19080403_lts025

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Letzte Änderung 03.07.2021, 10:12
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp09,lts1908,lt1908,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Voarlberger Landtag 25. Sitzung am 3. April 1908 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmanns Adolf Rhorrrberg. Gegenwärtig 19 Abgeordnete. - Abwesend die Herren: Abgeordnete> Dressel, Dr. Drexel, Dr. von Preu und Dr. Waibel. Regierungsvertreter: Herr k. k. Hofrat Levin Graf Schaffgotsch. Beginn der Sitzung um 10 Uhr 9 Minuten vormittags. Landeshauptmann: Ich erkläre die heutige Sitzung für eröffnet und ersuche um Verlesung des Protokolls der letzten Sitzung. (Der Schriftführer verliest dasselbe.) Wird gegen die Fassung des Protokolls eine Einwendung erhoben? Da dieses nicht der Fall ist, betrachte ich dasselbe als genehmigt. Ich gehe nun zur Tagesordnung über. Auf derselben steht als einziger Gegenstand: Bericht des Schulausschusses über die Landesausschußvorlagen und zwar über a) den Gesetzentwurf betreffend Abänderung einiger §§ des Schulaufsichtsgesetzes, b) den Gesetzentwurf, betreffend Abänderung einer Anzahl Bestimmungen des Schulerhaltungsgesetzes, c) den Gesetzentwurf betreffend die Rechtsverhältnisse des Lehrerstandes. Berichterstatter in dieser Angelegenheit ist Herr Martin Thurnher und ich ersuche denselben, das Wort zu nehmen. Thurnher: Ich glaube, es wird zuerst nötig fallen, daß ich den Bericht des Schulausschusses verlese, weil er erst gestern abends in die Hände der Herrn Abgeordneten gelangen konnte, während die 3 Gesetzentwürfe bereits seit etwas längerer Zeit sich in deren Händen befinden. (Verliest Bericht und Antrag aus Beilage 116). (Dabei berichtigt er folgende Druckfehler): Bei II. Schulerhaltungsgesetz, Alinea 3, soll es heißen statt "1890": "1899". Dann bei III. Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Lehrer, Alinea 3 statt "vorangegangenen 2 Jahre": "vorangegangenen Jahre". Dann III. Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Lehrer, Alinea 7 statt "Landesschulrat": "Bezirksschulrat". Und bemerkt dazu): Ich habe nicht mehr Zeit gehabt, diesen Bericht nachzulesen. 230 23. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 9. Periode 1906/7. Es liegen dann noch Minoritätsanträge vor und zwar bezüglich des Schulaufsichtsgesetzes zu den §§ 34 und 35, die eigentlich nur die Belastung der bisherigen geltenden Bestimmungen des betreffenden Schulaufsichtsgesetzes involvieren, weiters Minoritätsanträge zu den §§ 5, 6, 23, 36 und 56 des vom Schulausschusse vorgelegten Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Lehrer. Nachdem sowohl der Motivenbericht des Landesausschusses als auch. der von mir soeben vorgelesene Bericht des Schulausschusses die Sache in eingehendster Weise behandeln, so kann ich mich. füglich! vorläufig weiterer Ausführungen enthalten und ich behalte mir vor, auf die einzelnen Punkte, sei es in der Generaldebatte, sei es in der Spezialdebatte, zurückzukommen. Ich stelle vorläufig an das hohe Haus die Bitte, in die Spezialdebatte über die vorliegenden Gesetzentwürfe einzugehen. Landeshauptmann: Bevor ich die Debatte über den Bericht und über die Gesetzentwürfe einleite, möchte ich. dem! hohen Haus bekanntgeben, in welcher Weise ich! beabsichtige, die ganze Besprechung und Verhandlung über diesen Gegenstand durchzuführen. Ich gedenke zuerst die Generaldebatte durchführen zu lassen über sämtliche 3 Gesetzentwürfe wie auch über die vorliegenden Anträge des Schulausschusses. Wenn dann die Generaldebatte abgeschlossen ist, wird zur Spezialdebatte übergegangen und zwar zunächst über den Gesetzentwurf betreffend die Abänderung einiger §§ des Schulaufsichtsgesetzes, dann über die Abänderungsparagraphe des Schulerhaltungsgesetzes und endlich über den Gesetzentwurf betreffend die Rechtsverhältnisse des Lehrerstandes an den öffentlichen Volks- und Bürgerschulen. Bei der Spezialdebatte und zwar bei jenen Paragraphen, zu welchen Minoritätsanträge vorliegen, werde ich! so vorgehen, daß beim Besprechen der einzelnen Paragraphen zuerst der Berichterstatter der Majorität die Verhandlung einleitet, daß dann der Berichterstatter der Minorität die Minoritätsanträge begründet, nach durchgeführter Debatte über die betreffenden Paragraphe dann nochmals der Berichterstatter der Minorität und am Schlusse der der Majorität das Wort hat. Es ist diesbezüglich, nichts Bestimmtes in der Geschäftsordnung enthalten, ich kann aber ausgehen von einer Gepflogenheit, die stets im hohen Hause geübt worden ist und die sich anschließt an die Geschäftsordnungen bei Verhandlungen anderer Parlamente und Landesvertretungen. Dies vorausgeschickt, möchte ich noch weiter bemerken, daß die Minoritätsanträge und zwar der zum Schulaufsichtsgesetze, vertreten wird vom Herrn Berichterstatter Abgeordneten Dr. Kinz und die Minoritätsanträge zum Gesetze betreffend die Rechtsverhältnisse des Lehrerstandes an den öffentlichen Volks- und Bürgerschulen vom Minoritätsberichterstatter Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Peer. Ich eröffne zunächst die Generaldebatte über sämtliche vorliegende Gesetzentwürfe. Der Herr Abgeordnete Dr. Kinz hat das Wort. Dr. Kinz: Hohes Haus! Die Lehrerschaft hat seit Jahren die Forderung nach gesetzlicher Regulierung ihrer Gehalte erhoben und mit Recht, denn in Bezug auf die Lehrergehalte ist Vorarlberg eines der rückständigsten Länder der Monarchie. Die unangenehmen Folgen der geringen Lehrergehalte machen sich fühlbar in dem Abströmen einheimischer Lehrkräfte in andere Länder und damit in Verbindung stand ein fühlbarer Mangel tüchtiger Lehrer im Lande selbst. Der Ruf nach der Gehaltsregulierung, der aus beiden Lagern der Lehrerschaft erhoben worden war, ist berechtigt. Die Minorität erkennt dies vollauf an. Sie stellt sich auf diesen Standpunkt und hat ihm auch! Rechnung getragen, indem die Gemeindevertretungen verschiedener Städte aus eigenen Mitteln vor der Lehrergehaltsregulierung durch das Land den Lehrern eine Regulierung der Gehalte angedeihen ließen. Die Minorität hat diesem Standpunkte auch dadurch Rechnung getragen, daß sie für die Bedeckungsgesetze stimmte, um dem Lande die Mittel zur Verfügung zu stellen für die in Aussicht genommene Lehrergehaltsregulierung und die damit verbundenen außerordentlichen Mehrauslagen. Wenn wir uns jedoch mit diesem vorliegenden Gesetzentwürfe nicht befreunden können, geschieht dies deshalb, weil eine Reihe Gesetzesänderungen in ihnen vorgesehen sind, welche mit der Lehrergehaltsregulierung nichts zu tun haben, vielmehr nur daraus hinausgehen, die Macht der herrschenden Partei zu stärken. 25. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 9. Periode 1906/7. 231 Als das Gesetz im Lande bekannt wurde, erhob sich ein allgemeiner Sturm der Entrüstung. Die außergewöhnliche stark besuchten Protestversammlungen in Dornbirn, Feldkirch, Bludenz, Bregenz, Lustenau und Hard haben Stellung zu den Bestimmungen dieses Gesetzes genommen, welche mit der Lehrergehaltsregulierung nicht direkt in Zusammenhang stehen. Sie können versichert sein, daß, wenn es sich um einen Vorstoß gegen die Gesetze handelt, wie er in den vorliegenden Gesetzentwürfen geplant ist, der Freisinn, wie ein Mann, die Stimme im Lande erhebt. Und in der Tat enthalten die Gesetzentwürfe eine Reihe von Bestimmungen, welche für die freisinnige Partei unannehmbar sind: und zwar die Einschränkung der Befugnisse der Gemeinden bei Erstattung der Dreiervorschläge; es ist die Beschränkung der Gemeinden in der Verfügung über die eigenen Mittel, daß es in Hinkunft den Gemeinden nur gestattet ist, mit Zustimmung des Landesausschusses Zuschüsse zu den Lehrergehalten zu gewähren; es ist die Vermehrung der Vertretung des Landesausschusses im Landesschulrate; es ist die Erhöhung der Befugnisse des Landesschulrates bei Besetzung der Lehrstellen; es ist der Mangel fester Bestimmungen bei Vorrückung von der II. in die I. Gehaltsklasse; es ist endlich eine ungenügende Vorsorge für Pensionsbezüge der Lehrer. Die Vertreter der Minorität werden Gelegenheit nehmen, bei der Spezialdebatte zu den einzelnen Punkten ausführlich das Wort zu ergreifen. Die von der Minorität gestellten Anträge bewegen sich im großen und ganzen in der Richtung, daß jene Bestimmungen des Gesetzes, der alten Gesetze, welche mit der Lehrergehaltsregulierung nichts zu tun haben, in den Entwürfen jedoch Abänderung gefunden haben, aufrecht erhalten bleiben. Es handelt sich sonach nicht um einen Vorstoß des Freisinnes im Lande, sondern vielmehr um einen Angriff der Mehrheit, welcher weder im Interesse der Gemeinden noch der Schulen des Landes gelegen ist. In formeller Beziehung möchte ich- bemerken, daß bei den Minoritätsanträgen rücksichtlich des Gesetzes betreffend die Änderung einiger Paragraphen über die Schulaufsicht ein Lapsus in der Weise passiert ist, daß richtiger an Stelle der §§ 34 und 35 der § 26 angeführt sein soll, wie es auch ausdrücklich irrt Artikel 1 des bezogenen Gesetzes lautet. Ich werde später Gelegenheit nehmen, darauf ausführlich zurückzukommen bei der Spezialdebatte. Landeshauptmann: Herr Abgeordneter Loser hat das Wort. Loser: Hohes Haus! Im Interesse einer gesunden und gedeihlichen Entwicklung der Schule unseres Heimatlandes, sowie im Interesse der materiellen Sicherstellung der heimischen Lehrerschaft begrüße ich, wie ich das schon im Subkomitee des Landesausschusses, sowie im Schulausschusse getan habe, lebhaft die uns beschäftigenden Vorlagen betreffend die Abänderung der Schulgesetze dem vollen Umfange nach und wünsche nur, daß dieselben recht bald Gesetzeskraft erlangen mögen. Nachdem mein geehrter Herr Vorredner, der Vertreter der Stadt Bregenz, in seinen Ausführungen auch die sogenannte Protestbewegung im Lande Vorarlberg in den Bereich seiner Ausführungen gezogen hat, so möchte auch ich, die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, Um gerade bei diesem Anlasse, bei der Generaldebatte, kurz darauf zu sprechen zu kommen und darauf hinzuweisen, was für eine Art der Behandlung die Vorlagen in der Öffentlichkeit sowohl in der Presse der gegnerischen Partei, sei es nun in der sozialdemokratischen oder freisinnigen, oder auch, in den berühmt gewordenen Protestversammlungen gefunden hat. IM freisinnigen Lager wurden vor einigen Wochen alle Mann an Bord gerufen zur Abwehr gegen ein Attentat, welches der Landesausschutz in seiner Bosheit ausgesonnen hat und welches die Landesvertretung nunmehr sich! anschickt auszuführen, ein Attentat gegen Schule, Lehrer, Gemeinde und Volk zugleich'. Das will allerdings viel heißen, und es wundert mich, nicht und- man muß es begreifen, daß der Freisinn, der bei uns zulande ohnedies schwächlicher Konstitution ist, in seiner Herzensangst, seine zwar sehr natürliche, aber doch etwas entartete Tochter, die sich schon längst der väterlichen Zucht entzogen hat, die Sozialdemokratie, zu Hilfe gerufen hat zur Abwehr gegen dieses grausige Attentat. Der Hilferuf war kein vergeblicher. Die Sozialdemokratie ist in das Elternhaus zurückgekehrt, sie hat willig Folge geleistet. Die Abwehraktion konnte vor sich gehen. Ich glaube aber sagen zu dürfen, die Aktion hat außer den Beteiligten und 232 25. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 9. Periode 1906/7. vielleicht von diesen nicht allen, niemanden besonders imponiert, vielmehr aber hat sie weite Kreise einigermaßen belustigt. Es würde, hohes Haus, glaube ich, zu weit führen, wollte ich all das Zeug, sie verzeihen den Ausdruck, was in der freisinnigen Presse, als auch vielfach in Protestversammlungen gegen die Schulgesetze ins Treffen geführt wurde, hier des weiteren erwähnen. Es sei mir nur gestattet, einiges zu berühren, das heute hier allerdings nicht mehr berührt worden ist von feite des Herrn Vorredners. Unter anderem wurde auch die Behauptung aufgestellt, die Lehrerschaft werde ihres Rechtes beraubt, - es ist also Mit dem Attentat noch ein kleiner Raubzug verbunden - ihre Vertreter künftighin in die Schuhbehörden zu entsenden. Das ist allen Ernstes in Versammlungen und in der Presse ausgeführt worden. Was hat sich in dieser Richtung geändert? Die Lehrerschaft sei nicht mehr berechtigt, ihre Vertreter in den Landesschulrat zu entsenden, hieß es bekanntlich. Ich, glaube, die Mitglieder des hohen Hauses nicht aufmerksam >rächen zu müssen, daß die Lehrer bisher kein Recht hatten, Vertreter in den Landesschulrat zu entsenden, da die Mitglieder des Landesschulrates bekanntlich mit Ausnahme jener, welche vom Landesausschusse hineingewählt werden, von der Krone, über Vorschlag des Unterrichtsministers, ernannt werden. Es ist daher hier kein Recht entzogen worden und das Recht, welches die Lehrer haben, ihre Vertreter in den Bezirksschulrat zu entsenden, ist gar nicht tangiert worden, daran ist gar nichts geändert worden, das besteht nach wie vor. Diese Behauptung war aber doch auch zurzeit der Protestbewegung aufgestellt und bildete einen sogenannten integrierenden Bestandteil des Attentates auf die Lehrerschaft. Weiter wurde behauptet, es sei in § 41 des Schülerhaltungsgesetzes die gesetzliche Bestimmung nunmehr getroffen, daß der Ortsschulrat angewiesen werde, die Gehalte der Lehrerschaft auszuzahlen. Mit der Bestimmung ist man auch so hausieren gegangen und hat sie ebenfalls als ein furchtbares Attentat hingestellt. Der Ortsschulrat werde jetzt die Gehalte auszahlen und in den Meisten Fällen sei der Pfarrer Vorsitzender des Ortsschulrates und werde derselbe somit die Lehrergehalte auszuzahlen hüben. Die Erhebungen ergeben zwar, daß nur in 6 Gemeinden des Landes der Pfarrer den Vorsitz im Ortsschulrat innehat. Übrigens ist bei diesem Paragraph gar nichts geändert worden, als ein Zusatz beigefügt, dast wenn der Ortsschulrat nicht für die rechtzeitige und befriedigende Auszahlung der Lehrer Sorge trage, derselbe zur Verantwortung gezogen werden könne. Das ist alles, die übrige Bestimmung des bezüglichen Paragraphen stand schon im bisherigen Gesetz und wurde vom Reichsvolksschulgesetz übernommen. Und doch dieser Protest! Es wundert mich nur, daß nicht schon im "Interessanten Blatte" und in der "Blutigen Hacke" ein Bild erschienen ist, welches darstellt, wie die Lehrerschaft in Prozessionen in den Pfarrhof wandert, um dort die Gehalte in Empfang zu nehmen; ich glaube sogar annehmen zu können, daß soweit ich die Bregenzer Freisinnigen kenne, dieselben im Geiste schon gesehen haben, wie die Lehrerschaft der Landeshauptstadt am 1. jeden Monats in geordneten Reihen unter Borantritt des Herrn Vizebürgermeisters Natter in den Pfarrhof wandert, um dort den Gehalt für ihr Wirken in Empfang zu nehmen. Meine Herrn! Wenn nun irgendein sozialdemokratischer Agitator dies sagt, oder wenn das in der sozialdemokratischen Presse steht, so haben wir dagegen nicht viel einzuwenden. Von dieser Seite ist man es gewohnt, daß mit solchen Schlagwörtern gearbeitet wird und wir wissen, wie diese Leute ihren Anhang zu haranguieren pflegen. Wenn das aber in Protestversammlungen geschieht und in die dort empfohlenen Resolutionen aufgenommen wird, und wenn dort die sogenannte Intelligenz unserer Städte versammelt ist, wenn das also nicht nur sozialdemokratische Unterläufel behaupten, sondern die Repräsentanten unserer Intelligenz^ die Bürgermeister unserer Städte, dann ist das schon ein wenig bedenklich. Und wenn diese Angelegenheit selbst von hier aus verpflanzt wurde in das große Weltblatt, in die Weltjüdin, in die "Neue Freie Presse", daß jetzt in Vorarlberg die Lehrerschaft unter die Botmäßigkeit des Klerus gestellt werde, daß die Lehrer des Landes in den Pfarrhof gehen müssen, um ihren Gehalt in Empfang zu nehmen, damit auch in Hinkunft noch. nach außenhin die Unterwürfigkeit unter den Klerus dokumentiert erscheine, dann muß man das schon ein klein wenig verurteilen und man darf also nicht böse sein, wenn das geschieht. Nun hätte 25. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 9. Periode 1906/7. 233 ich eigentlich einige Sachen berührt, gegen welche in den Versammlungen protestiert wurde und wo man offene Türen eingerannt hat. Wie Sie sehen, meine Herrn, bleibt vom bekannten Attentat nicht gar sonderlich, viel mehr übrig. Die §§ 5 und 6 werden jedenfalls von anderer Seite behandelt werden - es wäre denn, daß grammatikalische Fehler, die in der Eile in die Vorlagen hineingekommen sind, und die merkwürdigerweise - es ist das auch ein wenig kleinlich - Gegenstand in den Protestversammlungen gewesen sind, wenn dann die Worte "die" oder "der", die einmal verwechselt wurden, etwa auch noch einen kleinen Bestandteil des Attentates bilden würden. Von dem von feite des Landesausschusses gegen Schule, Lehrer, Gemeinden und Volk geplanten Attentat bleibt also, wie gesagt, nicht sonderlich viel mehr übrig als die steuerpolitische Vorlage, gegen welche in den Protestversammlungen auch heftig protestiert wurde, so auch in der Protestversammlung in Bregenz, welche darin gipfelte, daß man sich sehr gegen das steuerpolitische Attentat aussprach. Nun aus dieses Gebiet will ich mich nicht begeben, wir sind nicht bei der Verhandlung der Wein- und Biersteuer. Es ließen sich gewiß Argumente genug anführen, die es rechtfertigen, warum man die Einführung der Wein- und Biersteuer vorgezogen hat gegenüber einer sprunghaften Erhöhung der andern Steuern. Ich will nur meiner Genugtuung Ausdruck verleihen, daß die Minorität hier im Hause wenigstens sich. in diesem Punkte bekehrt hat und bezüglich dieser Vorlage mit uns gestimmt hat, sodaß wir hier quasi Mitschuldige haben und dieses gereicht mir einigermaßen zur Genugtuung. Meine -Herrn! Ich glaube nun, nachdem der steuerpolitische. Teil in einer ruhigen und sachlichen Weise seine Erledigung gefunden hatte, so ist es überflüssig gewesen, zurzeit der Protestaktion so große Plakate hinauszugeben, (Redner zeigt ein Plakat vor. Große Heiterkeit.) und zu verkünden, was für ein grausiges Attentat geplant worden ist. Da hätte ein kleinerer Maßstab genügt, wenn man gesehen hat, was für einen Verlauf die Abwehraktion genommen hat. Sie ist, das darf man ohne Übertreibung sagen, nicht sonderlich gut ausgefallen. Ich möchte fast sagen, die Protestaktion ist beendet worden wie das bekannte Hornberger Schießen. Von dem erzählt man sich, es hätten die Schützen den ganzen Nachmittag geschossen und keine Scheibe getroffen. Dann seien sie zusammengesessen und hätten ausgemacht, denjenigen zum Schützenkönig auszurufen, der am nächsten daneben getroffen hätte. Jene Herrn, welche in den Protestversammlungen aktiv tätig waren, können sich auch wieder zusammenfinden und beraten, welcher von ihnen am nächsten daneben gehaut hat und wer in dieser Protestversammlung das Meisterstück fertig gebracht habe. Ob der Schützenkönig im bürgerlich-freisinnigen oder im sozialdemokratischen Lager zu suchen ist, will ich nicht weiter nachforschen. Ich will meine Ausführungen schließen und nochmals meiner Befriedigung Ausdruck geben über die Art, wie die Vorläge aus dem Landesausschusse hervorgegangen ist, und ich. will auch nochmals der Hoffnung Ausdruck geben, daß dieselbe recht bald Gesetzeskraft erlangen werde. Landeshauptmann: Wer wünscht weiter das Wort? - Herr Abgeordneter Dr. Kinz hat dasselbe. Dr. Kinz; Hohes Haus! Es ist bezeichnend, wie man mit schlechten Witzen über die ganze Protestbewegung hinweggeht. Ich möchte nur auf jenen Teil zurückkommen, der meine Person und Tätigkeit in den Protestversammlungen betrifft. Es sei - ich glaube, daß es offenbar auf mich bezogen ist, weil der Herr Abgeordnete Loser ausdrücklich gesagt, daß. auch ein Bürgermeister des Landes Unrichtigkeiten über die verschiedenen Gesetzentwürfe gesagt habe - in Versammlungen behauptet worden, daß nach dem neuen Gesetze die Gehalte durch den Ortsschulrat zur Auszahlung kommen; es sei auch behauptet worden, daß den Lehrern in Hinkunft das Recht benommen werde, Vertreter in den Landesschulrat zu entsenden. Das mag vielleicht in der ersten Versammlung geschehen sein. Ich. habe bei 4 Versammlungen teilgenommen und habe mit keinem Worte eine solche oder ähnliche Äußerung gemacht. Ich habe das Wort nochmals ergriffen, um klarzulegen, daß ich, weil es speziell mich als Bürgermeister betrifft, keine solche Äußerung getan habe. Ich habe ausdrücklich - und es ist auch. in 234 25. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 9. Periode 1906/7. Versammlungen geschehen, bei welchen ich. nicht teilgenommen habe - bemerkt, daß, wie es scheint, die Bestimmung des § 41 bezüglich der Auszahlung der Gehalte auf einer irrtümlichen Auffassung beruhe, weil im Motivenberichte ausdrücklich darauf hingewiesen ist, daß dem Ansuchen der Lehrerschaft betreffend die Auszahlung der Gehalte durch die Steuerämter nicht Folge geleistet werden könne; es könnte die Sache vielleicht so aufgefaßt werden, - wie auch im Motivenberichte darauf hingewiesen ist und wie es in der Praxis tatsächlich geschieht - daß wirklich von den Gemeinden die Gehalte meist ausbezahlt werden, während nach dem Gesetze die Auszahlung durch den Ortsschulrat erfolgen sollte. Es ist nicht richtig, daß einer der Bürgermeister des Landes eine solche Behauptung aufgestellt habe. Es ist auch nicht richtig, daß ich oder mein Kollege Dr. Peer behauptet oder gesagt hätten, daß die Lehrer in Hinkunft nicht mehr das Recht haben, Vertreter in den Landesausschuß zu entsenden, weil wir Wohl die Bestimmung kennen, daß sie von der Regierung allein ernannt werden. Es sind das unrichtige Behauptungen und ich staune, daß solche Behauptungen aufgestellt Werben, nachdem doch die Minorität oder vielmehr ihr Berichterstatter in den Verhandlungen darüber gesprochen und die Stenographen die einzelnen Reden auch aufgenommen haben. Das zur Richtigstellung. Landeshauptmann: Herr Landeshauptmannstellvertreter hat das Wort. Landeshauptmannstellvertreter: Hohes Haus! Gestatten Sie mir, daßi ich Sie auch noch ein paar Minuten aufhalte. Wie schon mein geehrter Herr Vorredner, Dr. Kinz, bemerkt hat ist von Seite des Herrn Abgeordneten Loser in humorvoller Weife über die Minorität hergefallen worden. Einige Behauptungen desselben kann ich nicht unerwidert lassen. Vollständig unwahr ist es, daß ich in irgend einer Versammlung die Geschichte mit dem' § 41 in der Darstellung des Herrn Abgeordneten Loser angezogen hätte. Ich habe sogar darauf hingewiesen, daß, jene Behauptung, welche in der Öffentlichkeit in der angedeuteten Richtung erhoben worden ist, einer tatsächlichen Unterlage entbehre und daß der § 41 in der neuen Fassung genau dem § 41 der alten Fassung entspreche. Es ist ferner unrichtig, daß von meiner Seite aus - und ich glaube, derzeit noch unter die Bürgermeister der Städte des Landes zu gehören - Sturm geläutet worden sei gegen das Vorschlagsrecht des Landesausschusses, wenn ich aurf> ein gewisses Bedenken nicht verhehlen kann, daß! nämlich, wenn diese Gesetzesbestimmungen durchgeführt werden können und die Vorschläge ernst genommen werden, diese Lehrer weniger von der Krone in Wien als vielmehr i n der Krone zu Bregenz ernannt werden dürften. (Heiterkeit.) Es ist auch darauf hingewiesen worden, daß die Minorität hinsichtlich der Bedeckungsfrage sich bekehrt habe. Auch in dieser Beziehung dürfte Herr Kollege Loser im Irrtum sein, und ich verweise darauf, daß ich schon von allem Anfange an gegenüber der Bedeckungsfrage genau dieselbe Haltung in der Öffentlichkeit eingenommen habe, welche ihren prägnanten und sichern Ausdruck in der Ihnen vorliegenden Erklärung der Minorität findet, wie ich sie das letztemal im hohen Hause abgab und der gegenüber auch der Herr Berichterstatter der Majorität keinen weiteren Anlaß zu einer Erwiderung finden konnte. Ich habe mehrere vergnügte Gesichter um mich herum gesehen und darin ein günstiges Auspizium für die Geschicke dieser Vorlage und damit auch für die Geschicke des Lehrerstandes erblickt. Es ist aber eine Frage des guten Geschmackes - und über den Geschmack läßt sich bekanntlich nicht streiten - ob es am Platze sei, daß, man vor geladenen Gästen versucht, sein Licht leuchten zu lassen und über die Minorität Witze zu machen, wo doch die Minorität in der vollen Stärke, wie sie hier sitzt, aufrichtig und ehrlich bemüht war, durch emsige Mitarbeit im Schulausschusse am Zustandekommen des Reformwerkes mitzuwirken. Diesbezüglich können wir uns übrigens auf den Herrn Obmann und den Herrn Referenten als auf gewiß einwandfreie Zeugen berufen. Landeshauptmann: Herr Abgeordneter Loser hat das Wort. 25. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 9. Periode 1906/7. 235 Loser: Meine Herrn! Ich muß noch einiges auf die gemachten Ausführungen der geehrten Minorität erwähnen. Die Herrn tun mit einem sehr großen Eifer mehr oder weniger in Abrede stellen, daß diese Angelegenheiten in der angedeuteten Form in Protestversammlungen zur Sprache gekommen sind. Ich möchte hier aber doch daraus verweisen, daß diese Angelegenheiten tatsächlich' in der von mir geschilderten Weise zur Verhandlung und Abstimmung gekommen sind. In allen diesen Versammlungen hat man Resolutionen befürwortet und angenommen. Ich! verweise daraus, daß Herr Abgeordneter Dr. Kinz betreffend die Verkürzung der Rechte der Lehrerschaft Erwähnung tat. Ich verweise ferner darauf, daß die bezüglichen Resolutionen überall Annahme gefunden haben. Ich habe die Resolution von der Versammlung in Bregenz bei mir, in der nicht genug hervorgehoben werden kann, daß, die Lehrer ihren Gehalt im Pfarrhose werden holen müssen. Die Resolutionen waren bekanntlich überall gleichlautend. Dr. Kinz hat auch in einer Versammlung - ich weiß nicht, war es in Hard oder in Bludenz - gesagt, daß der Ortsschulratsvorsitzende in den Gemeinden in der Regel der Pfarrer fei, und daß die Abhängigkeit vom Pfarrer dem Lehrerstande nicht zur Ehre gereiche. (Dr. Peer: Das ist nicht wahr. - Ölz: Es wird der Volksfreund sein.) Dort ist es gesagt worden. Auch! gegen das steuerpolitische Attentat ist in die Resolutionen ein heftiger Protest aufgenommen worden, ebenso auch gegen das andere mit den Pfarrhöfen. Ich glaube, es geht nicht an, daß, man hintennach jetzt einfach sagt, es sei nicht geschehen und man habe nicht davon geredet. Soviel ich! weiß, hat der Hauptredner in den Protestversammlungen die Annahme der Resolution jedesmal i n allen Teilen empfohlen und würde dieselbe auch prompt angenommen. Was die Bemerkung des sehr geehrten Herrn Landeshauptmannstellvertreters anlangt, ob es geschmackvoll sei, - wie er meint vor geladenen Gästen - hier dieses anzuführen, so muß ich allerdings die Beurteilung dieser Frage dem hohen Hause überlassen. Der Herr Landeshauptmannstellvertreter wird mich entschuldigen, denn ich bin eben schon seit 10 Jahren Mitglied des österreichischen Parlamentes, (Dr. Peer: Da ist es etwas anderes.) dort sind nämlich von vollständig freisinniger Seite mitunter Ausführungen gemacht worden, daß ich mich' oft gewundert habe, daß sie so vorgetragen wurden, so daß man mit Recht fragen konnte, ob dies geschmackvoll fei. Es mag also fein, daß meine Sitten mitunter im Wiener Parlamente unter diesem Einflüsse ein wenig gelitten haben. Landeshauptmann: Herr Abgeordneter Ölz hat das Wort. Ölz: Ich möchte nur einen Moment sprechen und hervorheben, warum denn eigentlich der Herr Abgeordnete Loser das Wort ergriffen hat. Er hat völlig die Verpflichtung gehabt, rat Namen der Mehrheit dieses Hauses das Wort zu nehmen. Der Herr Bürgermeister von Bregenz hat die Freundlichkeit gehabt zu sagen, die Mehrheit des Hauses habe einen Angriff gemacht, hiebet hat er sich auf die Protestversammlungen berufen. Nun ist es - Herr Dr. Peer, Sie entschuldigen - nicht unanständig, wenn wir zurückgeben und uns rechtfertigen und die Ehre der Mehrheit wahren. Der Herr Abgeordnete Loser hat das in humorvoller und schöner Weise getan. Es wird sich ja wahrscheinlich Gelegenheit geben, das noch weiter auszuführen. Gäste haben wir keine geladen. Sie haben die Werbetrommel gerührt, und ist es begreiflich, daß es die Leute interessiert, was heute vorgeht. Sie müssen sich sagen: Daran sind toiir schuld, daß soviele gekommen sind. Ich! kann Ihnen nun verraten, daß wir in der Generaldebatte nicht gesprochen hätten, sondern nur bei den einzelnen Punkten, wenn uns nicht in der Weise entgegengetreten worden wäre. Ich hätte hier sehr vieles zu sagen, werde dies aber in der Spezialdebatte tun. Nur auf eines meine Herrn muß ich jetzt zu sprechen kommen, und das ist die Art, in welcher man über die christlichfoziale Landtagsmehrheit auf den Versammlungen hergefallen ist. Das können wir uns nicht gefallen lassen. Ich protestiere ganz besonders gegen eine Äußerung, die auf einer Versammlung gemacht wurde. Ich habe diese Äußerung aus der Zeitung genommen; sie ist somit belegt und nicht von mir gemacht. 236 25. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 9. Periode 1906/7. Wir haben schon gedacht, daß die Herrn sagen werden: "Das geht uns nichts an, das ist nicht von uns selbst." In dieser Zeitung steht, daß unter anderm ein Redner gesagt hat: "Zum Landesausschusse können wir kein Vertrauen haben, da in demselben zu sehr nach- der Parteischablone gearbeitet wird." Ich gehöre schon seit beinahe 40 Jahren denk öffentlichen Leben an und ich, sage, daß der Landesausschuß in dieser ganzen Zeit in der Mehrheit christlichsozial oder früher konservativ war, und ich getraue mir zu sagen, daß Freund und Feind immer die Unparteilichkeit des Landesausschusses anerkennen müssen und auch anerkannten. Es geht nun nicht an, daß in Versammlungen der Landesausschuß in solcher Weise verdächtigt wird. Das ist nicht recht und darf nicht sein; das ist eine mutwillige Verdächtigung. Es ist bekannt, daß gewöhnlich gegen die Entscheidungen des Landesausschusses ein Rekurs an den obersten Verwaltungsgerichtshof offen steht. Für den Landesausschuß ist es sehr ehrend, daß in nur ganz wenigen Fällen ein Rekurs ergriffen worden ist. Dabei hat der Landesausschuß völlig nie Unrecht bekommen. Daraus geht hervor, wie gut und gerecht es der Landesausschuß macht. Herr Dr. Kinz hat in sehr scharfer Weise gesagt, was wir, die Christlichsozialen, wollen: Wir wollen gar nichts anderes machen, als die Macht der herrschenden Partei stärken. Das ist auch ein großer Vorwurf, ja ein sehr großer, den Sie, Herr Doktor, dem Landesausschuß, und dem Landesschulrat machen. Ich möchte ihn nicht machen, und zwar umso mehr, weil er sachlich nicht bewiesen werden kann. Ich bitte schon sehr, dem Landesausschuß ist, wie ich bereits schon ausgeführt habe, nichts vorzuwerfen, aber auch dem Landesschulrat meines Wissens nichts. Ich werde Gelegenheit haben, bei der Spezialdebatte auf diesen Punkt zurückkommen. Es ist wohl selbstverständlich, daß der Landesschulrat ja nicht immer den Willen jeder einzelnen Gemeinde erfüllen kann, denn sonst hätte er kein Ernennungsrecht. Er wird es so machen, wie er es für am besten hält. Gerecht und gesetzlich ist immer vorgegangen worden. Ich habe diese paar Worte nur gesagt, um darzutun, warum wir gezwungen wurden, in der Generaldebatte das Wort zu ergreifen, nämlich deshalb, weil der Herr Bürgermeister von Bregenz, ich bedaure es sagen zu müssen, eigentlich einen Angriff auf uns, die hier fitzende Majorität des Landtages gemacht hat. Landeshauptmann: Wer wünscht noch das Wort? - Wenn niemand sich meldet, ist die Generaldebatte geschlossen. Der Herr Berichterstatter! Thurnher: Ich kann mich jetzt weiterer Ausführungen enthalten, weil mit Ausnahme der gestellten Minoritätsanträge im allgemeinen nichts gegen die Gesetzentwürfe gesprochen wurde. Ich werde mir also vorbehalten, bei den einzelnen Paragraphen in der Spezialberatung, wenn es nötig ist, die weiteren Aufklärungen zu geben und meine diesbezügliche Stellung zu den Minoritätsanträgen zum Ausdruck zu bringen. Landeshauptmann: Wir kommen nun zur Spezialdebatte und zwar zunächst zum Gesetzentwurfe betreffend die Abänderung der §§ 26, 34 und 35 des Gesetzes vom 28. August 1899, L.G.Bl. Nr. 46, über die Schulaufsicht. Ich glaube, es könnte von einer Verlesung der Paragraphen Umgang genommen werden und das hohe Haus dürfte sich damit begnügen, wenn die einzelnen Artikel, beziehungsweise Paragraphen angerufen werden. Bezüglich dieses Gesetzentwurfes liegt ein Minoritätsantrag vor. Zunächst erteile ich dem Herrn Berichterstatter der Majorität das Wort. Thurnher: Ich werde mir erlauben, da zum Artikel I § 26 kein Minoritätsantrag vorliegt, vorläufig folgendes zu sagen. Es kann hier nur eine Verschiebung vorliegen. Der Minoritätsantrag will wahrscheinlich nur sagen, (Ölz: Man weiß überhaupt nicht, was es ist.) daß die §§ 34 und 35 im bisherigen Wortlaut verbleiben sollen, während der § 26 auch von der Minorität nicht angefochten werden wolle. Da sich also der Minoritätsantrag nicht auf diesen Paragraphen bezieht, glaube ich, daß wir Artikel I § 26 zuerst in Verhandlung ziehen könnten, und ich rufe somit dieselben an: Artikel I § 26. 25, Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 9. Periode 1906/7. 237 Landeshauptmann: Nachdem es hier im gedruckten Antrag heißt: (Liest Artikel I der Beilage 116 A), so möchte ich zunächst den Berichterstatter der Minorität ersuchen, uns vielleicht eine Erklärung zu geben, ob die Herrn der Minorität zu den §§ 34 und 35 oder zu § 26 das Wort wünschen. Dr. Kinz: Das vom Landesausschuß vorgelegte Gesetz lautet: (Liest Artikel I der Beilage 113). Die Minorität stellt sich nun auf den Standpunkt, den § 26 anzunehmen in der Fassung, wie er vorliegt, und die §§ 34 und 35 wie im alten Gesetz aufrecht zu halten. Der Minoritätsantrag sollte also in der Weise lauten: "Gesetz vom............ wirksam für das Land Vorarlberg, betreffend Abänderung des § 26 des Gesetzes vom 28. August 1899, L. G. Bl. Nr. 46, über die Schulaufsicht. Artikel I. Der § 26 des Gesetzes vom 28. August 1899, L. G. Bl. Nr. 46, tritt in seiner jetzigen Fassung außer Wirksamkeit und hat künftig zu lauten:" Dann kommt der § 26, wie er im neuen Gesetzentwurf enthalten ist. Landeshauptmann: Ich eröffne zunächst die Debatte über Artikel I, der diese einzelnen Paragraphen in sich schließt. Zu denselben hat sich Herr Abgeordneter Jodok Fink zum Wort gemeldet. Ich erteile ihm dasselbe. Jodok Fink: Der Herr Abgeordnete Bürgermeister Dr. Kinz hat jetzt den Minoritätsantrag vorgebracht, wie er nach seiner Ansicht hätte lauten sollen. Es stimmt aber auch das nicht. Ich hätte darüber nicht gesprochen, mir passieren hie und da auch Lapsusse. Es stimmt auch das nicht, daß der § 26 des alten Gesetzes hier am Platze ist. Der Antrag hätte also lauten sollen: Daß ein Minoritätsantrag gestellt wird zum Gesetzentwurf über die Abänderung des Schulaufsichtsgesetzes und zwar zu den §§ 26, 34 und 35. Damit wäre Alles gesagt. Das Andere stimmt nicht. Landeshauptmann: Wer wünscht weiter das Wort? Dr. Peer: Auch der Herr Abgeordnete Fink ist hier im Irrtum. Geändert wird durch die Gesetzesvorlage zunächst der § 26, denn es ist die Aufnahme eines Passus in diesen Paragraph notwendig geworden, welcher von der Antragstellung des Bezirksschulrates bezüglich Einreihung in die erste Gehaltsklasse handelt. Es ist somit in dieser Richtung ein Abänderungsgesetzentwurf notwendig; doch steht die Minorität auf den Standpunkt, daß. eine weitere Abänderung des Gesetzes nicht notwendig sei. Es ist daher nicht angegangen, die §§ 34 und 35 in der bisherigen Fassung hineinzunehmen. Der Plan war richtig und ist nur durch einen Kopiaturfehler vereitelt worden. Die ganze Abänderung des Gesetzes soll nur in der geänderten Fassung der Schulansschuß-, beziehungsweise der Landesausschußvorlage des § 26 bestehen. Wir konnten nämlich nicht den Antrag aufnehmen, daß man an den §§ 34 und 35 in der neuen Fassung nichts ändern solle; aber richtig hätte dem Sinne nach der Antrag so lauten sollen. Es ist tatsächlich, wie schon gesagt, nur eilt Fehler deskriptiver Natur. Landeshauptmann: Ich möchte bemerken, daß die Debatte geschlossen ist. Vom Standpunkt des Vorsitzenden könnten jene Auffassungen am besten so saniert werden, daß § 26 zuerst angerufen, und wenn keine Einwendung erfolgt, als angenommen erklärt wird. Bei den §§ 34 und 35, bei welchen die Minorität die alte Fassung beibehalten will, wird die Abstimmung am besten dadurch ermöglicht, daß diejenigen Herren, welche für den Minoritätsantrag sind, gegen die Fassung der Paragraphe, wie sie die Majorität des Ausschusses beantragt, zu stimmen in die Lage kommen. Damit wäre der Abstimmungsmodus geregelt. Jhnrnher: Ich will in formeller Beziehung nur bemerken, daß der Minoritätsantrag der Geschäftsordnung und dem parlamentarischen Usus nicht entspricht. Da die Herrn wollen, daß der § 26 aufrecht erhalten bleibt, hätten sie ihn gar nicht zu erwähnen gebraucht. Man hätte bloß sagen dürfen, das hohe Haus solle über die vom Schulausschuß gestellten Anträge betreffend die §§ 34 und 35 zur Tagesordnung 238 25. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 9. Periode 1906/7. übergehen. Diese Form wäre die richtige gewesen, und es hätte weiter gar nichts gebraucht. Dann wären selbstverständlich im Titel und Artikel I. die beiden §§ 34 und 35 vor der 3. Lesung gestrichen worden und wäre der Anschauung der Minorität bei eventueller Annahme ihres Antrages Rechnung getragen worden, da in diesem Falle dann die bezüglichen Bestimmungen des geltenden Gesetzes vom Jahre 1899 bei diesen in Kraft bleiben würden. Der Minoritätsantrag involviert sonach nur eine Ablehnung des vom Schulausschuß gestellten Vorschlages. Nach der Geschäftsordnung könnte über solche Anträge gar nicht abgestimmt werden. Somit wäre der einzig richtige Vorgang der gewesen, daß die Herren den Antrag gestellt hätten, über die §§ 34 und 35 wird zur Tagesordnung übergegangen. Landeshauptmann: Aus meiner Auseinandersetzung geht hervor, daß ich mich in Übereinstimmung mit dem soeben Gesagten befinde inbezug auf den Effekt, weil ich gesagt habe, die Herren der Minorität können bei den §§ 34 und 35 ihren ablehnenden Standpunkt dadurch geltend machen, daß sie dagegenstimmen. Wer wünscht noch weiter das Wort? Thurnher: Ich möchte nur bemerken, daß bei dieser Sachlage über den Artikel 1 erst am Schlüsse, wo es sich um Titel und Eingang des Gesetzes handelt, abgestimmt werden kann, weil bei der Annahme des Minoritätsantrages dann natürlich dieser Artikel eine Änderung erfahren müßte. Landeshauptmann: Ich werde nach dieser mehr formelle n Debatte, nunmehr § 26 zur Spezialdebatte bringen. Herr Abg. Pfarrer Mayer wünscht das Wort; ich erteile ihm dasselbe. Pfarrer Mayer: Hohes Haus! Ich erlaube mir zum Punkte 11 dieses Paragraphen, der da lautet: (verliest ihn aus Beilage 113) eine Bemerkung zu machen. Es ist in Kreisen außer dem Hause wiederholt dem Befremden Ausdruck gegeben worden, daß im Gesetze vom 28. August 1899 bezüglich des Ortsschulrates § 11 im letzten Alinea nicht Vorsorge getroffen wurde, daß der Ortsschulaufseher auch Vorsitzender des Ortsschulrates werden könne. Das betreffende Alinea lautet nämlich: "Die Funktionen des Vorsitzenden des Ortsschulrates und die des Ortsschulaufsehers können nicht in einer Person vereinigt werden." Ich möchte hier nur bemerken, daß, der Schulausschuß auf eine solche Änderung, wie sie beantragt worden ist, prinzipiell nicht hätte eingehen können. Denn der Vorsitzende des Ortsschulrates hat ja auch unter anderm die Pflicht die Mitglieder in ihrem Wirkungskreise zu beaufsichtigen. Wenn nun ein Schulaufseher auch zugleich Vorsitzender des Ortsschulrates wäre, so wäre er ja sein eigener Aufseher. Das zur Aufklärung denjenigen, welche der Anschauung wären, man hätte sollen auch den betreffenden Passus abändern. Landeshauptmann: Wer wünscht noch weiter zu § 26 das Wort? - Wenn niemand sich zum Worte meldet und auch kein Gegenantrag und Abänderungsantrag gestellt wird, so ist § 26 angenommen. Nun kommen wir zur Verhandlung über § 34 und wir könnten vielleicht den § 35 gleichzeitig in die Verhandlung hereinbeziehen Ich ersuche die zwei Herren Berichterstatter, wenn sie noch etwas zu bemerken haben, das Wort zu nehmen, zuerst der Berichterstatter der Majorität und dann der Berichterstatter der Minorität. Thurnher: Ich kenne zwar die Gründe nicht recht, die die vereheliche Minorität bewogen haben, die Minoritätsanträge hinsichtlich der §§ 34 und 35 hier einzubringen. Ich bin nämlich der Anschauung, daß wir wohl recht haben - und ich habe es bereits im Schulausschuß näher begründet, daß wir recht haben, - auch dafür zu sorgen, daß diejenigen Kreise, die für die Erhaltung der Volksschulen alles Geld aufzubringen haben, nämlich die Gemeinden und das Land, auch! einen größeren Einfluß gewinnen auf die Zusammenstellung des Landesschulrates, der höchsten Schulbehörde des Landes. 25. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 9. Periode 1906/7. 289 Wir Vorarlberger sind ja intimer bestrebt, für das Land eine größere Autonomie zu erwirken, weil wir ja wissen, daß seine eigenen Behörden, die vorn Lande berufenen oder solche Behörden, auf deren Zusammensetzung es einen wesentlichen Einfluß nehmen kann, doch die Angelegenheiten des Landes besser kennen als solche fern von hier, sagen wir im Zentrum des Reiches oder außerhalb des Landes befindliche Behörden. Und da diesem Grundsatz alle Vorarlberger treu bleiben, haben wir auch geglaubt, bei der Zusammenstellung des Landesschulrates in Rücksicht auf die großen Auslagen, welche das Land übernimmt, eine Erweiterung der Rechte des Landes erwirken zu sollen. Ich habe geglaubt, daß auch die Herren der Minorität diesem Streben nicht abgeneigt sein dürften. Ich hoffe, daß der Antrag, wie ihn der Schulausschuß gestellt hat, aufrecht erhalten bleibt und sonach in der Folge statt 3 Mitgliedern 4 vom Landesausschuß in den Landesschulrat zu entsenden sind; ich hoffe dieses umsomehr, da ähnliche Bestimmungen auch in andern Ländern in Geltung sind; es ist bereits im Motivenbericht des Landesausschusses ausgeführt, daß z. B. in unserm Nachbarlande Tirol, in Niederösterreich u. s. w. der Landesausschuß verhältnismäßig eine weitergehende Vertretung im Landesschulrat hat, als es bisher in Vorarlberg der Fäll war. Was nun den in § 35 angefochtenen Punkt betrifft, daß hinsichtlich der von der Krone über Vorschlag des Ministeriums zu ernennenden 2 Vertreter aus dem Lehrerstande von feiten des Landesausschusses ein Vorschlag erstattet werden könnte, möchte ich nur ganz kurz erwähnen, was auch im Motivenberichte schon geschehen ist, daß wir diesbezüglich wohl kaum ein größeres Recht erhalten. Wir wollen ja. nur Vorschläge erstatten; Sache der maßgebenden Kreise ist es dann, ob sie diese Vorschläge berücksichtigen wollen oder können, oder ob sie es nicht wollen oder nicht können. Irgend einen Vorschlag erstatten könnte der Landesausschuß sicher auch, wenn nichts im Gesetze stehen würde. Ein derartiges Vorschlagsrecht reduziert sich mehr auf den Ausdruck eines Wunsches. In dieser Weise einen Borschlag machen, kann wohl ohne gesetzliche Bestimmung nicht nur der Landesausschuß, sondern wohl jeder einzelne Abgeordnete, und dürften in ähnlichen Fällen wohl auch solche Vorschläge oder Wünsche an maßgebender Stelle vorgebracht worden sein. Die Herren der Minorität haben die bezügliche Bestimmung in § 35 als eine viel zu weitgehende Forderung erklärt, # aber sage, es ist eine bescheidene, ganz natürliche und in der Natur der Sache gelegene Forderung, die wir gestellt haben, und ich bitte daher das hohe Haus, bezüglich, dieser beiden Paragraphen die Anträge des Schulausschusses unverändert zum Beschluß zu erheben und damit fällen von selbst die Anträge der Minorität. Landeshauptmann: Ich erteile dem Minoritätsberichterstatter, Herrn Abgeordneten Dr. Kinz das Wort. Dr. Kinz: Hohes Haus! Der Landesschulrat bestand bisher nach § 34 aus 10 stimmberechtigten Mitgliedern, in Hinkunft soll die Zahl von 10 auf 11 erhöht werden. Nach dem neuen Gesetze soll der Landesausschuß in der Lage sein, anstatt wie bisher 3 Mitglieder 4 in den Landesschulrat zu entsenden. Aus dieser Zusammenstellung ersehen sie, daß die herrschende Partei, die bisher nur Angehörige ihrer Richtung in den Landesschulrat entsendet hat und jedenfalls es auch in Hinkunft tun wird, über 4 Stimmen von vornherein verfügt. Zählen sie die beiden katholischen Geistlichen dazu, so haben sie zusammen 6 Stimmen und damit die unbedingte Majorität. Im Sinne des Reichsvolksschulgesetzes übt der Staat die oberste Leitung und das Aufsichtsrecht über das Volksschulwesen aus. Der Landesschulrat ist eine k. k. Behörde. Durch diese Erhöhung der Zahl der Mitglieder, die der Landesausschuß in den Landesschulrat entsendet, wird jedoch auf jeden Fall eine Majorität derjenigen geschaffen, die vorn Landesausschusse hineingesendet werden, zuzüglich der beiden Geistlichen, im Verhältnis gegenüber jenen Mitgliedern, die die Regierung ernennt. Es ist erwähnt worden, daß auch in andern Provinzen der Landesausschuß eine größere Zahl von Mitgliedern in den Landesschulrat entsendet. Es ist das richtig. In Böhmen sendet der Landesausschuß 6 Mitglieder in den Landesschulrat, ebenso in Tirol. In Niederösterreich sendet der 240 25. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 9. Periode 1906/7. Landesausschuß 4 Mitglieder in den Landesschulrat und nach dem neuen Gesetzentwurf soll es auch in Vorarlberg der Fall sein, in allen andern Provinzen nur 2 Mitglieder, in fernem Lande aber beträgt die Zahl der vorn Landesausschuß in den Landesschulrat entsandten Mitglieder, zuzüglich der Zahl der katholischen Geistlichen, die Majorität gegenüber den von der Regierung ernannten Mitgliedern. Das wollte ich anführen, weil damit der Einwurf des Herrn Referenten entkräftet ist, daß schließlich das Verhältnis auch in andern Ländern so sei wie bei uns, indem ich namentlich auf das Nachbarland Tirol hinweise. Begründet wird die Änderung damit, daß das Land in Hinkunft bedeutende Mehrlasten zu tragen hat; die Beiträge des Landes vermehren sich und damit sei auch eine erhöhte Vertretung des Landesausschusses als Vertreter des Landes und der Gemeinden begründet. Diesen Schluß würde ich mir gefallen lassen, wenn in diesem Falle der Landesausschuß wirklich als Vertreter des Landes und insbesondere aller Gemeinden anzusehen wäre. Allein die herrschende Partei hat bisher meines Wissens peinlich darauf gesehen, in den letzten Jahren nur Mitglieder ihrer Partei in den Landesschulrat zu entsenden, wie meines Wissens auch der Landesschulrat in den Bezirksschulrat nur Mitglieder der herrschenden Partei, der christlichsozialen, entsendet hat. Der Landesausschuß argumentiert, es gebühre ihm ein größerer Einfluß, weil die Beitragsleistung eine größere sei. Nun sehen wir aber, daß der Landesausschuß bisher das Recht der Minorität, das er in allen Fällen dort beansprucht, wo die christlichsoziale Partei in der Minorität ist, nicht respektiert, daß insbesondere die Städte keine wie immer genannte Vertretung haben. Es wäre ein Ausweg. Nach der Landesordnung hat die Städtekurie das Recht, ihre eigenen Vertreter in den Landesausschuß zu entsenden. Man hätte auch diesen Ausweg hier wählen können, aber solche Vorschläge finden selbstverständlich nur taube Ohren. Mau sagt, das ganze Land trage diese indirekte Steuer und da sei auch der Landesausschuß berechtigt, diese größere Vertretung im Landesschulrate zu haben.