19911101_Heimat_Wolfurt_08

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Letzte Änderung 27.06.2021, 13:45
Gemeinde Wolfurt
Bereich oeffentlich
Schlagworte: heimatwolfurt
Dokumentdatum 1991-11-01
Erscheinungsdatum 1991-11-01
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Heft 8 Zeitschrift des Heimatkundekreises November 91 Die Post. Das alte Gemeindehaus an der Schulstraße wurde 1965 abgebrochen. Hundert Jahre früher war es ein Zentrum der Schertler-Ziegeleien gewesen. Inhalt: 28. Volkszählungen 29. Strohdorf, Hub und Flotzbach 30. St. Martin vom Strohdorf 31. Schulschwestern 32. Sieben Söhne im Krieg 33. Das Gemeindeblatt DIE AUTOREN: Zuschriften Zu Heft 7 sind eine ganze Reihe von Rückmeldungen eingelangt. Einige bestätigen das Interesse an Mathias Schneiders Texten von 1812, seinem seltsamen Wortschatz, seiner ungewohnten Rechtschreibung. Andere erinnerten sich wieder an Lehrer Köbs «Buben», die sie noch gekannt haben, besonders an den immer zu Scherzen aufgelegten Ludwig, der als Schützenhauptmann, als Kirchenordner, als Ausgeher für die Metzgerei Rist und zuletzt noch als Ansager von Begräbnissen mit allen Wolfurter Gut-Freund war. Aus Lauterach kam ein Brieflein von Höfles Anni, die auch nach vielen Jahren im schönen Lauterach immer noch sieht, daß es dort «eben eben» ist, und sich gerne an ihre Strohdörfler Himmelreich-Bühel erinnert: Vielen herzlichen Dank für die zugeschickten Hefte. Ich hatte eine richtige Freude und gratuliere zu Eurem Heimatkunde-Kreis. Da ich nächstes Jahr ja auch 70 werde, kann ich in vielen Sachen mitdenken und gar Vieles ist in meinem Innersten recht lebendig erhalten. Besonders Lehrers Ludwig (Köb) sehe ich noch vor mir, wie er als Kirchenordner und Festführer bei vielen Anlässen fungierte. Als junges Mädchen machte ich im Postamt Lauterach Dienst. Als Ludwig mit einem Korb voll Würste und Fleisch beim Gasthof Engel mich bei der Heimfahrt am Abend erblickte, lud er mich ein, mit ihm einzukehren und ein Viertele zu trinken. Ich erinnere mich gerne daran, als ob es erst 10 Jahre her wäre. A uch die schönen Bühel sind mir die ersten Jahre sehr abgegangen, denn Lauterach ist eben eben. Grüße an die vielen Schönheiten in Wolfurt! Anni Germann Doppelmayr Arthur zeigte sich am Napoleon-Krieg interessiert. Er erzählt von den Nachkommen des Rußlandheimkehrers Michael Köb, die seine Nachbarn am Rickenbach waren. Die technische Begabung von «Mühlemacher Ferde» war weitum bekannt. Sein Sohn Ferdinand Müller betrieb ein Motorradgeschäft. Er begründete die Firma Gummi-Müller in Bregenz und gemeinsam mit seinem Wolfurter Freund Carl Müller (Kronenwirt) die Alemannia-Reifenfabrik. Die Enkel Dr. Kurt und Ing. Herbert Müller mußten 1942 wieder, wie 130 Jahre früher ihr Vorfahr, als junge Soldaten nach Rußland in den Krieg. Diesmal sind leider keine anderen Beiträge eingegangen. Einziger Autor ist daher Siegfried Heim, geboren 1931 in Wolfurt, Hauptschuldirektor i. R. Die Bilder sind Reproduktionen von Hubert Mohr aus «Wolfurt in alten Bildern», 1983. Bitte! Diesem 8. Heft liegt der 3. Erlagschein des Heimatkundekreises für Konto 87 957 Raiba Wolfurt bei. Bitte, helfen Sie uns mit Ihrer Spende, die Druck- und Versandkosten abzudecken! Weitere Bestellungen erbitten wir schriftlich. Herausgeber: Heimatkundekreis Wolfurt Für den Inhalt verantwortlich: Siegfried Heim, Funkenweg 11, 6922 Wolfurt Satz und Bild: Norbert Mayr, 6922 Wolfurt Druck: Adolf Lohs Ges.m.b.H., 6922 Wolfurt Herzliche Grüße schicken wir Wolfurter wieder hinaus an alle, die ihr Heimatdorf am Steußberg nicht vergessen haben. An alle Leser aber richten wir die Bitte, diese Hefte auch ihren interessierten Freunden zu zeigen. Mit Ausnahme von Heft 2, das leider vergriffen ist, könnten wir noch alte Hefte zur Verfügung stellen. DIE AUTOREN: Zuschriften Zu Heft 7 sind eine ganze Reihe von Rückmeldungen eingelangt. Einige bestätigen das Interesse an Mathias Schneiders Texten von 1812, seinem seltsamen Wortschatz, seiner ungewohnten Rechtschreibung. Andere erinnerten sich wieder an Lehrer Köbs «Buben», die sie noch gekannt haben, besonders an den immer zu Scherzen aufgelegten Ludwig, der als Schützenhauptmann, als Kirchenordner, als Ausgeher für die Metzgerei Rist und zuletzt noch als Ansager von Begräbnissen mit allen Wolfurter Gut-Freund war. Aus Lauterach kam ein Brieflein von Höfles Anni, die auch nach vielen Jahren im schönen Lauterach immer noch sieht, daß es dort «eben eben» ist, und sich gerne an ihre Strohdörfler Himmelreich-Bühel erinnert: Vielen herzlichen Dank für die zugeschickten Hefte. Ich hatte eine richtige Freude und gratuliere zu Eurem Heimatkunde-Kreis. Da ich nächstes Jahr ja auch 70 werde, kann ich in vielen Sachen mitdenken und gar Vieles ist in meinem Innersten recht lebendig erhalten. Besonders Lehrers Ludwig (Köb) sehe ich noch vor mir, wie er als Kirchenordner und Festführer bei vielen Anlässen fungierte. Als junges Mädchen machte ich im Postamt Lauterach Dienst.. Als Ludwig mit einem Korb voll Würste und Fleisch beim Gasthof Engel mich bei der Heimfahrt am Abend erblickte, lud er mich ein, mit ihm einzukehren und ein Viertele zu trinken. Ich erinnere mich gerne daran, als ob es erst 10 Jahre her wäre. Auch die schönen Bühel sind mir die ersten Jahre sehr abgegangen, denn Lauter ach ist eben eben. Grüße an die vielen Schönheiten in Wolfurt! Anni Germann Doppelmayr Arthur zeigte sich am Napoleon-Krieg interessiert. Er erzählt von den Nachkommen des Rußlandheimkehrers Michael Köb, die seine Nachbarn am Rickenbach waren. Die technische Begabung von «Mühlemacher Ferde» war weitum bekannt. Sein Sohn Ferdinand Müller betrieb ein Motorradgeschäft. Er begründete die Firma Gummi-Müller in Bregenz und gemeinsam mit seinem Wolfurter Freund Carl Müller (Kronenwirt) die Alemannia-Reifenfabrik. Die Enkel Dr. Kurt und Ing. Herbert Müller mußten 1942 wieder, wie 130 Jahre früher ihr Vorfahr, als junge Soldaten nach Rußland in den Krieg. Diesmal sind leider keine anderen Beiträge eingegangen. Einziger Autor ist daher Siegfried Heim, geboren 1931 in Wolfurt, Hauptschuldirektor i. R. Die Bilder sind Reproduktionen von Hubert Mohr aus «Wolfurt in alten Bildern», 1983. Bitte! Diesem 8. Heft liegt der 3. Erlagschein des Heimatkundekreises für Konto 87 957 Raiba Wolfurt bei. Bitte, helfen Sie uns mit Ihrer Spende, die Druck- und Versandkosten abzudecken! Weitere Bestellungen erbitten wir schriftlich. Herausgeber: Heimatkundekreis Wolfurt Für den Inhalt verantwortlich: Siegfried Heim, Funkenweg 11, 6922 Wolfurt Satz und Bild: Norbert Mayr, 6922 Wolfurt Druck: Adolf Lohs Ges.m.b.H., 6922 Wolfurt Herzliche Grüße schicken wir Wolfurter wieder hinaus an alle, die ihr Heimatdorf am Steußberg nicht vergessen haben. An alle Leser aber richten wir die Bitte, diese Hefte auch ihren interessierten Freunden zu zeigen. Mit Ausnahme von Heft 2, das leider vergriffen ist, könnten wir noch alte Hefte zur Verfügung stellen. Siegfried Heim Um 1900 sind in Hard und in Wolfurt sehr viele Italiener beheimatet. Die Entwicklung hält bis 1914 an. Der Erste Weltkrieg bringt einen gewaltigen Einbruch: In Hard fällt die Einwohnerzahl vom Rekordjahr 1910 bis zum Kriegsjahr 1923 um 600 ab. In Wolfurt fällt sie in der gleichen Zeit um fast 500. Die Kriegs- und Nachkriegsjahre um 1945 bringen besonders starke Schwankungen durch Verluste, Flüchtlinge und einquartiertes Militär. Darüber habe ich keine Zahlen gefunden. Seit 1951 gibt es alle 10 Jahre genaue Volkszählungen. Weil es dabei um viel Geld geht, müssen die Angaben der Gemeinden von den Oberbehörden manchmal korrigiert werden. Daher finden sich in den Tabellen gelegentlich differierende Angaben. In allen aber zeigt sich das überdimensionale Wachstum der Industriegesellschaft unserer Hofsteiggemeinden «im Tal». Wie willst Du einem Wolfurter Schulkind, das vom Frickenesch aus auf das zersiedelte Feld schaut, beibringen, daß Wolfurt vor 50 Jahren nur 2.000 Einwohner hatte? Und erst Hard! Wie geht das dort weiter? Ist es ein Trost, daß sich nun auch die Berggemeinden Buch und Bildstein über ganz beachtliche Zuwächse freuen dürfen, weil die Talbewohner den hohen Wohnort der intakten Berglandschaft entdeckt haben? Bei allen Klagen sollten wir eines nicht vergessen: Durch viele Jahrhunderte mußten Hofsteiger auswandern, um in fremden Ländern als Maurer, Taglöhner, Söldner oder auch Bettler ihr tägliches Stück Brot zu bekommen. Nun dürfen wir es daheim verdienen! Es ist sogar noch genug für andere da. Gott sei Dank! Volkszählungen in Hofsteig Im Mittelalter war im montfortischen Gebiet am Steußberg das Gericht Hofsteig entstanden, in das im 18. Jahrhundert auch das Gericht Kellhof-Wolfurt integriert wurde. Innerhalb des 60 km2 großen Gerichtes bildeten sich vom Berg bis zum See feste Dorfgemeinschaften, die seit der Flurverteilung im 18. Jahrhundert auch gegenseitig anerkannte Grenzen und eigene Verwaltung besaßen. Sie alle unterstanden aber dem gewählten Hofsteigammann und den k. k. Behörden. Die Flächen waren verschieden groß und zwischen Wald und Riedsumpf unterschiedlich ertragreich. Seit Maria Theresias Zeiten gab es in den sechs Hofsteiggemeinden die ersten «Seelenbeschriebe» durch die Pfarrer, also erste genaue Aufschreibungen und Zählungen. Eine ältere Zählung liegt nur von 1594 vor. Sie erfaßte allerdings nur die Häuser. Damals hatte Hard 63, Lauterach 95 und Wolfurt 70 Häuser. Demnach dürfen wir die Einwohnerzahl im ausgehenden 16. Jahrhundert für Hard mit 350, Lauterach 530 und Wolfurt mit etwa 390 annehmen. Seither haben sich die Realitäten ständig verändert. Die älteste Vergleichsstatistik findet sich bei Mathias Schneider, der für die Bayern 1807 Konskriptionslisten anlegen mußte. Spätere Zahlen stammen aus offiziellen in Zeitungen verlautbarten Tabellen. Vergleichen Sie die umseitigen statistischen Zahlen und Kurven! Was da alles auffällt! 1807 gehört Bildstein zu den vier «großen» Hofsteiggemeinden, während Schwarzach noch klein und daher auch noch keine ständige Pfarre ist. Wolfurt liegt an der Spitze. Gleichmäßiges Anwachsen der bäuerlichen Bevölkerung bis 1837. Aber Hard hat durch seine Jenny- und Schindler-Fabriken die anderen überholt. Um 1880 ist auch Schwarzach groß geworden, während die Leute vom «Berg» aus Buch und besonders aus Bildstein ins Tal ziehen. 2 3 4 5 Siegfried Heim Strohdorf, Hub und Flotzbach Anmerkungen zu einem Dorfgeschichtevortrag am 14. Mai 1991. Spetenlehen mehr Verkehr brachte. Aber Sattler, Seiler, Schmiede, Wagner Wirte profitierten davon. Der Verkehr verschwand, als Kaiserin Maria Theresia 1768 die neue «Landstraße» von Lauterach durch das Ried nach Dornbirn bauen ließ. Nur ein paar Säumer in den Bregenzerwald und die Wallfahrer nach Bildstein belebten das nun abseits liegende Wolfurt noch ein wenig. Die Handstickerei der Frauen und die Webstühle der Männer brachten wenigstens eine kleine Einnahme. Fast jedes Haus hatte einen Webkeller. Die Weber wurden aber um 1840 alle durch die Konkurrenz der Fabriken arbeitslos. Die Not zwang viele zum Auswandern nach Amerika. Aus jedem dritten Haus zog ein junger Mann, selten auch ein Mädchen, in die Ferne. Allein aus dem Strohdorf waren es 23 Personen, dazu 11 aus der Hub, die sich auf den Weg nach Amerika machten. Von den meisten hat man nie mehr etwas gehört. Als Beispiel nenne ich die Familie Fischer. Nikolaus Fischer, ein Sohn aus dem heutigen Sternen an der Wälderstraße, hatte 1841 geheiratet und sein neu erbautes Haus im unteren Strohdorffeld (heute Dür, Wälderstraße 10) bezogen. Seine Frau Anna Geiger gebar jedes Jahr ein Kind. Das Brot reichte bald nicht mehr für die vielen hungrigen Mäuler. 1853 mußten Fischers ihr schönes Haus verkaufen. Am 22. April nahmen sie Abschied vom Strohdorf. Was muß das für ein Auszug gewesen sein! Neun Kinder - der älteste Bub war gestorben - : Rosa 12 Jahre, Sophie 9, Nikolaus 8, Maria 7, Joh. Georg 6, Katharina 4, Barbara 3, Anna 2, das kleine Agathle gerade ein halbes Jahr alt. Wo mögen sie im fernen Land ein Dach gefunden haben? Im Jahre 1838 hatten die Bregenzerwälder statt der beiden Saumwege über Berütter-Buggenegg und Linzenberg-Farnach endlich die vielbestaunte und gefährliche Fahrstraße durch das Schwarzachtobel bekommen. Gleichzeitig wurde in Wolfurt die Wälderstraße vom Strohdorf nach Lauterach gebaut. Rasch entwikkelte sich ein bedeutender Frachtverkehr. Da konnte auch ein tüchtiger Wirt ein Geschäft machen. Aus Bildstein-Geißbirn war 1842 der junge Jakob Böhler ins Tal gekommen und hatte sich als Steinmetz, Maler und Bildhauer einen Namen gemacht. Nun baute er den «Stern» zu einem großen Gasthof aus und betrieb dort auch eine Bäckerei und einen Gemischtwarenhandel. Sein Sohn Eduard Böhler, Sternenwirt und Bäckermeister, wurde dazu noch ab 1872 Postmeister. Der Stern war nun Post-Station für die Kutsche in den Bregenzerwald. Der Wirt gründete 1874 auch den ersten Veteranenverein des Landes. Neben den Fabrikanten Louis Schindler aus Kennelbach und Johann Gaßner aus Bludenz gehörten auch Geistliche und hohe Offiziere wie Feldmarschall-Leutenant Ritter von Burlou-Ehrwal aus Bregenz zu den Mitgliedern. 7 Eine Gemeinschaft wächst Im Laufe der Geschichte haben sich in Wolfurt zwei Dörfer entwickelt: das Kirchdorf aus dem staufischen Kellhof und Rickenbach aus dem montfortischen Hof zu Steig. In den letzten 200 Jahren versuchte man, mit Schule und Gemeindeamt im Strohdorf eine Klammer zwischen den beiden Ortschaften zu schaffen. Im Jahre 1760 gab es im Strohdorf um den alten Brunnen erst 14, am Eulentobelbach an der Hub 18 Häuser. Dort vermurte der wilde Bach manchmal die Straße. Daher heißt es im Hofsteigischen Landsbrauch von 1571: Item die Inhaber der Hueb sein schuldig den bach ob der strass vom brunnen an der Hueb bis an Speetenlehen dermassen zeleiten und zefüeren, damit der strass und sonsten niemands kain schaden widerfahre. Die Hochwässer von Holzerbach, Himmelreichbächlein und Eulentobelbach schütteten fruchtbare Lehmböden in die sumpfige Ebene. Darauf bauten die ersten Strohdörfer und Hübler Dinkelweizen und Haber an. Erst allmählich rodeten sie vor 1000 Jahren die sonnigen Bühel am Rebberg und im Himmelreich bis hinauf ins Frickenesch. Und noch viel später begannen sie mit der Entwässerung der Riedsümpfe, wo im «Nöü-Wiasa» und im «Wit-Riod» etwa ab 1750 «Türggo und Bodo-Biora» angebaut wurden. Am Südhang des Frickeneschs gedieh Wein und zwar der recht herbe weiße "Bregenzer" für die Bregenzer Herren. Erst 1729 konnten die Hofsteiger den sonnigen Rebberg kaufen. Sie nannten ihn «Narrenberg», wohl weil die schwere Winzerarbeit dort oben zuletzt kaum mehr Ertrag brachte. Um 1880 riß man die letzten Reben aus. Ursprünglich waren alle Häuser nur an der alten Römerstraße am Berghang gestanden. Daran änderte sich auch nichts, als mit Kaiser Maximilians Brücke von 1518 die Reichsstraße von Lauterach her über St.Antone und Unterhub nach 6 Bei der Fronleichnamsprozession kommandierte der schneidige Hauptmann manchmal über 100 Schützen. Auch bei den großen Freilicht-Theatern in Wolfurt war der-Sternenwirt unentbehrlich. Weil man den Frauen im Dorf damals noch den Zutritt zur Bühne verwehrte, spielte meist der Wirt die weibliche Hauptrolle, zum Beispiel 1875 in Schillers «Jungfrau von Orleans». Überhaupt war der Stern jetzt Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Jeden Sonntag trafen sich hinten in der Weinstube Pfarrer Sieber, AltvorsteherMartin Schertler, Gemeindearzt Dr. Eisler, Oberlehrer Rädler und Organist Fidel Kalb, der später unter dem neuen Namen Fidel Kirchberger Vorsteher wurde. Mit einigen Gleichgesinnten wurde Dorfpolitik gemacht. 1899 wurde hier im Sternen der Katholische Arbeiterverein gegründet, der bald mit seinen Sektionen Turnerbund, Jugendhort, Redeklub und Theatergruppe das Gemeindegeschehen wesentlich mitgestaltete. 1913 begann man mit dem Bau des Vereinshauses, das aber wegen des Weltkrieges erst 1922 fertig gestellt werden konnte. lernten. 1830 mußte im Stadel eine dritte Klasse eingebaut werden. Als auch diese nicht mehr ausreichte, wurde im unteren Strohdorf am «Holzer Bach» 1872 für 10.000 Gulden ein neues Schulhaus gebaut. Das alte wurde als Armenhaus und Turnraum verwendet und schließlich verkauft. Franz Pichler hat ihm vor ein paar Jahren ein völlig neues Gesicht gegeben (Hofsteigstraße 8). Ins neue Schulhaus zog mit den Barmherzigen Schwestern von der Kettenbrücke und Oberlehrer Wendelin Rädler ein neuer Geist ein. Neben Beten, Lesen, Schreiben, Rechnen und Singen lernten die Mädchen jetzt auch Stricken, Flicken, Nähen, Kochen und Gartenarbeit. Die Buben übten sich in Baumpflege, Bienenzucht und Milchwirtschaft. Oberlehrer Rädler gründete im ganzen Land Sennereien und Raiffeisenkassen und unterrichtete die Bauern unermüdlich in Vorträgen und einer eigenen Zeitung. Er sorgte dafür, daß 1882 in der Schule eine Gemeindekanzlei eingerichtet wurde. Vorsteher Joh. Martin Schertler arbeitete dort mit seinem Neffen Lorenz Schertler aus dem Flotzbach eng zusammen. Lorenz war ein ausgezeichneter Schreiber und ein Organisationsgenie, der seinem Onkel 1885 bis 1901 als Vorsteher nachfolgte. Seine Arbeit war so geschätzt, daß ihn die Wolfurter in der Not nach dem Weltkrieg von 1919 bis 1924 noch einmal zum Bürgermeister machten und ihn sogar in den Landtag wählten. Jetzt war also das Strohdorf mit Schule, Gemeindeamt und Vereinshaus endgültig der politische und kulturelle Mittelpunkt der Gemeinde geworden. Musik, Turner, Feuerwehr, Theater und Gesangverein blühten auf. Die durch Tradition und jahrhundertelange Geschichte getrennten Kellhofer und Hofsteiger, die Rickenbächler und Dörfler wuchsen zur Gemeinschaft der Wolfurter zusammen. Nach dem Bau der Eisenbahn von 1872 hatten Importe von Getreide, Wein und Kohle die alten Strukturen der Landwirtschaft zerstört. Der Weinbau am Rebberg und die Getreidefelder im Strohdorf und Flotzbach waren verschwunden. Aber Lehrer Rädlers Umerziehung zu Milchwirtschaft und Obstbau trug Früchte und gab Selbstbewußtsein. Daher entstanden jetzt 1891 gleichzeitig die großen und auch teuren Sandsteinbrunnen im Strohdorf und an der Hub. Freiwillig schlossen sich Brunnengenossenschaften zusammen, zahlten ihre Anteile und schufen in schwerer Fronarbeit Wasserfassungen aus Lehm und Beton. Brunnenmacher Ferdinand Gasser aus Meschen legte die hölzernen Düchelrohre. Schmied Eduard Köb und Installateur Josef Köb setzten schließlich eiserne an Stelle der morsch gewordenen hölzernen Brunnensäulen. Unter Aufsicht erfahrener Brunnenmeister pflegten die Nachbarn der Brunnen den jeweiligen «Tränktrog» und putzten auch den «Sudeltrog». Durstige Schulkinder und Wanderer schätzen die Brunnen heute sicher am meisten, aber die ganze Gemeinde freut sich, daß hier Seit 1778 wurde im Strohdorf Schulunterricht gehalten. Gegen den Willen der bäuerlichen Bevölkerung hatte Maria Theresia die Normalschule beschlossen. Unter Zwang errichteten die Wolfurter als südlichstes Haus im Strohdorf 1777 ein kleines Schulhaus, wo in zwei Stuben alle Wolfurter Kinder Lesen und Schreiben Schertlers Seppl um 1940 mit dem ersten Traktor im Flotzbach. 9 8 (Ludwigos) am Weg ins Flotzbach verkauften neben Nähsachen ein paar «zückerne Krömle». Schließlich kam mit der neuen Zeit auch ein Supermarkt ins Strohdorf. Seit 1953 wurde ununterbrochen am Schulhaus gebaut und erweitert. Heute deckt es mit Spielplätzen und Sporthalle eine riesige Fläche von fast 3 Hektar. Die alte Volkschule, deren Glöcklein einst den Arbeitsrhythmus im ganzen Dorf bestimmte, wurde 1979 abgebrochen. Die Hauptschule und mit ihr Musikschule, Bürgermusik, Sportvereine und Gemeinde bekamen großzügige Räume. Die Sporthalle von 1984 ist ein Vorzeigestück der Gemeinde geworden. Das Gemeindeamt selbst hat seit 1967 ein eigenes schwarzes Rathaus mit weißem Wolf. Dort ist auch Platz für die Post und für den erst 1977 eingerichteten Gendarmerieposten. Seit 1982 nennt sich Wolfurt Marktgemeinde. Marktgemeinde mit dem Mittelpunkt im Strohdorf, das nun nicht nur Kirchdorf und Rickenbach verbindet, sondern auch das ferne Wida, das Hinterfeld, das Kella und den Güterbahnhof verwaltet und versorgt. Aus dem Strohdorf kommt auch das köstliche Wolfurter Wasser, zuerst ab 1953 aus dem alten Pumpwerk bei der Schule, dann seit 1983 aus dem modernen Wasserwerk am Gänsbühel. Das lebensspendende Wasser, das zuerst die Hübler und Strohdörfler Bauern zu Brunnengenossenschaften verbunden hat, sollte uns alle in die Verantwortung für die Gemeinschaft Wolfurt einbinden. Steinhauers Gebhard vom Strohdorf, der langjährige Gemeindediener am Pumpbrunnen. noch klares Quellwasser sprudelt, während etwa die großen Brunnen im Dorf und zu Unterlinden dem Autoverkehr geopfert worden sind. Wie überall wechselten auch bei den Leuten am Brunnen gute und schlechte Zeiten. Die Stickerei hatte um 1907 viel Geld gebracht, aber auch lockere Sitten. Es folgten Not und Tod der Weltkriege, Arbeitslosigkeit und eine neuerliche Auswanderungswelle um 1924 nach Amerika. 1926 übersiedelte die Post vom Stern in das steinerne Gemeindehaus. Unter dem Vordach bediente Altvorsteher Ferdinand Köb die riesige Brückenwaage. 1928 zogen auch die Kreuzschwestern Theodora und Epiphania ein, die als Krankenpflegerinnen und Tröster in der Sterbestunde Wunderbares vollbrachten. Im Gasthof Stern folgten auf Böhler-Sternenwirts Köb-Sternenwirts, dann Keckeisens und schließlich Fischers. Da gab es ein Volksbad, eine Großmosterei, die erste Eismaschine. Auf Zwangseinquartierung im Krieg folgten neuer Glanz, die Kegelbahn, Metzgerei und Laden. Der Maler Albert Köb hatte 1903 die alte Schmiede am Strohdorf-Brunnen zu einer Stickerei umgebaut und dann 1911 zu «Molars Lado». Da gab es alles, was Kinderaugen begehrten: Sidobollo, Beorodräck, Leozeolto und vor allem Katzim-Sack. Konkurrenzläden gab es zuerst in Metzlers Lädele und dann bei Festinis. Auch Frau Meusburger im alten Haus am Strohdorfbrunnen und Frau Schwärzler 10 Ein paar Namen Ein paar Leute, die sich besonders für die Gemeinschaft eingesetzt haben, sollten nicht vergessen werden. Ich nenne zuerst ein paar Brunnenmeister und ihre wichtigsten Helfer. Am Strohdorfbrunnen trugen vor 100 Jahren Joh. Georg Rohner (Instrumentenmachers Urgroßvater), der Schmied Andreas Böhler (damals in Malers Haus), Johann Brauchle (Hofsteigstr. 3) und der Wagner Joh. Martin Gmeiner (Wälderstraße 1) die Verantwortung. Dann folgen Sternenwirt Eduard Böhler und der «Frickenescher» Johann Gmeinder, dessen Nachkommen noch heute für den Brunnen sorgen. Viele Jahre kümmerten sich Instrumentenmacher J. A. Rohner, Anton Haneberg (Hofsteigstr. 1) und Paul Köb (Malers) um klares Wasser, wie es deren Nachkommen auch heute noch tun. Am Hübler Brunnen war vor dem ersten Weltkrieg Josef Höfle Brunnenmeister. Als sein Haus (Eulentobel 1) 1918 abbrannte, zog er ins Kirchdorf. Fridolin Albrecht (Hofsteigstr. 20) übernahm die Leitung. An seiner Seite arbeitete als 11 Organisator unermüdlich viele Jahre Karl Schwärzler, Liberats. Brunnenmeister waren ab 1927 Gebhard Klocker, Seilers, 1928 Josef Schwärzler, Schneider in Hofsteigstr. 24, und ab 1934 Johann Gmeinder, Frickeneschers, der das wichtige Amt mehr als 30 Jahre innehatte. Seit 1967 ist Karl Köb, Schmieds, Brunnenmeister. Er wird unterstützt von Karl Bellmann, der die alte Hübler Sennerei beim Brunnen zu einem schönen Wohnhaus umgebaut hat. An der Nordgrenze von Strohdorf steht als erstes Haus von Unterlinden das Schertler-Haus seit über 200 Jahren im Besitz von «Altvorstehers» (Kirchstr. 11). Es gehörte einst dem Hofsteiger Schützenmajor Jakob Schertler (1749-1822). Von seinen 18 Kindern eroberten zwei Söhne mit ihren Familien ab 1814 zuerst das Röhle und dann die Ach, wo sie mit Ziegeleien und Kalkwerk die heutigen Firma Rädler begründeten. In den Ziegeleien wurde Lehm aus dem Flotzbach mit Holz aus der Ach gebrannt. Als die Eisenbahn billige Kohle ins Land brachte, erkannten Josef Anton Schertler und seine tüchtigen Söhne Jakob und Lorenz die Chance und bauten eine Großziegelei zu den Lehmlöchern. Schon 1851 hatte Vorsteher Martin Schertler das große steinerne Haus an der Kreuzung mit der Wälderstraße gebaut, das wir als «Post« gegenüber der Schule in Erinnerung haben. Es diente als Frachtstation und Verwaltungszentrum. Hier kamen seine Neffen Jakob und Lorenz zur Welt. Aber schon 1874 übersiedelten sie in ihr neues Haus im Flotzbach und erwarben dort in den folgenden Jahrzehnten weitere Häuser und riesigen Grundbesitz. Von Conrad Doppelmayr, damals noch ein kleiner Schlosser in Hard, ließen sie sich 1885 eine große Hydraulik-Dampf-Ziegelpresse konstruieren. Damit erwarben sie sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den vielen anderen Ziegeleien im Land. Riesige Lehmlöcher öffneten sich und wurden später «Krotto-Löchor» - heute würde man sie Biotope nennen. Sie dienten der Jugend als Eisplätze und wurden um 1960 die riesigen Müllhalden der Gemeinde. Heute deckt sie gnädiges Grün zu. Die Familie Schertler war fast immer im Gemeinderat vertreten und stellte bedeutende Bürgermeister. 1850-53 Erbauer der «Post» Schertler Joh. Martin Schertler Josef Anton 1872-73 Erbauer der Volksschule Schertler Joh. Martin 1879-91 Gemeindeamt Schertler Lorenz 1891-1901 und 1919-24. Nach ihm ist eine Straße im Flotzbach benannt. Das Doktorhaus an der Hub und die Schulstraße um das Jahr 1935 Außer gutem Wasser braucht man in Wolfurt auch einen guten «Doktor» Das Doktorhaus stand früher auf der Kreuzung beim Sternenplatz. Dort praktizierte zu Napoleons Zeiten der Gemeindearzt Georg Gmeiner. Seine Frau half ihm als Hebamme. 1827 übergab er die Praxis seinem Schwiegersohn Martin Rohner, der noch mit Napoleon in Rußland gewesen war (Siehe Heimat 7, Seite 21). Diesem folgte als Arzt sein Sohn Ferdinand Rohner. Noch eine ganze Reihe von Ärzten versorgten die Wolfurter, bis die Gemeinde 1903 ein eigenes Doktorhaus an der Hub erbaute (Schulstr. 12). Dort arbeiteten viele Jahre lang Dr. Eugen Lecher und nach ihm Dr. Lothar Schneider. Dieser verlegte seine Praxis an die Unterlindenstraße. Das Dr. Rohner-Haus war zuletzt viele Jahre lang Sitz der Raiffeisenkasse. Als es 1949 abbrannte, wanderte die Bank in mehreren Schritten ins Dorf hinein. Also hat das Strohdorf mit Arzt und Bank auch wichtige Institutionen verloren. 12 Den Anfang der Besiedlung im Flotzbach, das damals noch das große Weizenfeld für die Hub war, machte um 1790 der Steinhauer Johannes Rohner. Er brach sein altes Elternhaus im Eulentobel ab und erbaute ein neues am Anfang der Unterhubstraße. Sein Sohn Andreas Rohner (1791-1857) war dort seit 1811 verheiratet. Seine Frau Anna gebar ihm in 20 Jahren 15 Kinder. Alle fünfzehn starben schon als Kleinkinder. Andreas Rohner gründete 1816 die erste Wolfurter Musik und war lange ihr Kapellmeister. Als alter Mann baute er 1850 noch ein schönes neues Haus an der Flotzbachstraße (Nr. 8, Schwärzlers). Sein altes ist 1895 abgebrannt. Vielleicht sollten wir uns manchmal an den Kapellmeister Rohner erinnern, an seine Frau und die 15 Kinder, wenn wir an Schwärzlers schönem Garten vorbei gehen! 13 Zur Bayernzeit waren auch Arnolds und Schertler Lenas Haus und bald danach Ruschs gebaut worden (Nr. 9, 11 und 15). Ins untere Flotzbach war aber als erster 1819 ein Crispinus Gmeiner vorgestoßen (jetzt Nr. 18, Elmar). Erst 1872 hatte er in Jakob Köb, dem Stammvater der Bäschle-Köbs (Nr. 20) einen Nachbarn bekommen, ehe 1874 als drittes Schertlers Haus (Nr. 16, Helmut) gebaut wurde. Im gleichen Jahr 1874 wurde auch noch im «Speck», das ist ganz weit unten im Ried an der damals neuen Eisenbahn, ein winziges Bahnwärterhaus erbaut. Dort lebte die große Familie Joh. Georg Köb (t 1908), aus der sich die Wolfurter Sippe der «Bahwächtar»-Köbs ableitet. Die Tochter Agatha begründete mit Josef Bernhard Mohr die größte Hübler Familie, Mohrs «a dor ussoro Huob». Sie ist 1917, als ihr Mann im Kriegseinsatz in den Dolomiten stand, von sieben kleinen Kindern weg ganz plötzlich gestorben. Gmeiner wurde unten an der Wälderstraße die Mutter von Zehrers Hans-Irg und von Zehrers Marte. Wir erinnern uns noch gerne an seine elektrische Türkenmühle und an den ersten Fernseh-Apparat in Wolfurt. Der Zimmermann Josef Anton Gmeiner erbaute 1873 sein Haus neben der Schule (das 1982 für die Sporthalle abgebrochen wurde). Seine Söhne «Knore» Hansmarte und «Disjockeles» Albert gaben das Handwerk auf und wurden Sticker. Hansmarte Gmeiner betrieb im Stammhaus der Gmeiner, gegenüber vom Stern, seine Wagnerei bis zum ersten Weltkrieg. Dann übergab er das Haus seinem Schwiegersohn, dem Vorsteher Ferdinand Köb. Von seinen zahlreichen Nachkommen macht neuerdings Professor Edelbert Köb als Leiter des zukünftigen Kunsthauses in Bregenz von sich reden. Ein weiterer Sohn aus dem Wagnerhaus war Gebhard Gmeiner, der Steinhauer, der 1880 gegenüber der Schule sein Haus aus Stein aufmauerte. Sein Sohn Gebhard Gmeiner schellte noch viele Jahre als Gemeindediener wichtige Nachrichten im Dorf aus. Zahlreich verbreitet sind die «Kassiänler», die auf den Schwarzacher Kassian Schertler zurückgehen. 1852 erwarb er das Haus Hofsteigstraße 16 und zog zehn Kinder groß, die in die verschiedenen Nachbarfamilien einheirateten. Als das Haus 1926 abbrannte, baute es sein Enkel Johann Gmeinder wieder auf, der später 33 Jahre lang Brunnenmeister an der Hub war. Dabei arbeitete er mit Engelbert Gasser, dem Milchmesser in der Sennerei zusammen. Auch die Gasserbrüder aus Meschen belebten mit ihrer fröhlichen Art das gesellige Leben an der Hub. Engelbert hatte 1921 ein Buch «Sechs Jahre Sibirien» geschrieben und von seiner abenteuerlichen Flucht über Wladiwostok und den indischen Ozean berichtet. Der Schreiner Albert Gasser «Fixenatte» war ob seines schlagfertigen Humors weitum bekannt. Der «Wanderlehrer» Josef Anton Gasser erhielt für seine Verdienste um die Sticker-Ausbildung den Titel Professor. Sein Enkel «Sigi» Gasser ist heute Bürgermeister der Landeshauptstadt Bregenz. Noch unzählige Geschichten berichten die alten Bücher im Archiv von den Schicksalen der Familien von Strohdorf und Hub. Weit mehr noch wissen deren Nachkommen. Gerne möchte ich ein anderes Mal noch einiges nachholen. Fast 100 Namensträger Mohr gibt es heute in Wolfurt. Sie stammen alle von jenem Jakob Mohr, der um 1750 aus Schwarzach ins Eulentobel kam. Sein Sohn Sebastian baute dreißig Jahre später das Stammhaus der Mohr an der Hofsteigstraße (heute Nr. 10, Ratzers). Von dort aus teilte sich die Sippe. Mohr Michael (1823-1913) begründete an der Kellhofstraße die Dörfler-Mohr, von denen wir stellvertretend den Lehrer Mohr und den Ehrenringträger Hubert Mohr mit ihren vielen Verwandten nennen. An der Hub aber ließ sich der Kaiserjäger und Kamm-Macher («Kampler») Josef Mohr (geb. 1807) nieder, dessen Enkel Josef Bernhard Mohr (1868-1942) mit sieben Kindern aus seiner ersten Ehe mit Agatha Köb und weiteren sieben aus seiner zweiten mit M. Anna Arnold besonders zahlreiche Nachkommen hinterließ, zu denen auch Bürgermeister Erwin Mohr gehört. Eine wichtige Schwärzler-Familie (mit «ä») lebte ab 1874 im Haus Hofsteigstr. 15 (Festinis), der Maurer Josef Schwärzler mit seinen 13 Kindern. Sohn Liberat erwarb das alte Doppelhaus, aus dem 1893 die Familie Rusch nach Amerika ausgewandert war, und vereinigte es zum Haus Flotzbachstraße 1. Sohn Josef Schwärzler, Schneidermeister, ließ sich mit seiner Frau Agatha Schwärzler zuerst im Loch an der Kellastraße in Rickenbach nieder, ehe er mit seinen sieben Kindern wieder an die Hub zurückkehrte. «Schnidars Bänkle» vor dem Haus Hofsteigstraße wurde ein beliebter Treffpunkt für junge Leute. Noch ein dritter Schwärzlersohn, Ludwig, erwarb ein Haus an der Hub (Flotzbachstr. 8), wo er eine große Stickerei einrichtete. Seine Frau Josefa betrieb dort in den dreißiger Jahren auch eine kleine Handlung. Aus Alberschwende hatte sich schon um 1725 ein Georg Gmeiner im Strohdorf festgesetzt, dessen Nachkommen wir als tüchtige Handwerker kennen. Johanna 14 15 Die alten Häuser von Strohdorf und Hub 1. Skizze nach dem Seelenbeschrieb von 1760. Nur schwer findet sich ein Neu-Wolfurter auf der beigefügten Skizze zurecht. Keine Schule, kein Gasthaus, keine Handlung! Dafür Bäche, Weinberge, Weizenfelder. 14 Häuser um den Strohdorfbrunnen, 18 im Eulentobel und an der Hub. Ab jetzt begann die Besiedlung der Felder. Die ersten Hausnummern hatte Pfarrer Feurstein 1760 in sein Buch eingetragen, insgesamt 150 Nummern vom Dorf bis nach Rickenbach. Strohdorf bekam 81 bis 94, Hub 95 bis 112. 2. Skizze nach dem Häuserverzeichnis von 1900 Weil immer wieder neue Häuser gebaut worden waren, gab es im Jahre 1900 zum fünften Mal neue Nummern, insgesamt 290. Die Nummern 153 bis 183 zählte der Gemeindeschreiber zum Strohdorf (31 Häuser), 184 bis 213 zur Hub. Weil er aber 202 bis 207 (6 Häuser) als Flotzbach separat bezeichnete, blieben für die Hub demnach noch 23 Häuser. Die Weinberge und die Weizenfelder sind verschwunden. Die neue Wälderstraße hat die alte Reichsstraße durch die Unterhub abgelöst. Auch Schulstraße und Flotzbachstraße sind wichtig geworden. Der Eulentobelbach ist an der Hofsteigstraße und im Flotzbach in ein neues Bett verlegt worden. Strohdorf: 153 + 154 Doppelhaus Schneider-Schelling. «Kaufmanns» ist am 8. Nov. 1935 abgebrannt. 155 Böhler Wilhelm, Schmied. Später «Schellings». 156 Schwerzler. «Murars» wurde um 1960 abgebrochen. 157 Höfle. «Der rich Höfle», später Metzgerei Fischer. Abgebrochen am 21. Nov. 1973 für die Rebberg-Garage. 158 Rohner, später Böhler. Das Doktor Rohner-Haus beherbergte auch die «Kassa». Es ist 1949 abgebrannt. 159 Böhler. Der wichtige Gasthof «Sternen». Post, Bäckerei, Handlung. 160 Lenz, später Schmied Köb. Abgebrochen 1983. Vereinshaus fehlt noch. (Erst 1913 gebaut!) 161 Zehrer. Mühle. Abgebrochen 1979. 16 17 Köb. «Briefbot Köbs», jetzt Dür. Albinger. Schreinerei. Abgebrochen 1979 zur Straßenbegradigung. Zweite Volksschule von 1872. Abgebrochen 1979 für Kultursaal. Gmeiner. «Knores». Abgebrochen 1982 für Sportplatz. Gmeiner. «Steinhauers». Gmeiner. Später Gemeindehaus und Postamt. Abgebrochen 1965 für Gemeindehaus. 168 Gmeiner. Wagner. Später «Sternowirt Köbs». 169 Vorklärer. Bildstein-Schmiede, später «Molars Lado». 170 + 171 Doppelhaus Schwerzler-Brauchle, später «Hanebergs» und «Ratzars«. 172 Brauchle. Jetzt Berchtolds. 173 Rohner. Das Haus am Strohdorfbrunnen. «Instrumentomachars». 174 Gmeinder. «Frickoneschars«. 175 + 176 Rohner-Lenz. Das baufällige «Salomoneum« - Doppelhaus wurde schon 1920 abgebrochen. 177 Lenz. «Flatzos Hüsle». Abgebrochen um 1950. 178 Schertler. «Kassians» ist 1909 und noch einmal 1913 abgebrannt. 179 Wacker. Hier lebte im Jahre 1900 die Familie des Bregenzer Künstlers Rudolf Wacker. Später «Festinis». 180 Rünzler. Steinmetz-Betrieb. Früher «Metzlers Lädele«, später «Flatzo Beppes» Fahrradgeschäft. 181 Erste Wolfurter Volksschule, dann Armenhaus. Jetzt Pichler. 182 Winder. Später Fischer, jetzt Ratzer. 183 Hopfner. Später «Festinis», Handlung. Abgebrannt 1913. 162 163 164 165 166 167 Hub 184 Bildstein. Abgebrannt 6. Aug. 1913. Später erstes Wolfurter «Cafe« Franz Boch. 185 Böhler. «Sternowirts Hans-Irg». Abgebrannt am 17. März 1902 und noch einmal am 19. Aug. 1913. Später «Hans-Irgo Georg«. 186 Höfle. Abgebrannt 1918. Jetzt Winder. 187 Gmeiner. Später Simma. Abgebrochen 1950 (?). 188 Wohlgenannt. Abgebrochen 12. März 1902. 189 Stenzel. Später Kressers Seppl. 190 Gmeiner. «Lislos». Später «Wanderlehrer» Gasser. 191 Klocker. Früher das Haus des Vorstehers F. Josef Halder, später «Soalars». 192 Schertler. Stammhaus der «Kassiänler». Später Gmeinder. Abgebrannt 22. Okt. 1926. 193 Klocker. Stammhaus der «Glaser« Klocker. 194 Albrecht. Jetzt Höfle. 18 19 195 Widmer. Später Küfer Köb Friedrich, dann «Schmieds Karle». 196 Sennerei Hub. Das Haus am Hübler Brunnen. An der Straße ist der Eulentobelbach seit 1931 verrohrt. 197 Schwärzler. «Schnidars». 198 Höfle. «Hermannos». 199 Fischer. «Schnidarles Hannes«. Jetzt Eberle. 200 Fischer. «Schnidarles Rudolf«. Abgebrannt 18. März 1955. 201 Lüber. Das Haus des Kapellmeisters Andreas Rohner. Später Schwärzler «Ludwigos». 202 Schwerzler. «Tirolars». 203 Schertler. Verwaltung der Flotzbächler Ziegelei. Später «Schädlars Seppl». Frächterei. 204 Schertler. «Schädlar Jokobos». 205 Köb. «Bäschles». 206 Bahnwärterhaus. Weit draußen im Ried. Abgebrochen um 1960. Z Die Ziegelei hatte wie alle Stadel und Schuppen keine Nummer. 207 Schertler. Hier wohnte später die Familie Rusch. Abgebrochen um 1980. 208 Schertler. Das Haus des Bürgermeisters Lorenz Schertler. «Lenas». 209 Arnold. Jetzt Mohr. 210 Lenz. Später Loitz. «Luitzos«. Jetzt Sinz. 211 Schwärzler. «Liberats». Früher ein Doppelhaus. 212 Höfle. «Des alt Küofarle» wurde 97 Jahre alt. Später Dietrich «Hansmarte». Abgebrochen 1978. Den um das Jahr 1900 an die Straße verlegten Eulentobelbach hat man 1931 wieder in seinem alten Bett hinter dem Haus verrohrt. 213 Mohr. «Kamplar»-Mohrs. Das ältere Mohr-Haus im Garten gegen die Krone war schon 1879 abgebrochen worden. Siegfried Heim St. Martin vom Strohdorf Der Heilige Martin (317-400 n. Chr.) wurde in Ungarn geboren und kam als römischer Reiteroffizier nach Gallien. Er ließ sich taufen und gründete das erste Mönchskloster in Frankreich. Als Bischof von Tour wurde er der Missionar Galliens und war wegen seiner Gerechtigkeit und Mildtätigkeit berühmt. Als Heiliger wird er besonders in Frankreich und Deutschland verehrt. Sein Feiertag, der 11. November, «Martini», gilt als Erntedanktag, Markttag, aber auch als Zinstag, an dem Schulden bezahlt werden mußten. Seine Symbole sind Schwert und Mantel, aber auch die Gans. Auch in unserem Land war er sehr beliebt. Sein Name wurde oft getauft. «Marte», «Martele», «Hansmarte» oder «Martina» und «Martin» hießen und heißen neuerdings wieder viele Wolfurter. Im Vorarlberger Landesmuseum findet sich im dritten Stock eine gotische Skulptur «St. Martin», datiert 1510. Sie ist 1, 50 m hoch, aus Lindenholz geschnitzt und bemalt. St. Martins Schwert, mit dem er seinen roten, blau gefütterten Mantel teilt, ist abgebrochen. An der Stelle des linken Beins kniet ein flehender Bettler. Martins Blick geht in die Weite. Wie kommt die Figur mit dem Vermerk «aus Wolfurt» hierher? Spuren von Blattgold bei der Bemalung lassen vermuten, daß sie einst für einen Altar (St. Martin in Dornbirn?) oder eine Kapelle geschaffen wurde. Als bei der Barockisierung der Kirchen die gotischen Altäre abgebrochen wurden, könnte sie in ein Dornbirner Haus gekommen sein. Jedenfalls brachten Martin Albinger, geboren 1711 in Dornbirn, und seine Frau Anna Rimmele ihren Namenspatron aus Dornbirn mit - nach der Überlieferung sogar ihr ganzes Haus -, als sie sich 1740 direkt beim Strohdorfbrunnen in Wolfurt niederließen. Fortan beschützte St. Martin das Haus des «Caminfegers» Albinger und den Brunnen. Die Familie war mit vielen Nachkommen gesegnet. Tüchtige Handwerker gingen daraus hervor: die Bäcker Albinger vom Hirschen, die Feger Albinger im Dorf, die Schreiner Albinger bei der Schule. Aber auch die schöne Juditha im Hirschen, deren Sohn Louis Letsch der berühmte Maler geworden ist, und ihre Schwester M. Anna, die Mutter von «Schnidarles Hannes», gehörten zur Familie Albinger. 21 Beim «Schützen», aus dem die Ammänner und Vorsteher Fischer stammen, beginnt mit Spetenlehen der Raum Rickenbach. (Jetzt Gmeiner-Mathis) Ein kritischer Leser, der bisher mit gedacht hat, weiß sicher ein paar Hausnamen mehr, ein paar Ergänzungen, ein anderes Abbruchdatum. Ich bitte um Zuschriften. Die vielen «abgebrochenen« machen uns dankbar dafür, daß noch viele andere alte Häuser gut gepflegt und erneuert das heimelige Dorfbild von Hub und Strohdorf prägen. Das gefällt auch den Bewohnern der neuen Häuser. 20 1857 kaufte Joh. Georg Rohner das Haus am Brunnen, das immer noch St. Martin auf der Giebelseite trug. Sein Sohn Josef Anton Rohner richtete dort eine Werkstatt als Instrumentenmacher ein. Eines Tages hielt eine noble Kutsche vor dem Haus. Am anderen Tag stand es in der Zeitung, im Vorarlberger Tagblatt vom Mittwoch, 18. Dezember 1901: Wolfurt, 15. Dez- Heute Mittag 1/211Uhr fuhr S. k. k. Hoheit, Erzherzog Eugen in der Richtung Bregenz-Dornbirn durch unser Dorf. Plötzlich machte die Equipage bei Herrn Musik-Instrumentenmacher Rohner Halt. Es fiel dem hohen Herrn die an dem Hause angebrachte, uralte Hl. Martinus Statue auf und hochderselbe begab sich dann in die Wohnung, um das Alterthum zum Preise von 100 K zu erwerben. Herr Rohner, der freilich nicht ahnte, mit wem er die Ehre hatte, unterhielt sich mit dem hohen Besuche aufs Beste, zeigte ihm auch über Verlangen seine Werkstätte und dgl. Freilich war der gute Mann etwas in Verlegenheit als ihm bekannt wurde, wer dieser Herr sei, und erstaunt und erfreut über die Herablassung. Über die Herkunft der Statue ist nichts bestimmtes bekannt. Wahrscheinlich dürfte dieselbe aus der Pfarr kirche in Dornbirn stammen. Das Wohnhaus des Herrn Rohner stand vor Jahrhunderten in Dornbirn, wurde abgetragen und hier aufgestellt und mit ihm soll auch die Statue nach Wolfurt gekommen sein. In Instrumentenmachers Stube erinnert eine schöne Wandschrift an den hohen Besuch. Erzherzog Eugen schenkte die Figur dem Landesmuseum. Im Museumsbericht 41 von 1903 berichtete Konservator Carl von Schwerzenbach: Seine k. u. k. Hoheit, der hochwürdigst - durchlauchtigste Herr Erzherzog Eugen geruhten, dieses von höchstdemselben in Wolfurt erworbene wertvolle Stück dem Vereine als Geschenk zu überlassen. Vielleicht werden die Strohdörfler ihren Martin einmal heimholen, vielleicht eine Kopie in einem Bildstöcklein aufstellen! St. Martin vom Strohdorf; 1510 Er könnte uns an den Feger Martin Albinger, an den Vorsteher Martin Schertler, an den Wagner Martin Gmeiner, an Martin Mohr, an Zehrers Marte und Frickeneschers Martele und an all unsere Vorfahren erinnern. Er könnte dazu beitragen, daß St. Martins Gerechtigkeit und Mildtätigkeit rund um den Brunnen in der Gemeinschaft der Wolfurter nachgelebt werden! 22 23 Siegfried Heim In ihrer Freizeit stickte sie kostbare Altartücher und sogar Meßgewänder. Pfarre, Schule und Gemeinde Wolfurt haben ihr viel zu verdanken. Sr. Regina wehrt ab. Still will sie nur eine einfache «Barmherzige Schwester» von der Kettenbrücke sein. Ist sie die letzte in Wolfurt? Fast 100 Jahre lang hatten von 1778 bis 1872 im alten Schulhäuschen nur Männer unterrichtet. Für den Lehrberuf waren sie kaum ausgebildet. Die Schüler mußten Schulschwestern in Wolfurt Seit Oktober 1991 ist Unruhe in das sonst so stille Schwesternhaus Kirchstraße 45 eingekehrt. Mitten im Dorf baut die Gemeinde ihren vierten Kindergarten. Nach fast 60 Jahren im Schuldienst hat sich Schwester Regina zu ihrer Arbeit in Haus und Garten zurückgezogen. Oft steigt sie mit ihren 83 Jahren noch rüstig die steile Kirchstiege hinauf. Sie teilt Kommunion aus, spielt Orgel und singt mit ihrer sicheren Sopranstimme im Chor. Umsichtig pflegt sie die feinen Stickereien der Altarwäsche, schmückt das Priestergrab, betet da und dort bei einem Grabhügel, der einen ihrer ehemaligen Schüler deckt. In Heiligenblut am Großglockner wurde Sr. Regina 1908 in eine kinderreiche Bergbauernfamilie geboren. In Innsbruck erhielt sie die Ausbildung zur Lehrerin. Dort legte sie auch bei den Barmherzigen Schwestern an der Kettenbrücke die Ewigen Gelübde ab. Vom Mutterhaus aus tun die Barmherzigen Schwestern still ihren aufopferungsvollen Dienst in den Spitälern. Viele gehen hinaus in die Dörfer und betreuen dort Alte und Kranke oder sorgen für die Kinder in Kindergärten, Waisenhäusern und Schulen. Sr. Regina kam als junge Lehrerin 1932 nach Wolfurt an die Seite ihrer älteren Mitschwestern Sr. Sebastina und Sr. Gisela. Bis 1937 unterrichtete sie meist die Schulanfänger, oft in Klassen mit über 60 Kindern. 1938 erhielten die Schwestern Schulverbot. Katholische Erziehung stand im Widerspruch zum natinalsozialistischen Gedankengut. Kurze Zeit half Sr. Regina im Zillertal aus, betreute dann im Krieg die Pfarrkirche Wolfurt und arbeitete dazwischen in Innsbruck und im Stubaital. 1945 rief man sie an die Volksschule nach Wolfurt zurück. Wieder lehrte sie viele Erstkläßler das Lesen, Schreiben, Rechnen, Singen und Beten. Dazu aber hielt sie sie immer freundlich und streng zu Ordnung und Sauberkeit an. Jahrzehnte lang wurden der immer mehr geschätzten Schwester dann die großen Mädchen, ab 1963 auch die großen Buben in der Oberstufe anvertraut. Ihrer Konsequenz und Geduld waren große Erziehungserfolge beschieden. Die Behörde ehrte sie dafür mit dem Titel Schulrat. Weit über das Pensionsalter hinaus blieb sie freiwillig im Dienst als Sonderlehrerin für lernschwache Kinder und bis zu ihrem 82. Lebensjahr als Religionslehrerin. Darüber hinaus gab sie für unzählige Wolfurter Frauen Koch-, Back- und Nähkurse. Dorfbekannt sind ihre Neujahrsbäckerein und ihre Schaumrollen. 24 Die Wolfurter Lehrerschaft 1933: Rudolf Wiedemann, Kaplan Rein, Pfarrer Stadelmann, Sr. Gisela Amann, Sr. Sebastina Oberhauser, Sr. Regina Pichler, Friedrich Schneider, Schulleiter Karl Mohr. in der Landwirtschaft und oft auch in der Fabrik schwer arbeiten. Da konnte auch die strenge Zucht mit dem Stock nur wenig zum Schulerfolg beitragen. Im Jahre 1867 brachte das «liberale» Reichsvolksschulgesetz Verbesserungen, vor allem eine gute Lehrerausbildung. Um diese Zeit tobte ein häßlicher Kulturkampf zwischen den freidenkerischen «Liberalen» und den «Konservativen». In Vorarlberg bestimmten die katholischen «Casinos» die Politik. Von fortschrittlichen Lehrern geführt - in Wolfurt von Wendelin Rädler - , erkannten sie die Bedeutung der Schulbildung. Schon 1872 wurde eine große neue Schule im Strohdorf gebaut. Dort wurde auch eine Wohnung für Barmherzige Schwestern von der Kettenbrücke eingerichtet. Als erste zogen 1874 Sr. Othmara und Sr. Gottfrieda ein. Lehrer Rädler übernahm 1876 die Schulleitung. Nun bestimmte ein neuer Geist den Unterricht. 25 Das Gebet stand an erster Stelle. Der tägliche Unterricht begann mit der Schulmesse. Auch die Rickenbacher mußten, selbst im kalten Winter, den weiten Weg zur Kirche machen. In der Schulbildung erreichten besonders Lesen und Schönschreiben bald einen hohen Stand. Aber auch praktischer Unterricht in Nähen, Kochen, Krankenpflege und Gartenarbeit war den Schwestern ein Anliegen. Hygiene und Ordnung wurde beachtet, das Gedächtnis mit Katechismusfragen und langen Gedichten geübt. Der Lohn waren neben guten Noten die begehrten Fleiß- und Hauchzettel und schöne Heiligenbildchen. So sehr schätzte die Gemeinde den unermüdlichen Dienst der Schulschwestern, daß sie 1897 eine dritte Barmherzige Schwester rief. Bis 1938 trugen nun neben dem Schulleiter drei Schwestern Lasten und Freuden des Unterrichts. Die wachsende Schüler- und Klassenzahl machte allerdings schon seit der Jahrhundertwende die Einstellung weiterer Lehrer notwendig. In der Schulchronik findet sich die Aufzählung der Schulschwestern mit ihren Dienstjahren in Wolfurt: 1874-1882 12. Sr. Leontina 1904 1874-1905 13. Sr. Zita Feichter 1904-1910 1883-1890 14. Sr. Rudolfina Brugger 1905-1906 1887-1898 15. Sr. Sebastina Oberhauser 1905-1938 1891-1893 16. Sr. Konstantina Streiter 1910-1913 1891-1892 17. Sr. Alfonsa Walzthöni 1914-1915 1893-1895 18. Sr. Katharina Sinz 1916-1920 1897-1900 19. Sr. Hildegund Gmeiner 1920-1931 1898-1922 20. Sr. Gisela Amann 1922-1938 1900-1904 1945-1957 1913-1916 21. Sr. Regina Pichler 1932-1937 11. Sr. Maria Bapt. Nagel 1904 1945-1990 Als der Platz im Schulhaus für n e u e Klassen benötigt wurde, übersiedelten die Schulschwestern näher zur Kirche, ins H a u s Bucherstraße 3 auf dem Bühel. 1921 vermachten der angesehene Schuhmacher Josef W e i ß und seine F r a u Maria ihr schönes B a u e r n h a u s am F u ß der Kirchenstiege den Schwestern als W o h n u n g . Als das fromme E h e p a a r starb, zogen die Schulschwestern ins H a u s Kirchstraße 45 ein. Seither gingen sie von dort aus den W e g hinaus zur Schule und noch viel öfter zum Gottesdienst hinauf in die Kirche. Die Schwestern wechselten. Einige zogen ins M u t t e r h a u s zurück und an a n d e r e Dienststellen. Einige starben in Wolfurt und wurden hier ins Schwesterngrab gebettet. I m m e r wieder kamen neue, als letzte 1932 Sr. Regina. Für die längst verstorbenen Mitschwestern Sr. Sebastina und Sr. Gisela fanden sich in unserer materialistischen Zeit keine Nachfolgerinnen mehr. U n b e i r r t geht Sr. Regina, jetzt meist begleitet von ihrer treuen Helferin Cilla Zoller, ihren W e g weiter. Vergelt's Gott! 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. Sr.Othmara Ernst Sr. Gottfrieda Oberhollenzer Sr. Adelheid Giselbrecht Sr. Epiphania Schmid Sr. Cantia Silier Sr.RosaLeimgruber Sr. Liliosa Ceol Sr. Armella Stauder Sr.Ignatia Kleber Sr.Ludwiga Weiser Siegfried H e i m Sieben Söhne im Krieg Am Abend des 17. August 1958 ist im Dorf beim «Engel» mit Wolfs Haus auch «Schloßburo Martes» altes Haus abgebrannt. Dort hatte im Ersten Weltkrieg noch die große Familie Köb gewohnt. Vater Johann, geb. 1854, stammte aus «Schloßburos» Sippe in der Bütze und hatte dort mit seiner Frau Barbara 1880 neben das Eltenhaus ein besonders großes neues Haus gebaut. Ein paar Jahre später mußte er es an die Familie Schirpf (Bützestr. 16) verkaufen. Köbs zogen mit ihrer groß gewordenen Familie ins Dorf. Der Vater arbeitete als Kleinstbauer (mit einer Kuh) oft im Taglohn bei Fuhrleuten und im Wald. Die Buben verdingten sich als Knechte, Sticker und Fabriksarbeiter. Dann kam 1914 der große Krieg. Darüber berichtet nun ein Brief von 1918 an den Kaiser in Wien, den uns Mohr Hubert aus dem Nachlaß seines Onkels, des Standschützenoffiziers Dr. Wilhelm Mohr, überlassen hat. Er stammt aus den Akten des «Unterländer Schützenbundes»: Sr. Majestät, dem Kaiser und König Karl I. Allergnädigster und durchlauchtigster Kaiser und Herr! Geruhen Ew. kaiserliche und königliche apostolische Majestät allergnädigst nachstehenden Bericht der untertänigsten Bundesleitung entgegen zu nehmen. Wohl keine Familie unserer Gemeinde wie auch der Umgebung hat dem Vaterlande während des gewaltigen Völkerringens so viele Opfer gebracht, wie jene unseres Mitgliedes Johann Köb, Bauers und Taglöhners in Wolfurt. Joh. Köb selbst hat dem Vaterlande 3 Jahre treue Dienste geleistet. Ebenso sind 3 Söhne aktiv in Heeresdiensten gestanden und rückten gelegentlich der Mobilisierung am 1. August 1914 ein. Im Verlaufe der Jahre 1915, 16 und 1917 sind weiters wieder 3 Söhne eingerückt. 27 26 Ew. Majestät Ruf hat nun am 15. Mai der letzte und siebente Sohn Folge geleistet und wurde bereits als felddiensttauglich anerkannt. Es stehen somit alle 7 Söhne im Felde, bzw. an der Front. Die allseits anerkannte Charakterfestigkeit der Eingerückten bürgt dafür, daß diese nicht nur ihr ganzes Können, sondern auch ihr Wollen Kaiser und Reich untergeordnet und restlos zur Verfügung gestellt haben. Die Auszeichnung zweier Söhne mit der silbernen, sowie der bronzenen Tapferkeitsmedaille, sowie auch von Ew. Majestät gestifteten «Kaiser Karl TruppenKreuz» mögen Zeugen der Verläßlichkeit dieser wackeren Leute sein, wie auch der Umstand, daß 1 Sohn (Julius), der bereits 1914 in russische Gefangenschaft geriet, derselben jüngst - und zwar oft mit Lebensgefahr - entwich. Dieser letztere wird demnächst wieder zu seinem Cadre einrücken. Leider mußte, - wie nur allzu begreiflich -, das Hauswesen dieses Soldatenvaters, den das Glück allerdings auch nicht mit irdischen Gütern gesegnet hat, empfindlichen Schaden leiden. Trotz alledem hat das Vertrauen Vaters Köb in sein Vaterland keine Einbuße erlitten; vielmehr: Köb hat durchdrungen von dem Bewußtsein, daß heute auch die Tat des Einzelnen Geltung hat, erst vor einigen Tagen 3 dem Gefangenenlager Ulm entwichene Russen aufgegriffen und dem K. u. K. Etappen-Stations-Kommando Bregenz überstellt. Wollen Ew. Majestät allergnädigst aus dem Vorstehenden erkennen, daß diesem wackeren Familienvater tatsächlich Anerkennung zu zollen ist. Mit Rücksicht auf die wirkliche Bedürftigkeit Köbs gestattet sich die alleruntertänigst gefertigte Bundesleitung, Ew. Majestät die Bitte zu unterbreiten, Ew. Majestät wollen huldvollst dem Johann Köb in Wolfurt Nr. 84 eine allergnädigste Anerkennung zuteil werden lassen. Wir konnten nicht erfahren, wie die Antwort des Kaisers in Wien auf den «alieruntertänigsten» Brief des Wolfurter Postmeisters und Sternenwirts ausgefallen ist. Aber ein gnädiger Herrgott ließ alle sieben Köb-Söhne von den Fronten in Serbien, Rußland und Italien gesund heimkehren. Ludwig Wilhelm Martin Johann Julius Vinzenz Josef Jahrgang Jahrgang Jahrgang Jahrgang Jahrgang Jahrgang Jahrgang 1880 1882 1886 1887 1888 1897 1899 Vinzenz wanderte 1924 nach Amerika aus, die anderen sechs gründeten alle in der Heimat Familien. Johann heiratete ins «Stenzler»-Haus an der Schloßgasse. In seinen vielen Kindern, Enkeln und Urenkeln lebt auch in Wolfurt das «Schloßburo»-Blut fort. Mit der aufrichtigen Versicherung steter Lojalität zeichnet Alleruntertänigst f. d. Unterl. Schützenbund der Bundesobmann Rudolf Böhler 28 29 Siegfried Heim Unsere älteste Zeitung Nicht mehr alle Wolfurter halten «üsor Gmoandsblättle» in seinem Jahrgang 101, obwohl es äußerst kostengünstig über das Gemeindegeschehen informiert und eine Fülle von Anregungen bietet. Es betreut den ganzen Bezirk von Hohenweiler über Bregenz und Bezau bis Warth. Nur wenige Leser wissen, daß das Blatt vor mehr als hundert Jahren in Wolfurt gegründet worden ist. Zwei für ganz Vorarlberg sehr bedeutende politische Persönlichkeiten taten sich hier im Sommer 1888 zusammen und begannen ein Werk, das noch immer Bestand hat. Die Gründer von 1888 Freitag, 8. März 1991, 10. Woche Jahrgang 101 Wendelin Rädler 1835-1913, Wolfurt Obmann Johann Kohler 1839-1916, Schwarzach Verwalter Die beiden Lehrer Johann Kohler und Wendelin Rädler waren ein Leben lang enge Freunde. Gemeinsam mit Gleichgesinnten gründeten sie den katholischen Lehrerverein für Vorarlberg. Sie errichteten die ersten Casinos und führten damit 30 31 den politischen Umsturz von 1870 im Lande Vorarlberg herbei. Während Johann Kohler als Vorsteher von Schwarzach einer der mächtigsten Parteiführer im Lande und schließlich Abgeordneter zum Reichsrat in Wien wurde, trieb Wendelin Rädler an seiner Seite die sozialen Reformen voran. Mit der Gründung von 80 Raiffeisenkassen und ebenso vielen Sennereien half er besonders dem verschuldeten Bauernstand. Maßgeblich trugen sie dazu bei, daß in Vorarlberg kaum ein Industrie-Proletariat entstehen konnte. Um ihre Ideen zu verwirklichen, brauchten die beiden Politiker ein Presseorgan. Schon bei der Gründung des «Volksblattes» 1866 durch Pfarrer Amann in Kennelbach, hatte Rädler, der bis 1872 Lehrer in Kennelbach war, mitgearbeitet und seither viele Artikel in diesem katholisch-politischen Blatt geschrieben. Nun schufen die beiden Lehrer ein kleinformatiges Wochenblatt für die Gemeinden Wolfurt und Schwarzach. Am 14. Juni 1888 unterzeichneten die damaligen Vorsteher Johann Martin Schertler und Gebhard Schwärzler den Gründungsvertrag. Am 1. Juli 1888 erschien die erste Nummer. Die Firma J. N. Teutsch in Bregenz besorgte den Druck. Bei 6 Verteilern in Wolfurt und 3 in Schwarzach mußten die Abonnenten ihr Blatt jeden Sonntag abholen. Das Echo war so positiv, daß sich in den folgenden drei Jahren nacheinander die Gemeinden Bildstein, Lauterach, Hard und Rieden (dazu gehörte damals noch die Parzelle Kennelbach) anschlossen. Ihnen folgten nun Fluh, Buch, Alberschwende, Langen, Lochau, Hörbranz, Möggers und Hohenweiler und nach dem ersten Weltkrieg auch Höchst, Fußach, Gaißau und Eichenberg. Mit Ausnahme der Stadt Bregenz waren damit alle Gemeinden von der Lorena bis zur Laiblach an gemeinsamen Informationen beteiligt. Als offizielles Amtsblatt wurde das Gemeindeblatt in fast allen Haushalten mit Interesse gelesen. Natürlich fanden auch die Mitteilungen der Vereine und die Inserate der Bauern und Händler viel Beachtung. Als Buben erhielten wir vom Viehhändler-Nachbarn eine kleine Belohnung, wenn wir ihm möglichst schnell das noch druckfeuchte Blättle brachten. Im März 1940 mußte das Gemeindeblatt auf Befehl der nationalsozialistischen Pressestelle in Berlin eingestellt werden. Erst im Juni 1945 durfte es mit einem Geleitwort von Landeshauptmann Urich Ilg wieder erscheinen. Jetzt versorgte es auch die Gemeinden des Bregenzerwaldes. Nun fehlte nur noch Bregenz. Im September 1948 tat dort Bürgermeister Othmar Michler, früher einmal Schulleiter in Wolfurt, den Schritt auf die Gemeinden zu und machte mit dem 57. Jahrgang das alte Wolfurt-Schwarzacher Blättle zum offiziellen Amtsblatt der Landeshauptstadt. Seither verlautbaren alle Gemeinden des Bezirkes hier ihre Gemeinde-Protokolle, Verordnungen und Kundmachun32 gen. Auch Arztnotdienste, Kirchliche Nachrichten und Bildungsprogramme machen das Blättle zu einer wichtigen Zeitung. Eine kleine Erinnerung an die Gründung vor mehr als 100 Jahren ist geblieben. Wolfurt, sonst immer am Ende des Alphabets, darf mit Schwarzach immer noch direkt nach der Landeshauptstadt den Reigen der vielen Gemeinden auf Seite 2 anführen.. Im Gemeindearchiv Wolfurt werden die meisten Gemeindeblätter aufbewahrt. Aus dem Jahrgang 1891 - also genau 100 Jahre alt - wählte ich ein paar Wolfurt betreffende Abschnitte in bunter Vielfalt aus. Im ersten Teil finden Sie die Volkszählungsergebnisse einiger Hofsteiggemeinden.. Vergleichen Sie dieselben und den dazu gehörigen Viehstand mit dem Jahr 1991! Die Verordnungen des Vorstehers betrafen fast nur Bauernprobleme. Unser Bürgermeister hat andere, größere - aber auch mehr Geld! Die Wahlen vom 26. Oktober 1891 standen ganz unter dem Einfluß von Rädlers katholischem «Casino» und von Pfarrer Sieber. Im zweiten Teil habe ich Einladungen von ein paar wichtigen Vereinen kopiert, dazu die Unterhaltungsangebote der vielen Gasthäuser von damals. Die Feuerwehr bekam ihr neues Spritzenhaus. Lehrer Rädler brachte auch noch (am 21. März 1891) einen Bienenzuchtverein zustande. Die Anzeigen im dritten Teil sollten uns im Vergleich mit unserer Konsum-GierGesellschaft ein bißchen nachdenklich machen, auch wenn wir über Unschlittkerzen und Modepäckle lächeln! 33