19090916_lts001

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Letzte Änderung 03.07.2021, 11:29
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp10,lts1909,lt1909,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Stenographische Sitzungsberichte der I. Landtagssession in Vorarlberg zu Bregenz. (X. Landtags-Periode.) Einberufen mit Allerhöchstem Patente vom 12. auf den 16. September 1909. Regierungsvertreter: Herr k. k. Statthaltereirat Dr. Rudolf Graf von Meran. Vor der Eröffnung des Landtages fand in der Pfarrkirche ein feierliches Hochamt statt Eröffnung des Landtages am 16. September 1909. Bregenz. Druck und Verlag von J. N. Teutsch, Buchhandlung. Verzeichnis der Mitglieder des Vorarlberger Landtages. A. Mitglied mit Virilstimme. Dr. Egger Franz, Bischof von Laranda, Generalvikar für Vorarlberg in Feldkirch. B. Abgeordnete der Städte. Wahlbezirke: 1. Bregenz. Kinz Ferdinand, Dr., Advokat und Bürgermeister in Bregenz. 2. Feldkirch. Wegeler Josef, Kaufmann in Feldkirch. 3. Bludenz. Konzett Andreas, Dr., Advokat in Bludenz. 4. Dornbirn. Rhomberg Adolf, Landeshauptmann und Fabriksbesitzer in Dornbirn. Luger Engelbert, Stadtrat in Dornbirn. C. Abgeordnete der Landgemeinden. a. Landgemeindenkurie Bregenz-Bregenzerwald: Fink Jodok, Reichsratsabgeordneter in Andelsbuch. Loser Franz, Reichsratsabgeordneter in Rieden. Ölz Josef, Oberdirektor in Bregenz. Vogel Johann Peter, Altvorsteher in Doren. Willi Josef Anton, Vorsteher in Schoppernau. b. Landgemeindekurie Feldkirch-Dornbirn: Amann Alois, Fabrikant in Hohenems. Bösch Engelbert, Gemeindeausschuß in Lustenau. Ebenhoch Ulrich, Bürgermeister in Götzis. Nachbaue Wendelin, Bürgermeister in Rankweil. Schreiber Franz Josef, Vorsteher in Altenstadt. c. Landgemeindekurie Bludenz-Montafon: Thurnher Martin, Reichsratsabgeordneter in Dornbirn. Mayer Ägidius, Dekan in Schruns. Dietrich Alois, Vorsteher in Innerbraz. Nigsch Ignaz, Forstwart in Blons. D. Abgeordnete der gemischten Wählerklasse. a. Bezirk Bregenz-Bregenzerwald: Kennerknecht Josef, Bahnbediensteter in Rieden. Fink Barnabas, Dekan in Hittisau. b. Bezirk Feldkirch-Dornbirn: Drexel Karl, Dr., Reichratsabgeordneter in Dornbirn. Welte Albert, Geschäftsführer in Frastanz. c. Bezirk Bludenz-Montafon: Walter Stefan, Handelskammerrat in Bludenz. Abgeordneter der Handels- und Gewerbekammer in Feldkirch. Rüsch Ignaz, Fabrikant und Handelskammerrat in Dornbirn. Vorarlberger Landtag. 1. Sitzung am 16 September 1909 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmanns Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 24 Abgeordnete. - Abwesend die Herren: Dr. Drexel, Rüsch. Regierungsvertreter: Herr k. k. Statthaltereirat Dr. Rudolf Graf von Meran. Beginn der Sitzung um 10 Uhr 58 Minuten vormittags. Regierungsvertreter: Hochgeehrte Herren! Seine k. u. k. Apostolische Majestät haben mit Allerhöchster Entschließung vom 7. September l. Js. den Herrn Landtagsabgeordneten Adolf Rhomberg zum Landeshauptmann im Lande Vorarlberg und den Herrn Landtagsabgeordneten Martin Thurnher zu dessen Stellvertreter in der Leitung des Landtages allergnädigst zu ernennen geruht. Mit Allerhöchstem Patente vom 12. September 1909 wurde der Vorarlberger Landtag auf den heutigen Tag in seinem gesetzlichen Versammlungsorte Bregenz einberufen. Mit der Vertretung der Regierung im Vorarlberger Landtage betraut, begrüße ich sämtliche Herren Abgeordnete, insbesondere das Landtagspräsidium auf das wärmste und lade zunächst den Herrn Landeshauptmann ein, im Sinne der bestehenden Vorschriften an Eides Statt dem Kaiser Treue und Gehorsam, Beobachtung der Gesetze und gewissenhafte Erfüllung seiner Pflicht in meine Hand zu geloben. Landeshauptmann: Ich gelobe. Regierungsvertreter: Ich ersuche den Herrn Landeshauptmann, den Landtag zu eröffnen und den Vorsitz im hohen Hause zu übernehmen. (Landeshauptmann übernimmt das Präsidium.) Hohes Haus! Ich erblicke in dieser Versammlung unter einer großen Anzahl von bewährten Beratern des Volkes auch zahlreiche Neulinge auf parlamentarischem Boden. Sie alle, sehr geehrte Herren, die Sie hier versammelt sind, sind aber einig im Bestreben, nach besten Kräften, mit gutem Wissen und Gewissen all Ihr Können in den Dienst des Volkswohles zu stellen. Ich möchte Sie nur bitten, überzeugt zu sein, daß dieses Bestreben nicht nur die Vertreter des Volkes, sondern auch den Vertreter der Regierung erfüllt, daß ich, soweit es 6 1. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 10. Periode 1909. an mir liegt und soweit meine schwachen Kräfte reichen, auch meinerseits alles tun werde, die Versammlungen und Beratungen in diesem Hause zu ersprießlichen zu machen. Vor wenigen Tagen haben wir in Bregenz ein glänzendes Fest vorüberrauschen gesehen und Seine Majestät, welche selbst durch Ihre Anwesenheit uns zu beglücken geruht hat, hat dieses Fest durch den Ausspruch geehrt: "Es ist erstaunlich, was dieses kleine Land Vorarlberg für dieses Fest geleistet hat." Die Einigkeit aller, bereit Herz für Kaiser und Vaterland schlägt, hat dieses Erstaunliche zustande gebracht. Möge die Arbeit für dieses Fest vorbildlich sein für die wirtschaftliche und ethische Arbeit, die Sie, interne hochgeehrten Herren, hier zu leisten haben. Möge der gleiche Geist auch Sie alle beseelen, dann wird der Erfolg, welcher den Vorarlberger Landtag auf den bisherigen Tagungen begleitet hat, auch in Zukunft nicht fern bleiben zum Heile des Landes und des ganzen Reiches. Landeshauptmann: "Hohes Hais! Zum viertenmale hat mich die Gnade Sr. Majestät, unseres allergnädigsten Kaisers, auf bitt in hohem Grade ehrenvollen Posten eines Landeshauptmannes berufen, welche Stelle seit 10 vollen Jahren zu bekleiden ich das Glück und die Ehre habe. Tiefgerührt durch diese mir neuerlich zu teil gewordene Berufung an die Spitze der Landesvertretung und der autonomen Landesregierung und die damit zum Ausdruck gelangte Allerhöchste Zufriedenheit mit meiner in den abgelaufenen 2 Dezennien für mein geliebtes, engeres Heimatland geleisteten bescheidenen Arbeiten, ist es mir ein Herzensbedürfnis, meinen alleruntertänigsten Dank für mir erwiesene Allerhöchste Huld und Gnade zum Ausdrucke zu bringen. An den hochverehrten Herrn Regierungsvertreter gestatte ich mir die Bitte zu richten, diese meine Dankesworte an die Stufen des Allerhöchsten Thrones gelangen zu lassen, bis zu jenem hoffentlich nahen Zeitpunkte, in welchem mir dieses persönlich zu tun ermöglicht sein wird. Bei Beginn der ersten Session der neuen Landtagsperiode erblicken wir am Regierungstische einen neuen Mann, aber bereits im Lande keinen Neuling mehr. Der hochverehrte Herr Regierungsvertreter Graf von Meran, dem schon von der grünen Steiermark her der Ruf eines ausgezeichneten Verwaltungsbeamten und eines populären, die Interessen der Bevölkerung rasch erfassenden und für dieselben treu besorgten Amtschefs vorausging, hat seit seines Verweilens im Lande diesem Rufe vollständig entsprochen. Einem erlauchten Geschlechte angehörend, hat Herr Graf in den Fußstapfen seines volkstümlichen Großvaters, weiland Sr. kaiserlichen Hoheit Erzherzog Johann stehend, hierzulande es rasch verstanden, in und mit unserem Volke zu leben, seine Eigenart in sich aufzunehmen und sich in seine Wünsche und Bedürfnisse hineinzuleben. Ich zweifle daher keinen Augenblick, daß der hochverehrte Herr Regierungsvertreter auch bei den bevorstehenden Beratungen des hohen Hauses unsere Landesangelegenheiten sich aneignen wird und indem ich Herrn Grafen in unserer Mitte hochachtungsvollst willkommen heiße, richte ich an hochdenselben die Bitte, um sein Wohlwollen und seine gütige Mitwirkung zur Förderung und gedeihlichen Vollbringung unserer Arbeiten. Auch Sie alle, meine hochverehrten Herren Abgeordneten, begrüße ich wärmstens und herzlichst beim Beginne der 1. Session der neuen Landtagsperiode. Stand vor 6 Jahren schon die neue Landesvertretung im Zeichen der Wahlrechtsreform, indem sie auf Basis des durch Schaffung der allgemeinen Wählerklasse erweiterten Wahlrechtes aufgebaut wurde, so ist die heute zusammentretende verfassungsmäßige Vertretung unseres Kronlandes auf Grund eines in der letzten Session des abgelaufenen Landtages beschlossenen Wahlrechtes gewählt, welches durch Schaffung der sogenannten gemischten Kurie den ganz kleinen Steuerträgern, vereint mit den Nichtsteueranten das Recht einräumt, für sich allein 5 Abgeordnete in den Landtag zu entsenden, und zwar unabhängig und unbeeinflußt von den Zensiten. Diese sogenannte "gemischte Kurie" ist eminent fortschrittlich und demokratisch zugleich, steht aber bis jetzt einzig in ihrer Art in Österreich da; denn kein anderes Kronland hat sein Landtagswahlrecht bisher so demokratisch und für die kleinen Leute bedeutungsvoll ausgestaltet, wie das kleine, aber in so manchem schon bahnbrechend gewesene Land Vorarlberg! Auch das veraltete Vollmachtenwesen ist im neuen Wahlgesetze 1. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 10. Periode 1909. 7 gefallen und dem Zuge der Zeit und der Interessenvertretung Rechnung tragend, den selbständigen, steuerzahlenden Frauenspersonen ein persönliches Wahlrecht eingeräumt worden. Sache der neugewählten Landesvertretung wird es meines Erachtens sein, im Laufe dieser Landtagsperiode auch noch einen weiteren, dem modernen Zuge der Zeit Rechnung tragenden Grundsatz in die Landtagswahlordnung aufzunehmen, welcher bereits in der neuen Gemeindewahlordnung festgelegt ist, nämlich das Prinzip der Verhältniswahl, von welchem ich hoffe, das; auch seitens der hohen Regierung der bisher dagegen erhobene Widerstand im Laufe der nächsten Jahre aufgegeben werden wird. Meine Herren Abgeordneten! Sie gehören nicht bloß den verschiedensten Teilen unseres Landes durch ihren Wohnsitz an, Sie repräsentieren auch die mannigfaltigsten Berufe und Stellungen im öffentlichen Leben; und ebenso wie akademische Kre.se in tue Landstube eintreten, sind in derselben Bauern und Gewerbetreibende, Industrielle und Arbeiter, Stecker und Stickfabrikanten vertreten und da Sie, meine Herren Abgeordneten, die Wünsche und Beschwerden der Bevölkerung in Ihren Landesteilen aus eigener Anschauung und Erfahrung kennen gelernt haben, so werden Sie, - dessen bin ich überzeugt, - auch von dem Bestreben sich leiten lassen, das Ihnen übertragene Mandat nach Ihrem besten Wissen und Gewissen zum Wohle des teuren Vorarlberger Volkes auszuüben. Ich bitte Sie, meine verehrten Herren, bringen Sie mir auch in der heute beginnenden Landtagsperiode Ihr Vertrauen entgegen und brauche ich Ihnen wohl nicht die Versicherung zu wiederholen, die ich schon vor 19 Jahren abgegeben und die ich glaube, auf diesem Posten hier stets nach besten Kräften einzuhalten bemüht war, nämlich die Versicherung, die Verhandlungen des hohen Hauses mit gewissenhafter Objektivität und Unparteilichkeit zu leiten und Ihren Wünschen und Anliegen, soweit es in meinen Kräften liegt, vollstes Entgegenkommen zuteil werden zu lassen. Gestatten Sie mir auch die Bitte, wollen Sie mir stets Offenheit entgegenbringen und wollen Sie die Verhandlungen des hohen Hauses, wie all Ihre Vorgänger immer mit jener Sachlichkeit, Ruhe und Noblesse führen, welche den Vorarlberger Landtag stets ausgezeichnet haben. Hohes Haus! Die beginnende Tagung wird ein reiches Material zur Bearbeitung vorfinden Neben der Prüfung und Genehmigung der statt gehabten Landtagswahlen wird bald die Neu wähl des Landesausschusses und einiger anderer, die Dauer der Landtagsperiode umfassender Funktionäre zu erfolgen haben. Bon den Vorlagen, die der abtretende Landesausschuß Ihnen unterbreiten wird, nenne ich den Rechenschaftsbericht über dessen Tätigkeit, die Rechnungsabschlüsse pro 1908 der einzelnen landschaftlichen Fonde, sowie der Landesirrenanstalt Valduna, ferner die Voranschläge pro 1910. Allerdings kann der so wichtige Voranschlag des Landesfondes dermalen noch nicht zur Gänze im Hause erledigt werden, weil die einzusetzenden Einnahmen an Steuerzuwendungen ziffernmäßig noch nicht bekannt sind. Wie den geehrten Herren erinnerlich, läuft mit diesem Jahre der gesetzliche Termin ab, innerhalb welchem gegen gewisse Begünstigungen und Zuwendungen aus der staatlichen Personaleinkommensteuer das Land für sich und die Gemeinden auf die Belegung der Personaleinkommensteuer mit Landes- und Gemeindezuschlägen verzichtet hat. Gerade diese gesetzliche Neuregelung im Zusammenhange mit dem Plane der hohen Regierung zur Sanierung der Landesfinanzen in dem größten Teile der Kronländer, eine Sanierung, welche auch unsern im übrigen, mit Befriedigung .sei es gesagt, in guter Ordnung befindlichen Finanzen zustatten kommt und dem Lande für seine immer zahlreicher werdenden Bedürfnisse und Unternehmungen, speziell auf dem Gebiete des Straßen- und Wasserbaues neue Einnahmsquellen sichern soll, verschiebt einerseits noch die genaue Feststellung des Voranschlages, sie wird aber andererseits in einer späteren Fortsetzung dieser Session uns in sehr intensiver Weise zu beschäftigen haben, um noch vor Jahresschluß eine neue gesetzliche Regelung zu erhalten. Im Zusammenhange mit dieser legislatorischen Arbeit steht dann die Neuregelung der ebenfalls mit 31. Dezember dieses Jahres befristeten Landesauflage für Bier und Wein, deren neuerliche gesetzliche Regelung für eine längere Periode und vielleicht in etwas modifizierter Weise die Landesvertretung beschäftigen muß, soll 8 1. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 10. Periode 1909. nicht mit 1910 ein Vakuum in den Zuweisungen für die Lehrergehalte entstehen, das unter allen Umständen vermieden werden muß. Denn gerade die Ausgaben für Schulzwecke werden sich der Natur der Sache nach von Jahr zu Jahr erhöhen und schon der heute zusammentretende hohe Landtag wird ziemlich zahlreiche Gesuche von Gemeinden vorfinden, die mit außerordentliche Landesbeiträge zu den Schulauslagen ansuchen. Auf dem Gebiete des Straßen- und Wasserbaues wird dem hohen Landtage der Gesetzentwurf, betreffend die Herstellung von Schutzbauten an der Ill bei Gortipohl, welchem im Vorjahre die Allerhöchste kaiserliche Sanktion nicht zuteil ward, in abgeänderter Form neuerlich vorgelegt werden, ebenso wird das hohe Haus nach Umständen im Laufe seiner Tagung eventuell die Frage wegen Abänderung des Landesgesetzes vom 29. November 1899, betreffend die Herstellung von 'Konkurrenz-Straßen im Sinne einer Erhöhung der dort vorgesehenen Bauerfordernisse einzelner der Vollendung entgegengehender Straßenzüge beschäftigen. In Bezug auf die land- und forstwirtschaftliche Aktion werden je nach Fortgang der noch in Schwebe befindlichen Vorarbeiten dem hohen Hause der bedeutungsvolle Gesetzentwurf, betreffend die Berufsgenossenschaften der Landwirte, der Entwurf eines Forstgesetzes und betreffend die Regelung der Bezüge der Waldaufseher in späterer Tagung zugehen. Endlich muß ich noch darauf hinweisen, daß in dieser Session einen wichtigen Gegenstand unserer Verhandlungen bilden wird, die endgültige Erledigung der Frage nach Schaffung eines eigenen Heimes für das Land, sei es durch Erwerbung eines Bauplatzes für einen Neubau, sei es durch An- und Neubau beim gegenwärtigen Landhause in der Kirchgasse. Möge der Allmächtige unsere mit vereinten Kräften zu beginnenden Arbeiten segnen, auf daß dieselben zum Wohle des Volkes fruchtbringend sich gestalten werden! Hohes Haus! Das Jahr 1909 steht unter dem Zeichen der Jahrhundertfeier jener wackeren Männer, welche Anno 1809 Helden gleich gegen einen übermächtigen Feind sich erhoben und unter dem begeisterten Rufe: "Mit Gott für Kaiser und Vaterland" die Ketten der Fremdherrschaft abschüttelnd, für die Wiedervereinigung Vorarlbergs mit dem angestammten Herrscherhause im ungleichen Kampfe gegen die brutale Despotie des korsischen Eroberers und seiner Vasallen ihr Blut und Leben opferten. Siegreich flatterte die Fahne unserer heldenmütigen Ahnen wochenlang in dem der Freiheit wiedergewonnenen Lande, beschützt und geleitet von Männern von Geist wie Generalkommissär Dr. Schneider durch ihr staatsmännisches Geschick, beschützt auch von den einfachen Männern aus dem Volke, einem Nachbaur, Riedmiller, Sutterlüti, Müller und anderen, welche auf dem Schlachtfelde als Führer von militärischem Geschicke und vorbildlicher Tapferkeit sich hervortaten und den Feind aus dem Lande verjagten. Diesen Männern allen schulden wir nach 100 Jahren noch unauslöschlichen Dank und ihnen zu Ehren veranstaltete das Land jene herrliche, unvergleichliche Zentenarfeier in den Tagen des 30. und 31. August hier in Bregenz, an welcher sich das ganze Volk in herzerhebender Weise ohne Unterschied des Standes und Ranges, sowie der politischen Anschauungen begeistert unter gleichzeitiger Anteilnahme des Auslandes, sowohl aus den monarchischen Bodenseestaaten als auch aus der republikanischen Schweiz, aus welchen Tausende und Abertausende erschienen und freudigen Anteil an unserem Festesjubel nahmen. Was aber dem historischen Feste erst seine wahre Weihe gab, was geeignet war, jedes Vorarlberger Herz in Jubel erklingen zu lassen, das war die beglückende Anwesenheit Seiner Majestät unseres allgeliebten Herrschers. Trotz der Last der Jahre hat unser allergnädigster Kaiser weder die Strapazen der weiten Reise noch die großen Anstrengungen und Mühen der Anteilnahme an den zwei unmittelbar au einander sich reihenden Festen in Innsbruck und Bregenz gescheut und dem Lande die hohe Gnade Allerhöchstseiner Anwesenheit zu erweisen geruht. Wer Zeuge sein konnte, von der Begeisterung und dem patriotischen Sinne unseres Volkes, wie dasselbe sich in jenen Tagen in Beweisen innigster Verehrung und Liebe zum greisen Herrscher überbot, dem werden jene Momente unvergeßlich sein und bleiben, als Seiner Majestät, umgeben von vielen Tausenden Seiner I Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 10. Periode 1909. 9 getreuen Vorarlberger, gewissermaßen der Schwur der nie erlöschenden Treue erneuert wurde, einer Treue, die unsere Ahnen mit ihrem Herzblut gekittet haben und als unser greiser Jubelkaiser jene herzerhebenden, wahrhaft väterlichen Worte sprach, womit er es laut verkündete, daß Allerhöchstseine Anwesenheit im Lande vor allem galt der Erinnerung an jene ruhmvolle und opferschwere Zeit, an jene wackeren Männer, die vor 100 Jahren unsere Voreltern zum heldenhaften Kampfe mit dem übermächtigen Feind begeistert haben. Ebenso tief sind aber unserem Volke die weiteren väterlichen Mahnworte Seiner Majestät ins Herz eingedrungen und werden, so lange es echte Vorarlberger gibt, nie mehr daraus entschwinden; Worte, die da lauteten: "Bewahrt Euch die Tugenden Euerer Väter, lehret Euere Kinder Gottesfurcht, Liebe zur Arbeit, Anhänglichkeit zum Vaterlande, so wird Vorarlbergs Zukunft gesegnet sein." Unter dem tiefen nachhaltigen Eindrucke jener unvergeßlichen Augenblicke steht heute noch die neugewählte, nun zum erstenmale zu ihrer verfassungsmäßigen Tätigkeit versammelte Landesvertretung. Waren wir doch alle nächste und unmittelbare Zeugen jener ewig denkwürdigen Momente und heute, Hohes Haus! wollen wir wie damals am 30. August, ebenso begeistert und erfüllt von Liebe, Verehrung und Dankbarkeit für unseren väterlichen Herrscher rufen: Seine Majestät, unser allergnädigster Kaiser, lebe hoch! hoch! hoch!" Somit erkläre ich die erste Session der 10. Landtagsperiode für eröffnet. Ich erteile das Wort dem Herrn Landeshauptmannstellvertreter. Landeshauptmannstellvertreter: Hohes Haus! Ich möchte ebenfalls vor allem andern meinem ehrfurchtsvollsten und untertänigsten Danke für die durch Allerhöchste Entschließung erfolgte Ernennung zum Landeshauptmannstellvertreter Ausdruck geben und ersuche unsern hochverehrten Herrn Regierungsvertreter, diesen Ausdruck des Dankes vor den Stufen des Allerhöchsten Thrones niederzulegen. Bei der Rüstigkeit, bei dem großen, außerordentlichen Eifer und Pflichtgefühle unseres verehrten Herrn Landeshauptmannes werde ich wohl wenige Male in die Lage kommen, die Leitung dieses hohen Hauses zu übernehmen. Wenn aber dieses der Fall sein sollte, dann bitte ich um Ihre Nachsicht und meinerseits können Sie versichert sein, daß ich in diesem Falle die Verhandlungen des hohen Hauses mit größter Objektivität leiten werde. Im übrigen werde ich wie es seit meiner 40jähngen öffentlichen Tätigkeit geschehen ist nach wie vor für die Interessen unseres Landes, sowohl für die geistigen als auch die materiellen Interessen desselben und für das Wohl der braven Bevölkerung desselben stets unentwegt einstehen. Landeshauptmann: Ich werde nun die Angelobung der neugewählten Herrn Abgeordneten vornehmen. Der Herr Sekretär wird die Namen verlesen und die Herren haben die Worte zu sagen: Ich gelobe. (Das hohe Haus erhebt sich von den Sitzen.) "Sie haben Seiner kaiserlichen und königlichen apostolischen Majestät, unserem Kaiser Treue und Gehorsam, Beachtung der Gesetze und gewissenhafte Erfüllung der Pflichten an Eides Statt zu geloben." (Der Sekretär verliest in alphabetischer Ordnung die Namen der anwesenden Abgeordneten, welche das Gelöbnis ablegen) Ich habe dem hohen Hause noch mitzuteilen, daß zwei der neugewählten Herren Abgeordneten sich für heute und vielleicht auch noch für morgen entschuldigt haben, nämlich der Herr Abgeordnete Dr. Drexel hat sich telephonisch von Wien aus entschuldigt und mitgeteilt, daß er erst morgen hier eintreffen könne. Ebenso hat der Herr Abgeordnete Rüsch telegraphisch mitgeteilt und zwar von Karlsbad aus, woselbst er eine Kur gebraucht, daß er in den nächsten Tagen hier eintreffen werde. Er hat mir schon in einem früheren Schreiben berichtet, daß er, falls der hohe Landtag schon Mitte September zusammen treten werde, um einige Tage Urlaub bitte, weil er seine Kur noch zu vollenden habe. Diesen Urlaub habe ich ihm nach der mir zustehenden Befugnis erteilt. "Hohes Haus! Seit der verflossene Landtag das letztemal beisammen war, hat der Tod große Lücken in der Zahl der ehemaligen Kollegen hinterlassen. Nicht weniger als 3 Abgeordnete sind uns in verhältnismäßig kurzer Zeit entrissen worden. (Das hohe Haus erhebt sich.) Am 22. Oktober vorigen Jahres verschied der langjährige Vertreter der Handels- und Gewerbekammer, Herr Bürgermeister Dr. Waibel, nach kurzem Leiden im hohen Alter von 80 Jahren. Herr Dr. Waibel war in unserem öffentlichen Leben eine markante Persönlichkeit. Schon im Jahre 1868 zum Bürgermeister 10 1. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 10. Periode 1909. der größten Gemeinde des Landes gewählt, bekleidete er diese Stelle durch volle 40 Jahre ununterbrochen und zeichnete sich durch seine bis in das hohe Alter nicht erlahmende Arbeitsfreudigkeit und seltene Verwaltungs- und Gesetzeskenntnisse aus, welche Gesinnungsgenossen und Gegner an ihm gleichmäßig zu schätzen wußten. Auch im Landtage, in welchem Dr Waibel seit 1890 saß, (von 1890-1896 auch als Landesausschuß-Ersatzmann), bekundete er stets großes Interesse an allen Landesangelegenheiten und seine reichen Erfahrungen konnte er auch hier vielfach betätigen. Im besten Mannesalter stehend folgte dem greisen Kollegen schon nach 3 Monaten Herr Josef Anton Hirschbühl, Altvorsteher von Schwarzenberg, Vertreter der Landgemeinden des Bezirkes Bregenz-Bregenzerwald seit 1902, welcher infolge eines Wagenunfalles nach kurzem, schwerem Leiden, viel zu früh für seine Familie und die Heimatgemeinde, in welcher er wiederholt das Amt eines Vorstehers bekleidet hatte, uns durch den Tod entrissen wurde. Herr Hirschbühl war ein im ganzen Bregenzerwalde und weit darüber hinaus hochangesehener Mann, von großen landwirtschaftlichen Kenntnissen, die er auch als Preisrichter bei Tierschauen und als Landesexperte bei der Durchführung des Zuchtstierhaltungsgesetzes mit Erfolg bekundete. Auch war er Obmann des Bregenzerwälder Feuerwehr-Gauverbandes und der Bregenzerwälder-Assekuranz. Endlich verschied 1 Monat später Herr k. k. Notar Dr. August v. Preu, durch 12 Jahre Vertreter der Stadt Bludenz im Landtage, von 1902-1908 Ersatzmitglied im Landesausschuß, langjähriges Mitglied des Gemeindeausschusses und Ortsschulrates seiner Heimatgemeinde, welcher im Landtage als wiederholt gewähltes Mitglied des Schulausschusses, besonders bei Beratung der Schulgesetze von 1899 eifrig mitwirkte und Anteil nahm. Hohes Haus! Wir wollen den 3 entschlafenen Kollegen ein recht freundliches Andenken bewahren und da Sie sich zum Zeichen der Teilnahme bereits von ihren Sitzen erhoben haben, danke ich Ihnen dafür. Nach alter Gepflogenheit habe ich auf die heutige festliche Eröffnungssitzung keine meritorische Arbeit gesetzt. Deshalb beraume ich die zweite Sitzung auf heute nachmittags 4 Uhr an mit folgender Tagesordnung: 1. Wahl eines Finanz-, volkswirtschaftlichen, Petitions- und Schulausschusses. 2. Wahl der Landeskommission nach § 2 des Landesgesetzes vom 19. August 1907 belreffeud die Haltung von Zuchtsticren. 3. Rechenschaftsbericht des Laudcsausschusses. 4. Rechnungsabschlüsse pro 1908: a) des Vorarlberger Laudesfoudes; b) des Laudeskuliurfondes; c) des Fondes zur Hebung der Riudviehzucht; d) des Normalschulfondcs; e) der übrigen Fonde des Landes. 5. Jahresrechuuug der Landesirrenanstalt Valduna pro 1908 und Voranschlag derselben pro 1909. 6. Jahresbericht der Landeshypothekenbank pro 1908. 7. Rechnungsabschluß des Vorarlberger Lehrerpenssionsfondes pro 1908. 8. Rechnungsabschluß des Tiroler, Vorarlberger Grundentlastungsfondes pro 1908. 9. Gesuche der nachstehenden Gemeinden um einen Landesbeitrag zu den Schulerhaltungskosten: a) Dünserberg, b) Laterns, c) Bildstein, d) Sibratsgfäll, e) Weiler, f Fontanella, g) Vandans, h) Miitelberg, i Schröckeu, k) Schnepfau. 10. Gesuch der Gemeinde St. Anton um einen Beitrag zu den Kosten einer Handarbeitsschule^ für Mädchen 11. Gesuch der Oberlehrerswitwe Walser in Klösterle um Erhöhung der Witwenpension und um einen Erziehungsbeitrag für ihre arbeitsunfähige Tochter. 12. Bericht des Landesausschusses über die Tätigkeit der Naturalverpflegsstationen im Jahre 1908 13. Bericht des Landesausschusses über die Förderung des sonntäglichen Fortbildungsunterrichtes pro 19 9. Ich habe zu dieser Tagesordnung noch einige kurze Bemerkungen zu machen. Was zunächst die Wahl der Ausschüsse anlangt, so erlaube ich mir eine Änderung vorzuschlagen gegen die früheren Jahre, nämlich statt eines landwirtschaftlichen Ausschusses einen Schulausschuß zu wählen, nachdem eine Reihe Gegenstände, welche Beratungsmaterial für einen Schulausschuß bilden, vorliegen. Was die Wahl der Landeskommission anlangt, so ist eigentlich nicht die Kommission als solche zu wählen, sondern nur ein Mitglied und ein Ersatzmann desselben, weil die Kommission nach dem Zuchtstierhaltungsgesetze vom 19 August 1907 von verschiedenen Faktoren beschickt, beziehungsweise zusammengesetzt wird. 1. Sitzung des Vorarlbergs Landtages. I. Session der 10. Periode 1909. 11 Endlich habe ich noch mitzuteilen, daß ich beabsichtige, die Punkte 12 und 13 der Tagesordnung, nämlich Bericht des Landesausschusses über die Tätigkeit der Naturalverpflegsstationen im Jahre 1908 und Bericht des Landesausschusses über die Förderung des sonntäglichen Fortbildungunterrichtes pro 1909 ohne Zuweisung an einen Ausschuß sofort in Verhandlung ziehen zu lassen, sofern von Seite des hohen Hauses nicht ein anderer Antrag zum Beschlusse erhoben wird. Die betreffenden Berichte werden gleich nach der Sitzung den Herren Abgeordneten zugestellt. Wünscht jemand wegen Abänderung der Tagesordnung in diesem letzteren Sinne das Wort? Wenn es nicht der Fall ist, bleibt es bei der aufgestellten Tagesordnung ^und ich erkläre die heutige erste Sitzung als geschloffen. (Schluß 11 Uhr 28 Minuten.) Druck von I. 81. Teutsch, Bregenz. Stenographische Sitzungsberichte der I. Landtagssession in Vorarlberg (X. Landtags-Periode.) Einberilfen mit Allerhöchstem Patente ooin 12. aus den 16. September 1909. Reglerungsvertreter': Herr k. k. Statthaltereirat Dr. Rudolf Graf von Meran. Vor der Eröffnung des Landtages fand in der Pfarrkirche ein feierliches Hochamt statt. Eröffnung des Landtages am 16. September 1909. Bregenz. Druck und Verlag von I. N. Teutsch, Buchhandlung. Verzeichnis der Mitglieder des Vorarlberger Landtages. A. Mitglied mit Virilstimme. Dr. Egger Franz, Bischof von Laranda, Generalvikar für Vorarlberg in Feldkirch. B. Abgeordnete der Städte. Wahlbezirke: L Bregenz. 2. Kinz Ferdinand, Dr., Advokat und Bürgermeister in Bregenz. Feld Kirch. Wegeler Josef, Kaufmann in Feldkirch. 3. Wkudenz. Konzett Andreas, Dr., Advokat in Bludenz. 4. vornvirn. lkihomberg Adolf, Landeshauptmann llnd Fabriksbesitzer in Dornbirn. Lnger Engelbert, Stadtrat in Dornbirn. C. Abgeordnete der Landgemeinden. a. Landgemeindenkurie Wregenz-Aregenzerwald: Fink Jodok, Reichsratsabgeordneter in Andelsbuch. Loser Franz, Reichsratsabgeordneter in Rieden. Ölz Josef, Oberdirektor in Bregenz. Bögel Johann Peter, Altvorsteher in Doren. Willi Josef Anton, Vorsteher in Schoppernau. d. Lartdgemeindenkttrie Aekdkirch-I>ornVirn: Amann Alois, Fabrikant in Hoheneins. Bösch Engelbert, Gemeindeausschuß in Lustenau. Ebenhoch Ulrich, Bürgermeister in Gotzis. Nachbaur Wendelin, Bürgermeister in Rankweil. Schreiber Franz Josef, Vorsteher in Altenstadt. c. LandgemeindenKnrie Alndenz-Wontafon: Thurnher Martin, Reichsratsabgeordneter in Dornbirn. Mayer Ägidius, Dekan in Schruns. Dietrich Alois, Vorsteher in Jnnerbraz. Nigsch Ignaz, Forstwart in Blons. D. Abgeordnete der gemischten Wählerklaffe. a. Bezirk Bregenz-Bregenzerwald: Kennerknecht Josef, Bahnbediensteter in Rieden. Fink Bamabas, Dekan in Hittisau. b. Bezirk Aetdkirch-Pornöirn: Drexel Karl, Dr., Reichratsabgeordneter in Dornbirn. Welte Albert, Geschäftsführer in Frastanz. c. Bezirk Bkndenz-Wontafon: Walter Stefan, Handelskammerrat in Bludenz. E. Abgeordneter der Handels- und Gewerbekammer in Feldkirch. Rüsch Ignaz, Fabrikant und Handelskammerrat in Dornbirn. Ararlöerger Landtag. 1. Sitzung am 16 September 1909 unter dem Vorsitze des ^errn Landeshauptmanns Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 24 Abgeordnete. — Abwesend die Kerren: Dr. Arent, Htüsch. Megierungsvertreter: ^err k. k. ötatthaltereirat Dr. Rudolf Graf von Meran. Beginn der Sitzung uni 10 Uhr 58 Minuten vormittags. Regierungsvcrtreter: Hochgeehrte Herren! Seine k. u. k. Apostolische Majestät haben mit Allerhöchster Entschließung vom 7. September l. Js. den Herrn Landtagsabgeordneten Adolf Rhomberg zum Landeshauptmann im Lande Vorarlberg Und den Herrn Landtagsabgeordneten Martin Thurnher zu dessen Stellvertreter in der Leitung des Landtages allergnädigst zu ernennen geruht. Mit Allerhöchstem Patente vom 12. September 1909 wurde der Vorarlberger Landtag auf den heutigen Tag in seinem gesetzlichen Versammlungsorte Bregenz einberufen. Mit der Vertretung der Regierung im Vorarlberger Landtage betraut, begrüße ich sämtliche Herren Abgeordnete, insbesondere das Landtagspräsidium auf das wärmste und lade zunächst den Herrn Landeshauptmann ein, im Sinne der bestehenden Vorschriften au Eides Statt dem Kaiser Treue und Gehorsam, Beobachtung der Gesetze und gewissenhafte Erfüllung seiner Pflicht in meine Hand zu geloben. Landeshauptmann: Ich gelobe. Regierungsvertreter: Ich ersuche den Herrn Landeshauptmann, den Landtag zu eröffnen und den Vorsitz im hohen Hause zu übernehmen. (Landeshauptmann sidium.) übernimmt das Prä- Hohes Haus! Ich erblicke in dieser Versammlung unter einer großen Anzahl von bewährten Beratern des Volkes auch zahlreiche Neulinge auf parlamentarischem Boden. Sie alle, sehr geehrte Herren, die Sie hier versammelt sind, sind aber einig im Bestreben, nach besten Kräften, mit gutem Wissen und Gewissen all Ihr Können in den Dienst des Volkswohles zu stellen. Ich möchte Sie nur bitten, überzeugt zu fein, daß dieses Bestreben nicht nur die Vertreter des Volkes, sondern auch^ den Vertreter der Regierung erfüllt, daß ich, soweit es 6 1. Sitzung des Vorarlberger Landtages. an mir liegt und soweit meine schwachen Kräfte reichen, auch meinerseits alles tun werde, die Versammlungen und Beratungen in diesem Hause zu -ersprießlichen zu machen. Vor wenigen Tagen haben wir in Bregenz ein glänzendes Fest vorüberrauschen gesehen und Seine Majestät, welche selbst durch Ihre Anwesenheit uns zu beglücken geruht hat, hat dieses Fest durch den Ausspruch geehrt: „Es ist erstaunlich, was dieses kleine Land Vorarlberg für dieses Fest geleistet hat." Die Einigkeit aller, deren Herz für Kaiser und Vaterland schlägt, hat dieses Erstaunliche zustande gebracht. Möge die Arbeit für dieses Fest vorbildlich sein für die wirtschaftliche und ethische Arbeit, die Sie, Meine hochgeehrten Herren, hier zu leisten haben. Möge der gleiche Geist auch Sie alle beseelen, dann wird der Erfolg, welcher den Vorarlberger Landtag auf den bisherigen Tagungen begleitet hat, auch in Zukunft nicht fern bleiben züm Heile des Landes und des ganzen Reiches. Landeshauptmann: „Hohes Havs! Zum viertenmale hat mich die Gnade Sr. Majestät, unseres allergnädigsten Kaisers, auf den in hohem Grade ehrenvollen Posten eines Landeshauptmannes berufen, welche Stelle feit 19 vollen Jahren zu bekleiden ich das Glück und die Ehre habe. Tiefgerührt durch diese mir neuerlich zu teil gewordene Berufung an die Spitze der Landesvertretung und der autonomen Landesregierung und die damit zuni Ausdruck gelangte Allerhöchste Zufriedenheit mit meiner in den abgelaufenen 2 Dezennien für mein geliebtes, engeres Heiinatland geleisteten bescheidenen Arbeiten, ist es mir ein Herzensbedürfnis, meinen alleruntertänigsten Dank für mir erwiesene Allerhöchste Huld und Gnade zum Ausdrucke zu bringen. An den hochverehrten Herrn Regierungsvertretcr gestatte ich mir die Bitte zu richten, diese meine Tankesworte an die Stufen des Allerhöchsten Thrones gelangen zu lassen, bis zu jenem hoffentlich nahen Zeitpunkte, in welchem mir dieses persönlich zu tun ermöglicht sein wird. Bei .Beginn der ersten Session der neuen Landtagsperiode erblicken wir am Regierungstische einen neuen Mann, aber bereits im Lande keinen Neuling mehr. Der hochverehrte Herr I. Session der 10. Periode 1909. Regierungsvertreter Graf von Meran, dem schon von der grünen Steiermark her der Ruf eines ausgezeichneten Verwaltungsbeamten und eines populären, die Interessen der Bevölkerung rasch erfassenden und für dieselben treu besorgten Amtschefs vorausging, hat seit seines Verweilens im Lande diesem Rufe vollständig entsprochen. Einem erlauchten Geschlechte angehörend, hat Herr Graf in den Fußstapfen feines volkstümlichen Großvaters, weiland Sr. kaiserlichen Hoheit Erzherzog Johann stehend, hierzulande es rasch verstanden, in und mit unserem Volke zu leben, seine Eigenart in sich aufznnehmen und sich in seine Wünsche und Bedürfnisse hineinzuleben. Ich zweifle daher keinen Augenblick, ' daß der hochverehrte Herr Regierungsvertreter auch bei den bevorstehenden Beratungen des hohen Hauses unsere Landesangelegenheiten sich aneignen wird und indem ich Herrn Grafen in unserer Mitte hochachtungsvollst willkommen heiße, richte ich an hochdenselben die Bitte, um sein Wohlwollen und seine gütige Mitwirkung zur Förderung und gedeihlichen Vollbringung unserer Arbeiten. Auch Sie alle, meine hochverehrten Herren A b g e o r d n e t e n, begrüße ich wärmstens und herzlichst beim Beginne der 1. Session der neuen Landtagsperiode. Stand vor 6 Jahren schon die neue Landesvertretung im Zeichen der Wahlrechtsreform, indem sie auf Basis des durch Schaffung der allgemeinen Wählerklasse erweiterten Wahlrechtes aufgebaut wurde, so ist die heute zusammentretende verfassungsmäßige Vertretung unseres Kronlandes auf Grund eines in der letzten Session des abgelaufenen Landtages beschlossenen Wahlrechtes gewählt, welches durch Schaffung der sogenannten gemischten Kurie den ganz kleinen Steuerträgern, vereint mit den Nichtsteueranten das Recht einräumt, für sich allein 5 Abgeordnete in den Landtag zu entsenden, und zwar unabhängig und unbeeinflußt von den Zenfiten. Diese sogenannte „gemischte Kurie" ist eminent fortschrittlich und demokratisch zugleich, steht aber bis jetzt einzig in ihrer Art in Oesterreich da; denn kein anderes Kronland hat sein Landtagswahlrecht bisher so demokratisch und für die kleinen Leute bedeutungsvoll ansgestaltet, wie das kleine, aber in so manchem schon bahnbrechend gewcfene Land Vorarlberg! Auch das veraltete Vollmachtenwesen ist im neuen Wahl- 1. Sitzung des Vorarlberger Landtages. gesetze gefallen und dem Zuge der Zeit und der Interessenvertretung Rechnung tragend, den selbständigen, steuerzahlenden Frauenspersonen ein persönliches Wahlrecht eingeräumt worden. Sache der neugewählten Landesvertretung wird es meines Erachtens sein, im Laufe dieser Landtagsperiode auch noch einen weiteren, dem modernen Zuge der Zeit Rechnung tragenden Grundsatz in die Landtagswahlordnung aufzunehmen, welcher bereits in der neuen Gemeindewahlordnung festgelegt ist, nämlich das Prinzip der Verhältniswahl, von welchem ich hoffe, daß auch seitens der hohen Regierung der bisher dagegen erhobene Widerstand im Laufe der nächsten Jahre aufgegeben werden wird. Meine Herren Abgeordneten! Sie gehören nicht bloß den verschiedensten Teilen unseres Landes durch ihren Wohnsitz an, Sie repräsentieren auch die mannigfaltigsten Berufe und Stellungen im öffentlichen Leben; und ebenso wie akademische Kre.se in die Landstube eintreten, sind in derselben Bauern und Gewerbetreibende, Industrielle und Arbeiter, Sticker und Stickfabrikanten vertreten und da Sie, meine Herren Abgeordneten, die Wünsche und Beschwerden der Bevölkerung in Ihren Landestcilen aus eigener Anschauung und Erfahrung kennen gelernt haben, so werden Sie, — dessen bin ich überzeugt, — auch von dem Bestreben sich leiten lassen, das Ihnen übertragene Mandat nach Ihrem besten Wissen und Gewissen zum Wohle des teuren Vorarlberger Volkes auszuüben. Ich bitte Sie, meine verehrten Herren, bringen Sie mir auch in der heute beginnenden Landtagsperiode Ihr Vertrauen entgegen und brauche ich Ihnen wohl nicht die Versicherung zu wiederholen, die ich schon vor 19 Jahren abgegeben und die ich glaube, auf diesem Posten hier stets nach besten Kräften einzuhalten bemüht war, nämlich die Versicherung, die Verhandlungen des hohen Hauses mit gewissenhafter Objektivität und Unparteilichkeit zu leiten und Ihren Wünschen und Anliegen, soweit es in meinen Kräften liegt, vollstes Entgegenkommen zuteil werden zu lassen. Gestatten Sie mir auch die Bitte, wollen Sic mir stets Offenheit entgegenbringen und wollen Sie die Verhandlungen des hohen Hauses, wir all Ihre Vorgänger immer mit jener Sachlich- I. Session der 10. Periode 1909. 7 keit, Ruhe und Noblesse führen, welche den Vorarlberger Landtag stets ausgezeichnet haben. Hohes Haus! Die beginnende Tagung wird ein reiches Material zur Bearbeitung vorfinden. Neben der Prüfung und Genehmigung der stattgehabten Landtagswahlen wird bald die Neuwahl des Landesausschusses und einiger anderer, die Dauer der Landtagsperiode umfasseuder Funk tionäre zu erfolgen haben. Bon den Vorlagen, die der abtretende Landesausschuß Ihnen unterbreiten wird, nenne ich den Rechenschaftsbericht über dessen Tätigkeit, die Rechnungsabschlüsse pro 1908 der einzelnen landschaftlichen Fonde, sowie der Landesirrenanstalt Valduna, ferner die Voranschläge pro 1910. Allerdings kann der so wichtige Voranschlag des Landesfondes dermalen noch nicht zur Gänze im Hause erledigt werden, weil die einzusetzenden Einnahmen an Steuerzuwendungen ziffernmäßig noch nicht bekannt sind. Wie den geehrten Herren erinnerlich, läuft mit diesem Jahre der gesetzliche Termin ab, innerhalb welchem gegen gewisse Begünstigungen und Zuwendungen aus der staatlichen Personaleinkommensteuer das Land für sich und die Gemeinden auf die Belegung der Persvnaleinkommensteuer mit Landes- und Gemeindezuschlägen verzichtet hat. Gerade diese gesetzliche Neuregelung im Zusammenhänge mit dem Plane der hohen Regierung zur Sanierung der Landesfinanzen in dem größten Teile der Kronländer, eine Sanierung, welche auch unsern im übrigen, mit Befriedigung .set es gesagt, in guter Ordnung befindlichen Finanzen zustatten kommt und dem Lande für seine immer zahlreicher werdenden Bedürfnisse und Unternehmungen, speziell auf dem Gebiete des Straßen- und Wasserbaues neue Einnahmsquellen sichern soll, verschiebt einerseits noch die genaue Feststellung des Voranschlages, sie wird aber andererseits in einer späteren Fortsetzung dieser Session uns in sehr intensiver Weise zu beschäftigen haben, um noch vor Jahresschluß eine neue gesetzliche Regelung zu erhalten. Im Zusammenhänge mit dieser legislatorischen Arbeit steht dann die Neuregelung der ebenfalls mit 31. Dezember dieses Jahres befristeten Landesauflage für Bier und Wein, deren neuerliche gesetzliche Regelung für eine längere Periode und vielleicht in etwas modifizierter Weise die Landesvertretung beschäftigen - muß, soll 8 1. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 10. Periode 1909. nicht mit 1910 ein Vakuum in den Zuweisungen für die Lehrergehalte entstehen, das unter allen Umständen vermieden werden muß. Denn gerade die Ausgaben für Schulzwecke werden sich der Natur der Sache nach van Jahr zu Jahr erhöhen und schon der heute zusammentretende hohe Landtag wird ziemlich zahlreiche Gesuche von Gemeinden vorfinden, die um außevordcnt-liche Landesbeiträge zu den Schulauslagen ansuchen. Auf dem Gebiete des Straßen- und Wasserbaues wird dem hohen Landtage der Gesetzentwurf, betreffend die Herstellung von Schutzbauten an der III bei Gortipohl, welchem im Vorjahre die Allerhöchste kaiserliche Sanktion nicht zuteil ward, in abgeänderter Form neuerlich vorgelegt werden, ebenso wird das hohe Haus nach Umständen im Laufe seiner Tagung eventuell die Frage wegen Abänderung des Landesgesetzes vom 29. November 1899, betreffend die Herstellung von 'Konkurrenz^Straßen im Sinne einer Erhöhung der dort vorgesehenen Bauerfordernisse einzelner der Vollendung entgegengehender Straßenzüge beschäftigen. In Bezug auf die land- und forstwirtschaftliche Aktion werden je nach Fortgang der noch in Schwebe befindlichen Vorarbeiten dem hohen Hause der bedeutungsvolle Gesetzentwurf, betreffend die Berufsgenossenschaften der Landwirte, der Entwurf eines Forstgesetzes und betrefsend die Regelung der Bezüge der Waldaufseher in späterer Tagung zugehen. Endlich muß ich noch darauf Hinweisen, daß in dieser Session einen wichtigen Gegenstand unserer Verhandlungen bilden wird, die endgültige Erledigung der Frage nach Schaffung eines eigenen Heimes für das Land, sei es durch Erwerbung eines Bauplatzes für einen Neubau, sei es durch An- und Neubau beim gegenwärtigen Landhause in der Kirchgasse. Möge der Allmächtige unsere mit vereinten Kräften zu beginnenden Arbeiten segnen, auf daß dieselben zum Wohle des Volkes fruchtbringend sich gestalten werden! Hohes Haus! Das Jahr 1909 steht unter dem Zeichen der Jahrhundertfeier jener wackeren Männer, welche 'Anno 1809 Helden gleich gegen einen übermächtigen Feind sich erhoben und unter dem begeisterten Rufe: „Mit Gott für Kaiser und Vaterland" die Ketten der Fremd- herrschaft abschüttelnd, für die Wiedervereinigung Vorarlbergs mit dem angestammten Herrscherhause im ungleichen Kampfe gegen die brutale Despotie des korsischen Eroberers und seiner Vasallen ihr Blut und Leben opferten. Siegreich flatterte die Fahne unserer heldenmütigen Ahnen wochenlang in dem der Freiheit wiedergewonnenen Lande, beschützt und geleitet von Männern von Geist wie Generalkommissär Dr. Schneider durch ihr staatsmännisches Geschick, beschützt auch von den einfachen Männern aus dem Volke, einem Nachbaur, Riedmiller, Sutterlüti, Müller und anderen, welche auf, dem Schlachtfelde als Führer von militärischem Geschicke und vorbildlicher Tapferkeit sich hervortaten und den Feind aus dem Lande verjagten. Diesen Männern allen schulden wir nach 100 Jahren noch unauslöschlichen Dank und ihnen zu Ehren veranstaltete das Land jene herrliche, unvergleichliche Zentenarfeier in den Tagen des 30. und 31. August hier in Bregenz, an welcher sich das ganze Volk^in herzerhebender Weise ohne Unterschied des Standes und Ranges, sowie der politischen Anschauungen begeistert unter gleichzeitiger Anteilnahme des Auslandes, sowohl aus den monarchischen Bodenseestaaten als auch aus der republikanischen Schweiz, aus welchen Tausende und Abertausende erschienen und freudigen Anteil an unserem Festesjubel nahmen. Was aber dem historischen Feste erst seine wahre Weihe gab, was geeignet war, jedes Vorarlberger Herz in Jubel erklingen zu lassen, das war die beglückende Anwesenheit Seiner Majestät unseres allgeliebten Herrschers. Trotz der Last der Jahre hat unser allergnädigster Kaiser weder die Strapazen der weiten Reise noch die großen Anstrengungen und Mühen der Anteilnahme an den zwei unmittelbar an einander sich reihenden Festen in Innsbruck und Bregenz gescheut und dem Lande die hohe Gnade Allerhöchstseiner Anwesenheit zu erweisen geruht. Wer Zeuge sein konnte, von der Begeisterung und dem patriotischen Sinne unseres Volkes, wie dasselbe sich in jenen Tagen in Beweisen innigster Verehrung und Liebe zum greisen Herrscher überbot, dem werden jene Momente unvergeßlich sein und bleiben, als Seiner Majestät, umgeben von vielen Tausenden Seiner