen. Die Anlagen wurden gepflegt und nach Bedarf erneuert. Die Brunnenstuben wurden um 1900 betoniert und die Tüchelrohre durch eiserne Leitungen ersetzt. Eine mit Ornamenten ge18 schmückte Gußeisensäule ließ jetzt aus ihrem Löwenmaul einen dicken Strahl Wasser rinnen. Sogar die alten schweren Sandsteinplatten der beiden Tröge wurden um das Jahr 1930 durch einen Betontrog ersetzt. Über den Rößleplatz her und unter Platten am Brunnen und an den Haustüren vorbei sprudelte aber immer noch der alte Dorfbach durch die Kellhofstraße hinab. Das Verschwinden des Baches und des Brunnens haben wir dann erlebt und wohl auch mitverschuldet. Nun führen sie wieder Wasser. Gott sei Dank! Bild 7: Der winzige neue Dorfbach 1999 1 2 VLA, Grundbuch-Erhebungsprotokolle, l.Band, Prot.284 ff. Siehe Heimat Wolfurt, Heft 13/1993, S. 26! 3 Hof steigischer Landsbrauch 1571, Bestli Schnellen erben ..., LMV 1900, S. 161 4 VLA, Urkunde 1722a 5 Siehe Heimat Wolfurt, Heft 21/1998, S. 19! 6 Siehe Heimat Wolfurt, Heft 20/1998, S. 16! 7 Siehe Heimat Wolfurt, Heft 20/1998, S. 15 u. S. 21! 8 Siehe Heimat Wolfurt, Heft 2/1988, S. 29! 9 Siehe Heimat Wolfurt, Heft 20/1998, S. 17 u. S. 37! 19 Siegfried Heim Hexen in Wolfurt Bild 8: Funkenknechte in Rickenbach mit Funkenkanzler Bürgermeister Alfons Gunz (um 1960) Bild 9: Hexentanz mit dem Teufel Funko-Sunntag! - Den bösen Winter austreiben! In Rickenbach und an der Ach haben die beiden Funkenzünfte ein Fest vorbereitet. Seit Tagen schichten fleißige Männer das Brennholz zu einem hohen Turm auf. Tüchtige Frauen backen Krapfen und Kuchen, bereiten große Kessel voll Glühwein vor und - und nähen d Funkohäx. Nicht mehr eine Hexe aus Lumpen wie noch vor etlichen Jahren, nein, eine aus Taft und Brokat, die Seidenbluse und die Haube mit echten Spitzen besetzt! Im Abenddunkel strömen Groß und Klein in Scharen zum Funkenplatz. Die Musik spielt zur übermütigen Begrüßungsansprache. Dann lodert das Feuer hell und heiß auf. Raketen verzaubern den Himmel. Und dann zerreißt eine Pulverladung die Hexe! Jubelnd schreien die Leute auf. Langsam sinken brennende Stofffetzen aus dem Feuerhimmel auf den frostigen Erdboden herab. Jedes Jahr wieder. Alter Brauch! Ja, den Winter austreiben ist in allen Ländern, wo er mit Kälte und Hungersnot das Leben bedroht, ein von der Sehnsucht nach der Frühlingssonne getragener alter Brauch. Aber im Verbrennen der Funkenhexe stecken auch noch altüberlieferte Angst und Not und ungeheuerliche Grausamkeit. Auch darüber sollten wir mehr wissen! Hexenverbrennungen? Ein Thema, das wir allzugern dem "finsteren" Mittelalter zurechnen und damit verdrängen möchten. Es gehört aber nicht zum Mittelalter, es findet seinen grausamen Höhepunkt erst in unserer so viel gelobten Neuzeit. Es ist jünger als unsere Pfarre und unser Dorfbrunnen und jünger als die Ahnentafeln mancher Wolfurter Geschlechter. 20 Aber mit Wolfurt hat es doch nichts zu tun? Oh doch! Mit Wolfurt sogar mehr als mit den meisten anderen Gemeinden unseres Landes. Allein aus Wolfurt wurden in den drei Jahrzehnten von 1596 bis 1628 mindestens neun unglückliche Menschen, acht Frauen und ein Mann, als Hexen hingerichtet. Viel mehr als aus anderen Dörfern. Damit das Böse ausgerottet werde, Hexenverfolgungen in Vorarlberg, so heißt das Buch von Manfred Tschaikner, das 1992 bei der Vorarlberger Autorengesellschaft erschienen ist. Nach Studium der einschlägigen Fachliteratur und Durcharbeitung der für uns Laien nur schwer erreichbaren und noch schwerer lesbaren alten Prozeßakten hat Tschaikner das Thema umfassend bearbeitet. Viel bisher Unbekanntes ist dabei ans Licht gekommen. Neue Aspekte korrigieren manche Ansichten anderer Vorarlberger Historiker. Mit Erlaubnis des Verfassers möchte ich die Wolfurt betreffenden Teile hier gekürzt anführen. Mit dem Zeichen (T.) verweise ich auf Tschaikner. Den Interessierten sei aber das ganze Buch empfohlen! Die aufbrodelnden Geistesströmungen am Beginn der Neuzeit führten nicht nur zur Gründung unserer Pfarrei und zum Bau des Dorfbrunnens, sondern auch auf mancherlei Abwege. Hatte man bisher Unglück, Hunger und Tod einfach als gottgewollt hingenommen, so stellte man jetzt die Frage nach den Ursachen. Die Menschen vermochten aber mit ihrem damaligen Wissen die Ursachen oft nicht zu erkennen. Dann waren sie in ihrem tiefverwurzelten Aberglauben bereit, die Schuld an ihrem Unglück dem Wirken böser Mächte zuzurechnen. 21 Bild 10: Tanzplatz Dellenmoos (Kella um 1930) Bild 11: Tanzplatz Flotzbach. Hier steht 1999 ein über zwei Meter dicker Weidenbaum. Unerklärlich große Not war von mehreren Seiten über das Land gekommen. Als Folge einer rapiden Klimaverschlechterung hatte sich mit der Waldgrenze in den Bergen auch die darunter liegende Getreidebau-Grenze empfindlich gesenkt. Dinkelweizen und vor allem Hafer wurden damals als Grundlage für die Ernährung bis auf die Höhen den Steußbergs angebaut. Jetzt kam es zu einer langen Reihe von Mißernten. Verstärkt wurde die Not durch den Niedergang des Weinbaus.1 Ein bedeutender Teil des Wolfurter Anbaugebietes bestand ja damals aus Weinbergen. Diese litten am allermeisten unter der Klimaverschlechterung. Der Zehent-Einheber Georg von Wolfurt schrieb 1580 in sein Steuerbuch: die reben erfrüren. Dem gegenüber stand eine starke Bevölkerungsvermehrung. Man nimmt an, daß sich bei uns die Einwohnerzahl im ersten Jahrhundert der Neuzeit um ein Drittel erhöhte (T./35). Wolfurt besaß nach einer Steuerliste von 1594 jetzt bereits 70 Häuser und demnach hochgerechnet fast 400 Einwohner. So führte das Zusammentreffen von Bevölkerungswachstum und wetterbedingten Mißernten zu Teuerung, zu Armut, Hunger und Krankheiten. Mehrmals suchten Pest-Epidemien das Land heim. Ungeheure Opfer forderten die Seuchen von 1628 und 1635. Aber auch 1594 muß ein schlimmes Pestjahr gewesen sein. Die Häuserliste bezeichnet 10 von den 70 Häusern als öd, also als unbewohnt. Zur großen wirtschaftlichen Not kam eine seelische. Die Theologen der Gegenreformation predigten vom strafenden Gott und schürten die Angst vor dem Teufel und dessen Helfern. Das gipfelte in dem Glauben, daß der Teufel ein Heer von Hexen angeworben und auf den Weg geschickt habe, um die Menschen zu plagen und Gottes Schöpfung zu verderben (T/40). Menschen mit magischen Fähigkeiten und oft auch mit großem Wissen um heilende Kräfte und Gifte in der Natur hatten in vielen Kulturen hohes Ansehen als Hellseher, Gesundbeter und Geistheiler, waren aber ebenso gefürchtet als Unheilbringer, Wetter22 macher oder Giftmischer. Seit der Inquisition verbanden dje Richter Ketzertum und Hexerei und erzwangen Geständnisse durch die Folter. Von Süd-Frankreich her breitete sich der Hexenwahn zu uns aus. Bereits um das Jahr 1480 wurden in der Diözese Konstanz, zu der auch Bregenz und Wolfurt gehörten, innerhalb von fünf Jahren 48 Menschen als Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannt (T./32). Durch eine päpstliche Bulle von 1484 und durch ein weit verbreitetes juristisches Fachbuch, den berüchtigten "Hexenhammer" von 1487, sahen geistliche und weltliche Richter ihr Tun gerechtfertigt. Die hohe Gerichtsbarkeit lag für die Leute unseres Kellhofs bei den Grafen von Hohenems, für die Hofsteiger bei den kaiserlichen Vögten in Bregenz. Im Gefängnis von Konstanz ist im Jahre 1493 als erste nachweislich aus Bregenz stammende Hexe Schuhmachers wib ums Leben gekommen. Um 1550 wurden im Bregenzerwald acht Frauen und zwei Männer als Hexen hingerichtet (T/45 ff). Ab 1595 erfaßte der Hexenwahn dann das Hofsteiger Gebiet wie eine schreckliche Seuche. Vielleicht ist es kein Zufall, daß kurz zuvor im Jahre 1592 der Wolfurter Pfarrer Sebastian Fischer auf eine Kaplanei nach Bregenz strafversetzt worden war. Als Folge der vom Konzil von Trient ausgehenden strengen Regeln, die im Sinne der Gegenreformation auch tief in das Familienleben hinein wirkten, hatte er sich von seiner Lebensgefährtin und seinen fünf Kindern trennen müssen.2 Einem Hexenprozeß gingen oft jahrelange Beschuldigungen wegen Wetterzauber, Hagel, Tierseuchen und anderen Schäden voraus. Unter den Qualen der Folter gestanden die Beschuldigten dann oft auch Hexentänze oder Gastmähler und Geschlechtsverkehr mit dem Teufel, die sie in allen Einzelheiten schilderten. Die beiden in den Prozessen weitaus am häufigsten genannten Hexen-Tanzplätze von ganz Vorarlberg lagen in Wolfurt. Unter der Folter gestanden 22 von den Angeklagten, sie hätten Hexentänze im Flotzbach besucht, 18 andere berichteten von Tän23 zen im Dellenmoos (T./188). Dort hätten sie sich mit anderen Hexen und mit dem Teufel getroffen und die verschiedenen Schadenzauber vorbereitet. Sicher galten die unzugänglichen Sümpfe und Weiher am Zusammenfluß der drei Dorfbäche im untersten Flotzbach mit ihrem Gestrüpp und den riesigen Kopfweiden auch bei Tage als unheimlicher Ort! Erst viel später wurden sie zum Lehmloch für die Ziegler. Das Dellenmoos war der große Schilfsee zwischen Kellahang und Schlatt an der Grenze zu Schwarzach. Heute ist es als Industrie- und Sportgebiet fast völlig trocken gelegt. Als weitere Tanzplätze der Hexen galten auch noch der Kreuzweg unter Wolfurt und die Insel. Der Kreuzweg könnte die heutige Schmerzenbildstraße gewesen sein, vielleicht auch die Lerchenstraße. Die Insel war das mit Stauden bewachsene Vorland im Achbett außerhalb des Dammes. An sie erinnert noch die Inselstraße. Die treibende Kraft hinter den Hexenverfolgungen war keineswegs die Obrigkeit. Viel mehr entsprang sie dem Bedürfnis der einfachen Leute, endlich von der vermeintlichen Wurzel ihres realen Elends, den über alles schädlichen Hexen, befreit zu werden. (T/79). Meist zögerten die Beamten wegen der ungeheuren Kosten solcher Prozesse, die aus dem Nachlaß der armen Opfer ja kaum gedeckt werden konnten. Die erhaltenen Akten berichten von insgesamt 166 der Hexerei bezichtigten Personen, die in Vorarlberg in den 130 Jahren zwischen 1528 und 1657 vor Gericht standen. Mindestens 105 von ihnen wurden hingerichtet. In Anbetracht der vielen verlorenen Akten muß diese Zahl aber sicher verdoppelt werden. Demnach wären in Vorarlberg etwa 200 Hexen-Todesopfer zu beklagen (T/248).3 Aus Wolfurt wurde als erste von den unglücklichen Frauen Anna ab Oberfeld schon im Jahre 1596 hingerichtet. Gerade damals litt die Bevölkerung nach mehreren Mißernten große Not.4 Sicher wirkte sich auch noch die Pest von 1594 aus. Zur Katastrophe kam es dann 1609. In drei großen Prozessen standen in Bregenz 16 Angeklagte vor dem Malefiz-Gericht. Sechs davon stammten aus Wolfurt, vier aus Lauterach und zwei aus Hard. Alle 16 wurden der Hexerei, verbunden mit Unkeuschheit, Gotteslästerung und Hingabe an den Teufel, schuldig gesprochen. Sie wären durch die Lüfte gefahren und hätten vom Teufel Kräuter und schmirb salben empfangen, mit denen sie Pferde, Schweine und Kühe geschädigt oder umgebracht hätten. Auch hätten sie mit Hagel und Unwetter die Feldfrüchte verdorben. Alle 16 wurden zum Tode verurteilt und dem Scharfrichter übergeben.... daß er inen die händ auf dem bauch zusamen binden, sy zu dem hochgericht hinaußfuehren, und daselbsten mit dem feür, vom leben zum tod richten, und also ir cörpell zu eschen und bulffer verbrennen solle.... Neun der Unglücklichen wurden am 8. April 1609 auf dem Scheiterhaufen in Bregenz verbrannt, zwei am 12. Mai und fünf am 24. Juli des gleichen Jahres. (T/79). Jedes Mal sammelte sich mit der Obrigkeit auch eine große Menge einfacher Leute um das Feuer wie zu einem Volksfest. Sie glaubten ja, nicht nur die Bestrafung von Schuldigen zu erleben, sondern auch die Beseitigung der Ursachen von Hunger und Armut. 24 Bild 12: Folterung 1628:.... aufm Turn Peinlich Examen fürgenommen worden, mit Maria Kelhoferin von Wolfurt Bild 13: Scheiterhaufen 1609: .... über 2 Hexen Personen mit Namen Margaretha Knitterlin und Anna Märtine, beide von Wolffurlh .... zue erstlich daß Haubt abgeschlagen, darnach die Cörpel mit dem Feur verbrent worden. 25 Die Namen der im Jahre 1609 als Hexen hingerichteten Wolfurter: Stauderin Margaretha Martin Thalers Ehefrau Mynlin Margaretha geschrieben auch Mündline/Männline/Mennlin Feürstainin Elsa Georg Hindereggers Ehefrau, genannt Jößlins Elsa Reiner Conradt Kloßpeters Sohn, Bäcker Knitterlin Margaretha Fritz Kelnhofers Ehefrau, genannt Fritzin Martine Anna Hainrich Toblers Ehefrau, genannt Faunßlerin Die meisten Frauen waren etwa fünfzig Jahre alt. Alle waren verheiratet, die meisten hatten mehrere Kinder. Dazu ein einziger Mann, der Bäcker! Hatte er vielleicht giftiges Mutterkorn in seinem Brot mitgebacken? Bereits sechs Jahre später kam es in Bregenz im Jahre 1615 als Folge eines die gesamte Ernte verheerenden Hagelschlags abermals zu zwei großen Prozessen. Diesmal waren unter den 12 Angeklagten sechs aus Hard und fünf aus Lauterach. Aber auch Wolfurt war wieder vertreten: Toblerin Agnesa Sie widerrief zwar das ihr durch die harte Folterung abgerungene Geständnis, jedoch vergebens. Es hatte sie auch nichts genutzt, daß sie zweimal eine Wallfahrt nach dem drei Tagesmärsche entfernten Einsiedeln unternommen hatte. Im Gegenteil! Die Richter legten ihr das als Zeichen ihres schlechten Gewissens aus. Wie auch die anderen Verurteilten wurde sie am 25. Februar 1615 zuerst vom Scharfrichter enthauptet und erst dann im Feuer zu Asche und Pulver verbrannt (T./93 ff). Agnesa Toblerin war eine arme Magd gewesen. Der Hexenwahn machte aber keinen Unterschied zwischen Arm und Reich. Noch im gleichen Jahr mußte auch Barbara Schertlerin sterben, die Ehefrau des reichen Hofsteig-Ammanns Zacharias Bierenbomer aus Hard. Sechs Jahre zuvor hatte man des Ammanns Bruder Hans und seine Nichte Treina Bierenbomer als Hexen verbrannt. Schon 1596 war mit Anna ab Oberfeld auch Maria Vesslerin hingerichtet worden, die Ehefrau des angesehenen Hofsteig-Richters Caspar von Ach aus Lauterach. Als letzte von den unglücklichen Wolfurter Frauen wurde im Jahre 1628, als im Dreißigjährigen Krieg auch noch die Pest drohte, nach Folterung und Geständnis Maria Kelhoferin enthauptet und verbrannt. Man hatte ihr vorgeworfen, sie habe mit ihren Zauberkünsten Tod über Menschen und Vieh gebracht (T./108). Weiterhin klagten die notleidenden Menschen immer wieder Nachbarn und Bekannte beim Gericht wegen offensichtlicher Hexenkünste an. Das Blutgericht in Bregenz ließ aber jetzt nicht mehr alle Anklagen zu. Wenn es doch noch zu Prozessen kam, endeten diese meist mit Freisprüchen. Die Hofsteig-Richter waren damit aber nicht einverstanden. Sie forderten zusammen mit den Bauern dringend die Hinrichtung der Hexen. Weil diese seit Jahren die Wein- und Kornernten durch Unwetter vernichtet 26 Bild 14: Hexen auf dem Scheiterhaufen hätten, müßten sie ausgerottet werden. Das Blutgericht folgte den Argumenten, die die Hofsteiger schon 1640 und noch einmal 1648 mit dem Ersuchen um gebührendes Einsehen vorbrachten, nicht. Im Jahre 1649, zwei Jahre nachdem die Schweden Bregenz erobert und das Land geplündert hatten, wurden Martha von Ach und Ottilia Nigglin aus Wolfurt von der Anklage der Hexerei freigesprochen. Sechs Jahre später fand 1657 der letzte Hexenprozeß statt. Dabei wurden Catharina Bönlerin und Anna Finckhin aus Wolfurt zweimal gefoltert, dann aber, vermutlich über Fürsprache des Lauteracher HofsteigAmmanns Hans Summer, der die großen Kosten zu verantworten hatte, ebenfalls freigesprochen (T./l 24). Das geschah sehr zum Unwillen des Volkes. Es wollte ja die vermeintliche Ursache seiner Not brennen sehen und sah sich auch um ein Fest betrogen. Zuvor war im Jahre 1645 in Feldkirch an Maria Reinbergerin noch das Hexen-Todesurteil vollstreckt worden. Im Jahre 1651 fanden dann ebenfalls in Feldkirch die allerletzten dokumentierten Hexenprozesse mit Todesurteil im österreichischen Teil Vorarlbergs statt. Dort wurden am 17. Juni 1651 Katharina Walserin aus Röthis, Elisabeth Gappin aus Fraxern, Katharina Lamparthin aus Rankweil und Dorothea Ludescherin aus Götzis enthauptet und verbrannt. Ihre Asche verscharrte man an der Richtstätte.5 In der Herrschaft der Grafen von Ems. die auch den Wolfurter Kellhof besaßen, ging das Morden weiter. Noch 1677 wurden in Hohenems mit Barbara Wötzlin, Barbara Thurnher und Maria Gasser drei Frauen als Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannt.6 Eine ganz unfaßbare Zahl wird aber aus der Grafschaft Vaduz, die damals von einer Seitenlinie der Emser regiert wurde, berichtet. Dort mußten zwischen 1648 und 1680 27 fast 200 Personen als Hexen das Leben lassen. Einfach unvorstellbar! Hexenland Liechtenstein! (T./229) 7 Drüben in der Schweiz hatte sich das Prätigau 1652 von der österreichischen Oberherrschaft freigekauft und damit die Blutgerichtsbarkeit selbst bekommen. Jetzt begann sofort eine Hexenjagd. Die groos Häxatöödi forderte allein in den ersten acht Jahren bis 1660 über hundert Hexen-Opfer! (T./227). In den österreichischen Ländern wurden Hexenprozesse jetzt immer seltener. Nach hundert Jahren schafften Kaiserin Maria Theresia und Joseph II. im Jahre 1776 zuerst die Folter ab und strichen bald danach die Hexerei ganz aus den Rechtsbüchern. Im nahen bayerischen Kempten forderte dagegen der Hexenwahn noch 1775 ein letztes Opfer und im nicht weit entfernten schweizerischen Glarus sogar noch 1782. Und seither? In Wolfurt starben fast alle der von den schrecklichen Prozessen heimgesuchten Familien aus. Die meisten waren noch im Häuserverzeichnis von 1594 aufgeschienen. In den 1650 begonnenen Pfarrbüchern fehlen aber bereits die Mennel, Hinderegger, Knitterle, Tobler und Niggle. Wenn man von den älteren Lauteracher Büchern auf Wolfurt schließen darf, waren sie wohl in den Pestzügen von 1629 und 1635 umgekommen. In Lauterach starben 55 Personen schon 1628/29 an der Pest. Der Pfarrer schrieb alle ihre Namen auf, auch die Mennel, zu denen wahrscheinlich die hingerichtete Wolfurterin Margaretha Mynlin gehörte. Als aber 1635 die Seuche mit 223 Opfern mehr als die Hälfte der Einwohner dahinraffte, wurden sie alle namenlos in die Massengräber am Rande des Dorfes gelegt8. Die als Hexer gebrandmarkte Familie Stauder starb in Wolfurt 1652 aus, die einst zahlreichen Kelnhofer 1676, die vom mächtigen Ammann Jakob Feurstein abstammenden Feurstein 1776. Die neben dem gräflich-emsischen Bütze-Weingarten wohnenden Marth, aus deren Familie die unglückliche Anna Martine stammte, lebten noch bis 1801 im Kirchdorf-Loch. Die Rickenbacher Reiner, wohl Nachkommen aus der Bäckerfamilie, starben in ihrem Haus auf der Steig erst 1863 aus. Zwei besitzlose Fink-Familien gab es noch um 1750. Die Thaler aber und die Vonach, die ebenfalls Opfer zu beklagen hatten, gehören seit ihrer ersten Nennung 1594 zu den allerältesten Wolfurter Familien. Ungebrochen leben ihre Nachkommen-Linien weiter fort. Auch nach den grauenvollen Prozessen sind immer wieder Mitmenschen, vor allem ältere Frauen, als Hexen verschrien worden. Oft genügten ein Muttermal, ein paar Warzen, ein schielender Blick oder aber auch auffallend zur Schau gestellte körperliche Schönheit, daß Neid, Haß und Bosheit unschuldige Menschen böser Taten verdächtigten. Da nützte meist kein Verleumdungsprozeß. Böse Worte fanden noch immer ein offenes Ohr, auch in unseren Tagen. Zunehmend kommen in den letzten Jahren in unserer so aufgeklärten Welt dazu auch Teufelsaustreibungen, Schwarze Messen, geheimnisvolle Zusammenkünfte, die bis zu Leichenberaubung oder abstrusen Tänzen und Quälereien führen können. Unser materieller Reichtum hat viele von uns geistig verarmen lassen. Möge Gott uns behüten, wenn wieder der Ruf laut wird, daß ....das Böse ausgerottet werde! 28 1 2 Vogt in Heimat Wolfurt, Heft 19/1997, S.4 VLA, Urkunde 2191, und Manuskript Wieland, S. 114 Die Zahlen wurden nach neuen Forschungen Tschaikners erhöht. Montfort 1995/4/288 und 1997/2/118 4 6 7 Bilgeri, Bregenz, 1980, S. 225 Ergänzt nach Tschaikner, Hexenverfolgung in Feldkirch, Montfort 1997/2/114 ff. Norbert Peter, Hexenwahn, Hohenems, 1983, S. 56 Die ursprünglich angegebene Zahl von 300 wurde auf 200 korrigiert. Tschaikner, Jahrbuch des Historischen Vereins Liechtenstein, Nr. 96/1998/ 103 Welti, Heimatbuch Lauterach, 1953, S. 36 8 29 Siegfried Heim Adlerwirts Haus-Chronik Wir haben sie wieder! Nicht das Original, aber wenigstens eine Kopie für das Gemeinde-Archiv. Zuletzt besaß in Wolfurt um 1900 Alt-Adlerwirt J. Gg. Fischer das vergilbte alte Buch, aus welchem spätere Chronisten noch mehrfach zitierten. Jetzt hüten es seine Enkel in Rankweil. Wir sind Ing. Franz Fischer sehr dankbar, daß er uns Zugang zu dieser ergiebigen Quelle für die Hofsteiger Geschichte verschafft hat. Der weitaus größte Teil der Eintragungen stammt vom Rickenbacher Löwenwirt Joseph Fischer, 1723-1809. Er war in Spetenlehen geboren worden und hatte 1749 Katharina Wehinger, die Witwe des Löwenwirts Kaspar Haltmayer, geheiratet. Besitz und Ansehen verhalfen ihm dazu, daß er ab 1764 sechsmal zum HofsteigAmmann gewählt wurde. Die umfangreichen Amtsschriften wurden damals noch vom Ammann persönlich verwaltet. Die Gerichtsverhandlungen fanden oft im Löwen in Rickenbach statt, die Wahlen dagegen in Lauterach. Eine neue Gerichtsordnung im Jahre 1886 zwang das Gericht dann, ein eigenes Haus in Lauterach zu bauen und einen Schreiber anzustellen. Spätestens jetzt, wahrscheinlich aber schon bei seinem Amtsantritt 1764, schaffte sich Ammann Fischer ein dickes Buch an, in welchem er sich Notizen über die wichtigsten Gerichtsangelegenheiten und über alte Verträge machte. Daraus ist dann schließlich eine Familien-Chronik geworden. Von Ammann Fischer ist übrigens ein zweites Buch erhalten geblieben. Im Besitz des Klosters Mehrerau fand er das Zehentbuch des Hans Georg von Wolfurt aus dem Jahre 1576. Weil diese Aufschreibungen für ganz Hofsteig von Bedeutung waren, ließ er sie 1766 von Bartholomäus Fink, einem Theologen aus Stiefenhofen bei Weiler, von Wort zu Wort gleich lauthend abschreiben. Während das Original aus der Mehrerau in das Vorarlberger Landesarchiv gelangte, blieb die Abschrift im Besitz der Nachkommen des Ammanns (s Ammas) im Kirchdorf. Im Jahre 1998 konnte die Gemeinde Wolfurt das Buch für ihr Archiv erwerben. Nach dem Tod seiner ersten Frau Katharina hatte Ammann Fischer 1768 Maria Anna Haltmayer, eine Tochter des Schwarzacher Kronenwirts, geheiratet. Im Jahre 1798 übergab er den Löwen an seinen ältesten Sohn und übersiedelte mit dem Rest der Familie ins Kirchdorf. Dort eröffnete sein anderer Sohn Joh. Georg Fischer bald danach den Gasthof Engel. Der alte Vater, der neue Engelwirt und später der Enkel Josef Anton machten jetzt das einstige Notizbuch des Ammanns mit persönlichen Eintragungen zu einer richtigen Familien-Chronik. Der Enkel heiratete 1843 in den Adler nach Rickenbach und nahm das Buch mit. Sein Sohn Joh. Georg Fischer, 1847-1918, Adlerwirt und ab 1873 Vorsteher von Wolfurt1, verwendete es wieder für viele interessante Notizen aus dem Gemeindegeschehen. Bei der Übersiedlung der Familie Fischer nach GÖtzis nahm er Adlerwirts Haus-Chronik mit. Sein Sohn Ernst hat sie mit wichtigen Familien-Daten abgerundet. Bild 15: Im Löwen in Rickenbach (abgebrannt 1912) hatte das' HofsteigGericht unter Ammann Fischer seinen Sitz. Am Anfang steht auf der Registerseite Y Bemerkenswertes aus Fischers AmmannZeit: 1764 den 20ten 9ber ist zue rikhenbach nach dem alten gebrauch Ehrhaft Gericht gehalten worden und bey dem anfang daß Gericht verbannt mit nach volgenden worthen, als Erstlich nimbt der Amman den Gerichts stab in die Hand, und der Gerichts weibel den seynen stab und müssen nach volgendes sprechen vor samentlichen 12 Geschworenen .... Es folgen die Worte eines feierlichen Versprechens der Unparteilichkeit gegenüber frömden wie heimischen, den reichen wie den armen, nicht ansehen Freundschafft, noch Feindschafft.... Dar zu unß Gott helfe und Maria. Am Sitz des Ammanns in Rickenbach tagte also das Hofsteig-Gericht. Wer einen Fall vorbrachte, mußte dem Waibel vier Kreuzer und dem Gericht sechs Kreuzer bezahlen. Zu einem Grundkauf mußte man allerdings eigens den Landschreiber holen und diesem drei Gulden ausfolgen. Die Geschworenen erhielten Zehrung und Lohn von den acht Gulden, die der Lehenshof auf der Steig jährlich dafür aufbringen mußte. Stolz vermerkte Ammann Fischer, daß in seiner Amtszeit kein einziger Fall an das Oberamt abgetreten werden mußte. ... und dießes Gericht hat gedauert biß 1786; wo die Neüye Gerichts Ordnung angefangen hat und ein Neüyes Gerichts hauß mit.. über 7000 f erbauen worden, aber nicht lang gedauert, das Gericht auß gangen und das Gerichts hauß um 3300 verkauft worden ist... Mit Bitterkeit beschreibt der Ammann also hier das Ende des uralten Hofsteig-Gerichts unter dem Zugriff der kaiserlichen Beamten. Besonders hart traf ihn der leichtfertige Umgang mit dem so hart erarbeiteten Steuergeld beim Bau eines großspurigen Gerichtsgebäudes an der neuen Landstraße nahe der Kirche in Lauterach. Er kommt noch einmal in seinem Lebenslauf (Seite 84) darauf zu sprechen: 31 30 Bild 16: In Lauterach steht noch das teure Gerichtshaus von 1786, das dem Gericht nur sieben Jahre lang diente. .... Das mir ein Neus Kostbares Gerichts hauß erbauen müßen, so über 7000 f auf gangen sind, haben alle wochen als am Montag Gerichts Verhör gehalten, der Amman und 2 bey sitzer und ein studirter Gerichts schreiben hat aber nit lang gedauert, im 1793er Jahr ist dieße Ordnung auß gangen und wider biß dato nach Bregentz.... Hatte er also früher alle Fälle mit geringen Gebühren im eigenen Dorf abwickeln können, so mußte man ab 1793 jede Kleinigkeit vor das Amtsgericht in Bregenz tragen. Seine Tätigkeit als Ammann beschränkte sich immer mehr auf das Aufbringen von Steuergeld. Dazu hatte man 1760 im Seelenbeschrieb die erste genaue Volkszählung und 1785 die ersten Hausnummern eingeführt. Fischer war der letzte Hofsteig-Ammann, der noch 1785 zue Luterach durch das samentliche Volh er wält worden ist. Die absolutistische Gerichtsordnung von 1786 schaffte die Volksversammlung ab. Ganz schlecht scheint Fischers Verhältnis als gewählter Vertreter der Hofsteiger zum studirten Gerichts Schreiber gewesen zu sein. Dieser mußte sich ja als kaiserlicher Beamter/ur alle 7Leitkeiner Wahl unterwerfen. Er klagt darüber (im Anhang Seite D 8): die besoldung des Amman ist 70 f ein jeder bey sitzer 50 f der weibel 80 f dem Gerichtsschreiber 300 f und Holtz und Quatirfrey. Weillen aber der Schreiber Jos. Bär, ein aigen nütziger Intreßirter Man, das alles nach seynem Kopf gehen soll, und .... so hat es dan täglich verdrißlichkaitten ab geben, so bin ich 1789 den 9ten Mayen bey dem Abbt, um die entlaßung schrifftlich ein kommen und habe selbes auch schrifftlich erhalten. So war also der letzte noch einigermaßen an hofsteigische Freiheiten gewohnte Ammann selbst gegangen. Was später die Bayern im Jahre 1806 endgültig auflösten, war nur mehr ein kümmerlicher Rest des alten Gerichtes.2 32 Aus den Notizen des Ammanns folgen hier nur einige kurze Auszüge: Z 1692 Hochwasser der Schwarzach Nach großen Verheerungen baut Johannes Sailler die Dellenmoos-Mühle neu. 7 1767 Kellhof-Felder an der Ach Streit um die Zufahrt 12 Ach wuhr-Anteile Verteilung der Kosten auf Wolfurt, Lauterach, Hard, Fußach, KellhofLehen, Mehrerauer Lehen, Bregenzer Güter und Hofrieder Güter. 14 1726 Vieh-Hüten in Lauterach Beschwerden über unbeaufsichtigtes Fretzen bei den Rebgärten in Weidach und Bütze 16 1768 Fronleichnamsprozession Verpflichtung zur Teilnahme mit Gewehr, Stiftung einer Kriegs-Fahne 19 1765 den 20ten Nob. Herbst gericht in Joseph Fischer ambts ammans behaußung zue rikhen bach: Die Bauern im Holz müssen auch Brug gelt bezahlen. 20 1766 Mayen gericht in des Amman Fischer behaußung zue rikhen bach den 28ten Mayen 1766: Die Frickenescher treiben ihr Vieh ins Ried und müssen dafür waydt gelt bezahlen. Reparaturen am Bild. Rechnungen für Ziegel und Schlosserarbeit weisen auf eine Kapelle hin, wahrscheinlich die für das Hochwasserbild am Rickenbach. 22 1735 Die Härder müssen in Fronarbeit einen Schiffshafen (städin) bauen. 24 1764 Regulierung von Schwarzach und Rickenbach 26 1770 Neyer Schwartzach bach Unter großem Arbeitsaufwand (drei Viertel davon ist Wolfurter Fronarbeit) wird ein ganz neues Flußbett durch Engelis wiß gegraben. 28 1769 Ried Vermessung durch das Oberamt: Schwartzach 331 Juchart 445 Klaffter Wolfurther ried 743 Juchart 19 Klaffter Lutterach 2 052Juchart 744 Klafftet3 Hardt 617 Juchart 52 Klaffter, quadrat. 29 1771 Abrechnung für die neue Landstraße durch das Ried: .... von der Brug biß an gräntz Dorrenbiren. 28 846 Tag Fronarbeit mußten geleistet werden. Die Gesamtkosten für das Gericht beliefen sich auf 26 052 f 24 x. Dieße Straß ist 1768 biß im Herbst richtig zum fahren gemacht worden. 30 1768 Hofsteiger Pfarreien und Bildsteiner Benefiziate: Bezahlung der Türggen stür. 33 34 37 38 46 47 50 51 56 59 61 65 66 1468 Stiftungsbrief der Kaplanei Schwarzach Kopie von 1770 aus der Mehrerau.4 1804 Kirchen zue Schwartzach neu erbaut. 1770 und 1771 Frucht Preiß auff dem Marth zue Bregentz für Korn, Haaber, Muß Meli, Schmaltz, Butter und Grundt bira. 1775 Eichenholz. Alle Eichen in Hofsteig sind Eigentum des Gerichtes. Der Erlös wird jedes Jahr auf die 5 gemaindten des Gerichts hofstaig benanndtlich luterach, hardt, wohlfurth, schwartzach und stüßberg aufgeteilt. Wegen der starken Schlägerung verlangt das Oberamt Neuanpflanzungen am Berg und im Ried. 1775 Weiber-Einkaufsgeld Die Gemeinden des Gerichts Hofsteig verlangen, daß von auswärts einheiratende Ehefrauen neben ihrem Heiratsgut noch 200 f einzig und allein in Capitalien oder baarem geldt einbringen müssen. Außerdem müssen sie 15 Gulden Einkaufgeld in den Schulfond bezahlen. 1775 Rebstecken flößen Das Oberamt setzt mit den Ammännern der betroffenen Gerichte die Flößerlöhne auf der Ach zum stekhen Platz in Hard fest. Für je 1000 Stecken aus Buch werden 30 Kreuzer, aus Botzenau, Neuenbürg und Alberschwende 48 und aus Langenegg 1 Gulden bezahlt. 1776 Todfall an Mehrerau 1770 Steueraufkommen der Hofsteig-Gemeinden Lauterach 1689 Gulden Wolfurt 1678 Gulden Steußberg 1417 Gulden Hard 1295 Gulden Schwarzach 830 Gulden 1775 Kalk aus Hard Die Kalkhandelsleute aus Hard müssen die gelt Kalkh für 21 Kreuzer verkaufen. 1658 Brückenzoll nach Bregenz Eine Zusammenfassung der alten Tarife von 1636 und 1653 für die Überfuhr von heü, stro und streye, von Korn, Wein, Saltz. 1777 Rekruten Das Gericht muß 1777 zwei und 1778 sieben Rekruten stellen. 1778 Schneefall im Juni 1778 den löten Juny hat es alhir im land starkh geschneyt und in die alpen allen ab geschnait, so das alles vieh 8 Tag auß den alpen hat Mußen nach haus, und haben in der Alp Hirschberg über 6 schue (2 Meter) gehabt, sind also den 17ten wekh und den 24ten Juny oder Johanni wider hin ein, es sind auch in der alp Neiffer (Ifer) und Hal- 67 69 70 74 den vihl stukh vieh ver lohren und ver schnait worden, auch drey Mann um das Leben Kommen, Nebst vihl gaiß und schaffen. 1789 den 4ten Jenner ist man von Bregentz über den see nach Lindau gegangen, grade weges und herüber auch von Lindau in das Kloster (Mehrerau). Brände 1751 den 17ten Mertzen sind zue rikhenbach drey häußer, von wegen schlechter sorgung FeUr offen... verbrenth worden, in dem ober dorff, und 1789 den 7ten winthermonat sind zue rikhenbach im ober dorff 2 häußer ver brunnen worden, wegen Einem stall licht morgen 6 uhr. Rickenbach-Überschwemmungen ... laut alten Schriften zwei Ausbrüche im August 1674. 1701 den 19ten heymonat hat der rikhenbach ober halb der brug auß gebrochen. 1702 den 20ten august ist ein Erschrökhlicher wolkhen bruch zue rikhen bach gewessen, der anfang ist Nachts um 10 uhr und um 12 uhr ist schon Claus von ach selig W. haus und Stade! ab dem grundt wekh gerißen, die da Mahls Ney bauthe Mülle, von grundt wekh gerißen, Jo. Jacob Feurstains stadel, auch Georg Grüßings stadel auch ver rißen, auch Blaßi Köllmayers großen stadel Nacher grißen, der schaden in güther und häußer ist nicht zue schätzen, man hat glaubt der Jüngste Tag werde Kommen, sie haben mit ein ander ein Kapelle ver lobt, aber es ist lang hernach das Bild ob der Mülle an stat da Neu gebauth worden, welhes 10f Capital stifftung hat bey Andreas rüntzlerin rikhenbach. Am Tag nach der großen Überschwemmung, am 21 August 1702, nahm eine große Kommission mit Vogteiverwalter Andreas von Pappus, Amtmann Benedikt Reichart, Landschreiber Wilhelm Frey, Stadtammann Christoph Bildstein und anderen Beamten einen Lokalaugenschein vor. Sie beschloß, das Bachbett von der Brücke bei der Mühle bis zur Landstraße im Unterdorf auf acht Meter Breite zu erweitern. Alle Gemeinden des Gerichtes Hofsteig halfen dabei. 1781 Maschen und Staudach Sie geben alte verbriefte Rechte auf. 1782 Steinbruch in Mäschen Zufahrtsstraße von Spetenlehen 1786 Tierseuchen Der Kaiser hat Hygiene-Vorschriften erlassen. Tiere, die durch Seuchen umgekommen sind, müssen je früher, je beßer mit Haut und Haaren tief in die Erde graben werden. Menschen, die solchen Thiren das Fell abziehen, setzen in Lebens gefahr, die Häute sind nicht nur gieftig, sondern auch nicht zu gärben. Es folgen eine ganze Reihe von bemerkenswerten Vorschriften. 35 34 78 1796 bis 1806 Franzosenkrieg Große Kosten. Ammann Joseph Fischer, 1723 -1809 Verzeichnis waß unter meiner Lebens Zeit für bey gangen und wie die Zeitten geweßen seyen. ... 1723 den 30ten Mertzen bin ich gebohren worden und 1806 schreibe ich den 30ten Mertzen (Er war also jetzt 83 Jahre alt. Drei Jahre später ist er am 29. November 1809 gestorben). Es folgen Notizen über die Ernte-Erträge in seiner Jugendzeit, als der Weinbau in Wolfurt noch eine große Rolle spielte. 1739 Dürgen da Mahl nit vill und auch grund biren die allgemacht in das Land kamen. Hier erwähnt Fischer also die Anfänge des Anbaus von Mais und Kartoffeln. Der Name grund biren wurde im Hofsteiger Gebiet bald in Bodo-Biora verändert. 1732 und 1744 drohten Einfälle der Franzosen. 7764 hin ich als Gerichts Amman er wält worden und 12 Jahr anainander. ... 1776 ist Mathis von Ach Amman er wält worden und biß 1783 ist er gestorben, die Jahr 1777 biß 1780 sind gesund und guth geweßen, dan in dem gricht vihle Neue häußer gebauth worden, da bin ich wider durch das mer* zue Luterach als Ammann er wält worden 1784. Mit Bemerkungen über die Franzosenkriege beschließt der Ammann seinen Lebenslauf. Weit hinten im Buch finden sich noch einige Aufschreibungen von seiner Hand: Dl 1500 bis 1805 Liste der Hofsteig-Ammänner (Sie weist aber große Lücken auf.)6 2 1763 Land-Siechenhaus Das gemeinsame Siechen-Haus der Gerichte Hofsteig, Hofrieden, Lingenau, Alberschwende und Sulzberg besitzt Kapitalien in der Höhe von 16 663 Gulden. 3 1764 Todfall von Witwen Das Kloster Mehrerau verlangt mehrmals den weiber fahl, also einen Lehenszins beim Tod einer Witwe. Das Gericht wehrt sich dagegen. 5 1766 bis 1804 Neue Straßen in der LImgebung: / 766 den 2ten Mayen ist die Neye straß yber den schloß berg biß gen wihler in den allgay, der anfang gemacht worden, (über Fluh und Stollen) 1767 ist die Neye straß von der siechen Kapellen in die Statt Bregentz gemacht worden. (Gallusstraße) 1768 den 12ten Herbstmonat hat Man an gefangen die straß von der Bregentzerach brug gegen Lutterach und yber das ridgeg Dorrenbiren z.ue Machen, und ist biß den 23ten Decemberis 1768 gemacht worden, dass Man hat können gar wohl fahren. (Bundesstraße Lauterach-Dornbim) 1769 den 20ten November hat man die straß von der ach brug gegen 36 82 Hardt gemacht oder angefangen und die gemaindt Lutterach und hardt alleinig gemacht. (Von Lauterach über Hard an den Rhein) / 786 hat man die straß von Lutterach durch rikhenbach biß schwartzach undfarnach gemacht (über St. Antone). 1787 im Hornung ist die straß gegen wohlfurth und an der Ach über das unter fehl gemacht worden. 7 1767 Hohenems schwört zu Österreich 7767 den 7ten Mayen ist daß Löbliche Oberambt zue Bregentz auff Hoch Embs gefahren und haben alldortten die Huldigung Eingenommen, daß sie anilzo sollen vorder Österreich der Kayser et König zue gehörig sein, den 8ten Mayen aber zue Lustenau des gleichen. Dan bevor haben sie zum reich in Schwaben gehörth. (Mit der Grafschaft Hohenems gehörten damals auch noch Teile von Dornbirn und der Kellhof Wolfurt direkt zum Reich. Nach dem Aussterben der Emser Grafen im Mannesstamm verlieh Kaiser Franz I. die Grafschaft 1765 an seine Gattin Maria Theresia. Bald danach verkaufte Gräfin Rebekka von Hohenems alle ihre Rechte in Dornbirn am 30. Oktober 1771 für 45 250 Gulden an die Gemeinde Dornbirn. 7 Fast gleichzeitig verkaufte sie am 21. Dezember 1771 den Kellhof Wolfurt, zu dem noch vier Höfe und vielerlei Rechte gehörten, für 4500 Gulden an die beiden Brüder Josepf Fischer, Hofsteig-Ammann, und Johann Fischer, Kellhof-Ammann. 8 Erst jetzt gehörte ganz Wolfurt zu Habsburg-Österreich, das ja den überwiegenden hofsteigischen Teil schon 1451, also mehr als 300 Jahre früher, gekauft hatte.) Fortsetzung der Haus-Chronik durch Joseph Fischers Nachkommen S. 84 1808 bis 1820. Der Sohn Joh. Gg. Fischer, Engelwirt, berichtet knapp von den Fruchterträgen der einzelnen Jahre, ausführlicher über die Teuerung 1817: 1816 ist gar schlechtes Jahr, es hat gar kein Wein und Türgen geben, denn es hat den ganzen Sommer bereits alle Tag geregnet und im herbst früher gefrohren, der Türgen und der Wein ganz erfroren so ist eine große Noht das vihle Leuthefast zugrunde gegangen, so das man in jeder Gemeinde viele Arme hat erhalten und unterstützen Müßen.9 Lebenslauf des Vorstehers Joh. Georg Fischer, 1847 -1918 S. 87 Während sich sein Großvater und der Vater auf wenige Daten beschränkt hatten, erzählt der Adlerwirt nun in bunter Vielfalt auf einem Dutzend Seiten aus seinem Leben. Am Beginn finden sich die Fasnat-Freilichttheater und Militär-Einquartierungen der 50er-Jahre neben Ernteberichten und Getreidepreisen. 1859 ist Krieg gegen Italien ausgebrochen. In einer Schlacht sollen von einem Kaiserjäger Battailon nur noch einige Mann davon gekommen sein. In diesen Jahren hat man immer eine Kirche bauen wollen in Rickenbach. ... 1866 wurde Österreich mit Preusen u. Italien in Krieg gezogen .... die Preusen hatten 37 die neuen Hinterladergewehre u. Österreich die alten .... 1873 kam ein neuer Verdienst mit Stickmaschinen (Blattstich), welcher in früheren Jahren schon hie u. da eine war, immer größer in Aufschwung, bei welchem sehr viel verdient wurde.... 1869 bis 1872 wurde die Eisenbahn bis Bludenz fertig gemacht.... Im Jahre 1873 habe ich die Bräuerei erricht gegen Herbst, so daß am 1. Jänner 1874 das erste Bier zum Ausschänke gelangte u. das Mostausschenken bei uns ausblieb.... meine Wirthschaft bedeutend zugenommen... Im Jahre 1873 wurde ich als 26jähriger led. Mann als Vorsteher für Wolfurt erwählt u. hatte ich dasselbe Amt 2 Perjoden Aus dieser Zeit stammen einige Seiten im Anhang des Buches. Als Gemeinderat war Fischer Kassier für die gemeinsam mit den anderen Hofsteiggemeinden zu erbringenden Beiträge für die Schwarzachtobelstraße. Als Vorsteher legte er dieses Amt 1876 zurück. Als 1864 die Pfarrkirche renoviert wurde, war Fischer als Kassier für die Abrechnungen mit den Handwerkern verantwortlich, auch für die mit dem Dornbirner Malermeister Joh. Kaspar Rick, der die großen Deckengemälde schuf. 1874 war ein ordentlich gutes Jahr, der Wein ist seit 1835 ... nie mehr so gut gerathen. ... Wir bekamen ca. 80 Eimer gleich 44.8 Hecktl. Von 1872 bis 1875 wurde die Zufahrtsstraße zum Bahnhof von Rickenbach aus erstellt, zum größten Theil von J. W. Zuppitiger, ... alles durch freiwillige Beiträge .... braucht man hier keine Hungersnoth mehr zu befürchten, denn die Frucht (Weizen) von Ungarn u. Türken aus Amerika ist billiger als man hier pflanzen kann, denn die Arbeitslöhne sind sehr hoch gestiegen. ... Die Jahre von 1878 bis 1884 sind immer so durchschnitts Jahre in Frucht u. Obst. Der Wein war hier nichts in allen Jahren u. daher habe ich bereits alle Reben ausgerissen. 1884 im Septbr. wurde die Arlbergbahn eröffnet, allwo der Kaiser sozusagen die erste Fahrt machte. 1880 war er auch hier. ... Mir war auch Gelegenheit gebothen persönlich mit ihm zu sprechen. 1880 war es sehr kalt... der See zugefroren ... mit Rennschlitten über den See nach Lindau gefahren. Sehr kritisch stand der von den Konservativen im Jahre 1879 abgewählte liberale AltVorsteher Fischer einem Kapellenbau in Rickenbach gegenüber. Er schreibt ausführlich darüber: 1884 wurde das von Anna Staßia Müller (richtig ist Höfle)l0 in Rickenbach im Jahre 1869 gestiftete Geld zu einer Kirche oder Kapelle per 1000 fl... bis 1884 mit Zinszuwachs auf 1730 fl fällig u. mußte in diesem Jahre mit dem Baue begonnen werden, sonst fiel das Geld zur Kirche in Bildstein. Daher hat Franz Jos. Gmeiner hier, der Verwalter über das Geld war, Veranlassung getroffen, daß der Bau der Kapelle zustande kam u. hat er u. Fischer z- Löwen u. Jos. Ant. Dür, Schmied, ohne anderen 38 Bild 17: Der Adler in Rickenbach, viele Jahre lang Heimat der Familie Fischer. Bewohner von Rickenbach etwas zu sagen, einen Bauplatz gekauft, welcher aber nicht rativizirt wurde u. daher wegen später erfolgten Uneinigkeiten zwischen dem aus sich selbst gebildeten Comite u. dem Verkäufer Franz Xaver Böhler wieder rückverkauft wurde Jetzt wollte man unter der Straße an dem Fußweg vom Löwen gegen Lauterach hien (die heutige Brühlstraße) bauen, allein da war der Grund zu klein .... dann wollte die Kreuzwirthin den Grund hinzugeben in ihrem Gut, aber dieser Grund wurde nicht angenommen, weil er zu nahe bei unserem Haus war u. daher Löwenwirth mit seiner Wirthschaft zu weit entfernt würde, deshalb hat der Löwenwirth den Grund in seinem Gut geben für 300 fl sage dreihundert Gulden u. mußte die alte Mauer der Straße nach ganz abgebrochen werden.... Statt einer Kirche wurde jetzt eine Kapelle gebaut, denn es benöthigte weniger Grund dazu u. so wurde dieses immer von dem selbst bestimmten Comite ohne weitere Anfrage nach ihrem Kopf gebaut u. 1884 im Löwen der Bau versteigert u. hat denselben ein gewisser Malaun v. Bregenz für 1380 fl nur den Rohbau ersteigert u. war bis Ende September 1884 unter Dach gebracht u. sofort die Verputzarbeit übergeben (ohne Versteigerung). Die Zimmermannsarbeit hat Zimmermeister Dür u. Gebh. Schwerzier übernommen u. auch ausgeführt u. die Mauerung hat Franz Malaun in Akort geben u. ist selbe schnell u. fast ohne Kalch aufgeführt worden, so daß man das Einfallen befürchtete u. hat man daher schnell verputzen müssen. Die Bauleiter Gmeiner, Dür u. Löwenwirth Frz. Josef Fischer hatten keine Kenntniß vom Bauen, haben nicht viel nachgesehen u. ist dann der Giebel nicht in Mitte des Gebäudes u. die Fenster sind in der Maurung mehr als 15 Centimeter ungleich u. ist das Gebäude überhaupt etwas verpfuscht, obwohl der Baustiel sehr schön war; den Plan hat Baumeister Pümpel in Feldkirch gemacht. Mit Ende April 1885 war alles zimlich fertig u. hat man im Mai die alltägliche Abendandacht gehalten, wobei es sich erwies, daß die Kapelle um die Hälfte zu klein ist. 39