19101020_lts015

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Letzte Änderung 02.07.2021, 19:26
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp10,lts1910,lt1910,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 15. Sitzung mit 20 Oktober 1910 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 25 Abgeordnete. - Abwesend Kerr Dr. Kinz. Regierungsvertreter: Herr k. k. Statthaltereirat Dr. Rudolf Graf von Meran. Beginn der Sitzung um 9 Uhr 23 Minuten vormittags. Landeshauptmann: Ich erkläre die heutige Sitzung für eröffnet und ersuche um Verlesung des Protokolls der letzten Sitzung. (Sekretär liest.) Hat einer der Herren gegen die Fassung des Protokolls eine Bemerkung zu machen? Wenn es nicht der Fall ist, betrachte ich dasselbe für genehmigt. Herr Abgeordneter Dr. Kinz hat sich für die heutige Sitzung wegen dringlichen Amtsgeschäften entschuldigt. Es ist der Kanzlei ein Antrag zugekommen, den ich, zu tierlesen bitte. (Sekretär liest.) Antrag der Abgeordneten Landeshauptmann Rhomberg und Genossen in Angelegenheit des jüngsten sogenannten Antikatholikentages in Innsbruck. Hoher Landtag! Den öffentlichen Blättern zufolge fand am 15. bis 17. ds. Mts. in der Hauptstadt des Landes Tirol ein sogenannter "Antikatholikentag" oder, rote er auch genannt wurde, eine "freiheitliche Tagung" statt, bei welcher unter , anderem neben den sattsam bekannten Rednern Wahrmund und dem Grafen Hoensbroech auch ein sicherer Dr. Rakus das Wort ergriff und unter stürmischem Beifall der allerdings nicht mehr besonders zahlreich im großen Stadtsaale anwesenden vereinigten "Freidenker" und Sozialdemokraten jenen infamen Schmähbries an Seine Heiligkeit Papst Pius X. zur Verlesung und Abstimmung brachte, welcher schon im Sommer ds. Jrs. bei dem "Freidenker"oder besser gesagt, Gottesleugner-Kongresse in Salzburg verlesen wurde, eine Tatsache, welche damals schon tn allen gesitteten Kreisen, besonders aber unter den Katholiken Österreichs größte Entrüstung hervorgerufen hat Dieses 2 15. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. unqualifizierbare und den Tiefstand der Gesinnung des Antragstellers kennzeichnende Pamphlet hat die bezeichnende Adresse: "An Josef Sarto, genannt Pius X. in Rom". Abgesehen von der Tatsache, daß Pius X. das geistige Oberhaupt der Katholiken des Erdkreises und der mehr als 35 Millionen Katholiken unserer Monarchie ist, erscheint es schon vom Standpunkte der primitivsten Begriffe des Völkerrechtes ganz unfaßbar, daß eine solche Niederträchtige Verhöhnung eines mit unserem erhabenen Kaiser befreundeten Souverains, wie es der Heilige Vater ist, in der Hauptstadt des katholischen Landes Tirol in öffentlicher Versammlung ausgesprochen werden durfte, ohne daß ein Regierungsvertreter, der doch unzweifelhaft bei jener Versammlung anwesend war, es der Mühe Wert fand, dagegen schon aus Gründen der Staatsraison aufzutreten und die Weiterverlesung des Schmähbrieses, welcher als ein Produkt unsäglich gemeinen Hohnes sich darstellt, zu verbieten bei sonstiger Auslösung der Versammlung. Die Unterzeichneten müssen eine solche Außerachtlassung der nötigen Einsprache seitens des Regierungsvertreters in Innsbruck auf das entschiedenste tadeln und erheben gegen jene skandalösen Vorgänge als Vertreter eines fast ausschließlich von Katholiken bewohnten Kronlandes energischen Protest, indem sie stellen den Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: "Angesichts der empörenden, völkerrechtswidrigen Beschimpfung Seiner Heiligkeit des Papstes Pins X beim "Freidenkertag" in Innsbruck erhebt die Vertretung des Kronlandes Vorarlberg, speziell auch mt Namen der katholischen Bevölkerung des Landes energischen Protest und spricht in tiefer Entrüstung das Bedauern aus, daß eine solche Rohheit unter stillschweigender Duldung Der Regierungsorgane begangen werden konnte. Der Landtag fordert die Statthalterei gleichzeitig auf, in Hinkunft bei solchen Versammlungen Regierungsorgane zu bestellen, die ihre Pflicht erfüllen und es nicht mehr dulden werden, daß das Oberhaupt der katholischen Christenheit, welches zugleich ein mir unserer Monarchie befreundeter Souverain ist, in einer jeder diplomatischen Gepflogenheit und jeder Gesittung Hohn sprechenden Weise beschimpft werde. In formeller Beziehung wird beantragt, diesen Antrag m dringlicher Behandlung ohne Verweisung an einen Anschuß noch in heutiger Sitzung in meritorische Verhandlung zu ziehen Bregenz, am 19. Oktober 1910. Dr. Franz Egger, Adolf Rhomberg, Weihbischof, Generalvikar, Jodok Fink, E. Luger, Dr. K. Drexel, Josef Wegeler, Mark. Thurnher, Franz Loser, Jos. Kennerknecht, Albert Welke, I. W. Nachbauet', Ulrich Ebenhoch, I. P. Vögel, B. Fink, Engelb. Bosch, Alois Dietrich, Dr. Konzett, Stefan Walter, Josef Ölz, Fr. Josef Schreiber, Joh. Müller, Alois Amann, Ägid Mayer, I. Anton Willi. Nachdem in diesem Antrage schon selbst in formeller Beziehung die dringliche Behandlung beantragt ist, so muß ich über dieselbe nun die Abstimmung einleiten. Wünscht jemand das Wort zum Dringlichkeitsantrage? Ich nehme an, daß das hohe Haus gegen die dringliche Behandlung dieses Antrages keine Einwendung erhebt, und ich werde daher diesen Gegenstand am Schlüsse der heutigen Sitzung als eigener Gegenstand der Tagesordnung anfügen. Wir kommen nun zur Tagesordnung und zwar steht aus derselben als erster Punkt Bericht des landwirtschaftlichen Ausschusses über den Gesetzentwurf betreffend Errichtung eines Landeskulturrates. Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Fink; ich ersuche ihn, das Wort zu nehmen. Jodok Fink: Hohes Haus! Zum Gesetzentwürfe betreffend die Errichtung von Bezirksgenossenschaften der Landwirte und die eines Landeskulturrates hat die Regierung mit einem 15. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. 3 Erlasse vorn 13. Oktober 1910 Stellung genommen, b. h. das Ackerbauministerium hat eine vorläufige Stellung genommen, wobei es bemerkt hat, daß es schon aus dem Grunde endgültig nicht Stellung nehmen könne, weil das Einvernehmen mit dem Ministerium des Innern vorher zu pflegen wäre. Das Ackerbauministerium har in seiner Äußerung sich zunächst dahin ausgesprochen, daß die beabsichtigte Errichtung eines Landeskulturrares in Vorarlberg von Seile des Ackerbauministeriums bestens begrüßt werde. Das Ackerlauministerium hat netter erklärt, daß es in meritorischer Beziehung eigentlich nur 2 oder 3 Forderungen zu stellen hätte. Die eine wäre, daß dem Landesausschusse anempfohlen würde, die Organisation der beruflichen Bezirksgenossenschaften auf das allgemeine Vereinsgesetz vom Jahre 1867 zu stellen. Der landwirtschaftliche Ausschuß hat nach der ersten von rhm ausgearbeiteten Vorlage sich auf den Standpunkt gestellt, daß diese Bezirksgenossenschaften der Landwirte eigentlich nur eine Unterabteilung des Landeskulturrates bilden sollen und daß sie auf Grund dieses Spezialgesetzes errichtet und organisiert werden sollen. Der landwirtschaftliche Ausschuß ist dabei von der Überzeugung ausgegangen, daß der gegenwärtig bestehenden Organisation, welche also im Landwirtschaftsvereine von Vorarlberg vereinigt ist, diese Art der Schaffung der Bezirksgenossenschaften, wie sie der landwirtschaftliche Ausschuß ins Auge gefaßt hat, am nächsten kommt; denn der Vorarlberger Landwirtschaftsverein, der bisher die Stelle eines Landeskulturrates in Vorarlberg versehen hat, ist auch so organisiert. Es ist ein großer und kleiner Ausschuß, in jedem Bezirke ist ein Bezirksausschuß mit einem Bezirksobmanne. Die Bezirksobmänner bilden mit dem Vereinsvorstande den kleinen, die Mitglieder der 6 Bezirksausschüsse zusammen den großen Ausschuß. Aber diese Bezirksorganisation ist nicht auf einem Vereine fußend, sondern ist nur eine Untergliederung des Landwirtschaftsvereines. Weiter hat die Regierung dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß man neben dem im früheren Entwürfe der Regierung zugestandenen Vertreter der politischen Behörde (Statthalterei) auch noch einen Fachmann zugestehen wolle, der entweder von der hohen Statthalterei oder dem Ackerbauministerium zu berufen wäre. Dabei hat die Regierung bemerkt, daß auch in Erwägung zu ziehen wäre, ob nickt auch das gleiche Recht dem Landesausschusse eingeräumt werden solle. Im weiteren hat die Regierung darauf aufmerksam gemacht, daß im Falle des § 3, wo es 'sich darum handelt, daß, noch bevor diese Bezirksgenossenschaften zu errichten sind und sie Vertreter in den Landeskulturrat entsenden können, daß der Landesausschuß im Einverständnisse mit der Statthalterei die Bestellung von Bezirksvertretern in den Landeskulturrat vornehme. Sie hat darauf aufmerksam gemacht, daß auch vorgesorgt werde, was dann zu geschehen hätte, wenn ein Einverständnis nicht zustande käme. Im weiteren hat die Regierung noch verschiedene Anregungen zu einigen kleinern unwesentlichen Änderungen im Gesetze, insbesondere zu stilistischen Verbesserungen gegeben. Der landwirtschaftliche Ausschuß hat gestern daher aus Grund dieser Äußerungen der Regierung diese Ratschläge der Regierung neuerlich in Beratung gezogen und war, was den wesentlichsten Punkt betrifft, nämlich ob die Bildung der Bezirksgenossenschaften entweder auf Grundlage des Vereinsgesetzes mit Rücksichtnahme auf ein Spezialgesetz oder aber nur auf Grundlage des Spezialgesetzes aufgebaut sein soll, der landwirtschaftliche Ausschuß der Meinung (und stellt dem hohen Hause einen diesbezüglichen Antrag), daß die Bezirksgenossenschaften nicht auf das Vereinsgesetz aufgebaut werden, sondern nur eine Untergliederung des Landeskulturrates bilden sollen und nur auf das Spezialgesetz aufgebaut werden. Trotz dieser Meinung hat sich der landwirtschaftliche Ausschuß doch entschlossen, dem Wunsche der Regierung m soweit Rechnung zu tragen, daß der Gesetzentwurf in dem Sinne abgeändert werde, daß die Errichtung der Bezirksgenossenschaften auf dem Vereinsgesetze beruht und zugleich die einschlägigen Bestimmungen des Spezialgesetzes berücksichtigt werden. Er stellte dem hohen Hause nämlich den Antrag, der Landtag solle aussprechen, daß ihm das andere, nämlich ohne Vereinsgesetz zweckmäßiger erscheine, und der Landesausschuß beauftragt werde, diesbezügliche Verhandlungen mit der Regierung einzuleiten. Und wenn die Regierung dafür zu haben wäre, daß von der Grundlage des Vereinsgesetzes für die Bezirksgenossenschaften abgesehen würbe, sollte 4 15. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. der Landesausschuß ermächtigt werden, im Vereine mit der Regierung diese Bestimmung des Gesetzes, welche sich aus. die Gründung von Bezirksgenossenschaften bezieht, im Gesetze abzuändern. Das ist das Wesentlichste, was der landwirtschaftliche Ausschuß noch als Ergänzung des Berichtes und zu der neuen Vorlage (Beilage 65), die die Herren Abgeordneten erst heute bekommen haben, zu bemerken hat. Ich möchte nur noch namens des landwirtschaftlichen Ausschusses folgende Anträge stellen: Der hohe Landtag wolle beschließen: , , a) Dem beiliegenden Gesetzentwürfe betreffend die Errichtung eines Landeskulturrates und von Berufsgenossenschaften der Landwirte in Vorarlberg wird die Zustimmung erteilt. b) Der Landesausschuß wird ermächtigt, vor Erwirkung der Allerhöchsten Sanktion dieses Gesetzentwurfes entweder aus eigener Initiative oder über Wunsch der Regierung etwa noch als notwendig sich herausstellende Textes Änderungen, beziehungsweise Ergänzungen, soweit dieselben weder grundsätzliche Bestimmungen des Gesetzentwurfes tangieren noch neue derartige Bestimmungen schaffen, beschlußweise mit der Regierung zu vereinbaren und vorzunehmen. c) Der Landtag würde die Errichtung von Bezirksgenossenschaften der Landwirte lediglich auf Grundlage des vorliegenden Spezialgesetzes als Unterabteilungen des Landeskulturrates der Errichtung solcher Genossenschaften nach dem Vereinsgesetze vom Jahre 1867 vorziehen. Der Landtag beauftragt daher den Landesausschuß, mit der Regierung hierüber Verhandlungen Einzuleiten und durchzuführen und falls die Regierung dem Wunsche des Landtages entsprechen würde, wird der Landesausschuß ermächtigt, mit der Regierung die hiefür nötigen Gesetzesänderungen zu vereinbaren und vorzunehmen." Landeshauptmann: Ich eröffne nun über den vorliegenden Gesetzentwurf und den Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses die Generaldebatte. Wenn niemand sich zum Worte meldet, können wir zur Spezialdebatte übergehen. Jodok Fink: (Liest I. und § 1 aus Beilage 65.) Landeshauptmann: Hat jemand zu § 1 eine Bemerkung zu machen? Der Herr Abgeordneter Thurnher hat das Wort. Thurnher: Es ist hier ein Druckfehler. Es muß in der 6. Zeile des 1. Absatzes heißen "w erden" statt "wird". Landeshauptmann: Wer wünscht noch das Wort? Wertn sich niemand mehr meldet, nehme ich an, daß das hohe Haus dem § 1 mit dieser kleinen Druckfehlerberichtigung die Genehmigung erteilt. Jodok Fink: (Liest § 2.) Landeshauptmann: Keine Bemerkung zu § 2 nehme ich als Zustimmung an. Jodok Fink: (Liest § 3.) Landeshauptmann: § 3 ist angenommen. Jodok Fink: (Liest § 4.) Landeshauptmann: Es erfolgt keine Bemerkung, somit erkläre ich den § 4 als angenommen. 15* Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. 5 (Sieß § 5.) Landeshauptmann: § 5 ist angenommen. Jodok Fink: (Liest § 6.) - Landeshauptmann: Wünscht jemand das Wort? Wenn es nicht der Fall ist, erkläre ich § 6 für angenommen. Jodok Fink: (Liest § 7.) Landeshauptmann: Keine Bemerkung betrachte ich als Zustimmung zu § 7. Jodok Fink: § 8 wäre wörtlich gleichlautend mit dem früheren § 4. Landeshauptmann: § 8 ist angenommen. Jodok Fink: § 9 ist mit den früheren § 7 wörtlich gleichlautend. Landeshauptmann: Ich erkläre ihn als angenommen. Jodok Fink: § 10 ist eigentlich nicht verändert; ich weiß aber nicht, mit welchem Paragraph des früheren Gesetzentwurfes er zusammenfällt. (Liest § 10.) Landeshauptmann: § 10 ist angenommen. Jodok Fink: (Liest § 11.) Landeshauptmann: Bitte hier ist ein Druckfehler, vielmehr eine ganz falsche Zeile. Es muß heißen "an den Landeskulturrat abzuliefern" statt "an den schusse im Verordnungswege erlassen". Wünscht jemand das Wort zu § 11. Wenn es nicht der Fall ist, erkläre ich denselben samt der Druckfehlerberichtigung als angenommen. Jodok Fink: Bitte, Herr Landeshauptmann, kontrollieren Sie, weil ich hier nur mein Konzept und nicht den gedruckten Gesetzentwurf habe. Landeshauptmann: Gewiß. Jodok Fink: (Liest § 12.) Landeshauptmann: § 12 erkläre ich, wenn keine Einwendung erhoben wird - für angenommen. Jodok Fink: (Liest II. und § 13.) Landeshauptmann: § 13 ist angenommen. Jodok Fink: (Liest § 14.) - Landeshauptmann: Wünscht jemand zu § 14 das Wort? - Wenn es nicht der Fall ist, erkläre ich denselben als angenommen. Jodok Fink: (Liest § 15.) Landeshauptmann: Keine Bemerkung zu § 15 betrachte ich als Zustimmung. Jodok Fink: (Liest § 16.) Landeshauptmann: § 16 ist angenommen. Jodok Fink: (Liest III. und § 17.) Landeshauptmann: Zu § 17 wird eine Einwendung nicht erhoben, somit betrachte ich denselben ebenfalls für angenommen. Jodok Fink: (Liest § 18.) Da möchte ich noch auf die spezielle Bestimmung aufmerksam machen, daß der Vertreter der Statthalterei und der vorn Ackerbauministerium zu berufende Fachmann nicht in das Präsidium gewählt werden tonnen. Diese Bestimmung ist nämlich auf Wunsch des Ackerbauministeriums aufgenommen worden. Landeshauptmann: Ich erkläre § 18 als angenommen. Jodok Fink: § 19 wäre unverändert. Landeshauptmann: Dann genügt die Anrufung. - § 19 ist angenommen. Jodok Fink: § 20 ist ebenfalls unverändert mit der einzigen Ausnahme, daß die Regierung 6 15. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. erklärte, daß im Punkte 2 ein Druckfehler sei. Das Wort "landwirtschaftlichen" gehört mit kleinem Anfangsbuchstaben geschrieben. Landeshauptmann: § 20 ist angenommen. Jodok Fink: (Liest § 21.) Landeshauptmann: Hier liegt ein Druckfehler vor. Es muß "allfällig" heißen statt "abfällig". Jodok Fink: Ich werde auch nicht beantragen, daß heute die 3. Lesung vorgenommen wird, weil der Gesetzentwurf erst heute gekommen ist und ich ihn noch genau durchnehmen muß. Landeshauptmann: Ich erkläre, wenn keine Einwendung erhoben wird - § 21 mit dieser Druckfehlerberichtigung als angenommen. Jodok Fink: (Liest § 22.) Landeshauptmann: Keine Bemerkung betrachte ich als Zustimmung zu § 22. Jodok Fink: § 23 ist mit dem früheren inhaltlich gleich. Landeshauptmann: § 23 ist angenommen. Jodok Fink: § 24 ist unverändert, d. h. mit einem Paragraphen des früheren Entwurfes gleichen Inhalts. Der Paragraph hat nur eine andere Nummer bekommen. Landeshauptmann: Keine Bemerkung betrachte ich als Zustimmung zu § 24. Jodok Fink: § 25 ist ebenfalls unverändert. Landeshauptmann: § 25 ist angenommen. Jodok Fink: IV. Schlußbestimmungen. § 26 ist unverändert. Landeshauptmann: § 26 ist angenommen. Jodok Fink: (Liest Titel und Eingang des Gesetzes.) Landeshauptmann: Wird gegen Titel und Eingang des Gesetzes eine Bemerkung vorgebracht? Wenn es nicht der Fall ist, sind dieselben ebenfalls angenommen und ich erkläre somit die 2. Lesung dieses Gesetzentwurfes als beendet. Da der Herr Berichterstatter wünscht, daß die dritte Lesung erst in der nächsten Sitzung stattfindet, wird dieselbe dermalen in suspenso gelassen. Nun kommen noch die beiden Anträge, welche der landwirtschaftliche Ausschuß stellt. Der eine derselben ist schon früher in Druck gelegt worden und ich brauche denselben daher nicht zu verlesen. Der 3. Antrag oder Anrrag c tatet: (Liest obigen Antrag.) Ich kann wohl vielleicht beide Anträge unter einem zur Abstimmung bringen, wenn keine Einwendung erfolgt - und ersuche jene Herren, welche den beiden Anträgen, wie sie verlesen worden sind, ihre Zustimmung geben wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Damit ist dieser Punkt erledigt. Bevor wir zur Beratung des nächsten Gegenstandes übergehen, möchte ich an das hohe Haus die Bitte stellen - wenn keine Einwendung dagegen erhoben wird, daß nach Punkt 2 der Tagesordnung der Antrag der Abgeordneten Rhomberg und Genossen in meritorische Verhandlung gezogen würde. Die Sache ist damit begründet, daß der Herr Landeshauptmannstellvertreter bei diesem Gegenstände den Vorsitz übernehmen muß und ebenso bei den Verhandlungen über den obzitierten Antrag; es wäre daher bequemer, wenn die Sache in der Weise durchgeführt wird. Wird eine Einwendung dagegen erhoben? Es ist dies nicht der Fall. Somit ersuche ich den Herrn Landeshauptmannstellvertreter, den Vorsitz zu übernehmen. (Abgeordneter Thurnher übernimmt den Vorsitz.) Landeshauptmannstellvertreter: Bei der Verhandlung über die Landesausschußvorlage betreffend den Gesetzentwurf punkto Regelung des Waldaufsichtsdienstes wurden fünf Paragraphe, 15. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. 7 nämlich 5, 6, 9, 10 und 14 an den landwirtschaftlichen Ausschuß zurückverwiesen, um dieselben noch einmal in Beratung zu ziehen. Der landwirtschaftliche Ausschuß ist mittlerweile zusammengetreten und ich ersuche den Herrn Berichterstatter, uns das Resultat dieser Verhandlung bekanntzugeben. Rhomberg: Hohes Haus! Der landwirtschaftliche Ausschuß hat die vorliegenden Anträge der Herren Abgeordneten Müller und Dr. Kinz, sowie die übrigen Bemängelungen, die an einigen Paragraphen gemacht worden sind, in langer Sitzung einer ausführlichen Beratung unterzogen und ich bin in der Lage, dem hohen Hause nachstehende Anträge zu den einzelnen Paragraphen zu stellen, die ich den Herren vorlesen werde. Zunächst kommt § 5; dieser soll nach den Anträgen des landwirtschaftlichen Ausschusses lauten, wie folgt: (Liest 8 5 des Gesetzentwurfes aus Beilage 69.) Landeshauptmannstellvertreter: Die Herren haben den Antrag des landwirtschaftlichen Ausschusses hinsichtlich Textierung des § 5 vernommen. Wünscht jemand das Wort? Es ist nicht der Fall. Keine Einwendung betrachte ich als Zustimmung. § 5 ist angenommen. Rhomberg: Bezüglich des § 6 beantragt der landwirtschaftliche Ausschuß folgende neue Fassung: (Liest § 6 des Gesetzentwurfes aus Beilage 69. Landeshauptmannstellvertreter: Wünscht jemand das Wort? Keine Bemerkung betrachte ich als Zustimmung. § 6 ist angenommen. Rhomberg: § 9 soll nach den Anträgen des landwirtschaftlichen Ausschusses heißen, wie folgt: (Liest ß 9 des Gesetzentwurfes aus Beilage 69.) Dazu habe ich noch eine Bemerkung zu machen. Es wurde im landwirtschaftlichen Ausschusse lange Zeit über den Begriff "Nebenbeschäftigung" gesprochen und einzelne Herren Abgeordneten hatten die Befürchtung, als ob man unter "Nebenbeschäftigungen" alle jene zu verstehen habe, welche man bei den Lehrern als "Nebenbeschäftigungen" erklärt, und als ob dadurch etwa im Verordnungswege den Waldaufsehern eine zu große Einschränkung in ihren Nebenbeschäftigungen auferlegt werden könnte. Schon im landwirtschaftlichen Ausschüsse wurden aber diesbezügliche Bedenken zerstreut. Aber ich glaube, es ist wichtig, daß vom Berichterstattertische aus die Interpretation des landwirtschaftlichen Ausschusses vollinhaltlich bekannt gegeben werde, um die zukünftige Handhabung des Gesetzes zu erleichtern. Nach der Anschauung des landwirtschaftlichen Ausschusses sind bei Waldaufsehern die meisten sogenannten Nebenbeschäftigungen als erlaubt anzusehen. Es gibt eine Reihe von Nebenbeschäftigungen, welche für Waldaufseher nicht bloß nützlich, sondern zu deren Existenz manchmal geradezu notwendig sind, so z. B. der Betrieb irgend eines landwirtschaftlichen Gutes oder Unternehmens, weil wir niemals erwarten können, auch bei möglichst günstiger Erledigung der Frage der Bezüge, daß die Waldaufseher in den Gemeinden soviel Bezüge haben werden, um nur mit diesen eine erträgliche Existenz finden zu können. Es gibt daher eine Reihe von Nebenbeschäftigungen, die mit der Stelle eines Waldaufsehers vollständig vereinbarlich sind, nicht aber wären sie mit der Stellung eines Lehrers vereinbarlich. Als Nebenbeschäftigung aber, welche niemals auch mit der Stellung eines Walkaufsehers vereinbarlich wäre, muß die Führung eines Holzhandels angesehen werden. Das ergibt sich schon aus der Natur der Sache und dem Berufe eines Waldaufsehers. Ich brauche wohl dem keine Bemerkung mehr beifügen und ich empfehle die Annahme des § 9 in der neuen Fassung. Landeshauptmannstellvertreter: Wünscht noch jemand zu 8 9 das Wort? Es ist nicht der Fall. Somit erkläre ich denselben für angenommen. Rhomberg: 8 10 soll nach dem Antrage des landwirtschaftlichen Ausschusses nunmehr bauten wie folgt: (Liest 8 10 des Gesetzentwurfes aus Beilage 69.) Landeshauptmannstellvertreter: Wenn keine Einwendung erhoben wird - betrachte ich den § 10 als angenommen. 8 15. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. Rhomberg: Bei § 14 hat der landwirtschaftliche Ausschuß einem im offenen Hause ausgesprochenen Bedenken des Herrn Abgeordneten Dr. Kinz Rechnung getragen und noch einen Passus hineingenommen bezüglich Außerkrafttretung gewisser Bestimmungen des Gesetzes vom 14. Februar 1891, L. .C. u. B. Bl. Nr. 18, betreffend die Erfordernisse zur Bestätigung und Beeidigung für das zum Schutze der Landeskultur bestellte Wachpersonale, so daß dieser Paragraph lauten würde, wie folgt: (Liest § 14 des Gesetzentwurfes aus Beilage 69.) Der 1. Absatz ist unverändert. Landeshauptmannstellvertreter: Wünscht jemand das Wort? Niemand. § 14 ist angenommen. Wir haben somit die 2. Lesung des Gesetzes erledigt. Rhomberg: Ich beantrage die sofortige Vornahme der 3. Lesung des so umgeänderten Gesetzentwurfes. Landeshauptmannstellvertreter: Es ist die Vornahme der 3. Lesung beantragt. Wird dagegen eine Einwendung erhoben? Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wegeler. Wegeler: Ich will konstatiert wissen, daß ich mit dem ganzen Gesetze nicht einverstanden bin und daß ich daher meine Zustimmung nicht geben kann. Landeshauptmannstellvertreter: Dies konstatieren Sie am besten dadurch, daß Sie bei der Abstimmung dagegen sein werden. Also es wurde der Antrag gestellt auf Vornahme der dritten Lesung. Eine Entwendung wird gegen diesen Vorschlag nicht erhoben. Ich ersuche daher jene Herren, die das Gesetz auch in dritter Lesung annehmen wollen, sich zum Zeichen der Zustimmung von ihren Sitzen zu erheben. Das Gesetz ist mit allen gegen eine Stimme in III. Lesung angenommen worden. Wir haben noch die Punkte 2 und 3 der Anträge des landwirtschaftlichen Ausschusses der Beschlußfassung zu unterziehen. Die Punkte 2 und 3 sind den Herren bekannt, sie sind unverändert geblieben, wie sie schon in der letzten Sitzung vorlagen. Wünscht jemand dazu zu sprechen? Herr Abgeordneter Fink hat das Wort. Jodok Fink: Nicht zu diesen Anträgen möchte ich sprechen, sondern nur dem Wunsche Ausdruck geben, daß dieses Gesetz, wie es aus der dritten Lesung hervorgegangen ist, als eigene Beilage gedruckt werde, damit alles zusammen in den stenographischen Protokollen erscheint. Landeshauptmannstellvertreter: Es wird in diesem Sinne Vorsorge getroffen werden. Wenn niemand zu Punkt 2 und 3 der Anträge etwas zu bemerken hat, nehme ich an, daß das hohe Haus denselben zustimmt. Die Anträge sind angenommen und somit ist dieser Gegenstand erledigt. Wir kommen nun zu deut anfangs der heutigen Sitzung eingebrachten Dringlichkeitsantrage des Herrn Landeshauptmannes und Genossen in Angelegenheit einer Kundgebung gegen die Vorgänge beim antiklerikalen Kongresse in Innsbruck. Ich erteile dem erstunterzeichneten Antragsteller, dem Herrn Landeshauptmanne zur Begründung des Antrages das Wort. Rhomberg: Hohes Haus! Der vorliegende Antrag hat bereits in den einleitenden Worten zu demselben seine Begründung gefunden und ich beschränke mich daher nur darauf, dieser Begründung noch einige Bemerkungen anzufügen. Wenn wir aufmerksam die öffentlichen Vorgänge in unserem Vaterlande beobachten, so können wir mit lebhaftem Bedauern die Beobachtung machen, daß nach einem bestimmten geheimen Plane immer vehementere Angriffe gegen die katholische Kirche, ihr Oberhaupt, gegen die Dogmen unserer Religion, ja gegen den Gottesglauben selbst gemacht und diese Angriffe, von einer satanischen Wut diktiert, stets verbunden sind mit den ordinärsten Beschimpfungen alles uns Christen Heiligen. Daß dem so ist, beweisen ungezählte Aussprüche der Redner jener Versammlungen, welche bald in Prag als "Freidenkerkongreß", bald in Salzburg als "Antiklerikales Kartell" und vor einigen Tagen unter dem Titel "Antikatholikentag" oder "Versammlung der Freigesinnten" in Innsbruck abgehalten 15. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. 9 Wurden. Es ist geradezu unerhört, was sich da Redner an frechen Beschimpfungen der katholischen Kirche in einem Staate erlauben dürfen, dessen Bürger zu mehr denn 35 Millionen dieser katholischen Kirche angehören, in einem Staate, dessen erlauchte Dynastie seit Jahrhunderten auf der Wacht stand, zum Schutze der katholischen Religion gegen Angriffe von außen (waren es nun Bekenner des Islam oder wie im 30 jährigen Kriege Anhänger der Reformation). Und wie die erlauchten Vorfahren, bekennt sich auch unser allergnädigster Kaiser und das ganze kaiserliche Haus bei jeder Gelegenheit offen als treue Söhne jener katholischen Kirche, die, wie es scheint, in Österreich bald vogelfrei, zum mindesten aber der Beschimpfung jedes x-beliebigen verlotterten und verkommenen Buben ausgesetzt ist. Es hieße, der jüngst im Stadtsaale zu Innsbruck abgehaltenen Versammlung wahrlich zu vrel Ehre antun und würde vor allem der Würde dieses hohen Hauses widersprechen, wollte ich den geehrten Herren ein noch so gedrängtes Bild der dort gehaltenen Reden geben. Es genügt, wenn ich sage, daß die Versammlung meist von roten Umsturzmännern, von Studenten, von radikalen Schönerianern und zu einem verschwindenden Teile von Innsbrucker Freiheitlichen besucht war und eigentlich einem täglichen Fiasko gleichkam, nachdem sowohl die Zentral-Leitung der deutschfreisinnigen Parteien in Wien, wie auch die sogenannte "Innsbrucker Rathauspartei" an derselben nicht teilnahm und sich fast demonstrativ fernhielt. Es dürfte bei diesem Wegbleiben mit Recht ein gewisses Gefühl des Widerwillens vielleicht mitgespielt haben, welches es den honorigen Bewohnern der tirolischen Hauptstadt innerlich verbot, Leute anzuhören vom Kaliber eines Wahrmund, jenes Plagiators schlimmster Sorte, eines Universitätsprofessors, dessen schmutzige Geldabmachungen (Pfuirufe im Hause und auf der Galerie) mit dem Ministerium Beck ihm selbst vom Senate seiner eigenen Universität in Prag den Ausdruck stiller Verachtung zuzog, dessen Vorleben zum mindesten vom sittlichen und gesellschaftlichen Standpunkte aus eine weitere Kritik nicht aushalten wird, eines Grafen Hoensbroech, jenes Mannes der sich nach und nach vom Jesuiten zum Broschürenschreiber gegen seinen Orden, dann zum Protestanten umwandelte, um nach Verehelichung mit einer Jüdin bei den Sozialdemokraten ebenso glücklich zu landen. (Pfui!) Dafür waren die radikalen Gottesleugner des extremsten Nationalismus mit den ihnen sonst so spinnefeinden internationalen Umsturzmännern brüderlich vereint, vom bekannten Hofrat Hock, dem obersten Richter und zugleich personifizierten Gesetzesverächter und von berüchtigten Gottesleugnern des In- und Auslandes begleitet, gaben sich da ein Stelldichein. Ich wiederhole nochmals, ich enthalte mich sonst jeder weiteren Äußerung über die gehaltenen Reden. Was aber nicht unbeachtet und unbesprochen bleiben darf, das ist eine Episode am Schlüsse einer der Versammlungen. Nach Berichten der öffentlichen Blätter- und ich stütze mich auf dieselben - verlas ein sicherer Dr. Rakus, glaublich von Salzburg, wie es schon in der schriftlichen Begründung erwähnt ist, jenes schamlose, niederträchtige Schreiben an den Hl. Vater, welches die Adresse führt: "An Josef Sarto, genannt Pius X. in Rom" (Pfui!) und dessen Inhalt eine so ordinäre Verhöhnung des Oberhauptes der katholischen Kirche darstellt, daß ich ihn unmöglich an dieser Stelle wiedergeben kann. Ich frage nun: Wo war in diesem Augenblicke der staatliche Funktionär, welcher die Versammlung als Regierungskommissär zu überwachen hatte? War am Ende kein Kommissär entsendet? Dann hätte die Behörde ihre Pflicht vernachlässigt, da sie doch nach den Erfahrungen früherer Versammlungen von Leuten gleichen Kalibers wissen mußte, daß es dabei ohne bubenhafte ((Bravo!) Schmähungen der katholischen Religion, der Kirche und ihres Oberhauptes (Zwischenrufe: Sehr richtig!) nicht abgehen wird. Oder aber es war ein Kommissär anwesend und hat zu den Beschimpfungen des Hl. Vaters geschwiegen, so war er entweder unfähig zu einem Überwachungsorgane, da er doch wissen mußte, daß schon aus diplomatischen und völkerrechtlichen Gründen, von katholischen Momenten abgesehen, eine solche Beleidigung des Papstes als eines mit unserer Monarchie und unserem Kaiser 10 15. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. befreundeten Souveräns nicht geduldet werden darf, oder er hat absichtlich geschwiegen, dann hat er seine Pflicht erst recht nicht erfüllt. Sei dem wie ihm wolle, eines ist sicher: die Überwachungsbehörde hat wieder einmal Beschimpfungen des Papstes und unserer Religion zugelassen, ohne, wie es ihre erste und heiligste Pflicht gewesen wäre, dagegen einzuschreiten. Ich möchte einmal sehen, wie die Organe der k. f. Behörden rasch und energisch einschreiten würden, sollte jemand in einer Versammlung einen von bubenhaften Gemeinheiten strotzenden offenen Brief an Se. Majestät den verbündeten deutschen Kaiser oder an den König von England verfassen und verlesen, der auch beginnen würde mit: "An Wilhelm Hohenzollern, genannt Wilhelm II. in Berlin" oder an "Georg Dramen, genannt König von England in London". Seien wir überzeugt, meine Herren, da hätte man Füße bekommen, (Sehr richtig!) den Mund rechtzeitig geöffnet. Aber heute, ja da handelt es sich nur um den seines Gebietes beraubten greisen Papst, das ist was anderes. Nein, meine Herren, das ist nicht was anderes. Mögen es sich die berufenen maßgebenden Faktoren gesagt sein lassen: Wir Katholiken wollen in unserem Vaterlande nicht vogelfrei sein, wir lassen uns eine solche Behandlung durch eine Rotte von Religionshassern absolut nicht länger gefallen und wenn zum Schutze unserer Religion und des Oberhauptes der katholischen Kirche nicht einmal energisch eingeschritten wird, so kann die Regierung die Folgen mit der Zeit selbst erfahren. Wir wollen gegen die schmachvolle Verhöhnung des Hl. Vaters energischen Protest einlegen, wir sind dazu vollauf berechtigt und befugt als Vertretung eines beinahe ausschließlich von Katholiken und nicht von Namenskatholiken, sondern von gläubigen, ihrer Kirche treu ergebenen Katholiken bewohnten Landes und daher empfehle ich dem hohen Hause die Annahme des Antrages (Lebhafte Bravorufe im ganzen Hause und bei den zahlreichen Galeriegästen). Landeshauptmannstellvertreter: Der Herr Regierungsvertreter hat das Wort. Negierungsvertreter: Hohes Haus! Zum vorliegenden Antrage gestatte ich mir zu bemerken daß mir ämtlich mitgeteilt wurde, daß der Regierungsvertreter die Verlesung des Briefes zweimal unterbrochen habe, daß daher von einer stillschweigenden Duldung der im Briefe enthaltenen Beleidigungen Sr. Heiligkeit des Papstes nicht die Rede sein kann. Der intervenierende Beamte hat übrigens über die Vorfälle unter Beibringung eines Stenogrammes der Ausführungen des Dr. Rakus sofort dem k. k. Statthaltereipräsidium Bericht erstattet, das sich veranlaßt fand, darüber bei der k. k. Staatsanwaltschaft die Anzeige zu erstatten. Ich glaube daher, feststellen zu können, daß von einer pflichtwidrigen Unterlassung seitens der Behörde nicht gesprochen werden kann. Landeshauptmannstellvertreter: Ich eröffne nun über den vorgebrachten Antrag die Debatte. Wünscht jemand das Wort? Se. Bischöflichen Gnaden. Bischof Dr. Egger: Hohes Haus! Da es sich hier um eine eminent religiöse Angelegenheit handelt, so dürfte man veranlaßt sein, im Bischofe den geistigen Urheber dieses Protestes zu suchen und zu finden. Ich erkläre, daß dieser Protest nicht von mir ausgeht; allein ich erkläre zugleich, daß ich mich von ganzem Herzen an denselben anschließe und daß ich dem Herrn Berichterstatter für sein energisches Eintreten für unsere heilige Religion durch diesen Protest von ganzem Herzen danke. Meine Herren! Die Religion ist und bleibt das Erste, das Wichtigste und für einen jeden ehrlichen Menschen das Heiligste. Selbst die Herren in Innsbruck wollten noch Religion zeigen; sie sagten, sie hätten Religion; "religionslos" läßt sich niemand, kein ehrlicher Mensch schimpfen, Religion bleibt für jeden das Erste und Heiligste! Nun ist aber für jeden Katholiken, der nicht bloß dem Namen nach Katholik ist, die katholische Religion die eigentliche Religion, es ist seine Religion, die Religion, wie man sagt, cat exochen, und darum für ihn das Heiligste. Kein Wunder darum, daß jeder ehrliche, aufrichtige Katholik sich im tiefsten Herzen beleidigt 15. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. 11 fühlt, wenn gegen die heilige Religion, gegen die katholische Kirche und gegen das Oberhaupt der Kirche so schnöde Beschimpfungen ausgesprochen werden, wie es in diesen Tagen geschehen ist. Der aufrichtige Katholik muß dagegen als Katholik protestieren. Er hat aber auch das Recht als Staatsbürger, dagegen Protest zu erheben. Die katholische Religion ist nämlich die Staatsreligion, wie mit Recht bemerkt wurde. Somit ist die Beschimpfung derselben eine Beleidigung aller katholischen Staatsbürger in Österreich und da sollte man schweigen? Man sollte sich wundern, wenn Katholiken, die sich als wirkliche Katholiken bekennen, dagegen protestieren? Nein; und darum verwahren wir uns auch als Staatsbürger gegen die Verunglimpfung unserer Religion durch den Antikatholikentag in Innsbruck. Noch etwas darf ich als katholischer Bischof und als Generalvikar für Vorarlberg nicht verschweigen. Gerade in dieser Versammlung und in ähnlichen Versammlungen ist immer der Priester und sein ganzer Stand die Hauptzielscheibe des Spottes und des Hohnes. Der Priester wird hingestellt als Volksverdummer, Volksbetrüger und als schlechter Mensch. Meine Stellung legt mir darum die Pflicht auf, meinen Stand in Schutz zu nehmen. Ich protestiere deshalb gegen diese unerhörten Beschimpfungen unseres Standes. Wir sind Diener der Kirche und auch des Staates und wollen und dürfen uns nicht vor dem Volke herabsetzen lassen, weil sonst unsere ganze Wirksamkeit lahmgelegt würde. Ich weiß wohl, man tut das alles unter dem Schlagworte "Wissenschaft"! "Freiheit"! und "Fortschritt"! Man soll mir einmal den Gelehrten nennen, welcher wirklich bewiesen hat, daß die katholische Kirche, daß unsere heilige Religion eine Feindin der Wissenschaft ist, der wahren Wissenschaft, der wahren Freiheit und des wahren Fortschrittes. Niemand hat es bewiesen. Auch die Herren in Innsbruck haben es nicht bewiesen, bei dieser Versammlung schon am allerwenigsten. Diese Tagung hat nicht getagt im Zeichen der Freiheit, der Wissenschaft und des Fortschrittes. Im Gegenteile; ich habe die volle Überzeugung und spreche sie auch offen aus, daß, wenn solche Grundsätze, wie sie da drinnen offen zum Ausdrucke gebracht wurden, allgemein zum Durchbrüche kämen, daß das nicht ein Fortschreiten, sondern ein Zurückschrecken wäre zur Barbarei, zum Umsturz und zur Anarchie! Darum schließe ich mich dem Proteste an und verwahre mich nicht bloß in meinem Namen als Katholik, Staatsbürger und Bischof, sondern auch im Namen des katholischen Volkes, das an solchen Reden und Schmähungen großes Ärgernis nimmt, sowie auch im Namen des Klerus, der dadurch beschimpft und schwer beleidigt wird. Landeshauptmannstellvertreter: Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Rüsch. Rüsch: Hohes Haus! Wenn ich zu diesem Dringlichkeitsantrage der Herren Landeshauptmann und Genossen mir das Wort zur Abgabe einer Erklärung erbeten habe, so bemerke ich vor allem, daß ich bei dieser freiheitlichen Tagung selbst nicht anwesend war und bisher auch keine Zeit hatte, mich mit den Verhandlungen dieser Tagung zu befassen und deshalb bin ich auch nicht in der Lage, beurteilen zu können, ob und inwieweit eine Berechtigung vorhanden wäre, die Verhandlungen dieser Tagung einer so scharfen Kritik zu unterziehen. Die Tagungen aller Parteirichtungen, von welchen auch die Katholikentage nicht auszunehmen sind, zeigen die sehr bedauerliche Erscheinung, daß einzelne Ausführungen geeignet sind, die Gefühle Andersdenkender mehr in Aufregung zu bringen, als das im Hinblicke auf die decidierteste Wahrung der im Auge gehabten Interessen notwendig wäre. Aber auch dieser Dringlichkeitsantrag enthält nicht nur einen äußerst heftigen Angriff auf politisch Andersdenkende, sondern er ist auch eine schwere Anklage gegen die Regierung. Ich kann mich der Anschauung nicht erwehren, daß die k. k. Regierungsorgane in den Verhandlungen dieser freiheitlichen Tagung in Innsbruck sicherlich eingeschritten wären oder eingeschritten sind, wie der sehr verehrte Herr Regierungsvertreter bereits gesagt hat, wenn sie eine gesetzliche Handhabe hiezu gehabt haben. Ich sehe mich daher veranläßt, in diesem hohen Hause die Erklärung abzugeben, daß ich mich infolgedessen diesem Dringlichkeitsantrage 12 15. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. antrage insoweit nicht anschließen kann, als er sich im allgemeinen gegen freisinnige Tendenzen wendet. Landeshauptmannstellvertreter: Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Ölz. Ölz: Der sehr geehrte Herr Regierungsvertreter hat uns mitgeteilt, daß der Regierungsvertreter in Innsbruck zweimal eingeschritten sei, als dieser Brief verlesen worden sei. Nun glaube ich, mit dem hatte er seine Pflicht nicht erfüllt gehabt. Als die Adresse verlesen wurde, wäre es Pflicht des Regierungsvertreters gewesen, auszustehen und gegen die weitere Verlesung zu protestieren und, wenn die weitere Verlesung trotzdem stattgefunden hätte, die Versammlung zu schließen (Zwischenruf: So ist es, sehr richtig!) und so vorzugehen; mit dem andern ist uns nicht geholfen. Ich will mich selbst auf die Sache nicht weiter einlassen. Ich möchte nur noch die Verwunderung aussprechen, daß der Handelskammervertreter so unschuldig und unwissend ist, daß er gar keine Zeitung liest. Das ist wirklich großartig. Ich hätte geglaubt, es wäre dem Herrn Handelskammervertreter in der langen Zeit