19111002_lts007

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Letzte Änderung 03.07.2021, 09:29
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp10,lts1911,lt1911,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 7. Sitzung am 2. Oktober 1911 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 22 Abgeordnete. - Abwesend die Herren: Hochwst. Bischof Dr. Franz Egger, Dr. Konzett, Dr. Kinz, Dietrich. Regierungsvertreter: Herr k. k. Statthaltereirat Dr. Rudolf Graf von Meran. Beginn der Sitzung um 9 Uhr 14 Minuten vormittags. Landeshauptmann: Ich erkläre die heutige Sitzung für eröffnet. Ich ersuche um Verlesung des Protokolles der samstägigen Sitzung. (Sekretär verliest dasselbe.) Hat einer der Herren zum verlesenen Protokolle eine Bemerkung zu machen? Wenn das nicht der Fall, betrachte ich dasselbe als angenommen. Von der heutigen Sitzung haben sich entschuldigt der Herr Abgeordnete Dr. Kinz (Zwischenrufe: hört, hört! oho!) und zwar schriftlich: "Da ich noch vor der Donnerstag beginnenden Reichsratstagung die im Baue befindliche Schwebebahn in Bozen und Sana besichtigen muß, um nächsten Samstag in einer Versammlung der Interessenten darüber zu referieren, ersuche ich, mein Fernbleiben von der Schlußsitzung des Landtages zu entschuldigen." Ferner haben sich entschuldigt der Herr Abgeordnete Dr. Konzett und der Herr Abgeordnete Dietrich. Wir gehen zur Tagesordnung über. Auf derselben steht als erster Punkt der Bericht des TeuerungsAusschusses über die vorliegenden LandesausschußAnträge zur Behebung der Teuerung. Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Dr. Drexel. Ich erteile ihm das Wort. Dr. Drexel: Hohes Haus! Wieder erscheint im Landtage eine bekannte Frage, die von einer Behandlung zur andern schwieriger und komplizierter wird. Sie gleicht einem Strome, der langsam und langsam die Jahre hindurch gewachsen ist und nun mit großer Kraft die Ufer überschreitet und große Gebiete, die bisher ruhig und von ihm unbetroffen waren, überflutet. Und die Versuche, durch rasche Dämme, die in der Eile aufgeworfen werden, eventuell das Wasser zurückzustauen, sind ganz vergeblich, weil der Strom zu weit ausgreift und das Wasser zu hoch ist und einzelne kleine Mittel daher nichts helfen können. Einem solchen Strome gleicht die Teuerung, die fortwährend größer wird und immer weiter um sich greift und heute, - das können wir ruhig sagen, - eigentlich bis auf wenige Teile der Erde alle trifft und keinem der fünf Weltteile unbekannt ist. Diese Tatsache ist nun eine Erscheinung, die im volkswirtschaftlichen Leben bis auf den heutigen 2 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. Tag vielleicht noch nie in dieser Art zu Tage getreten ist, eine Erscheinung, die sich auf die ganzen bekannten Erdteile bezieht und mit den Grenzen der Welt, den fünf Weltteilen, auch die Grenzen der Frage hat. Die ganze Öffentlichkeit beschäftigt sich heute damit, wir treffen bereits Unruhen, die manchmal in kleinen Kreisen auftreten, manchmal im großen organisiert sind und die bisher in den wenigsten Fällen die eigentlich Schuldigen trafen. Es ist ein törichtes Unternehmen, wenn wir hören, daß Leute auf's Land hinausgehen, den Bauern Schweine oder Hühner wegnehmen, die Kühe wegführen und glauben, die Schuldigen getroffen zu haben. Am klarsten in dieser Beziehung ist das Urteil in England. Der Landtag hat bereits vor Jahresfrist diese Frage diskutiert und muß ganz selbstverständlich die Gelegenheit der jetzigen Tagung dazu benützen, um neuerlich und den geänderten Erscheinungen gegenüber Stellung zu nehmen. Dabei denke ich, - soweit es den Landtag angeht, - wäre es am besten so, daß man nicht kleine Dämme, die nur augenblicklich und nur wenige Wochen helfen können, auswerfe, sondern ich meine, daß es ist die vornehmste Pflicht des Landtages ist, tiefer das Projekt zu faffen, genau so, wie wir es mit der vorjährigen Hochwasserkatastrophe machten, nämlich große Pläne zu entwerfen, die geeignet sind, die Regulierung so durchzuführen, daß voraussichtlich ein solches Hochwasser innerhalb der gesetzten Bahnen bleiben muß. Die Teuerung ist eine praktische Frage. Würde es sich um eine theoretische oder philosophische oder um solche Fragen handeln, welche im Altertum und int Mittelalter das Volk stark aufgeregt haben, so wäre es schließlich nicht von besonderer Bedeutung, wenn die Meinungen über solche Fragen stark auseinandergingen. Nun haben wir aber eine praktische Frage, eine Frage des täglichen Lebens, welche fast ausnahmslos das ganze Volk berührt, besonders den kleinen Mann, den mittellosen, der alles kaufen muß, der mit seiner täglichen Arbeit sich durchbringen muß, und sie berührt aber auch einen anderen Kreis im Volke, nämlich die meistens bemittelten Arbeitgeber, die zugeben müssen, daß mit den heutigen Löhnen ein Auskommen nicht mehr zu finden ist. Wir haben hier eine Frage, die das ganze Volk berührt und trifft. Umso bedauerlicher ist es - und diese Bemerkung möchte ich voraussetzen, - daß, trotzdem diese Frage schon lange vorher in unserm Lande und unserm ganzen Staate besprochen wird, daß sich trotzdem Wahrheit und Unwahrheit im Kampf liegen. Es ist bedauerlich, daß einzelne, ganz schwere volkswirtschaftliche Irrtümer mit solcher Zähigkeit sich halten können. Es muß also der aufrichtige Wunsch der Volksvertretung sein und derjenigen, welche die Aufgabe haben, solche Fragen glücklich zu lösen, daß es gelingen möge, das Volk dahin zu bringen, daß es richtig urteilen lernt, über das Wesen der Teuerung und über die Rezepte, die dagegen angewendet werden können, damit es so in die Lage kommt, aus dieser Erkenntnis Schlüsse zu ziehen und dasjenige Urteil zu finden, das im gegenwärtigen Falle das richtige ist. Ich wüßte keine Frage, welche gegenwärtig- und das Wort mag allen gelten, die sich damit befassen, - so stark besprochen wird und die in ihren Folgen unter Umständen so bedenklich werden kann, wie diese. Und wenn ein Volk im Bestreben, der Teuerung entgegenzuarbeiten und ein Mittel dagegen zu finden, auf Abwege gerät, so können diese in Abgründe führen und es wird ihm vielleicht später nicht so leicht möglich sein, wieder gut zu machen, was es auf Irrwegen gefehlt hat. Bevor ich nun in den Bericht selbst übergehe, habe ich einige kleine Bemerkungen zu machen, die schon zum Teil persönlicher Natur sind und zum Teile auch die Herren Kollegen trifft, nämlich die der christlichsozialen Partei, und insbesonders die Herren Reichsratsabgeordneten angeht. Die Teuerung wurde in diesem Frühjahre zur Wahlparole gemacht und man hat gesucht, die Wahlen, die in diesem Jahre durchgeführt wurden, mit diesem Schlagworte zu gewinnen. Dieser Kampf gehört zu den widerlichsten, die wir in Vorarlberg je durchgemacht haben und es ist zweifelsohne unmöglich, in der ganzen politischen Vergangenheit unseres Landes Beispiele zu finden, die den des heurigen Jahres an Bosheit und ganz überlegten Lügen gleichkommen. Meine Herren! Ich nehme hier drei Flugblätter her, die ich mir gestern ausgesucht habe. Es ist merkwürdig, alle drei Flugschriften zeigen andere Unterschriften. Die größte von denselben ist gefertigt vom "deutsch freiheitlichen" Wahlausschüsse. Heute, augenblicklich ist das der offizielle Titel der gegnerischen Partei. Da heißt es, daß wir Hochschutzzölle für Mehl und Brot gebracht hätten und daß wir die Ursache der Teuerung sind. Dann ist dieser Stil und diese Formulierung zu milde gewesen und so kam später ein anderes Flugblatt, das herausgegeben ist 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. 3 vom "deutsch fortschrittlichen" Wahlkomitee. Da heißt es drinnen, "dem Dr. Drexel haben wir die Teuerung der Lebensmittel zu verdanken". Und dann in letzter Stunde kam noch ein Flugblatt der "freisinnigen" Partei heraus, wo es heißt: "Was hat Dr. Drexel für euch getan? - Die furchtbare Teuerung hat er gebracht." (Zwischenrufe: Das ist zu blöd!) Nun ist es interessant, daß drei verschiedene Unterschriften da sind. Ich weiß nicht, woher diese drei Namen kommen. Vielleicht haben sie es gemacht, wie große Dichter, die Pseudonamen haben, nur mit dem Unterschiede, daß sie statt gedichtet, erdichtet haben. (Heiterkeit im Hause und auf der Gallerie) Oder sie machten es so, wie es internationale Hochstapler machen, die da und dort auf Trug und Diebstähle ausgehen und sich überall andere Namen geben- (Rufe: Sehr richtig, ganz so.) Ich weiß nicht, welchen von diesen drei Parteien Dr. Kurz angehört. Ich hätte heute gerne an ihn diese Frage gerichtet, wie er eine derartige Wahltaktik rechtfertigen kann, und hätte gerne gehört, wieso der Dr. Drexel Schuld an der Teuerung ist. (Bewegung im Hause, unverständliche Zwischenrufe.) Vielleicht wird der Herr Vertreter der Handels- und Gewerbekammer, sein verlassener Herr Kollega in der heutigen Sitzung, die Frage ihm übergeben und ihn bitten, daß ich wirklich gerne Auskunft hätte. Als nämlich der Landesausschuß die Fragebogen ausgegeben hat und 23 Fragebogen eingelaufen sind und darunter auch solche von deutschfreiheitlichen Parteileuten, so hab' ich erwartet, daß irgendwo in einem solchen als Antwort drinnen stehen wird, die Schuld an der Teuerung ist die christlichsoziale Partei und die Hauptschuld ist der Dr. Drexel. Es steht aber in keinem etwas von alledem. Wenn die Herren während des Wahlkampfes es ernst gemeint hätten, müßten sie es doch auch in den Fragebogen niedergelegt haben. Dort aber lauten die Antworten ganz anders. Ich habe ein gewisses Vergnügen bei der Durcharbeit der Fragebogen gehabt, womit sich die Herren, die diese Flugblätter verfaßten und diese Wahlaufrufe gemacht haben, sich selbst in dieser klaren und deutlichen Weise mit den Lügen straßen. Nach diesen kleinen Nebenbemerkungen möchte ich zum Thema selbst übergehen. Die Fragebogen wurden in einem Berichte zusammengefaßt. Wie die Herren in der Einleitung bemerken, habe ich nicht eine Form gewählt, die ich hätte wählen können, daß ich nämlich alle 23 Fragebogen der Reihe nach wörtlich aufgeführt habe. Ich habe diese Art deswegen nicht gewählt, weil die Sache umso erschwerender gewesen und der Umfang sehr groß geworden wäre, überdies brachte bei manchen Fragen die Mehrzahl die gleiche Antwort. Um die ganze Arbeit nicht zu umfangreich zu machen und besonders mit Rücksicht darauf, daß der Bericht auch im Volke draußen gelesen und leicht und rasch aufgenommen werden soll, hab ich die vorliegende Form gewählt, welche von der wörtlichen Wiedergabe der Fragebogen absieht. Die Fragebogen selbst haben manches Interessante zu Tage gebracht. Es ist das erstemal, daß wir Gelegenheit haben, über diese Frage alle berufenen Kreise und alle Parteien des Landes zu hören. So können wir daraus ein klares Urteil bilden darüber, welche Meinungen und Auffassungen am meisten Vertreter im Lande haben. Es ist erfreulich, daß in manchem wichtigen Punkte der größte Teil unseres Volkes gleichartig denkt und wir so in dem Berichte des Landesausschusses ein Urteil haben darüber, wie im Sinne der großen Mehrheit des Volkes in unserem Lande vorgegangen werden soll. Auf der andern Seite habe ich nicht erwartet, daß die Antworten in ganz wichtigen Fragen merkwürdig differieren und zwar so differieren, daß sie sich gleich stark gegenüberstehen und eine Gruppe für "ja" und die andere für "nein" einsteht und dies gerade bei solchen Fragen, welche von Bedeutung sind und mit der Zeit, wenn neue Zoll- und Handelsverträge kommen werden, zu den schwierigsten gehören werden. Gerade da haben die Fragebogen ausgelassen und haben nicht klare Tendenz einer starken Mehrheit gezeigt. Es muß der spätern Zeit überlassen bleiben, ob durch eine mündliche Enquete einzelne solche Fragen klar werden; ich denke gerade an solche Fragen, an welchen das volkswirtschaftliche Leben und einzelne Körperschaften unmöglich vorbeigehen können, ohne eine Lösung zu finden. Dabei sind in den Fragebögen manche Irrtümer niedergelegt, Irrtümer, welche manchmal glauben, mit kleinen Mitteln einen größer> Erfolg zu haben. Antworten bezüglich des Handels im Kleinen und Schaffung von Konkurrenz zeigen manche Bedenken. Ein Hauptfehler, ein volkswirtschaftlicher Irrtum, der besonders in der sozialdemokratischen Partei wiederkehrt, ist die Meinung, es sei möglich, der Teuerung heute abzuhelfen, nur durch Erleichterung der Einfuhr. Das ist ein ganz grundsätzlicher, volkswirtschaftlicher Irrtum. In den heutigen Verhältnissen, in einem Augenblicke, wo alle andern Länder Not haben und wo andere Länder direkt an Absperrung denken, in 4 V. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911 einem solchen Augenblicke dem Lande Vorarlberg den Rat zu geben, mit der Einfuhr allein, die Teuerung zu überwinden, das ist kein Rezept, der Teuerung dauernd entgegentreten zn können. Es macht den Eindruck, als ob man bei Abfassung der Antworten doch etwas zu wenig Kenntnis des eigenen Landes hätte, als ob diejenigen, welche die Fragebogen erledigten, sich von der Anschauung und dem Urteile leiten lassen, welche durch die Verhältnisse der Großstädte bedingt sind, Urteile, die man auch in den Zeitungen des Auslandes finden kann, aufgebaut auf andere Voraussetzungen. Unser Land Vorarlberg ist aber so spezifisch charakterisiert, daß wir kein gleiches Land in der ganzen österreichischen Monarchie haben; es hat auf einer Seite Großstadtpreise und hat keine Großstädte, es hat auf einer Seite große Wiesen- und Ackergebiete und doch zu wenig Produktion, auf der anderen eine hoch entwickelte Industrie mit allen Bedürfnissen eines Industriegebietes. Vorarlberg ist so eigenartig geographisch gelegen, daß man bei unserm Heimatland, wenn man die Teuerung behandeln und besprechen und sich ein Urteil bilden will, gezwungen ist, vorn Urteile anderer Länder, vorn Urteile österreichischer Länder abzusehen; vielleicht mag man daraus Richtlinien nehmen, und dann, wenn man etwas Wahres findet, sich auf den Boden der eigenen Heimat begeben und hier suchen, ob sich die gleiche Praxis anwenden lasse. Nachdem das Land eigenartig geographisch liegt, kann man rings herum nichts Analoges finden und haben und deshalb sage ich, müssen die Mittel, die wir in Vorarlberg anwenden, spezifisch sein. Jede Beurteilung nach dem Gesichtspunkte einer Großstadt oder einzelner Länder, wie z. B. in Oberösterreich oder Niederösterreich, würde zu Irrtümern führen. Nach diesen Voraussetzungen möchte ich einzelne Teilfragen aus dem Berichte herausgreifen. Das Gebiet der Teuerung wird fast von allen Fragebogen für allgemein bezeichnet. Ich greife nicht einzelne Artikel heraus, sondern in erster Linie die Lebensmittel. Erwähnt seien auch noch von einigen besonders die Textilien und die Wohnungsnot. Die Wohnungsfrage wird jetzt auch vorn Reichsrate besprochen und auch einzelne Städte sind daran. Um das Material des Berichtes nicht so sehr zu erschweren, wurde in den Fragebogen diese Materie weggelassen und das Gebiet einheitlicher gefaßt, insoweit es die Versorgung der Lebens- und Ernährungsmittel betrifft. Auffallend ist mir bei diesen Antworten die der Handels- und Gewerbekammer, welche auf die Frage, auf welchem Gebiete macht sich die Teuerung besonders geltend, die Antwort gab: "Fleischversorgung." Auchj das ist ein Irrtum, der sich eingeschlichen hat, vielleicht als Agitationsmittel zu Gunsten des argentinischen Fleisches. Daß die Teuerung nicht eingeschränkt ist auf die Fleischversorgung, ist klar. Bedauerlich ist, daß der ganze Fragebogen der Handels- und Gewerbekammer, auf den ich besonders Wert gelegt habe, da sie einen wichtigen Faktor des Landes zu vertreten hat und doch als Wortführerin der Industriellen in unserem Lande gilt, auf die Fleischversorgung allein Rücksicht nimmt und vieles andere unbesprochen läßt. Bei der Frage 9: "Welche Preise erfuhren in den letzten zehn Jahren ein besondere Steigerung?" sind eine Reihe von Lebensmittel erwähnt, Futterartikel, Bier, Wein u. s. w. Eine ausführliche Antwort gibt uns der Müllerverband hinsichtlich der Mehlpreise. Dieser hat zwar nicht den Fragebogen beantwortet, sondern in einem ausführlichen Gutachten eine Schilderung der Entwicklung bes" Mehl- und Brotpreises geboten. Dabei stellt dieser Bogen sehr interessanterweise fest, daß im Jahre 1906 das Getreide sehr niedrig stand, so niedrig, daß damals der bäuerliche Produzent nicht mehr auf seine Rechnung kam. Als der neue Zolltarif im Jahre 1907 einsetzte und eine Erhöhung der Schutzzölle von drei auf sechs Kronen brachte, wäre mit dieser Erhöhung des Zolles allein die Steigerung der Preise nicht erklärlich gewesen, sondern es kam im Jahre 1907 eine schlechte Ernte, welche die Preise sehr hinauftrieb. Von diesem Zeitpunkte an greift unsere neueste Erscheinung, die Spekulation und Organisation der großen Mühlen und der Börse ein, mit andern Worten, das organisierte Großkapital. Und obwohl seit 1907 zwei sehr gute Ernten waren und auch die heurige gut ist, ist es nicht mehr gelungen, die Preise herunter zu bringen auf die Ziffer vorn Jahre 1906 oder wenigstens den Ernten entsprechend. Der Müllerverband macht auch aufmerksam, daß die Schutzzölle zum Teil Anteil haben an der Teuerung des Mehles; aber damit ist die Erklärung nicht gefunden, sondern nur in der Spekulation, die heute im Auslande getrieben wird und in Österreich an der Budapester Börse mit dem Blanko-Terminhandel. Dabei hat kürzlich eine neue Machination der Budapester Müller eingesetzt, indem sie, trotzdem gegenwärtig soviel Getreide herum ist, keines kaufen, die Arbeitszeit einschränken auf vier Tage und so die bäuerlichen Kreise zwingen, das 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. 5 Getreide billig herzugeben und anderseits aber" die Mehlpreise doch in der Höhe halten. Ebenso gehen sie im Handel in Form eines geschlossenen Ringes mit dem Auslande vor. Wie fein dieser Apparat arbeitet, können Sie daraus sehen, daß in Österreich die Weizenpreise genau so hoch hinaufgehen, daß z. B. der Vorarlberger, wenn er in Österreich Getreide kauft, nur ein klein wenig billiger kauft, als wenn er dasselbe vom Auslande bezieht. Die Getreidepreise an den beiden Grenzen Vorarlberg und Nordböhmen sind die Punkte, wieweit die österreichische Spekulation die Getreidepreise steigern kann. Man kann hier an einfachen Beispielen ersehen und verfolgen, welche Umstände es sind, die diese Getreidepreise durch Spekulation in die Höhe treiben und worin diese Preissteigerung die eigentliche Begründung hat. Da treffen wir die wahren Schuldigen, die Kartelle, sie sind diejenigen, welche Wucher treiben. Gleich mit den Kartellen muß der Zwischenhandel als ein oft überflüssiger Verteurer angeklagt werden. Auch die Arbeitslöhne haben mitgewirkt, das Rohprodukt sowohl als die fertige Ware zu verteuern; doch muß bemerkt werden, daß ein Steigen der Arbeitslöhne notwendig war und daher eine Verteuerung durch sie begründet und berechtigt erscheint. Ferner ist ein bedeutendes Kapitel der Teuerung der Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion; es ist leicht nachzuweisen, daß die Arbeitskräfte zurückgehen und daher auch die landwirtschaftliche Produktion selbst. Wir hören aus verschiedenen Gebieten des Landes, daß Wiesengründe brach liegen, weil man nicht genug Arbeitskräfte bekommen kaun. Der Fragebogen 16, das ist der des landwirtschaftlichen Vereines, macht aufmerksam, daß in den letzten Jahren das Mißverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage immermehr vergrößert wurde, daß die animalische Ernährung stetig zunimmt, daß man von den Vegetabilien immer mehr abgeht. Gleichzeitig werden die Produkte der einzelnen Orte von einigen aufgekauft und dann verteuert, so daß der unmittelbare Verkehr zwischen Produzent und Konsument immer mehr gestört wird und wir damit eine Reihe von Ursachen sehen, die stark verteuern. Auf allen diesen Gebieten gibt es nicht kleine Rezepte, mögen sie berühren, was immer sie wollen. Es ist auch nicht geholfen mit der Einfuhr von Fleisch und Getreide von dort her, wo noch solches zu bekommen ist und es kann mit der Teuerung nicht augenblicklich gebrochen werden, sondern man denke daran, wie man derselben in ihren tieferen Ursachen entgegentreten kann und muß. Irrig wäre es, wenn man bei der Behandlung der Teuerung die Arbeitslöhne, welche Mitursachen sind an der Verteuerung, allein als Ursachen hinstellen will. Gewiß die hohen Arbeitslöhne sind natürliche Ursachen und sind gerechtfertigt und lassen sich nicht zurückdrängen; aber sie als die einzigen natürlichen Ursachen hinzustellen, wäre auch nicht recht- Wir können diesen Ursachen gegenüber nur das eine tun, daß wir suchen, die natürlichen Ursachen von den unnatürlichen, falschen zu trennen und diese mit aller Entschiedenheit zu bekämpfen. Was die Fleisch' Versorgung anbelangt, so ist diese im Laufe der letzten Jahrzehnte verschoben worden. Das Laitd hat früher bei kleiner Einwohnerzahl und bei größerem Stande der Arbeitskräfte sich mit Fleisch leichter versorgen können, als jetzt, wo daher die Schlachtvieheinfuhr bedeutend zunimmt. Von der eigenen ^Viehzucht wird nur ein kleiner Teil geschlachtet; Kühe, welche als Zucht- und Nutzvieh nicht mehr dienen oder in wenigen Fällen auch gemästet werden, wenn die Bauern Futter genug haben Ein anderes Kapitel sind die Fleischpreise; dies ist ein wunder Punkt und ich muß gestehen, daß ich nicht in der Lage war, aus den Fragebogen ein klares Urteil mir zu verschaffen. Die Urteile der Fragebogen sind hier zu verschiedenartig. Wir stehen bezüglich der Fleischpreise vor einer Schwierigkeit, deren Lösung nicht einfach ist. Tatsächlich haben wir in Bregenz für Rindfleisch den Preis von K 2 20 pro kg und von einer ganzen Reihe von Orten Österreichs hält nur Parenzo diesem Preise die Stange. In Innsbruck kostet dasselbe Fleisch K 1.96, in Salzburg K 1.77, in Wien K 1, 85, in Graz K 1.59. Wir sehen, daß die Zahlen überall bedeutend tiefer sind; und ferner, wenn wir diese Zahlen alle sprechen lassen, daß die Differenz, die sich durch die Fracht ergibt, sich nicht erklären läßt. So muß ich tatsächlich sagen, daß bezüglich der Preisbildung des Fleisches in Vorarlberg ein Faktor mitspielen muß, der nicht gerechtfertigt ist. Nebenbei bemerke ich, daß die Stadt Bregenz ganz ähnlich wie der Müllerverband ein ausführliches Elaborat geliefert hat über die Fleischpreise. Dieses sagt, daß die Fleischhauer die Erklärung abgeben, daß, die Ausschrottung von Fleisch bei uns eine andere, teurere sei als in Innsbruck und die Zuwage für den Fleischhauer ungünstiger gebräuchlich ist; es dürfte manches damit zu erklären sein. Aber immerhin ist die Bemerkung, die der Stadtrat von Bregenz 6 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. macht, beachtenswert, nämlich daß die Schwankungen auf den Viehmärkten, wenn sie nach oben geben, auf die Konsumenten übertragen werden; wenn sie aber herunter gehen, dann die Metzger nicht so empfindlich sind, d. h. die Preise trotzdem so lange als möglich in der Höhe halten. Das läßt durchblicken, daß auch dieses Referat die Meinung hat, daß es auf diesem Gebiete etwas fehlt; dabei mußte aber zugegeben werden, daß betreff der weiteren Frage, warum an verschiedenen Orten die Fleischpreise differieren, etwas an der Antwort der Fachgenossenschaft gewiß richtig sein könne. Es sind dies Qualitätsunterschiede. Es gibt Orte, deren Einwohner mit Kuhfleisch zufrieden sind, und solche, welche nur Ochsenfleisch haben wollen, und solche, wo man alles vom Tiere gut verwenden kann und Orte, wo man für die minderwertigen Partien des Tieres nur schwer Abnehmer findet. Man hat auch gesagt, es sollte eine Konkurrenz geschaffen werden, indem Konsumenten oder Gemeinden den Fleischvertrieb selbst in die Hand nehmen. Meine Herren! Dieses Kapitel gehört zu den schwierigsten. Auf anderen Gebieten, wie auf dem Gebiete der Lebensmittel, waren nicht unschwer Konkurrenzen zu schaffen, z. B. die Konsumvereine. Auch bei Futtermittel haben wir eine die Preise haltende begründete Konkurrenz. Anders liegt es aber hinsichtlich der Fleischversorgung. Da haben wir mit neuen Schwierigkeiten zu kämpfen und diese Schwierigkeit liegt nicht so sehr in der Gründung und Organisation der Konkurrenz selbst, als in der Eigenart der Erhaltung und auch der Konsumenten selbst. Immerhin soll diese Bemerkung gemacht werden, um zu sagen, daß gerade das Kapitel der Fleischversorgung unter den gestreiften Fragen vielleicht das schwierigste ist. Es wäre deshalb zu begrüßen, wenn der vorliegende Bericht in weiteren Kreisen eine Diskussion auslösen würde. Eine weitere Frage war dann, welche Erfahrung man gemacht habe mit dem argentinischen Fleische, das wir zweimal im Lande bekommen haben. Die Antwort lautete, daß man gute Erfahrung damit gemacht habe. Der Fragebogen 10 erwähnt, daß der Preis für die Prima-Qualität zu hoch sei; ich bin auch der Meinung, daß K 1 80 für PrimaQualität im Verhältnis zu den Bestellungskosten zu hoch ist, und wenn man dieses Fleisch wirklich einführen sollte, so sollte man auch darüber klar sein, welche Nachteile dasselbe bietet im Verhältnis zum einheimischen, was in einem bedeutend billigeren Preise zum Ausdrucke kommen müßte. Eine andere Frage ist dann die, ob dieses Fleisch für Vorarlberg ein dauernder Einfuhrartikel wird. Dazu braucht es genügend Kühlräume; meine Meinung ist heute noch, daß dieses Fleisch kein dauerndes Lebensmittel für Vorarlberg werden wird und ich bin der Meinung, daß es falsch wäre, zu glauben, daß durch die Einfuhr von argentinischem Fleische in Vorarlberg dauernd die Fleischversorgung zu günstigen Preisen geltend gemacht werden könne. Es sind - ich weiß es wohl - andere wieder anderer Anschauung; ich glaube aber, auch diese Meinung sagen zu solle>, weil ich es verkehrt finde, in dieses ganz schwierige und wichtige Kapitel der Fleischversorgung ein Rezept zu empfehlen, das wohl nicht dauernd Hilfe gewährt. Das argentinische Fleisch hat sich bewährt in großen Städten, wo auf verhältnismäßig kleinen Gebieten viel Menschen zusammen wohnen, wo die Metzger einen großen Teil des Fleisches in ihren Läden unterbringen und rasch verkaufen. Aber in Vorarlberg, wo das Verhältnis anders ist, wo wenige halbwegs größere Betriebe vom Fleischhauergewerbe sind, liegt schon in der landläufigen Betriebsform eine bedeutende Schwierigkeit. Dort wo größere Betriebe bestehen, kann mit raschem Abgänge der Waren gerechnet werden; bei kleineren aber nicht. Als weitere Schwierigkeit mag dazu kommen, daß bisher argentinisches Fleisch nur im Winter eingeführt wurde, wo es leicht zu halten war; wir haben ja in Vorarlberg keine Kühlkammern, die argentinisches Fleisch länger frisch erhalten; und wenn es auch bei uns dazukommt, daß das Publikum wie in Wien das Fleisch nicht gefroren, sondern aufgeweicht will, so wird es umso schwerer sein, da das aufgeweichte Fleisch sehr rasch verdirbt. Das, meine Herren, sind einige Schwierigkeiten, die man int Augenblicke erwähnen muß, wo so viele im Lande meinen, daß die Einfuhr von argentinischem Fleische eine dauernde Hilfe in der Fleischversorgung bringe. Es sollen lediglich diese einigen Gedanken gemacht werden, um zu zeigen, daß es doch besser ist, die einzige Lösung der Fleischversorgung nicht im argentinischen Fleische allein zu suchen. So liegt der größte Vorteil für Österreich darin, selbst in dieser Frage Hilfe zu suchen in der Vermehrung des eigenen Viehstandes. Damit denke ich an die Ochsenzucht, welche einmal im Lande war, besonders im Bregenzerwalde, 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. 7 wo man früher Ochsen als Zugtiere verwendete, auch in unseren Brauereien wurden sie gezüchtet; ich weiß nicht, ob man jetzt unser Bier ganz mit Chemikalien macht und nicht mehr so wie früher, wo man die Abfallprodukte für Viehfütterung frei hatte. Für eine größere Ochsenzucht fehlt bei uns freilich eine wichtige Voraussetzung, nämlich das Getreide. Nicht unbesprochen darf dabei bleiben, die Einfuhr von Fleisch aus dem Balkan. Die Handelsverträge gestatten eine beschränkte Einfuhr nach bestimmten Plätzen. Vorarlberg hat keinen solchen bestimmt erhalten und doch wäre ein solcher wünschenswert. Eine Frage lautete daher, welcher Platz eignet sich in unserem Lande als Marktstelle für solches Fleisch. Die Antwort lautete, wie zu erwarten war, daß jede Stadt ihren eigenen Heimatsort empfiehlt als Marktstelle. Es ist klar, daß Bregenz für Bregenz, Bludenz für Bludenz, Dornbirn für Dornbirn eingeschritten ist. Diejenigen Orte, die nicht weiter daran interessiert sind, empfahlen Städte mit Kühlanlagen als Marktstelle für serbisches Fleisch. Interessant ist die Antwort der Fleischhauergenossenschaft, die da sagt, daß sich Graz am besten eigne als Marktstelle für solches Fleisch. Sie denken sich weit vom Ziel, sicher vor dem Schusse. Ein anderes Kapitel, ob die Behauptung, daß die Einschleppung von Seuchen durch die Einfuhr ausländischen Schlachtviehes verursacht wurde, begründet sei, ist deswegen aufgeworfen worden, weil unser Land in Bezug auf die Seuche sehr vorsichtig sein muß, da sie dem Lande ungeheueren Schaden zufügt, wie wir gerade zur Zeit leider beobachten müssen und weil doch diese Frage oft ventiliert wird, ob wir durch die Einfuhr von ausländischem Schlachtvieh, ob lebend oder tot, gefährdet sind. Diese Frage hat nun keine befriedigende Lösung gefunden, da die Meinungen einander beinahe gegenüber stehen. Manche glauben, daß wohl eine Seuchengefahr bestehe bei der Einfuhr von ausländischem Schlachtvieh, daß aber durch sanitäre Vorsichtsmaßregeln die Gefahr sehr eingeschränkt werden könnte. Manche glauben, daß die Gefahr nicht so groß sei, als daß damit eine starke Absperrung besonders gegen den Balkan begründet wäre. Bekanntlich haben wir nur mit drei Staaten Handelsverträge, in denen festgelegt ist, daß Lebendvieh ein- und aus Österreich ausgeführt werden kann, d. h. die Schweiz, Deutschland und Italien. Wir haben also Beispiele für die Einfuhr von Lebendvieh nach Österreich. Was dann die Frage anbelangt, ob die Einschleppung von Seuchen durch die Einfuhr von Schlachtvieh aus dem Balkan möglich ist, wurde im Fragebogen 16 mit "ja" geantwortet. Der landwirtschaftliche Verein hat in seinem Fragebogen noch ein Gutachten beigelegt von Seite seiner Bezirksorganisationen und von Seite einzelner Fachleute auf dem Gebiete der Landwirtschaft und da lautet die Antwort noch radikaler. Herr Direktor Reinisch, welchen man doch in solchen Fragen als Fachmann gelten lassen muß, bezeichnet sogar die Einfuhr von gefrorenem Fleische als seuchengefährlich. In seinem Gutachten heißt es, daß durch den Gefrierpunkt die Bakterien nicht vernichtet werden, was wohl durch den Siedepunkt der Fall ist, und daß solches Fleisch in gefrorenem Zustande gleiche Gefahr biete, wie frisch eingeführtes Fleisch. Der landwirtschaftliche Verein mit seiner langjährigen Erfahrung auf dem Gebiete der Seuchengefahr gibt sein Urteil dahin ab, daß diese Seuchengefahr für unser Land bestehe. Der Fragebogen 17 meint, daß diese Behauptung ein "agrarisches Schlagwort" sei. Ganz interessant ist diesbezüglich folgendes: im Fragebogen 16, wo Herr Theodor Rhomberg Obmann des landwirtschaftlichen Vereines die Beantwortung vertritt, - gewiß eine maßgebende Persönlichkeit - und im Fragebogen 17, wo sein Sohn Julius, Obmann des Bundes "Österreichischer Industrieller", seine Anschauungen vermerkt, lauten die Antworten ganz entgegengesetzt. Es wäre gewiß angenehm und wertvoll, wenn Vater und Sohn in Privatdiskussion miteinander sich einigen würden, damit Industrie und Landwirtschaft in dieser Frage sich einheitlich zusammen finden. Der Stadtrat Bregenz meint, die Behauptung, daß die Seuchen durch Schlachtvieh eingeschleppt würden, mag richtig sein, erwiesen konnte sie nicht werden. Diese Redewendung spricht für die Meinung, daß durch ausländisches Schlachtvieh die Seuche eingeschleppt werden kann. Im Kapitel "Brot und Gemüse" lauten die Antworten zu der Frage, ob die Brotpreise den Mehlpreisen entsprechen und welchen Einfluß große Mehlabschlüsse auf die Brotpreise haben, ganz verschieden. In Bezug der Mehlabschlüsse haben wir in Vorarlberg im letzten Jahre sehr unangenehm erlebt, daß trotz des Fallens der Mehlpreise die Brotpreise nicht heruntergingen. Die Erklärung wurde damit gegeben, daß die Bäcker große Mehlabschlüsse zu hohen Preisen gemacht hatten und die diesbezüglich gestellte Frage wurde dahin beantwortet, daß man sagte, daß der Einfluß auf große Mehlabschlüsse keinen oder nur geringen Vorteil biete. Im Fragebogen 21 heißt es: Große Mehlabschlüsse, 8 V, Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. unter denen wohl langfristige zu verstehen sind, haben auf die Brotpreise denselben Einfluß, wie jede spekulative Unternehmung; gestaltet sich der Abschluß günstig, so trachtet der Unternehmer den Vorteil für sich selbst einzuheimsen, schlägt er aber fehl, wird der Schaden nach Möglichkeit auf die Gesamtheit überwälzt. Dieses ist ein ganz ruhiges, gesundes Urteil, von dem ich glaube, daß es nicht blos bei Mehlabschlüssen, sondern auch bei anderen Artikeln öfters vorkommt, stets zu Ungunsten der Konsumenten. Wir kommen nun zu einer anderen Frage, nämlich ob das Land die eigenen Bedürfnisse an Gemüse decken kann. Das Land könnte, aber es kann nicht. So wie es heute steht, kann es das Bedürfnis nicht decken. Es wäre möglich, es dahin zu bringen, daß es die Bedürfnisse des eigenen Konsumes decken könnte. In diesem Wortspiel "kann" und "könnte" liegt ein guter Teil der Lösung der Teuerungsfrage. Das Hauptrezept für unser Land liegt darin, daß wir unsere Bevölkerung durch Selbsthilfe, durch den Landtag und andere Körperschaften dazubringen, möglichst viel Produkte im Lande selbst herzustellen. Auf die Frage, welche landwirtschaftlichen Produkte sollen mehr gepflegt werden, wird geantwortet, daß die allgemeine Klage dahin gehe, daß der Gemüsebau stark zurückgegangen sei. Im Zusammenhange damit wird auch der Gartenbau empfohlen, damit es so möglich würde, daß auch der Fabriksarbeiter einen größeren Teil landwirtschaftlicher Produkte ziehen könnte. Dabei wird erwähnt, daß Garten- und Feldfrevel mehr bestraft werden sollten Ich habe wiederholt in Dornbirn Gelegenheit gehabt, die Klage zu hören, daß viel Garten- und Feldfrevel vorkomme. Ich habe mit einigen Leuten gesprochen und versucht, anzuregen, daß mehrere miteinander in der Stadt ein Stück Boden bebauen sollten; dasselbe könnten auch mehrere Familien machen. Da sagte mir aber die Mehrzahl, daß es durchzuführen wäre, da die Frauen sowieso zu Hause seien; aber man klagte weit herum so sehr über Feldfrevel und Diebstahl, daß Leute, die stets ihr Ackerland gepflegt hatten, sehen mußten, daß der bessere Teil der Produkte in der Nacht weggeführt wurde. Man sollte diesem Gartenfrevel durch bessere Aufsicht und größere Bestrafung entgegentreten. In der Frage, welche Produkte sollten neu eingeführt werden, wird geantwortet, daß Neueinführungen nicht notwendig seien. Das Land habe alle Produkte, die es brauche und brauche keine weiteren; nur die Quantität sei zu gering. Wir kommen zum nächsten Kapitel betreffend den Feld-, Wiesen- und Obstbau. Was nun hier die Antworten auf die Frage, wodurch könnte der Boden ertragreicher gemacht werden, anbelangt, so wird die Düngung im Großen und Ganzen als zu wenig rationell bezeichnet. Es wird empfohlen, mehr Wert auf reichere Düngung zu verlegen und ferner rationelle Düngemittel, die uns die Gemeinde in reichlichem Maße bietet, mehr auszunützen. Der Fragebogen 16 empfiehlt Wechselwirtschaft auf welche Antwort ich noch später zu sprechen kommen werde. Bezüglich des Rheintales geht die Meinung mehrerer Fragebögen dahin, daß durch Entwässerung viel guter Boden gewonnen werden könne, indem durch den Rheindurchstich das Niveau des Grundwassers 1-2 m sinkt, so daß dadurch die Entwässerung sehr günstige Erfolge bringen würde. Ich will erinnern, daß vor einem halben Jahre ein Herr in St. Gallen über den Rheindurchstich einen Vortrag gehalten hat und dabei der Meinung Ausdruck gegeben, daß es möglich sei, aus dem Schweizer Rheintale eine Kornkammer zu schaffen. Das gleiche gilt wohl auch für das diesseitige Rheintal. Der Fragebogen 16 meint, wenn wir dies tun wollen, so müsse man sich fragen, wer diesen Boden, der heute noch Streue und Kiesboden ist, bebauen soll; es ist eben mehr Feld herum, als Nachfrage und Arbeitskräfte. Das Ackerland geht immer mehr zurück, es werden Wiesen gemacht, weil eben zu wenig Kräfte vorhanden sind, diesen Boden zu bebauen. Der landwirtschaftliche Verein hat Recht, wenn er zweifelt, ob es gelinge, eine große Zahl von Landwirten zu schaffen und Leute dazu zu gewinnen, die sich besonders dieser Landwirtschaft widmen. Das ist freilich nur möglich, wenn auch die landwirtschaftliche Arbeit entsprechend entlohnt wird, was natürlich eine gewisse Höhe des Preises der Produkte verursacht. Man darf nicht meinen, daß jene Leute, die sich der Landwirtschaft widmen, ihre Produkte, wie Milch, Käse und Butter unter dem Erstellungspreise hergeben und verkaufen können; dann gehen sie lieber zur Industrie. Was die Frage unter Kapitel "Viehzucht" anbelangt, "wodurch kann die Produktion von Schlachtvieh im eigenen Lande gehoben werden, " so wird sie als unmöglich hingestellt, insoweit es sich um Ochsen handelt Aber es heißt, es könnte vielleicht doch etwas erzielt werden, dadurch daß die Kälber nicht mehr nach 8 oder 14 Tagen geschlachtet werden. 91. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. 9 sowohl mit Rücksicht auf die schlechte Qualität als auch Quantität. Da wird nun. empfohlen, wenn möglich durch Verbot dahin zu arbeiten, daß Kälber nicht unter 3 bis 4 Wochen geschlachtet werden dürfen, wodurch schon das einzelne Tier mehr Fleisch auf den Markt bringt. Es sollten auch keine Kälber ausgeführt werden dürfen. In Betreff anderer Zweige wird auch die Schweinezucht erwähnt, die bereits schon bedeutende Fortschritte gemacht habe und die man noch mehr ausdehnen solle. Mehrere Fragebogen erwähnten auch die Ziegen, die im deutsche> Sprichwort die Kuh des Armen genannt wird. Bei uns ist in den letzten Jahren die Ziege zurückgedrängt worden und es ist tatsächlich auch die Aufgabe des Landtages und anderer Körperschaften zu sorgen, daß die Zucht der Ziege mehr gepflegt wird. Dann empfiehlt man auch die Kaninchenzucht. Durch Reklame hat man versucht, diese einzuführen, weiter aber ist man nicht gekommen, während Frankreich eine große Menge derselben braucht, sodaß es zur Volksnahrung geworden ist. Die Handels- und Gewerbekammer empfiehlt Seefische; es ist schade, daß die Einführung von Seefischen nicht gelungen ist. Ich zweifle sehr, ob es durch größere Reklame möglich sein wird, diese Kost populär zu machen. Mehr Erfolg wäre zu erwarten von der gesteigerten Hühnerzucht, wo gewiß mehr produziert werden könnte. Was die Frage betreffend die Hebung der Milchprodukte anbelangt, so ist man verschiedener Meinung; die einen legen Wert auf die Notwendigkeit einer Abänderung des Prämiierungssystems, das bekanntlich nur auf Zuchttiere sieht; sie meinen, man sollte auch solche Tiere prämiieren, welche in Bezug auf die Milch sehr leistungsfähig sind. Dann empfiehlt man auch bessere Wiesenpflege, damit dadurch mehr Tiere gewintert werden können. Dann soll man nach dem Rezepte der Handelskammer die Kühe besser füttern; damit ist auch viel nachgeholfen, natürlich, wenn man genug Futter hat. Es wird auch hingewiesen auf das Ausfuhrverbot für einheimische Futterprodukte und Riedstreue. Ich möchte bemerken, daß wiederholt der Gedanke vorkommt, diese und andere Artikel sollte man verbieten auszuführen; gewiß würde ein betreffendes Rezept gut wirken; man denke nur, das gleiche Rezept kommt im Auslande auch zur Anwendung zu unserem Schaden. Wir müssen suchen, die eigenen Produkte im Lande möglichst selbst zu ziehen; das klingt als Refrain aus allen Kapiteln. Dann kommt die Frage, wie die landwirtschaftlichen Kentnisse im Volke mehr verbreitet werden. Da werden von mehreren die landwirtschaftlichen Winterschulen mit Kursen enipfohlen. Ich bin auch der Meinung, daß das Land einmal an diese Frage herantreten muß, aber nicht durch Erstellung eines großen, feinen Betriebes, sondern mit der Absicht, möglichst kleine Betriebe zu schaffen, wo die Leute praktische Arbeit lernen können, lernen, wie sie es im eigenen kleinen landwirtschaftlichen Betriebe machen sollen. Bei der nächsten Frage betreffend den Verkauf von Schlachtvieh und landwirtschaftlicher Produkte außer Landes, die in gleicher Gattung eingeführt werden, lautet die Antwort, daß die guten Produkte, wie Butter, Käse u. s. w. verkauft und schlechtere eingeführt werden, wie z. B. für die gute Butter das Margarine. Was der Fremdenverkehr schreibt, ist gewiß wahr, daß es nämlich den Gastgewerbetreibenden nicht möglich ist in unseren Alpenländern, den Gästen frische, gute Butter zu geben, da eben die gute Butter ins Ausland wandert und mit dem Margarine kann man nicht aufwarten. Der Fragebogen 22 des Staatsbeamtenklub sagt und betont die Tatsache, daß es wirklich so liege, daß der gute Käse fortwandere und der nicht gut geratene im Lande bleibe und zum vollen Preise verkauft werde Es sind dies Erscheinungen, zu deren Behebung es geeignet wäre, daß man unsere Kreise dazu bringen würde, für die einheimischen Produkte der Milchwirtschaft, die durch keine anderen übertroffen werden, den gleichen Preis zu geben, wie sie das Ausland zahlt, um für einen gesicherten Absatz im Lande zu sorgen, sonst ist unser Bauer gezwungen, mit dem sicheren Abnehmer von auswärts abzuschließen. Es ist ausgeschlossen, daß einzelne Gastwirte einem größeren Bauer oder einer Sennerei im Bregenzerwald alle Butter abnehmen können; hier würde eine Organisation notwendig sein, um diesen Übelständen der Gastwirte abzuhelfen, wodurch sie für eine größere Abnahme garantieren können. Dann kommt das Kapitel "Hausindustrie und Landwirtschaft". Bekanntlich hat ein Teil der Sticker sehr schlechte Zeiten durchzumachen, da wäre ohne Ausnahme das allgemein richtige Rezept, diese Hausindustrie mit landwirtschaftlichen Kleinbetrieben zu verbinden, was der Hauptsache nach auch geschehen ist. "Welche Formen der Hausindustrie verdienen eine besondere Pflege, als Nebenerwerb für unsere 10 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages> IV. Session der 10. Periode 1911. landwirtschaftlichen Betriebe?" Auf diese Frage wurde geantwortet: Die Kettenstickerei, die feine Handstickerei und die Nachstickerei. Dann wird auf eine Abnormalität des Geschäftsverkehres hingewiesen, daß zum Beispiel die Feldmühle in Rorschach ganze Wagen von Stickereien nach Hittisau zum Nachsticken hineinschickt, während die Vorarlberger Sticker Ware nicht nachgestickt an die Schweiz abliefern und dann für das Nachsticken viel höhere Löhne bezahlen müssen, als wie ihn die Nachstickerinnen des Waldes erhalten. Das sind Mängel an Organisation, die aber behoben werden können. Eine andere Frage, welche im Landtage vor Jahresfrist ventiliert wurde, ist, ob es möglich wäre, die Lebensmittelpreise durch Gemeindevertretungen oder durch das Land festzustellen. Wir haben damals erwogen, ob der § 51 der Gewerbeordnung zur Feststellung der Lebensmittelpreise genüge oder nicht und ob eine Reform dieses Paragraphen wünschenswert wäre. Die Frage ist ganz merkwürdig beantwortet worden, die Ansichten sind fast geteilt. Die einen sind der Meinung, die Lebensmittelpreise lassen sich in bestimmten Fällen festsetzen, während ein anderer Teil der Fragebogen sagt, daß es nicht durchführbar sei. Andere betrachten diese Frage als heute noch offen. In Bezug auf das Brot hat man im Lande lange durch Gemeinden Preise bestimmt und ähnlich beim Fleische, aber einige ernste Stimmen sagten, es gehe meistens auf Rechnung der Qualität. Es läßt sich bei Lebensmitteln mit vielen Qualitätssachen nicht so leicht der Preis feststellen. Die Qualitäten wechseln sehr stark und bei verschiedenen Artikeln wäre es direkt unmöglich und undurchführbar So wäre bei Wein und Branntwein, wo beinahe jedes Faß anders ist, die Feststellung der Preise ausgeschlossen. Bei Branntwein nimmt man, wenn er nur soviel kosten darf, mehr billigen Spiritus oder Wasser. Spiritus ist ja leicht zu mischen und man kann doch nicht jeden Budel messen, wieviel Alkohol er enthält. Ich bin zwar der Meinung, daß es mit dem Branntwein nicht so heikel ist; es ist gleichgültig, wenn er sehr hoch im Preise hinaufgeht, es ist ein Glück für jedes Land, weil es dann weniger trinkt; ich zähle beu Branntwein nicht zu den notwendigen Lebensmitteln. Einzelne geben die Antwort, manchmal sei es möglich, wie bei Brot und Fleisch, andere wieder glauben auch das nicht. Gerade bezüglich des Fleisches aber gibt es tatsächlich starke Qualitätsunterschiede, besonders in Bezug auf Ochsenfleisch. Wir können nicht unterscheiden zwischen tirolischen, steierischen oder ungarischen Ochsen oder gar Büffel und deshalb variieren auch die Preise. Ein anderer Fragebogen, und zwar der der deutschfreiheitlichen Partei, hat die Meinung, daß die Gemeinden selbst preismäßigende Konkurrenzunternehmen schaffen sollten. (Oho-Rufe.) Diese Arznei dürfte nicht richtig sein. Ich bin schon auch der Meinung, daß die Gemeinden und der Staat nur dann in solchen Belangen etwas machen können, wenn wir Monopole haben. Sobald es sich nicht um Monopole handelt, ist der amtliche Betrieb zu teuer und zu schwerfällig, und wenn man an Konkurrenzunternehmen denkt, müssen diese von Seite der Konsumenten geschaffen werden. Zu glauben, daß Konkurrenzunternehmungen der Gemeinden auf dem Gebiete der einzelnen Lebensmittel gedeihen und nützen, - wohlgemerkt, ich denke nicht daran, daß einzelne Gemeinden heute große Mengen von Kartoffel und Kohlen einkaufen und dann zum Selbstkostenpreise wieder hergeben sollen, wohl aber daß sie einen Detailladen für Lebensmittel schaffen - ist eine nicht durchführbare Lösung; da muß die Selbsthilfe eingreifen. Es folgt das Kapitel der Ernährung. Es ist zum ersten Male in dieser Art in Diskurs gestellt und die Antworten sind so interessant, daß ich glaube, das Kapitel sollte von der öffentlichen Besprechung nicht so bald verschwinden; es ist eine Frage, die speziell unsere Lehrerkreise interessieren könnte und sollte, und ich halte dafür, daß auf diesem Gebiete manches verbessert werden sollte. Es ist allgemein die Meinung verbreitet, daß die Volksnahrung nicht zweckmäßig ist, daß das Volk früher eine gesündere und zweckmäßigere Kost genossen hat. Sehr viele Meinungen löste die Frage aus, "warum sind die Lebensmittel in Vorarlberg höher, als sie durch die Frachtsätze bedingt sind." Die einen sagen, es ist nicht wahr, daß sie höher sind, die andern nennen den Fremdenverkehr der Nachbarländer, die Nähe der Schweiz, andere klagen über die Kaufleute, sie seien zu eigennützig, Vorarlberg habe höhere Löhne als das übrige Österreich und der Lebensunterhalt werde reguliert durch die Löhne. Wir haben zu viele "Läden", die infolge des kleinen Umsatzes teurer arbeiten. Der landwirtschaftliche Verein sagte, Vorarlberg braucht im allgemeinen eine bessere Lebenshaltung. Es mag manches daran sein, daß der Vorarlberger eine bessere Lebenshaltung will und benötigt und daß er verfeinerter ist als in manchen anderen Ländern wie Niederösterreich, Krain und Steiermark. 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. 11 Die sozialdemokratische Partei in Dornbirn nennt die große Geduld des Volkes, die volkswirtschaftlich falsche Erziehung desselben. Das glaube ich, unbedingt ablehnen zu müssen, daß unser Vorarlberger Volk volkswirtschaftlich falsch erzogen sei. Ich würde es nicht für richtig finden, diesen Vorwurf unbeantwortet zu lassen. Unser Vorarlberger Volk gilt in allen Kreisen, die dasselbe kennen gelernt haben, als ein Volk, das in volkswirtschaftlicher Beziehung eine sehr gesunde Richtung hat, als eines der fleißigsten und strebsamsten, das die alten Formen aufgegeben und die neuen, die volkswirtschaftlich gut sind, aufgegriffen hat und im allgemeinen darf man behaupten, daß Vorarlberg - ich weiß nicht, ob die Verfasser dieses Fragebogens überlegt haben, was alles in dieses "volkswirtschaftlich" hineingehört (Ach, keine Spur!) - sicher, was die volkswirtschaftliche Seite desselben anbelangt, fast das erste in Österreich genannt und in Bezug auf den volkswirtschaftlichen Charakter und seine ganze volkswirtschaftliche Auffassung ruhig an die besten Gegenden Deutschlands und der Schweiz hingestellt werden kann. Daß einzelne äußere Erscheinungen schwächer geworden sind, gebe ich zu; ich schreibe sie aber zum größten Teile dem Umstände zu, daß Vorarlberg in den letzten Jahrzehnten so starken Zufluß von außen hat, daß es nicht imstande ist, diesen ganz zu absorbieren und ganz dem Volke, der eigenen Heimat einzuverleiben. Ich getraue mir zu behaupten, daß im Vergleich zu andern Ländern gesagt werden kann, daß das Vorarlberger Volk der Teuerung gegenüber eine stärkere Widerstandskraft hat als andere. Und seine volkswirtschaftliche Stellung gerade hat es bet Teuerung gegenüber widerstandsfähiger gemacht. Ich glaube, daß es hier bei diesem Kapitel schlecht angebracht war, Vorwürfe zu erheben, daß unser Volk volkswirtschaftlich falsch erzogen sei, am wenigsten von Seite solcher, welche erst wenige Jahre mit diesem bekannt sind. Wir kommen nun zum Kapitel des Alkohols. Was an Alkohol bei uns in Vorarlberg vertilgt wird, sind entsetzliche Ziffern, Ziffern, die einen jeden, der überhaupt sich mit unseren volkswirtschaftlichen Fragen abgibt, sehr interessieren und in jedem den festen Einschluß aufbringen müssen, darauf hinzuarbeiten, daß diese Ziffern vermindert werden. Wenn man bedenkt, was für Summen Bier, Wein und ganz besonders Branntwein vertilgt werden - und diese Ziffern sind nicht übertrieben, - und wenn Sie ausrechnen, wieviel es auf einen einzigen Kopf Branntwein trifft, sehen Sie, daß die Zahlen traurige sind. Ich will es nicht ausrechnen, damit diese betrübende Ziffer nicht im Protokoll des Landtages niedergelegt ist, aber ich empfehle es jedem, der sich dafür interessiert, einmal auszurechnen, wieviel auf jeden Kopf jährlich Auslagen zur Deckung des Alkohols kommen. Ich empfehle bei dieser Angelegenheit unsere Antialkohol-Bewegung; ich bin kein Abstinent und empfehle nicht eine Abstinenzbewegung, aber ich stimme für jene Kreise, welche für Mäßigkeit eintreten und diese verdienen gewiß die Unterstützung des Landtages und anderer Kreise. Nun kommt noch am Schluß eine Frage, die gewiß manchem merkwürdig erscheint nämlich "Welche Schäden werden durch die gesteigerten Sennereibetriebe in hygienischer Hinsicht verursacht." Als die Sennereibetriebe eingeführt wurden und man über den Erfolg überall erbaut war, brachte dies für die Bauern eine bessere Verwertung der Milch. Die Milchprodukte wurden besser, was sehr zu begrüßen war. Es zeigte sich aber mit der Zeit die Erscheinung, daß die Bauern in manchen Gegenden zu viel Milch in die Sennerei bringen, so daß in der Familie und Küche Mangel an Milch ist, und so kommt es, daß in Gegenden, wo das Volk die Haupternährungsprodukte aus der Milch erzeugt, die Familien selbst zu wenig Milch haben. Aufklärung wäre da gewiß notwendig. "Zollwesen". Dieses Kapitel gehört zu denjenigen, die am leichtesten zu Agitationszwecken verwendet werden. Man verlangt ohne viel Nachdenken die Herabsetzung der Zölle. Nun worin liegt das Wesen dieser Frage, soweit sie das Volk angeht. Das Wesen dieser Frage liegt darin, daß bei Zoll- und Handelsverträgen nicht einzelne berücksichtigt werden können, sondern daß dies eine Resultante ist, eine Linie, welche aus verschiedenen Kräften, die im volkswirtschaftlichen Leben wirksam sind, zusammengesetzt, sich ergibt; das sind die Zoll- und Handelsverträge. Nun ist es oft sehr schwer, diese Linie so genau zu ziehen, daß man sagen muß, es ist bis ins kleinste Detail allen einzelnen Faktoren Rechnung getragen. Dabei wird es sich zeigen, daß sich die Linie wie in der Mathematik nach der Seite mehr neigt, welche mehr Kräfte entwickelt. Nun hat Vorarlberg zwei interessierte Gruppen: auf der einen Seite die Großindustrie, auf der andern Seite die Landwirtschaft mit einer großen Menge von Konsumenten, die zum Teile zusammen gehören. Unsere Landwirtschaft verträgt darüber müssen wir uns klar sein - gewiß eine Herabsetzung der landwirtschaftlichen Zölle. Wir dürfen nicht 12 7. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. glauben, daß unsere Reichsratsabgeordneten Fink, Thurnher und Loser, welche bei den Zollverhandlungen im Jahre 1906 dabei waren, die Meinung vertraten, es müsse durch Schutzzölle das Vorarlberger Getreide geschützt werden. Soviel wußten sie, ungefähr von der Heimat, daß Vorarlberg kein Getreide hat, sondern daß es eine Menge Getreide einführen muß, das ohne Zölle billiger zu beziehen wäre. Das wissen die Herren selbst, daß man billigere Produkte lieber hat als teuere, das ist doch selbstverständlich. Meine Herren, auf der andern Seite stand die Industrie, welche direkt darauf angewiesen ist, daß sie durch einen Zoll geschützt wird. Wenn das die Herren nicht glauben wollten, will ich Beispiele bringen aus dem Berichte. Es sagt hier der landwirtschaftliche Verein unter 16, daß eine Reform der Zölle anzustreben sei. Es wird notwendig sein, daß die Lebensmittel eine außerordentliche Zollbehandlung erfahren; es wird sich schon zeigen, daß Österreich und Ungarn den allgemeinen Zoll aufgeben müssen. Es werden Deutschland und andere Staaten uns sehr dankbar sein und es wären keine Schwierigkeiten vorhanden, aber wir dürfen nicht vergessen, wenn wir für Lebensmittel Zölle einheben wollen, muß auch Ungarn die Zustimmung geben. Wer im öffentlichen Leben des Volkes mitsprechen will, muß davon Kenntnis nehmen, daß Ungarn ein reines Agrar-Land ist, daß man die Industrieprodukte einführt und daß es eigentlich nur Vieh und Getreide hat und an beiden Artikeln so fest hält und selbstverständlich auch an den Zöllen der Artikel, daß Österreich, solange es mit Ungarn im Verband ist, an den Zöllen nicht einseitig rütteln kann. Wenn wir nur ein klein wenig mit den Zöllen herunter wollen, muß das teuer erkauft werden. Wir sehen dies auch beim argentinischen Fleisch, wo Ungarn jede Einfuhr teuer sich erkaufen läßt, freiwillig aber nichts hergibt. Da können sie auf Ungarn nicht böse sein mit seiner einseitigen Produktion, da es keine Industrie hat. Nach den heutigen auf der ganzen Welt geltenden landwirtschaftlichen Grundsätzen ist Ungarn beinahe gezwungen, daß es beide Artikel im eigenen Lande womöglichst zu schützen sucht. Nun stehen wir vor der Frage, gibt es Ungarn zu oder nicht; wenn Ungarn es nicht zugibt, müssen wir warten bis zum Jahre 1917. Dann wird Vorarlberg erklären, es will in Bezug auf Lebensmittel frei sein und frei werden wir nur, wenn das Verhältnis mit Ungarn gelöst ist. Das müssen aber auch alle Kreise wissen, daß Ungarn im Jahre 1917 keine Herabsetzung der Getreidezölle gestattet. Wenn die Industriezölle herabgesetzt werden, wird auch Ungarn herunter gehen. Wenn diese Herabsetzung aber nicht gelingt, wird es eine Verbindung