19030914_lts009

Dateigröße 1.05 MB
Aktenzahl/Geschäftszahl
Letzte Änderung 03.07.2021, 11:12
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp09,lts1902,lt1902,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
Unterausschüsse
Kommissionen/Kuratorien
Verbände/Konkurrenzen
Verträge
Publikationen Landtag-Sitzungsprotokoll_lts
Aktenplan
Anhänge
Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 9. Sitzung am 14. September 1903 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. -------------Gegenwärtig 21 Abgeordnete. - Abwesend die Herren: Hochwst. Bischof Dr. Zobl, Johann Köhler und Jos. Ant. Hirschbühl. Regierungsvertreter: Herr k. k. Statthaltereirat Levin Graf Schaffgotsch. Beginn der Sitzung 11 Uhr 10 Minuten vormittags. Landeshauptmann: Ich erkläre die heutige Sitzung für eröffnet und ersuche um Verlesung des Protokolles der letzten Sitzung. (Sekretär verliest dasselbe.) Wird von irgend einer Seite gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung erhoben? Da dies nicht der Fall ist, betrachte ich dasselbe für genehmigt. Es sind mir zwei Einlaufstücke zugekommen. Das eine ist eine neuerliche Petition der Gemeinde Doren. Diese bittet nämlich für den Fall, daß die Straße Doren-Sulzberg nicht sobald zustandekommen sollte, um einen Beitrag zu den Erstellungskosten der sogenannten Schnoran-Straße, welche von Kirchdorf-Doren zur Käsereischule hinüber führt, und für welche ein Projekt bereits ausgearbeitet ist. Überreicht ist diese Petition durch den Herrn Abg. Jodok Fink. Desgleichen ist eine sehr detaillierte und eingehende Petition der Gemeinde Fußach in Angelegenheit der dortigen, bereits seit mehreren Jahren schwebenden Trinkwasserkalamität eingelaufen. Es wurde schon am 10. Juli 1901 ein Gesuch der Gemeinde Fußach in Angelegenheit der Trink- und Nutzwasserversorgung an die k. k. Statthalterei seitens des Landes-Ausschusses unterm 11. August 1901 wärmstens befürwortet. Nachdem nun eine 84 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 9. Periode 1903. ganz ungenügende Erledigung eingetroffen ist, welche die Gemeinde Fußach in keiner Weise befriedigen kann, und welche es derselben nicht ermöglicht, die Trink- und Nutzwasserversorgung durchzuführen, ersucht dieselbe neuerlich um eine Unterstützung und eine Vorstellung bei der k. k. Regierung. Eingebracht ist diese Petition durch Herrn Abg. Dr. Schneider. Ich glaube, wir könnten beide Gegenstände in kurzem Wege dem landwirtschaftlichen Ausschusse zuweisen. Wird dagegen eine Einwendung erhoben? Es ist dies nicht der Fall. Desgleichen habe ich dem hohen Hause die Mitteilung zu machen, daß bezüglich der bei verschiedenen Besprechungen des jährlich vorliegenden Rechenschaftsberichtes des Landes-Ausschusses von Herrn Abg. Dr. Waibel urgierten baldigen Herausgabe eines Generalindexes zum Landes-Gesetz- und Verordnungsblatts in diesem Sinne seitens des Landes Ausschusses bei best. k. Statthalterei wiederholt vorgesprochen wurde. Nach langer Zeit ist nun endlich am 5. September l. J. eine Erledigung eingetroffen, worin mitgeteilt wird, daß der Generalindex zum Landes-Gesetz- und Verordnungsblatte vom Jahre 1866 bis 1900 vollständig fertiggestellt und der Wagnerischen Universitätsbuchhandlung zum Vertriebe im Kommissionswege übergeben wurde. Somit ist diese Angelegenheit in günstiger Weise erledigt. Herr Abg. Köhler hat sich für die heutige Sitzung entschuldigen lassen, Herr Abg. Dr. Waibel hat vor Übergang zur Tagesordnung um das Wort gebeten, welches ich ihm hiemit erteile. Dr. Waibel: Hohes Haus! Es ist dem Landtage bei seinem Zusammentritte ein umfangreiches Gesetz vorgelegt worden, nämlich das Jagdgesetz. Es scheint dieses die Bestimmung zu haben, an Stelle des seit dem Jahre 1895 in Geltung stehenden Jagdgesetzes zu treten; es wäre aber meines Erachtens doch für alle diejenigen, welche an den Verhandlungen bezüglich dieses Gesetzes teilnahmen, von Interesse, zu erfahren, was den Landes-Ausschuß veranlaßt hat, diese Vorlage zu machen und vom bestehenden Gesetze abzugehen, die Motive und die Erfahrungen kennen zu lernen, die den LandesAusschuß bewogen haben, das Gesetz für untauglich zu erklären; es pflegt ja bei allen größeren Arbeiten und Gesetzesvorschlägen ein Motivenbericht vorangeschickt zu werden. Als wir im Jahre 1892 das bestehende Gesetz in Verhandlung hatten, wurden dem Entwurfe zwei Motivenberichte, ein Hauptbericht und ein Nachtragsbericht, beigegeben. Ich glaube, im Interesse aller zu handeln, wenn ich an den Herrn Landeshauptmann die Bitte richte, es möchte diesem Gesetzentwürfe noch nachträglich ein solcher Motivenbericht beigegeben werden. Landeshauptmann: Ich werde diese Angelegenheit mit dem Herrn Referenten Abg. Jodok Fink besprechen und dann das Weitere veranlassen. Wir kommen nun zur Tagesordnung. Auf derselben steht als erster Punkt Note der k.k. Statthalterei wegen Übernahme uneinbringlicher Verpflegskosten von in türkischen Privatspitälern untergebrachten Vorarlbergern auf den Landesfond. Ich ersuche um einen Antrag betreffs der formellen Behandlung dieses Gegenstandes. Jodok Fink: Ich beantrage, daß dieser Gegenstand dem Finanzausschüsse zur Vorberatung und Berichterstattung zugewiesen werde. Landeshauptmann: Wird gegen die Zuweisung dieses Gegenstandes an den Finanzausschuß eine Einwendung erhoben? Es ist dies nicht der Fall, somit wird die Zuweisung in diesem Sinne erfolgen. Der der den des der das nächste Gegenstand der Tagesordnung ist Bericht des Landes-Ausschusses über Gesetzentwurf betreffend den Schutz Edelweiß. Referent ist in dieser Angelegenheit Herr Abg. Turnher, ich ersuche denselben, Wort zu ergreifen. Thurnher: In § 1 des im vorigen Jahre angenommenen Gesetzentwurfes betreffend den Schutz der Edelweißpflanze wurde der Schutz auf die wildwachsenden Pflanzen eingeschränkt, um den Verkehr mit den im Wege der Gartenkultur gezogenen Edelweißpflanzen nicht auszuschließen, sondern denselben zu ermöglichen. Nun hat die Regierung mit Recht auf den Mangel einer Bestimmung im Gesetze bezüglich der Kontrolle der Provenienz der künstlich gezogenen Pflanzen aufmerksam gemacht. Es hätte zwar für die Regierung einen Ausweg IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 9. Periode 1903. 85 gegeben, das Gesetz dennoch der Sanktion zuzuführen, sie hätte nämlich für diese Fälle die Kontrolle im Verordnungswege den k. k. Bezirkshauptmannschaften übertragen können. Den Besitzern von Anlagen für künstliche Züchtung wäre aber dadurch eine bedeutende Erschwerung des Verkaufes der Edelweißpflanzen verursacht worden. Es erscheint angemessener, daß die Provenienzkontrolle den Gemeinden überwiesen werde, und das kann nach Anschauung der Regierung nur durch ein Gesetz geschehen, weil sie meint, die Gemeinden klagen ohnedies genug, daß ihnen so viele Arbeiten aufgebürdet werden, weshalb die Regierung eine solche Übertragung nicht im Verordnungswege, sondern durch ein Gesetz festgestellt missen will. Der Gesetzentwurf wurde daher gleichsam mit unserem Einverständnisse der Sanktion nicht zugeführt, um diese Lücke auszufüllen. Dies ist nun geschehen, und ich erhebe namens des Landes – Ausschusses den Antrag: (Liest denselben aus Beilage XXVI.) Ich ersuche, in die Spezialdebatte einzugehen und das Gesetz in dem vom Landes-Ausschusse vorgeschlagenen Wortlaute anzunehmen. Landeshauptmann: Ich eröffne über den Gesetzentwurf und den Bericht die Generaldebatte. Dr. Schneider: Hohes Haus! Ich kann Sie versichern, daß dieser Gesetzentwurf in alpinen Kreisen mit Freude begrüßt wird. Das Edelweiß ist zwar gewiß nicht eine der schönsten und wohlriechendsten Pflanzen, es ist aber eine der gesuchtesten Pflanzen, eine Pflanze, die als Symbol des Alpinismus gilt. Sie werden beobachtet haben, wie in den Alpengegenden derjenige, der das Edelweiß selbst gepflückt hat, dasselbe auf dem Hute trägt, erinnert es doch an eine alpine Arbeit, welche geleistet worden ist. Es würde in alpinen Kreisen gewiß sehr bedauert werden, wenn das Edelweiß ganz verschwinden würde. Diese Gefahr ist jetzt vorhanden. Es ist zur Genüge bekannt, in welch ausgiebigem Maße dem Edelweiß gegenwärtig nachgestellt wird und zwar umsomehr, als in Tirol bekanntlich ein Edelweißschutzgesetz besteht. Auch die Schweizer haben sich veranlaßt gesehen, Gesetze und Verordnungen zum Schutze des Edelweißes zu erlassen, so daß man mit Berechtigung sagen kann, es sei die dringende Notwendigkeit vorhanden, dieser alpinen Pflanze Schutz angedeihen zu lassen, wenn sie nicht vollkommen verschwinden soll. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf sind auch die Interessen der Handelsgärtnerei vollkommen geschützt, denn auch im Interesse dieser ist es gelegen, daß das Edelweiß nicht ganz verschwinde, denn wenn es auf den Höhen verschwindet, verliert es überhaupt den Wert. Es hat seinen Wert als Symbol der Alpinistik und wird getragen als Zeichen der geleisteten alpinen Arbeit. Freilich, wenn es gekauft wird, ist in Wirklichkeit eine alpine Arbeit nicht geleistet worden, aber den Wert hat es daher, daß es als Siegeszeichen von den Höhen heruntergebracht wurde. Dadurch, daß beim Verkaufe des Edelweiß auch die Provenienz nachgewiesen werden muß, was seitens der Handesgärtner leicht geschehen kann, ist auch das Interesse dieser gewahrt. Ich möchte also im Interesse der Alpinistik dem hohen Hause die Annahme des Gesetzes empfehlen. Landeshauptmann: Wer wünscht noch das Wort? Da sich niemand mehr meldet, ist die Debatte geschlossen; der Herr Berichterstatter hat das Wort. Thurnher: Ich möchte zu den Ausführungen des geehrten Herrn Vorredners nur bemerken, daß die Begründung dieses Gesetzentwurfes bereits im vorjährigen Berichte des Landes-Ausschusses und des volkswirtschaftlichen Ausschusses enthalten ist, und deshalb wurde dieselbe im heurigen Berichte nicht mehr wiederholt. Im übrigen schließe ich mich dessen Ausführungen vollinhaltlich an. Landeshauptmann: Wir gehen nun zur Spezialdebatte über. Ich glaube, es könnte genügen, daß die einzelnen Paragraphen nur angerufen werden, wenn dann gegen dieselben keine Einwendung erhoben wird, könnte ich sie als angenommen erklären. Thurnher: § 1. Landeshauptmann: Angenommen. Thurnher: § 2. Landeshauptmann: Angenommen. 86 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 9. Periode 1903. Thurnher: § 3. Landeshauptmann: Angenommen. Thurnher: § 4. Landeshauptmann: Angenommen. Thurnher: § 5. Landeshauptmann: Angenommen. Thurnher: § 6. Landeshauptmann: Angenommen. Thurnher: (Liest Titel und Eingang des Gesetzes aus Beil. XXVI A.) Landeshauptmann: Wird gegen Titel und Eingang des Gesetzes eine Einwendung erhoben? Da dies nicht der Fall ist, betrachte ich dieselben als angenommen. Thurnher: Ich beantrage die Vornahme der dritten Lesung in der heutigen Sitzung. Landeshauptmann: Wird gegen den Antrag auf sofortige Vornahme der dritten Lesung des Gesetzes eine Einwendung erhoben? Es ist dies nicht der Fall, ich ersuche daher jene Herren, welche dem Gesetzentwurfe, wie er aus den Verhandlungen der ersten und zweiten Lesung hervorgegangen ist, auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Wir kommen zum nächsten Gegenstand der Tagesordnung Bericht des Landes-Ausschusses über die Erhöhung der Pension der Landeskanzleiassistentenswitwe Frau Stock er. Dieser Bericht wurde nicht gedruckt, sondern seinerzeit in einer Landes-Ausschußsitzung zur Verlesung gebracht, und ich möchte für den Fall, daß das hohe Haus damit einverstanden ist, daß dieser Gegenstand ohne Zuweisung an einen Ausschuß direkt verhandelt werde, um die Verlesung desselben durch den Herrn Referenten Thurnher bitten. Zunächst werde ich aber die Vorfrage zur Sprache bringen, ob die Herren wünschen, daß der Gegenstand in direkte Verhandlung gezogen oder an einen Ausschuß verwiesen werde. Die Sache ist ganz einfach und durch gesetzliche Bestimmungen veranlaßt. Es erfolgt gegen die direkte Behandlung keine Einwendung, ich bitte daher Herrn Abg. Thurnher, den Bericht zu verlesen. Thurnher: (verliest denselben). Es beruht also dieser ganze Gegenstand auf einem mit dem ehemaligen Kanzleiassistenten Stocker abgeschlossenen Dienstvertrage und bedarf daher einer weiteren Erörterung und Begründung nicht, da diese in jenem Vertrage selbst liegt. Ich empfehle dem hohen Hause den Antrag zur Annahme. Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag die Debatte. Wenn sich niemand meldet, schreite ich zur Abstimmung. Die Herren haben den Antrag gehört, wird vielleicht die nochmalige Verlesung desselben gewünscht? Da dies nicht der Fall ist, ersuche ich jene Herren, welche dem Antrage zustimmen wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Der nächste Punkt der Tagesordnung ist der Bericht des Landes-Ausschusses über den Voranschlag des Landeskulturfondes pro 1904. Ich ersuche denselben Herrn Berichterstatter, das Wort zu ergreifen. Thurnher: Wir haben die Voranschläge des Landes und feiner Fonde für das Jahr 1903 bereits im ersten Abschnitte der diesjährigen Session, nänilich in den letzten Tagen des Dezember v. J. erledigt. In dieser Beziehung sind wir wohl besser daran, als die meisten anderen Länder, welche damals höchstens für ein Budgetprovisorium gesorgt haben. Der einzige Landtag von Salzburg hat den Voranschlag für 1903 und zwar vielleicht in schnellerem Tempo - er hat nur ein paar Tage getagt - als wir festgesetzt, während die anderen Länder meistens nur provisorische Bewilligungen für drei oder sechs Monate oder vereinzelt auch für das ganze Jahr beschlossen haben. Nachdem IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 9. Periode 1903. 87 aber der Landtag in diesem Jahre voraussichtlich nicht wieder zusammentritt, wird es unsere Aufgabe sein, die Voranschläge für das Jahr 1904 rechtzeitig zu beschließen. Heute liegen dem hohen Hause vorläufig die Voranschläge bezüglich des Landeskulturfondes und des Normalschulfondes vor. Es müssen später noch zwei andere kommen, nämlich der eigentliche Voranschlag für die Schule und der Voranschlag für den Landesfond, welche aber noch nicht fertiggestellt werden konnten, weil uns bezüglich des Landesfondes der vom Finanzministerium abverlangte Finanzplan für das Jahr 1904 über die voraussichtlichen Eingänge aus den, der Landesumlagepflicht unterliegenden direkten Staatssteuern und das Ergebnis aus dem Zuschlag zu den staatlichen Branntweinsteuern wie der Überschuß aus den Personaleinkommensteuern bisher nicht übermittelt wurde. Bezüglich des Voranschlages für die Schule besteht ein ähnliches Verhältnis, weil uns vom Rechnungsdepartement der k. k. Statthalterei das voraussichtliche Erfordernis hinsichtlich des Lehrerpensionsfondes pro 1904 noch nicht bekannt gegeben wurde. Sobald die bezüglichen Mitteilungen erfolgen, wird der LandesAusschuß nicht säumen, die bereits in Arbeit genommenen Voranschläge fertigzustellen und dem hohen Hause in Vorlage zu bringen. Der Voranschlag des Landeskulturfonves für 1904 bewegt sich in ganz gleichem Geleise wie in den vorhergehenden Jahren. Die Hauptziffern sowohl in den Einnahmen, wie in den Ausgaben find gleich geblieben, nur in einzelnen Posten sind kleine Änderungen eingetreten, welche sich aber im Gesamten wieder ausgleichen. Ich glaube, weitere Bemerkungen nicht machen zu müssen, weil die Anmerkungen zu dem gedruckt vorliegenden Voranschläge die nötige Aufklärung in hinreichendem Maße geben. Namens des Landes-Ausschusses erhebe ich sonach den Antrag: (liest denselben aus Beilage XXVII). Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag des Landes-Ausschusses die Debatte. - Wenn niemand das Wort wünscht, gehen wir zur Abstimmung über, und ich ersuche jene Herren, welche dem Antrage beipflichte>, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Der Antrag ist zum Beschlusse erhoben. Der nächste Gegenstand der Tagesordnung ist Der Bericht des Landes-Ausschusses über den Voranschlag des Normalschulfondes pro 1904. Ich ersuche denselben Herrn Berichterstatter, das Wort zu ergreifen. Thurnher: Was ich bezüglich des Voranschlages des Landeskulturfondes gesagt habe, gilt auch hinsichtlich des Voranschlages für den Normalschulfond für 1904. Es sind die Ausgaben wie die Bedeckung beiläufig in gleicher Höhe vorgesehen wie in den Jahren 1902 und 1903. Die Ausgaben beruhen zumeist auf gesetzlichen Leistungen und früher schon eingegangenen Verpflichtungen. Die Einnahmen bestehen nur aus zwei Posten, die sich ebenfalls nicht ändern, sondern Jahr für Jahr gleich bleiben. Die nötigen Erklärungen unv Ausführungen sind im Berichte enthalten oder bereits in früheren Sessionen ausreichend gegeben worden, weshalb ich mich weiterer Bemerkungen enthalte, und ich stelle namens des Landes-Ausschusses den Antrag: (liest ihn aus Beilage XXVIII.) Landeshauptmann: Wer wünscht zum vorliegenden Berichte und Antrage das Wort? Da sich niemand meldet, schreite ich zur Abstimmung und ersuche jene Herren, die dem Antrage, wie er verlesen wurde, ihre Zustimmung geben wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Dieser Gegenstand ist somit erledigt, und wir kommen nun znm letzten Gegenstände der heutigen Tagesordnung, der mündliche Bericht des volkswirtschaftlichen Auschusses über den Antrag des Herrn Abg. Thurnher und Genossen in Sachen der Zurückbehaltung der Wehrpflichtigen des dritten Jahrganges. Berichterstatter des volkswirtschaftlichen Ausschusses ist Herr Abg. Thurnher, ich ersuche denselben, den mündlichen Bericht vorzutragen. Thurnher: (liest Bericht und Antrag aus Beilage XXX) 88 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 9. Periode 1903. Ohne mich in weitere Ausführungen einzulassen, möchte ich das hohe Haus bitten, diesen Antrag des volkswirtschaftlichen Ausschusses zum Beschlusse zu erheben. Landeshauptmann: Indem ich über Bericht und Antrag des volkswirtschaftlichen Ausschusses die Debatte eröffne, erteile ich zunächst das Wort dem Herrn Negierungsvertreter. Regierungsvertreter: So begreiflich die eröffnete Verhandlung erscheint, muß die Regierung aus den wichtigsten prinzipiellen Gründen gerade in diesem Augenblicke daran festhalten, daß die der Gesetzgebung zukommenden Heeresangelegenheiten in den ausschließlichen Wirkungskreis der Reichsvertretung gehören, und daß daher dieser unmittelbar nach ihrem Wiederzusammentritte die Ursache aller bezügliche Maßnahmen darzulegen sein werden. Die Zurückhaltung der Regierung beruht auf schwerwiegenden, politischen Erwägungen, sie darf selbst in kritischen Momenten nicht Wege betreten, welche abseits der verfassungsmäßigen Normen liegen und kann daher eine Verschiebung der Kompetenz nicht zugeben, selbst wenn der § 19 der Landesordnung mit den darin den Landtagen eingeräumten Rechten angerufen wird. Die Regierung weiß, in welch' hohem Grade sie sich mit ihrer Haltung augenblicklichen Vorwürfen aussetzt, aber sie kannte auch die Tragweite der Entscheidungen der nächsten Zukunft und nimmt es um derenwillen auf sich, dem hohen Landtage derzeit von jeder Kundgebung über die Situation nachdrücklich abzuraten. Wie immer die Erklärung des hohen Landtages lauten möge, kann sie vielleicht nicht nur die Lösung der brennenden Frage des Tages nicht fördern, sondern leicht neue ernste politische Erscheinungen zur Folge haben, deren erste Anzeichen schon sichtbar geworden sind. Darum vermochte die Regierung sich vorerst zur Einberufung des Reichsrates nicht zu entschließen, und deshalb sehe ich mich gezwungen, trotz aller berechtigten Gefühle des hohen Landtages zu den sachlichen Auseinandersetzungen über Fragen, welche ausschließlich den Reichsrat beschäftigen haben, mich auf diese kurzen Bemerkungen zu beschränken. Der Regierung ist es nicht um Geheimniskrämerei zu tun, sie ist sich des ganzen Umfanges der ihr zukommenden Verantwortlichkeit bewußt, insbesondere hinsichtlich jener militärischen Verfügungen, deren Wirkungen im vorhinein erkennbar waren und den hohen Landtag vornehmlich zu dieser Verhandlung veranlaßten. Die getroffenen Maßnahmen erscheinen jedoch der Regierung unabwendbar, wenn andere, größere, allgemeine, dauernde Übel abgewendet werden sollen. Den hohen Landtag kann ich daher nur bitten, die Versicherung entgegennehmen zu wollen, daß die Regierung, wie sie jetzt schon die momentanen Nachteile jener Maßregel durch gesicherte spätere Benefizien wett zu machen trachtet, keinen Anstand nehmen wird, etwa zulässige weitere Erleichterungen ebenfalls eintreten zu lassen. Schließlich kann ich die bezüglich Ungarns gefallenen und im Laufe der Debatte etwa noch fallenden Bemerkungen nicht unberührt lassen. Die Regelung des Verhältnisses zwischen den beiden Reichshälften bleibt nach wie vor die Sorge und Pflicht der beiden Regierungen, sie liegt sicherlich auch so sehr im Wunsche des hohen Landtages, daß die Erreichung dieses Zieles auch für seine Verhandlungen und Beschlüsse maßgebend bleibt. Landeshauptmann: Ich bitte jene Herren, welche sich in der Debatte zum Worte melden wollen, mir dies gefälligst mitzuteilen. Loser: Hoher Landtag! Sowohl die Ausführungen als auch die Anträge des Herrn Berichterstatters beziehungsweise des volkswirtschaftlichen Ausschusses über den in Verhandlung stehenden Gegenstand verdienen gewiß die volle Zustimmung, und ich erkläre gleich im vorhinein, daß ich meine Zustimmung auch dann geben würde, wenn der Bericht noch in etwas schärferer Form abgefaßt wäre. Die Landesvertretung hat nicht allein das Recht, sondern auch die Pflicht, zu dieser überaus wichtigen, die weitesten Kreise der Bevölkerung berührenden Frage Stellung zu nehmen und mit Nachdruck darauf hinzuarbeiten, daß die Regierung diesem Zustande ein schleuniges Ende bereite. Es ist eine überaus wichtige und ernste Frage, denn es ist keine Kleinigkeit, wenn der Sohn einer Familie, welcher bereits drei Jahre beim Militär IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 9. Periode 1903. 89 gedient hat und dessen Familie dafür die größmöglichen Opfer gebracht und bereits Wochen und Tage bis zur Heimkehr gezählt hat, jetzt auf unbestimmte Zeit einfach weiter dienen soll. Besonders hart trifft diese Zurückbehaltung jene Familien, aus welchen, wie es nicht selten vorkommt, gleichzeitig zwei oder drei Söhne beim stehenden Heere oder bei der Landwehr dienen. Diese Fälle sind nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern nicht gar so selten. Mir ist z. B- ein Fall in meiner eigenen Heimatsgemeinde bekannt, daß gegenwärtig drei Söhne aus derselben Familie beim Militär aktiv dienen, und obwohl der Familienvater durch einen Unfall in seinem Erwerbe bedeutend beeinträchtigt ist, was auch von der Stellungskommission, von welcher derselbe assentiert wurde, bestätigt wurde, war es nicht möglich, einen dieser Söhne in die Ersatzreserve zu bringen oder einen entsprechend längeren Urlaub zu bewirken. Schon dieser Umstand sagt uns klar, wie drückend und straff die Militärlasten sind. Es ist aber meines Erachtens auch im Interesse des Staates gelegen, daß diesem Zustande ein Ende bereitet werde, denn es liegt wohl auf der Hand, daß durch denselben der Patriotismus keine Förderung erfährt. Ich hatte Gelegenheit in letzter Zeit, verschiedenen Versammlungen beizuwohnen, und ich kann wohl sagen, es sind keine Komplimente, welche in erster Linie gewisse ungarische Politiker etwas zweifelhafter Gattung, die an diesen Ereignissen Schuld tragen, zu hören bekamen, und was über die Verfügungen der Heeresverwaltung und das untätige Zusehen seitens der Regierung gesprochen wurde. Die Regierung hätte ja bekanntlich Mittel in der Hand, diesem Zustande ein Ende zu bereiten. Ich meine, es wäre in unserem Vaterlande Österreich gerade keine Notwendigkeit, daß von regierungswegen dazu beigetragen werde, daß der Patriotismus noch weiter eine Beeinträchtigung erfahre, denn wir sehen, daß diese Propaganda täglich von verschiedenen Elementen ungehindert und ungestraft seit einer Reihe von Jahren besorgt wirv und was in unserem engeren Heimatlande -Vorarlberg diesen Elementen nicht möglich war, diesen tief im Volke wurzelnden Patriotismus zu schädigen, so ist das zum großen Teile der Heeresverwaltung und durch die Verfügungen der Regierung bis zu einem gewissen Grade durch ihre Untätigkeit in dieser Sache gelungen. Auf diese Umstünde möchte ich die hohe Regierung aufmerksam gemacht haben, weil die Verhältnisse nicht dazu angetan sind, daß da gewissermaßen von regierungswegen, möchte ich fast sagen, in der Richtung mitgearbeitet wird. Mit diesen Bemerkungen schließe ich meine Ausführungen. Landeshauptmann: Wer wünscht noch weiter das Wort? Pfarrer Fink: Ich möchte demjenigen, was mein sehr geehrter Herr Vorredner vorgebracht hat, nur einige Tatsachen hinzufügen, die ich selbst beobachtet habe. Zunächst ist es einmal eine Tatsache, daß die Bevölkerung unter den gegenwärtigen Verhältnissen eine Schwäche vonseite der Regierung erkennt und diese Erkenntnis ist auch, wie wir aus dem Berichte des Herrn Abg. Thurnher gesehen haben, eine nicht so ganz unbegründete. Die Bevölkerung erkennt es als eine Art Schwäche in dem gegenwärtigen Vorgehen der Regierung, indem die Rekruten beinahe gebeten werden, den Präsenzdienst anzutreten. Wenn nun aber die Untergebenen eine Schwäche auf Seite der Autorität beobachten, so schwächt das die Hochachtung vor derselben und infolge dessen auch die patriotische Gesinnung. Eine fernere Tatsache besteht darin, daß auch unter denjenigen, die das dritte Jahr dienen, eine bedeutende Aufregung zu beobachten ist, ja ich habe erst letzter Tage von einer großen Garnison in Österreich gehört, daß nicht bloß Unmut und Unwille, sondern geradezu eine Erbitterung herrscht; und wenn diese Erbitterung in die Armee eindringt, glaube ich, ist das ein sehr gefährliches Zeichen. Dann ist es eine fernere Tatsache, daß unter der Bevölkerung nicht nur iu jenen Familien der Unwille herrscht, aus denen Söhne beurlaubt werden sollen, sondern auch in dem Bekanntenkreise dieser Familien, kurz in der ganzen Gemeinde; man hat mit diesen Familien Mitleid und je größer dieses Mitleid und je berechtigter es ist, umso größer ist auch der Unwille, der sich geltend macht. Ich werde deswegen für den Antrag des Herrn Abg. Thurnher stimmen, in der Hoffnung, daß die Regierung alles daransetzt, damit nicht der Unwille und die Erbitterung einen noch höheren Grad erreichen. 90 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 9. Periode 1903. Landeshauptmann: Wer wünscht noch weiter das Wort? Ölz: Hohes Haus! Der Herr Berichterstatter hat in ausführlicher Weise dargelegt, daß es Pflicht der Regierung sei, dafür zu sorgen, daß die zurückbehaltenen Mannschaften entlassen werden. Ich stimme dem selbstverständlich voll und ganz zu, da ich ja den Antrag, auf den sich der Antrag des volkswirtschaftlichen Ausschusses stützt, mit unterzeichnet habe. Ich hätte heute vielleicht gar keine Veranlassung genommen, hier im hohen Hause etwas zu sagen, wenn nicht die hohe Regierung sich veranlaßt gesehen hätte, eine derartige Erklärung abzugeben. Ich habe das Gefühl, daß die Regierung sich vor dieser Art von Kundgebungen im Vorarlberger Landtage fürchte. Ich begreife das nicht und hätte geglaubt, es könnte der Regierung nur angenehm sein, wenn sie auch die Stimmen aus Vertretungskörpern hört und zwar besonders aus einem solchen Vertretungskörper, in dem geordnete Verhältnisse sind und wo die Verhandlungen geordnet geführt werden; also aus Vertretungskörpern, die schließlich doch in erster Linie berufen sind, in einer solchen Sache Stellung zu nehmen. Der Herr Regierungsvertreter hat angeführt, daß die Regierung gezwungen sei, sich so zu stellen und aus politischen Gründen und Erwägungen die Gründe ihrer Entschließung nicht bekannt geben könne. Daran können wir nichts ändern, wir müssen uns damit begnügen, aber als Volksvertreter steht uns doch das Recht zu, über die politische Lage, wie sie in Österreich ist, ein Wort zu sagen. Der Herr Abg. Pfarrer Fink hat von einer Schwäche der Regierung gesprochen, und der Herr Abg. Loser hat gesagt, daß man bei den Rekruten geradezu herumbettelt, daß sie jetzt einrücken sollen. Ich finde das auch als eine Schwäche. Entweder hat man den Mut, es zu machen, wie es gesetzlich ist, oder man nimmt die Sachen, wie sie sind; man bleibt bei seinen Entschließungen und kommt dann nicht auf solche Abwege. Ich habe hier das Gemeindeblatt von Dornbirn vor mir. Da steht eine Kundmachung der Bezirkshauptmannschaft zufolge Statthaltereierlasses darin, worin ersucht wird, es möchten sich die Rekruten zum Dienstantritt freiwillig melden. Es heißt dahier: (liest.) "Ein freiwilliger Dienstantritt der Assentierten ist jedoch nicht allein im Interesse derjenigen von ihnen gelegen, welche sich aus Familienrücksichten oder angesichts ihrer Lebensstellung, ihres Wohnortes im Auslande oder aus sonstigen Gründen bereits darauf vorbereitet haben, ihrer Wehrpflicht mit Beginn des üblichen Einberufungstermines der Rekruten zu entsprechen, sondern es würde ein möglichst zahlreicher, freiwilliger Präsenzdienstantritt seitens der Assentierten es auch ermöglichen, einen entsprechenden Teil der Mannschaften des dritten Jahrganges, welche, wie bekannt, aus militärischen Rücksichten vorläufig zurückbehalten werden müssen, nach Deckung des militärischen Bedarfes, rechtzeitig zu entlassen." Dieser Erlaß scheint mir an alle Gemeinden ergangen zu sein. Es will also die Regierung geradezu erbetteln, daß die Rekruten sich freiwillig stellen sollen. Nun ist das nach meiner Anschauung etwas, was nicht so leicht zu verantworten ist, wenn man die Rekruten einfach zum freiwilligen Dienstesantritt auffordert; ich möchte das nicht tun und die Verantwortung nicht tragen. Die Regierung hat, wie ich glaube, die Sache wohl nicht überdacht, wie sie das gemacht hat. Wer bürgt uns dafür, wenn überhaupt noch eine Einigung zustande kommen sollte, daß der erhöhte Präsenzstand bewilligt wird. Nun sind bei uns die Einreihungen bereits erfolgt. Es rücken also bei uns die Leute zu diesen oder zu jenen Truppenkörpern ein, wohin sie gar nicht gehören; man hat so und so viele zum stehenden Heere genommen, und sie gehören gar nicht dazu. Da müßte unbedingt unterschieden werden, oder gesagt werden können, wo die Grenze ist, welche Nummer sich unter keinen Umständen jetzt stellen soll. (Abg. Thurnher: Wird schon kommen!) Es wird mir soeben zugerufen, daß es schon kommen werde, aber vorläufig ist noch nichts derartiges gekommen, wir müssen uns also an die Tatsachen halten, wie sie gegeben sind. Wer bürgt uns weiters dafür, daß, wenn 20 Vorarlberger sich freiwillig zum Dienstesantritte melden, dann auch wiederum 20 Vorarlberger aus dem Dienste entlassen werden. Vielleicht werden dann in Polen 20 entlasten werden, es wird also unseren Leuten dadurch gar kein Dienst erwiesen. Aus Nächstenliebe zu handeln, ist zwar sehr schön. IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 9. Periode 1908. 91 aber aus Nächstenliebe Rekrut zu sein, ist eine Nächstenliebe, die wohl niemand ausübt. (Heiterkeit.) Ich halte dafür, daß auch aus diesen Gründen es nicht zu empfehlen ist, mir nichts dir nichts zu sagen, es sollen die Rekruten einrücke>. Dann ist aber noch etwas. Sagen wir, es rücken unsere Rekruten am 1. Oktober ein. Wir wollen auch den günstigen Fall annehmen, woran ich aber bei der heutigen Lage nicht glaube, daß bis 1. Jänner 1904 in Ungarn die Krise vorbei ist und assentiert werden kann und die Rekruten einrücken. Nun habe ich die Anschauung, wenn die drei Jahre herum sind, haben unsere Leute drei Monate umsonst gedient; denn es muß doch einmal wieder eine Gleichheit in die Heeresorganisation hineinkommen, man kann doch nicht immer Rekrutenausbildungen haben, und aus dem Grunde habe ich die Anschauung, daß dann alle zusammen beurlaubt werden. Es kann aber auch sein, daß die Rekruten gar erst am 1. März einrücken. Sie werden zugeben, daß das schwere Bedenken gegen den freiwilligen Eintritt sind; ich möchte so etwas nicht veranlassen. Wenn mich jemand fragen würde, was für Gründe dafür oder dagegen sind, so sagte ich ihm, wenn Sie eine hohe Nummer haben, so rücken Sie schon gar nicht ein. Wenn Sie eine niedere Nummer haben und Sie sich schon darnach eingerichtet haben, also in entsprechende Verhältnisse eingetreten sind und beispielsweise keine Stellung haben, so müssen. Sie sichs selbst überlegen, was Sie tun wollen. Man sieht also, daß dieser Erlaß der Regierung, der so schön hinausgegeben wurde, für die Rekruten vielleicht etwas sehr Unangenehmes in sich birgt. Ich möchte wie schon gesagt, eine solche Verantwortung nicht tragen. Wir müssen uns wohl als Österreicher und zwar als wahre Österreicher, die Österreichs Bestehen haben wollen, fragen, warum ist denn diese Krisis da, warum stehen wir auf einem solchen Standpunkte? Wenn wir Nachschau halten, so finden wir, wie auch im Berichte gesagt ist, daß man 36 Jahre lang gegen Ungarn eigentlich zu nachsichtig gewesen ist. Man hat im Jahre 1867 geglaubt, einen Ausgleich schließen zu müssen; ich will gegen jene, die ihn ausgeführt haben, keinen besonderen Vorwurf erheben, sie mögen es gut gemeint haben, aber es ist kein Zweifel, daß ihr Werk höchst schlecht ausgefallen ist. Man hat nicht umsonst dem Begründer des Ausgleiches den Minister v. Beust den Namen "Totengräber von Österreich" zuerkannt. Wir haben seit dort, seit dem Jahre 1867 alle zehn Jahre wegen dieses Ausgleiches stetige Reibereien und immer wieder Reibereien zwischen den beiden Reichshälften gehabt, und es war daher gewiß ein Unglück, daß ein derartiger Ausgleich geschaffen worden ist. Hätte man Ungarn, nachdem es seinerzeit ja auch erbweise an Österreich gekommen ist, so wie die anderen Länder behandelt, hätte man auch den Ungarn nur einen entsprechenden Landtag gegeben, so wäre das recht gewesen, die Monarchie wäre nicht gespalten worden, dann hätten wir nicht mit zwei Parlamenten zu tun, sondern es wäre ein gemeinsamer Vertretungskörper neben den Landtagen geschaffen worden. Wir hätten es mit einem Reichsparlamente, oder wie Sie es heißen wollen, zu tun. Das war entschieden ein Unglück. Ebenso aber war es auch ein Unglück, daß man hohen Ortes ruhig zugesehen hat, wie eben in Ungarn die an Zahl stärkere Bevölkerung der Deutschen, Serben, Kroaten und wie sie alle heißen mögen, vergewaltigt wurde. Ich halte in Ungarn die Sache für nicht so schlimm. Wer ist denn an der jetzigen Krise eigentlich der Schuldtragende? Das ist niemand anders als die Revolutionäre, die man in jedent anderen Staate des Landes verweisen würde. (Abg. Loser: Revolutionäre im Bunde mit dem Judentum!) Ich habe die Anschauung, wenn man den elf Millionen der anderen Nationen einmal gerecht wird und sie auch zur Geltung kommen läßt, auch bald die Heilung kommen wird, und dann wird auch so viel Ordnung geschaffen sein, daß man das Heeresbudget bewilligt bekommt. Aber wie steht es da im lieben, guten Österreich? Es hat dieser Tage einer gesagt, wir haben es immer noch so gut, als wie irgendwo anders, trotzdem es bei uns drunter und drüber geht. Ich stimme dem zu und muß doch nachfolgendes sagen. Im lieben guten Österreich läßt man nicht bloß in Transleithanien alles machen, und die kaisertreuen Elemente unterdrücken, sondern auch in Cisleithanien schaut es nicht anders aus. In Cisleithanien muß man sich, wie ich dieser Tage in einer Versammlung gesagt habe, bald fürchten, Österreicher zu sein. Wenn man heutzutage eintritt für das Vaterland, 92 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 9. Periode 1903. für die Rechte der Krone und eintritt für Kaiser und Reich, so kann man hie und da von solchen Stellen schief angesehen werden, wo man es gar nicht erwarten würde. In Cisleithanien muß sich ja ein Patriot entrüsten, wenn er sieht, wie die Irredentisten, von welcher Gattung sie immer seien, ganz offen ihre Gesinnung zur Schau tragen, daß sie von Österreich los wollen. Ist es nicht ein Skandal im Süden, der schon 20 Jahre von der Regierung geduldet wird? Muß es einem Patrioten nicht völlig das Herz zerreißen, wenn man sieht, wie ungestört man die italienischen Signori machen läßt. Aber nicht bloß dort unten, sondern auch in Böhmen, unter der slavischen Nation gibt es - wenn auch weniger - Irredentisten. Auch bei uns in den Alpenländern, wie in Deutschböhmen, fängt eine Gruppe an, sich geltend zu machen. Wenn ich jetzt davon spreche, so sind das die sogenannten, ich weiß nicht, wie ich mich da ausdrücken soll, Nationalen der einen oder der anderen Richtung - es mögen die Milderen ja nicht so stark dieser Richtung huldigen - aber es kommt doch allgemein zum Ausdruck, daß sie im lieben Österreich lieber nicht zu Hause sein möchten. Und das traurigste an der Tatsache ist, daß eine große Zahl von k. k. Beamten und k. k. Professoren bei diesen dabei sind. Ich könnte Namen nennen, ich unterlasse aber das. Wir haben solche auch in unserem eigenen Heimatlande, man braucht da nicht darüber hinauszugehen. Es ist geradezu eine Schande, was man da sieht. Ich habe die Überzeugung, das würde in gar keinem anderen Staate geduldet werden. Dort würde man solchen Herren den blauen Bogen geben. Es ist hüben wie drüben, man ist zu gut, man läßt die Sache laufen, denn man hat eben keine Kourage. Ich war seinerzeit im Parlamente, als der jetzige Ministerpräsident Dr. von Koerber seinen Sprachengesetzentwurf auf den Tisch des Hauses gelegt hat und als die Czechen und "Strammnationalen" darob gestampft und gezetert haben. Als der Ministerpräsident erklärte, es sei eine Staatsnotwendigkeit, daß einmal Friede geschlossen werde, da hat mir das Herz im Leibe gelacht. Ich habe mich gefreut, daß die Regierung einmal den Mut gefunden und ordentlich hineingreift, um endlich Ordnung zu machen, wenn schon das der Reichsrat nicht kamt und will, auf den sich die Regierung immer stützt, nachdem sie uns gar nichts gelten lassen will. Es blieb aber bei dem ersten Schritte, obgleich es höchste Zeit gewesen wäre, Ordnung zu schaffen. Ich bin dieser Tage mit einem Herrn aus Deutschland zusammengekommen und der fragte mich: "Run was ist mit Österreich?" Ich sagte ihm, es ist nicht so bös. Es braucht nur eine starke Hand, die energisch dreingreift. Das Volk ist österreichisch und bleibt auch österreichisch, und Zustände habt Ihr vielleicht die schlechteren als wir bei uns, aber bei Euch würde man solchen kgl. preußischen Herren einfach den blauen Sogen geben und dann würde Ruhe werden. Bei uns macht man am das nicht- Seien Sie nur unbekümmert, es sind schon viele Stürme an Österreich vorübergegangen und es wird auch diesmal der Sturm vorübergehen." Ich habe nur den einen Wunsch und die eine Hoffnung, daß in die starke Krisis, die jetzt herrscht, eine starke Hand eingreift. Und wenn es nicht anders geht, so habe ich die Anschauung, nicht mit dem § 14 regieren, sondern die Buden in Budapest und Wien zu machen und kurze Zeit in gerechter Weise absolut regieren, dann wird Ordnung werden. Und wenn man dann später die Abgeordnetenhäuser wieder einberuft und dann noch nicht gearbeitet wird, dann soll man die Abgeordneten einfach wieder heimschicken. In Ungarn aber wäre besonders auch eine andere, gerechtere Wahlordnung zu schaffen und zu schauen, daß bei Neumahlen nicht die bisherigen fürchterlichen Ungerechtigkeiten und Betrügereien noch weiter vorkommen. Was sollte man weiter tun, wenn diese Vertretungskörper nicht arbeiten wollen? Man soll es einfach dann so machen, wie es seinerzeit ich glaube Belkredi gedacht hat, man soll das Schwergewicht in die Landtage verlegen und ein Zentralparlament für die ganze Monarchie schaffen, dann wird es gehen, Österreich wird noch stärker dastehen und nicht zugrunde gehen. Das muß aber bald geschehen, sonst ist meine Anschauung, daß dem Kaiser kein Erbe mehr auf den Thron folgen wird. Landeshauptmann: Ich muß die letzte Bemerkung des Herrn Redners rügen, weil ich es nicht zulassen kann, die Allerhöchste Person in die Debatte zu ziehen. IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. L Session der 9. Periode 1903. 93 Dr. Peer: Hohes Haus! Wenn ich in dieser Angelegenheit auch das Wort ergreife, so geschieht das, um meine Zustimmung zu vielem, was ich hier gehört habe, zum Ausdruck zu bringen und ich will auch gleich betonen, daß ich für den vorliegenden Antrag stimmen werde, weil mir derselbe und die dafür vorgebrachten Gründe zusagen. Ich habe aber noch einen anderen Anlaß. Der sehr geehrte Herr Abg. Ölz hat kurz zuvor in seinen Ausführungen wohl nur zur Begründung der Schwäche der gegenwärtigen Regierung darauf hingewiesen, daß sie ein reichsfeindliches Treiben der k. k. Beamten und Professoren im Lande dulde. Hätte der Herr Abg. Ölz diese Erwähnung vielleicht in dem Sinne als Motivierung des vorliegenden Antrages gebraucht, daß vielleicht gerade deswegen, weit es manchem nicht mehr gefällt, die bedauerliche Tatsache zutage getreten sei, daß der eine oder der andere Beamte mit den bestehenden Verhältnissen nicht mehr zufrieden sei, so hätte ich das begreiflich gefunden. Als Abgeordneter der Stadt Feldkirch, in der sich die meisten Beamten befinden, halte ich mich aber doch für verpflichtet, hier im hohen Hause zu erklären, daß von dem, - und ich glaube die Verhältnisse in Feldkirch doch zu kennen - was der Herr Abg. Ölz an den k. k. Beamten und Professoren rügen zu sollen glaubte, in Feldkirch nichts zu bemerken ist. Vielleicht könnte dies anderswo, wo ich die Verhältnisse nicht kenne, der Fall sein, namens der Stadt Feldkirch aber glaube ich diese Beschuldigung der k. k. Beamtenschaft entschieden zurückweisen zu müssen. Regierungsvertreter: Hohes Haus! Ich habe allerdings vorhin erklärt, daß ich zu den sachlichen Auseinandersetzungen über die Heeresangelegenheiten und die Lage mich auf die vorgebrachten Bemerkungen beschränken müsse, keineswegs aber habe ich gesagt, daß ich zu unsachlichen Ausführungen, die nicht dahin gehören, nicht Stellung nehmen werde. - Die schweren Vorwürfe, welche der k. k. Beamtenschaft von einem Redner soeben gemacht wurden, ohne Nennung des Namens, ohne Angabe des Ortes, ohne Bezeichnung der Branche, kann ich nicht ohne Widerspruch hinnehmen. Ich diene über 20 Jahre speziell in den zunächst genannten Alpenländern, in Tirol und Vorarlberg, und man wird mir zugeben müssen, daß ich in dieser Zeit eine große Anzahl Beamter im Dienste kennen gelernt habe. Es ist möglich, daß der Eine oder der Andere divergierende Anschauungen über diese oder jene politische Einrichtungen oder Gestaltungen besitzt; aber so wie ich diese Beamtenschaft kenne, dürfte sich wohl keiner darunter befinden, der damit umginge, seinen dem Kaiser geleisteten Eid zu brechen. Wären die Verhältnisse unter der Beamtenschaft so, wie der Herr Abgeordnete Ölz sie geschildert, wäre die Großzahl der Beamten so, wie er behauptet, so kann ich Sie meine Herren versichern, daß ich nicht einen Augenblick zögern würde, bei Sr. Majestät um meine Entlassung einzukommen. Dr. Schneider: Ich möchte auch bemerken, daß ich mit dem vorliegenden Antrage selbstverständlich einverstanden bin, und ich kann sagen, daß sich auch die Bevölkerung von Bregenz dazu einverstanden erklären wird. Es ist bereits im Stadtrate eine entsprechende Entschließung gefaßt worden, eine Sitzung der Stadtvertretung hat in letzter Zeit nicht stattfinden können. Ich glaube, es wird die Bevölkerung eine solche Stellungnahme nur mit Freuden begrüßen und sich einverstanden erklären. Was mich veranlaßt hat, das Wort zu nehmen, sind einige Äußerungen des Herrn Abg. Ölz. Es ist gewiß richtig, daß der Ausgleich, der mit Ungarn geschlossen worden ist, jedenfalls für uns und wohl auch für den österreichischen Staat ein schlechter ist. Ich will nur darauf hinweisen, daß bis jetzt Ungarn in militärischen Fragen stets selbständig gehandelt hat und selbständig seine militärischen Forderungen aufgestellt hat. Es ist selbstverständlich, daß Ungarn darin weitergehen wird und schon geht, und es kann wohl derjenige, der die Verhältnisse kennt, sich nicht der Ansicht verschließen, daß Ungarn seit dem Jahre 1868 bestrebt ist, sich selbständig zu machen und sich von Österreich unabhängig zu machen. Das ist von der österreichischen Bevölkerung auch erkannt worden. Ich bitte Sie, sich nur zu erinnern, daß in der letzten Zeit nicht nur von politischen Korporationen sondern auch von einer großen Interessentengruppe, die ein 94 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 9. Periode 1903. lebhaftes Interesse daran hat, in welcher Form sich die österreichische Monarchie zusammensetzt, erklärt worden ist, eine Trennung wäre ihnen bei weitem lieber als das ewige Zwischenspiel und die damit verbundene Unsicherheit, wobei man nie wisse, was geschehen wird. Und gerade von dieser Interessentengruppe ist gefordert und aufmerksam gemacht worden, man möchte alle Vorbereitungen treffen, falls uns Ungarn zur Trennung zwingt, damit wir eventuell unser Haus selbst bestellen und umso entsprechender hinsichtlich unserer Produktionsarten, wegen der Zölle u. s. w. eingerichtet sind. Das ist das, was sich bis jetzt voraussehen läßt und was bei der Haltung der Regierung der wahrscheinliche Ausgang sein wird. Wie sich die Sache gestaltet hätte, wenn man im Jahre 1868 die Landtage autonom gemacht hätte, wissen wir nicht, es kann leicht die Vermutung ausgesprochen werden, es würde besser geworden sein, doch ich will auf diese Frage nicht weiter eingehen. Es ist gar kein Zweifel, daß in Österreich die nationale Frage alle Nationen und die Deutschen zuletzt veranlaßt hat, ihr Hans selbst zu bestellen. Nachdem alle Völker Österreichs sich unter die nationale Fahne zusammengeschart haben, sind selbstverständlich die Deutschen auch dazu gekommen, den nationalen Standpunkt zu vertreten. Wenn gerade die Regierung den anderen Nationen hilft, sich auf ihren eigenen Standpunkt zu stellen, so ist es unsere Pflicht und Schuldigkeit, sich unserer eigenen Nation auch zu erinnern und auf den nationalen Standpunkt zu stellen. Diesen Standpunkt halte ich für berechtigt und notwendig, daß sich die Deutschen Österreichs zusammenscharen und ihre eigenen Interessen in den Vordergrund stellen. Wenn der Regierung nichts daran liegt, daß die Nationen zusammenkommen und wenn sie nur den fremden Nationen hilft, gut, so scharen wir Deutsch-Österreicher uns ebenfalls unter die nationale Fahne und richten uns entsprechend ein. Selbstverständlich ist dabei nicht gesagt, daß die Deutschen eine Auflösung Österreichs bezwecken, sondern es handelt sich für sie darum, daß sie im großen Kampfe für alle Fälle ihr nationales Recht vertreten und aufrecht erhalten gegenüber den Bestrebungen der übrigen Nationen. Dadurch wird selbstverständlich die Reibung zwischen den einzelnen Nationen verstärkt, aber nicht durch die Schuld der Deutschen und nicht durch die der Deutschnationalen. Es ist allgemein der Vorwurf gemacht worden gegen unsere Beamten Vorarlbergs, als ob sie unter sich eine große Schar von Vaterlandverrätern hätten. Nachdem schon eine Stadt genannt worden ist und Herr Abg. Dr. Peer gesagt hat, daß er unter der Beamtenschaft von Feldkirch keinen kenne, der unter die Vaterlandverräter gezählt werden könnte, so muß auch ich als Vertreter der Stadt Bregenz erklären, daß ich nicht glaube, daß die Beamtenschaft von Bregenz als Vaterlandsverräter gebrandmarkt werden könnte. Wie weiter die Lösung unserer staatlichen Zustände gegen bisher geschehen soll, glaube ich, ist es schwer zu sagen, ob mit dem Absolutismus das richtige erreicht würde. Es ist zum mindesten sehr fraglich. Denn man hat in Österreich mit dem Absolutismus solche Erfahrungen gemacht, daß er als keine zweckentsprechende Regierungsform angesehen werden konnte. Er hat immer Bankerott gemacht und jedesmal, wenn Österreich durch den Absolutismus abgewirtschaftet hatte und heruntergekommen war, hat man wiederum an die bürgerlichen Parteien appelliert. Ich glaube die einzig richtige und beste Regierungsform ist die parlamentarische. Mit dem Absolutismus werden wir nicht weiter kommen. Htz: Ich habe mich wie es scheint, zuerst gegen drei Herren zu wenden, gegen den Herrn Regierungsvertreter und die beiden Herren Doktoren der Rechte da drüben. Nun die Herren haben ja Recht von ihrem Standpunkte aus, daß sie die Herren Beamten in Schutz nehmen. Sicher