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Letzte Änderung 02.07.2021, 19:26
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp10,lts1911ao,lt1911,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 2. Sitzung am 27. Juni 1911 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 25 Abgeordnete. - Abwesend: Der Hochwst. Bischof Dr. Egger. Regierungsvertreter: Herr k. k. Statthaltereirat Dr. Rudolf Graf von Meran. Beginn der Sitzung um 10 Uhr 40 Minuten vormittags. Landeshauptmann: Ich erkläre die heutige Sitzung für eröffnet und ersuche um Verlesung des Protokolls der gestrigen Eröffnungssitzung. (Sekretär liest.) Wird zur Fassung des soeben verlesenen Protokolls eine Einwendung vorgebracht? Wenn dies nicht der Fall ist, so betrachte ich dasselbe für angenommen. Ich habe noch mitzuteilen, daß bei der gestrigen Wahl eines landwirtschaftlichen Ausschusses gewählt wurden die Herren Abgeordneten Jodok Fink, Dekan Barnabas Fink, Alois Dietrich, Wendelin Nachbaue und Dr. Ferdinand Kinz, zu Ersatzmännern die Herren Franz, Joses Schreiber und Josef Anton Willi. Der Ausschuß hat sich nachmittags konstituiert und zu seinem Obmann den Herrn Abgeordneten Dekan Barnabas Fink gewählt.- Das wollte ich noch ihnen mitteilen. Wir gehen nun zur Tagesordnung über. Auf derselben steht als erster Gegenstand die Fortsetzung der Verhandlung über Punkt 2 der Beilagen 1 und 2 (Darlehensaufnahme) und 3. Lesung beider Gesetzentwürfe. Wir haben diese Angelegenheit gestern bis auf Punkt 2 und die 3. Lesung erledigt und ich möchte die Verhandlung über Punkt 2 und über die beiden Anträge, die mit Ausnahme der Ziffern gleichlauten, eröffnen und ich ersuche den Herrn Berichterstatter, vielleicht beide Anträge nochmals zu verlesen. Thurnher: Ich glaube, man könnte doch beide Anträge getrennt behandeln, damit nach Annahme oder vielmehr nach der Beschlußfassung über den Punkt 2 der jeweiligen Antrüge auch die Vornahme der 3. Lesung des bezüglichen Gesetzentwurfes erfolgen könnte. Es ist gestern die endgültige Beschlußfassung über Punkt 2 Der Anträge zum Motivenbericht (Beilage 1) verschoben worden und nun haben wir heute weiter darüber zu beraten und zu beschließen. Ich finde keinen 2. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. (außerordentliche) Session der 10. Periode 1910. Anlaß, irgend welche Änderungen an dem Vorschlage dies Landesausschusses diesbezüglich zu befürworten, sondern ich möchte an das hohe Haus die Bitte richten, Punkt 2 der Anträge, wie der Landesausschuß diesen vorgelegt hat, unverändert anzunehmen. (Liest Bericht und Anträge aus Beilage 1.) Es wird da dem Landesausschusse eine weitgehende Ermächtigung erteilt, so daß es ihm ganz unbenommen bleibt, wenn er es für gut finden würde, in anderer Weise diese Darlehensaufnahme zu besorgen, als es z. B. das letztemal geschahen ist. Ich empfehle also dem hohen Hause die Unveränderte Annahme des gestern vorgelegten Antrages und ersuche auch bezüglich des 2. Gesetzentwurfes, betreffend die Behebung der Wasserschäden, um die Annahme des in Beilage 2 gedruckten Antrages, der abgesehen von der Ziffer den gleichen Inhalt hat wie beim anderen Gesetzentwürfe, der verlesen worden ist. Landeshauptmann: Wünscht also zu diesen beiden Anträgen jemand das Wort? - Der Herr Abgeordnete Ölz. Ölz: Hohes Haus! Ich war das letztemal vom Landesausschusse delegiert, die Verhandlungen wegen der Aufnahme der Darlehen, die wir voriges Jahr beschlossen haben, zu führen. Sie wissen, daß wir das letztemal beschlossen haben, zur Regulierung von Bächen und Flüssen eine Summe von K 1, 811.000 aufzunehmen. Von dieser Summe haben zur Behebung der Schäden an Straßen und Brücken auf den Staat 50%, das sind 905.500 K zu entfallen, aus das Land 80%, das sind 543.300 K, auf die beteiligten Gemeinden und Interessenten 20%, das sind 362.600 K. Nach dem Gesetze für Straßen- und Brückenbauten wurde eine Summe von 1, 381.000 K nötig, von der der Staat 50% trägt, das sind 690.500 K, das Land 30%, das sind 414.300 K, die Gemeinden und Interessenten 276.200 K. Es ist in beiden Gesetzen vorgesorgt worden, daß allenfalls das Land für beide Faktoren, auch sowohl für den Stadt als auch die Gemeinden, Darlehen aufnehmen könne; die Gemeinden aber haben erklärt, daß sie dies für sich selbst Machen; dagegen hat nun der Staat gesagt, er sei nicht im Stande, diese großen Beiträge zu zahlen, und das Land solle die Anleihe auch für den Staat aufnehmen. Nun haben wir dann für Staat und Land zusammen 1, 448.800 K aufzunehmen gehabt. Wir sind in engster Fühlung gestanden mit dem Finanzministerium bezüglich der Aufnahmen und haben mit dessen Einverständnis mit fünf Banken Verhandlungen gepflogen, auch mit Banken im eigenen Lande. Da sind nun Offerte eingegangen von der Sparkasse in Dornbirn; dann haben wir bei zwei Wiener Banken, die solche Darlehen besorgen, Erkundigung eingezogen und schließlich, nachdem auch eine Offerte von der Zentralbank der deutschen Sparkassen in Prag vorgelegen ist, haben wir dem Finanzministerium das Ganze vorgelegt. Dieses hat nun alle Offerte für ungültig und undurchführbar erklärt mit Ausnahme jenes der Zentralbank der deutschen Sparkassen in Prag. Nachdem nun das Finanzministerium eine solche Stellung eingenommen hat, haben wir noch einmal mit der Zentralbank der deutschen Sparkassen in Prag verhandelt und diese ist Uns, ich muß gestehen, sehr entgegen gekommen; sie hat die Wünsche, die das Finanzministerium geäußert hat, auch erfüllt. Die Sache ist nun so gemacht worden, daß wir ein 4 1/2 %iges Darlehen mit 3% Amortisation aufgenommen haben, welches wir in 21 Jahren zurückzuzahlen haben. Wie sie aber gestern gehört haben, kommen wir leider mit diesem Betrage nicht aus. Es ist notwendig, noch einmal in Verhandlungen zu treten und wieder ein Darlehen aufzunehmen. Wir haben früher geglaubt, diese Regulierungen werden nach und nach gemacht; nun aber sind neuerdings zwei Gesetzentwürfe beschlossen worden, nach denen für dringend nötige Schutzbauten an Gewässern 2, 271.000 K sowie an Straßen und Brücken 637.500 K erforderlich sind. Auf das Land entfallen für die Bauten an den Gewässern 681.300 K und an Straßen 191.250 K, sohin zusammen 872.550 K. Das Land hat aber zudem noch die Staatsbeiträge von 1, 135.500 K und 318.750 K, somit zusammen 1, 454.250 K nach einer getroffenen Vereinbarung aufzunehmen, im ganzen also 2, 326.800 K. Der Staat hat nach dieser getroffenen Vereinbarung sich auf den Standpunkt gestellt, daß wiederum ein Darlehen aufgenommen werden solle, wie das letztemal unter vielleicht günstigeren Bedingungen; die 2. Sitzung der Vorarlberger Landtages. III. (außerordentliche) Session der 10. Periode 1910. 3 Zeit bleibe dieselbe, sodaß wir also innerhalb 21 Jahren das Darlehen zurückzahlen müssen. Wie sie begreifen werden, hat das letztemal, als wir uns an das Bankinstitut gewendet haben, dieses von uns verlangt, wir möchten über die Landesfinanzen Aufschluß geben; dieses ist geschehen und zwar waren wir in der Lage, dies in guter Form tun zu können. Das Land Vorarlberg steht bekanntlich nicht-in Schuhen tote andere Länder, die immer von Sanierung schlechter Finanzen sprechen, weil wir immer die Steuern entsprechend den Ausgaben gerichtet haben. Ich habe nun für das Bankinstitut ein Referat gemacht, und der Landesausschuß hat es fortgeschickt und es ist vom Bankinstitute mit Befriedigung zur Kenntnis genommen worden. Nun soll aber neuerdings dies gemacht werden. Da sind mir nun doch! sonderbare Gedanken aufgestiegen. Es soll nämlich nach einem im Verlage des deutschfreisinnigen Wahlausschusses in Bregenz in den letzten Tagen erschienenen Flugblatte die Finanzwirtschaft des Landes eine unglückliche, eine schauderhafte sein, der Landtag schaffe neue Steuern, mache neue Schulden, erhöhe die Umlagen auf das zwei- und dreifache, kurz und gut, die Finanzwirtschaft des Landes sei eine schauderhafte, es herrsche Korruption. Damit nun der hier versammelte Landtag hört, welche schreckliche Wirtschaft die christlichsoziale Majorität führt, so würde ich mir erlauben, wenn der Herr Landeshauptmann nichts dagegen hat, einige der markantesten Stellen vorzulesen; es ist in demselben zuerst von den Finanzverhältnissen Niederösterreichs und Tirols die Rede, dann heißt es da wörtlich: In unserem schwatzen Musterlande liegt die unglückliche Finanzwirtschaft der herrschenden Partei klar zu Tage. Die größte Leistung unseres klerikalen Landtages besteht darin, daß er trotz der allgemeinen Teuerung die Steuerschraube ganz wahnsinnig angezogen hat. Der Voranschlag für das Jahr 1908 erforderte einen Aufwand von 454 000 Kronen, das Erfordernis des Landes für das Jahr 1909 war bereits auf über 802 000 Kronen gestiegen und der Voranschlag für 1911 weist ein Erfordernis von 1053 000 Kronen auf. Die Einnahmen des Landes Vorarlberg sind somit seit dem Jahre 1908 um 130 % gestiegen ; in kurzer Zeit werden sich die Erfordernisse des Landes im Vergleiche zum Jahre 1908 verdreifacht haben. Am Schlusse heißt es dann noch, es herrsche Korruption, es sei eine unglückliche Wirtschaft und man wolle sich nicht länger und weiter von der christlichsozialen Partei mit Lug Und Trug abspeisen lassen Nun werden sie mir zugeben, daß dann, wenn die Finanzwirtschaft tatsächlich eine solche ist, wir schwer Geld bekommen werden; man wird sagen, wenn sich die Verhältnisse so geändert haben, so hat der Landesausschuß nicht die Wahrheit gesagt und man wird sich anschauen, ob man uns Geld gibt. Wir müssen aber auch für den Staat Geld ausbringen, wir brauchen also einen größeren Kredit; dies ist in dieser Frage auch mit in Betracht zu ziehen. Ich muß gestehen, meine Herren, ich möchte den Herrn, der dem Wahlaufrufe, der beim Herrn Acherer gedruckt wurde, sicher nahe steht, besonders den Herrn Bürgermeister Dr. Kinz ersuchen, die Belange mitzuteilen, nach welchen die Finanzwirtschaft des Landes Vorarlberg eine so unglückliche, eine so schauderhaft traurige ist. Landeshauptmann: Wer wünscht weiter das Wort? Herr Abgeordneter Ölz. Ölz: Da Herr Dr. Kinz schweigt, (Zwischenrufe: Feigling! Da schweigt er; das ist bezeichnend!) so werde ich noch etwas sagen. Meine Herren, erlauben Sie mir noch jetzt über die Finanzlage des Landes ein Bild zu unterbreiten. Im Jahre 1870 hat der Vorarlberger Landtag, beziehungsweise die damalige christlichsoziale-konservative Partei die Regierung des Landes übernommen. Die damaligen Finanzen waren keine ungeordnete, aber nichtsdestoweniger mußte damals der Landtag die Schuld der Landesirrenanstalt im Betrage von 600.000 K übernehmen. Damals hat man noch gemeint, man hätte sie nicht bauen sollen, aber heute würden wir einen anderen Standpunkt einnehmen; denn wir sehen, daß man diese Anstalt bauen mußte und wir noch einmal dazu kommen, diese Sache der Zeit entsprechend einzurichten. Wir hatten bis zum Jahre 1899 im Lande nur 26% Zuschläge zu der Erwerb-, Grund- Und 2. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. (außerordentliche) Session der 10. Periode 1910. Rentensteuer und 12% zur Hauszinssteuer. Bei diesen niederen Steuern war es, obwohl das Landesbudget von 72.000 K im Jahre 1872 auf 155.000 K im Jahre 1899 angewachsen ist, bei der klugen Sparsamkeit möglich, die laufenden Auslagen zu bestreiten und die Schulden nach und nach abzutragen, wie der Herr Landeshauptmann gestern bemerkt hat. Im Jahre 1899 wurde das ganze veraltete Gesetz über die Bezüge der Lehrer abgeändert, aber nur ein kleiner Teil der höheren Bezüge auf das Land übernommen. In demselben Jahre wurde auch das Straßenbauprogramm für die verschiedenen Straßenzüge im Montafon, Bregenzerwald, Vorder- und Unterland beschlossen; es hatte das Land durch 15 Jahre jährlich rund 45.000 K zu zahlen. Das Mehrerfordernis an Schulauslagen betrug rund 90.000 K. Hat nun der Landtag sich mit Schuldenmachen geholfen, wie es etwa ein schlechter Finanzpolitiker gemacht hätte? Nein! Der Landtag hat den Mut gehabt, die Steuern zu erhöhen und zwar die Erwerb-, Grund- und Rentensteuer von 26% auf 40% und die Hauszinssteuer von 12% auf 20% laut Beschluß der X. Sitzung am 19. April 1900. Bis zum Jahre 1905 fand das Land trotz der Mehransprüche und der Zahlung der Subvention für die Bregenzerwaldbahn von 266.000 K und trotz der Zahlung von 90.000 K zur Dornbirnerbahn das Auskommen. Das große Erfordernis wegen des Hochwassers vom Jahre 1901 trat dann im Budget des Jahres 1904 in Erscheinung, weshalb Mehrauslagen gemacht wurden und daher für Mehreinnahmen gesorgt werden mußte. Alan mußte dann aber auch noch den Emmebach, den Ratzbach. die Frutz und den Klausbach regulieren und bei all diesen Umständen war es selbstverständlich, daß man hiezu auch Geld brauchte; sie können dies am besten aus folgenden Zahlen ersehen: Es stieg die Post "Beiträge zu Straßen-, Bahn- und Wasserbauten" von 1903 mit 135.000 K auf 218.000 K im Jahre 1904. Da war es nun selbstverständlich, daß das Auskommen mit den bisherigen Einnahmen Und Prozenten nicht mehr zu finden war. Was nun tun? Hätten wir Schulden machen sollen? Man hat zuerst in Aussicht gehabt, vorläufig eine schwebende Schuld von 100.000 K aufzunehmen; dieses unterblieb aber; wohl aber haben wir unterhandelt und auch in diesem hohen Hause ist es nicht einstimmig hergegangen, sondern man hat gesagt: Machen wir keine neuen Schulden, denn man weiß nie, was komme, sondern erhöhen wir die Steuern um mäßige 5 %, dies kann alles ertragen. Wir haben dann die Erwerbs-, Grund- und Rentensteuer auf 45% erhöht und die Hauszinssteuer auf 25%. Ich bitte aber, meine Herren, es ist erlogen, wenn man sagt, wir hätten diese Steuern erhöht; diese Steuern haben wir noch, dieselben Prozente gelten heute noch. Mit dieser Erhöhung haben wir das Auskommen gefunden, daß wir geordnete Landesverhältnisse gehabt haben. In der Tagung im Monat April des Jahres 1908 hat der Landtag zwei schwere Fragen zu lösen unternommen. Die Lehrer wollten eine der Zeit entsprechende Regulierung ihrer Bezüge. Dann sollte eine II. Serie der Wildbachverbauung beschlossen werden, sollten nicht die bisherigen Regulierungen Schaden leiden und das Geld umsonst ausgegeben sein. Allgemein war man der Anschauung, der größere Teil der Erhöhung der Lehrergehalte sollte auf das Land übernommen und nicht den Gemeinden aufgebürdet werden. Tatsächlich schloß man sich einstimmig im Landtage, ich sage einstimmig, der Annahme an. Herr Dr. Kinz, Sie sind auch dabei gewesen, Sie haben damals sogar erklärt, sie seien deshalb dafür, weil das Land Vorarlberg zu jenen Ländern gehöre, die in Bezug auf die Lehrergehalte zu den rückständigsten Ländern der Monarchie gehören. Nach Bericht des Schulausschusses gab es für das Land nun ein Mehrerfordernis von 315.000 K, welches bis jetzt auf 400.000 K gestiegen ist. Der Wildbachverbauungsvoranschlag vom Jahre 1908 beziffert sich auf 484.087 K, während das Rechnungserfordernis schon 515.319 Kronen betrug. Der Voranschlag vom Jahre 1909 mußte infolge des Mehrerfordernisses für die Lehrergehalte mit 315.000 K und kür Wildbachverbauungen mit 22.500 K, ohne weitere Bedürfnisse in Rechnung zu ziehen, sich um 337.500 Kronen erhöhen. Es war also ein Erfordernis zu präliminieren und zwar für das Jahr 1909 im Betrage von 802.000 K, für das Jahr 1910 von 796.000 K und für das Jahr 1911 mit 833.000 K, 3. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. (außerordentliche) Session der 10. Periode 1910. 5 Ich frage nun, hat der Landtag da eine unglückliche Finanzwirtschaft geführt nach Meinung der deutschfreisinnigen Herren, - ich will sie hier nicht weiter nennen, es sind beide Herren hier in der Mitte, - damals als er dafür Sorge trug, daß das Mehrerfordernis gedeckt werde? Hat er also eine schlechte Finanzwirtschaft geführt, als er beschlossen hat, eine Bier- und Weinsteuer einzuführen? Ich meine nicht. Ich glaube, da hat er gut getan, daß er dafür gesorgt hat, statt Schulden zu machen, Einnahmen dafür zu bekommen; und da hat er das Geld dort genommen, wo man es mehr oder weniger freiwillig zahlen kann; es muß einer tun Bier trinken, wenn er nicht will. Hohes Haus! So war die Finanzlage im Jahre 1910; sie war vollkommen geordnet und ist es heute noch. Das Land Vorarlberg wurde zwar im Vorjahre von einem großen Unglücke heimgesucht und es erfordert die Behebung desselben Millionen und Millionen. Es bedarf, um die Straßen, Brücken und Wasserschutzbauten wiederherzustellen, eine Summe von rund 6 Millionen Kronen, von denen der Staat 3 Millionen, das Land 18 Millionen und die Gemeinden 12 Millionen auszubringen haben. Was hat nun angesichts dieser großen kommenden Verpflichtungen die christlichsoziale Majorität des Landtages getan? Hat diese, Herr Dr. Kinz, als schlechte Finanzverwalterin bloß mitgejammert oder .hat dieselbe Vorsorge getroffen für die Zukunft, damit die Landesfinanzen geordnete bleiben können? Die christlichsoziale Majorität hat wie ein guter Finanzmann Vorsorge getroffen und hat die Biersteuer, die der Staat ohnehin einsackeln möchte, um 2 K per hl erhöht, was uns eine Mehreinnahme von rund 200.000 Kronen bringt. Damals mochte man sich sagen, man hätte warten sollen, man hat ja Überschuß. Meine Herren! Wir sind keine so kurzsichtige Finanzpolitiker, keine traurigen Finanzpolitiker, sondern wir haben vorausgesehen, was uns dieses Landesunglück bringen wird. Deshalb haben wir beschlossen, für das Jahr 1911 schon für eine außergewöhnliche Einnahme zu sorgen zur Behebung des Unglückes und wir haben wohl getan. Wir werden dieses Gesetz heute noch beschließen müssen, da wir ein großes Erfordernis brauchen. Wir brauchen für die Montafonerbahn allein 128.000 K, denn sie werden zugeben müssen, daß wir nicht sagen können, wir wollen die Bahn nicht mehr weiter bauen; wir müssen doch helfen. Dann kommt dazu die Rate für das Darlehen mit 36.000 K, dann ein Betrag von 30.000 K für den Rickenbach. Wir hätten also Schulden machen müssen, wenn der Landesausschuß nicht vorgesorgt hätte. Kurz und gut, wir haben Heuer schon die erste Ra.e für das erste Darlehen zu zahlen und nun möchte ich wissen, wie wir das machen würden, wenn wir nicht so vorsichtig gewesen wären und rechtzeitig für Mehreinnahmen gesorgt hätten. Wir haben vorgesorgt, daß die Finanzen auch in Zukunft in Ordnung bleiben können. Wir haben gestern zwei Gesetzentwürfe beschlossen, im Vorjahre auch zwei; nach diesen hat das Land für sich eine Schuld zu machen im Betrage von 1, 829.000 K, die in 21 Jahren abzuzahlen ist. Das ist immerhin noch etwas erträglich, wenn man vergleicht, daß unter den Freisinnigen die Stadt Feldkirch eilte Schuld ausgenommen har im Betrage von 4, 000.000 K. Wir haben von dieser Schuld jährlich, 136.200 K an Zinsen und Amortisation zu zahlen. Dann haben wir ja noch e.was Geld übrig. Nun aber haben sie gestern gehört, wie die Vertreter der einzelnen Bezirke dringende Wünsche haben. Sie haben gehört, daß der Herr Referent damals, Herr Abgeordneter Thurnher, es anerkannt hat, daß noch einmal einzelne ähnliche Gesetze geschaffen werden müssen, daß wir noch einmal eine Notstandsaktion einleiten müssen; dazu werden wir aber Geld brauchen. Es wird jetzt schon der Landesausschuß völlig genotzüchtigt von den Gemeinden, daß er immer Geld geben muß; dieses muß man aber irgend woher nehmen, denn es sind zu viele solcher Wünsche. Wir sind aber infolge davon, daß wir voriges Jahr die Biersteuer erhöht und Vorsorge getroffen haben, in der Lage, auch fernerhin Wünschen gerecht zu werden. Wir werden auch - weil gerade der Herr Vertreter der Stadt Feldkirch auf mich schaut - auch die Illschlucht regulieren, denn dieses ist auch ein dringendes Bedürfnis, damit die Gefahren abgelenkt werden. Es sind zwar dazu auch schwere Gelder erforderlich, aber wir stehen auf dem Standpunkt, nach und nach werden wir dies machen können und wir hoffen, ohne daß wir weitere Schulden machen müssen. Wir werden 2. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. (außerordentliche) Session der 10. Periode 1910. es machen müssen, wie es ein vorsichtiger Geschäftsmann macht, nämlich so, daß wir die Schäden nach und nach beheben. Ich sage, jener, der angesichts dieser Tatsache, wie es das deutschfreiheitliche Flugblatt getan hat, von einer unglücklichen Finanzwirtschaft, von Korruption reden kann, ist einfach eilt unehrlicher Mensch. Die Unehrlichkeit kommt aber erst recht zum Ausdrucke, wenn der Versuch gemacht wird, unter Aufzählung einzelner Zahlen, die mau zum Teile künstlich aufsuchen mußte, die Finanzlage des Landes als schlechte zu bezeichnen. In diesem Flugblatte heißt es zum Beispiel: "Die allerorts schauderhafte Finanzwirtschaft der Klerikalen": "Die Finanzwirtschaft Vorarlbergs ist eine unglückliche. Die Steuerschraube wird. trotz der Teuerung wahnsinnig angezogen. Der Voranschlag von 1908 erforderte einen Aufwand von 454.000 K, das Erfordernis für das Jahr 1909 war bereits auf 802 000 K gestiegen und der Voranschlag für 1911 weist ein Erfordernis von 1, 053.000 K auf." Nicht wahr! meine Herren, wenn das jemand liest und die Verhältnisse nicht kennt, so muß er zum Glauben kommen, es bestehe tatsächlich im Lande eine schauderhafte Finanzwirtschaft. Wenn z. B. ein Fremder dies liest oder ein Uneingeweihter, so muß er sich sagen, das ist ja schrecklich. Dies wollten aber die freisinnigen Wahlmacher, sie wollten dies erzielen, sie wollten die Finanzlage als eine schlechte darstellen und zwar zu dem Zwecke, um Glauben zu machen, man solle ja keinem Christlichsozialen eine Stimme geben. Dabei aber haben die Herrschaften verschwiegen, was Schuld an dieser Erhöhung des Budget ist; absichtlich haben sie es verschwiegen und darin liegt die Gemeinheit. Ganz gut wußten diese Herren, daß diese Erhöhung damals im Jahre 1908 erforderlich war wegen Regulierung der Lehrergehalte, welche 315.000 K ausmachen, und wegen der dringenden Wildbachverbauungen im Betrage von 22.100 K. Es ist nun von selbst verständlich, daß die Ausgaben dadurch größer wurden, daß sie sich gesteigert haben; aber wenn man dres den Leuten erzählt und ihnen gesagt hätte, dann hätte jeder gesagt, das hat die christlichsoziale Partei ausgezeichnet gemacht. Nun aber ist es so dargestellt worden, als ob wir die größten Lumpen wären und das Gele, ich weiß nicht wohin, getan hätten. Ich frage sie, ist ein einerseits humanes und andererseits finanziell vorsichtiges Vorgehen schauderhaft schlecht, korrupt? Ich sage: Nein! Schauderhaft schlecht und korrupt ist das Vorgehen des freisinnigen Wahlausschusses, der solche frivole Beschuldigungen erhebt. Es ist übrigens bezeichnend, daß der Wahlwerber, für den diese Sache gemacht wurde und der heute durch Stillschweigen verleugnet, seinerzeit auch für diese Sache gestimmt hat; es ist sehr bezeichnend. Also wenn wir schon Sünder sind, so ist dies die allergrößte Sünde; denn wir getrauen uns wenigstens zu sagen, was wir gemacht haben. Aber dieses Hinterslichtführen der Wähler ist gemacht worden zu dem Zwecke, um die Wahl ihres Kandidaten durchzusetzen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich doch noch etwas Kleines zur Erheiterung beifügen, an was ich mich noch erinnere vom Jahre 1908. Damals hat sich der Herr Dr. Kinz mit dem Herrn Ertl, mit den Herrn Sozi, die seither seine ganzen Freunde, ich möchte sagen, Stuhlhalter geworden sind, im Lande herum begeben und dabei gewaltig gedonnert: er sei für die Erhöhung der Lehrergehalte; hat dann aber gegen die Verzehrungssteuer gedonnert: dieses dürfe nicht sein, dies dürfe man nicht machen. Nun aber hat Herr Dr. Kinz interessanter Weise vergessen zu erklären, wie man es machen sollte. Nun Herrn Dr. Kinz ist aber damals vor der betreffenden Sitzung, wie es scheint, ein neuer Spiritus aufgegangen, hat zwar nicht geredet an demselben Tage, - Ertl saß auch oben und hat mit Argusaugen heruntergeschaut - wohl aber hat Herr Dr. Peer das Wort genommen und im Namen der Linken gesprochen, er werde für die Steuer stimmen, wonach Herr Dr. Kinz von den Sozi weggerückt ist und sie im Stiche gelassen hat. Hoffentlich wird es ihnen nicht wieder so ergehen, nachdem sie ihm jetzt den Stuhl gehalten haben. Nun zum Schlusse muß ich Ihnen noch etwas sagen; es ist dies noch etwas unverschämter und schmählicher als was ich bis jetzt gesagt habe. Es ist zum Beweise der schlechten Finanzwirtschaft auch angeführt worden, daß 2. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. (außerordentliche) Session der 10. Periode 191Ö. 7 der Voranschlag für das Jahr 1911. emporgeschnellt sei bis zum Beitrage von 1, 033.000 K. Nicht wahr, wenn jemand diese Zahlen in dem angegebenen Zusammenhange liest, so muß er sich denken, diese Christlichsozialen sind doch miserable Finanzpolitiker. In den Zeiten der Teuerung treten solche Erhöhungen beim Landesbudget ein: einen Christlichsozialen wähle ich nicht mehr. Tatsächlich, glaube ich, wird es auch dumme Auguste gegeben haben, die aus diesen plumpen, freisinnigen Schwindet hereingefallen sind. Worin besteht denn nun dieser freisinnige Schwindel? Er besteht darin, das; die Macher des Flugblattes zu dem in der Sitzung vom 10. Oktober 1910 genehmigten Veranschlage von 833.300 K, die für die zur Behebung der Wasserkatastrophe vorgesehene Einnahme der Biersteuer gut dazu zählte, um aus den hohen Betrag zu kommen. Die allzeit treuen, deutschen Bruder aber verschweigen, daß der Landtag schon für die dringend notwendige Behebung des Landesunglückes infolge der Hochwasserkatastrophe sich vorgesehen habe. Die Macher verschwiegen diese höchst wichtige voraussehende finanzielle Maßnahme, trotzdem sie dieselbe kannten ja sie kennen mußten, nur um den Christlichsozialen eines anhängen zu können. Hohes Haus! Sie werden in der Majorität! mit mir daher übereinstimmen, wenn ich zum Schlüsse sage: es ist schmählich und schändlich, ja es ist auf Volksbetrug abgesehen, wenn Lehrergehaltsregulierungen, wenn dringend notwendige Wildbach-Verbauungsaktionen sowie ein Landesunglück herhalten muß, mit die ganz geordnetes Finanzwirtschaft eines Landes zu diskreditieren, damit der Freisinn mehr Stimmen bekommt. Ich gebe mich daher der Hoffnung hin, daß meine Darlegungen Klarheit in die Finanzwirtschaft des Landes gebracht haben und das Ansehen des Landes durch die gebrandmarkten Verleumdungen, bezüglich guter Finanzwirtschaft und dessen Kredit in keiner Weise Schaden erleide. Ich werde daher, wie bereits der Herr Berichterstatter, betont hat, den Anträgen zustimmen. (Anhaltender Beifall im hohen Hause.) Landeshauptmann: Wer wünscht weiter das Wort? Herr Dr. Kinz. Dr. Kinz: Hohes Haus! Ich glaube, ich habe recht getan, wenn ich nicht sofort auf die Anfragen des Herrn Abgeordneten Ölz geantwortet habe, denn dadurch ist mir das Vergnügen geworden, eine im Konzept schon vorbereitete Rede in extenso zu hören. Der Herr Abgeordnete Ölz stellt an mich die Frage, wie! ich mich zu dem Wahlaufruf verhalte und verlangt Rede und Antwort für etwas, was ich nicht geschrieben und nicht gesprochen habe. Ich erkläre mich mit Vergnügen bereit, alles zu vertreten, was ich selbst geschrieben und in Versammlungen gesprochen habe. Er zieht los gegen den rüden Ton der Flugblätter Und vergißt dabei ganz, daß gerade seine Partei diesen rüden Ton eingeführt hat (Zwischenruf: Das ist nicht wahr!), wie Sie durch Jahrzehnte gegen die Finanzwirtschaft der freisinnigen Gemeindevertretungen losgezogen und ich erinnere Sie daran, wie Sie immer bestrebt waren, den Kredit unserer Stadt herunterzusetzen, ich erinnere Sie daran, wie Sie seinerzeit dem verstorbenen, hochverdienten Bürgermeister Huter, die schwebenden Schuld im Betrage von rund 110.000 K vorwarfen in einer Weise, daß man im Lande herum sprach, er habe das Geld selbst eingesteckt. Sie sind ganz selbst schuld daran, wenn man ihnen mit jener Münze heimzahlt, die Sie selbst geprägt und seinerzeit in Umlauf gesetzt haben. Ich erkläre also nochmals, daß ich die volle Verantwortung übernehme für das, was ich selbst gesprochen und geschrieben habe und fühle mich nicht verpflichtet, das zu verantworten, was ich nicht selbst gesprochen und geschrieben habe. Im übrigen werde ich mir das Flugblatt näher ansehen (allgemeine Heiterkeit) und wenn ich finde, daß ich darauf etwas zu antworten habe, so werde ich Gelegenheit nehmen, vielleicht schon in der morgigen Sitzung, darüber zu sprechen. Landeshauptmann: Wünscht noch jemand das Wort? Der Herr Abgeordnete Ölz. Ölz: Ich möchte zum finanziellen Teil noch etwas sagen. Vorerst aber, Herr Bürgermeister, muß ich das entschieden zurückweisen, daß unsere Partei einen so rüden Don angeschlagen hat, wie es hier in diesem Flugblatt der Fall ist. Da 2. Sitzung des Vorarlberger Landtages, III. (außerordentliche) Session der 10. Periode 1910. würden wir uns schämen. Bitte, wenn wir die Gemeindevertretungen angegriffen haben, so wagten wir es nur dann, wenn etwas nicht in der Ordnung war und das war auch gerecht. Der Herr Dr. Peer von Feldkirch ist gewiß nicht unser Mann und Freund, sondern ich halte ihn für einen gefährlichen Gegner; er hat aber kein Wort darüber verloren und es etwa geradelt, daß Feldkirch, um verschiedene Sachen zu sanieren, eine schwebende Schuld von rund 4, 000.000 Kronen aufgenommen hat. Es hat sich damals gehandelt um die Errichtung eines Gas- und Elektrizitätswerkes. Das ist nicht vorgekommen. Sie sind nicht in der Lage, uns diesen Vorwurf zu beweisen. Nun haben sie gesagt, wir hätten eine schwebende Schuld hereingebracht, von der sie nichts wußten. Da hätten die Herren selbst aufklären sollen, sie selbst und hätten sagen sollen: mea culpa. Sie haben es bis heute noch nicht aufgeklärt. Wenn jemand uns angreift - und ich spreche Sie, Herr Bürgermeister, nicht jeder Schuld frei, wenn auch Sie dieses Flugblatt nicht gemacht haben, so hat es doch ihr Parteisekretär gemacht - so geht es nicht an, daß man mit solchen Unwahrheiten den Kredit des Landes so schädigt. Wir haben niemandem im Lande bisher den Kredit genommen. Landeshauptmann: Wer wünscht noch weiter das Wort? - Der Herr Abgeordnete Loser. Loser: Als der Vertreter der Stadt Bregenz, Herr Dr. Kinz, sich über die im deutschfreiheitlichen Wahlaufrufe erhobenen Verdächtigungen und Verleumdungen hätte äußern sollen, tat er dies mit den Worten: "Ich stehe nur für das ein, was ich selber geschrieben und gesprochen habe, was im Wahlaufrufe steht, geht mich eigentlich nichts an." Herr Dr. Kinz stellte sich dabei so, als ob er von den in dem famosen deutschfreiheitlichen Wahlaufrufe enthaltenen perfiden Verleumdungen nicht einmal Kenntnis gehabt hätte. Ich dachte mir dabei, daß Herr Bürgermeister Dr. Kinz offenbar sehr dem Grundsätze huldige, den unsere Gegner einmal einem viel größeren Bürgermeister andichteten, nämlich dem Grundsatz: "Lieber feig als dumm". Sie dürfen uns. Herr Bürgermeister, nicht für so naiv halten und uns zumuten, zu glauben, Sie hätten von dem lügnerischen Wahlaufruf, der in Bregenz von den Ihnen am nächsten stehenden Parteigenossen und zu Ihren Gunsten verfaßt wurde, keine Kenntnis gehabt. Ich und Mit mir gewiß alle Mitglieder des hohen Hauses sind vollkommen überzeugt, daß Sie sehr wohl davon Kenntnis hatten. Und sollten Sie selbst bei der Verfassung des Aufrufes nicht dabei gewesen sein, so haben Sie ihn mindestens nachher gelesen und Sie hätten als Ehrenmann und als Mitglied der Landesvertretung die Pflicht gehabt, die lügen-, hafte Darstellung der Finanzlage des Landes sowie die gegen die Landesverwaltung erhobenen Verdächtigungen zurückzuweisen. Herr Bürgermeister Dr. Kinz ist in seinem bürgerlichen Berufe Advokat, daher auch Verteidiger in Strafsachen. Ich muß aber gestehen, wenn ich im Leben einmal das Unglück haben sollte, ein größeres oder kleineres Verbrechen zu begehen, den Herrn Dr. Kinz würde ich nicht zu meinem! Verteidiger wählen. (Dr. Kinz: ich verzichte darauf.) Denn weitn er mich so verteidigen würde, wie er heute sich und seine politischen, Freunde verteidigt hat, wenn man seine Ausführungen überhaupt eine Verteidigung nennen darf, dann wäre mir das höchste Strafausmaß sicher. (Heiterkeit.) Mein Herr Kollege Ölz hat dargelegt, in welcher Weise über die Finanzlage des Landes gelogen und wie die Landesverwaltung verdächtigt wurde. Ich will mich mit diesem ausführlich behandelten Thema nicht weiter befassen und möchte nur noch einige Momente aus dem Wahlkampfe anführen, um zu zeigen, wie häßlich derselbe gerade von deutschfreiheitlicher Seite geführt wurde. Dabei will ich gleich bemerken, daß ich sehr wohl weiß, daß der, welcher im Vordertreffen des öffentlichen Lebens steht, sich ab und zu etwas gefallen lassen muß. Ich gehöre durchaus nicht zu den Wehleidigen, die sich gleich gekränkt fühlen, im Gegenteil, ich habe auch schon manchen Puff bekommen und auch bisweilen solche ausgeteilt. Was sich aber unsere Deutschfreiheitlichen, die Partei der sogenannten "Intelligenz", in diesem Wahlkampfe leisteten, übersteigt in der Tat alle Maßen. 2. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. (außerordentliche) Session der 10. Periode 1910. 9 Die Art, wie der Wahlkampf auf deutschfreiheitlicher Seite geführt wurde, ist am besten gekennzeichnet mit dem Worte Niedertracht. (Rufe: "Sehr richtig! Bravo!") In Ihren Wahlaufrufen reihte sich Lüge an Lüge sowie eine gewissenlose Verleumdung an die andere. Kaum waren diese Lügen widerlegt, erschienen sie in neuer Auslage und zwar in so infamer und dabei vorsichtiger Form gehalten, daß man diese Strauchritter nicht zur Verantwortung ziehen konnte. Die Herrschaften, die sich als deutschfreiheitlicher Wahlausschuß unterfertigten, hätten besser getan, zu schreiben: Konsortium von Ehrabschneidern und gewissenlosen Verleumdern. (Bravo!) "Hilf, was helfen kann!" dachten sich diese deutschen Helden und machten sich den Grundsatz zu eigen: "Der Zweck heiligt die Mittel!" Ich will nichts sagen von den Angriffen, die gegen uns, speziell gegen die christlichsozialen Kandidaten gemacht wurden wegen unserer Haltung in wirtschaftlichen, politischen oder religiösen Fragen. Das ist eine tägliche Erscheinung im politischen Kampfe und solche Angriffe regen uns durchaus nicht aus. Es war zwar allerdings sehr blöd, wenn unsere Gegner behaupteten, Dr. Drexel oder die Christlichsozialen überhaupt, seien schuld an der Lebensmittelteuerung. Die deutschsreiheitlichen Macher, die das niedergeschrieben haben, glaubten selbst natürlich nicht im entferntesten daran, aber sie Hielten einen Teil ihrer Anhänger tatsächlich durch das Lesen der freiheitlichen Presse für so versimpelt, daß er daran glaube, und sie haben sich in der Tat nicht getäuscht. Im Vorjahre haben die Herren Abgeordneten Dr. Kinz und Rüsch einen Antrag eingebracht, dahingehend, der Landtag möge Maßnahmen gegen die Lebensmittelteuerung treffen. Man hat lange darüber beraten, was für Vorkehrungen zu treffen seien. Damals hat keiner der Antragsteller die Behauptung aufgestellt, Dr. Drexel sei an der Lebensmittelteuerung Schuld. Sie, meine Herren von der Minorität, haben offenbar damals eine Unterlassungssünde begangen, als Sie nicht daraus aufmerksam machten, daß der Teuerung abgeholfen wäre, wenn Dr. Drexel sein Mandat niederlege. (Große Heiterkeit.) Doch ich will von dem nicht weiter reden und möchte kurz noch anführen, in welch perfider und persönlicher Art der Kampf gegen uns geführt wurde. In dem mehrerwähnten deutschfreiheitlichen Aufrufe heißt es u. a. unter der Aufschrift: "Die Klerikalen und der "Gott Nimm". Dabei geht es allen schlecht, nur nicht den klerikalen Mandaten, deren einziger Gott der Geldbeutel ist, die nur zum "Gott Nimm" beten. Jeder dieser klerikalen Politiker betrachtet die Politik als Melkkuh, woraus er wacker Einnahmen beziehen kann." So der famose Wahlausruf. Dabei werden einzelnen Mandataren der christlichsozialen Partei Gehalte, beziehungsweise Einkommen angedichtet, die sie nie beziehen. So wird behauptet, Herr Ölz, Oberdirektor der Hypothekenbank, beziehe 10.000 K Gehalt und Dr. Drexel haben ein Einkommen von 20.000 K; so schrieb u. a. auch das Leibblatt des Herrn Bürgermeisters, der "Powidl", genannt "'s Ländle". Was den Gehalt des Herrn Oberdirektors anbelangt, ist natürlich auch ziemlich etwas hinzu gelogen worden. Wenn Herr Oberdirektor aber, sagen wir einen annehmbaren Gehalt hat, so gebührt ihm derselbe in vollem Maße. Der Mann hat sein Geschäft ausgegeben, hat seine ganze Kraft und reiche Erfahrung in den Dienst des Institutes gestellt und hat dasselbe seit Beginn musterhaft und mit Erfolg geleitet. Während in allen anderen Kronländern, wo z. B. Von Freiheitlichen solche Institute gegründet und geleitet wurden, das Land anfänglich ganz bedeutende Zuschüsse leisten mußte, war dies bei uns nicht der Fall. Ich empfehle Herrn Dr. Kinz, er möge einmal Vergleiche ziehen, was Herr Ölz als Bankdirektor bezieht und was anbiete Bankdirektoren für Gehalte haben. Sie haben ja, Herr Dr. Kinz, im letzten Jahre gemeinsam mit einem Bankdirektor jüdischen Stammes eine mehrwöchentliche Vergnügungsreise gemacht und hätten dort hinreichende Gelegenheit gehabt, sich diesbezüglich zu informieren. (Heiterkeit.) Dann wurde weiter gelogen, Dr. Drexel habe ein Einkommen von 20.000 K (Rufe: 16.000 K). Im "Powidl", vulgo "Ländle" hat es meines Wissens geheißen 20.000 Kronen, in Flugblättern 16.000 K auf ein paar tausend Kronen mehr lobet weniger kommt es den 3. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. (außerordentliche) Session der 10. Periode 1910. Herren Freiheitlichen ebenso Wenig an wie auf ein paar Lügen mehr ober weniger. Dr. Drexel bezieht natürlich auch nicht die Hälfte dieser Bezüge. Die Herren Freiheitlichen haben es auch für gut befunden, uns den Bezug der Diäten vorzuwerfen. Ich erkläre offen, daß ich z. B. nicht in der Lage wäre, tote etwa mein gewählter Kollega Dr. Kinz das Mandat ohne den Bezug der Diäten auszuüben. Ich gehöre nicht zu den Wohlhabenden. Herr Dr. Kinz zählt jedoch zu den reichen Leuten und meines Wissens haben auch diese auf die Diäten nicht verzichtet. Ich verspreche d6er, daß ich, falls der deutsche Nationalverband einen Antrag einbringen sollte, daß künftighin keine Diäten mehr ausbezahlt werden sollen, diesen Antrag im Kreise meiner politischen Freunde wärmstens befürworten werde. (Große Heiterkeit!) Und nun gestatte ich mir mit Erlaubnis des Herrn Vorsitzenden, einige Stellen aus dem freiheitlichen Wahlaufrufe dem hohen Hause zur Verlesung zu bringen. (Liest): "Während, also das Volk unter dem Drucke neuer Steuern unsäglich zu leiden hat, geht es den Herren in der klerikalen Versorgungsanstalt ganz herrlich. Die Deutschfreiheitlichen haben niemals die Politik in den Dienst ihrer persönlichen Interessen gestellt, sie sind stets in selbstloser und uneigennütziger Weise nach besten Mästen für das Gesamtwohl eingetreten. Wir müssen auf das entschiedenste die jede politische Moral untergrabende Bereicherung der einzelnen klerikalen Berufspolitiker aus Kosten des ganzen Volkes bekämpfen. Diesem schändlichen Treiben der klerikalen Volksverführer muß unbedingt Einhalt geboten werden. Wer erkannt hat, wie schamlos die gewesenen klerikalen Abgeordneten Vorarlbergs ihre Landsleute verraten haben, der wird keine Stimme einer Partei geben, deren Größen ausnahmslos die eifrigsten Anbeter des Gottes "Nimm" sind! Programm der Klerikalen in Wirklichkeit so heißt: Neue Steuern und neue Schulden, Erhöhung der Umlagen in kurzer Zeit auf das Zwei- und Dreifache! ! Schonung der vielfachen Millionäre und steinreichen Großgrundbesitzer, kräftige Ausbeutung des Arbeiter- und Mittelstandes! ! Ewige Andacht der klerikalen Berufspolitiker zum Gott Nimm und möglichste Bereicherung derselben auf Kosten der Gesamtheit; eifrige Für-sich-Sorge! ! "Wir fragen: Hat je ein Vorarlberger Bauer einen Nutzen verspürt von der politischen Tätigkeit Jodok Finks? Im Gegenteil, alle wurden durch ihn geschädigt, nur ihm selber geht es gut. (Zwischenruf: Pfui! Pfui!) Hat je ein Gewerbetreibender etwas von der "segensreichen" Tätigkeit des Gewerberetters Loser gemerkt? Nur Herr Loser selber. Und wo zeigt sich Karl Drexels Wirkung? Nirgends als in der Steigerung seines Einkommens. Die Stickerei geht trotz des Stickerbundes schon tätige sehr schlecht." Hieraus muß das hohe Haus ersehen, in welch gemeiner Weise wir in unserer persönlichen Ehre angegriffen wurden. Die Verleumder werfen uns vor, wir hätten uns auf Kosten des Volkes bereichert und wir treiben Korruption. (Rufe: "Pfui! Schande!") Herr Bürgermeister Dr. Kinz, ich fordere Sie und Ihre Hintermänner auf, wenn auch nicht heute, so doch in nächster Zeit, den Beweis zu erbringen, welcher von uns keine reine Hände hat und wer von uns Korruption treibt. Wenn jene, die diese infame Beschuldigung gegen uns erhoben haben, den Beweis hiefür nicht zu erbringen vermögen, so erkläre ich dieselben hier von dieser Stelle aus als ehrlos in des Wortes vollster Bedeutung. ("Bravo, Bravo!"-Rufe.) Unsere persönliche Ehre, dieses wertvollste Gut, lassen wir uns auch von politischen Strauchrittern nicht rauben. Hohes Haus! Ich habe nun dargetan, in welcher Art Von deutschfreiheitlicher Seite gegen uns gekämpft wurde. Wir, die wir im Wahlkampfe diesen Verleumdungen ausgesetzt waren, verlangen nicht, daß die Landesvertretung uns Genugtuung gebe, beziehungsweise ein Vertrauensvotum ausstelle. Wir wissen, wie die Mitglieder des hohen Hauses über uns und über diese Kampfesart der Gegner denken. Nachdem aber auch das Ansehen des Landes schwer geschädigt und dessen Verwaltung in perfider Weise angegriffen wurde, erscheint es angezeigt, gegen diese Verleumdungen energisch zu protestieren, deswegen erlaube ich mir, dem hohen Hause einen diesbezüglichen Antrag 3. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. (außerordentliche) Session der 10. Periode 1910. 11 zu unterbreiten, um dessen Annahme ich ersuche (lieft): Der hohe Landtag wolle beschließen: "Der Landtag spricht seine tiefste Entrüstung darüber aus, daß die Finanzwirtschaft des Landes in einem im Verlage des deutschfreiheitlichen Wahlausschusses in Bregenz erschienenen Wahlaufruf absichtlich und mit Vorbedacht als "unglücklich" und "traurig" bezeichnet wurde. Der Landtag konstatiert demgegenüber, - daß die Finanzlage des Landes eine nach jeder Richtung hin geordnete und günstige ist. Das Land Vorarlberg hatte bis zum Eintritt der Hochwasserkatastrophe im Vorjahre überhaupt keine Schulden, wohl aber angesammelte Fonds und Besitze im Werte von rund 1 Million Kronen. Infolge des durch die Hochwasserkatastrophe angerichteten Schadens ist die Landesvertretung gezwungen, ein Darlehen vorderhand im Betrage von 1, 829.000 K aufzunehmen, welcher Betrag nach der getroffenen Vereinbarung innerhalb 21 Jahren rückbezahlt werden wird. Der Landtag hat aber auch schon im vorigen Jahre, gerade um eine geordnete Finanzlage des Landes erhalten zu können, Vorsorge für die Deckung der durch das Hochwasser entstandenen höheren Auslage durch eine Erhöhung der Biersteuer von 2 K pro Hektoliter getroffen. Der Landtag weist die im ob genannten Wahlanfrufe enthaltenen unverantwortlichen Schmähungen und Verleumdungen, als wäre die Finanzlage des Landes eine unglückliche und traurige, als herrsche Korruption, als arbeite die Landesvertretung mit Lug und Trug, mit Abscheu zurück und zwar um so mehr, als diese Verleumdungen gerade im jetzigen Momente, wo das Land im Begriffe steht, zur Behebung des durch die Hochwasserkatastrophe verursachten Schadens Anlehen aufzunehmen. geeignet ist, den Kredit des Landes zu schädigen und die ganze Notstandsaktion hiedurch auf das empfindlichste zu beeinträchtigen. Der Landtagbrandmarktein solches das Ansehen des Landes und seinen guten finanziellen Ruf schädigendes Vorgehen als verwerflich und überantwortet die Urheber derartiger Verleumdungen dem wohlverdienten Urteile der gesamten Öffentlichkeit." Landeshauptmann: Wer wünscht weiter das Wort? Herr Abgeordneter Rüsch. Rüsch: Hohes Haus! Mein Kollege Dr. Kinz, hat bereits betont, daß es ungerecht sei, die hier Anwesenden dafür verantwortlich zu machen, was geschehen ist. .In wie weit eine Verantwortung vorhanden ist, kann ja festgestellt werden. Ich möchte folgendes sagen: Was die Herrn gesprochen haben, ist ja begreiflich; Sie trachten, ich möchte sagen, zum Fenster hinaus zum Volkes zu sprechen, um ihrem Verluste, den Sie, erlitten) haben, nach ihrer Gesinnung Ausdruck zu geben. Aber, meine Herren, wir sind nicht daraus vorbereitet gewesen, hier in entsprechender Weise sofort entgegnen zu können; denn hätten wir Jhuef Flugblätter auch hier, hätten wir vielleicht eine große Anzahl ähnlicher und gleicher Sachen vorbringen können. Meine Herren;, (Ölz: Das ist nicht wahr) schauen Sie nicht nur die Druckschriften und Flugblätter von jetzt, sondern auch von früher an und sie werden sich überzeugen, daß jede Partei zu dieser oder jener Zeit etwas tut, was sie nicht verantworten kann; das ist bei Ihnen in noch höherem Maße der Fall gewesen als bei uns. Wir können nicht aus Einzelheiten eingehen, weil wir das Material dazu nicht zur Hand haben. Das aber ist gewiß, daß wir jedenfalls auch Gelegenheit gehabt hätten, genügend Zitate vorweisen zu können Und Sie in gleicher Weise zu kritisieren wie Sie uns. Landeshauptmann: Wer wünscht weiter das Wort? Herr Abgeordnete Dr. Drexel.