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Letzte Änderung 02.07.2021, 19:27
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp10,lts1910,lt1910,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Stenographische Sitzungsberichte der II. Landtagssession in Vorarlberg zu Bregenz. (X. Landtags-Periode.) Einberufen mit Allerhöchstem Patente vom 11. September 1910 aus den 30. September 1910. Regierungsvertreter: Herr k. k. Statthaltereirat Dr. Rudolf Graf von Meran. Vor der Eröffnung des Landtages fand in der Pfarrkirche ein feierliches Hochamt statt. Druck und Verlag von J. N. Teutsch, Buchhandlung. Verzeichnis der Mitglieder des Vorarlberger Landtages. A. Mitglied mit Virilstimme. Dr. Egger Franz, Bischof von Laranda, Generalvikar für Vorarlberg in Feldkirch. B. Abgeordnete der Städte. Wahlbezirke: 1. Bregenz. Kinz Ferdinand, Dr., Advokat und Bürgermeister in Bregenz. 2. Feldkirch. Wegeler Josef, Kaufmann in Feldkirch. 3. Bludenz. Konzett Andreas, Dr., Advokat und Bürgermeister in Bludenz. 4. Dornbirn. Rhomberg Adolf, Landeshauptmann und Fabriksbesitzer in Dornbirn. Luger Engelbert, Bürgermeister in Dornbirn. C. Abgeordnete der Landgemeinden. a. Landgemeindenkurie Bregenz-Bregenzerwald: Fink Jodok, Reichsratsabgeordneter in Andelsbuch. Loser Franz, Reichsratsabgeordneter in Rieden. Ölz Josef, Oberdirektor in Bregenz. Vogel Johann Peter, Altvorsteher in Doren. Willi Josef Anton, Vorsteher in Schoppernau. b. Landgemeindekurie Feldkirch-Dornbirn: Amann Alois, Fabrikant in Hohenems. Bosch Engelbert, Gemeindeausschuß in Lustenau. Ebenhoch Ulrich, Bürgermeister in Götzis. Nachbaue Wendelin, Bürgermeister in Rankweil. Schreiber Franz Josef, Vorsteher in Altenstadt. c. Landgemeindekurie Bludenz-Montafon: Thurnher Martin, Reichsratsabgeordneter in Dornbirn. Mayer Ägidius, Dekan in Schruns. Dietrich Alois, Vorsteher in Innerbraz. Müller Johann, Gastwirt in Bludesch. D. Abgeordnete der gemischten Wählerklasse. a. Bezirk Bregenz-Bregenzerwald: Kennerknecht Josef, Bahnbediensteter in Rieden. Fink Barnabas, Dekan in Hittisau. b. Bezirk Feldkirch Dornbirn: Drexel Karl, Dr., Reichsratsabgeordneter in Dornbirn. Welle Albert, Geschäftsführer in Frastanz. c. Bezirk Bludenz-Montafon: Walter Stefan, Handelskammer- und Stadtrat in Bludenz. Abgeordneter der Handels- und Gewerbekammer in Feldkirch. Rüsch Ignaz, Fabrikant und Handelskammerrat in Dornbirn. Vorarlberger Landtag. 1. Sitzung am 20 September 1910 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 23 Abgeordnete. - Abwesend die Herren: Dietrich, Wöget, Willi. Regierungsvertreter: Herr k. k. Statthaltereirat Dr. Rudolf Graf von Meran. Beginn der Sitzung um 10 Uhr 23 Minuten vormittags. Landeshauptmann: "Hohes Haus! Zufolge Allerhöchsten Patentes vorn 11. September wurde die Landesvertretung unseres Kronlandes, nachdem deren 1. Session einige Tage vorher, nämlich am 6. September geschlossen worden war, auf den heutigen Tag zu ihrer 2. Session der gegenwärtigen Landtagsperiode einberufen. Es obliegt mir vor allem tue angenehme Pflicht, Sie alle, meine sehr verehrten Herren Abgeordneten, bei Beginn unserer Arbeiten herzlichst zu begrüßen und die Bitte daran zu knüpfen, in dieser ernsten und schweren Zeit, in welcher sich unser teures engeres Heimatland dermalen befindet, mit verdoppelter Pflichttreue und altbewährtem Eifer an die Beratung der zahlreichen, in diesem Jahre besonders wichtigen Agenden zu schreiten. Indem ich gleichzeitig auch dem hochverehrten Regierungsvertreter, Hochgeboren Herrn Statthaltereirate Dr. Rudolf Grafen v. Meran wein ehrfurchtsvollstes Willkommen entgegenbringe, danke ich Hochdemselben für alle dem Lande und seinen so schwer heimgesuchten Bewohnern in den letzten Monaten als Obmannstellvertreter des "Landeshilfskomitee" gewidmete Tätigkeit und seine stets bekundete und durch die Tat bewiesene Teilnahme an dem schweren Geschicke unserer Landsleute. Gleichzeitig bitte ich Herrn Grafen, unseren Beratungen wie in der früheren Session so auch heuer wieder mit seinem bewährten Rate unterstützend zur Seite zu stehen. Hohes Haus! Wohl noch nie, seit das verfassungsmäßige Leben in unserem Kronlande seinen Anfang genommen, trat unsere Landesvertretung unter ernsteren und schwereren Auspizien zu ihren Beratungen zusammen, als gerade in diesem Jahre. Wohl hatten uns auch die Jahre 1888 und 1890 sowie teilweise 1901 Überschwemmungskatastrophen von bedeutender Ausdehnung gebracht. In den ersteren 2 Jahren durchbrach der Rhein seine Dämme, überflutete das blühende Tal und 6 Gemeinden bis 6 1. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. hinab nach Fußach und richtete in den umliegenden Gefilden ungeheueren Schaden durch Vernichtung der Feldfrüchte, der Torfgründe rc. an und 1901 traten zahlreiche Wildbäche verheerend aus ihren Ufern und verwüsteten die benachbarten Gründe. In allen 3 Jahren wurden an die Staats- und Landeshilfe große Anforderungen gestellt; dennoch gelang es damals, den vereinten Anstrengungen und der kräftig sich einsetzenden Privatwohltätigkeit die schwersten Wunden verhältnismäßig in kurzer Zeit zu heilen und nachdem wohl die Ländereien überflutet und die Jahresernte vernichtet ward, nicht aber eine dauernde Zerstörung des Überschwemmungsgebietes eingetreten war, so ersetzten reichliche und gesegnete Ernten späterer Jahre und das Aufblühen von Handel und Industrie gerade in den Rheingemeinden in verhältnismäßig kurzer Zeit die erlittenen schweren Schäden, während andererseits mit Staats- und Landeshilfe auf vorarlbergischer Seite mächtige Binnendämme zum Schutze der Gefilde vor den Fluten des Rheines sich erhoben und in den 1890er Jahren durch die in Angriff genommene Rheinregulierung und die Vollendung des unteren Durchstiches, dem nun in wenigen Jahren auch der obere folgen soll, nach menschlichem Ermessen dem österreichischen Rheingebiete dauernde Sicherheit gewährleistet sein wird. Das Land selbst hat jene schwere Zeit, welche an seine finanzielle Leistungsfähigkeit die größten Anforderungen stellte, verhältnismäßig gut ausgehalten und konnte trotz der hohen Ausgaben nicht bloß seine Schuldentilgung zu Ende führen, sondern auch eine großzügige Aktion zur Herstellung eines das ganze Gebiet durchquerenden Straßennetzes und mehrerer Kleinbahnen einleiten und mit Erfolg durchführen, es konnte gleichzeitig zahlreiche Flußregulierungen und Wildbachverbauungen vornehmen und daneben noch große Beträge für die Landwirtschaft, das Gewerbe, vor allem aber für Hebung des Schulwesens und Verbesserung der materiellen Lage des Lehrerstandes leisten, und all dieses, ohne Schulden machen zu müssen. Wie ganz anders hat sich aber durch das furchtbare Landesunglück des abgelaufenen Sommers die ganze Lage gestaltet. Mit geradezu nie gesehener Vehemenz schwollen infolge der Regengüsse vom 13, 14. und 15. Juni und der dadurch verursachten rapiden Schneeschmelze beinahe sämtliche Wässer des ganzen Landes an und ihre schwarzbrauneu, wilden Fluten ergossen sich, den fast übermenschlichen Anstrengungen der auf Rettung von Hab und Gut bedachten Bewohner zum Trotze, überall den Greuel furchtbarer Zerstörung und Verwüstung mit sich bringend, über die Gefilde unserer sonst so herrlichen Täler und zahlloser ausblühender Gemeinwesen. Die historisch so bedeutsame, paradiesisch gelegene Stadt Feldkirch, eine landschaftliche Perle, bekannt durch den Fleiß, die Tüchtigkeit und die Gastlichkeit der Bürgerschaft, sie war umgeben und umflutet vom reißenden Illstrome, der Straßen und Häuser überschwemmte, Menschenleben in Gefahr brachte und ungeheuren Schaden an Hab und Gut anrichtete. Mit ihr wurden die großen Gemeinden Frastanz, Nenzing und Altenstadt, sowie Schlins und Satteins durch die Ill, bezw. deren Nebenbäche Meng und Samina in ausgedehntester Weise heimgesucht und in Frastanz, Nenzing, Schlins und Satteins durch die Erhöhung des Fluß- beziehungsweise der Bachbette eine außerordentlich ernste Situation geschaffen, so daß bei jedem starken Gewitterregen dieses Sommers - und diese gehörten wahrlich nicht zu den Seltenheiten - neuerliche Ausbrüche erfolgten, während die sogenannte Au zwischen Felsen au und Frastanz durch Wochen einem vollständigen See glich. Auch das Brandner- und Walsertal wurden stark heimgesucht, während im Klostertale sich die Alfens ein breites Bett grub, viel Grund und Boden wegriß und die Orte Klösterle und Dalaas überflutete. Auch am fernen Tamberg wütete der dort noch junge Lech und schädigte die Kulturen namhaft, bevor er sich nach Tirol und Bayern verheerend weiter ergoß. Im Bregenzerwalde wüteten die Bregenzerach mit ihren Nebenbächen, speziell dem Argenbache, Meilen- und Bizauerbache, in nie geahnter Ausdehnung, rißen Wege und Brücken fort, ja gefährdeten selbst Häuser und richteten einen unübersehbaren Schaden an. Auch die im Rheintale befindlichen großen Gemeinden wie Götzis, Hohenems, Rankweil, Altach, Dornbirn, Schwarzach und Wolfurt wurden mehr oder weniger schwer 1. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. 7 heimgesucht, während, um das Unglück voll zu machen, auch der Bodensee beinahe die seltene Höhe von 1890 erreichte und sowohl Teile von Bregenz als besonders ein großes Gebiet von Hard und Fuß ach unter Wasser setzte und auch die Ernte jener Gegenden zum großen Teile vernichtete. Und was soll ich erst von dem armen unglücklichen Montafon sagen? Es ist ein wahres Jammerbild, das sich da vielfach dem Beschauer zeigt: St. Anton und Lorüns lange Zeit überflutet, in Schruns, Tschagguns und Gaschurn zahllose Gründe zerstört und weggerissen, Häuser und Fabriken vom Erdboden verschwunden, von Straßen und von der Bahn kilometerweit gar nichts mehr vorhanden, in Vandans und St. Gallenkirch die eilte Halste des Gemeindegebietes an Stelle blühender Gebilde eine Meter hohe Stein- und Schuttmasse, durchbrochen von neuen tiefen Bachgerinnen, ein wahres Schreckensbild der Zerstörung, welche aus Jahre hinaus, wenn nicht für immer, ihre entsetzlichen Folgen zurücklassen wird. Wir können als Resume all des Unglückes ohne Übertreibung behaupten, von den 102 Gemeinden des Landes sind nicht 15, welche bei jenem katastrophalen Hoch Wasser nicht empfindlichen Schaden erlitten; denn auch unsere Bergdörfer wurden durch Wald- und Grundabrutschungen schwer geschädigt. Und wie furchtbar stellt sich der ziffernmäßige Schaden, den diese Katastrophe verursachte? Wenn wir nur jenen Schaden ins Auge fassen, den das Hochwasser an Straßen und Brücken und an Wuhrungen und Wildbachverbauungen angerichtet und die Kosten der Wiederherstellung (provisorische und definitive), so ergibt sich für Straßen und Brücken ein Gesamtbetrag von K 1, 381.000--, für Wasserbauten ein solcher von K 7, 372.000--, somit zusammen von K 8, 753.000--, eine Summe, welche für unser kleines Land einfach als unerschwinglich und niederdrückend angesehen werden muß. Und dabei ist der immense Schaden, den die Privaten allerorten erlitten haben und zu dessen, wenigstens teilweiser Linderung durch hochherzige Spenden Seine Majestät, unser Allergnädigster Kaiser, die Durchlauchtigsten kaiserlichen Hoheiten, die hohe k. k. Regierung, die Reichshauptstadt Wien, verschiedene andere Kommunen des In- und Auslandes, der deutsche und österreichische Alpenverein, das Rote Kreuz, die deutschen Schutzvereine, und mit besonderem Danke sei es gesagt, die Vereine der Vorarlberger in Wien und Innsbruck und endlich ungezählte Gemeinden, Vereine und Privaten des In- und Auslandes in edler Nächstenliebe beigetragen, noch gar nicht gerechnet! Ist es unter solchen Eindrücken nicht geradezu niederschmetternd für die Landesvertretung und den Landesausschuß, deren Jahrzehntelange haushälterische Tätigkeit mit einem Schlage illusorisch geworden ist und die nun gezwungen sind, zur Abwehr der Not und zur Sanierung große Anlehen aufzunehmen, an deren Verzinsung und Amortisierung unsere Nachkommen noch Generationen lang mitzutragen haben werden und die unsere andern Unternehmungen, soweit sie Unterstützung durch Landesmittel erfordern, vielfach aus Jahrzehnte zu hemmen und zu verzögern geeignet sein werden. Doch wir wollen den Mut nicht sinken lassen, in ernster Zeit zusammentretend, wollen wir mit umso größerem Eifer uns vereinen im Zeichen der umfassendsten Hilfe für unsere so schwer heimgesuchte Bevölkerung und der Beratung über die Mittel der Abwehr vor neuerlichen Katastrophen und der alte Gott, der unser Land schon so oft in schweren Tagen beschützt und geleitet, er wird unser Vorarlberg und sein fest aus ihn vertrauendes Volk auch jetzt nicht verlassen und so wollen wir denn mit seiner Hilfe an die schwere Arbeit schreiten! Die hohe Staatsregierung wird uns in unserem Unternehmen ihre mächtige Unterstützung leihen und nach mit deren Bevollmächtigten durchgeführten Verhandlungen wird der Landesausschuß in der Lage sein, dem hohen Hause 2 Gesetzesvorlagen zu unterbreiten, betreffend die Behebung der Elementarschäden der Flüsse und Bäche, sowie der an öffentlichen Straßen und Brücken verursachten Schäden, womit die Sanierungsaktion eingeleitet erscheint. Zur Herbeibringung der erforderlichen Geldmittel für all' diese ausgedehnten Aktionen wird es unausbleiblich sein, 8 1. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. daß der hohe Landtag für deren Deckung im Wege der Aufnahme eines Darlehens rechtzeitig Sorge trägt. Bevor ich von diesen, für unsere heurige Session wichtigsten und folgenschwersten Agenden auf unsere anderen Landesangelegenheiten und Vorlagen übergehe, ist es mir noch ein Herzensbedürfnis allen jenen Faktoren und Personen, welche in diesen schweren Tagen für die Heimgesuchten gearbeitet und gewirkt haben, den wärmsten und aufrichtigsten Dank zum Ausdrucke zu bringen. In erster Linie danke ich Sr. Exzellenz dem Herrn Statthalter für seine so trostbringenden Besuche der überschwemmen Landesteile, für seine rege Fürsorge zur Linderung der Not der Überschwemmten, die Abordnung von Hilfe in diese Gegenden und all die Unterstützung, die Seine Exzellenz den Aktionen des Landesausschusses angedeihen ließen. Ich danke der hohen Regierung für ihre werktätige materielle Unterstützung zur Behebung der ersten Not und für die in Aussicht genommene großmütige Zusicherung der Staatshilfe zu den Wiederherstellungsarbeiten und Schutzmaßnahmen an Straßen, Dämmen und Bächen usw. Ich danke den k. u. k. Pionieren des Heeres und unseren braven Kaiserjägern für ihr opferwilliges und todesverachtendes Wirken uno damit auch allen jenen, welche in jenen Tagen mit Mut und Heroismus unter Hintansetzung ihrer Gesundheit die Akte edelster Nächstenliebe vollbracht haben. Ich danke ferner dem Herrn Landeshauptmannstellvertreter Thurnher, welcher, da ich zu meinem tiefsten Schmerz inmitten des furchtbaren Landesunglückes infolge meiner schweren Krankheit zur Untätigkeit verurteilt war, alle in Sachen der Überschwemmten notwendigen Schritte vorzunehmen und monatelang all die vielen Reisen und Verhandlungen zur Einleitung der Sanierung der Katastrophe im Vereine mit den anderen Mitgliedern des Landesausschusses zu unternehmen und durchzuführen hatte und dessen Arbeitsgebiet fast bis zur Erschöpfung seiner Kräfte ausgedehnt war. Ich danke desgleichen den hochverehrten Herren Chefs der drei Bezirkshauptmannschaften, welche, in dem Bestreben, für die Notleidenden ihres Bezirkes Hilfe zu erreichen, alles aufboten und zu jeder Stunde um das Wohl derselben bedacht waren. Ich danke ferner auch aus aufrichtigem Herzen unseren wackeren Herren vom landschaftlichen Bauamte, au deren Spitze Herrn Landesoberingenieur Ilmer, welche alle mit seltenem Pflichteifer, ja zum Teile mit Gefahr für ihr Leben und ihre Gesundheit an dem Rettungswerke sich beteiliget, den armen Überschwemmten mit Rat und Tat zur Seite gestanden und Tag und Nacht im Dienste der Hilfsaktion tätig waren. Angesichts der Wasserkatastrophe treten naturgemäß die anderen Ihrer Behandlung zu unterziehenden Vorlagen mehr oder weniger in den Hintergrund. Ein Teil derselben hängt ohnedies, wenn auch etwas lose, mit der Sanierungsaktion zusammen, so die Gesetzentwürfe betreffend die Herstellung von Schutzbauten an der Frutz in Rankweil und Zwischenwasser und betreffend die Deckung der Mehrkosten der Illschutzbauten in den Fraktionen Motten, Marie x, Gemeinde Nenzing. Außer diesen Vorlagen wird den hohen Landtag auch auf dem Gebiete des Straßen- und Wasserwesens noch beschäftigen: der Gesetzentwurf betreffend Regulierung des Koblacher Kanales in feinem oberen Teile, womit einem langjährigen dringenden Wunsche und Bedürfnisse der oberen Rheingemeinden endlich entsprochen werden kann; ferner die Berichte des Landesausschusses betreffend die Deckung der Mehrkosten der nun vollendeten Flexenstraße und betreffend die Herstellung der Tatstraße in Mittelberg (Kleinwalsertal). Die schon seit mehreren Jahren in Angriff genommenen 2 Vorlagen des Landesausschusses und zwar der neue Forstgesetzentwurf und dann auch noch der Gesetzentwurf betreffend die Regelung der Bezüge der Waldaufseher sind endlich spruchreif geworden und werden dem hohen Hause im Laufe dieser Session mit einem separaten Berichte zugehen. Die Rechnungsabschlüsse der einzelnen landschaftlichen Fonds, der Landesirrenanstalt und der Landes Hypothekenbank sowie die betreffenden Voranschläge und der Rechenschaftsbericht 1. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. 9 des Landesausschusses wird Ihnen gleich bei Beginn der Session zugewiesen werden und dürfte namentlich die Beratung des Voranschlages des Landesfonds unter den gegebenen Verhältnissen eine sehr wichtige und ernste Agende der Landesvertretung bilden. Tiefe und eine ganze Reihe kleinerer Vorlagen und Berichte bilden den reichen und umfassenden Beratungsstoff dieser heute beginnenden Session und gewährleisten ein außerordentliches reiches und wichtiges Arbeitsmaterial, dessen Bewältigung Ihren ganzen Eifer und Ihre opferwillige Arbeitsfreudigkeit in Anspruch nehmen wird. Hohes Haus! Das Unglück, welches über unser Land hereingebrochen und das viele Beratungsmaterial, welches Ihnen, meine geehrten Herren, gerade deswegen vorliegt, es soll uns zu doppelter Tätigkeit entflammen. Arbeiten wir vereint zum Wohle unseres armen, schwergeprüften Landes und seiner Bewohner, arbeiten wir, um die düstere Gegenwart wieder mit einem frohen Ausblick in die Zukunft zu erhellen, fühlen wir uns bei dieser ernsten Arbeit als von edelster Nächstenliebe beseelt, dann wird auch Gottes Segen auf unserer Tätigkeit ruhen und auch in unserem Lande nach und nach alles wieder zum Guten sich wenden. Doch, bevor wir unsere verfassungsmäßige Tätigkeit beginnen, so lassen Sie uns vor allem mit Gefühlen innigsten Dankes und kindlicher Verehrung unseres Allergnädigsten Jubelkaisers aus Habsburgsthron gedenken. Seine Majestät haben anläßlich der Hochwasserkatastrophe als wahrer Vater Allerhöchst seiner Völker, in ganz hervorragender Weise durch eine Allerhöchste Spende als einer der ersten unserer armen Landeskinder gedacht und die Dankgebete von Tausenden Allergetreuester Untertanen im Lande vor dem Arlberge, die für das Wohlergehen unseres geliebten Landesvaters, vereint mit den Gebeten aller Völker des Reiches, besonders am 18. August, an welchem Tage Seine Majestät das 80. Lebens jähr vollendeten, zum Himmel emporgestiegen, sind lebendige Beweise der unauslöschlichen Liebe und Verehrung des Vorarlbergers zu seinem gütigen Kaiser. Auch wir, hohes Haus, als verfassungsmäßige Repräsentanten des Vorarlberger Volkes, wir wollen uns in diesem feierlichen Momente auch zum Dolmetsch desselben machen und aus dankbaren und treuergebenen Herzen mit Begeisterung rufen: Se. Majestät, unser Allergnädigster Kaiser und Herr, lebe "hoch, hoch, hoch!" (In welche Rufe das hohe Haus begeistert einstimmt, nachdem es sich von seinen Sitzen erhoben hatte. Somit erkläre ich die II. Session der 10. Landtagsperiode für eröffnet. (Bravorufe.) - Ich erteile das Wort dem Herrn Regierungsvertreter. Regierungsvertreter: Hohes Haus! Bei Eröffnung der II. Session der 10. LandtagsPeriode halte ich es auch für eine Pflicht meinerseits, das hohe Haus, insbesondere das hohe Präsidium und alle Herrn Abgeordneten aufs wärmste zu begrüßen. Vor allem gebe ich meiner Freude Ausdruck, den hochverehrten Herrn Landeshauptmann, welcher im heurigen Jahre eine schwere Krankheit überstanden hat, nunmehr im Vollbesitz der Gesundheit begrüßen zu können; ich danke ihm für die freundlichen Worte, die er mir gewidmet hat. Bei Beginn der vorigen Session bin ich Ihnen allen als Neuling entgegengetreten, den meisten ein Fremder. Ich glaube aber, die Not dieses einen Sommers hat uns näher zusammengebracht als jahrelange Arbeit. Ich glaube, daß ich nunmehr hier in Vorarlberg nicht nur dem Gesetze nach heimatberechtigt, sondern in der Tat heimisch geworden bin und dieser Umstand gibt mir Hoffnung, daß mein innigster Wunsch, dem hohen Landtage bei seinen Beratungen doch einigermaßen mit Erfolg beistehen zu können, in Erfüllung gehen werde. Hohes Haus! Die vorjährige Session stand im Zeichen der Freude über den Besuch seiner Majestät des Allergnädigsten Kaisers und des Stolzes über die Taten unserer Ahnen, welche die Jahrhundertfeier uns neuerlich in Erinnerung gebracht hat. Die heurige Session steht im Zeichen tiefster Trauer: aber ick' glaube, auch in diese Trauer mischt sich ein Gefühl des Stolzes, wenn wir sehen, mit welchem Mute die Bevölkerung das Unglück getragen, mit welcher Tatkraft sie sich angeschickt hat, es zu bekämpfen, und mit welcher Aufopferung dem Nächsten zu Hilfe geeilt wurde. 10 1. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. Wenn dieser Geist, der das ganze Land erfüllt, auch den hohen Landtag bei Lösung seiner schwierigsten Ausgabe, der Behebung der Schäden, welche durch die Hochwasserkatastrophe hervorgerufen wurden, erfüllen wird, so 6tn ich überzeugt, daß wir nicht mutlos der Zukunft entgegenblicken müssen, daß bald die vermurten Fluren wieder grünen werden und neues Leben sprießen wird aus den Ruinen. Tausende blicken hilfesuchend und hoffnungsvoll auf Sie. Ich bin sicher, daß dieselben in ihren Erwartungen nicht getauscht werden und daß Ihre Beratungen und Beschlüsse ein neues Blatt füllen werden im Ehrenbuch? des Landtages von Vorarlberg. (Bravorufe!) Landeshauptmann: Hohes Haus! Obwohl der gegenwärtige Landtag erst im Mai 1909, also vor kaum anderthalb Jahren neu gewählt wurde, so hatten wir doch im Herbste vorigen Jahres, kurz nach der Vertagung der I. Session einen schweren Verlust in unseren Reihen zu beklagen, dessen furchtbare Begleitumstände ihn zu einem wahrhaft tragischen gemacht haben. (Das hohe Haus erhebt sich von den Sitzen.) Der neugewählte Abgeordnete des Landgemeindenbezirkes Bludenz, Herr Ignaz Nigsch, verunglückte am 10. November in seiner Heimatgemeinde Blons, allwo er, seinem Berufe als Forstwart obliegend, beim Fällen von Holz beteiligt war, indem eine Tanne beim Falle in entsetzlicher Weise ihn traf und sofort tötete. Noch drei Tage vorher hatte Nigsch einer von mir in Klösterle anberaumten und geleiteten kommissionellen Verhandlung als Sachverständiger beigewohnt Abends hatten wir uns guter Dinge und mit dem Beifügen verabschiedet, daß wir uns am 12. in Bludesch bei einer ähnlichen Verhandlung treffen werden. Zwei Tage darauf kam die Kunde von dem auf so furchtbare Weise erfolgten Tode unseres armen Kollegen, dessen entseelte Hülle gerade zur selben Zeit zur irdischen Ruhe bestattet wurde, da wir uns der Verabredung gemäß in Bludesch hätten treffen sollen. Der Herr Abgeordnete Nigsch war uns, so kurze Zeit er auch in unserer Mitte geweilt, doch durch sein bescheidenes und freundlich es Wesen und durch sein reges Interesse, das er allen Verhandlungen entgegengebracht, ein lieber Kollege geworden. Die Herren haben sich zum Zeichen der Teilnahme bereits von ihren Sitzen erhoben. Möge dem lieben Kollegen die Erde leicht und der ewige Lohn im Jenseits beschieden sein. An Stelle des verstorbenen Herrn Abgeordneten Nigsch wurde Herr Abgeordneter Johann Müller in den hohen Landtag gewählt, der im hohen Hause erschienen ist. Ich lade denselben hiemit ein, die Angelobung zu leisten. (Das hohe Haus erhebt sich von den Sitzen.) "Sie haben Seiner lästerlichen und königlichen apostolischen Majestät, unserem Kaiser Treue und Gehorsam, Beachtung der Gesetze und gewissenhafte Erfüllung der Pflichten an Eides Statt zu geloben." Müller: Ich gelobe. Landeshauptmann: Es haben sich für die heutige und teilweise auch für die morgen tagende Sitzung drei der Herren Abgeordneten entschuldigt, nämlich die Herren Dietrich, Vögel und Willi. Die ersten zwei Herren sind durch dringende Privatgeschäfte am Erscheinen verhindert, der Herr Abgeordnete Willi hat einer gerichtlichen Verhandlung in Bezau als Sachverständiger beizuwohnen. Allen dreien habe ich, von dem mir nach der Geschäftsordnung zustehenden Rechte Gebrauch machend, den Urlaub auf zwei Tage bewilligt. Ich hatte ursprünglich die Absicht, die heutige eigentliche meritorische II. Sitzung nachmittags abzuhalten. Mit Rücksicht auf das Begräbnis des verstorbenen greisen Handelskammerpräsidenten, Herrn Rudolf Ganahl, wird die Sitzung aber nickt heute abgehalten, sondern ich beraume sie auf morgen vormittags 10 Uhr an mit folgender Tagesordnung, welche den Herren am Schlüsse der Sitzung zugestellt werden wird: 1. Wahl eines Finanzausschusses, eines volkswirtschaftlichen, landwirtschaftlichen und eines Petitionsausschusses, eventuell eines Schulausschusses. 2. Voranschlag des Vorarlberger Landesfonds pro 1911. 3. Rechenschaftsbericht des Landesausschusses. 4. Rechnungsabschlüsse pro 1909: a) des Landesfonds, b) des Landeskulturfonds, c) des Fonds zur Hebung der Rindviehzucht, d) des Normalschulfonds. 1. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. 11 5. Jahresbericht der. Landeshypothekenbank. 6. Zuschrift des Landesausschusses in Görz in Sachen einer Aktion bezüglich Übernahme der Impfkosten auf den Staat. 7 bis 12. Ansuchen nachstehender Gemeinden um einen Landesbeitrag zu den Schulauslagen: Vandans, Sonnag, Möggers, Unterlangenegg, Gaißau und Bludesch. 13. Eingabe der Stadtgemeinde Dornbirn um Übernahme von 2/3 der auf die Gemeinde entfallenden Erfordernisse der 1 k. Stickereifachschule. 14. Ansuchen des Stadtrates Dornbirn um Subventionierung des Handfertigkeitsunterrichtes. 15. Bericht des Landesausschusses über die vorgenommene Wahl eines Landtagsabgeordneten im politischen Bezirke Bludenz. 16. Bericht des Landesausschusses über die Wirksamkeit der Natural-Verpflegsstationen. 17. Bericht des Landesausschusses über die Subventionierung des sonntäglichen Fortbildungsunterrichtes. Bezüglich der Wahl der Ausschüsse überlasse ich es dann dem hohen Hause, ob es außer den vier gewöhnlichen Ausschüssen noch einen Schulausschuß wählen will, und bemerke nur, daß einige Gegenstände größeren Inhalts vorliegen, welche eventuell dem Schulausschusse überwiesen werden können. Die übrigen Gegenstände sind alles Zuweisungen, dagegen die drei letzten Punkte 15, 16 und 17 sind Berichte des Landesausschusses, die an die Herren Abgeordneten gleich nach Schluß der Sitzung verteilt werden. Es sind gedruckte Berichte und ich beabsichtige, wenn kein Widerspruch erhoben wird, sie direkt in Verhandlung zu ziehen. Wenn niemand sich meldet, so bleibt es bei diesem Vorgänge und ich erkläre die heutige Sitzung für geschlossen. (Schluß: 10 Uhr 53 Minuten.) Stene^"^"sche Sitzungsberichte 2397 der II. Landtagßsession in Vorarlberg zu Bregenz (X. Landtags-Kerioöe.) Einberufen mit Allerhöchstem Patente vom 11. September 1910 ans den 20. September 1910. Negierungsvertrelev: Herr k. k. Statthaltereirat Dr. Rudolf Graf von Meran. Vor der Eröffnung des Landtages fand in der Pfarrkirche ein feierliches Hochamt statt. Eröffnung des Landtages am 20. September 1910, Druck und Verlag von I. R. Teutsch, Buchhandlung. Verzeichnis der Mitglieder des Vorarlberger Landtages. A. Mitglied mit Birilstimme. Dr. Egger Franz, Bischof von Laranda, Generalvikar für Vorarlberg in Feldkirch. B. Abgeordnete der Städte. Wahlbezirke: 1. 2. 3. 4. Uregenz. Feldkirch. Aludenz. Dornbirn. Kinz Ferdinand, Dr., Advokat und Bürgermeister in Bregenz. Wegeler Josef, Kaufmann in Feldkirch. Konzett Andreas, Dr., Advokat und Bürgermeister in Bludenz. Rhomberg Adolf, Landeshauptmann und Fabriksbesitzer in Dornbirn. Luger Engelbert, ^Bürgermeister in Dornbirn. C. Abgeordnete der Landgemeinden. a. Landgemeindenknrie ZLregenz-ZLregenzerwatd: Fink Jodok, Reichsratsabgeordneter in Andelsbuch. Loser Franz, Reichsratsabgeordneter in Rieden. Ölz Josef, Oberdirektor in Bregenz. Vogel Johann Peter, Altvorsteher in Doren. Willi Josef Anton, Vorsteher in Schoppernau. d. Landgemeindenkurie Aeldkirch-Dornöirn: Amann Alois, Fabrikant in Hohenems. Bösch Engelbert, Gemeindeausschuß in Lustenau. Ebenhoch Ulrich, Bürgermeister in Götzis. Nachbaur Wendelin, Bürgermeister in Rankweil. Schreiber Franz Josef, Vorsteher in Altenstadt. c. Landgemeindenkurie Atudenz-Montafon: Thurnher Martin, Reichsratsabgeordneter in Dornbirn. Mayer Ägidius, Dekan in Schruns. Dietrich Alois, Vorsteher in Jnnerbraz. Müller Johann, Gastwirt in Bludesch. D. Abgeordnete der gemischten Wählerklasse. a. AezirK Mregenz-Wregenzerwakd: Kennerknecht Josef, Bahnbediensteter in Rieden. Fink Barnabas, Dekan in Hittisau. b. Bezirk Aekdkirch Aornvirn: Drexel Karl, Dr, Reichsratsabgeordneter in Dornbirn. Welte Albert, Geschäftsführer in Frastanz. c. Bezirk Wlndcnz-Wontafon: Walter Stefan, Handelskammer- und Stadtrat in Bludenz. E. Abgeordneter der Handels- und Gewerbekammer in Feldkirch. Rüsch Ignaz, Fabrikant und Handelskainmerrat in Dornbirn. Iorarlöerger Landtag. 1. Sitzung am 20 September 1910 unter dem Vorsitze des £)errn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 23 Abgeordnete. — Abwesend die Kerren: Dietrich, Wöget, Wikti. Regierungsvertreter : Lserr k. k. Statthaltereirat Dr. Rudolf Graf von Meran. Beginn der Sitzung um 10 Uhr 23 Minuten vormittags. Landeshauptmann: „Hohes Haus! Zufolge Allerhöchsten Patentes vom 11. Sep­ tember wurde die Landes'vertretung unseres Kronlandes, nachdem deren 1. Session einige Tage vorher, nämlich am 6. September ge­ schlossen worden war, auf den heutigen Tag zu ihrer 2. Session der gegenwärtigen Landtags­ periode einberufen. Es obliegt mir vor allem die angenehme Pflicht, Sie alle, meine sehr ver­ ehrten Herren Abgeordneten, bei Be­ ginn unserer Arbeiten herzlichst zu be­ grüßen und die Bitte daran zu knüpfen, in dieser ernsten und schweren Zeit, in welcher sich unser teures engeres Heimatland dermalen befindet, mit verdoppelter Pflichttreue und alt­ bewährtem Eifer an die Beratung der zahl­ reichen, in diesem Jahre besonders wichtigen Agenden zu schreiten. Indem ich gleichzeitig auch dem hochverehrten Regierungsvertreter, Hochgeboren Herrn Statthaltereirate Dr. Rudolf Grafen v. Meran mein ehrfürchtsvollstes Willkommen ent­ gegenbringe, danke ich Hochdemselben für alle dem Lande und seinen so schwer heimgesuchten Bewohnern in den letzten Monaten als Obmann­ stellvertreter des „Landeshilsskomitee" gewidmete Tätigkeit und seine stets bekundete und durch! die Tat bewiesene Teilnahme an dem schweren Ge­ schicke unserer Landsleute. Gleichzeitig bitte ich Herrn Grafen, unseren Beratungen wie in der früheren Session so auch heuer wieder mit seinem bewährten Rate unterstützend zur Seite zu stehen. Hohes Haus! Wohl noch nie, seit das ver­ fassungsmäßige Leben in unserem Kronlande seinen Anfang genommen, trat unsere Landesver­ tretung unter ernsteren und schwereren Auspizien zu ihren Beratungen zusammen, als gerade in diesem Jahre. Wohl halten uns auch die Jahre 1888 und 1890 sowie teilweise 1901 Ueber» schwemmungskatastrophen von bedeutender Aus­ dehnung gebracht. In den ersteren 2 Jahren durchbrach der Rhein seine Dämme, überflutete das blühende Tal und 6 Gemeinden bis 6 1. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. hinab nach Fußach und richtete in den um­ liegenden Gefilden ungeheueren Schaden durch Vernichtung der Feldfrüchte, der Dorfgründe rc. an und 1901 traten zahlreiche Wildbäche ver­ heerend aus ihren Ufern und> verwüsteten die benachbarten Gründe. In allen 3 Jahren wur­ den an die Staats- und Landeshilfe große An­ forderungen gestellt; dennoch! gelang es damals, den vereinten Anstrengungen und der kräftig sich einsetz!enden Privatwohltätigkcit die schwersten Wunden verhältnismäßig in kurzer Zeit zu heilen und nachdem wähl die Ländereien überflutet und die Jahresernte vernichtet ward, nicht aber eine kiauernbe Zerstörung des Ueberschwemmungsgebietes eingetreten war, so ersetzten reichliche und gesegnete Ernten späterer Jahve und das Auf­ blühen von Handel und Industrie gerade in den Rheingemeinden in verhältnismäßig kurzer Zeit die erlittenen schweren Schäden, während anderer­ seits mit Staats- und Landeshilfe auf vorarlbergischer Seite mächtige Binuendämme zum Schutze der Gefilde vor den Fluten Rheines sich erhoben und in den 1890er Jahren durch die in Angriff genommene Rheinregulierung und die Vollendung des unteren Durchstiches, dem nun in wenigen Jahren auch der obere folgen soll, nach Mensche lichem Ermessen dem österreichischen Rheingebiete dauernde Sicherheit .gewährleistet sein wird. — Tas Land selbst hat jene schwere Zeit, welche an seine sinanzielle Leistungsfähigkeit die größten Anforderungen stellte, verhältnisUräßig gut aus­ gehlalten und konnte trotz, der hohen Ausgaben nicht bloß seine Schuldentilgung zu Ende führen, sondern auch eine großzügige Aktion zur Her­ stellung eines das ganze Gebiet durchquerenden Straßennetzes und mehrerer Kleinbahnen ein­ leiten und mit Erfolg durchführen, es konnte gleichzeitig zahlreiche Flußrcgulierungen und Wildbachverbauungen vornehmen und daneben noch große Beträge für die Landwirtschaft, das Gewerbe, vor allem aber für Hebung des Schul­ wesens und Verbesserung der materiellen Lage des Lehrerstandes leisten, und all dieses, ohne Schulden machen zu müssen. Wie ganz anders hat sich aber durch das furchtbare L a u d e s u n g l ü ck des ab­ gelaufenen Sommers die ganze Lage gestaltet! Mit geradezu nie gesehener Vehe­ menz schwollen infolge der Regengüsse vom 13., 14. und 15. Juni und der dadurch verursachten rapiden Schneeschmelze beinahe sämtliche Wässer des ganzen Landes an und ihre schwarzbraunen, wilden Fluten ergossen sich, den fast übermensch­ lichen Anstrengungen der auf Rettung von Hab und Gut bedachten Bewohner zum Trotze, überall den Greuel furchtbarer Zerstörung und Verwüstung mit sich bringend, über die Gefilde unserer sonst so herrlichen Täler und zahlloser aufblühender Gemeinwesen. Tie historisch so bedeuisame, paradiesisch gelegene Stadt F e l d k i r ch, eine landschaftliche Perle, bekannt durch den Fleiß, die Tüchtigkeit und die Gastlichkeit der Bürger­ schaft, sie war umgcbeu und umflutet vom reißenden Jllstvome, der Straßen und Häuser überschwemmte, Menschenleben in Gefahr brachte und ungeheuren Schaden an Hab^ und Gut aurichtete. Mit ihr wurden die großen Gemein­ den Frastanz, Renz in g und Altenstadt, sowie Schl ins und S atteins durch die III, bezw. deren Nebenbäche Meng und Samina in ausgedehntester Weise heimgesucht und in Fra­ stanz, Nenzing, Schl ins und Satteins durch die Erhöhung des Fluß- beziehungsweise der Bach­ bette eine außerordentlich ernste Situation ge­ schaffen, so daß bei jedem starken Gewitterregen dieses Sommers — und diese gehörten wahrlich nicht zu den Seltenheiten — neuerliche Ausbrüche erfolgten, während die sogenannte Au zwischen Felsen au und Frastanz durch Wochen einem vollständigen See glich. Auch das Brandner- und W a l s e r t a l wurden stark heimgesucht, während im K l o st e r t a l e sich die Alfens ein breites Bett grub, viel Grund und Boden wegriß und die Orte Klösterle und T a l a a s überflutete. Auch am fernen T a m b e r g wütete der dort noch junge Lech und schädigte die Kulturen namhaft, bevor er sich nach Tirol und Bayern verheerend weiter ergoß. Ini Bregenzer wal de wüteten die Bregenzerach mit ihren Nebenbächen, speziell dem Argenbache, Mellen- und Bizauerbache, in nie geahnter Ausdehnung, rißen Wege und Brücken fort, ja gefährdeten selbst Häuser und richteten einen unübersehbaren Schaden an. Auch die int Rheintale befindlichen großen Gemeinden wie Götzis, Hohenems, R a n k weil, Alta ch, Dornbirn, Schwarz a ch und Wolfurt wurden mehr oder weniger schwer 1. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. heim gesucht, während, um das Unglück voll zu machen, auch der Bodensee beinahe die seltene Höhe von 1890 erreichte und sowohl Teile von Bregenz als besonders ein großes Gebiet von Hard und Fuß ach unter Wasser setzte und auch die Ernte jener Gegenden zum großen Teile ver­ nichtete. Und was soll ich erst von dem armen unglücklichen Montafon sagen? Es ist ein wahres Jammerbild, das fkfy da vielfach dem Beschlauer zeigt: St. Anton und Lorüns lange Zeit überflutet, in Schruns, T s ch a g guns und Gaschurn zahllose Gründe zerstört und weggerissen, Häuser und Fabriken vom Erd­ boden verschwunden, von Straßen und von der Bahn kilometerweit gar nichts mehr vorhanden, in V a n d a n s und S t. G a l l e n k i r chl die eine Hälfte des Gemeindegebietes an Stelle blühender Gefilde eine Meter hohe Stein- und Schutt­ masse, durchbrochen von neuen tiefen Bach­ gerinnen, ein wahres Schoeckensbild der Zer­ störung, welche aus' Jahre hinaus, wenn nicht für immer, ihre entsetzlichen Folgen zurücklassen wird. Wir können als Resume all des Un­ glückes ohne Uebertreibung behaupten, von den 102 Gemeinden des Landes sind n i ch t 15, welche bei jenem k a t a st r o phalen Hochwasser nicht empfind­ lichen Schaden erlitten; denn auch unsere Bergdörfer wurden durch Wald- und Grundabrutschtlngen schwer geschädigt. Und wie fürchtbar stellt sich der ziffern­ mäßige S chl a d e n, den diese Katastrophe ver­ ursachte? Wenn wir nur jenen Schaden ins Auge fassen, den das Hochwasser an Straßen und Brücken und an Wahrungen und Wildbachverblau­ ungen angerichtet und die Kosten der Wieder­ herstellung (provisorische und definitive), so ergibt sich für Straßen und Brücken ein Gesamtbetrag von K 1, 381.000'—, für Wasserbauten ein so lcher von K 7, 372.000-—, somit zusammen von K 8, 753.000'—, eine Summe, welche für unser kleines Land einfach als unerschwinglich! und niederdrückend angesehen werden muß. Und dabei ist der immense Schaden, den die Privaten allerorten erlitten haben und zu dessen, wenig­ stens teilweiser Linderung d u r iy h o chherzige Spenden Seine Majestät, unser 7 Allergnädigster Kaiser, die Durchlauchtigsten kaiserlichen Hoheiten, die hohe k. k. Regierung, die Reichshauptstadt Wien, verschiedene andere Kommunen des In- und Auslandes, der deutsche und österreichische Alpenverein, das Rote Kreuz, die deutschen Schutzvereine, und mit besonderem Danke sei es gesagt, die Vereine der Vorarlberger in Wien und Innsbruck und endlich ungezählte Gemeinden, Vereine und Privaten des In- und Auslandes in edler Nächstenliebe beigetragen, noch gar nicht gerechnet! ' Ist es unter solchen Eindrücken nicht geradezu niederschmetternd für die Landesvertretung und den Landesausschuß, deren Jahrzehntelange haushälterische Tätigkeit mit einem Schlage illusorisch geworden ist und die nun gezwungen sind, zur Abwehr der Not und zur Sanierung große Anlehen aufzunehmen, an deren Verzinsung und Amortisierung unsere Nachkommen noch Generationen lang initzutragen haben werden und die unsere andern Unler­ nehmungen, soweit sie Unterstützung durch Landesmittel erfordern, vielfach auf Jahrzehnte zu hemmen und zu verzögern geeignet sein werden. Doch wir wollen den Mut nicht sinken lassen, in ernster Zeit zusammen­ tretend, wollen wir mit umso größerem Eisdr uns vereinen im Zeichen der umfassendsten Hilfe für unsere so schwer heimgesuchte Bevölkerung und der Beratung über die Mittel der Abwehr vor neuerlichen Katastrophen und der alte Gott, der unser Land schon so oft in schweren Tagen beschützt und geleitet, er wird unser Vorarlberg und sein fest auf ihn vertrauendes Volk auch jetzt nicht verlassen und so wollen wir denn mit seiner Hilfe an die schwere Arbeit schreiten! Die hohe Staatsregierung wird uns in unserem Unter­ nehmen ihre mächtige Unterstützung leihen und nach mit deren Bevollmächtigten durchgeführten Ver­ handlungen wird der Landesausschuß in der Lage sein, dem hohen Hause 2 G e s e tz e s v o r la ge n zu unterbreiten, betreffend die Behebung der E l e m e n t ar sch ä de n der Flüsse und Bäche, sowie der an össentlichen Straßen und Brücken verursachten Schäden, womit die Sanierungsaktion eingeleitet erscheint. Zur Herbeibringung der erforderlichen Geldmittel für all' diese ausge­ dehnten Aktionen wird es unausbleiblich sein, 8 1. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910. daß der hohe Landtag für deren Deckung int Wege der Aufnahme eines Darlehens rechtzeitig Sorge trägt. Bevor ich von diesen, für unsere heurige Session wichtigsten und folgenschwersten Agenden auf unsere anderen Landesangelegenheilen und Vorlagen übergehe, ist es mir noch ein Herzens­ bedürfnis allen jenenFaktoren undPers o n e n, w e l ch e i n d i e s e n f ch w e r e n T a g e n für; die Heim gesuchten gearbeitet und gewirkt haben, den wärmsten und auf­ richtigsten Dank zum Ausdrucke zu bringen. In erster Linie danke ich Sr. Exzellenz dem Herrn Statthalter für seine so trost­ bringenden Besuche der überschwemmten Landes­ teile, für seine rege Fürsorge zur Linderung der Not der Ueberschwemmten, die Abordnung von Hilfe in diese Gegenden und all die linier» stützung, die Seine Exzellenz den Aktionen des Landesausschusses angedeihen ließen. Ich danke der hohen Regierung für ihre werktätige materielle Unterstützung zur Behebung der ersten Not und für die in Aussicht genommene großmütige Zusicherung der Staatshilfe zu den Wiederherstellungsarbeiten und Schutzmaßnah­ men an Straßen, Dämmen und Büchen usw. Ich danke den k. u. k. Pionieren des Heeres und unseren braven Kaiserjägern für ihr opferwilliges und todesverachtendes Wirken und damit auch allen jenen, welche in jenen Tagen mit Mut und Heroismus unter Hintansetzung ihrer Gesundste it die Akte edelster Nächstenliebe vollbracht haben. Ich danke ferner dem Herrn Landes­ hauptmannstellvertreter Thurn her, welcher, da ich zu meinem tiefsten Schmerze inmitten des furchtbaaren Landesunglückes infolge meiner schweren Krankheit zur Untätigkeit ver­ urteilt war, alle in Sachen der Ueberschwemmten notwendigen Schritte vorzunehmen und inonate­ lang all die vielen Reisen und Verhandlungen zur Einleitung der Sanierung der Katastrophe im Vereine mit den anderen Mitgliedern des Landesausschusses zu unternehmen und durchzuführen hatte und dessen Arbeitsgebiet fast bis zur Erschöpfung seiner Kräfte ausge­ dehnt war. Ich danke desgleichen den hochver­ ehrten Herren Chefs der drei Bezirks­ hauptmannschaften, welche, in dem Be­ streben, für die Notleidenden ihres Bezirkes Hilfe zu erreichen, alles ausboten uno zu jeder Stunde um das Wohl derselben bedacht waren. Ich danke ferner auch, aus aufrichtigem Herzen unserm wackeren Herren vom landschaftlichen Bauamte, an deren Spitze Herrn Landesober­ ingenieur I l m e r, welche alle mit seltenem Pflichteifer, ja zum Teile mit Gefahr für ihr Leben und ihre Gesundheit an dem Rettungswerke sich beteiliget, den armen Ueberschwemmten mit Rat und Tat zur Seite gestanden und Tag und Nacht im Dienste der Hilfsaktion tätig waren. ^Angesichts der Wasserkatastrophe treten natur­ gemäß die anderen Ihrer Behandlung zu unterziehenden Vorlagen mehr oder weniger in den Hintergrund. Ein Teil derselben hängt ohnedies, wenn auch etwas lose> mit der Sanierungsaktion zusammen, so die Gesetzentwürfe betreffend die Herstellung von Schutz bauten anderFrntzinRankweilundZwisch, enwasser und betreffend die Deckung der Mehr­ kosten der Jllschutzbauten in den Frak­ tionen Motten, M a r i e x, G e nt e i n d e Nenzing. Außer diesen Vorlagen wird den hohen Landtag auch auf dem Gebiete des Straßenund Wasserwesens noch beschäfngett: der Gesetz­ entwurf betreffend Regulierung des Kob­ lacher Kanales in seinem oberen Teile, womit einem langjährigen dringenden Wunsche und Bedürfnisse der oberen Rhein­ gemeinden endlich entsprochen werden kann; ferner die Berichte des Landesausschusfes be­ treffend die Deckung der Mehrkosten der nun vollendeten Flex e n st raße und betreffend die Herstellung der Tat­ st r a ß e in Mittelberg (Kleinwalsertal). Tie schon seit mehreren Jahren in Angriff genommenen 2 Vorlagen des Landesausschufses und zwar der neue F o r st g e s e tz e n t w u r f u n d d a n n a u ch n o ch der Gesetzentwurf betreffend die Re­ gelung der Bezüge der Waldaufseher find endlich spruchreif geworden und werden dem hohen Hause im Lause dieser Session mit einem separaten Berichte zugehen. Tie Rechnungsabschlüsse der einzelnen landschaftlichen Fonds, der Landes­ irrenanstalt und der Lau des Hypo­ thekenbank sowie die betreffenden Voranschläge und der Rechenschasts­