19931101_Heimat_Wolfurt_13

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Letzte Änderung 27.06.2021, 13:42
Gemeinde Wolfurt
Bereich oeffentlich
Schlagworte: heimatwolfurt
Dokumentdatum 1993-11-01
Erscheinungsdatum 1993-11-01
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Heft 13 Zeitschrift des Heimatkundekreises November 1993 Hofsteig Inhalt: 55. 56. 57. 58. 59. Ein Hof Steiger Siegel Hofsteig Ammänner Der Gemeine Mann Die Schneider 60. 61. 62. 63. 64. Mutter in Nöten, Auswanderer Dorfschmiede Stammvater Fischer Fußball und Liebe Kügolo Zuschriften und Ergänzungen Hofsteig Das vorliegenden Heft ist mit Beiträgen von Siegfried Heim vor allem der Erforschung des Gerichtes Hofsteig gewidmet. Bildnachweis Siegelzeichnungen aus dem Landesarchiv und aus «Lauterach 1953» S. 8 von Risch Lau S. 37 von Paula Klien S. 44 von Wilfred Schneider Alle anderen sind Reproduktionen von Hubert Mohr aus der Sammlung Heim. Druckfehler-Berichtigung Heft 12, Seite 39: Die neue Straße in den Bregenzerwald wurde 1838 eröffnet, nicht 1833. Wieder haben sich eine ganze Reihe von Wolfurtern aus nah und fern mit Anfragen und Bestellungen unserem Kreis angeschlossen. Aus Hohenems schrieb Engelbert Köb, Bahwächtars, Jahrgang 1916. Wie Großvater und Vater war er ein Leben lang Eisenbahner «mit Leib und Seele.» In seiner harten Kindheit wohnte er mit Eltern und sechs Geschwistern in verschiedenen Rickenbacher Mietwohnungen, zuletzt im «Bahwächtarhüsle Nr. 20» im Kessel. Von dort aus ging er zu Sr. Sebastina und Schulleiter Klocker in die Volksschule, bis er 1924 mit seiner Familie nach Dornbirn übersiedelte. Seine beiden Brüder sind im Krieg gefallen, Alwin (1913) schon 1942 bei Murmansk, Willibald (1910) 1944 bei Nettuno in Italien. Von Engelberts erwachsenen Kindern hat sich der Lehrer Martin Köb mit Ingrid Braitsch von der Bucherstraße eine Wolfurterin zur Frau genommen. Herzliche Grüße! Aus Bregenz grüßt uns Hildegard Böhler, 1922, die Zweitälteste von den «Sibo Moatla» von Sternenwirts August (Böhler) und Seppos Gebhardie (Fischer). Sie kamen alle sieben im Seppar-Hus auf der Steig zur Welt und übersiedelten später ins Vorkloster. Weil noch kaum Autos fuhren, war die Straße der Spielplatz. Beim «Fängarles» lief die 5jährige Hildegard gegen Paul Schwarz's nobles Auto. Zufällig kam gerade der Kennelbacher Doktor, auch mit einem neuen Auto, daher und verarztete die Kleine. Es gab einen Riesenauflauf - wegen der Autos! Nie vorher hatte man auf der Steig zwei Autos gleichzeitig parken gesehen. Viele aufmerksame Leser fand das «Bütze»-Heft (Heimat 12). Mehrmals bedankte sich Veres Armin aus der Villa. Natürlich kannte er die letzten Bewohner der unteren Spinne (S. 28) noch gut. Der Vernickler hieß Hummel und kam aus Reutlingen. In seiner Werkstatt montierte er auch Bügeleisen und Schnellkochtöpfe zusammen. Nach ihm zog der Frächter Siegmund Greußing, ein Bruder des Schoppernauer Hirschenwirts, mit seiner schneidigen Frau und vielen Kindern in die baufällige Bude ein. Armin erinnert sich noch gut an den großen Mercedes-Lastwagen des Frächters von 1928, fast noch besser aber an seine hübschen Töchter Mika, Johanna, Martina und Frieda. Einen ganz besonderen Klang hat «Heimat Wolfurt» für die Auswanderer in ferne Länder. Zuerst kamen heuer die Schneider aus Kanada und wurden gastlich aufgenommen. Mr. Wilfred schrieb nachher: «Not a day goes by that I don 't think of the wonderful holiday we had in Wolfurt. I only wish that Wolfurt was not so far away.» 1 Danke! Auf Konto Raiba 87957 sind wieder eine Reihe von Beiträgen eingegangen. Herausgeber: Heimatkundekreis Wolfurt Für den Inhalt verantwortlich: Siegfried Heim, Funkenweg 11, 6922 Wolfurt Satz und Grafik: Erik Reinhard, 6922 Wolfurt Fotosatz: Mayr Foto Satz, 6922 Wolfurt Druck: Adolf Lohs Ges.m.b.H., 6922 Wolfurt Ganz überraschend tauchte dann auch ein Nachkomme jenes Josef Mohr auf, der um 1870 aus der Bütze nach Amerika ging und es dort zu Wohlstand brachte. Mr. Buchner durchstreifte auf eigene Faust unser Dorf, landete, aber schließlich doch bei Raimund Mohr, einemVetter. Jetzt werden Briefe und Bilder ausgetauscht. Und mit besonderer Freude durften wir Anfang September Barcattas Marianne begrüßen, die seit 1958 in Buenos Aires lebt. Sie hielt brieflichen Kontakt mit Bechters Tone und seiner Frau Rosmarie. Als wir über sie (in Heimat 10, S.3) berichteten, schrieben ihr noch mehr Schulkollegen und Nachbarinnen. Das hat den Anstoß gegeben, daß Marianne mit ihrem Mann den Flug wagte, um noch einmal den Bildsteiner Berg zu sehen. Bechters nahmen sie freundlich auf. Im Landesmuseum hat Mag. Pichler eine große Ausstellung über die Schicksale der Vorarlberger Auswanderer gezeigt. Im Herbst wird darüber ein Buch erscheinen. Unter etwa 5000 Namen sind 400 aus Wolfurt, die zwischen 1850 und 1930 ihr Glück in der Fremde suchten. Siegfried Heim Ein Hofsteiger Siegel entdeckt Bei Umbauarbeiten in seinem Haus Bregenzerstraße 8 machte der Besitzer Erich Geiger vor einigen Jahren einen seltsamen Fund. In einem Zwischenboden versteckt lagen zwei Stichwaffen und ein Stempel. Die Waffen sind ein kurzes dreikantiges Bajonett, aus Eisen grob geschmiedet, und ein einfacher gebogener Säbel mit schlichtem Holzgriff, dazu eine stark abgenutzte Lederscheide. Der Stempel ist ein sogenanntes Petschaft, mit dem Amtspersonen einst in Wachs oder Siegellack die Siegel zur Beurkundung wichtiger Dokumente fertigten. Am eisernen Schaft fehlt der Holzgriff. Auch die in feinster Arbeit geschmiedete Platte mit 38mm Durchmesser weist am Rand einen Schaden auf. Das Wappenbild selbst ist aber ausgezeichnet erhalten. Es zeigt einen Doppeladler, den mächtigen Adler des römisch-deutschen Reiches, in der Form, wie ihn die letzten deutschen Kaiser bis 1806 verwendeten. Es handelt sich also um ein kaiserliches Siegel. Die beiden durch Kreise geschmückten Köpfe tragen gemeinsam eine Krone. Der linke Fang hält den Reichsapfel, der rechte Reichsschwert und Zepter. Zwischen den mächtigen Schwingen ist der Rumpf aber durch einen Schild mit dem Wolfurter Wappen, dem rechts steigenden gekrönten Wolf auf den Streifen der Furt, verdeckt. Gut lesbar ist die Schrift, von der nur drei Buchstaben fehlen. Es sieht so aus, als ob diese mit einer Jahreszahl oberhalb der Krone herausgebrochen worden wären. «(S)IG IUDICII DELEGATI ANTE MONTEM ARLE IN HOFSTE(IG)...» «Siegel des übertragenen Gerichts vor dem Arlberg in Hofsteig». Der Fund und das Bild geben einige Rätsel auf. Wann und warum wurde das HofsteigSiegel hier versteckt? Wieso das Wolfurter Wappen für Hofsteig? Wieso «delegatum» ? Ich versuche, eine Antwort zu finden. Ein bisher unbekanntes Hofsteigsiegel mit dem Wolfurter Wappen auf dem Reichsadler. Um 1790 geschaffen. 2 3 Das Geiger-Haus im Röhle wurde 1802 von Johann Georg Klocker (geboren 1773 im Kirchdorf Wolfurt) erbaut, der hier mit seiner Frau Franziska Reiner die Sippe «Stricker»Klocker begründete. Ganz in der Nähe, im alten Gasthof «Engel» am Kirchplatz, lebte damals der AltLöwenwirt Joseph Fischer (1723-1809), der den «Löwen» in Rickenbach an seinen Sohn Josef jun. übergeben hatte. Ab 1764 bis 1776 und noch einmal 1783 bis 1789 hatte Joseph Fischer als Hofsteig-Ammann die Verantwortung für das Gebiet vom Bodensee bis zu den Steußberg-Gemeinden getragen. Die Dokumente hatte er anfangs, wie alle Ammänner vor ihm, mit einem persönlichen Siegel gefertigt. Im Jahre 1784 waren aber die Befugnisse des Gerichtes im Zuge der Reformen Josef II. beschnitten worden'. Eine arge Bürokratisierung setzte ein. Um diese Zeit dürfte auch erstmals ein Hofsteig-Siegel geschaffen worden sein, das nicht ein persönliches Ammann-Siegel war. Der Reichsadler und das Wort «delegatum» machen es zu einem kaiserlichen Siegel. Die Rechte des uralten Gerichts Hofsteig werden ausdrücklich als vom Kaiser «übertragen» erklärt. Weil es bisher ein gemeinsames Hofsteiger Symbol nicht gegeben hatte, setzte man das Wappen der Ritter von Wolfurt in den Brustschild ein. Sicher kannte der Rickenbacher Ammann Fischer das Wolfs-Wappen, das aber bisher immer nur zum Schloß gehört hatte und von den verschiedenen Geschlechtern von Wolfurt als persönliches Wappen getragen worden war. Zur Gemeinde hatte es wenig Bezug, schon gar nicht zu den anderen Hofsteiggemeinden Lauterach, Hard und auf dem Berg. Dort mußte es als fremd empfunden werden und die Ablehnung gegen die josefinischen Reformen noch verstärken. Es ist bis jetzt auch kein Dokument bekannt, das mit diesem eigenartigen Petschaft gesiegelt worden wäre. Joseph Fischers Nachfolger im Ammannamt wurden 1790 der Wolfurter Schwanenwirt Joh. Georg Reiner, dann 1794 der Rickenbacher Josef Anton Böhler und 1800 bis 1802 noch einmal Joh. Georg Reiner als letzter Wolfurter Ammann. Dieser dürfte das Petschaft in den unruhigen Zeiten der Franzosenkriege vorerst behalten haben. Mehrfach wurde der Schwanen, das erste Wolfurter Gasthaus beim Brunnen am Kirchplatz, mit Einquartierung belegt und auch geplündert. Im Bestreben, das für ihn als Symbol der Ammannwürde des Gerichts Hofsteig so wichtige Petschaft vor dem Zugriff der Häscher zu verbergen, dürfte er es seinem Schwiegersohn Joh. Georg Klocker im Röhle anvertraut haben, der es im Dachboden seines neuen Hauses versteckte. Weil das Gericht 1806 von den Bayern aufgelöst wurde, brauchte man das Siegel nicht mehr. So wurde es vergessen. Aber noch ein anderer Hofsteig-«Schatz» ist im Röhle erhalten geblieben. Ammann Fischers Enkel gaben den «Engel» wieder auf. Einer übernahm den Adler in Rickenbach, ein anderer das neue Haus im Röhle, das sie 1835 gebaut hatten (Bregenzerstraße 9, Der alte Schwanen (links) und der 1860 erbaute neue Schwanen. Im alten Schwanen lebte der letzte Wolfurter Hofsteigammann Joh. Georg Reiner um 1800. Sammars). Aus «des Ammanns» Kinder machten die Wolfurter schon vor 150 Jahren den Hausnamen «Sammars». Seit dort der allgemein beliebte Fahrzeugmechaniker Sammars Hubert, 1909-1987, gestorben ist, lebt nur mehr als einziger Namensträger Fischer sein Bruder Arthur in der Lerchenstraße. Dieser bewahrt aus dem Ammann-Nachlaß ein letztes kostbares Erbstück auf, ein dickes, in Leder gebundenes Buch. Ammann Joseph Fischer hat es sich in seiner ersten Amtsperiode 1766 anfertigen lassen: «Das Weyland des EdlenVesten HansGeorgen von wolfurt hinterlassenen Zehendt Buch, so er mit aigener hand In folio geschrieben und also intitulirt hat... auf das Jahr 1576.» 200 Jahre lang waren nach diesem Buch die Zehentabgaben zwischen Sulzberg, Hard und Möggers im Raum Bregenz eingesammelt worden. Es enthält eine Fülle kulturhistorischer Details, wie alte Maße, Alprechte und anderes. Dieses Buch schrieb der Pfarrer von Scheffau Bartholomäy Finck, AD 1766, für den neuen Ammann ab «von wort zu wort gleich lauthend.» So lange ist es nun schon in «s Ammas» Besitz. In ganz Vorarlberg verstreut leben übrigens noch viele Nachkommen des Ammanns Fischer aus den Linien der «Löwenwirtler» und der «Altadlerwirts». Als Beispiele nenne ich den Generalvikar Dr. Elmar Fischer in Feldkirch, den Stadtrat Rudolf Fischer in Dornbirn und den Frauenarzt Konsul Dr. Ivo Fischer in Bregenz. Auch der bedeutende Feldkircher Historiker Gebhard Fischer, 1852-1935, Gymnasialdirektor, Ehrenbürger und Ritterkreuzträger des Franz-Josefs-Ordens, war ein Löwenwirtler aus Wolfurt. Ammann Reiners Geschlecht ist dagegen im Mannesstamm ausgestorben, denn sein einziger Sohn Columban Reiner, 1676-1838, wurde Priester und war viele Jahre Pfarrer in Lauterach. Die Tochter Franziska aber, verheiratet seit 22. November 1802 mit Joh. Georg Klocker im Röhle, hat dafür gesorgt, daß das Ammann-Blut auch noch heute in Wolfurt in den zahlreichen «Strickar»-Nachkommen weiterlebt. 5 1 Bilgen, Geschichte IV., S. 125ff 4 Siegfried Heim Hofsteig Zwischen der Bregenzerach und der Dornbirnerach faßt man heute sechs Gemeinden als «Hofsteig»-Gemeinden zusammen: zwei in der Ebene: Hard und Lauterach zwei am Talrand: Wolfurt und Schwarzach zwei auf dem Steußberg: Bildstein und Buch. Sie umfassen zusammen eine Fläche von etwa 60 km2, wobei Hard mit 18 und Lauterach mit 12 km2 schon die Hälfte besitzen. Die anderen 30 km2 sind aufgeteilt auf Wolfurt mit 10, Bildstein mit 9, Buch mit 6 und Schwarzach mit 5 km2. 1991 wurden insgesamt 30.178 Hofsteiger gezählt, über 10.000 davon allein in Hard.1 Auch Alberschwende hatte immer eine enge Verbindung mit Hofsteig, besaß aber seit 1451 - zeitweise gemeinsam mit Lingenau - ein Eigengericht und einen eigenen Abgeordneten zu den 24 Vorarlberger Landständen. Der Dornbirner Historiker Kalb versucht 1 nachzuweisen, daß die Hofsteiger Südgrenze im Mittelalter nicht an der Schwarzach, sondern am Stiglinger Sumpf lag2. Demnach gehörten auch Haselstauden und der Haselstauder Berg ins Hofsteiger Einflußgebiet. Als Beweise nennt er die alten Steußberger Familien Sohm, Winder, Gmeiner, Kalb, Köb und Höfle, die auch zu den wichtigsten Geschlechtern in Alberschwende und Haselstauden zählen. Als die Alemannen um 500 nach Chr. Geburt das Unterland besiedelten, suchten sie in dem sumpfigen und von den Hochwässern von Rhein und Ach bedrohten Gebiet feste Plätze an den Bächen aus, die für den Weizenanbau geeignet waren. Jeweils eine Gruppe von Siedlern schloß sich zu einer Markgenossenschaft zusammen. Rechts der Ach waren das Hofrieden bis zur Leiblach, links neben Hofsteig noch Dornbirn-Hatlerdorf und HöchstSt. Margarethen. In Hofsteig gab es geeignete Gründe am Talrand auf den Schuttkegeln der Bäche in Wolfurt, Rickenbach und Schwarzach. Dazu kam der feste Grund an der Lauterach, wo sehr früh die Orte Lauterach im heutigen Unterdorf und Hard im Bereich der Mittel weiherburg entstanden. Ein zusätzlicher Anreiz waren die Römerstraße, die am Hang entlang von der Ach über Oberfeld - Wolfurt - Rickenbach - Schwarzach ins Oberland führte, und die zweite Römerstraße, die von Bregenz über Lerchenau und Mittelweiherburg in die Schweiz nachweisbar ist. Freie Bauern bewirtschafteten hier gemeinsam ihre Mark: die Äcker, die Weiden, die Wälder. «Allen soll alles gemeinsam sein!» schreibt eine Urkunde von 891.3 Aber die Freiheit verpflichtete auch zum Kriegsdienst und war nicht immer erstrebenswert. Viele übergaben daher ihren Anteil und sich selbst dem Grafen oder einem Kloster, in dessen Schutz sie sich besser geborgen wußten. Ein frühes Dokument dazu ist jenes, in dem Gerhart aus «luteraha» seinen Besitz im Jahre 853 dem Kloster St. Gallen vermachte.4 Viel mehr Unfreie zogen aber die gräflichen Höfe an sich. Einer davon war der Kellhof im heutigen Kirchdorf Wolfurt, seit 955 Privatbesitz der Pfullendorfer Grafen, die hier ihre Kapelle St. Nikolaus stifteten, dann Eigentum des Kaisers Barbarossa. Später kam der Kellhof Wolfurt mit seinen bis zu 200 Eigenleuten nacheinander in den Besitz des Klosters Weißenau bei Ravensburg, der Herren zu Werdenberg-Bludenz und ab 1402 der Grafen von Montfort-Bregenz und MontfortTettnang. Von letzteren kauften ihn schließlich 1458 die Grafen von Hohenems. Mit dem Emser Besitz fiel der Kellhof erst 1765 an Österreich, also 300 Jahre später als Hofsteig. Dabei muß aber berücksichtigt werden, daß der Kellhof nie eine geschlossene Einheit war, sondern ein Zusammenschluß von Personen. Ihr Besitz lag schließlich zum großen Teil außerhalb von Wolfurt am Steußberg, in Schwarzach, Kennelbach, Fluh und Langen.5 Genaue Zahlen in Heimat 8, Seite 4 2 3 Franz Kalb, Dornbirn, 1984, Seite 96 Bilgen, Geschichte I, S. 57 Bilgen, Geschichte I, S. 84 Welti, Kellnhof Wolfurt, LMV 1952 Hofsteig auf der Blasius Hueber-Karte von 1783. Man sieht noch die alte Straße von Lauterach nach Rickenbach. Die ganz neuen Landstraßen durch das Ried und nach Hard haben aber den Verkehr an sich gezogen. 4 5 6 7 und Gewichte. Darüber hinaus war er eine soziale Einrichtung. Er besaß ein Armenhaus und sorgte für die Waisenkinder. In der Herberge bot er Gastfreundschaft. Ein umzäunter Platz gab die Möglichkeit zur Rast für Mann und Pferd. Dieser Platz war der Mittelpunkt des Hofes und erhielt später eine große Laube für Versammlungen. Hier wurde Gericht gehalten, doch war die Laube auch der Ort für Tanz und Spiel.6 So fand der Zehent vielfältige und nützliche Verwendung. Ein großer Teil der Vorräte, die der Ammann mit seinen Zinsknechten in den Speichern des Hofes gesammelt hatte, mußte allerdings an den Lehensherrn, den Grafen auf Schloß Bregenz, abgeliefert werden, ein Teil auch an das Kloster Mehrerau. Die Mehrheit im Dorf bildeten aber nicht die Hofsteigbauern. Es gab auch viele Freie. Für sie bestand bis 1338 ein Gericht der Freien zu Schwarzach, wo der Graf selbst Gericht hielt. Um die Jahrtausendwende hatte sich der Hof zu Steig nach Lauterach und Hard ausgedehnt. Nun begann man mit der Rodung des Steußbergs und der Besiedlung des Bregenzerwaldes. «Steußberg» ist der alte Name für Bildstein und bedeutet nach der ältesten Bildsteiner Chronik «Steigs-Berg». Sprachforscher nehmen allerdings den Wortstamm «stoß» als Namensursprung an. Bei der Besiedelung des Bregenzerwaldes ergab sich ein Interessenskonflikt. Die BregenzMontforter Grafen erschlossen von Hofsteig aus zuerst Alberschwende und den Lingenauer Raum für sich, dann auch Andelsbuch, wo sie um 1086 am Grab des seligen Diedo sogar ein Kloster errichteten. Die Pfullendorfer dagegen erwarben von ihrem Kellhof bei St. Nikolaus in Wolfurt aus den Raum Egg-Schwarzenberg. Zwei Saumwege führten über den Steußberg. Der eine war der Weg für die Kaiserlichen über Buggenegg und die Roßgaß nach Alberschwende und weiter über die Lorena zu den Reichspfarren Egg und Schwarzenberg. Der andere für die montfortischen Hofsteiger führte über Linzenberg und Farnach nach Alberschwende und Lingenau. Als ab 1075 der Streit zwischen Kaiser und Papst das Land verwüstete und die Kaiserlichen die papsttreue Stadt Bregenz verbrannten, gab es auch im Hofsteiger Raum Brand, Raub und Totschlag. Vielleicht hat der gewaltsame Tod des seligen Merbod, der die Bregenzer Grafen vertrat, hier seine Ursache. Urkunden fehlen ja, wie Erich Winder sorgfältig erforscht hat.7 Aber sicher waren keine bösen Heiden die Totschläger. Weil sich also der Kellhof Wolfurt mit Lindau nach Pfullendorf und Schwaben orientiert hatte, lag der Schwerpunkt von Hofsteig bald in Lauterach. Folgerichtig wurde daher auch im 13. Jahrhundert der Sitz des Gerichtes Hofsteig nach Lauterach verlegt. Aus dem Jahre 1260 datiert eine Urkunde mit dem Namen «curia staige» (Genossenschaft Steig). Ein Ammann bekleidete eine einmalige Doppelfunktion. Einerseits war er Vertrauensmann des Volkes und wurde von diesem gewählt und anerkannt. Andererseits war er aber der Verwalter des Grafen, von diesem als Stellvertreter eingesetzt für Zehenteinhebung und Gericht. 6 7 Gebhardsberg um 1950. Kirchlein und Gasthaus in den Ruinen von Burg Pfannenberg. Hier herauf mußten die Hofsteiger ihren Zehent abliefern. Der zweite Hof gehörte den Udalrichinger Grafen von Bregenz. Er stand draußen auf der Steig bei Rickenbach. Nach der Überlieferung sollen die Häuser Hofsteigstraße 46 und Rutzenbergstraße 1 und 2 heute seinen Platz einnehmen. Ein Ammann verwaltete hier die Güter für den Grafen. Die Bauern, die ihren Besitz der Schutzherrschaft des Hofes anvertraut hatten, erhielten denselben als «Lehen» zurück. Dafür mußten sie Abgaben zahlen. Der Großzehent bestand aus jeder zehnten Garbe von Getreide und Heu und jedem elften Maß Wein. Kleinzehent wurde von Kälbern, Gänsen, Hühnern, Milch, Käse, Eiern genommen, auch von Obst, Gemüse, Flachs und anderen Erträgen, doch konnte man Kleinzehent oft durch Frondienst abgelten. Am drückendsten aber war der «fal», der beim Ableben des Lehensbauern «fällig» wurde, meist als «besthaupt» im schönsten Pferd oder Rind aus dem Stall und als «häsfal» im besten Kleid aus dem Kasten. Für diese Abgaben bot der Hof mehr als nur Schutz in Kriegszeiten. Er zwang wie in einer großen Familie zu einer Gemeinschaft unter der Leitung erfahrenenr Männer. Er verlieh Pflug und Wagen. Er stellte den Schmied, die Mühle, den Weintorggel, den Metzgerzuber und die Badgelte. Der Hof hielt Hengst, Stier und Eber. Er verlieh und kontrollierte Maße 8 Nach Bilgen, Holunder 1932, Nr. 35 Winder, Alberschwender Lindenblatt 1972/1 9 der Wolfurter zur linden. Wahlberechtigt waren jene Männer, die eine Waffe tragen durften. Auf ein Zeichen des Vogts liefen sie zu dem Mann ihrer Wahl. Mit Strichlisten zählten Vertrauensleute die drei hauffen. Wer das mehr hatte, war für drei Jahre zum Ammanngewählt. Dann bestimmte man zwölf richter (Geschworene) als Berater des Ammanns und Vertreter ihrer Dörfer. Sie nahmen an seiner Seite Platz. Nun wurden durch weiteren Zulauf noch ein waibel (Polizist und Gemeindediener), ein Müller und ein Müllerknecht gewählt und sieben dorfgenossen (Dorfmeister) eingesetzt, je zwei für Hard, Lauterach, Wolfurt und einer für Schwarzach. Jeder mußte feierlich mit aufgehobenem Hand schwören, dem Landesfürsten getreu zu dienen und des Gerichts Hofsteig Nutzen zu fördern, sowie allzeit unparteiisch zu entscheiden, als mir gott helfe und alle hailigen!10 Auch die Gastwirte mußten diesen Eid schwören. Im Namen des Fürsten hob der Ammann von nun ab Zehent und Abgaben ein, beglaubigte mit seinem Siegel Verträge, Käufe und Schuldscheine und sorgte für die Einhaltung der im Landsbrauch aufgeschriebenen Gesetze. Er verwaltete mit seinen Richtern die gemeinsamen Weiden und Wälder, beaufsichtigte die Pflege von Straßen, Brücken und Gräben und bestimmte Saat und Ernte in den Weizenfeldern. Eigene Verträge regelten die aufwendigen Dammbauten gegen die Überschwemmungen durch die Bregenzerach. Sie leben noch heute in der «Linksseitigen Achwuhr-Konkurrenz» fort. Als besonders wichtig erwies sich auch die jährliche Kontrolle der Marken und Zäune. Zu den sozialen Aufgaben des Ammanns gehörte die Führung der Waisenbücher. Hofsteigdörfer um 1940. Blick vom Hinterfeld zum See. Aus den Obstbaumwäldern strecken sich die Kirchtürme von Wolfurt, Lauterach und Hard. Da war es wichtig, daß er gute Berater zur Seite hatte und die mündlich überlieferten Gesetze genau kannte. Erst im Jahre 1544 wurden dieselben als «alter landsgebrauch des gerichtz Hofstaig» aufgeschrieben. Alle drei Jahre wurde gewählt. Vormittags zogen die Amtsleute zum Gottesdienst in die Mehrerau, nahmen dort auch das Mittagsmahl ein und trafen sich dann in Lauterach auf dem Gerichtsplatz beim «Scharfen Eck» mit dem Volk, das vom See und vom Berg herbeigeströmt war, zur Wahl. Nach dem Rücktritt des alten Ammannns mußten drey ehrliche männer vorgeschlagen werden, ain von Lauterach, den andern von Hard und den driten aintweders von Wolfurt, ahm berg oder von Schwartzach.* Der Vogt nominierte im Namen des Fürsten die Kandidaten. Sie mußten der oberkait gefällig und habhaft9 sein. Es kamen also nur reiche Leute in Frage, meist Wirte oder geachtete Handwerker. Bei ihnen glaubte man die eingehobenen Steuern sicherer aufgehoben als bei armen Bauern. Vor allem aber mußten sie der Obrigkeit passen! Die Wahl erfolgt durch das lauffen. Am Platz standen zwei Häuser und eine Linde. Der Harder Vertreter stellte sich zum westlichen Haus, der Lauteracher meist zum zweiten und 8 9 An dem drei Gerichtstagen im März, im Mai und zu Micheli im Herbst wurden unter Vorsitz des Ammanns Streitigkeiten geschlichtet und Frevel gestraft. Meist tagte das Gericht in der Tanzlaube in Lauterach, nicht selten fanden das «Mayengericht» oder das «Herbstgericht» aber auch in Wolfurt oder in Rickenbach statt, selbst wenn Harder Streitigkeiten vorlagen." Über Totschlag, Landesverrat und natürlich auch in Hexenprozessen entschied allerdings das «Malefiz»-Gericht in Bregenz, wo sich auch Richtstätte und Galgen in der Nähe der Klause befanden. Der Hof auf der Steig diente weiterhin dem Herrn in Bregenz. Wenn dieser zur Jagd oft mehrere Tage einkehrte, hatten er und seine Begleiter Anspruch auf Essen und Unterkunft. Der Müller am Rickenbach mußte die Hunde versorgen. Falken und Habichte bekamen ein Huhn. Jederzeit mußte der Hof für den Grafen Wagen, Fuhrknecht und vier starke Pferde bereitstellen. Der Hofsteiger Landsbrauch lag in allen Gemeinden auf. Einige Abschriften sind erhalten. Landesarchivar Viktor Kleiner hat dieses wertvolle Dokument alter Sprache, Kultur und bäuerlichen Rechtes 1900 im 41. Jahresbericht des Vorarlberger Museumsvereines neu veröffentlicht. Rund 800 Jahre lang hat der Landsbrauch das Zusammenleben der Bauern und der Dörfer zwischen Berg und See geregelt und eine starke Gemeinschaft geschaffen, die sich sogar 10 LMV1900.S. 135 habhaft = vermögend LMV 1900, S. 136 ff VLA Urkunde 1389, 1402, 1570 10 11 im eigenen Hofsteiger Dialekt etwa von Dornbirn, Lustenau, vom Wald und auch von Bregenz abhebt. Man kannte sich gegenseitig, denn man traf sich ja regelmäßig bei den Gottesdiensten in Bregenz. Noch 1480 hatten alle HofSteiger beim Wiederaufbau der abgebrannten Pfarrkirche St. Gallus geholfen. Dann aber lösten sich 1512 als erste Wolfurt und der Steußberg und errichteten eine eigene Pfarrei. 1618 folgte Lauterach und 1646 machte sich auch Hard selbständig. Jetzt gab es erste Risse in der Hofsteiggemeinschaft. Bei Ammannwahlen traten immer häufiger die Bewohner einer Pfarre gegen die andere auf. Schwere Streitigkeiten gingen auch dem Auseinanderbrechen der Pfarre Wolfurt voraus. 1760 machte sich Buch selbständig, 1790 Bildstein und zuletzt 1824 auch noch Schwarzach. Umschichtungen in Handel und Gewerbe traten als Folge des Straßenbaus auf. Die Brücke über die Ach und die Heerstraße von 1518 hatten Lauterach und Rickenbach begünstigt. Als Kaiserin Maria Theresia 1768 die neue Landstraße durch das Ried bauen ließ, bekam auch Hard eine Verbindung zum Rhein. Wolfurt und Schwarzach lagen jetzt weit abseits. Das änderte sich erst 1838 durch die neue Wälderstraße von Lauterach nach Wolfurt und von Schwarzach durch das Tobel in den Bregenzerwald. Hofsteig war schon 1451 mit halb Bregenz an das Haus Habsburg-Österreich gekommen Der Kellhof Wolfurt aber blieb noch lange bei den Grafen von Ems. Allerdings verloren die Kellhofer mit dem Rückgang der Emser Macht immer mehr von ihrem Eigenleben. Im 18. Jahrhundert ging das Eigengericht schließlich fast zur Gänze im Hofsteiggericht auf. Aber auch das Ende von Hofsteig nahte. Hungersnöte um 1700 hatten den Anbau von Mais und Kartoffeln erzwungen und damit die alte Dreifelderwirtschaft zu Fall gebracht. Zuerst wurden nur die gemeinsamen Getreide-Esche aufgeteilt, 1795 auch der Ippachwald und um 1800 noch das Ried. Die Reformen Josef II. hatten die Rechte des Ammanns stark eingeengt. Als in den Franzosenkriegen die Bayern Vorarlberg besetzt hielten, wurden 1806 die Gerichte einfach abgeschafft. Altes Hofsteiger Recht wurde durch staatliches Recht ersetzt. Aus dem Gebiet Hofsteig wurden mit ziemlich willkürlichen Grenzen die sechs Gemeinden geschaffen. Um 1811 traten Bürgermeister ihr Amt an. Seither führen die Gemeinden ihr Eigenleben und sehen dabei oft nur bis zu ihrem eigenen Kirchturm. Straßen sollten eigentlich Dörfer verbinden, aber Autobahn, Dörferstraße, S 18 und andere haben in den letzten Jahrzehnten tiefe Klüfte zwischen die Gemeinden gegraben. Dabei wäre doch eine Zusammenarbeit für ein gemeinsames gutes Trinkwasser, für den Lebensraum Ried - unser aller Ried -, für den Wald und den Berg, eine Zusammenarbeit auch in der Schaffung von Arbeit für alle, für gemeinsame Schulen und gemeinsam gestaltete Freizeit so wichtig! Einige Vereine haben die Barrieren überwunden. Die Feuerwehren und die Blasmusikkapellen arbeiten eng zusammen. Auch die Bürgermeister treffen sich immer wieder und erörtern gemeinsame Probleme. Das läßt hoffen, daß guter alter Hofsteiger Brauch Zäune und Gräben überwinden kann. Die Lauteracher Brücke gegen Zoll und Riedenburg um 1910. Erbaut wurde die Holzbrücke 1518, abgebrochen 1916. 12 13 Hofsteiger Ammänner Ammann bedeutet Amtmann, Verwalter eines bestimmten Landessprengels von meist mehreren Gemeinden für die gräfliche oder fürstliche Herrschaft. Anfangs nannte sich der Inhaber des Amtes meist lateinisch «minister», später «Keller», Ammann, Amtmann, Landammann, Gerichtsammann, um 1470 auch «österreichischer Ammann» oder «Herzog Sigmunds Ammann in dem Hof zu Staig». Zuletzt lesen wir um 1800 häufig die Bezeichnung Amtsverweser oder Amtsammann. Ein abgelöster Ammann führte den Titel «Altammann» und diente dem Gericht oft noch lange als Beisitzer (Geschworener, Eidgenoß). Nicht selten bekam er das Ammannamt noch mehrmals übertragen. Im Sprengel Hofsteig gab es außerdem Hofsteigammann zwei weitere Ammänner, die von diesem unterschieden werden müssen: Der Kellhof-Ammann (auch Keller, Kellermeister) verwaltete die Wolfurter Kellhofgüter, die zum großen Teil auch in den Nachbargemeinden verstreut lagen, für die gräfliche Herrschaft, zuletzt für die Grafen von Hohenems. Der Gotteshausammann («gotshusaman») sorgte sich um die zahlreichen Besitzungen des Klosters Mehrerau in Wolfurt und auf dem Steußberg. In der folgenden Auflistung stelle ich aus Urkunden, Regesten, Besatzbüchern, Schaffund Copeybüchern die Namen der Hofsteig-Ammänner zusammen und notiere bemerkenswerte Einzelheiten zu den aus Wolfurt stammenden. Für die Lauteracher ist das schon in den Heimatbüchern 1953 und 1985 geschehen. In den Archiven gibt es eine Fülle von Akten, mit deren Hilfe sicher noch manche Ergänzung der Reihe möglich ist und manche Lücke geschlossen werden kann. I. Unter den Montforter Grafen von Bregenz Als ältestes Dokument für einen Hofsteig-Ammann galt bisher eine Urkunde von 12601, in der neben «curia staige» u. a. ein «Heinricus minister de Liutrah» genannt wird. Nun weist aber Niederstätter nach, daß dieser Ammann Heinrich aus Lauterach keineswegs Hofsteigammann war, sondern vielmehr in der Herrschaft Bregenz die Interessen der Werdenberger, denen bis 1402 der Wolfurter Kellhof gehörte, vertrat.2 Als älteste Verwalter des Gerichts Hofsteig fungierten Montforter Edelleute, etwa die Herren von Schwarzach und die Helwer, die aufSchloßVeldegg im Oberfeld saßen. «Jegliche Kompetenz dieser Gerichte leitete sich von oben, von der Herrschaft ab, nicht etwa beruhte sie auf der Souveränität des Volkes», schreibt Niederstätter.3 Er tritt damit der bisher verbreiteten Meinung entgegen, hier hätten die Landleute einen der ihren in demokratischer VLA Urk. 777 2 Alois Niederstätter, Die Ammänner, Montfort 46/1994, Vorabdruck S. 8 3 Alois Niederstätter, Verfassungsgeschichte, Montfort 39/1987, S. 62 1 Wahl in sein Amt gehoben. Noch im 1544 aufgeschriebenen «alten landsgebrauch des gerichtz hofstaig» ist ja die erste Bedingung für einen Ammannkandidaten «der oberkait geföllig» sein.4 Im Namen des Fürsten nominierte der Vogt die Kandidaten. Wir kennen die Verwalter und meist auch ihre Siegel nur von den erhaltenen Urkunden, die sie selbst ausstellten oder als Zeugen unterfertigten. Schon 1322 siegelte Conrat der Buch, Keller zu Staig, eine Verkaufsurkunde.5 Er war demnach Verwalter des großen gräflichen Hofes auf der Steig in Rickenbach. Am 23. Juli 1364 verkaufte Eberhard der Helwer seine Burg Veldegg. Als Zeuge war Cuonrat der Ammann dabei.6 Auf mehreren Urkunden finden sich auch die Ritter von Wolfurt. So tauschten etwa am 17. März 1373 Wölfli von Wolfurt und Abt Burkard von Bregenz ihre Leibeigenen Elsbeth die Gebührlin und Adelheid die Köbin.7 Erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts lassen sich für Hofsteig regelmäßig Ammänner feststellen. Sie beaufsichtigten aber ursprünglich nicht ein abgegrenztes Gebiet, sondern den zum Hof Staig gehörigen Personenverband.8 Ihre Amtszeit läßt sich aus den Urkunden annähernd errechnen. 1. Johann von Bunis «des Grafen Chunrat von Bregentz Ammann, der im Dorf zu Lutrach öffentlich zu Gericht sitzt» oder «Ammann zu Hardt und im Hof Stayg». Er war wohl ein Montforter Edelmann, der in Hard wohnte. 2.1 Hans Keller genannt Buch Er war vermutlich aus der Familie des Conrat der Buch (von 1322) und ebenfalls Keller zu Staig. 3. Henny Veldegg Die in Wolfurt und Lauterach ansässigen Veldegg dürften Nachkommen der Helwer von Veldegg sein. 4. Jos Wiss 1383-1404 1406-1409 Zu 2.1 Siegel des Hans Keller genannt Buch, Ammann und Keller zu Staig 1423 (VLA Urk. 998) 1410-1413, 1415 1414 4 5 6 7 8 LMV 1900/S. 135 VLA Urk. 80096 VLA Urk. 839, Ulmer, Burgen, S. 384 VLA Urk. 851 wie Anm. 2, S. 5 14 15 2.2 Hans Keller genannt Buch Anno 1423 ist er auch Landammann zu Lingenow.9 1444 befehligte Hans Keller als Hauptmann ein Vorarlberger Söldneraufgebot in Jenbach, das in Diensten der rebellierenden Tiroler gegen den späteren Kaiser Friedrich III. stand.10 5. Hans Lädlin aus Lauterach Anno 1423 auch Ammann zu «Albriswendi». 6.1 Heinrich Kaisermann Er war ein reicher Bregenzer Bürger und mehrfach auch Stadtammann zu Bregenz. Von seiner Mutter Maria aus dem Rittergeschlecht von Wolfurt hatte er Anteile am Schloß geerbt. Dort wohnte er zeitweise." 7. Heinrich Payger 6.2 Heinrich Kaisermann 8. Hans vom Bach genannt Hentz Bregenzer Bürger und Ratsherr, «des Markgrafen Wilhelm von Hochberg Landammann zu Bregenz», aber auch «Landammann im Hof zu Staig» 1417-1423 II. Unter Österreich I., 1451-1686 Waren bisher meist Edelleute oder angesehene Bregenzer Bürger als Amtmänner für den Grafen tätig gewesen, die für einen starken Einfluß der Stadt in den Dörfern gesorgt hatten, so änderte sich das unter den österreichischen Vögten. Sie hatten kein Interesse daran, die Stadt zu bevorzugen, und nahmen die neuen Amtmänner aus den Dörfern. 9.1 Peter Boss, Lauterach 10.1 Uli Götpfried 9.2 Peter Boss, Lauterach 11. Jos Wiss Die Wiss, später Weiß, waren in Wolfurt und in Lauterach daheim. 10.2 Uli Götpfried «der Herrschaft von Österreich Ammann in dem Hof zu Staig». 12. Hans Troll von Schwarzach «Herzog Sigmunds Ammann in dem Hof zu Staig» 13. Jos Berüttiner 14. Cunrat Veldegg aus Wolfurt 15. Jörg Riner, Lauterach Ein Johann Riner von Ach reiste 1476 nach Rom und erhielt die Erlaubnis zum Bau einer Kirche St. Georg in Lauterach, die auch von den Wolfurtern besucht wurde. 16. Hans Gunthalm, Lauterach 17.1 Sebastian Schnell, Wolfurt Er erreichte 1512 die Gründung der Pfarrei Wolfurt. Siehe Anhang: Ammann Schnell, S.26 18. Auf einer Urkunde von 1511, in der Landammann Sebastian Schnell selbst als Käufer auftritt, siegelt Hans Boss, Landammann im Hof Staig zu Lutrach. 1453 1454 -1457 1458 - 1465 1465-1475 1424-1430 1431 - 1433 1476 - 1478 zu 1478-1479 14 Siegel des Cunrat Veldegg, Ammann 1482 1434 - 1439 1439 - 1443 1446 - 1452 1481-1482 1482 - 1486 1486 - 1492 1493 - 1495 1496 - 1524 Am 4. September 1451 verkaufte Markgraf Wilhelm die halbe Herrschaft Bregenz, darunter auch das Gericht Hofsteig, an Herzog Sigmund von Österreich. Vom Preis von 35.000 Gulden blieb eine Schuld von 6.000 Gulden offen. Die Zinsen dafür waren in den Gerichten Bregenz, Hofsteig, Lingenau und Alberschwende aufzubringen. LingenauAlberschwende löste sich jetzt von Hofsteig und erhielt einen eigenen Ammann. 9 10 11 VLA Urk. 997 Bilgeri, Geschichte II, S. 462 und 605 «Wolfurt» Siehe Heimat 9, S. 39 16 17 19.1 Heinrich Hummel, Wolfurt 17.2 Sebstian Schnell siegelt auch noch auf späteren Urkunden als Ammann im Hof Staig, als «Verwalter des Kellnhofammannamts zu Wolfurt» 1539 und wieder als Ammann im Hof Staig. 19.2 Heinrich Hummel Er ließ 1544 den Hofstaigischen Landsbrauch aufschreiben.12 20.1 Oschwald Caspar aus Wolfurt 21. Jörg im Hag aus Hard Eine exakte Zuweisung der «Dienstjahre» der einzelnen Ammänner ist nicht möglich, aber es dürften auch jetzt schon dreijährige Perioden gewesen sein. Manchmal siegelten Altammänner noch in der Amtszeit der Nachfolger. 22. Hans Bärtel aus Schwarzach 20.2 Oschwald Caspar 19.3 Heinrich Hummel «zu Wolfurt» 20.3 Oschwald Caspar 23. Sebastian Troll aus Schwarzach 24.1 Jakob Gundthalm aus Lauterach 25.1 Caspar von Ach aus Lauterach genannt Dorff 26. Adam Bärtel aus Schwarzach 25.2 Caspar von Ach gen. Dorff 24.2 Jakob Gundthalm 27. Hans Weiß aus Lauterach 28.1 Hans Schertler aus Lauterach 29. Zacharias Birnbaumer Ein Harder Geschlecht 1524-1527 1527-1528 1540 1539 zu 19.1 Siegel des Heinrich Hum1542-1544 mel, Ammann im Gericht 1541, 1546, VLAUrk.1780) 1548-1551 30.1 Hans Jacob Ölz zu Schwarzach 28.2 Hans Schertler 31.1 Kaspar von Ach, Lauterach 30.2 Hans Jacob Ölz 31.2 Kaspar von Ach 32. Georg Wehrlin «zu Rickenbach»13 33.1 Hilar Fröwis zu Lauterach 30.3 Hans Jacob Ölz 34. Hans Müller «zu Rickenbach»14 Gleichzeitig siegelt aber auch 33.2 Hilar Fröwis als Ammann des Gerichts Hofstaig 35.1 Jacob Feurstein, Wolfurt Er besaß schon 1617 einen Hof in Rickenbach.15 36. Georg Schwerzler zu Wolfurt Er ist der Stammvater fast all der zahlreichen Schwerzler - und Schwärzlerfamilien in Wolfurt und Umgebung. 37.1 Hans Sommer zu Lauterach 3 8.1 Hans Weiß zu Lauterach 37.2 Hans Sommer 35.2 Jacob Feurstein 37.3 Hans Sommer 38.2 Hans Weiß 37.4 Hans Sommer 35.3 Jacob Feurstein 37.5 Hans Sommer Er nennt sich aber auch noch 1672 und 1673 Ammann. 39.1 Jakob Schneider, Wolfurt. Siehe Anhang, S. 28 und S. 35 40. Gregor von Ach, Lauterach 41. Caspar Dietrich, Lauterach 13 14 1609 1610 1614- 1615 1616-1620 1621-1622 1624 1625 1626 1627-1630 1629 - 1631 1636 1640 1552 1552 - 1556 1557 1562 - 1565 1567 1569 - 1574 1578 - 1583 1586 - 1587 1588 1590 - 1592 1594 - 1596 1599 - 1602 1605 1641 - 1642 1643 - 1646 1646 - 1653 1653 1657 - 1658 1658-1661 1661-1664 1664 - 1667 1668 - 1671 1671-1676 1676 - 1678 1680 - 1686 In den Wolfurter Pfarrbüchern finden sich «Wärlin» bis 1752 Müller-Familien hielten sich in Wolfurt noch lange. Sie stellten im 18. Jahrhundert die Gotteshaus-Ammänner. Das Wolfurter Familienbuch zählt 8 Feurstein-Familien auf, doch starben alle um 1750 aus. LMV 1900, S. 132. Dort sind u.a. genannt: «Hainrich Humbel amman», «Jerg im Hag», «Oschwald Caspar», «Hans Bärtel», lauter zukünftige Ammänner 12 15 18 19 In zwei Jahrhunderten unter österreichischer Herrschaft hatte sich die Struktur des Gerichts Hofsteig grundlegend gewandelt. Nacheinander hatten sich seine Gemeinden von der Mutterpfarre St. Gallus abgespalten: zuerst Wolfurt 1512, dann Lauterach 1618 und Hard 1646. Kaiser Maximilians Heerstraße und die erste Achbrücke von 1518 hatten den Verkehr ins Schwabenland verstärkt. Die Reformation, die Bauernkriege von 1525, der Schwedeneinfall 1647 und die gewaltigen Pilgerströme nach Maria Bildstein im 17. Jahrhundert hatten viele fremde Menschen und neue Ideen in das konservative Hofsteig gebracht. Jetzt wirkte «das Volk» bereits sehr aktiv bei den Ammannwahlen mit. Zwar mußte es sich weiterhin zwischen den vom herrschaftlichen Vogt vergeschagenen Männern entscheiden. Aber die immer häufiger werdenden Wechsel der Amtsinhaber zeigen, daß die Wähler nur mehr selten mit der im Landsbrauch vergesehenen Verlängerung des Mandats einverstanden waren. Dabei spielten sicher auch Eifersüchteleien zwischen den neuen Pfarren eine Rolle. III. Unter Österreich II, 1686 -1759, Kampf um eigene Rechte Die nächsten Jahre sind geprägt von einer bitteren Auseinandersetzung mit der Herrschaft der Vögte, von Erfolgen des «Gemeinen Mannes» unter Jerg Rohner und Niederlagen in der Zeit des Absolutismus. Über die Ammann wahlen in dieser Zeit sind wir besonders gut informiert, weil die «Besatzbücher» des Gerichtes fast lückenlos erhalten geblieben sind.16 Sie beginnen: Actum bey gehaltener Gerichtsbesatzung zue Lutherach vom 10. Merzen 1686. Die Nominierung lautet: In Amman-Schuß sind genomben worden Sigmund Dörler gegen Amman Diethrichs Hauß Jacob Schneider alter Amman gegen Sigmund Dörlers Hauß und Linden Hanß Morsch gegen Hardt. Dörler vertrat Lauterach, Schneider Wolfurt und Steußberg, Morsch stand für Hard. Das Mehr bekam Schneider, der schon 1671 - 76 Ammann gewesen war. Die Liste der 12 Geschworenen führen seine abgelösten Vorgänger Caspar Dietrich und Gregor von Ach an. Als zwölfter wurde der Rickenbacher Adlerwirt Caspar Haltmayer neu aufgenommen. 39.2 Jakob Schneider, Wolfurt Spannend wurde die Wahl vom 21. August 1689. Weil Schneider eine nochmalige Nominierung ablehnte, stellten die Wolfurter den jungen Hans Schwerzler, den Sohn des früheren Ammann Georg Schwerzler (Nr. 36) auf. Gegen ihn boten die Lauteracher ihren Alt16 1686 - 1689 ammann Gregor von Ach auf, die Harder wieder Hans Morsch. Das knappe Ergebnis des Mehrlaufens stand erst nach einer genauen Zählung fest. Die Strichlisten sind dem Akt beigelegt und geben Aufschluß darüber, daß aus ganz Hofsteig 517 Männer wählten: 249 für von Ach, 263 für Schwerzler, nur 5 für Morsch. So begann Hans Schwerzlers umstrittene Amtszeit.17 42.1 Hans Schwerzler, Wolfurt 1692 zu Lauterach «per Maiora widerum zum Amman erwählt». Durch die Wallfahrt hatte Bildstein seine Einwohnerzahl stark vergrößert. Die Pfarre Wolfurt mit Bildstein dominierte jetzt. So brachte sie bei den nächsten Wahlen auch ihren neuen Kandidaten, den Rickenbacher Adlerwirt, durch. 43.1 Caspar Haltmayer, Rickenbach und noch einmal 42.2 Hans Schwerzler, Wolfurt und in seiner vierten Amtszeit. Gegen Schwerzlers Amtsführung richteten sich die Klagen und der Aufstand des «Gemeinen Mannes». 43.2 Caspar Haltmayer 44.1 Jerg Rohner, Wolfurt18 und 45 Jakob Natter, Bildstein 44.2 Jerg Rohner, noch einmal 4 Perioden 46.1 Martin von Ach, Lauterach 1740 wurde die öffentliche Ammannwahl abgeschafft. 47. Anton Greußing, Rickenbach19 48.1 Joh. Kaspar Winder, Bildstein 17 18 19 1689 - 1692 1692 - 1695 1695 - 1698 1698 - 1701 1701 - 1704 1704 - 1707 (VLA Zu 43.1 Siegel des Caspar Haltmayr, Ammann 1697 Urk- 2687) 1707 - 1710 1710 - 1713 1713-1716 1716-1722 1722 - 1734 1734 - 1743 1743 - 1746 1746 - 1755 VLA, Oberamt Bregenz, n 471, Schachtel 42 Siehe im Anhang unter «Der Gemeine Mann», S. 28 ff Über Rohner berichtet ein eigener Beitrag im Anhang: «Der Gemeine Mann», S. 28 ff Die Greußing kamen um 1690 aus Egg, betrieben im Haus Rickenbacherstraße 4 eine Gerberei und übersiedelten um 1800 nach Schwarzach, Lauterach und ins «Schlößle» nach Hard. 20 21 46.2 Martin von Ach, Lauterach 1755 - 1759 IV. Bis zum Ende unter den Bayern. 1759 - 1 8 0 6 48.2 Joh. Caspar Winder, Bildstein 49. Joh. Caspar Luger, Bildstein 2I 50.1 Joseph Fischer, Wolfurt, Löwenwirt 2 2 vier Perioden hintereinander «Ambtsammann» 5 1 . Mathias von Ach, Lauterach ein Sohn des Martin (46.) 50.2 Joseph Fischer weitere zwei Perioden Das Gericht war müde geworden. Die kaiserlichen Beamten zogen immer mehr Aufgaben an sich. Ein ganzes Jahr verspätet setzte man erst im Herbstgericht am 30. September 1759 die neue Ammannbestellung auf die Tagesordnung, zu der alle Unterthanen bei denen Kirchen convocirnt und einberufen wurden. Der bisherige Ammann Martin von Ach übergab den Gerichtsstab und legte damit sein Amt nieder. Wolfurt schlug den Bildsteiner Altammann Winder zur Wiederwahl vor. Aber in der Lauteracher Tanzlaube verhinderte ein Durcheinander die Wahl. So ist man mit dem Verlaß ohnverrichteter Sachen auseinandergegangen. 20 Man wollte sich noch einmal zur Auflösung des Gerichts treffen. Das wirkte nun doch wie ein Schock. So konnte einige Tage später der Altammann Winder durch das stille Mehr mit 365 gegen 180 Stimmen in bester Ruhe und Einigkeit auch außerordentlich guter Mannszucht wieder gewählt werden. Still war es geworden! Fest hatten die Beamten, darunter der auf Schloß Wolfurt residierende Oberamtsrath Tröndlin von Greiffenegg, das Volk im Griff. 20 1759 - 1 7 6 1 1761-1764 1764 - 1 7 7 6 1776 - 1783 1783 - 1789 1790 - 1 7 9 3 Zu 5 0 1 Siegel des Joseph Fischer, Wie 16, 1759 52.1 Joh. Gg. Reiner, Wolfurt, Schwanenwirt 23 Nur mehr selten und in völliger Abhängigkeit von den kaiserlichen Beamten trat das «iudicum delegatum in Hofstaig» jetzt zusammen. So konnte sich auch der Lauteracher Geschworene Joh. Martin Vonach gleichzeitig einmal als «Ammann, Amtsverweser» bezeichnen. 24 53. Jos. Anton Böhler, Wolfurt 25 52.2 Joh. Gg. Reiner 54. Franz Joseph Dörfer, Hard, Kronenwirt Der letzte Ammann vertrat Hard schon seit 1894 als «Ortsgeschworener». Auch 1806 - 1811 nennt er sich Ammann und führt in Hard die Amtsgeschäfte weiter, bis er im Oktober 1811 zum ersten Vorsteher der neuen Gemeinde Hard bestellt wird. 1 Ammann 1764 1794 - 1799 1800 -1802 1802 - 1806 Der Löwen in Rickenbach um 1910. Das große Gasthaus ist 1912 abgebrannt. 1764 bis 1789 war hier der Amtssitz des Hofsteigammanns Joseph Fischer. Luger war 1722 in Dornbirn geboren worden und nun Adlerwirt in Bildstein. Er hatte dort Isabella Beer, die Tochter des Auer Barockbaumeisters Joh. Michael Beer von Bildstein geheiratet. 22 Joseph Fischer, 1723 -1809, aus Spetenlehen. Er hatte in das angesehene Rickenbacher Gasthaus «Löwen» eingeheiratet. Gemeinsam mit seinem Bruder, dem Kellhofammann Johann Fischer, kaufte er 1771 die Kellhofer von ihrer Herrschaft Ems frei. Mehr über ihn in «Ein Hofsteiger Siegel entdeckt», S. 3 ff 23 Joh. Gg. Reiner, geboren 1845, stammte aus einer von Lauterach zugezogenen Familie. Er heiratete 1771 die Witwe des reichen Wolfurter Schwanenwirts Hilar Freyis. Siehe «Ein Hofsteiger Siegel», S. 3 ff 24 VLA Landgericht Bregenz 102, Copeybuch Lauterach 1.4.1791 25 Anton Böhler, 1742 -1805, stammte vom Bereuther in Bildstein und hatte 1864 Ursula Haltmeyer aus dem «Löwen» geheiratet, eine Stieftochter des Ammanns Josef Fischer. Sie lebten im Haus Dornbirnerstraße 3 beim «Kreuz». 22 23 Ein Protokoll über die letzte Ammann-Besatzung findet sich in der Chronik des Gotteshaus-Ammanns Mathias Schneider.26 Anno 1802 ist den 9ten Dezember die Amann Besetzung zu Lautrach vorgenommen worden, und ist zum Amann erwählt worden Franz Jos. Dörler zu Hard, und zu Geschwornen sind wieder bestättiget worden als zu Wolfurt Joh. Georg Reiner vorher Amannamtsverweser Xaver Gmeiner unter der Linden 21 neu Joh. Georg Fischer. Anstatt Amann Böhler. Lautrach Michael Mathis Martin Geuze neu Kaspar Kalb. Weil vorhin einer zu wenig. Hard Joseph Hermann neu Rochus Dörler Schwarzach Jos. Anton Haltmayer für freywilig abgetretten Ant. Schertler Steusberg Joseph Dür zum Berütterfür den reseirten Jos. Böhler Buch Thomas Flaz Waibel Jos. Ant. Fischer zu Lautrach ledigen Stands. Am 13. März 1806 übernahm Bayern offiziell das von Österreich im Frieden von Preßburg abgetretene Land Vorarlberg. Zuerst wurde es an die Provinz Schwaben angeschlossen, dann an den Illerkreis. Neue Hauptstadt war jetzt Kempten. Am 1. Oktober 1806 trat die Bayerische Gerichtsordnung in Kraft: Die 24 alten Gerichte wurden aufgelöst, an ihrer Stelle sieben Landgerichte gebildet. Jetzt gehörte Hofsteig dem Landgericht Bregenz an und wurde von bayerischen Beamten verwaltet. Die bayerische Gemeindeordnung sah die Wahl eines Vorstehers und zweier Räte in jeder Gemeinde vor, die aber vom Landrichter ernannt wurden. Alle ihre Beschlüsse unterlagen der Genehmigung der Obrigkeit in Bregenz, Kempten oder München.28 Es dauerte aber fünf Jahre, bis sich erstmals Gemeindeorgane gebildet hatten29: Pro 1811 den lten Oktober hat die Neue Gerneinds Vorstehung angefangen, und dato bey dem Königl. Landgericht Bregenz beeidiget worden, alwo das allgemeine Gericht aufgehört hat. Zu Wolfurt Erstens ist als Friedens Richter erwählt Joh. Georg Fischer alt Geschworener30. 2ter als Rath ist erwählt Joh. Zumtobel zu Rickenbach31. 3ter als Rath ist erwählt Kaspar Müller zur Linden32. Diese haben alle Wochen jedes mall am Dinstag einen Verhandlungs Tag, jede Parti welche verhandlet wird hat 24 Kreuzer zu bezahlen. Am 7. Juli 1814 wurde Vorarlberg wieder an Österreich übergeben. Die Hoffnung auf Wiedererrichtung der alten Vorarlberger Landstände und Gerichte erfüllte sich aber nicht. Vergeblich wählten die HofSteiger 1816 noch einmal einen Ammann: ... hat man den 22ten May Deputirte zur Amman Besatzung gewählt von jeder Gemeinde 6 oder 7 Mann nach Maaß des Popolationsstand, welche den 23ten May den Amman gewählt, und ist Hiezu ernannt worden Joh. Georg Haltmeyer Kronenwirth zu Schwarzach.33 Mit den neu errichteten Vorarlberger Landständen reiste Ammann Haltmeyer zur Huldigung an Kaiser Franz I. am 30. Mai 1816 nach Innsbruck. Aber die Gerichte blieben aufgelöst. Eine neue österreichische Gemeindeordnung trat in Kraft, die alle drei Jahre Gemeindewahlen vorsah. In Lauterach nannte sich zwar der Geschworene Joh. Micheal Mattis schon 1808 bis 1811 «Ortsvorsteher». Zum ersten offiziellen Lauteracher Vorsteher wurde aber im Oktober 1811 Josef Kühne bestellt. In Schwarzach wurde mit Anton Schertler ebenfalls ein ehemaliger Geschworener erster Vorsteher. Die Leute «am berg» wurden 1806 von den Bayern zu einer einzigen Gemeinde «Steußberg» zusammengefaßt. Ihr Vorsteher war ab 1811 der Bildsteiner Joseph Dür. Nach der Rückkehr Vorarlbergs zu Österreich trennten sich die Steußberger aber sofort. Dür blieb Vorsteher von Bildstein. In Buch wurde Martin Schelling zum Halder, der noch in der letzten Gerichtsperiode Thomas Flatz als Geschworenen abgelöst hatte, der erste Vorsteher. Österreichische Beamte im Landgericht Bregenz standen nun an der Stelle der Hofsteiger Ammänner und Geschworenen. Die letzten Gerichtsmänner begannen mit dem Aufbau der neuen Gemeinden. 26 Gemeindearchiv Wolfurt, Chronik Schneider 2, S. 1/2 Xaver Gmeiner, 1762 - 1835, war ein Neffe des mächtigen Wolfurter Pfarrers Lorenz Gmeiner und wohnte mit seiner großen Familie im Haus Frickenescherstraße 4, Thalers Martes. Ein Bruder und zwei Söhne waren Ärzte. Siehe Heimat 11, S. 43 Burmeister, Geschichte 1980, S. 150, und Peter, Heimatbuch Röthis 1982, Die Gemeinde GA Wolfurt, Chronik Schneider 2, S. 53 30 28 29 J. G. Fischer, 1760 - 1849, ein Neffe des Ammanns Joseph Fischer, Hofsteig-Geschworener 1802 bis zum Ende, Vorsteher von Wolfurt 1811 bis 1817. 31 Johann Zumtobel war als zweiter Gatte der Katharina Haltmayer Adlerwirt geworden. Seine Tochter Carolina heiratete 1843 den «Sammer» Jos. Ant. Fischer und wurde die Stammutter der «Alt-Adlerwirts». 32 Dort lebte er am Platz Kirchstraße 21 in «Loamars» Doppelhaus 33 GA Wolfurt, Chronik Schneider 2, S. 22 24 25 Ammann Sebastian Schnell Er ist der Mann, der Wolfurt und Hofsteig in einer besonders langen Amtszeit von 1496 bis 1540 vom Mittelalter in die Neuzeit geführt hat. Die Schnell waren eines der ältesten Wolfurter Geschlechter. 1371 waren Hans und Hermann Schnell, die aus der Leibeigenschaft der Ritter von Wolfurt zu Lindauer Bürgern aufgestiegen waren, Grund zur Belagerung von Schloß Wolfurt durch die Lindauer.1 Als der Ritter 1402 die Hälfte des Schlosses an das Kloster Mehrerau verkaufte, behielt er Cuntzen den Snellen von Wolfurt und sin wibe und sine kinde samt dem Weinberg als Leibeigene.2 Anno 1408 stiftete Adelheit Schnellin, Cuntzen Schnellen selig Hausfrau, aus ihrem Weingarten in der unteren Bütze zu Wolfurt einen Jahrtag.3 Ab 1496 siegelte Sebastian Schnell, Ammann im Gericht Hof Stayg, Dutzende von Urkunden, meist Kaufverträge oder Stiftungsbriefe. Am bekanntesten davon ist der Stiftbrief für die neue Pfarre St. Nikolaus vom St. GallenTag 1512, der mit den Worten beginnt: Ich Sebastian Schnell, der Zeit Ammann im Hofstaig, und wür gemaine Nachbarschafft zue Wolffurth, und wür zue Schwartzach, am Berg und im Buech ...4 Am 26. Juli 1517 erlaubte Kaiser Maximilian Siegel des Sebastian Schnell, zu Augsburg den Bregenzern eine Brücke über Hofsteigammann 1497 das Wasser genannt die Bregentz zu bauen (VLA Urk. 1390) und einen Zoll von Kaufmannsgütern, Salz, 5 Schmalz, Käse, Korn, Wein, Vieh etc. einzuheben. Diese erste Brücke über die Ach und die neue Heerstraße von Lauterach nach Rickenbach brachten große Veränderungen für Hofsteig. Im Bauernkrieg von 1525 bedrohten die protestantischen Allgäuer Bauern Vorarlberg. Große Teile des Landes sympathisierten mit ihnen. Die HofSteiger dagegen stellten 100 Mann zum Schutz von Bregenz und erklärten feierlich das wir bey dem hailligen cristenlichen glauben, so wir bisher gehalten, beleiben.6 1539 war Sebastian noch Verwalter des Kellnhofs zu Wolfurt und 1540 siegelte er wieder als Ammann im Hofstaig.7 Die höchste Ehre aber erfuhr der alternde Sebastian Schnell, als er im Jahre 1541 als einer der 6 Vorarlberger Abgeordneten zu der von Kaiser Ferdinand I. in Linz abgehaltenen Ständetagung ausgewählt wurde.8 Für einen Bauern so kurz nach den mörderischen Bauernkriegen wahrhaft ungewöhnlich! 1 2 3 4 Zur gleichen Zeit war ein Jakob Schnell Gastwirt zu Bregenz.9 Und ein Sebastian Schnell, wohl ein Verwandter unseres Ammanns, erschlug im Streit den Bregenzer Landwaibel Cunrad Veldegg. Er mußte fliehen und diente 1546 im Heer der Protestanten bei Weingarten als Hauptmann. Weil er Heimweh zu Frau und Kindern hatte, wollte er im Schmalkaldischen Krieg mit seinen Söldnern in der Hoffnung auf Begnadigung zu den Kaiserlichen überlaufen. Er wurde aber bei der Bregenzer Klause gefaßt und gerichtet.10 Im Hofsteigischen Landsbrauch von 1571 werden gleich drei Schnell als Hausbesitzer in Wolfurt genannt: Friderich, Hans und Bestli (Sebastian).1 ] Davon lebten 1594 noch Friderich und Hansen Wittib»12. Kurz danach dürften sie in Wolfurt ausgestorben sein, die Pfarrbücher von 1650 enthalten den Namen Schnell nicht mehr. Burmeister, Edelgeschlecht Wolfurt, 1984, S. 28 VLA Urk. 922 Kleiner, Bregenzer Regesten 24 Rapp, Generalvikariat 1896, S. 287; VLA Urk. 1722a 5 6 7 8 Kleiner, Bregenzer Regesten 432 Bilgeri, Geschichte III, S. 350 VLA, Regesten Bilgeri, Geschichte III, S. 578 9 10 11 12 Kleiner, Bregenzer Regesten 512 Bilgeri III, S. 399 LMV 1900, S. 161 Holunder 1932/Nr. 30 26 27 Siegfried Heim Der Gemeine Mann Jerg Rohners Kampf gegen die Willkür der Mächtigen Um das Jahr 1700 lebten in Wolfurt etwa 600 Leute, die meisten als kleine Bauern und Handwerker. Viele suchten als Saisonarbeiter im Sommer Verdienst im Ausland, andere verdienten mit dem Anbau von Flachs und dem Weben von Leinentüchern ein paar Kreuzer. Verhältnismäßig reich waren nur ein paar Wirte und Frächter, wie die Haltmayer im Adler in Rickenbach, und ein paar Fergger, die mit Garn und Leinen handelten. Nur die Reichen konnten nach Hofsteiger Landsbrauch Ammann werden und dann das öffentliche Gut verwalten. Als Steuereinnehmer arbeiteten sie eng mit den kaiserlichen Beamten zusammen. So bildete sich eine Oberschicht der «Ständischen», die sich von der großen Zahl der «Gemeinen» immer mehr entfremdete. «Am Ende des 17. Jahrhunderts trieb das Land in einen der härtesten Daseinskämpfe seiner Geschichte.»1 Mißernten führten schon 1676 und dann jahrelang anhaltend ab 1688 zu einer ganz entsetzlichen Hungersnot. Dazu zogen immer wieder österreichische Armeen durch das Land an die Rheinfront gegen Ludwig XIV. oder nahmen aus den Schlachten zurückkehrend bei uns Winterquartier und verlangten Verpflegung. Das Sterbebuch der Pfarre Wolfurt verzeichnet 6 Soldaten («miles austriacus»), die im November 1679 hier ihren Verwundungen erlagen. Im Haus des Hans Schneider starb der «tympanista», der Trommler der Compagnie Baronis des Wels. Nach der Belagerung Wiens 1683 brachten ein 16 Jahre dauernder Türkenkrieg und ein neuerlicher Aufmarsch gegen die Franzosen fürchterliche Steuerlasten. Noch schlimmer aber wurde es mit Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges im Jahre 1701. Nun bedrohten auch noch die Bayern auf der Seite Frankreichs unser Land. Zuerst plünderte die herbeigerufene Österreichsische Armee die Dörfer aus. Dann erschienen die Franzosen an der Bregenzer Klause und zwangen die Männer zur Landesverteidigung an die Front. In dieser Zeit mit ihren unerhörten Belastungen hätten die Hofsteiger einen verläß-lichen Ammann gebraucht. Das hatten sie aber nicht! Auf den allgemein hoch geschätz-ten Jakob Schneider war 1689 bis 1695 Hans Schwerzler gefolgt. Nach einer Unterbrechung durch den Rickenbacher Adlerwirt Caspar Haltmayer bekam Schwerzler 1701 bis 1 1707 noch einmal das jetzt so schwierige Amt übertragen. Aus den Akten über seine Amtsführung hat Bilgeri umfangreiche Erhebungen gemacht2: Ammann Schwerzler und auch schon seine Vorgänger hatten geduldet, daß die Gerichtswälder ausgeholzt wurden. Sie hatten auch einfach weggesehen, wenn einzelne Bauern Teile der allgemeinen Weide einzäunten und privat nutzten. Jetzt klagten andere mit dem Alt-Ammann Haltmayer beim Oberamt: In den wälderen seye freylich eine Unordnung. Man solte die alte holtzordnung, gleich wie bey dess ammann Schneiders seelig Zeithen observiert worden, hervorsuechen... der ammann Undt der waibl haben den bessten nutzen Von den aichen, dann sie beede nemmen das abholz darvon. Des Ammanns Sohn verkaufte sogar auf eigene Rechnung Gemeindeholz an die Harder Schiffsbauer. Die Straßen und Gräben waren verwahrlost. Und bei der Rechnungslegung fehlten dem Ammann Belege über 300 Gulden. Auch die Waisenbücher wiesen Mängel auf. Getadelt wurde außerdem, der Ammann verbiete das in den engen Holzhäusern so gefährliche Dörren von Flachs am Herdfeuer immer erst dann, wenn seine Frau damit fertig sei. Und diese bleibe sogar in des Ammanns Stube sitzen, wenn dort Beratungen abgehalten wurden. Die «Gemeinen» Leute hatten aus ihren Reihen Georg Rohner zum Sprecher gemacht, der ihre Anliegen beim Gericht Hofsteig vortrug, wo er als Geschworener seit 1698 gewählt und vereidigt war.3 Aber die Stimmung war zu aufgeheizt. Der Wolfurter Bascha Kalb nannte den Ammann und die Geschworenen «Lumpen» und kam dafür hinter Schloß und Riegel. Michel Stültz und Joseph von Ach riefen zum Aufruhr: Sie wollen dise Fresser zue sammenschlagen. Es kam zu einer Rauferei mit den Söhnen und dem Schwiegersohn des Ammanns. Erst das beherzte Eingreifen des Pfarrers, der den Anwander Zue der Stuben hinauss gestossen, trennte die Streiter. Auch diese Aufrührer kamen ins Gefängnis. Die rebellische Vereinigung des «Gemeinen Mannes» gegen die «Ständischen» hatte sich ab 1702 schnell im ganzen Land ausgebreitet. Vor allem verlangten ihre Vertreter eine gerechtere Verteilung der Steuerlast durch Einführung der «aydt Steur». Jeder sollte unter Eid sein Vermögen angeben und danach besteuert werden. Dagegen wehrten sich jedoch die Reichen. Eine Eidsteuer wurde in Wolfurt daher erst viel später im Jahre 1755 eingeführt:... daß jeder Bey Eyd und Gewißen, alle seine schulden, so wohl Ein alles auß gehendte4, angegeben werden sollen et müssen, wie auch die schon angeschribnen: Hab5, roß und vih, auch grundtstükher, ob er noch mer oder weniger habe.6 Aber schon 1704 traf sich Georg Rohner mit Vertretern anderer Gerichte zu Aussprachen über die Eidsteuer im «Ochsen» in der Bregenzer Oberstadt. Dann hielt er Versammlungen im weiten Umkreis ab, nicht nur in Hofsteig, sondern auch in Hofrieden, Dornbirn und sogar in Rankweil. 2 3 Bilgeri, Geschichte III., S. 200 4 Bilgeri, Geschichte III, S. 222 und 519 ff. VLA, Besatzbuch 1698, Oberamt Bregenz, n 471 Forderungen und Schulden 5 6 Hab = Habe, Haus und Besitz GA Wolfurt, Steuerbuch 1755 28 29 Als durch neue österreichische Einquartierungen im folgenden Winter die Not ein unerträgliches Maß annahm, handelten die «Gemeinen» selbständig. Gegen den Willen der Obrigkeit stellten sie eine Delegation zum Kaiser nach Wien zusammen. Mit ein paar Gleichgesinnten machte sich Georg Rohner auf den Weg über Ulm nach Wien. Persönlich überreichten die Gesandten im Mai 1705 dem Kaiser ihr Bittschreiben. Aber es geschah nichts. Die Willkür der Ständischen und die Erpressungen durch das Militär gingen weiter. Da platzte endlich den Hinterwäldern der Kragen. Auf den Mittwoch in der Bittwoche, an dem man sich sonst zu Prozessionen um die Felder versammelte, setzten sie einen «Marsch auf Bregenz» fest. Sie wollten mit den Ständischen abrechnen und die Soldaten aus dem Land jagen. Während Frauen und Kinder auf der Bittprozession beteten, verdunkelte eine Sonnenfinsternis wie ein drohendes Vorzeichen den Himmel. Die Wälder Männer aber marschierten trotzdem über Alberschwende aufs Land heraus. Dort erhielten sie Verstärkung von den Unterländer Bauern, sodaß schließlich 2000 bewaffnete «Gemeine» um den Adler in Rickenbach versammelt waren. Aus Bregenz eilte ihnen der Landschreiber entgegen und wollte sie zur Umkehr bewegen. Im Adler, im Gasthaus des Alt-Ammanns Haltmayer, trugen die Aufständischen dem Landschreiber ihre Forderungen vor. Selbst die beliebten Bregenzer Kapuziner waren gekommen, um Frieden zu stiften. Vergebens! Nach der Übernachtung in Rickenbach marschierten die 2000 Mann am Morgen des Himmelfahrtstages, am 13. Mai 1706, mit Trommeln und Pfeifen über die Achbrücke von Lauterach in die Stadt hinein. Die stolzen kaiserlichen Kürassiere und Dragoner mußten abziehen. Der Kassier der Stände war ins Kapuzinerkloster geflohen, mußte aber nun die Abrechnung herausrücken. Daraus ging hervor, daß die Stände die früheren Abmachungen um viele 1000 Gulden überzogen hatten. Drei Tage lang mußten die Bregenzer die Einquartierung der Bauern ertragen. Georg Rohner wurde nach Innsbruck zur Berichterstattung an die Regierung geschickt. Nur kurze Zeit konnte sich der Gemeine Mann über seinen Erfolg freuen. Bald erfand die Regierung eine neue Steuer, diesmal auf die Ausfuhr von Garn. Das traf die Hofsteiger, wo viel Flachs angebaut wurde, besonders hart. Wieder riefen sie zum Aufstand. Am 28. Februar 1708 marschierten die Dornbirner und die Hofsteiger, bewaffnet mit Gewehren, Säbeln, Morgensternen, Äxten und Gabeln, ein zweites Mal nach Bregenz. Sie schlugen dem Vogt Baron Pappus von Tratzberg die Scheiben ein. Nur mit knapper Not konnte er sich ins Kapuzinerkloster retten. Dort zwangen ihn die Bauern zum Widerruf der Garnsteuer. Noch am selben Abend floh der Vogt nach Lindau und schickte einen Bericht an den Kaiser. Die Beamten waren aufs tiefste gekränkt. Aber nur insgeheim forschten sie nach den Urhebern der Unruhen. Noch wagten sie nicht, dieselben zu bestrafen. Georg Rohner hielt weiter Versammlungen ab und plante sogar eine neue Reise zum Kaiser. 30 Baron Pappus dagegen, unterstützt vom Bregenzer Amtmann Benedikt Reichart, holte wieder kaiserliche Besatzung ins Land und zog im Stillen die Fäden zur Ausschaltung der Anführer des Gemeinen Mannes. Etliche kamen ins Gefängnis. Die Bewegung verlor ihre Kraft. Der verhaßte Amtmann Benedikt Reichart hatte übrigens schon 1696 Schloß Wolfurt erworben und es 1707 neu aufgebaut. Er führte das Wolfurter Ritterwappen und nannte sich «Freiherr von Wolfurt und Wellenstein».7 Gemeinsam mit Vogt Pappus von Tratzberg hatte Amtmann Reichart in Lauterach 1707 die Hofsteig-Ammannwahlen geleitet, bei denen Ammann Schwerzler durch Alt-Ammann Caspar Haltmayer ersetzt worden war. Nach den argen Turbulenzen von 1708 lehnten nun beide 1710 eine neuerliche Wiederwahl ab. Trotzdem wollte sie der Vogt vorschlagen weil mann aber an sithen des Kaiserl. Ambts nit rathsam Befunden, so vil alte geschworene auf einmahl zu entlassen, und lauter Junge und neue Leuth anzunemmen.8 Weil beide Alt-Ammänner bei ihrem hartnäckigen Nein blieben, mußte der Vogt seinen Gegner Georg Rohner, der schon bisher als Geschworener dem Gericht gedient hatte, als Wolfurter Ammann-Kandidaten gegen den Lauteracher Jakob Vonach und den Harder Caspar Dörler antreten lassen und zuschauen, wie dieser das Laufen der Wähler gewann. Nun konnte Rohner als Ammann selbstbewußt den «Ständischen» entgegentreten und das Recht der «Gemeinen» einfordern. Als ihn der Vogt 1713 ablösen wollte, ließ das versammelte Volk dies nicht zu: Gleich fast alle zuesammen geruoffen, das sie den alten ammann begehren.9 In diesen Jahren gelang es den Bauern der Herrschaft endlich, sich aus der viele hundert Jahre alten Leibeigenschaft zu befreien. Siegel des Jerg Rohner, Ammann 1710 (VLA Urk. 998) 7 8 9 Ulmer, Burgen, S. 396 VLA Besatzungsbuch 1710, Oberamt Bregenz, n 471 Wie 8, 1713 31 Ammann Rohners Auftreten gegen «die Herrschaft» strahlte auch in das Gericht Kellhof Wolfurt aus. Welti berichtet darüber 10: Kellhofammann Joseph von Ach hatte sich gegen Plauderment (Verleumdung) durch den HofSteiger Landammann Georg Rohner und seine Anhänger zu wehren, der sich erfrechte, das gräfliche Haus, das kellnhöfische Gericht und Urbar mit wohl ausgesonnenem Mutwillen zu untertreiben und die herrschaftlichen Leut und Gefäll in ewigen Ruin zu setzen. Seinen Calumnien (Rechtsverdrehungen) sollte nach Vonachs Ansicht in der Art und Weise des Klosters Mehrerau begegnet werden, das ihm offenbar in ähnliche Fällen energisch zu Leibe gerückt war. Demnach hatte Rohner sich also weitere Feinde zugezogen. 1716 und 1719 wurde der Bildsteiner Wirt Jakob Natter über Vorschlag des Vogtes zum Ammann gewählt. Das Volk forderte aber weiterhin Georg Rohner, der sich 1722 abermals einer Wiederwahl bei der Linde am Lauteracher Platz stellte. Für Lauterach kandidierte diesmal der junge Martin Dietrich, für Hard noch einmal der schon mehrmals unterlegene Zoller Caspar Dörler. Als Dörler sah, daß sich beim Laufen wieder die meisten Wähler am Wolfurter Baum einfanden, versuchte er, die Wahl zu manipulieren. Schnell eilte er mit seinem Harder «hauff» zu dem der Lauteracher. Unerhört stieg die Spannung. Ganz genau mußte gezählt werden: «387 Man» standen für Rohner, nur 301 im vereinigten Haufen seiner Gegner. Wieder mußten sie ihn als Ammann akzeptieren." Das sollte dem Vogt nicht noch einmal passieren! Beim nächsten Wahltermin am 11. November 1725 stellte er Rohner gar nicht mehr als Kandidaten auf, sondern ersetzte ihn durch den jungen Rickenbacher Adlerwirt Anton Haltmayer. Das ließen sich aber die Wolfurter Wähler nicht gefallen. Sie boykottierten die Wahl: Als nun sambtliche gemein stehen verblib, und nochmahls um bestätigung des aman roners gebeten. Die Amtsleute versammelten sich im Lauteracher Pfarrhof und mußten unter dem Druck der Wähler den beliebten Alt-Ammann Rohner in seinem Amt bestätigen.12 Auf dem gleiche Amtstag wurde dieser übrigens auch als Gastwirt vereidigt. Mit der Eröffnung einer Gastwirtschaft hatte er also seine Position weiter gefestigt. Trotzdem ist es ganz ungewöhnlich, daß er auch bei den nächsten Wahlterminen 1728 und 1731 sein hohes Amt behielt, insgesamt sechs Perioden, davon vier in ununterbrochener Reihenfolge. Am 26. Dezember 1729 kauften Ammann und Gericht Hofsteig um 7000 Gulden eine Reihe von Herrschaftsgütern, darunter die großen Weinberge am Rutzenberg und am Narrenberg in Wolfurt. Sie vergaben sie als Lehen an eigene Leute. Sicher hatte Rohners Wort auch Bedeutung in der Ständeversammlung, wo die Ammänner der Vorarlberger Gerichte immer wieder im Gasthaus «zum Bauren» an der Grenze zwischen Oberland und Unterland zusammenkamen. 1727 berichtete er dort von neurlichen Steuererhöhungen durch das kaiserliche Oberamt in Bregenz. Und noch 1733, als der Kaiser Truppen forderte, vertrat Ammann Rohner in der Ständeversammlung die Hofsteiger. Beim Oberamt in Bregenz hatte er vorgesprochen wegen Ohnainigkeit, aigennüzigkkeit und ybles Exempel der Geschworenen, vorab des Martin Dietrichs. Darauf hatte Amtsdirektor Baron von Deuring Rohners alte Gegner im Gericht entlassen müssen.14 Nun trat er 1734 «des Alters und Unpäßlichkheit halber» selbst von seinem Amt zurück, diente dem Gericht aber auf verlangen der gerichtsleuthe noch weitere neun Jahre als Geschworener. Sein Name und sein Ammannsiegel mit dem ähnlich dem Wolfurter Wolfswappen nach rechts steigenden Pferd genossen hohes Ansehen. Er unterschrieb mit «Georg Rohner», die Historiker nennen ihn «Jerg», in Wolfurt aber sagte man «Irg». Im engen Kirchdorf in Wolfurt war Irg Rohner am 31. März 1671 als achtes von elf Kindern des Johann Rohner und der Anna Müller geboren worden. 1696 hatte er Anna Maria Bayerin aus Bregenz geheiratet, die ihm sechs Kinder gebar. Schon 1707 starb sie, genau in der Zeit, als er die härtesten Kämpfe des «Gemeinen Mannes» zu bestehen hatte. Noch im gleichen Jahr fand er in Sabina Egenderin aus Bezau eine zweite Mutter für seine Waisenkinder. Sie war eine Verwandte des Pfarrers Johannes Egender, der damals von 1693 bis 1713 die Pfarre Wolfurt betreute, und stammte aus der Sippe des Bregenzerwälder Landammans Egender. Um das Jahr 1720 schuf Georg Rohner am Rand des Dorfes im Getreide-Esch an der Feldgasse jenen großen Ammannhof, in dem er selbst und nach ihm ab 1738 sein Sohn Anton Rohner eine Gastwirtschaft führten. Der Hof, wohl der größte im ganzen Kirchdorf, kam später in den Besitz der Vorsteherfamilie Vonach, die dort den zweiten («Kleinen») Dorfbrunnen «beim Kreuz» erstellen ließ. 1869 ist das Haus abgebrannt. Erst 1893 hat Lehrers Ludwig auf dem Brandplatz sein neues Haus (heute Kreuzstraße 1, Rohner) erbaut. Nach dem Tod seiner zweiten Frau Sabina hatte Ammann Georg Rohner 1729 in Anna Haltmayer eine dritte Gattin gefunden. Sie war eine Tochter des verstorbenen AltAmmanns und Adlerwirts Caspar Haltmayer. Weil Rohner nach Übergabe seines Hofes im Kirchdorf zu ihr nach Rickenbach übersiedelte, wurde er nun in den Hofsteig-Protokollen als amman zue Rikhenbach geführt. Von 1734 bis 1740 hatte Martin von Ach aus Lauterach als Rohners Nachfolger die Ammann-Stelle inne. Das Volk war so unzufrieden, daß der Vogt noch einmal den nun schon 69 Jahre alten Altammann Georg Rohner als Kandidaten aufstellen mußte. Den Wählern schlug er aber den bisherigen Ammann von Ach zur Bestätigung vor. Nun hat sich an jenem denkwürdigen Micheli-Tag (29. September 1740) ein solicher Tumult und geschray eraignet, daß man ohne Wahl auseinander ging. Das nahmen die dem Absolutismus Kaiser Karls VI. verhafteten Beamten zum Anlaß, das nach Landsbrauch im Gericht Hofsteig ausgeübte Recht der öffentlichen Ammannwahl durch das Lauffende mehr ein für alle Mal abzuschaffen. Außerdem sollte in Hinkunft 10 11 Welti, Kellnhof Wolfurt, LMV 1952, S. 9 Wie 8, 1722 12 13 Wie 8, 1725 Welti, Heimatbuch Lauterach 1953, S. 19 14 Wie 8, 1731 32 33 kein Ammann seine Stelle mehr als drei Jahre innehaben. Sie wollten keinen starken Ammann mehr, der sie, so wie Ammann Georg Rohner es in sechs Amtsperioden getan hatte, zur Einhaltung alter Rechte zwang. In einer vier Wochen später am 6. Oktober 1740 neuerlich einberufenen «Gerichtsbesatzung» konnten die Beamten durch ein von den Wählern angezweifeltes «stilles Mehr»15 den Martin von Ach aus Lauterach zum Ammann bestimmen. Vier Geschworene gingen anschließend nach Bregenz und protestierten. Doch es blieb beim «stillen Mehr». Mit 72 Jahren starb der alt und müde gewordene Anführer des «Gemeinen Mannes». Im Wolfurter Sterbebuch widmete ihm der Pfarrer eine besonders umfangreiche Eintragung: Den 25. Aprill 1743 obijt omnibus rite provisus sacramentis nobilis honestus Dominus Joannes Georgius Rohner Amannus emeritus. Es starb, feierlich mit allen Sakramenten versehen, der edle und ehrsame Herr J. G. Rohner, ehemaliger Ammann. Dann zählt der Pfarrer des Ammanns drei Ehefrauen auf und alle die Kirchen der damals noch großen Pfarrei Wolfurt. Allen hatte der Verstorbene etwas gestiftet: Hl. Jungfrau Maria, St. Nikolaus und St. Franziskus hießen die drei Altäre der Pfarrkirche Wolfurt. Eine Spende ging an die Hl. Jungfrau Maria in Bildstein und an die dortige Bruderschaft, je eine weitere an die Hl. Apostel Petrus und Paulus in Buch und an St. Sebastian in Schwarzach. Für sie alle war Georg Rohner 45 Jahre lang im Gericht Hofsteig mitverantwortlich gewesen. Mit einem kleinen Zusatz endet die Widmung: Um einen Gulden Brot für die Armen! Das ist wohl Irg Rohners Auftrag für uns. Eine große Anzahl von Wolfurter Familien haben in ihrer Ahnenreihe die Rohner von Kreuzstraße 1 und den Ammann Irg Rohner: OrglerRohners in der Bütze, Klosos im Oberfeld, die Schützen-Fischer in Spetenlehen, Heims in der Bütze, Nagler-Kalbs im Tobel, Veres in der Bütze, Murar-Böhlers im Strohdorf, DelloKorles im Schlatt, Anwanders am Rickenbach, Holzerschmied-Böhlers ... Als letzte Namensträgerin Rohner aus der Ammannsippe starb 1966 Adelheid Rohner, Orglers in der Bütze. Siegfried Heim Die Schneider in Wolfurt Die Schneider sind im Vorarlberger Rheindelta, besonders in Höchst, das stärkste Geschlecht. Aber auch im Gericht Hofsteig waren sie einst eine zwar kleine, jedoch sehr einflußreiche Sippe. Von den Hofsteiger Schneidern leiten auch die Egger Schneider1 ihre Abstammung her. Die ersten Schneider finden sich schon 1487 auf der Sigerhalden in Buch2. Von dort breiteten sie sich über den Steußberg aus. Der Hof «zum Schnidar» in Oberbildstein gab der Parzelle Schneider mit ihren vier alten Häusern den Namen. Zu ihr gehört auch die höchste Erhebung des Steußbergs, die bewaldete Schneiderspitze («Schneiderkopf», 973m hoch). Aus manchen Urkunden erfahren wir, daß die Familie auch außerhalb von Bildstein Gründe kaufen konnte: 1512 - Ulrich Schulder ufdem Stüsberg kauft von Hans Kalb zur Tannen in Alberschwende.3 1518 - Peter Schnider ufdem Stüsberg kauft von Hainrich SchnebergzuBotzenow im Buech.4 Als im Jahre 1650 die Wolfurter Pfarrbücher begonnen wurden, lebten in Bildstein noch die zwei Familien Christian und Michael Schneider.5 Andere Schneider-Familien waren ins Tal gezogen und hatten sich in Lauterach und in Wolfurt niedergelassen. In den Wolfurter Pfarrbüchern findet sich der Hofsteig-Ammann Jakob Schneider, gestorben 5. November 1695. Jakob Schneider muß um das Jahr 1620 geboren worden sein. Schon 1671 bis 1677 und später noch einmal 1686 bis 1689 wurde er in Lauterach zum Hofsteig-Ammann gewählt. Dazwischen und bis zu seinem Tode diente er dem Gericht als Geschworener. Sein Wirken war weitum anerkannt, aber er muß wohl einer der letzten strengen Hüter des Hofsteigischen Landsbrauches gewesen sein.6 Das Ammann-Siegel Schneiders zeigt einen Widder, der mit dem rechten Vorderbein ein Montforter Banner auf seiner Schulter hält. Verschiedene Zeichner haben später den Widder zu einem Pferd umgedeutet, einer sogar aus dem Banner ein Kreuz gemacht. Im Jahre 1992 wählte die Hofsteiger Musikvereinigung das Ammann-Schneiderwappen zum Symbol der freiwilligen Zusammenarbeit ihrer acht Blasmusikkapellen.7 1 2 3 15 stilles Mehr = Einzel-Stimmabgabe in eine Strichliste der Amtsleute 4 Schneider, «zum Ruo», «Gamswirts», Vorsteher Anton Schneider, Mundartforscher Dr. Anton Schneider, Dr. Sylvester Schneider in Wolfurt... Ein schriftlicher Nachweis fehlt allerdings bisher. Stammeltern der Egger Schneider sind Georg Schneider, gest. 18. 1.1682 in Egg, und seine Frau Eis Moosmann, Sohn Jodok 1682-1716 und Enkel Sylvester 1716-1778. 5 Welti, Kellnhof Wolfurt 1952 Pfarramt Wolfurt, Familienbuch Berchtold 247/13ff 6 VLA Urk. 1714 Bilgeri, Geschichte III, S. 222 7 VLA Urk. 1744 Siehe Titelseite 34 35 Kliens Haus im Gässele an der Kirchstraße ist 1989 abgebrannt. Hier war einst der Wohnsitz des Hofsteigammanns Jakob Schneider (gest. 1695). Von den Schneider-Häusern an der Kirchstraße hat Schnidarles Hannes 1882 dieses Bild gemalt. Beide sind miteinander 1907 abgebrannt. Hier wohnte der Gotteshausammann Mathias Schneider. Ammann Jakob Schneider war dreimal verheiratet. Von den Kindern aus seiner ersten Ehe mit Katharina Reiner (gest. 25.3.1671) ist gerade noch das letzte, Magdalena, 1651 im neu angelegten Taufbuch erfaßt. Die Ehen mit Anna Thanner und Anna Salzmann blieben kinderlos. Als der Alt-Ammann «Profectus in gericht Hofstaig» am 5. November 1695 starb, stifteten die Erben u.a. ein neues «Missale» (Meßbuch) und einen ewigen Jahrtag. Sein Sohn Johann Schneider, geboren um 1645, gestorben am 1. Juli 1702, taucht erstmals bei der Hochzeit am 26. April 1672 in den Pfarrbüchern auf: iuvenis hanß Schneider et virgo Maria von Ach. Trauzeuge war der (Vater)Ammann Jakob Schneider. Bei Johann findet sich in späteren Eintragungen oft der Titel «iuratus». Demnach machte also das hohe Ansehen des Vaters auch den Sohn zum Gerichts-Eidgenossen und Vertreter von Wolfurt. Das Ammannhaus war sehr wahrscheinlich das große Haus C 58 «im Gässele», Kirchstrasse 39. Jedenfalls lassen sich dort im Seelenbeschrieb von 1760 Johanns Kinder Johannes und Anna Schneider nachweisen. Das baufällige uralte Haus («Kliens») ist im Sommer 1989 abgebrannt. Schon 1773 hatte hier Josef Gmeiner (von «Lutzo-Schrinars» in Rickenbach) eingeheiratet. Damit war der Schneider-Name in diesem Haus erloschen, das Blut pflanzte sich aber in mehreren Tochterlinien fort. In anderen Häusern lebten die Schneider weiter. Eine besonders kräftige Schneiderlinie blühte am Rand des Kirchdorfes auf. Johanns ältester Sohn Jakob Schneider, 1673-1723, hatte Katharina Rohner, eine Schwester des großen Hofsteigammanns Jerg Rohner8 geheiratet. Ihre Söhne besaßen um 1740 die beiden neuen Häuser C 116 und C 117. Sie sind miteinander 1907 abgebrannt (Kirchstraße 27 und 29). Durch weitere Eheverbindungen zu den Geschlechtern des Gotteshausammanns Müller, des Majors Schertler und des Hofsteigammanns Joseph Fischer gewannen die Schneider immer mehr Einfluß. Am Höhepunkt stand das Geschlecht, als Mathias Schneider (1745-1833) als Gotteshausammann die Mehrerauer Güter verwaltete und von 1817 bis 1821 noch Vorsteher von Wolfurt wurde. Innerhalb weniger Jahre erbaute er zusätzlich zu seinem eigenen Haus für seine 18 Kinder drei weitere dazu und kaufte ein fünftes9. Dann verarmten die Schneider-Familien im Gefolge der Industrialisierung alle ganz schnell. 1843 besaßen sie noch zehn Häuser in Wolfurt. Nun wanderten etliche Familien nach Amerika aus. 8 Siehe «Der Gemeine Mann, S. 28 9 Siehe Heimat 7/S. 22ff und 11/S. 25 ff 36 37