19081014_lts013

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Letzte Änderung 03.07.2021, 11:25
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp09,lts1908,lt1908,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 13. Sitzung am 14 Oktober 1908 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. gegenwärtig 22 Abgeordnete. - Abwesend die Herren: Dr. Waibel und Dr. von Preu. Regierungsvertreter: Herr k. k. Hofrat Artur Meusburger. Beginn der Sitzung um 11 Uhr 13 Minuten vormittags. Landeshauptmann: Ich erkläre die heutige Sitzung für eröffnet und ersuche um Verlesung des Protokolls der letzten Sitzung. (Sekretär verliest Dasselbe.) Hat einer der Herren gegen die Fassung des Protokolls eine Einwendung vorzubringen? Wenn es nicht der Fall ist, betrachte ich dasselbe als genehmigt. Bevor ich zur heutigen Tagesordnung übergehe, möchte ich noch eine Anregung machen. Es wünscht der Herr Berichterstatter des volkswirtschaftlichen Ausschusses, daß dieser Tagesordnung noch ein Gegenstand angefügt werde, nämlich der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über die Eingabe der Stadt Feldkirch wegen Erlassung eines Gesetzes betreffend Regelung der Schwemmkanalisation im Stadtgebiete. Dieser Bericht würde mündlich erstattet und dann später gedruckt dem stenographischen Protokolle beigegeben werden. Wird gegen diese von mir gemachte Anregung eine Einwendung vorgebracht? Es ist nicht der Fall; somit wird dieser Gegenstand der Tagesordnung angefügt werden. Wir kommen nun zum ersten Punkte der Tagesordnung, das ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über das Gesuch der Gemeinde Göfis wegen Gewährung eines Landesbeitrages zu Illwuhrbauten. Berichterstatter in dieser Angelegenheit ist der Herr Abgeordnete Loser; ich erteile ihm das Wort. Loser: Hohes Haus! Zufolge der auf Frastanzer Seite errichteten Illwuhrschutzbauten hat sich gezeigt, daß die Wuhr- und Dammbauten auf der gegenüberliegenden Seite, auf dem Gemeindegebiete von Göfis, sich als zu schwach erwiesen haben und dadurch die Gemeinde Göfis arg bedroht erscheint. Die rascheste Durchführung der Erhöhung der dortigen Wuhrbauten sowie die Neuerstellung eines Dammes erscheinen unbedingt notwendig und erfordern einen Kostenaufwand von K 25.000'- Die Gemeinde Göfis hat nun ein Gesuch an den hohen Landtag gerichtet mit der 2 13. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 9. Periode 1908. Bitte um Gewährung von Landesbeiträgen zur Erstellung solcher unumgänglich notwendiger Bauten und führt im Gesuche an, daß sie bisher noch nie irgendwelchen Landesbeitrag in Anspruch genommen habe zu Uferschutzbauten. Der volkswirtschaftliche Ausschuß hat sich mit dieser Angelegenheit befaßt und in Rücksicht darauf, daß es sich nicht nur um Verbesserungen, sondern um eine wesentliche Erhöhung der Bauten, insbesondere um Neuerstellung eines notwendigen Dammes handelt, der Ansicht Ausdruck gegeben, daß diese Bauten im Sinne des Meliorationsgesetzes vom Jahre 1884, wenn möglich, noch bester im Sinne des in Bälde zu erwartenden Meliorationsgesetzes durchgeführt werden sollen, und daß der Landesausschuß beauftragt werde, in dieser Richtung Schritte einzuleiten, um einen Staatsbeitrag zu erwirken und einen angemessenen Landesbeitrag in Aussicht zu stellen. Der Bericht wurde schon vor einigen Tagen an die Herren Abgeordneten verteilt ; ich werde daher von einer Verlesung desselben jedenfalls absehen dürfen und erlaube mir, an das hohe Haus die Bitte zu stellen, dem Antrage des volkswirtschaftlichen Ausschusses die Zustimmung zu geben, welcher lautet: (Liest den Antrag aus Beilage 61). Ersuche das hohe .Haus um Annahme des Antrages des volkswirtschaftlichen Ausschusses. Landeshauptmann: Ich eröffne über den Bericht und Antrag die Debatte. Wenn niemand das Wort wünscht, so schreite ich zur Abstimmung und ersuche jene Herren, welche dem Antrage des volkswirtschaftlichen Ausschusses, wie er verlesen worden ist, die Zustimmung geben wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Der zweite Punkt der Tagesordnung ist der Bericht des landwirtschaftlichen Ausschusses betreffend Maßnahmen zum Zwecke der Vertilgung der Wühl- und Baummaus. Berichterstatter in dieser Angelegenheit ist der Herr Abgeordnete Bösch. Ich ersuche ihn, das Wort zu ergreifen. Bösch: Hohes Haus! Der Bericht liegt schon länger in den Händen der Herren Abgeordneten und ich glaube daher, von der Verlesung desselben Umgang nehmen zu können. Weilers habe ich dem Berichte nichts beizufügen und ich beschränke mich daher auf die Verlesung des Antrages. (Liest Antrag aus Beilage 63.) Ich empfehle den Antrag zur Annahme. Landeshauptmann: Wünscht jemand, zum Bericht und Antrag das Wort zu nehmen? Wenn es nicht der Fall ist, bringe ich den Antrag zur Abstimmung und ersuche jene Herren, welche diesem Antrage des landwirtschaftlichen Ausschusses ihre Zustimmung geben wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Der dritte Punkt unserer Tagesordnung ist der Bericht des landwirtschaftlichen Ausschusses in Betreff der obligatorischen Rebenbespritzung. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, Abgeordneten Schreiber, das Wort zu nehmen. Schreiber: Hohes Haus! Da dieser Bericht auch schon einige Tage in den Händen der Herren Abgeordneten ist, so glaube ich, von der Vorlesung desselben ebenfalls Umgang nehmen zu können, und ich beschränke mich auf die Verlesung des Antrages. (Liest Antrag aus Beilage 64.) Ich empfehle den Antrag dem hohen Hause. Landeshauptmann: Ich eröffne über den Bericht und Antrag die Debatte. Wenn sich niemand zum Worte meldet, ist dieselbe geschlossen und ich ersuche jene Herren, welche dem Antrage des landwirtschaftlichen Ausschusses, wie er verlesen worden ist, die Zustimmung geben wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Der vierte Punkt der Tagesordnung ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über das Gesuch der Stickereigenossenschaft Lustenau um Gewährung eines Landesbeitrages. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, Abgeordneten Dr. Drexel das Wort zu ergreifen. Dr. die der des Drexel: Hohes Haus! Die Begründung für Haltung des Landtages, der seit mehreren Jahren Stickereigenossenschaft in Lustenau zum Zwecke Stickereifachunterrichtes Beiträge gewährt, ist den geehrten Herrn hinreichend bekannt. Ich kann daher. 13. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 9. Periode 1908. 3 ohne viel Worte zu verlieren, den Antrag des volkswirtschaftlichen Ausschusses zur Annahme empfehlen, welcher lautet: (Liest Antrag aus Beilage 59.) Ich empfehle den Antrag zur Annahme. Landeshauptmann: Wünscht jemand zu Bericht und Antrag des volkswirtschaftlichen Ausschusses das Wort? Der Herr Abgeordnete Amann hat dasselbe. Amann: Hohes Haus! Der Antrag des volkswirtschaftlichen Ausschusses ist mir sehr sympathisch. Es handelt sich um Bewilligung einer Post, die seit mehreren Jahren sich wiederholt. Die Subventionierung der Lustenauer Sticker- und Ferggergenossenschaft, zwecks Haltung eines Wanderlehrers ist sehr im Interesse einer günstigen Entwicklung unserer heimischen Industrie gelegen. Es ist ohne Zweifel, daß gerade Lustenau in der Stickereibranche unbedingt eine ganz bedeutende Rolle inne hat. Eine Beitragsleistung an die Lustenauer Stickereigenossenschaft ist daher sehr im Interesse der Sache. Es scheint mir, Lustenau hat gerade letztes Jahr einen glänzenden Beweis seiner ausgezeichneten Leistungen auf dem Gebiete der Stickerei erbracht. Voriges Jahr war, wie den Herren bekannt ist, eine Landesstickereiausstellung in Hohenems. Der Verlauf und Erfolg war ein überaus glänzender und es darf unsere Industrie auf diesen ersten Versuch einer Ausstellung sicher mit Stolz zurückblicken. Zur größten Freude der Stickereikreise konnte die Leitung der Ausstellung bei der Eröffnungs- und Schlußfeier hohe und höchste Persönlichkeiten der k. k. Behörden des Landes begrüßen. Die Ausstellung war beschickt von 475 Stick- und Ferggereifabrikanten und zwar beteiligten sich 348 Handsticker, 83 Schifflisticker, 44 Kettensticker und -Stickerinnen. Um Prämien geben zu können, präsentierte in zuvorkommender Weise das k. k. Handelsministerium K 800 und 18 Medaillen, der hohe Landtag K 700, die Handels- und Gewerbekammer K 500 und 8 Medaillen, die Gemeinde Hohenems K 500 und von Privatinteressenten der Stickerei und an Eintrittsgeldern liefen ein K 5709 04. An die 475 Aussteller wurden 293 Medaillen und Geldprämien verabfolgt; Diplome wurden zirka 380 ausgeteilt, Ich kann mir daher weitere Ausführungen ersparen, da der ausführliche Tätigkeitsbericht über die Ausstellung bereits in den Händen der Herren Abgeordneten ist. Das Urteil fachmännischer Kreise des In- und Auslandes stellte der Ausstellung das beste Zeugnis aus. Bei dieser Landesausstellung, hat nun gerade Lustenau eine ganz hervorragende Rolle gespielt. Von den E 3.141-, die an Prämien ausbezahlt wurden, entfällt auf Lustenau zirka ein Drittel der ganzen Summe, indem seine Prämien sich auf K 1.040"belaufen. Die Ausstellung hat klar dargetan, daß im Völklein von Lustenau sehr nachahmungswürdiger Eifer und opferfreudiges Streben herrscht. In Anbetracht obiger Gründe finden sie meine freudige Zustimmung zum volkswirtschaftlichen Ausschußantrage begreiflich und ich möchte sie ersuchen, diesen Antrag wärmstens zu unterstützen. Landeshauptmann: Wünscht noch jemand das Wort? Wenn sich niemand meldet, ist die Debatte geschlossen. Hat der Herr Berichterstatter noch etwa> beizufügen? Dr. Drexel: Nein. Landeshauptmann: Dann schreiten wir zur Abstimmung und ich ersuche jene Herren, welche diesem Antrage ihre Zustimmung geben wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Der fünfte Gegenstand unserer Tagesordnung lautet: Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über die Landesausschußvorlage betreffend den Gesetzentwurf über die Gemeindevermittlungsämter. Berichterstatter in dieser Angelegenheit ist der Herr Abgeordnete Luger. Ich erteile ihm das Wort. Luger: Hohes Haus! Der Bericht und Gesetzentwurf über die Gemeindevermittlungsämter ist seit einigen Tagen in den Händen der Herren Abgeordneten. Ich sehe daher von einer Verlesung desselben ab. 4 13. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 9. Periode 1908. In der benachbarten Schweiz, speziell in den Kantonen der Ostschweiz gehen alle Rechtsstreitigkeiten mit ganz wenigen in den Gesetzen angeführten Ausnahmen in erster Linie an das Gemeindevermittlungsamt. Tiefe Vermittlungsämter dienen allerdings in erster Linie zum Zwecke der Voruntersuchung und zwar wird dabei eine große Zahl von Fällen im Sühneverfahren endgültig erledigt. Tiefe Gemeindevermittlungsämter der benachbarten Schweizerkantone haben dem Vorarlberger Landtage vorgeschwebt, welcher zu wiederholtenmalen zu dieser Frage Stellung nahm und die obligatorische Einführung wünschte, ferners daß die Vornahme zwangsweise vollstreckt werden könnte und jede Streitsache vor Einleitung des Vergleichsversuches dem Vermittlungsamte unterbreitet und und die endgültige Rechtsprechung über geringfügige Sachen eingeräumt werde. Diesen Wünschen des Vorarlberger Landtages ist durch das neue Reichsrahmengesetz vom 27. Februar 1907, R. G. Bl. Nr. 59, tptr zu einem kleinen Teile Rechnung getragen. Immerhin ist der Wirkungskreis dieser Ämter wesentlich erweitert; ich verweise diesbezüglich auf den vorliegenden Bericht. Bisher haben diese Ämter in unserem Lande ein sehr stilles Dasein geführt und nur in wenigen Fällen trat das Vermittlungsamt in Tätigkeit. Wenn §s uns gelingen würde, diese Vermittlungsämter wirklich volkstümliche zu machen, so wäre das eine große Errungenschaft. Es könnten Prozesse verhindert werden, welche mit großen Kosten verbunden sind und für die betreffenden Parteien jedesmal ein Unglück bedeuten. Ich habe betreffs dieser Frage mit verschiedenen Herren aus dem Richterstande in der Schweiz verkehrt, die mit diesen Ämtern eine langjährige Erfahrung besitzen. Die Meinungen gehen übereinstimmend dahin, daß dieselben in jenen Gemeinden gute Erfolge erzielen, wo es gelingt, an die Spitze dieser Ämter Männer zu stellen, die großen Rechtlichkeitssinn haben und in Rechtssachen namhafte Kenntnisse besitzen. Solche geeignete Männer, die auch die nötige Zeit dazu opfern, finden sich nicht in jeder Gemeinde; daher ist vorgesehen, daß mehrere Gemeinden des gleichen Bezirkes ein gemeinsames Vermittlungsamt zu bilden haben. Weil die Wahl der Vertrauensmänner in gemeinsamer Sitzung dieser mehreren Gemeinden umständlich! wäre, so hat der volkswirtschaftliche Ausschuß weiter vorgesehen, daß sie durch den Landesausschuß erfolgen soll nach Anhörung der Gemeinden. Der Wirkungskreis dieser Ämter wurde ausgedehnt, soweit es nach! dem neuen Reichsrahmengesetz zulässig ist, und die Bedeckung der gemeinsamen Auslagen wurde in gleicher Weise vorgesehen, wie man es bisher in unseren Naturalverpflegsstationen durchgeführt hat. Der volkswirtschaftliche Ausschuß stellt daher folgende Anträge: (Liest Anträge aus Beilage 60). Landeshauptmann: Ich eröffne über den Gesetzentwurf, wie er hier vorliegt, die Generaldebatte. Der Herr Landeshauptmannstellvertreter hat das Wort. Dr. Peer: Hohes Haus! Wenn ich zu diesen uns nunmehr vorgelegten Anträgen in Kürze Stellung nehme, so erachte ich mich deswegen dazu verpflichtet, weil ich nun schon seit 15 Jahren in Vorarlberg die Advokatie ausübe und auch schon im benachbarten Tirol auf diesem Gebiete tätig war. Weil ich mir hiebei immerhin eine Summe von Erfahrungen gesammelt habe, so glaube ich, diese Gelegenheit nicht Vorbeigehen lassen zu können, um Sie auf einiges aufmerksam zu machen. Ich glaube, daß die neuen Vermittlungsämter eine kaum viel üppigere Wirksamkeit entfalten werden, als jene, welche bisher auf Grund des 70iger Gesetzes in Wirksamkeit - oder auch nicht in Wirksamkeit - gestanden sind und von welchen der Berichterstatter gesagt hat, daß, sie "ein stilles Dasein" geführt haben. Ich kann ein kleines Beispiel von Feldkirch anführen. Ich will durchaus nicht behaupten, daß das Vermittleramt von Feldkirch gerade das beste und tätigste vom ganzen Lande gewesen sei; man braucht sich aber angesichts der übrigen Vermittlungsämter im Lande seiner Tätigkeit oder des Umstandes, daß es nicht angerufen wurde, auch nicht zu schämen. Diesem gehören auch einige, heute schon ziemlich, alte Herren an; sie sind dabei grau geworden. Sie sind immer wieder gewählt worden, weil nichts vorlag, was ihnen das Vertrauen, das sie bei 13. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 9. Periode 1908. 5 der ersten Wahl genossen haben, entzogen hätte. Diese Herren hätten alle Qualitäten für sich gehabt, ein solches Amt gut auszuüben und man konnte von ihnen einen gerechten, den Ortsverhältnissen und der Sachlage entsprechenden Richterspruch gewärtigen. Sie wurden aber nur ein einzigesmal angerufen seit dem Jahre 1870. Ich gebe recht gerne zu, daß der Herr Berichterstatter ein übriges getan und bei den Richtern in der Schweiz sich erkundigt hat, die ihm die Vorteile dieser Ämter vor Äugen geführt haben. Ich glaube, er hätte gut daran getan, wenn er sich auch bei österreichischen Richtern erkundigt hatte; denn die Wirksamkeit eines Vermittleramtes und seine Tätigkeit oder Untätigkeit richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen über das Verfahren in Zivil- und Strafrechtsstreitigkeiten, welche in den betreffenden Ländern gelten. In der Schweiz haben sie einen außerordentlich formalistisch veranlagten Zivilprozeß, der dem Formalismus desjenigen nichts nachgibt, der sein seliges Ende am letzten Dezember 1897 nach 100 jährigem Bestände seiner Wirksamkeit gefeiert hat. Dort kann man einen Prozeß mit den allereinfachsten Mitteln hinausziehen, bis der Gläubiger zugrunde geht, ohne vorher einen roten Heller gesehen zu haben. So liegt die Sache bei uns nicht mehr. Wir haben seit 1. Jänner 1898 eine vollkommen moderne Zivilprozeßgesetzgebung und schon seit mehr als 30 Jahren eine moderne Strafprozeßordnung; wir haben auch moderne Richter, die mit diesem Rüstzeuge ganz gut umzugehen wissen. Glauben Sie ja nicht, daß unsere Richter es an Vergleichsversuchen mangeln lassen und daß sie die Prozeßsucht der Advokaten begünstigen! Fragen Sie doch in Fachkreisen nach und Sie werden dann erfahren, daß gerade die dem Richter auferlegte Pflicht, zum gütlichen Vergleiche im Zivil- und Strafprozesse zu mahnen, zu einer solchen Betätigung auf diesem Belange geführt hat, die hie und da nicht einmal mehr den Parteien angenehm ist. Es wird mit allen Mitteln versucht, die Streitsucht der Parteien aus dem Wege zu schaffen. Ein Richter, der im Volke lebt und Tag für Tag in die Lage kommt, die Leute seines Bezirkes kennen zu lernen, ein Mann, der die wirtschaftliche Lage kennt und der noch! nebenbei an der Sache vollkommen uninteressiert ist, ein Mann, der über den Parteien steht und an den die politischen Tagesströmungen nicht hinanragen, der verdient doch auch ein gewisses Vertrauen. Und wenn es dem Manne trotz aller Bemühungen nicht gelingt, einen Vergleich zustande zu bringen, so werden auch die Vermittlerämter nicht auf eine besonders gloriose Zukunft blicken können. Bei uns ist es heute nicht mehr notwendig, daß man derartige Ämter ins Leben ruft und wir werden das gleiche erleben, was wir bisher erlebt haben besonders auf dem Gebiete des Zivilprozesses, wo diese Vermittlungsämter keinen obligatorischen Charakter haben. Was die Vermittlungsämter besorgen sollen, besorgt der Richter, zu dem man das gleiche Vertrauen haben kann, wie zu den Mitgliedern der Vermittlungsämter. Im Gebiete der Strafrechtspflege dürfen Sie eines nicht vergessen. Glauben sie einem Manne, der es 100 mal versucht hat, bei Strafprozessen streitende Parteien zu versöhnen, glauben sie es mir, der ich ebenfalls 100 mal beim Richter das Erfolglose eines solchen Versuches gesehen habe, glauben sie es mir, es steckt den Leuten wegen einer kleinen Ehrenbeleidigung oder unbedeutenden Körperverletzung viel zu sehr eine gewisse Streitsucht oder - ich möchte sagen - Rachsucht in den Knochen, als daß sie sich vom Richter bewegen ließen, vom vermeintlichen guten Rechte auf Abstrafung des Gegners abzustehen. Der Richter läßt es gewiß, wie schon wiederholt gesagt, nicht an gütlichen Vergleichsversuchen fehlen. Wenn Sie hier eine Stelle einschalten, die obligatorisch zuerst angerufen werden muß, so werden Sie in den meisten Fällen den gegenteiligen Erfolg erreichen und das Fazit erleben, daß die Leute zunächst zum Vermittlungsamte gehen müssen, sich dort lange herumstreiten und dann unversöhnt auseinander gehen. Tann bekommen sie eine feierliche Bescheinigung, daß sie beim Vermittleramte waren, denn ohne diese darf man beim ordentlichen Richter die Klage nicht anhängig machen. Die Leute bekommen dann durch diese langwierige Prozedur eine gesteigerte Prozeßsucht, doppelte Kosten, doppelte Mühen, Stände und Gänge, wie man zu sagen pflegt, und dem staatlichen Richter wird es zum Schlusse erst recht nicht gelingen, einen Vergleich zustande zu bringen. 6 13. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 9. Periode 1908. Ich glaube daher, daß die Vermittlerämter nicht jene Wirksamkeit entfalten werden, wie sie in anderen Ländern unter gänzlich anderen Verhältnissen entfalten konnten und auch entfaltet haben. Wir werden Ihnen bei der Durchberatung dieses Gesetzes keine Schwierigkeiten bereiten; nur das eine bitte ich, nicht zu glauben, das ich als Advokat dagegen gesprochen hätte, weil ich glaube, daß eine große Masse von Prozessen, die sonst die Advokaten beschäftigt hätten, nicht geführt würden. Ich habe hier von einer höheren Warte aus gesprochen und ich könnte mich, wenn ich boshaft sein wollte, als Advokat darüber freuen, daß ein solches Institut ins Leben gerufen wird, denn höchstwahrscheinlich werden durch die Aktionen dieser Vermittlungsämter, die von Leuten besorgt werden müssen, denen immerhin jenes Maß von Rechtskunde, das heutzutage notwendig ist, um durch die immer noch etwas verzwickten Wege der Gesetzgebung durchzukommen, abgeht, manchmal vielleicht infolge dieses Mangels Sprüche gefällt werden, die erst recht Anlaß zu Prozessen bieten. Ein einziger solcher Prozeß dürfte den Advokaten für den Entgang anderer reichlich entschädigen. Das, glaube ich am Schlusse bemerken zu sollen; wir zwei Advokaten auf der Linken des Hauses werden Ihnen, wie gesagt, keine Schwierigkeiten in den Weg legen. Wenn aber in späteren Jahren Ihre freudigen Erwartungen, die . Sie in diese Vermittlungsämter gesetzt haben, nicht in Erfüllung gehen sollten, dann haben Sie die Güte, sich an das zu erinnern, was ich heute gesagt habe. Landeshauptmann: Wünscht noch jemand das Wort? Ich erteile dasselbe dem Herrn Abgeordneten Dekan Fink. Dekan Fink: Hohes Haus! Ich beurteile die Vermittlerämter zunächst vorn Standpunkte der Seelsorge aus und von diesem Standpunkte aus begrüße ich diese Institution. Ich hoffe zwar auch nicht, daß dieselben eine so umfangreiche Tätigkeit entwickeln werden, wie es bisher etwa in der Schweiz der Fall war. Aber ich habe in der Seelsorge die Erfahrung gemacht, daß, wenn zwei Parteien miteinander vor Gericht gewesen sind und die eine verspielt, die andere gewonnen hat, zwischen diesen zwei Parteien gewöhnlich eine lange Feindschaft ausbricht. Wenn aber vom Vermittlungsamte die Sache geschlichtet werden kann, wo ohnedies die Leute sich gegenseitig kennen und wo die Sache nicht soviel Aufsehen erregt, ist zu erwarten, daß man schließlich doch im Frieden auseinandergeht. Daß aber solche Personen, welche vor Gericht gewesen sind und infolge eines Urteiles den Prozeß beendet haben, im Frieden nach Hause kommen, ist selten der Fall. Wir Seelsorger werden alles das begrüßen, was den Frieden und die Eintracht in den Gemeinden, besonders in den Landgemeinden zu erhalten geeignet ist. Landeshauptmann: Wünscht noch jemand das Wort? Wenn es nicht der Fall ist, ist die Generaldebatte geschlossen. Hat der Herr Berichterstatter noch etwas beizufügen? Luger: Ich möchte noch kurz erwidern. In England, Frankreich und der Schweiz, bestehen seit jeher diese Vermittlungsämter und sie haben sich dort sehr gut eingeführt. Auch bei uns wird es gelingen, sie lebensfähig zu machen, wenn sie in richtiger Weise ausgebildet werden. Ich habe mit Schweizer Richtern verkehrt aus dem Grunde, weil die Schweizer mit diesen Vermittlungsämtern langjährige Erfahrung besitzen. Nachdem nun ein neues Reichsrahmengesetz vorliegt, welches tatsächlich den Wirkungskreis bedeutend erweitert, so ist es Sache der Landesvertretung, ein Landesgesetz zu schassen, das jenes dem Lande zunutze machen würde. Landeshauptmann: Wir gehen nun zur Spezialdebatte über. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, die einzelnen Paragraphen anzurufen. Ich werde in gewohnter Weise immer eine Pause eintreten lassen und, wenn sich niemand zum Worte meldet, die einzelnen Paragraphen für angenommen erklären. 13. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 9. Periode 1908, 7 Luger: § l. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 2. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 3. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 4. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 5. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 6. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 7. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 8. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 9. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 10. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 11. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 12. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 13. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 14. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 15. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 16. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 17. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 18. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 19. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 20. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 21. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 22. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 23. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 24. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 25. Landeshauptmann: Angenommen. 8 13. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 9. Periode 1908. Luger: § 26. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 27. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 28. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 29. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 30. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 31. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 32. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 33. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 34. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 35. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 36. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 37. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: § 38. Landeshauptmann: Angenommen. Luger: (Liest Titel und Eingang des Gesetzes.) Landeshauptmann: Hat jemand gegen Titel und Eingang des Gesetzes eine Einwendung vorzubringen? Wenn es nicht der Fall ist, betrachte ich dieselben ebenfalls als angenommen. Luger: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung. Landeshauptmann: Der Herr Berichterstatter beantragt die sofortige Vornahme der dritten Lesung. Wird eine Einwendung dagegen erhoben? Wenn es nicht der Fall ist, ersuche ich jene Herrn, welche dem Gesetzentwurfe, wie er aus den Beschlüssen der zweiten Lesung hervorgegangen ist, auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich! gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Wir kommen nun zu Punkt 2 der Anträge, die der Herr Berichterstatter verlesen hat. Wünscht zunächst zu Punkt 2 jemand das Wort? Wenn niemand sich meldet, schreite ich zur Abstimmung und ersuche jene Herrn, welche diesem Punkte ihre Zustimmung geben wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Somit ist dieser Gegenstand erledigt und wir kommen zu Punkt 6 der Tagesordnung: Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über den Gesetzentwurf betreffend die Fortsetzung der Regulierung des Bizauerbaches. Es liegt hier in Beilage 65 nur der gedruckte Gesetzentwurf vor. Der Herr Berichterstatter Jodok Fink wird den Bericht, der wegen der Kürze der Zeit nicht mehr gedruckt werden konnte, mündlich erstatten und es wird derselbe nachträglich gedruckt und dem stenographischen Protokolle beigegeben werden. Ich ersuche also den Herrn Berichterstatter, das Wort zu nehmen und den Bericht zu verlesen. 13. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 9. Periode 1908. 9 Jodok Fink: (Liest Bericht und Antrag aus Beilage 71.) Landeshauptmann: Ich, eröffne über den Gesetzentwurf die Generaldebatte. Wenn niemand das Wort zu ergreifen wünscht, gehen wir zur Spezialdebatte über und ich ersuche den Herrn Berichterstatter, die einzelnen Paragraphen anzurufen. Jodok Fink: § 1. Landeshauptmann: Angenommen. Jodok Fink: § 2. Landeshauptmann: Angenommen. Jodok Fink: § 3. Landeshauptmann: Angenommen. Jodok Fink: § 4. Landeshauptmann: Angenommen. Jodok Fink: § 5. Landeshauptmann: Angenommen. Jodok Fink: § 6. Landeshauptmann: Angenommen. Jodok Fink: § 7. Landeshauptmann: Angenommen. Jodok Fink: § 8. Landeshauptmann: Angenommen. Jodok Fink: § 9. Landeshauptmann: Angenommen. Jodok Fink: (Liest Titel und Eingang des Gesetzes aus Beilage 65.) Landeshauptmann: Hat jemand gegen Titel und Eingang des Gesetzes eine Einwendung zu machen? Wenn das nicht der Fall ist, betrachte ich sie ebenfalls als genehmigt. Jodok Fink: Ich beantrage die sofortige Vornahme der dritten Lesung. Landeshauptmann: Der Herr Berichterstatter beantragt die sofortige Vornahme der dritten Lesung. Hat jemand dazu eine Bemerkung zu machen? Wenn es nicht der Fall ist, ersuche ich, jene Herren, welche dem Gesetzentwurfe, wie er aus den Beschlüssen der zweiten Lesung hervorgegangen ist, auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Damit ist dieser Gegenstand erledigt und- wir kommen zum! siebenten Punkte der Tagesordnung: Bericht des Finanzausschusses in Sachen des projektierten Neubaues eines Landhauses auf dem Platze des alten Bezirkshauptmannschaftsgebäudes. Es liegt hier ein gedruckter Minoritätsbericht vor, den die Herrn bereits in den Händen haben. Berichterstatter der Majorität ist der Herr Abgeordnete Schreiber, welcher den mündlichen Bericht erstatten wird. Schreiber: Ich, beantrage, daß der Punkt 7 von der heutigen Tagesordnung abgesetzt wird. Landeshauptmann: Es wird die Absetzung dieses Punktes von feiten des Herrn Berichterstatters beantragt. Wünscht jemand zu diesem formellen Antrage das Wort? Es ist nicht der Fall; somit nehme ich an, daß, das hohe Haus zustimmt. Wir kommen zum achten Punkte: Wahl eines Mitgliedes in den Finanzausschuß an Stelle des Herrn Abgeordneten Dr. von Preu. Der Herr Landeshauptmannstellvertreter hat dazu das Wort. 10 13. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 9. Periode 1908. Dr. Peer: Ich gestatte mir zu beantragen, daß der Herr Bürgermeister Dr. Kinz von Bregenz in den Finanzausschuß gewählt werde. Landeshauptmann: Es wird mit Umgehung der Stimmzettelwahl beantragt, den Herrn Dr. Kinz als Mitglied in den Finanzausschuß zu wählen. Keine Einwendung nehme ich! als Zustimmung an. Nun kommt noch, wie ich bei Beginn der Sitzung angekündigt habe, angefügt an die heutige Tagesordnung, der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über die Eingabe der Stadt Feldkirch wegen Erlassung eines Gesetzentwurfes betreffend Regelung der Schwemmkanalisation im Stadtgebiete. Tiefer Bericht wird, wie schon früher gesagt wurde, mündlich erstattet ^Werden. Ich! ersuche den Herrn Berichterstatter, den Abgeordneten Martin Thurnher, denselben zu verlesen; der Bericht wird dann ebenfalls in Druck gelegt und den stenographischen Protokollen als separate Beilage beigegeben werden. Thurnher: (Liest Bericht und Antrag aus Beilage 72.) Landeshauptmann: Ich eröffne über diesen Bericht und Antrag die Debatte. Der Herr Landeshauptmannstellvertreter hat das Wort. Dr. Peer: Hohes Haus! Wenn ich mir gestatte, zu dieser Angelegenheit einige Worte an sie zu richten, so geschieht dies aus zwei Gründen. Einmal ist in einer vielgelesenen Tageszeitung gestern bereits ein Alarmschuß gefallen, von dem man annehmen kann, daß er nur der erste gewesen ist. Zweitens ist im Berichte gesagt, daß immerhin der Gesetzentwurf möglicherweise Härten beinhalten könnte, denen gegenüber den betroffenen Hausbesitzern Gelegenheit geboten werden müßte, beim Landtage zu dieser Vorlage Stellung zu nehmen. Ich gestatte mir, um jeden Verdacht einer geplanten Überrumpelung im vorhinein zu zerstreuen, ihnen folgendes zu sagen. Was die Dringlichkeit der Sache anbelangt, so ist dieselbe nicht nur wiederholt und auf das deutlichste und ausdrücklichste von der Regierung anerkannt worden, sondern die Regierung hat schon vor Jahren der Stadtgemeinde Feldkirch die Kanalisierung in einer Weise nahegelegt, daß die Stadtgemeinde sich veranlaßt sah, gegen diesen Auftrag der ersten politischen Instanz, allerdings mit Erfolg, zu rekurrieren, weil ihr die Kanalisierung von HeiligKreuz in einer mit der Autonomie der Gemeinde nicht ganz verträglichen Form aufgetragen wurde. Was dann die Haltung des Landesausschusses anbelangt, so glaube ich nicht unterlassen zu sollen, zu bemerken, daß der Landesausschuß seinerzeit auch den Finanzplan der Gemeinde genehmigt hat, in dem sich als wesentliches Glied die Bedeckung der Kanalisierungsfrage von Feldkirch befand. Wenn es auch richtig ist, daß die Beschlußfassung im Gemeindeausschusse sich etwas verspätet hat, weil erst am letzten Samstag der Beschluß eingeholt wurde, so glaube ich doch es sollte nicht übersehen werden, daß es ein rein äußerliches Moment war, das die Verzögerung herbeiführte. Ich war fortwährend im Landtage und einigemal auch weiter fort geschäftlich tätig. Mein Stellvertreter, der Herr Vizebürgermeister Häusle, befindet sich seit einiger Zeit in Urlaub und so kam es, daß die Sitzung erst zu späterer Zeit abgehalten werden konnte, als es früher geplant war. Deswegen beinhaltet diese Beschlußfassung keineswegs eine Überrumpelung, noch war eine solche geplant. Von einer Überrumpelung kann aber auch angesichts folgender Umstände nicht gesprochen werden: Durch volle 3 Jahre beschäftigte sich der Gemeindeausschuß auf das eingehendste mit der Kanalisierungsfrage. Wir haben seinerzeit seitens einer erstklassigen fachmännischen Autorität einen Kanalisierungsplan verfassen lassen; der diesbezügliche Beschluß der Gemeinde wurde einhellig gefaßt. Die Pläne liegen nun schon seit mehr als 2 Jahren im Rathause von Feldkirch und es stand bei der Offenheit, die wir auch sonst in Gemeindedingen beobachten, jedermann frei, sich über den Inhalt der Pläne zu vergewissern und in sie Einsicht zu nehmen. Es ist nun nicht uninteressant zu hören, wer von dieser Gelegenheit Gebrauch gemacht hat und wer überhaupt dem Interesse gemäß, welches man einer solchen Frage entgegenbringen soll, Einsicht genommen hat. Daß der Gemeindeausschuß Einsicht genommen 13. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 9. Periode 1908. 11 hat, ist kein Wunder. Diese Herren hatten sich mehr als ein halbes dutzendmal in Sitzungen mit der Kanalisationsfrage zu befassen; sie haben die Ausführung von Teilstrecken beschlossen und bei diesen Gelegenheiten lagen natürlich die Pläne auf, so daß sie also den Herren vorn Gemeindeausschusse bekannt sind. Nun wäre es interessant zu wissen, wer außer den Herren von der politischen Behörde, die sich sehr dafür interessierte, sonst noch diese Pläne angesehen hat. Ich bin so frei und in der Lage, ihnen diese Herren, dem Range nach von oben nach unten, zu bezeichnen, welche in die Pläne Einsicht genommen haben. Haben sie keine Angst, daß. die Reihe allzu lang werde. Der erste Herr, welcher Einsicht genommen hat, ist Seine k. k. Hoheit Erzherzog Eugen, gelegentlich eines Besuches im Feldkircher Rathause. Der zweite war Seine Exzellenz der Herr Statthalter Baron Spiegelfeld, der politische Landeschef von Tirol und Vorarlberg. Damit ist die Reihe geschlossen. Trotzdem wiederholt diese Angelegenheit im Gemeindeausschusse in offener Sitzung verhandelt wurde; trotzdem es sich hier um schwerwiegende Fragen, der Sache und der Kosten wegen, handelte; trotzdem zu wiederholten Malen Teilstrecken au§ Dringlichkeitsrücksichten beschlossen und ausgeführt wurden, fand sich doch niemand ein, der irgendwelche Härten, wie sie jetzt als möglich, vermutet werden, bemerkt hätte. Während z. B., wenn es sich darum handelte, mit 50 K einen mehr deutschfortschrittlich angehauchten Turnverein oder einen mehr christlichsozial gefärbten Stemmklub zu subventionieren, oder wenn es sich auch um andere, weniger wichtige Interessen handelte, sich hie und da einmal junges Publikum in Gemeindeausschußsitzungen einfand, so zeigte sich. keine Seele, wenn die Kanalisationsfrage auf der Tagesordnung stand. Wir haben den Herren Gelegenheit genug gegeben, sich mit der Kanalisationsfrage zu befassen. Die Beschlüsse wurden ordnungsgemäß in den Zeitungen publiziert, ja es wurden nicht nur die Beschlüsse publiziert, sondern man hat, um die Bevölkerung zu interessieren und fortwährend auf dem laufenden zu erhalten, sogar ausführlich die Berichte des Komité-Obmannes, des Herrn Magistratsrates von Furtenbach, eines um diese Frage hochverdienten Mannes, verlautbart. Es wurde weder ein Rekurs ergriffen noch Stellung genommen und somit hatte die Gemeindevertretung alle Ursache, zu glauben, sich auf dem rechten Wege zu befinden, zumal sie wußte, daß die Regierung diese Aktion in durchaus nicht zu verkennender Weise sehr begrüßt. Man hat, nachdem auch. einmal Bedenken in der Bevölkerung dahin laut geworden sind, man brauche nicht so moderne Sachen zu machen und man möge die alte Kanalisation, die man schon seit 300 Jahren habe, etwas ausflicken, um auch diesen Bedenken begegnen zu können, einen Mann kommen lassen, der sich gerade auf diesem Gebiete als Autorität erwiesen hat, nämlich in der Einbeziehung alter Kanäle in neue Kanalisierungsanlagen, den Herrn Kanalbaudirektor Meß in Innsbruck. Dieser Herr hat sich die Sache angeschaut und man hat den Leuten Gelegenheit gegeben, dreinzureden, während er da war. Das Gutachten des Herrn Meß. wurde ebenfalls in öffentlicher Gemeindeausschußsitzung bekannt gegeben; nach diesem Gutachten wurde eine solche Maßnahme schlechthin als undurchführbar bezeichnet, weil sie erstens ganz gleich, viel koste, löte die Durchführung des ganz modernen einheitlichen Kanalisierungsprojektes, zweitens, weil eine solche Maßnahme ihren Zweck, den einer gründlichen Assanierung des Stadtgebietes gar nicht erreichen würde. Es hat dann im weiteren Verlaufe der Zeit endlich der Hausbesitzerverein Stellung zur Kanalisierungsfrage genommen. Einem dringenden Bedürfnisse abzuhelfen, hat sich der Hausbesitzerverein zusammengefunden. Die Meinungen über die Wirksamkeit des Vereines gehen auseinander zwischen den Hausbesitzern einerseits und den Mietsparteien andererseits. Der Verein fand sich auch berufen, in der Kanalfrage dreinzureden; er hat aber erst in deut Momente eingegriffen, als sich das Kanalisierungskomité mit der schwierigsten Frage der Feststellung des Mietwertes, der die Grundlage für die Einhebung von Kanalgebühren zum Zwecke der teilweisen Verzinsung und Amortisierung der Kanalkosten bilden könnte, befaßte. Das Komité hat sich dieser mühevollen Aufgabe unterzogen, - mühevoll deswegen, weil bei uns die Hausklassensteuer gilt, welche keine richtige Grundlage für den Mietwert bildet, während es in Innsbruck ungemein leicht war, weil dort die ganze Stadt der Hauszinssteuer unterliegt. Das Komits hat sich. alle Mühe 12 13. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 9. Periode 1908. gegeben, unter Berücksichtigung jedes einzelnen Objektes und seiner besonderen Verhältnisse eine Liste aufzustellen |und hat ein Elaborat veröffentlicht, vervielfältigt und den einzelnen Hausbesitzern zugestellt. Erst da fand beinahe jeder, daß er zu hoch eingeschätzt sei. Dann haben die Hausbesitzer Stellung genommen und haben eine Versammlung ihres Vereines einberufen; diese hat einen sehr turbulenten Verlauf genommen. Die Verhandlungen ließen nach Inhalt und Form außerordentlich viel zu wünschen übrig. Nach Inhalt deswegen, weil über eine Frage, von der man glauben sollte, daß über sie angesichts ihrer Wichtigkeit und weittragenden Bedeutung der Sache die ganze Bevölkerung doch ordentliche aufgeklärt sei, die unglaublichsten und abstrusesten Behauptungen, die schon längst widerlegt worden sind, neuerlich aufgestellt wurden, - beispielsweise die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit der Wiederherstellung der alten Kanäle - so daß einem die Haare zu Berge stehen mußten. Auch der Form nach ließ die Versammlung zu wünschen übrig. Es konnte keiner der Magistratsräte, und auch der Kanalreferent nicht, sich dazu entschließen, in eine solche Hausbesitzerversammlung zu gehen, um dort Äußerungen über sich ergehen zu lassen, wie sie in Abwesenheit dieser Heeren zum besten gegeben worden waren. Eine zweite Versammlung hat stattgefunden und - ich weiß nicht, wie die Herren auf diese Idee gekommen sind - es sind Plakate angeschlagen worden in denen ohneweiters der Herr Magistratsrat von Furtenbach als Referent für die Hausbesitzerversammlung bezeichnet wurde. Herr Magistratsrat von Furtenbach hat erklärt, er wäre gewiß gerne bereit, der Bevölkerung auf diesem Wege zu dienen, Vorträge zu halten, Rede und Antwort zu stehen, nur, bitte er, ihn einzuladen. Und er hatte guten Grund dazu, weil er wußte, daß diese Einladung ein Schild gegen allzu gröbliche Angriffe bieten werde. Wenn man eingeladen ist, hat man ein Recht, wenigstens anständig behandelt zu werden ober, wenn dies nicht der Fall ist, den Hut vorn Nagel zu nehmen und sich! zu empfehlen. Diese Einladung ist jedoch nicht erfolgt, trotzdem Herr v. Furtenbach ruhig auf den Plakaten als Referent stehen geblieben ist. Schließlich und endlich verlief die ganze zweite Versammlung der Hausbesitzer resultatlos, nachdem der Obmann konstatieren mußte, daß man nicht einmal die gewöhnlichste Rücksichtnahme dem gegenüber, welcher hätte referieren sollen, hat walten lassen, da nicht einmal eine Einladung an ihn ergangen war. Dann ist noch eine Eingabe von feiten der Hausbesitzer gemacht worden, die nicht so sehr gegen die Kanalisierung als solche, sondern hauptsächlich gegen eine allfällige höhere Besteuerung gerichtet war: Ich glaube, daß die Hausbesitzer in solchen Fällen noch nie besonders schlechte Erfahrungen gemacht haben. Es ist die Erfahrung