18650000_ltb00141865_Petition_an_Monarch_Aufhebung_Sistierung_Reichsvertretungsgesetz

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Letzte Änderung 03.07.2021, 06:05
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp01,ltb0,ltb1865,lt1865,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-28
Erscheinungsdatum 2021-06-28
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Inhalt des Dokuments

Eure fi. k. njwsto lische Majestät! Der treugehorsamste Landtag von Vorarlberg hat, eingedenk der nach §. 9 seiner Landesord­ nung gemachten eidesstättigen Gelobung, und geleitet von seinem verfassungsmäßigen Berufe: — bei der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt nach Maßgabe der Bestimmungen des Aller­ höchsten Diploms vom 20. Oktober 1860 und des Allerhöchsten Patentes vom 26. Februar 1861 mil­ zuwirken, — eS als seine heiligste Pflicht erachtet, die Rückwirkung der von Euer Majestät mit Aller­ höchstem Patente vom 20. September d. Js. angeordneten Sistirung der Wirksamkeit des Gesetzes über die Reichsvertretung auf das Wohl des Landes und Reiches in Erwägung zu ziehen und glaubt daher nur seiner Aufgabe Rechnung zu tragen und einen Akt des größten Vertrauens auf Euer Ma­ jestät Gnade und Weisheit zu üben, indem er seine wohlbedachten Erwägungen in tiefster Erfurchl vor den Stufen des erhabenen Thrones noch zur rechten Zeit auszusprechen unternimmt. — Wollen daher Eure Majestät gnädigst geruhen, folgende zwar freimüthige aber gewiß loyale Vorstellung nur aus diesem Gesichtspunkte zu beurtheilen. Der treugehorsamste Landtag vermag jene Sistirung mit dem feierlichst verkündeten zur uuabbrüchlichen Befolgung und Haltung durch das kaiserliche Wort gewährleisteten, von^fast allen Ländern des Reiches angenommenen und seit einer Reihe von Jahren befolgten obersten Staatsprinzipe: — daß das Recht, Gesetze zu geben, abzuändern und aufzuhebennur unter Mitwirkung der Landtage, beziehungsweise des Reichsrathes und zwar nur in der am 26. Februar 1861 verfassungs­ mäßig bestimmten Ordnung und Form auszuüben sei, — nicht in Einklang zu bringen, sondern mußte mit tiefsten Bedauern der Ueberzeugung Raum geben, bafr sie, — jeder rechtlichen Grundlage der Verfassung entbehrend, — nur auf zweifelhaften und irrigen Anschauungen beruhe und für die Wohlfahrt des Reiches und somit auch des Landes mit größten Gefahren verbunden sei. Eine den Bedürfniffen der Gegenwart entsprechende und mit den Interessen der Gesammtmonarchie in Harmonie gehende Entwicklung und Erweiterung der Rechte und Freiheiten der einzelnen Länder und einfreies Zusammenwirken aller Völker zur Regelung und Besestigung der staatsrechtli­ chen Verhältnisse des Reiches war der Zweck, welcher unsere Verfasiung ins Leben rief. Die Sistirung des wichtigsten Theiles dieser Verfassung beseitigt also das nothwendig erkannte Mittel zur Erreichung dieses Zweckes. Wenn gleich die Absicht Eurer Majestät Regierung: auch jenen Theil des Reiches, welcher sich bisher von dem legislativen Wirken beharrlich ferne hielt', zur Theilnahme am Verfassung? werke zu veranlassen, deren Sistirung bevorwortete und in die Redlichkeit dieser Absicht kein Zweifel gesetzt wird, so ist doch der Weg, den sie anbahnte, dem wohlerworbenen, rechtlich und faktisch auSgeübten und durch das kaiserliche Wort gewährleisteten und wiederholt sanktionirten Derfassungsrechte der getreuen Völker des größeren Theiles des Reiches entgegen, was um so tiefer beklagt werden muß, als die Entwickelung unseres Versaffungslebens grundsätzlich der freien Theilnahme aller Völker anheim gestellt und jede wünschenswerthe Aenderung des Grundgesetzes über die Reichsvertretung, somit auch die freie Ver­ einbarung mit Ungarn und Croatien schon verfaffungsmäßig normirt und gewährleistet ist. Auch dürfte die Sistirung einer dem Landtage von Ungarn und Croatien zur Annahme empfohlenen Verfassung stattihrem Zwecke einen Vorschub zu leisten, demselben vielmehr hinderlich ent­ gegentreten, wenn diese vorsichtigen Völker der östlichen Reichshälfte wahrnehmen müssen, daß es sich um eine Verfassung handle, die obgleich durch das kaiserliche Wort und die That besiegelt, ihnen zu Lieb aus Nützlichkeitsrücksichten — den in ihr selbst enthaltenen Grundsätzen entgegen, in ihrem wichtigsten Theile, wenn auch nur zeitweilig, bei Seite geschoben werden könnnte. — Könnte der treugehorsamste Landtag von Vorarlberg seine Ansicht über die Recht» und Zweck­ mäßigkeit der Sistirung des Grundgesetzes der Reichsvertretung und der darin stillschweigend enthaltenen Außerkraftsetzung des 1. und 11. Artikel des Allerhöchsten Diploms vom 20. Oktober 1860 aus Rück­ st chten des Euer Majestät schuldigsten Vertrauens gänzlich geschweigen, so könnte er sich doch der schweren Besorgniß nicht erwehren, mit welcher ihn die Rückwirkung derselben aus das Reich und das Land erfüllt. So lange die Verfassung eines Landes außer Wirksamkeit gesetzt ist, entbehrt es jeden Rechts­ bodens, droht seine Gesetzgebung der Willkür, und die Ausführung der Gesetze der Macht des Stär­ keren zu verfallen. Mit Wehmuth muß daher jeder patriotische Oesterreicher die mit vereinten Kräften angestrebte Einheit und Macht seines Reiches dem Prinzipe der staatsrechtlichen Decentralisation, also der Auflö­ sung bloßgestellt sehen. Denn mit der durch die Sistirung der Reichsverfassung heraufbeschworenen Lockerung der allen Königreichen uift> Ländern gemeinsamen heiligen Bande erhebt auch die Hydra der egoistischen llationalitälsbestrebungen ihr vielköpfiges Haupt, und erleidet das Vertrauen auf den Bestand, die Macht und die Zukunft des Reiches die tiefste Erschütterung. Treue und Glauben, die nothwendigsten Bedingungen jeden Verkehres und des Gedeihens jeder Einrichtung müssen in allen Schichten der Bevölkerung wankend werden, wenn die Regierung auch nur dem Scheine Raum gibt, daß sie nicht, selbst in den verzweifeltesten Verhältnissen daran festhalte. Das Vertrauen auf die Gesetze und daher die Achtung vor denselben müssen nothleiden — das Rechtsbewußtsein sich verwirren, wenn sie wechselnden Systemen und Rechtsanschauugen unterliegen. Wird einerseits durch den zeitweiligen Ausschluß der Mitwirkung der Reichsvertretung von der Regelung der Geldbedürfnisse des Gesammtstaates dem ohnehin tief darniederliegenden Staats-Credite die eigentliche Bürgschaft des Aufschwunges entzogen, so werden andererseits über die wichtigsten Fragen des materiellen Lebens der österreichischen Völker. durch den Vorbehalt der selbständigen Re­ gelung derselben ohne Zustimmung ihrer Vertreter Anordnungen von bleibender, tief einschneidender Tragweite geschaffen werden. Diesen für das ganze Reich schweren Folgen, muß das Land Vorarlberg mit um so größerer Besorgniß entgegen sehen, als dieses Land mit dem Bezüge seiner nothwendigsten Lebensbedürfnisse auf das reiche, geordnete und blühende Ausland angewiesen, ja von demselben abhängig, — eine neue Störung der österreichischen Werthzeichen weniger als andere Länder des Gesammtstaates auszuhalten vermöchteAber auch die angedeutete durchgreifende Aenderung des volkswirthschaftlichen Systems der Monarchie müßte diesem Lande, dessen arbeitsame Industrie fast allein die Kette der Handelsverbindungen mit dem Gesanimtreiche bildet, durch das einseitige Hinwegsetzen über die natürlichen Bedürfnisse und Grundlagen dieser Industrie in seinem wirthschaftlichen Leben die tiefsten und bleibendsten Wunden schlagen. Der treugehorsamste Landtag hält eine gültige Abänderung der Staatsgrundgesetze und eine bezügliche Vereinbarung mit den Ländern der rmgarischen Krone nur durch Mitwirkung des Reichs­ ratheS für möglich, — er bedauert auf das lebhafteste, daß durch die Sistirung des Grundgesetzes über die Reichsvertretung der einzige Körper beseitigt erscheint, durch welchen eine Aenderung, mit Vermeidung der auseinandergesetzten schweren Folgen der Oktroyrung, in rechtlicher Weise vorgenom­ men werden kann; — und zwar um so mehr als Eurer Majestät Regierung die Lebensfähigkeit der Reichsversaflung durch die Vorlage derselben an die Landtage der östlichen Reichstheile selbst anerkannt hat. Eure Majestät! das kleine Land Vorarlberg hat schon seit Jahrhunderten bis auf den heuti­ gen Tag der Einheit und Macht des Reichs und der eigenen Freiheit Gut und Blut zum Opfer ge­ bracht; — nur in der Machtstellung Oesterreichs und seiner freiheitlichen Gestaltung auf dem einmal gegeben Rechtsboden den Hort seiner gedeihlichen Entwickelung erkennend — naht sich auch in diesem folgenschweren Augenblicke die treugehorsamste Vertretung dieses Landes dem erhabenen Throne mit der ehrfurchtsvollen Bitte: Eure k. k. apostolische Majestät wollen allergnädigst geruhen, die Aufhebung der angeordneten Sistirung des Gesetzes über die Reichsvertretung auszusprechen und den Reichsrath baldigst in seine verfassungsmäßige Wirksamkeit treten zu lassen? Der Himmel spende seinen Segen über das Reich! Gott erhalte, schütze und segne Eure Majestät! Der Ireugrhorsamste Landtag des Landes Bararlberg. Druck und Verlag von Anton Flatz in Bregenz.