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Letzte Änderung 03.07.2021, 10:11
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp10,lts1912,lt1912,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 7. Sitzung am 14. Oktober 1912 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 18 Abgeordnete. - Abwesend die Herren: Hochwst. Fürstbischof Dr. Franz Egger, Dietrich, Dr. Konzett, Dekan Mayer, Müller, Ölz, Thurnher, Willi. Regierungsvertreter: Herr k. k. Hofrat Rudolf Graf von Thun - Hohenstein. Beginn der Sitzung um 10 Uhr 40 Minuten vormittags. Landeshauptmann: Ich erkläre die heutige Sitzung für eröffnet und ersuche um Verlesung des Protokolles der letzten Sitzung. (Sekretär liest.) Hat jemand eine Einwendung zu dem verlesenen Protokolle zu machen? Wenn dies nicht der Fall ist, erkläre ich dasselbe für genehmigt. Ich habe dem hohen Hause noch mitzuteilen, daß Herr Abgeordneter Ölz sich für die heutige Sitzung wegen Unpäßlichkeit entschuldigen hat lassen. Bevor ich zur Tagesordnung übergehe, erteile ich das Wort zur Geschäftsordnung dem Herrn Abgeordneten Jodok Fink. Jodok Fink: Hohes Haus! Das Haus hat dem volkswirtschaftlichen Ausschusse den Antrag betreffend Schaffung einer Automobilsteuer zugewiesen. Bei der früheren Behandlung dieses Gegenstandes hat der Herr Landeshauptmann das Referat geführt und ich möchte daher den Antrag stellen, "daß der volkswirtschaftliche Ausschuß zur Behandlung dieses Gegenstandes ad hoc um ein Mitglied verstärkt werde und ich beantrage, daß der Herr Landeshauptmann in den volkswirtschaftlichen Ausschuß gewählt werde." Landeshauptmann: Die Herren haben den Antrag gehört. Wer wünscht zu demselben das Wort? Wenn sich niemand dazu meldet, nehme ich an, daß das hohe Haus dem Antrage zustimmt. Zum vierten Punkte der heutigen Tagesordnung habe ich zu bemerken, daß Se. Exzellenz der Herr Statthalter den Herrn k. k. Statthaltereirat Rizzi hieher entsendet hat, um bei der Behandlung dieses Gegenstandes gemeinsam mit dem Herrn Hofrat zu intervenieren. Ich beehre mich, hiemit den Herrn dem hohen Hause vorzustellen. Wir kommen nun zur Tagesordnung. Der erste Gegenstand ist der 2 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 10. Periode 1912. Bericht des Landesausschusses über den Gesetzentwurf betreffend die Verlängerung der Wirksamkeit des Gesetzes vom 16. Dezember 1911 betreffend die Einhebung eines Landeszuschlages zur staatlichen Weinsteuer. Referent des Landesausschusses in dieser Sache wäre der Herr Abgeordnete Ölz. Nachdem dieser heute erkrankt ist, möchte ich den Herrn Abgeordneten Jodok Fink ersuchen, den Bericht des Landesausschusses zu übernehmen. Jodok Fink: (Liest den Bericht und Antrag aus Beilage 29.) Ich empfehle die Annahme des Gesetzentwurfes. Landeshauptmann: Ich eröffne die Generaldebatte über den vorliegenden Gesetzentwurf. Wenn niemand das Wort ergreift, schreiten wir zur Spezialdebatte. Ich bitte, die Paragraphe anzurufen. Jodok Fink: § 1. Landeshauptmann: Angenommen. Jodok Fink: § 2. Landeshauptmann: Angenommen. Jodok Fink: (Liest Titel und Eingang des Gesetzentwurfes.) Landeshauptmann: Hat jemand zu Titel und Eingang des Gesetzentwurfes eine Bemerkung zu machen? Wenn dies nicht der Fall ist, betrachte ich auch diese als mit Ihrer Zustimmung versehen und es wäre somit die zweite Lesung beendet. Jodok Fink: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung. Landeshauptmann: Der Herr Referent beantragt die Vornahme der dritten Lesung. Wünscht jemand das Wort dazu? Wenn niemand zu sprechen wünscht, so ersuche ich alle jene Herren, die dem Gesetzentwürfe, wie er aus der zweiten Lesung hervorgegangen ist, auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Wir kommen nun zum zweiten Punkte der Tagesordnung zum Berichte des Petitionsausschusses über das Ansuchen um fernere Subventionierung der Zeitschrift "Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte von Tirol und Vorarlberg". Berichterstatter in dieser Angelegenheit ist der Herr Abgeordnete Wegeler; ich erteile ihm das Wort. Wegeler: (Liest Bericht und Antrag aus Beilage 36.) Ich empfehle dem hohen Hause die Unterstützung dieses Antrages. Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag die Debatte. Wenn sich niemand zum Worte meldet, schreite ich zur Abstimmung und ersuche alle jene Herren, die dem Antrage des Petitionsausschusses ihre Zustimmung geben wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Der dritte Gegenstand ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über das Subventionsgesuch der kaufmännischen Fortbildungsschule in Bregenz. Referent in dieser Angelegenheit ist Herr Abgeordneter Loser; ich ersuche denselben, gefälligst das Wort zu ergreifen. Loser: Hohes Haus! Die Stadtgemeinde Bregenz unterhält seit längerer Zeit gemeinsam mit der kaufmännischen Genossenschaft die kaufmännische Fortbildungsschule. Der Schulausschuß wendet sich seit Jahren regelmäßig an Den hohen Landtag um Gewährung eines Beitrages und es ist ein solcher alljährlich im Ausmaße von K 400'- bewilligt worden Es wurde schon früher und heuer wieder um eine Erhöhung des Beitrages auf K 600'angesucht. Dieses Ansuchen wird mit dem Hinweise auf die Ausgestaltung der Schule und des Lehrplanes begründet. Vor kurzer Zeit wurde Maschinenschreiben und die italienische Sprache in den Lehrplan aufgenommen als obligate Lehrgegenstände. Bei den stetig steigenden Erfordernissen muß anerkannt werden. 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 10. Periode 1912. 3 daß die Stadtgemeinde und die kaufmännische Genossenschaft für diese Schule sehr große Opfer bringen. Während die Gewerbegenossenschaften, denen allerdings viel weniger Mittel zur Verfügung stehen, sehr zurückhaltend sind mit der Subventionierung gewerblicher Fortbildungsschulen, so subventionierte die kaufmännische Genossenschaft in Bregenz ihre Schule im letzten Jahre bereits mit über K 1200'- . Die Schule erfüllt, soweit ich unterrichtet bin, ihren Zweck zur vollsten Zufriedenheit und ist in Rücksicht auf die großen Opfer, die sie den erhaltenden Faktoren auferlegt, der volkswirtschaftliche Ausschuß der Anschauung, daß dem Ansuchen um Erhöhung des Landesbeitrages auf K 600 - Folge gegeben werden soll und stellt daher den Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: "Der kaufmännischen Fortbildungsschule in Bregenz wird für das Jahr 1913 ein Beitrag von K 600 - aus Landesmitteln bewilligt." Ich ersuche um Annahme dieses Antrages. Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag des volkswirtschaftlichen Ausschusses die Debatte. Wenn niemand sich zum Worte meldet, schreite ich zur Abstimmung und ersuche alle jene Herren, die dem Antrage ihre Zustimmung geben wollen, sich gefälligst von ihren Sitzen zu erheben. Angenommen. Wir kommen nun zum vierten Punkte der heutigen Tagesordnung, zum Berichte des Landesausschusses betreffend den Gesetzentwurf wegen Abänderung des § 21 der Gemeindeordnung und des § 68 der Gemeindewahlordnung. Referent des Landesausschusses in dieser Angelegenheit ist der Herr Abgeordnete Jodok Fink; ich bitte ihn, das Wort zu nehmen. Jodok Fink: (Liest Bericht und Antrag aus Beilage 37.) Ich enthalte mich vorläufig jeder weiteren Bemerkung und empfehle die Annahme des Gesetzentwurfes. Landeshauptmann: Ich eröffne zunächst die Generaldebatte. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Natter. Natter: Meine Herren! Der heutige Gesetzentwurf kommt uns nicht überraschend, er mußte eingebracht werden, sobald die Ansicht sich durchrang, daß ein Fortleben der Gemeindevertretung in Hohenems mit den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen nicht gerechtfertigt werden kann. Das Gesetz vom Jahre 1909 hat die erste, schwere Belastungsprobe nicht bestanden und durch das Einbringen dieser Gesetzesnovelle zur Gemeindeordnung und zur Gemeindewahlordnung geben Sie selbst zu, daß auf Grund des bestehenden Gesetzes der Fall Hohenems nicht behandelt werden kann und daß es nicht angeht, die vorhandenen Bestimmungen auf diesen Fall anzuwenden. Wir stehen auf dem Standpunkte, daß in dieser Angelegenheit das Recht vollständig auf unserer Seite ist und wir können uns einen Ausgleich in dieser Frage nicht vorstellen. Wir treten ein für die Auflösung der Gemeinde mit nachfolgender Neuwahl, weil dies nur dem Wortlaute und Sinne des Gesetzes entspricht. Sie haben vorgesehen im Artikel III, daß die Wirksamkeit dieses Gesetzes eintrete mit dem Tage der Kundmachung. Wir nehmen dies zur Kenntnis und betonen aber, daß wir uns in dem Falle, als die Absicht bestehen würde, eine Rückwirkung zu erlangen, mit lebhaftem Proteste dagegen wenden müßten, denn die Ereignisse, die solche Zustände geschaffen haben, fallen unier die Wirksamkeit der alten Gesetzesbestimmungen. Es gibt keine Gesetzgebung ad hoc und es gibt keine Regierung, welche eine solche, geradezu ungeheuerliche Klausel hätte empfehlen können. Mit den Bestimmungen, die getroffen werden, sind wir einverstanden, indem wir ausdrücklich erklären, daß es Pflicht des Landtages ist, dafür zu sorgen, daß sich solche Vorgänge wie in Hohenems nicht wiederholen können, daß das Funktionieren der Gemeindevertretung unter allen Umständen sichergestellt werde und daß eine Lahmlegung derselben auf gesetzlichem Wege verhindert werden kann und muß. Wir machen unsere endgiltige Stellungnahme vom Gange der heutigen Verhandlungen abhängig. Landeshauptmann: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Drexel. Dr. Drexel: Der geehrte Herr Vorredner hat eine Frage angeschnitten, bezüglich deren es vielleicht gut ist, wenn sie hier im hohen Hause besprochen wird, nachdem wir einige Erfahrungen über das Proporzwahlrecht im Lande besitzen. Der geehrte Herr 4 7. Sitzung des Vorarlberge Landtages. V. Session der 10. Periode 1912. Vertreter der Stadt Bregenz hat erklärt, daß das Proporzwahlrecht in der Fassung und Formulierung unserer Gemeindewahlordnung und Gemeindeordnung seine Probe nicht bestanden habe. Ich lasse es nun ganz dahingestellt, ob ein so kleiner Zwischenfall, wie er in Hohenems vorgekommen ist, es schon rechtfertigt, ein derart hartes Urteil über ein ganzes Gesetz zu fällen, welches eine Menge von anderen Fragen und anderer Seiten in unserem Gemeindeleben geregelt hat. Ich würde es nicht zugeben, auch für den Fall, daß er Recht hätte, daß diese kleine Lücke, dieses kleine Tor in seinem Sinne offen geblieben ist. Das Proporzwahlrecht hat seine Probe bestanden in der Form, wie wir es beschlossen haben, aber etwas hat sich gezeigt: Das Proporzwahlrecht hat Schwierigkeiten, die nur ein politisch reifes Volk mit politisch ruhigem Blicke und einer gewissen ruhigen Haltung überwinden kann. Das Proporzwahlrecht hat zur Voraussetzung eine gewisse Klarheit in der politischen Anschauung, in der Beurteilung des politischen Lebens und auch in der politischen Taktik, in der Durchführung der Geschäfte von Proporzgemeinden und diese Voraussetzungen sind, soweit man es bis heute beurteilen kann, in den Vorarlberger Proporzgemeinden vorhanden. Aber sie waren im gegebenen Falle in Hohenems nicht ganz vorhanden, wo die Schwierigkeiten des Proporzwahlrechtes von verschiedenen Seiten zusammengekommen sind. Nun gestatten sie mir eine Spezifizierung dieser Schwierigkeiten in Hohenems. Als wir seinerzeit das Proporzwahlrecht studierten, sowohl in der Gesetzgebung als auch in den praktischen Erfahrungen, sagte mir ein Schweizer, der mitten in der ganzen Entwicklung stand: "Die Schwierigkeiten werden für die einzelnen Parteien durch den Proporz größer werden. Der Proporz hat den Zweck und erzielt auch häufig, daß er beruhigend die verschiedenen Stimmen zur Sprache kommen läßt; aber innerhalb der Parteien werden durch den Proporz die politischen Verhältnisse komplizierter werden." Das war damals für mich das Urteil eines Erfahrenen, für das ich keine Bestätigung aus dem eigenen Lande hatte. Heute haben wir auch bei uns im Lande solche Erfahrungen genug. Wie lag es in Hohenems? Als das Proporzwahlrecht kam, hatten die Christlichsozialen in Hohenems die Schwierigkeit, daß sich ein Teil loslöste und als unabhängige Partei sogar zum Teil frondierte. Die Freisinnigen halten genügend Einblick in ihre Kräfteverhältnisse und so sahen sie sich gezwungen, um nicht durch eine Zersplitterung Verluste zu erleiden, mit den Sozialdemokraten einen Kompromiß zu schließen. Trotz aller Gegensätze, die oft genug zu Tage treten auch im politischen Leben unseres Landes, sahen sie sich veranlaßt, einen sozialdemokratischen Vertreter in ihre Parteiliste auszunehmen, um nicht durch das Auftreten von noch mehr Listen einen Verlust der Restmandate herbeizuführen. Das Resultat war, daß die Deutschfreisinnigen, auf deren Liste sich ein Sozialdemokrat auf sicherem Posten befand, 16 Stimmen, die Christlichsozialen 12 und die Unabhängigen 3 Stimmen erhielten. Es war von Anfang an klar, daß es unter solchen Verhältnissen immer schwierig feilt werde, eine Gemeinde zu leiten. Nun gab es weiter Differenzen und diese Differenzen haben die ganz merkwürdige Meinung in unserem Vorarlberger politischen Leben gezeitigt, daß man glaubt, wenn ein Mann, der zwar einer Partei angehört, in einer nebensächlichen, nicht politischen, nicht grundsätzlichen Frage, einmal einer anderen Meinung ist, als die Mehrheit seiner Parteigenossen, daß der aus der Partei hinausgehöre. Das heißt man doch nicht die Parteigrundsätze verletzen. Das ist eine Erscheinung, die früher unser Volk nicht kannte. Ich will sogar sagen, daß diese Auffassung im ganzen deutschen Volke so ist, und wenn wir lesen, wie die Auffassung damals war, als das 48iger Frankfurter Parlament gewählt wurde, so finden wir, daß man damals die feste Auffassung hatte, der Mann, der gewählt sei, müsse nach seinem Gewissen und bester Meinung vorgehen, und das ist auch die echte, parlamentarisch richtige Auffassung. Von unseren Vertretungskörpern würde es nicht geduldet werden, daß man einen Mann zwingt, nach einer fest ausgegebenen Parole zu handeln. Es muß doch vor Augen gehalten werden, daß man im Gemeindeleben streng genommen meist wirtschaftliche Arbeiten hat, nämlich die Gemeinde zu verwalten, und daß es schon im Sinne des Proporzwahlrechtes liegt, daß durchaus nicht scharf getrennte politische Parteien zusammenkommen. Es ist möglich, daß sich innerhalb unseres Proporzwahlrechtes die merkwürdigsten und eigenartigsten Interessen zusammengruppieren mit der Absicht, nur einen einzigen Punkt durchzusetzen, um nachher, ich möchte sagen, sich aufzulösen und zu verschwinden, weil dieses Ziel erreicht ist, für irgendeine Fraktion oder Bestrebung in der Gemeinde etwas durchzusetzen und nur mit dieser Parole allein in die Gemeindevertretung einzudringen. Wir sehen aber 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 10. Periode 1912. 5 dann weiter die Schwierigkeit, welche eine Parteiliste hat, da sie sucht, möglichst viele Leute an die Liste zu binden, wodurch es kommt, daß man einen Ma.-.n in die Liste hineinnimmt, von welchem man weiß, daß er einen großen Verwandten- und Bekanntenkreis hat Wir haben schon da und dort solche Erfahrungen gemacht, daß man, wie es im politischen Leben im größeren Maßstabe der Fall ist, einen Mann aufgestellt hat, von dem man weiß, er hat ein großes Ansehen, aber er schwört durchaus nicht auf alle Grundsätze und Ansichten der Partei, und den forciert die Partei, weil er eben ein großes Ansehen besitzt und so kommt es auch, daß Leute hineinkommen, die streng genommen nicht zur Partei gehören; aber die Parteiführung und -leitung glaubt, durch diesen Mann wieder eine Partie von Freunden und Bekannten dieses Mannes für die Liste gewonnen zu haben. Meine Herren! Sie müssen in Betracht ziehen, daß Hohenems ein Gebiet ist - ich kenne das selbst, weil ich zwei Jahre dort war - wo die politische Parteigruppierung noch ganz jungen Datums ist. Eine ganze Reihe von Gemeinden, alle größeren Gemeinden unseres Landes hatten schon längst feste politische Parteien gebildet, als Hohenems noch keine hatte. In den neunziger Jahren, als ich in Hohenems war, gab es noch keine Parteinamen, sondern nur Personen, die die Partei charakterisierten, so wie es in abgelegenen Berggemeinden der Fall ist, wo Familiengruppen die Parteien der Gemeinde bilden und wo es ein Verkennen der wirklichen Verhältnisse wäre, zu glauben, daß oft prinzipielle Gegensätze, Meinungsverschiedenheiten, ganz große Meinungsverschiedenheiten die Parteien gruppieren. Die Entwicklung, wie sie Hohenems genommen hat in der politischen Organisation, ist eine verhältnismäßig junge, jünger als in anderen größeren Gemeinden unseres Landes, so daß es da gewiß schwierig war, mit dem Proporz aufzutreten. Und daß am allerehesten hier Gefahr war, daß der Proporz Schwierigkeiten bringen werde im Zusammenarbeiten, in den Gegensätzen dieser Leute, war von selbst erklärlich. Wenn man aber alle diese Begleiterscheinungen des Proporzwahlrechtes erkennt, dann kommt man zur Schlußfolgerung: In einem solchen Falle muß der Bürgermeister umsomehr streng objektiv sein. Wenn der Bürgermeister der Führer einer politischen Gruppe sein will, so wird es unmöglich unter solchen Verhältnissen vorwärts gehen können. Dann werden die einzelnen Parteien nebeneinander und ihren Gegensätzen suchen müssen, daß sie mit einer festen Mehrheit vorwärts kommen. Was trat ein? Die Haltung der Deutschfreisinnigen mit ihren 16 Mann brachte es mit sich, daß die Mitglieder der Unabhängigkeitspartei sich veranlaßt sahen, zu den 12 Mann der Christlichsozialen zu halten, und es standen sich manchmal 15 gegen 16 gegenüber. In dem Augenblicke ist es ganz selbstverständlich, daß die Arbeit einer Gemeindeverwaltung eine ruhige und streng objektive bleiben muß, weil sonst Gefahr besteht, daß bei übertriebenen, einseitigen, vielleicht ungerechten Forderungen die an und für sich schon knappe Mehrheit Verluste erleidet und ein einziger Mann genügt, um das Verhältnis der beiden Gruppen zu einander zu verschieben. Wir haben einen gleichen Fall in Lustenau und einen ähnlichen in RiedenVorkloster, besonders aber in Lustenau. Wir können dort aber auch beobachten, daß verhältnismäßig wenige Beschwerden und Klage> über die Gemeindeverwaltung vorkommen, weil man doch gezwungen ist, so zu arbeiten und zu verwalten, daß nicht ein Abfall von irgend einer Seite erfolgen muß. Dieser Fall ist in Hohenems eingetreten wegen einer kleinen Ursache. Die Wahl eines Gemeindearztes brachte eine divergierende Abstimmung. Es wurde diese Frage als politische Frage erklärt und als politische Frage behandelt. Einer von den 16 war anderer Ansicht als seine Parteigenossen und dem Manne machte man, obwohl er nach seiner besten Meinung gehandelt hatte, so schwere Vorwürfe, daß er da die Konsequenzen zog und sich für alle Abstimmungen die Freiheit vorbehielt. Weiterhin trat er nicht zu einer anderen Partei über, sondern er blieb aus dem Platze, auf den ihn die Wahl gestellt hatte und stimmte in allen Fällen so, wie er es für zweckmäßig und gut hielt. Dadurch kam nun eilte Verschiebung in den Parteiverhältnissen in Hohenems heraus. Meine Herren! Aber ich sage: Was wäre in jedem andere> Vertretungskörper die nächste Konsequenz gewesen? In einem solchen Falle muß in einem Parlamente die Regierung abtreten, in einem solchen Falle, wo die Regierung im Parlamente, in der Gemeinde der Bürgermeister sieht, daß er nicht mehr die Mehrheit hinter sich hat, daß der von der Gemeinde gewählte Ausschuß ihm nicht mehr das feste Vertrauen entgegenbringt, in dem Augenblicke zieht er die Konsequenz und sagt: Ich trete als Bürgermeister zurück. (Loser: Das ist ganz klar.) Das wäre die erste Konsequenz gewesen. Ich habe noch nie, soweit ich das politische Leben mitgemacht habe, den Fall erlebt und beobachtet, daß ein Mann in einem Vertretungskörper, der weiß, daß er nicht mehr das feste 6 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 10. Periode 1912. Vertrauen der Mehrheit besitzt, mit einer solchen Zähigkeit auf seinem Platze geblieben ist und zwar in einem von Bürgern gewählten Vertretungskörper. Wenn er ernannt würde, sei es vom Kaiser oder von einer anderen Persönlichkeit, würde er aus den Post-m gesetzt sein nicht von Wählern dann könnte er schließlich sagen: Ich bin da und walte meines Amtes, aber nicht in einem durch Proporz gewählten Vertretungskörper. Die Haltung des Bürgermeisters Peter war mir und ist mir heute noch ein Rätsel. Ich halte es als eine Forderung des politischen Lebens, so wie es in den primitivsten Formen jedem Bürger bekannt sein dürfte, daß in einem solchen Falle der Vorsitzende eines Vertretungskörpers seinen Platz zur Verfügung stellt. Das hat der Mann nicht getan. Und ich beklage, daß der Bürgermeister Peter auch das nicht getan hat, was ihn ruhig auf seinen! Platze gelassen hätte, nämlich, daß er sich einfach auf den Standpunkt gestellt hätte: Ich bin Bürgermeister und durch das Gesetz berufen, die Beschlüsse der Gemeindevertretung auszuführen. (Fink: So, das wäre recht gewesen 0 Wenn er von seinem Platze nicht herunter will, wenn er oben bleiben will, so ist die nächste Konsequenz: Er muß sein Amt regelmäßig und gesetzlich fuhren. Und, meine Herren, diese andere Gruppe, die Christlichsozialen, die Unabhängigen und dieser eine, der außerhalb der Parteien stand, ich möchte sagen, ein Wilder gewesen ist, die war nicht so, daß sie nicht arbeiten wollte, die erklärt hätte, unter diesen! Bürgermeister arbeiten wir nicht, sie arbeiteten sogar sehr fleißig; sie haben Beschlüsse nacheinander gefaßt, von denen jeder sagen muß, dieser Beschluß ist besser als der, den die frühere Mehrheit im Auge hatte, denken Sie nur an die Schulhausfrage, wo gewiß jeder sagen muß: Die Schule kommt jetzt auf einen viel schöneren und besseren Platz zu stehen. Wenn auch die frühere Mehrheit bedauerte, daß ein Beschluß von einer anderen Seite gefaßt wurde und daß es der anderen Seite gelungen ist, mit dem Gasen von Hohenems eine Abmachung zu treffen, nach welcher er eine zeitlang offen einen Platz angeboten hat. Als Bürgermeister der Gemeinde darf er dieses Bedauern in sich nicht aufkommen lassen Er muß sich sagen: Die Gemeindevertretung hat diesen Beschluß gefaßt, er muß durchgeführt werden. Und wenn ich mich erinnere an eine weiter zurückliegende Sitzung des Landesausschusses, wo eine Beschwerde da lag wegen Verwendung des Gemeindeblattes zu politischen Zwecken und - was noch wichtiger ist, - daß die Protokolle im Gemeindeblatte nicht richtig geführt wurden, und wenn ich mich erinnere, daß es damals hieß, der ganze Ausschuß habe mit einer starken Mehrheit (Amann: einstimmig), ja sogar einstimmig dem Bürgermeister fast einen Verweis gegeben, daß die Protokolle nicht richtig geführt seien, er dürfe in Zukunft nicht mehr abändern Meine Herren! Alles dies zusammengenommen heißt: Der Herr Bürgermeister hätte sagen müssen: Ich trete als Bürgermeister ab, nehmen sie einen anderen und dann wäre die Situation gewesen: 15 Freisinnige gegen 16, welche aus drei Gruppen bestehen, und diese zusammen hätten dann müssen einen Bürgermeister wählen, es wären dann wieder 15 gegen 16 gestanden, vielsticht wäre ein Christlichsozialer Bürgermeister geworden und dann hätte diese Schwierigkeit, die in der Gemeinde früher schon bestanden hatte, im umgekehrten Verhältnisse neu beginnen können. Hätte man dann gesehen, daß es so nicht weiter geht, dann hätte man sagen können, die Gemeindevertretung kommt in dieser Zusammensetzung nicht vorwärts, jetzt muß man auflösen, ohne - meine Herren! jetzt komme ich auf dieses Kapitel zu sprechen - daß jemand nur annähernd garantieren kann, daß eine Neuwahl geklärtere Verhältnisse bringen wird. Wir hätten dann vielleicht vier Parteien, von denen keine eine Mehrheit bekäme. Das Proporzwahlrecht hat es in sich, daß mehrere Parteien auftreten, und daß diese Parteien durch das Gesetz gezwungen sind, daß sie sich zusammentun, wenn es vorwärts gehen soll, daß sie miteinander verhandeln, miteinander leben. Es ist ein Wechsel notwendig in unserer bisherigen Auffassung vom Gemeindeleben. Man trifft vielfach noch die Ansicht, nur eine einheitliche Mehrheit könne eine Gemeinde regieren. Man ist nach den Erfahrungen geneigt zu glauben, es müsse eine einheitliche Mehrheit da sein. Wir werden aber in Zukunft eine Reihe von Gemeinden haben, die keine feste Mehrheit besitzen. Da muß der Proporzgedanke Platz greifen und mehrere Parteien zur Mehrheitsbildung zusammenführen. Ich bin ein so treuer und aufrichtiger Anhänger des Proporzes, daß es mir leid getan hat. daß man heute wegen eines ungünstig verlaufenen Falles, der in Hohenems passiert, das Proporzwahlrecht verantwortlich machen will und daß heute schon von unserer Staatsverwaltung die Aufforderung gestellt wurde, man solle Erfahrungen mitteilen. Es hat mich ein hoher Staatsbeamter, als wir über diese Verhältnisse zu sprechen kamen, gefragt: "Sind Sie jetzt noch ein so eifriger Anhänger des Proporzes?" Ich erwiderte ihm: 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 10. Periode 1912. 7 "Jawohl, Exzellenz!" "Nun, Sie haben schon Ihre Erfahrungen, daß man damit nicht vorwärts kommen wird." "Man kommt schon vorwärts, nur müssen wir unsere politische Auffassung korrigieren und die Parteien müssen suchen, wie sie eben vorwärts kommen." Wir sind beisammen, wir sind auf einander angewiesen, so wie wir sind, müssen wir trachten, die Gemeindeangelegenheiten möglichst gut zu erledigen, der Bürgermeister führt aus, was man beschließt, und es wird sich von selber klären. Wenn die Herren eine Dummheit machen und ungeschickte Beschlüsse fassen, so kommt nach einigen Jahren das Urteil der Gemeindebürger, welches deutlich sagt, was sie von der bisherigen Tätigkeit der einzelnen Parteien halten. So bin ich also der Meinung, daß eine Auflösung nicht den Zweck erfüllt, den man erwartet. Durchaus nicht! Nun komme ich auf das Kapitel, ist eine Auflösung gerechtfertigt? Ich habe Ihnen schon gesagt, ich glaube, es ist klar genug. Es stand Minorität gegen MajoritätWenn der Bürgermeister als Vorsitzender streng objektiv bleibt, so läßt er einfach abstimmen. Und hält er den Beschluß für ungeschickt, so kann er selbst dem Landesausschusse mitteilen, daß dieser Beschluß so und so ist und daß dessen Durchführung sich nicht empfiehlt. Es wird schon auch von irgendeiner Seite eine Beschwerde kommen, so daß der Landesausschuß gezwungen wird, Stellung zu nehmen. Ist es gerechtfertigt, in einer solchen Situation aus Gründen, die in einer solchen Entwicklung liegen, eine Auflösung erfolgen zu lassen, die immer ein Gewaltakt ist? Jede Auflösung ist eine Operation. Ich sage nein, rundweg nein. Warum sage ich nein? Weil es meinem ganzen Empfinden widerstrebt, daß eine Minorität durch das Zurücklegen ihrer Mandate eine Auflösung der Majorität erzielen kann, ohne daß ich lange nach Paragraphen suche. Man hat das Empfinden, daß das nicht recht sein kann und warum kann das nicht recht sein? Weil alle Minoritäten, die manchmal hartes Brot essen müssen und Schwierigkeiten genug haben, sich zu halten, mit diesem Mittel arbeiten würden. Und, meine Herren! Sie haben mir bis heute keinen einzigen Fall nachzuweisen, daß eine Minorität durch das Zurücktreten erreicht oder erzwungen hat, daß man die ganze Vertretung auflöste. Ich glaube, es gibt keinen Fall. Wenn man das erzielen würde, würden wir im Parlamente große Rücktritte erfahren und ab und zu würden große einzelne Parteien in schwierigen Situationen, wo es ihnen günstig zu schein scheint, ihre Mandate niederlegen und Auflösung und Neuwahl verlangen. Aber gehen tun sie nicht, weil sie ganz gut wissen, daß deswegen nicht aufgelöst wird, auch wenn sie gehen. Wo kämen wir in unseren Landtagen, wo kämen wir in unseren Gemeindevertretungen in Vorarlberg hin! Wir haben eine Reihe von Gemeinden, welche ähnliche Verhältnisse haben, und wo suchen Sie auch nur annähernd einen Anhaltspunkt dafür, daß eine Gemeindevertretung aufgelöst werden soll, wenn eine Minorität zurücktritt? Wir haben heute ganz gesetzlich und streng genommen 17 Ausschußmitglieder von 31. Wenn die Mehrheit zurücktritt und um Neuwahlen ersucht, dann ist es denkbar, daß die Staatsverwaltung dieser Frage näher tritt, weil das ein ausgesprochener Mehrheitswille ist. Wir haben hier aber ein Minoritätsvotum und diese Minorität besteht erst noch aus zwei Parteilagern. Meine Herren! wenn ich jetzt den Gedanken weiter ziehe, so sage ich: Für eine Auflösung unter den gegebenen Verhältnissen ist im Gesetze auch nicht der geringste Anhaltspunkt; auch in der Praxis, auch im politischen Empfinden finden wir keine- Aber Anhaltspunkte habe ich in allen drei Gebieten dafür, daß wenn eine Mehrheit da ist, eine Mehrheit, die arbeitswillig ist, die den Beweis erbringt, daß sie arbeiten kann, und diesen Beweis schon erbracht hat, die das Budget verkleinert und trotzdem zeigt, daß sie damit durchkommt, daß dann auf keinen Fall aufgelöst werden darf. Nun kurz einige weitere Argumente dafür. Wir haben in der Gemeindeordnung im § 21 und in der Gemeindewahlordnung deutliche Anhaltspunkte dafür, was der Wille, was die Tendenz des Gesetzgebers war; ich war damals dabei, als man das Gesetz gemacht hat. . Es war eine knappe Zeit, es war eine Periode im Ausgehen, die Regierung hatte uns kurz vorher mitgeteilt, daß die bisherigen Grundsätze nicht akzeptiert worden seien, und daß beide Gesetze neu aufgebaut und organisiert werden müssen. Und so war verhältnismäßig nicht viel Zeit übrig, diese Arbeit durchzuführen. Ich empfehle dringend denjenigen, welche es angeht, die Geschichte des Gesetzes zu studieren, und wenn sie es tun, so werden sie einen § 63 treffen, welcher sagt, was heute der § 67 sagt und sie werden finden, daß dieser Paragraph ausdrücklich im ersten Entwürfe im § 21 zitiert ist, wo es heißt, wenn neue Ausschüsse ein- oder abtreten, so ist nach dem und dem Paragraphen vorzugehen. Und es ist deutlich, da der § 63 als der heutige § 67 zitiert ist. Als man später das Gesetz durchberaten hat und mit den Paragraphen 8 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 10. Periode 1912. changierte und einzelne Paragraphe fallen ließ und neue Paragraphen normieren mußte, da wurde der § 63 zum § 67. Der ist in seinem Sinne nichts anderes, als ein neues Alinea des § 66. Wer die Gemeindewahlordnung hernimmt, sieht ruhig, ohne daß er längere, schwierige Vergleiche anstellen muß, daß der § 67 streng genommen als Alinea zum § 66 gehört. Wenn ich mich nicht mehr an jeden einzelnen Paragraphen erinnere, wie er hin und her geschoben wurde, aber wenn ich die Geschichte des Gesetzes studiere, wie es sich entwickelt hat, - der Gesetzgeber und der Gesetzesausleger muß es auch tun, wenn es nicht deutlich genug zu verstehen ist, - da muß ich zurückgreifen in die Quellen des Gesetzes und deshalb hat der geehrte Herr Berichterstatter ganz recht, wenn er selbst sagt, es handle sich heute nicht um eine Ergänzung des Gesetzes oder darum, neue Paragraphen zu schaffen, sondern es handle sich nur um die Auslegung des Gesetzes, und er will nur denen nachhelfen, die nicht guten Willens sind und nicht gut verstehen wollen, wenn nicht jeder Paragraph genau zitiert ist: Mehr als authentische Auslegung kann es nicht sein. Ich drücke meine besondere Befriedigung darüber aus, daß die hohe Regierung einen Vertreter, der dieses Kapitel als Spezialfach betreibt, in die heutige Sitzung geschickt hat, und freue mich über die Aufmerksamkeit, welche man dieser Frage schenkt. Wenn ich aber denken würde, daß es wahr sein könnte, was ein Vertreter der deutschfreisinnigen Partei geäußert hat, daß die Auflösung komme, dann würde ich heute sagen: Wir ändern das Gesetz nicht ab, wir lassen es, wie es ist, und überlasten der k. k. Regierung die Verantwortung. Sie möge es bei dem sehr klaren Sinne und der deutlichen Entwicklung darauf ankommen lassen und die Verantwortung übernehmen, daß eine Minorität mit einem einzigen Schriftstücke die ganze Gemeindeverwaltung zum Stocken bringen kann. Dann würde man doch sich vielleicht überlegen, ein Gesetz, welches klar und deutlich genug sagt, daß der Wille der Minorität die Auflösung nicht erzwingen könne, unberücksichtigt zu lassen. Dann würde ich es darauf ankommen lassen, Fall für Fall zu demonstrieren, wie man in berufenen Kreisen einer Minorität dem Sinne des Gesetzes zum Trotze recht gibt. Meine Herren, ich kann nicht annehmen, daß es so kommt, und brauche keine rückwirkende Geltung. Für mich gilt heute in Hohenems das Gesetz schon deutlich genug. Es wird nur ergänzt, was man bei der Schlußberatung nicht ganz wörtlich ausgesprochen hat. Leute aus dem Volke, die nicht so viel Schwierigkeiten bei der Auslegung des Gesetzes haben, lesen klar und deutlich, was in dem Falle zu machen ist. Und deshalb sage ich, ich brauche keine Rückwirkung und bin hierin mit dem geehrten Herrn Vertreter der Stadt Bregenz ganz einverstanden. Ich brauche kein Gesetz in dem Hause zu regeln und zu lösen, für mich gilt heute schon klar genug das Gesetz, das hinreichende Anhaltspunkte bietet, um in diesem Falle ganz deutlich zu entscheiden. Analoge Gesetzesanwendungen muß man öfters machen und bei der ganzen Entwicklung unseres wirtschaftlichen und technischen Lebens müsten wir öfters längere Zeit hindurch analog vorgehen. Es sind noch keine Bestimmungen für Flugschiffe vorhanden und schon sind die Juristen fertig und sagen, es gilt diese Bestimmung in analogen Fällen, und es könnte einer auftreten und sagen: "Das Gesetz von den 70, 80, 90 Jahren hat sich nicht bewährt und hat Lücken." Run haben wir einen Fall, daß die Liste mangelhaft sein könnte und nicht genügend Namen ausweise, und einen solchen Fall haben wir im Auge behalten und gleich von Anfang an als festen Grundsatz aufgestellt, was vielleicht manchem merkwürdig erscheinen wird, was aber notwendig ist im Interesse einer geregelten Gemeindeverwaltung: Wenn eine Liste unvollständig ist und nicht genügend Namen ausweist, dann greift man zur anderen. Das ist scheinbar ein ganz harter Grundsatz, daß die Stimmen auf den Gegner fallen. Wir sehen aber, daß das Gesetz den Grundsatz festgehalten hat, die Gemeindevertretung müsse komplett sein. Wenn eine Liste nicht mehr genügend Namen ausweist, dann kommen die gegnerischen Listen. Es ist Sache der betreffenden Gruppe, dafür zu sorgen, daß sie genügend Namen hat. Ich sage, es wäre Sache der Minorität, auf dem Posten zu bleiben. Es ist keine Schande, Minorität zu sein, und eine Minorität, die 15 zu 16 ist, und wobei die "16" nicht einmal durch einheitliche Leitung geeinigt sind, eine solche Minorität, meine Herren, ist etwas, und die Herren, die durch Jahre hindurch die Mehrheit hatten, hätten sich ein klein wenig verdemütigen müssen. Wir waren in Dornbirn durch Jahre hindurch in der Minorität und es ist uns nicht schlecht gegangen. Ich meine, man hat eine angenehme Situation, man kann ein Gesetz ruhig vorbeipassieren lassen, man hat keine Verantwortung, man braucht nur Angriffe zu machen, die andern läßt man verteidigen, und manches muß verteidigt werden, von dem man selber weiß, daß es seine harten Seiten 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 10. Periode 1912. 9 hat. Wenn ein Sprichwort sagt: Dar Brot der Minorität sei ein hartes und saures Brot, so ist es nicht immer wahr und es kann ein Minoritätsvertreter oft schöne Erfolge haben; diese kleine Überwindung hätte es gebraucht, daß die Mehrheit, die schon von Anfang an eine knappe oder eigentlich keine Mehrheit war, weil sie aus zwei Parteien bestand, dieses kleine Übel auf sich hätte nehmen müssen, anstatt zu erklären, daß wir nicht mehr mitmachen, meint wir nicht mehr die Mehrheit haben. Das wäre das einzig Richtige gewesen- Ich darf nun meine Ausführungen schließen. Der Fall in Hohenems ist mir nicht ein sehr wichtiger und prinzipieller; es ist ein Zwischenfall in unserem Gemeindeleben und wir haben schon schlimmere und härtere Fälle gehabt. Die Gemeinde hat unter der Entwicklung bis heute nicht mehr gelitten, aber lange kann es nicht mehr vorwärts gehen. Heule ist die Entscheidung, man darf nicht ergänzen und 8 Tage früher erfolgte die Entscheidung: Es wird ergänzt. Das wird die Gemeinde für die Dauer nicht aushalten können und deswegen ist es notwendig, daß mit aller Entschiedenheit erklärt werde, daß die Ergänzung so erfolge, wie sie zu erfolgen hat und zwar nach § 67. Jetzt stockt die Gemeindeverwaltung und diejenigen, welche Bescheid brauchen, leiden unter den heutigen Verhältnisseil und deshalb möge die Staatsverwaltung in dem Falle tu>, was sie tun muß, nämlich das Gesetz einfach so anwenden, wie es natürlich lautet, und so, wie es natürlich liegt. Es war ein Experiment, ein Fehler der Deutschfreisinnigen in Hohenems, daß sie so voreilig ihre Mandate niedergelegt haben. Wenn aber die Herren weiterforschen und weitersuchen würden, dann würden sie darauf kommen, daß man von einer bestimmten Seite den Leuten zuflüsterte, ihnen in falschen Gesetzesauslegungen Hoffnungen machte, es komme eine Auflösung. Wenn man aufgelöst hätte, dann könnte man sagen, daß wir die Schuldigen gewesen seien, nämlich wir Christlichsoziale, die ganze Gemeindeverwaltung sei zum Stocken gebracht und jetzt komme über die Gemeinde die Schande: daß sie aufgelöst wird und daß ein fremder Kommissär kommt als Gemeindeverwalter, die Vertretung der Bürgerschaft kann nicht mehr mitreden. Das wäre auf die Majorität gefallen, ihr wäre die ganze Schuld beigemessen worden: Das darf nicht sein. Deshalb ersuche ich von dieser Stelle aus den Vertreter der hohen Regierung, daß er ruhig und objektiv das Gesetz durchlese, die Ausführungen des Herrn Berichterstatters in dieser Angelegenheit verfolge, und ich bin der Überzeugung, es wird unser Standpunkt zur Geltung kommen. Für uns streng genommen, braucht es keine Erweiterung sondern nur eine Auslegung des Gesetzes und diese hat eine sehr kräftige Unterlage, so daß sie heute und für jeden Augenblick für Hohenems gilt und gegolten hat. Es handelt sich heute nur darum, daß dieses Gesetz endlich in Hohenems zur Geltung kommt. Alle, welche sich um das Gemeindeleben und um den Proporz und dessen Effekte und Erscheinungen kümmern, haben mit dem Hohenemser Fall Gelegenheit, Erfahrungen zu sammeln, die vielleicht für alle gut sind, auch für Minoritäten und Majoritäten in anderen Gemeinden, bei welchen wir ähnliche Verhältnisse sehen können. Es mag der politische Kampf an den Wahltagen zurecht bestehen, aber wenn die Gemeindevertretung beisammen ist, ist es notwendig, mit einer gewissen Sachlichkeit und Objektivität die Interessen der Gemeinde zu vertreten. Ich empfehle Ihnen den Antrag des Landesausschusses und stimme für denselben, aber nicht in dem gleichen Sinne wie der geehrte Herr Vertreter der Stadt Bregenz, der glaubt, es brauche eine ganz neue Ergänzung des Gesetzes, sondern in dem Sinne, daß wir klar und deutlich sagen, was schon im Gesetze steht. (Lebhafter Beifall). Landeshauptmann: Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Natter. Natter: Ich möchte Stellung nehmen gegen einen Teil der Ausführungen des Herrn Vorredners, die sich erstrecken auf die Verhältnisse in Hohenems, soweit persönliche Eigenschaften in Frage kommen. Wir glauben, daß wir diese persönlichen Eigenschaften oder Maßnahmen vollständig aus unserer heutigen Verhandlung ausschließen. Ich kann nur immer betonen, daß wir immer nur auf das Prinzipielle der ganzen Angelegenheit eingegangen sind und daß es in diesem Falle feststeht und durch gar keine Ausführungen widerlegt werden kann, daß die heutige Vertretung nicht mehr zu bestehen hat; es ist zwar noch eine Mehrheit vorhanden; von der ursprünglichen Zahl, von 31 sind 17 übrig geblieben; es ist dies eine Mehrheit, aber nicht mehr die erforderliche Mehrheit, um giltige Beschlüsse zu fassen. Wir stehen nicht allein; bekanntlich hat die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch die in der letzten Sitzung gefaßten Beschlüsse als ungültig erklärt und es kann diese Entscheidung im Rekursverfahren vielleicht noch eine Korrektur 10 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 10. Periode 1912. erfahren, aber vorläufig ist die Beurteilung dieselbe, wie wir sie auch hier haben. Ich möchte dies nur betont haben, damit ausdrücklich festgelegt werde, daß es sich nur um die Wahrung des Gesetzes gehandelt hat. Ich will weiter hingewiesen haben, daß wir die Zustimmung zum Gesetzentwurfe geben mit Rücksicht darauf, daß es unsere Pflicht ist zu sorgen, daß eine Lahmlegung der Funktion der Gemeindeverwaltung in gar keiner Richtung mehr möglich sein kann. Landeshauptmann: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Drexel. Dr. Drexel: Ich will nur einer Meinung vorbeugen, die vielleicht aufkommen könnte, wenn infolge der Berichterstattung einzelne Teile zu kurz ausfallen und die Ausführungen des Herrn Vorredners im Detail gebracht werden. Er hat nämlich Andeutung gemacht, daß sie persönliche Eigenschaften absichtlich nicht berührt hätten. Er glaubte, feststellen zu müssen, daß ich die persönliche Frage auch hereingezogen habe. Die Tätigkeit des Herrn Bürgermeisters mußte ich streifen, soweit es zur Klärung des Ganzen notwendig war. Ich habe lediglich auf seine Person bezogen durch Äußerung der Meinung, er hätte die Stelle zurücklegen sollen im Augenblicke, als er nicht mehr die Mehrheit des Ausschusses hinter sich hatte- Ich will betonen, daß es meine Absicht war und dieser Absicht blieb ich gerecht, die persönliche Frage aus der Debatte auszuschließen. Wenn der verehrte Herr Vorredner noch bemerkt, daß auch andere Kreise der Meinung seien, daß die erforderliche Mehrheit nicht mehr bestehe, so ist diese erforderliche Mehrheit sehr leicht zu ergänze>; sie muß nach dem Gesetze ergänzt werden und hätte sollen schon lange ergänzt werden. Ich will nicht Denunziant werden, aber die Stelle, auf die er sich beruft als Bekräftigung seiner juridischen Auffassung, hat sich im ganzen Streite als eine verhältnismäßig schwache Auslegerin erwiesen; kurz, ich möchte lieber nicht in dieser Gesellschaft sein, wenn es sich handelt, einen Paragraphen zu stützen und zu erklären. Weiter will ich nichts bemerken. Landeshauptmann: Wünscht noch jemand das Wort? Wenn dies nicht der Fall ist, so ist die Debatte geschlossen. Das Wort hat noch der Referent des Landesausschusses. Jodok Fink: Der Herr Kollega Dr. Drexel hat gesagt und richtig betont, daß meine Ausführungen kürzer ausfallen könnten, nachdem er den Gegenstand ziemlich erschöpfend behandelt hat. Mich hat nur eine Äußerung etwas geniert, die der geehrte Herr Vertreter der Stadt Bregenz vorgebracht hat, nämlich: Wir stehen auf dem Standpunkte, daß das Recht vollständig auf unserer Seite ist. Damit ist diese Frage im Landtage zur Parteifrage gemacht; das will ich nicht tun, ich will sie nicht als politische Frage, sondern als grundsätzliche Frage behandelt wissen. Es fällt mir durchaus nicht ein, in irgend einer Weise persönlich zu werden. Bezüglich der Angelegenheit Hohenems will ich zunächst das eine konstatieren, ich bedauere den Fall, weil er den Proporz wesentlich in Mißkredit gebracht hat. Schon mein geehrter Herr Vorredner hat darauf verwiesen und ich es kann es nur bestätigen, daß die Tatsache, daß eine Partei, sobald sie geglaubt hat, nicht mehr in der Majorität zu sein, durch einen Gewaltakt, durch einen Obstruktionsakt die ganze Gemeindevertretung lahm legen und zur Auflösung zwingen will, diese Tatsache sehr üble Folge gezeitigt hat und es haben hier im Lande und außerhalb desselben mir verschiedene ältere und jüngere Porporzgegner gesagt: jetzt seht ihr, was ihr vom Proporze habt. Die Gegner haben Schadenfreude gehabt und dies ist ein Beweis, daß dieser Fall den Proporz schädigt. Ich habe starken Glauben an den Proporz gehabt, und wenn Sie meine Reden nachlesen, welche ich bei der Einführung des Gesetzes gehalten habe, so werden Sie mir hierin recht geben. Ich habe damals geglaubt auf Grund der Erhebungen, die wir in anderen Ländern gepflogen haben, der Proporz sei gerecht gegen die Minorität, er verschaffe ihr in den Vertretungskörpern eine verhältnismäßig gerechte Vertretung. Man hat uns aber damals auch ausführlich gesagt, der Proporz habe zur Folge, daß die Parteien in den einzelnen Vertretungskörpern miteinander reden und handeln müssen und auf einander angewiesen sind. Die Minoritäten sind in der Regel sehr stark und da muß mit ihnen gerechnet werden, namentlich in unseren Gemeindewesen, wo doch mehr wirtschaftliche Fragen zur Behandlung kommen als politische. Wir haben gemeint, daß damit eine recht günstige, regelmäßige Verwaltung der Gemeinden erzielt werde. Wenn ich jetzt einen Schritt weitergehe, so will ich nur noch im Anschlüsse an das, was der Herr Dr. Drexel angeführt hat bezüglich des Zustandekommens des Gesetzes, sagen, daß wir ja in dem 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages, V. Session der 10. Periode 1912. 11 Entwürfe diesen Paragraphen, damals § 63, der ganz gleichlautend ist mit dem heutigen § 67, in den § 21 der Gemeindeordnung aufgenommen hatten, während aber der dem § 68 entsprechende Paragraph nicht zitiert war. Da § 68 der Gemeindewahlordnung aber nicht bloß für das weitere Wahlverfahren, sondern auch für spätere Fälle beim Abgehen von Ausschußmännern das Nachrücken der Ersatzmänner und Nachmänner regelt, mußte jedenfalls der § 68 im § 21 der Gemeindeordnung zitiert werden. Die Zusammenziehung oder Unterteilung der Paragraphen, sowie die Neunumerierung müssen vielleicht auch in Betracht gezogen werden und es kann heute nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden, ob im § 21 der Gemeindeordnung das "und" statt des "bis" ein redaktioneller oder nur ein Druckfehler war. Der Wille des Landtages aber war es, das ist meine Überzeugung und als Berichterstatter glaube ich auch, etwas sagen zu können, daß dann, wenn von einer Partei die nötigen Ersatzmänner nicht mehr zu haben sind, von einer anderen Partei die Listenmänner genommen werden. Bei Schaffung der bezüglichen Gesetze wollte der Gesetzgeber, daß dann, wenn auch der Minorität große Rechte eingeräumt wurden, wornach sie in der Gemeindevertretung mitreden kann, daß aber die Majorität Majorität bleibe. Alle Bestimmungen - ich werde noch einige zitieren - weisen darauf hin, in allererster Linie die mehrerwähnten Bestimmungen des § 67, die so weit geht, daß man von einer anderen Parteiliste die Mandate nehmen kann, wenn man zu wenig hat, sei es nun, daß man zu wenig aufgestellt hat, oder sei es, daß der Fall eintritt, wie er in Hohenems ist, daß sie freiwillig auf die Mandate verzichten. In beiden Fällen hat man zu wenig Dazu kommt noch, daß es in § 68, der heute in § 21 der Gemeindeordnung zitiert ist, im letzten Absätze heißt, daß für abgängige Ausschußmitglieder, sei es aus was immer für einem Grunde, die Ersatzmänner durch die Listen zu ersetzen seien- Dort ist auch eine Parteiliste zitiert, wo es sich um das Verfahren bei der Wahl handelt. Und diese Parteiliste kann doch nur, wenn sie nicht ausreicht, nach § 67 ergänzt werden. Ich habe vorhin bemerkt, daß wir bei der Schaffung des Gesetzes darauf gesehen haben, daß die Majorität auch bei einer starken Minorität als Majorität regieren kann. Das haben wir außer bei dem Falle, den ich angezogen habe, auch bezüglich der Restmandate getan. Wir haben die Restmandate der stärksten Partei zugewiesen. Das ist nicht überall so. Man weist in manchen Kantonen der Schweiz die Restmandate derjenigen Partei zu, welche bei der Aufteilung der Mandate den größten Rest übrig gehabt hat. Da ist es soweit gekommen, daß dort, wo man Nestmandate zu vergeben hatte, zwei oder drei kleinere Parteien durch die Zuteilung dieser Restmandate mehr Mandate bekommen haben, und in einem Falle ist nachgewiesen, daß es soweit gekommen ist, daß, obwohl die größte Partei mehr Listenstimmen hatte als zwei oder drei zusammengenommen, daß diese kleineren mehr Mandate herausgebracht haben, als die größte Partei. Wir wollten daher bei der Schaffung dieses Gesetzes auch die Majorität schützen, und das ist auch geschehen in den Bestimmungen über die Vornahme der Wahl des Gemeindevorstandes und der Gemeinderäte. Da hat man nicht auf die Liste geschaut, man mußte damit rechnen, daß die stärkste Parteiliste auch den Vorsteher bekomme. Streng nach Proporz hätte man meinen müssen, daß die zweitstärkste Partei den ersten Gemeinderat bekomme. Das haben wir nicht getan. Wir haben auch der stärksten Partei den ersten Gemeinderat gegeben, bannt für den Fall, daß der Gemeindevorsteher krank oder abwesend wäre, trotzdem die Majorität regieren kann. Deswegen haben wir auch ganz kleinen Parteien gar keine Vertretung im Gemeinderate gegeben. Ganz den gleichen Grundsatz haben wir festgehalten bei den Unterausschüssen, auch da haben wir immer die größeren Parteien bevorzugt, damit wir eine Partei habe>, die regieren kann. Wir haben grundsätzlich alles daran gesetzt, zu verhindern, daß die Obstruktion siegt. Diesen Standpunkt habe ich immer vertreten und diesen werde ich vertreten, handle es sich um was immer. Wir haben einen ähnlichen Fall gehabt bei Bestand der alten Wahlordnung in einer größeren Gemeinde des Landes, wo eine bedeutende Minorität glaubte, sie werde von der Majorität im neuen Ausschusse mehr terrorisiert und ungerecht behandelt werden, als im alten und deshalb zu erzwingen suchte, daß der alte Ausschuß weiter bestehe und der neue sich konstituieren könne. Ich lasse es ganz dahingestellt, ob dies richtig gewesen ist oder nicht. Wir vom Landesausschusse als Rekursinstanz haben dieser Partei, obwohl sie christlichsozial war, nicht recht gegeben, wir haben im Landesausschusse die Mitglieder auch gestraft, beziehungsweise diese Strafe aufrecht erhalten, soweit es ging. Daraus ersehen Sie, daß ich das nicht sage für die Zukunft 12 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 10. Periode 1912. oder für ähnliche Fälle, sondern wir haben den Standpunkt früher schon eingenommen, auch wenn es gegen die Christlichsozialen gegangen ist und ich werde denselben auch einnehmen, wenn es in Zukunft gegen die Christlichsozialen gehen sollte. Man darf das andere nicht machen. Es ist nicht recht. Es ist auch der Fall behandelt worden, daß einer von einer Partei nicht immer mit der Partei geht. Da hat mir ein sehr intelligenter Herr im im Lande gesagt, die Sache müßte man doch sehr in Erwägung ziehen, ob man das Gesetz nicht ändern müsse, damit derjenige, welcher nicht mit der Partei geht, sein Mandat niederlegen müsse. Das scheint im ersten Momente sehr verlockend zu sein, daß derjenige, der nicht immer und überall mit der Partei geht, sein Mandat niederlegen müsse. Ich bin der Meinung, man dürfe das nicht tun, wenn es auch nicht ideal ist, was ein solcher tut- Man muß doch sagen, daß dieses das kleinere Übel ist als das Gegenteil. Das größere Übel wäre es, wenn man dadurch zustande brächte, daß der betreffende Ausschußmann nicht mehr frei wählen könnte, daß er seine Stimme nicht mehr frei abgeben könnte, daß eigentlich nur der Parteipascha diktieren würde. Zu dem würden wir es bringen in dem Falle. (Zwischenrufe: So ist es! Ganz richtig! Sehr richtig!) Ich glaube daher, daß einerseits durch die Entstehung des Gesetzes, andererseits auch dadurch, daß der § 68 und mit ihm in gewisser Beziehung auch der § 67 im § 21 zitiert ist, der Berechtigung der Überzeugung zur Genüge Ausdruck gegeben ist, daß es einer Gesetzesänderung gar nicht bedürfen würde, sondern daß man durch das Entstehen des Gesetzes und daraus, was damals der Landtag wollte, ersehen kann, daß man alles daransetzte, um die Majorität als Majorität zum Worte kommen zu lassen. Wir haben den Fall behandelt bezüglich der Wahl des Gemeindevorstandes; im früheren Gesetze und auch jetzt heißt es, daß 2 der Ausschußmitglieder bei der Wahl anwesend sein müssen. Diese Bestimmung ist aufgenommen worden, damit in dem Falle, daß einige nicht zur Wahl kommen, ohne einen genügenden Entschuldigungsgrund zu haben, diese durch die politische Bezirksbehörde zu bestrafen sind. Und dann haben wir weiter vorgesehen, daß dann in 14 Tagen eine Neuwahl anzuordnen ist, bei welcher bei jeder Anzahl gewählt werden kann. Dies beweist, daß man unter allen Umständen darauf bedacht war, die Majorität zu schützen. Nun, wenn Sie mir sagen, man müsse den Buchstaben des Gesetzes genau treffen, daß eine solche Obstruktion nicht mehr gemacht werden könne, dann muß ich Ihnen meine Meinung dahin sagen, daß dies einfach unmöglich ist. Wenn man eine Türe zumacht, dann machen die Obstruktionisten zwei neue auf. Es ist das überall so, ich bin ganz überzeugt,