18731203_ltb00041873_RV_Gesetz_Organisierung_Sanitätsdienst_in_Gemeinden

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Letzte Änderung 03.07.2021, 06:25
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp04,ltb0,ltb1873,lt1873,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-28
Erscheinungsdatum 2021-06-28
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Syntax Warning: Invalid shared object groups bit length Negierringsvorlage. Gesetz vom betreffend die Organisirung des Sanitätsdienstes in den Ge­ meinden, giltig für das Land Vorarlberg. Mit Zustimmung des Landtages Meines Landes Vorarlberg finde Ich auf Grundlage des § 5 des Rcichsgesetzes vom 30. April 1870 R.-G.-Bl. Nr 68 anzuordnen, wie folgt: §• 1. Jede Gemeinde muß entweder für sich allein oder im Vereine mit anderen Gemeinden zur Handhabung der Gcsundheitspolizei einen Arzt (Gcmeindearzt) zur Verfügung haben. §. 2. Gemeinden mit eigenen Statuten und Gemeinden, welche 6000 Einwohner, oder darüber zählen, haben einen oder nach Erforderniß mehrere eigene Gemeindeärzte zu bestellen. Anderen Gemeinden ist die Bestellung eines eigenen Gemcindearztes freigestellt, und es werden jene, welche die Bestellung eines eigenen Gemeindearztes nicht beschließen, behufs der Bestellung eines gemeinschaftlichen Gemeindcarztes zu Sanitätssprengeln vereiniget. Eine solche Vereinigung darf nur Gemeinden desselben politischen Bezirkes umfassen, und wird nacki Verhandlung mit den bezüglichen Gemeinden von der politischen Landesbehörde im Einverständnisse mit dem Landes-Ausschusse verfügt. In Rekursfällen entscheidet das Ministerium des Innern. §. 3. Bei der Vereinigung zu einem solchen Sanitätssprengel ist ans die Bevvlkcrungszahl und auf den Flächeninhalt Rücksicht zu nehmen. Ein Sanitätssprengel soll sich in der Regel höchstens auf 7000 Bewohuer und bei minder dichter Bevölkerung höchstens auf 2 Ouadratmeileu ausdchnen. §• 4. Die Vertretung der zu einem Sanitätssprengel vereinigten Gemeinden obliegt einer Versamm­ lung von Delegirten, welche von den Vertretungen der einzelnen im Sanitätssprengel vereinigten Ge­ meinden durch Wahl aus der Mitte dieser Vertretungen entsendet werden. Hiebei hat nach Maßgabe der bei der letzten Volkszählung erhobenen anwesenden Bevölkerung auf je 500 Einwohner mit Nichtberücksichtigung der Reste und auf jede Ortsgemcinde, welche nicht 500 Einwohner zählt, ein Delegirter zu entfallen. 20 §• 5. Die Versammlung der Dclegirten ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder anwesend ist. — Dieselbe wählt zum Vorsitze und zur Leitung der Geschäfte aus ihrer Mitte den Obmann und dessen Stellvertreter mit absoluter Stimmenmehrheit. §- 6. Den Standort des Gemeinde-Arztes für derart vereinigte Gemeinden bestimmen diese Gemein­ den. Kommt hierüber keine Einigung zu Stande, so entscheidet die politische Landesbehörde im Einver­ ständnisse mit dem Landes-Ausschusse. §• 7. Das Amt eines Gemeinde-Arztes ist ein öffentliches Amt. Als Gemeindearzt kann nur derjenige angestellt werden, welcher zur Ausübung der ärztlichen Praxis in den im Reichsrathe vertretenen Ländern berechtiget ist. — Ausländer sind von der Erlangung einer Gemeindearztstelle ausgeschlossen. §• 8. Die Ernennung eines Gemeindearztes erfolgt im Wege des Concurses und steht der Ge­ meinde zu. Sind mehrere Gemeinden zu einem Sanitätssprengel vereiniget, so erfolgt die Ernennung durch die Versammlung der Delegirten (§ 4) mit absoluter Stimmenmehrheit. — Kommt diese Stimmen­ mehrheit auch bei wiederholter Umfrage nicht zu Stande, so ist die engere Wahl vorzunehmen. — Bei Stimmengleichheit entscheidet das durch den Vorsitzenden zu ziehende Loos. Das Anstellungsdekret wird von dem Vorsitzenden der Verhandlung ausgefertiget. §• 9. In Gemeinden, welche nicht eigene Statute besitzen, ist jede Ernennung eines Gemeindearztes vor Ausfertigung des Dekretes unter Vorlegung der Verhandlungsakten der vorgesetzten politischen Bezirks­ behörde anzuzeigen. Diese hat das Recht, den Vollzug der Ernennung zu untersagen, wenn die Ernen­ nung mit Außerachtlassung dieses Gesetzes erfolgt ist. — Im andern Falle bestimmt sie den Tag, der bei ihr vorzunehmenden eidesstättigen Angelobung des Ernannten, welcher der Gemeindevorsteher oder dessen Stellvertreter beziehungsweise der Vorsitzende der Delegirten-Versammlung beizuwohnen hat. §. 10. Die Gemeindeärzte werden in den Städten mit eigenen Statuten wie die bleibend angestellten Beamten derselben angesehen und behandelt. In den übrigen Gemeinden stehen sie zu diesen in dem Verhältnisse eines Vertrages, dessen Bestimmungen der Genehmigung der vorgesetzten politischen Behörde unterliegen. — Die vertragsmäßig angestellten Gemeindeärzte können, den etwa im Dienstverträge vorgesehenen Fall der Aufkündigung aus­ genommen, von der Gemeindevertretung nur mit Zustimmung der politischen Bezirksbehörde von ihren Posten entlassen werden. —■ Bei Pflichtverabsäumungen eines Gemeindearztes, zu deren Behebung die Disciplinargewalt der Gemeinde nicht ausreicht, hat die vorgesetzte politische Behörde das Recht mit Ord­ nungsstrafen gegen denselben vorzugehen und nöthigen Falles im Einvernehmen mit dem Landes-Ausschusse auf dessen Dienstesenthebung zu dringen. Das letztere greift auch im Falle wahrge­ nommener Nichteignung Platz §. 11. Die Gemeindeärzte sind die zunächst berufenen Organe, durch welche die Gemeinde die ihnen 21 gesetzlich zugewiesenen Obliegenheiten des öffentlichen Sanitätsdienstes zu besorgen haben. — Sie sind zur Behandlung der erkrankten Armen dort, wo hiefür nicht eine spezielle Fürsorge getroffen ist, berufen und verpflichtet. §. 12. Die Höhe des Gehaltes (der Bestallung) des Gemeindearztes wird von der Gemeindevertretung, beziehungsweise von der Delegirten-Versammlung bestimmt, und darf nicht unter 400 fl. jährlich betragen. Dieser Vezug ist nach den Bestimmungen des Gemeindegesetzes aufzubringen und bei vereinigten Gemeinden nach Verhältniß ihrer gesammten direkten Steucrschuldigkeit aufzutheilen. Derselbe wird bei Gemeinden, welche für sich allein den Gemeindearzt bestellen, aus der Ge­ meindekassa, bei vereinigten Gemeinden aus dem Steneramte in monatlichen Anticipativraten flüssig ge­ macht. Die im letzteren Falle von den einzelnen Gemeinden zu leistenden Beiträge sind in dem der Fälligkeit des Bezuges vorangehendem Monate an das Steueramt abzusühren. §• 13. Dem für mehrere Gemeinden bestellten Arzte gebührt überdieß zur Bestreitung der Dienstreisen im Dienstsprengel ein Pauschale, dessen Höhe mit Rücksicht auf die Lage und Ausdehnung des Sprengels, sowie auf die Zahl und Beschäftigung der Bewohner nach Anhörung der Concurrenzgemeinden von der politischen Landcsbehvrde im Einverständnisse mit dem Landes-Ausschusse festgestellt wird. Das viertel­ jährig im Vorhinein zu zahlende Pauschale wird gleich dem Gehalte eingebracht und erfolgt. §■ 14. Für ärztliche Verrichtungen, welche vom Gemeindearzte über Auftrag der Staats-Verwaltung und nicht in Erfüllung des selbstständigen oder übertragenen Wirkungskreises der Gemeinden vollzogen werden, hat der Gemeindearzt den Anspruch auf die normalmäßigen Gebühren aus dem Staatsschätze. §. 15. Jede Gemeinde muß entweder für sich oder im Vereine mit andern Gemeinden je nach der Einwohnerzahl und je nach dem Flächenraum eine oder mehrere Gemeindehebammen zur Verfügung haben. §. 16. Die Gemeindehebammen werden von der betreffenden Gemeinde, und wo es sich um die Be­ stellung für mehrere Gemeinden handelt, für diese zusammen in ähnlicher Weise wie die Gemeindeärzte ernannt und leisten gleich diesen die eidesstätige Angelobung in die Häude des Bezirkshauptmannes oder dessen Stellvertreters in Gegenwart des Gemeindevorstehers, beziehungsweise des Obmannes der Dele­ girten-Versammlung oder des Stellvertreters. Die Anstellung der Gemeindehebammen erfolgt gegen eine fixe aus der Gemeindekassa zu be­ ziehende und in derselben Weise wie der Bezug der Gemeindeärzte aufzubringende und flüssig zu machende Bestallung, welche mindestens 60 fl. jährlich zu betragen hat. §. 17. Der Landesvertretung bleibt vorbehalten, Gemeinden, welche die Mittel zur entsprechenden Be­ soldung von Gemeindeärzten und Gemeindehcbammen nicht haben, angemessene Beiträge aus Landes­ mitteln zu bewilligen. 22 §■ 18. In der Gemeinde ist die Vorsorge zu treffen, daß hilflose Kranke, welche aus irgend einem Grunde in ein Krankenhaus nicht abgegeben werden können, in einem geeigneten Lokale Unterkunft und Verpflegung finden. Für vereinigte Gemeinden ist dieses Lokal wo möglich im Standorte des Gemeindearztes zu wählen. §• 19. In ähnlicher Weife ist auch für unterkunftslose Gebärende, welche in eine öffentliche Gebäran­ anstalt nicht abgegeben werden können, sürzusorgen. §• 20. Bestehende Verpflichtungen öffentlicher Fonde für Sanitätszwecke beizutragen, werden durch dieses Gesetz nicht auf gehoben. — Diese Beiträge find nunmehr an die zur Besoldung des Gemeindearztes, der Gemeindehebammen u. f. f. bestimmte Kasse abzuführen. — Jnsoferne in Folge einer in Durchführung dieses Gesetzes eintretenden Aenderung in den Sanitätssprengeln eine anderweitige Vertheilung dieser Beiträge nothwendig werden sollte, hat der Landes-Ausschuß und wenn es sich um eine Stiftung oder um Beiträge aus einem von der Staatsbehörde verwalteten Fonde handelt, die politische Landesbehörde nach Einvernehmung des Landes-Ausschusses zu entscheiden. §• 21. In Gemeinden, welche zur Bestellung eigener Gemeindcärzte verpflichtet sind, (§ 2) ist eine Gesundheits-Commission einzusetzen. Anderen Gemeinden ist die Einsetzung der Gesundheits-Commission freigestellt. §• 22. Die Gesundheits-Commission besteht unter dem Vorsitze des Gemeindevorstandes oder dessen Stellvertreter: a. aus den Gemeindeärzten, b. aus einem vom Gemeindevorstande bestimmten Beamten, welcher mit Geschäften, die in die Gesundheitspolizei vorzugsweise einschlagen, betraut ist, und c. aus 4 bis 8 Mitgliedern, welche vom Gemeindeausschusse zur Hälfte aus seiner Mitte, zur anderen Hälfte aus Sanitäts- oder anderen mit den einschlägigen Kenntnissen ausgestatteten Personen des Ortes gewählt werden. — Ueber Anordnung oder mit Genehmigung des Ge­ meindevorstandes können den Berathungen von Fall zu Fall außerordentliche Mitglieder zu­ gezogen werden. §• 23. Die Constituirung der Gesundheits-Commission ist unter Namhaftmachung ihrer Mitglieder der vorgesetzten landesfürstlich politischen Behörde anzuzeigen. §• 24. Das Amt eines Mitgliedes der Gesundheits-Commission ist ein Ehrenamt und wird unentgeldlich ausgeübt. — Die Funktionsdauer der vom Gemeinde-Ausschüsse aus seiner Mitte in die Gesund­ heits-Commission gewählten Mitglieder, erlischt mit ihrem Austritte aus der Gemeindevertretung, jene der übrigen gewählten Mitglieder nach Ablauf von 3 Jahren. Die letzteren sind hierauf wieder wählbar. 23 Rücksichtlich der Verpflichtung zur Annahme der Wahl als ordentliches Mitglied gelten die ana­ logen Bestimmungen in Betreff der Berufung in die Gemeindevertretung. §• 25. Die Gesundheits - Commission ist das berathende und begutachtende Organ für die der Ge­ meinde obliegenden Sanitäts-Angelegenheiten und ist insbesonders bei allen Gegenständen, welche das Sanitätswesen der Gemeinde im Allgemeinen betreffen, oder wenn gleich spezieller Natur, doch von be­ sonderer sanitärer Wichtigkeit sind zu vernehmen; sie ist verpflichtet über Aufforderung des Gemeinde­ verstandes, und berechtiget, aus eigener Initiative Anträge auf Verbesserung der sanitären Verhältnisse der Gemeinde und auf Durchführung bezüglicher Maßnahmen zu stellen, und hat jährlich einen übersicht­ lichen Bericht über ihre sanitäre Thätigkeit an den Gemeindevorstand zu erstatten. §■ 26. Die politischen Behörden haben Kraft der der Staatsverwaltung obliegenden Oberaufsicht über das gesammte Sanitätsweseu (§ 1 des Gesetzes vom 30. April 1870, R.-G.-Bl. Nr. 68.) darüber zu wachen, daß die .Gemeinden die ihnen durch das gegenwärtige Gesetz auserlegten Verpflichtungen pünktlich erfüllen. In Fällen der Verabsäumung hat die politische Landesbehörde im Einvernehmen mit dem Lan­ desausschusse auf Kosten und Gefahr der säumigen Gemeinden die erforderliche Abhilfe zu treffen. §. 27. Der Minister des Innern ist mit dem Vollzüge dieses Gesetzes beauftragt. Für die Richtigkeit Wien, am 3. Dezember 1873. Kiitschera, Exped.-Dir. Druck und Verlag von I. N. Teutsch in Bregenz. ----- ------ ---- —