19020711_lts011

Dateigröße 4.69 MB
Aktenzahl/Geschäftszahl
Letzte Änderung 03.07.2021, 10:55
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp08,lts1902,lt1902,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
Unterausschüsse
Kommissionen/Kuratorien
Verbände/Konkurrenzen
Verträge
Publikationen Landtag-Sitzungsprotokoll_lts
Aktenplan
Anhänge
Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag 11. Sitzung am 11. Juli 1903 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 20 Aligeordnete. - Abwesend: Hochwst. Bischof. Regierungsvertreter: Herr K. k. Statthaltereirat Levin Graf Schaffgotsch. Beginn der Sitzung 10 Uhr 15 Min. vormittags. Landeshauptmann: Ich erkläre die Sitzung für eröffnet und ersuche um Verlesung des Protokolles der gestrigen Sitzung. (Sekretär verliest dasselbe.) Hat einer der Herren gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung vorzubringen? Da dies nicht der Fall ist, betrachte ich dasselbe als genehmigt. Wir gehen zur Tagesordnung über und zwar zunächst zum Berichte des Finanzausschusses über den Rechenschaftsbericht des Landes-Ausschusses. Berichterstatter ist der Herr Abg. Scheidbach; ich ersuche denselben, die Tribüne zu besteigen und den Bericht zur Verlesung zu bringen! Bevor an die Verlesung des Berichtes geschritten wird, eröffne ich über denselben die Generaldebatte. Wenn sich niemand zum Worte meldet, wird mit der Verlesung des Berichtes begonnen werden; wo Anträge des Finanzausschusses gestellt sind, wird selbstverständlich über dieselben formell abgestimmt werden, und im Übrigen werde ich bei jedem Punkte der einzelnen Gegenstände, welche der Rechenschaftsbericht berührt, eine kleine Pause machen, um den Herren Abgeordneten Gelegenheit zu Anfragen, Anträgen, Beschwerden u. s. w. zu geben. Ich bitte, nun mit der Vorlesung zu beginnen! Scheidbach: Hohes Haus! Der Landtag ist diesesmal zu einer sehr ungünstigen Zeit, (mitten 106 XI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 8. Periode 1902, im Sommer), einberufen worden. Das ist zunächst der Grund gewesen, warum die Arbeiten des hohen Landtages so außerordentlich betrieben und zur raschen Erledigung gedrängt worden sind. Infolgedessen ist auch der Finanzausschußbericht über den Rechenschaftsbericht des Landes-Ausschusses etwas mager und einfach ausgefallen; man hat eben nicht die nötige Zeit dazu gehabt, denselben gründlicher zu machen. In diesem Berichte ist vielfach auf den Rechenschaftsbericht des LandesAusschusses hingewiesen worden, und dürfte es daher gut feilt, wenn die Herren Abgeordneten denselben auch zur Hand nehmen, weil in demselben die näheren Details und Aufklärungen enthalten sind. Ich schreite nun zur Verlesung des Berichtes: (lieft). "Bericht des landtäglichen Finanzausschusses über den Rechenschaftsbericht des LandesAusschusses in Vorarlberg für den VI. ordentlichen Landtag der 8. Periode 1902. Hoher Landtag! Der in der II. Sitzung vom 23. Juni d. J. zur Prüfung des vom Landes-Ausschusse vorgelegten Rechenschaftsberichtes eingesetzte Finanzausschuß erstattet hierüber folgenden Bericht: I. Über die Ausführung der vollziehbaren Landtagsbeschlüsse der letzten Session. A. Jener, welche der Allerh. kaiserlichen Sanktion bedürfen: Diese wurde erteilt: 1. Dem Landtagsbeschlusse vom 19. Dezember 1900 betreffend die zur Deckung der Erfordernisse des Landesfondes pro 1901 einAnhebenden Landesumlagen, und zwar eines Landeszuschlages von 40 % auf die Grundsteuer, auf die allgemeine Erwerbsteuer, auf die Erwerbsteuer der zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichteten Unternehmungen, auf die satteste Rentensteuer und auf die Besoldungssteuer der Privatbediensteten, sowie eines Zuschlages von 20% auf die Hausklassen- und Hauszinssteuer, mit Allerhöchster Entschließung vom 30. Dezember 1900. 2. Dem Landtagsbeschlusse vom 24. Juni 1901 betreffend den Gesetzentwurf über die Ausführung von Schutz- und Regulierungsbauten an der Alfenz und am Wäldlebache bei Klösterle, mit Allerh. Entschließung vom 17. Dezember 1901. 3. Dem Landtagsbeschlusse vom 19. Januar 1901 betreffend den Gesetzentwurf wegen Herstellung von Schutz- und Regulierungsbauten an der Frutz in den Gemeindegebieten von Meiningen und Koblach, mit Allerh. Entschließung vom 1. Jänner 1902." Landeshauptmann: Wünscht jemand zu diesem Punkte A das Wort zu nehmen? - Dann bitte ich weiterzufahren! Scheidbach: (liest) "B. Über die Ausführung der Landtagsbeschlüsse nach §§ 18 und 19 der Landes-Ordnung. Der Landtagsbeschluß vom 27. Juni 1901 betreffend die Abänderung des bestehenden Tierseuchengesetzes, des Tierseuchen-Übereinkommens zwischen Österreich und Deutschland und der endlichen Schaffung eines eigenen Viehseuchenbezirkes für Vorarlberg wurde unterm 30. Juli, Zl. 2935 dem k. k. Ministerium des Innern unter wärmster Befürwortung vorgelegt, ohne daß bis jetzt eine Erledigung erfolgt ist. Dieses muß sehr bedauert werden, und spricht der Finanzausschuß den dringenden Wunsch aus, es möge der Landes-Ausschuß über diesen hochwichtigen Gegenstand, besonders die Schaffung eines eigenen Viehseuchenbezirkes für Vorarlberg, die ihm nötig erscheinenden Mittel und Wege zur Erreichung dieses Zweckes vorkehren." Dr. Waibel: Es ist bekannt, daß in jenen Kreisen, welche ein Interesse an den Viehmärkten haben, diese Frage fortwährend besprochen wird, und es würde vielleicht doch von Interesse sein zu erfahren, was für Gründe etwa die Regierung hat, diesem Begehren Widerstand entgegenzusetzen. Eine Zeitlang hat es vertraulich geheißen, daß gegenwärtig eine Strömung in der Regierung bestehe, die einer günstigen Erledigung etwas geneigter sei, aber nach dem Berichte, der hier vorliegt, scheint die Sache denn doch noch sehr zweifelhaft XI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 8. Periode 1902. 107 zu sein- Ich bitte also wenn möglich Aufklärung zu geben, was für Gründe etwa der Erfüllung dieses Wunsches des Landes entgegenstehen. Landeshauptmann: Herr Dr. Waibel hat also die Anfrage gestellt, wie die Situation mit der zu betreibenden Schaffung eines eigenen Viehsanitätsbezirkes für Vorarlberg sich gestaltet habe, und was für Gründe bestehen, warum die Regierung nicht auf die Realisierung der Wünsche des Landtages und des ganzen Landes eingehe. Ich möchte Herrn Abg. Jodok Fink als Referenten in dieser Angelegenheit ersuchen das Wort zu nehmen! Jodok Fink: Ich kann diesbezüglich mitteilen, daß die zum Teile mündlich geführten Verhandlungen mit der Regierung dahin geführt haben, daß man seitens des Ministeriums die Anschauung zum Ausdrucke gebracht hat, es lasse sich in die dermalige Form der Verwaltung von Tirol und Vorarlberg nicht gut einfügen, daß Vorarlberg als ein eigener Viehsanitätsbezirk behandelt werde. Dagegen hat man die Anschauung vertreten, es könnte vielleicht den Wünschen des Vorarlberger Landtages insofern Rechnung getragen werden, daß in Vorarlberg ein in der 8. Rangsklasse stehender Veterinärsanitätsinspektor aufgestellt, und daß dann diese Stelle in irgendeiner Weise in den Rahmen der Verwaltung so eingefügt würde, daß dieser Inspektor vielleicht für das ganze Land Vorarlberg das Referat zu führen und dasselbe entweder im Wege des den Statthalter vertretenden Statthaltereirates in Bregenz dem Statthalter zu unterbreiten hätte, oder daß er ermächtiget würde, ähnlich wie es der Landestierarzt tut, dem Statthalter direkt zu referieren. Die Sache ist nun allerdings noch nicht zur Ausführung gelangt, aber es ist davon gesprochen worden, und es wird sich nun zeigen, ob wir nicht nach dieser Richtung wenigstens in etwas unsern Wunsch erfüllt sehen. Dabei will ich noch bemerken, daß wieder ein neuer Anlaß sein wird, die Forderung des Landes zu erheben und vielleicht doch noch im ganzen Umfange durchzusetzen, nämlich dann, wenn wieder die neuen Verträge mit dem Auslande abgeschlossen werden, und das wird in nächster Zeit geschehen müssen. Es wird gewiß der Landes-Ausschuß nicht verabsäumen, neuerlich wieder darauf zu dringen, daß in Vorarlberg ein eigener Veterinärsanitätsbezirk geschaffen werde, und wird, wie gesagt, wieder ein günstiger Moment hiezu sein in der Zeit, bevor man die neuen Verträge abschließt. Landeshauptmann: Wer wünscht noch das Wort zu Punkt B? - Es meldet sich niemand, somit schreiten wir zu C und werde ich bei jeder arabischen Ziffer eine kleine Pause eintreten lassen, um es den Herren zu ermöglichen, das Wort zu nehmen. Scheidbach: (liest) "C. Ausführung der Landtagsbeschlüsse im eigenen Wirkungskreise des Landes-Ausschusses. Der Bericht des Landes-Ausschusses zählt unter näherer Ausführung folgende Angelegenheiten auf: 1. u. 2. Die Genehmigung der Voranschläge pro 1901 des k. k. Landesschulrates betreffend den Normalschulfond und die aus Landesmitteln zu bestreitenden Schulauslagen. 3. Betreffend die Förderung von sonntäglichen Fortbildungsschulen. 4. Den Landtagsbeschluß vom 19. Dezember 1900, betreffend die Schaffung der Stelle eines Viehzuchtinspektors mit einem Gehalte von jährlichen 3000 K. 5. Betreffend die Gewährung einer nochmaligen Subvention der Gemeinde Stallehr zu den Kosten der Wuhrbauten an der Alfenz. 6. Betreffend die Gewährung von Abschriften über die summarischen Daten der Orts-, Gemeinde- und Bezirksübersichten für Zwecke der Landesstatistik. 7. In Ausführung des Landtagsbeschlusses vom 22. Juni 1901, wurde der österreichischen Zentralstelle zur Wahrung land- und forstwirtschaftlicher Interessen bei Abschluß von Handelsverträgen die bewilligte Subvention von 100 K, und 8. Der Gemeinde Dornbirn die Subvention pro 1901 von 900 K für die fachlichen Erfordernisse der k. k. Stickereifachschule ausbezahlt. 108 XI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 8. Periode 1902. 9. Betreffend die Geschäftsführung und den Rechnungsabschluß der Vorarlberger Landeshypothekenbank. 10. In Bezug auf den Landtagsbeschluß vom 24. Juni, betreffend die Straße von Mittelberg nach Oberstdorf wird sich auf den bezüglichen Passus im Berichte des Landeskultur-Oberingenieurs bezogen; ebenso 11. Betreffend den Landtagsbeschluß vom 5. Juli 1901, wegen Erstellung der Konkurrenzstraße Bahnhof-Lingenau zur Reichsgrenze. 12. Landtagsbeschluß vom 27. Juni 1901, betreffend die Eingabe des Vorarlberger Feuerwehr-Gauverbandes, wegen Abänderung des § 16 der Feuerwehr- und Feuerlöschordnung. 13. Bezüglich des Landtagsbeschlusses vom 27. Juni 1901, betreffend Abänderung der Landtagswahlordnung, wird auf die Beilage XII. (Rechenschaftsbericht des Landes-Ausschusses) hingewiesen, und erfolgte hiefür ein separater Bericht an den Landtag. 14. Den Landtagsbeschluß vom 27. Juni 1901, betreffend den Vertragsentwurf mit dem Landes-Ausschusse des Erzherzogtums Österreich unter der Enns, wegen Errichtung und Betrieb einer Zweigniederlassung der niederösterreichischen Landes-Lebens- und Rentenversicherungsanstalt." Ölz: Meine Herren, Sie finden am Schlusse des Rechenschaftsberichtes des Landes-Ausschusses einen Bericht angehängt, Beilage XII B, über die Tätigkeit der Zweigniederlassung der LandesLebens- und Rentenversicherung. Es ist mit Freude zu konstatieren, daß schon in den ersten vier Monaten ein so wesentliches Geschäft hat abgeschlossen werden können. Es sind, wie diese Beilage ausweist, im ganzen an Lebensversicherungsanträgen 32 eingegangen mit. einem Kapitale von 119.500 K, Volksversicherungsanträge 13 mit 12.538 K und endlich 10 Unfallversicherungsanträge für 90.000 K. Wir können wohl schon aus dem schließen, daß wir damals keinen Fehlgriff gemacht haben. als wir für das Land diese Zweigniederlassung eingeführt haben. Seit der Einführung dieses Zweiges von Versicherung macht sich die Konkurrenz immer mehr fühlbar, und es hat mich zuerst manchmal so unangenehm berührt, daß ich mir gedacht habe, es wird am Ende doch nicht möglich sein, daß diese Resultate, welche wir in den ersten paar Monaten erzielten, anhaltend sein werden. Nun kann ich aber den Herren zu den im Berichte enthaltenen noch weitere erfreuliche Mitteilungen machen, und ich muß offen gestehen, ich war beinahe angenehm enttäuscht über die seitherigen Erfolge, die wir erzielt haben. Ich habe mir da von der Direktion der Zweigniederlassung einen kleinen Auszug geben lassen, wie viele Versicherungen bis 1. Juli d. J. abgeschlossen worden sind: es sind dieses Jahr Anträge eingereicht worden für normale Versicherung 125 mit K 290000-, bei der Abteilung "Volksversicherung" 31 mit K 29446.- und für Unfallversicherung 17 Anträge mit einem Gesamtkapitale von K 319000.-. Man sieht also aus diesen Zahlen, daß die Anstalt sich eines besondern Vertrauens der Bevölkerung erfreut, und wir können das nur im Interesse der Bevölkerung sehr begrüßen. Dann ist es ja eine bekannte Tatsache, daß sehr viele Privatanstalten herumgehen und auch Aufträge für Lebensversicherung nehmen, die nicht eine solche Garantie bieten, wie unsere Anstalt. Ich will keiner dieser Anstalten irgendwie zu nahe treten, aber soviel ist sicher, das Volk ist unbedingt besser dran, wenn es sich der Landesanstalt anschließt als einer Privatanstalt. Es hat seinerzeit der Berichterstatter Herr Jodok Fink genau die Vorteile ausgeführt, welche eine Landesanstalt bietet, daß z. B. der Gewinn, welchen die Landesanstalt erzielt, nicht den Aktionären ausgezahlt werden muß, sondern jedem einzelnen Versicherten zugutekomnit. Es soll mich also freuen, wenn auch in Zukunft die Bevölkerung Vorarlbergs mit gleichem Interesse und gleichem Vertrauen diese Zweigniederlassung benützt und damit für sich ein soziales Werk schafft. Es steht ja außer allem Zweifel, daß die Lebensversicherung heute, bei den gegebenen Verhältnissen, eine Notwendigkeit ist. Bis jetzt ist die Lebensversicherung im Lande Vorarlberg nur ganz im Kleinen Brauch gewesen; es sind ja wohl Privatinstitute dagewesen, aber die Bevölkerung stand XI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 8. Periode 1902. 109 diesen Versicherungsanstalten mehr ablehnend gegenüber. Man hat überhaupt immer geglaubt, das sei nicht notwendig. Nun aber, nachdem man sich Mühe gibt, Aufklärung in dieser Beziehung in die Bevölkerung zu bringen, ist es anders geworden. Ich habe nichts weiter beizufügen, ich wollte nur der Freude Ausdruck geben, daß diese vom Landtage geschaffene Schöpfung so gut gedeiht. Landeshauptmann: Wünscht noch jemand über diesen Punkt das Wort zu nehmen? - Dies ist nicht der Fall, daher bitte ich in der Verlesung des Berichtes fortzuschreiten! Scheidbach (liest): "15. Den Landtagsbeschluß vom 1. Juli 1901 betreffend die Subventionierung landwirtschaftlicher Genossenschaften mit genehmigten Statuten. 16. Landtagsbeschluß vom 1. Juli 1901 betreffend die Subventionierung der elektrischen Kleinbahn Dornbirn-Lustenau. 17. Landtagsbeschluß vom 3. Juli 1901 betreffend die Pension und Versorgungsgenüsse der Hinterbliebenen des Lehrers Josef Moll in Reuthe. 18. Beschluß vom 3. Juli 1901 betreffend die endliche Durchführung des Lebensmittelgesetzes." Landeshauptmann: Zu diesem Punkte wünscht Herr Dr. Waibel das Wort. Dr Waibel: Das Lebensmittelgesetz ist ein Kind, das nicht recht gedeihen will; es ist zwar schon einige Jahre alt, aber es will nicht zur Reife gelangen. Im Bericht, der vorhin erwähnt worden ist, heißt es: (liest) "Der Landtagsbeschluß vom 3. Juli, betreffend die endliche Durchführung des Lebensmittelgesetzes, wurde der k. k. Statthalterei mit Bericht vom 12. August 1901 Zl. 3734 in Vorlage gebracht. Mit Note vom 30. August 1901 teilte dieselbe mit, daß sie wegen Differenzen in den Anschauungen über die Qualifikation der Aufsichtsorgane, die zwischen dem Landes-Ausschuß und der k. k. Statthalterei obwalten, die Frage dem k. k. Ministerium des Innern unterbreitet habe, von welcher Seite bis jetzt eine Erledigung nicht eingetroffen ist." Der vom Finanzausschüsse vorgelegte Bericht läßt nun nicht entnehmen, ob mittlerweile, seit der Verfassung des Berichtes bis zum Berichte des Finanzausschusses, etwas von der Regierung herabgelangt ist Es wäre doch von allgemeinem Interesse, denn das Gesetz ist sehr wichtig, zu erfahren, was für Differenzen noch obwalten, ob es denn gar nicht möglich ist, einig zu werden und das Gesetz zu Durchführung zu bringen. Ich möchte daher das Präsidium ersuchen, uns darüber Aufschluß zu erteilen. Landeshauptmann: Ich glaube der Herr Abg. Dr. Schund ist als Referent des Landes-Ausschusses in dieser Angelegenheit am besten in der Lage, die Anfrage des geehrten Herrn Vorredners zu beantworten. Dr. Schmid: Meine Herren! Diese Angelegenheit hat sich seit unserer letztjährigen Tagung, soweit dem Landes Ausschusse bekannt geworden, nicht geändert. Wie im Berichte mitgeteilt wurde, ist vonseiten der Statthalterei der ganze Akt zur Entscheidung an das Ministerium abgetreten worden, weil über die Durchführung des Gesetzes, nämlich über die Anstellung von Individuen als Lebensmittel- und Marktbeaufsichtigungsorgane, sogenannte Marktkommissäre, zwischen Landes-Ausschuß und Statthalterei noch Differenzen in den Anschauungen über diese Institution bestehen. Diese Differenzen sind ziemlich einschneidend; wie ich letztes Jahr schon mitteilte, sind nämlich die Marktkommissäre noch der Anschauung der Statthalterei, wie sie uns dieselbe auseinandergesetzt hat, Leute, welche eine längere Vorbereitung brauchen, um die Fähigkeit zu besitzen ihr Amt auszuüben. Dann würden sie, nachdem sie ein ziemlich dickes Buch durchstudiert und dessen Inhalt ihrem Gedächtnisse einverleibt haben, von den Gemeinden angestellt und besoldet werden. Der Landes-Ausschuß dagegen hat geglaubt, das dürfte für jene Gemeinden, welche solche Marktkommissäre anstellen müßten, eine zu schwere und drückende Auslage sein und hat eine andere Art und Weise aufgesucht, dieses Gesetz zur Durchführung zu bringen. Er hat nämlich das 110 XI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 8. Periode 1902. Vorbild einer Einrichtung genommen, wie sie in der Schweiz besteht z. B. in Bern, St. Gallen, Zürich u. s. w., daß nämlich hier Markt- und Lebensmittel-Beaufsichtigungskommissäre gefunden werden könnten, welche sich in einem kurz dauernden Kurse die nötigst, u Kenntnisse erwerben könnten, um befähigt zu sein, dasjenige durchzuführen, was in erster Linie notwendig ist, nämlich die Erkennung von Fälschungen und dann die damit bedingte Beschlagnahme derselben und Überantwortung an die landwirtschaftlich chemische Versuchsstation, woselbst die richtige chemische Untersuchung stattfinden wird. Diese Anschauung, wie sie der Landes-Ausschuß der Statthalterei vorgelegt hat, fand bei derselben wenig Gehör und eine nicht günstige Aufnahme. Der dortige Referent hat für diese unsere Auffassung sich nicht entgegenkommend gezeigt, und die Statthalterei hat darum unsern Vorschlag samt den von ihr uns vorgelegten Normen zur Entscheidung an das Ministerium gegeben. Ob von dort bisher an die Statthalterei etwas gekommen ist oder nicht, das mitzuteilen bin ich nicht in der Lage, weil ich es nicht weiß, werde mich aber morgen oder übermorgen an Ort und Stelle darüber erkundigen. An den Landes-Ausschuß ist meines Wissens kein Bericht erfolgt. Soviel zur Beantwortung dieser Anfrage! Landeshauptmann: Ich glaube es würde sich empfehlen, wenn der Landes-Ausschuß diese Angelegenheit im Anschlüsse an die Bemerkungen des Herrn Landes-Ausschußreferenten wieder einmal bei den Behörden urgieren würde, damit wir in dieser wichtigen Frage endlich einmal eine Erledigung bekommen. Wünscht noch jemand das Wort? - Bitte weiter zu lesen! Scheidbach: (liest) "19. Betreffend die Auszahlung von Stipendien an 10 Zöglinge der Landeskäsereischule in Doren im Betrage von 1200 K. 20. Landtagsbeschluß vom 3. Juli 1901 betreffend die endliche Abwicklung des Grundentlastungsfondsgeschäftes. 21. Landtagsbeschluß vom 5. Juli 1901 betreffend die Auszahlung der bewilligten Subventionen an nachstehende Vereine und Korporationen, als: a) dem Vorarlberger Unterstützungsvereine in Innsbruck b) .... 60 K, dem Asylvereine der Wiener Universität................50 c) dem katholischen Schulvereine für Österreich d) " in Wien . 200 " dem Verbände für Fremden- verkehr in Vorarlberg und Liechtenstein..............100 " e) dem Vereine für kirchliche Kunst und Gewerbe in Tirol und Vorarlberg . . . . 100 K. 22. Den Landtagsbeschluß vom 5. Juli 1901 betreffend die Anbahnung eines Vergleiches in Sachen der Vorarlberger Invasionsschuld vom Jahre 1805. 23. Den Landtagsbeschluß vom 8. Juli 1901 betreffend die Anschaffung eines neuen Kochherdes in der Landesirrenanstalt Valduna. 24. Landtagsbeschluß vom 8. Juli 1901 betreffend die Erwerbung eines Landhauses." In der folgenden Zeile hat sich ein Irrtum eingeschlichen, es soll nicht heißen "14" sondern "13". (liest weiter:) "Die Punkte 3, 14 und 23 fanden durch separate Vorlagen an den hohen Landtag die Erledigung. Bezüglich der näheren Details über die vom Landes Ausschüsse im eigenen Wirkungskreise ausgeführten Landtagsbeschlüsse wird auf den vom Landes-Ausschuß vorgelegten Rechenschaftsbericht, Beilage XII. verwiesen und vom Finanzausschüsse gestellt der Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen, die Ausführungen der Landtagsbeschlüsse im eigenen Wirkungskreise des Landes-Ausschusses werden genehm gehalten." Landeshauptmann: Wünscht jemand das Wort zu diesem Antrage? Wenn dies nicht der Fall ist, nehme ich an, daß das hohe Haus demselben zustimmt. XI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 8, Periode 1902. 111 Scheidbach: (lieft) "II. Landesfond. Rechnungsabschluß des Vorarlberger Landesfondes pro 1901. Laut Beilage VIII beziffern sich die Gesamteinnahmen mit dem Kassareste am 1. Januar 1901 per 51.539 K . . . . 605.186 K 98 h Die Gesamt-Ausgaben auf . 516.849 K 71 h Daher ein Kassastand am 31. Dezember 1901 mit . . 88.337 K 27 h Die nähere Detaillierung der Einnahme- und Ausgabeposten ist in der Beilage VIII. und VIII. A. enthalten, und wird in Anbetracht, daß bei genauer Prüfung die Rechnung und die Belege in vollständiger Ordnung befunden wurden, vorn Finanzausschüsse gestellt der Antrag: Dem vorgelegten Rechnungsabschlüsse des Vorarlberger Landesfondes pro 1901 wird nach den angeführten Ziffern die landtägliche Genehmigung erteilt." Dr. Waibel: Ich komme mit einer Anfrage, die das hohe Präsidium wohl nicht überraschen wird, mit einer Anfrage zu Punkt 1 der Ausgaben "Verwaltungsauslagen 600 K." Ich habe bei dieser Post wiederholt im Landtage den Wunsch ausgesprochen, es möchte doch endlich einmal zustande gebracht werden, daß wir einen Index für unser Landesgesetz- und Verordnungsblatt bekommen. Wie ich schon mitgeteilt habe, besteht seit 1865 kein solcher Generalindex. Früher sind sie regelmäßig für eine Reihe von Jahren herausgegeben worden, seitdem aber nicht mehr. Nachdem ich häufig mit Gesetzen zu tun habe, vermisse ich einen solchen Index sehr empfindlich. Ich möchte daher das hohe Präsidium ersuchen, uns mitzuteilen, ob in dieser Richtung Schritte gemacht worden sind, was erreicht wurde und erreicht werden kann. Landeshauptmann: Bevor ich die Anfrage des geehrten Herrn Vorredners erwidere, möchte ich formell bemerken, daß dieser gegenwärtige Punkt des Rechenschaftsberichtes, nämlich der Rechnungsabschluß des Landesfondes den Herren detailliert in Beilage VIII A auch übermittelt worden ist, und daß daher Gelegenheit geboten ist, zu allen Wesen Punkten Bemerkungen zu machen. Antrüge und Anfragen zu stellen. Herr Dr. Waibel hat also zu Punkt 1 der Ausgaben bereits das Wort ergriffen. Dieser Punkt lautet nämlich: (lieft) "Post 1. Verwaltungsauslagen. Hierunter sind auch die auf das Land Vorarlberg entfallenden Kosten für die Drucklegung der Landesgesetz- und Verordnungsblätter enthalten. 223.25 K." Dieses Landesgesetzblatt ist nämlich ein für beide Länder des Statthaltereibezirkes gemeinsames, und der Herr Abg. Dr. Waibel hat bereits wiederholt die endliche Anschaffung eines Generalregisters oder eines Generalindex für dieses Landesgesetzblatt urgiert und hat das letztemal, weint ich mich recht erinnere, bei der verflossenen Landtagssession diesen Gegenstand neuerlich in die Verhandlung gezogen. Ich bin nun in der Lage den Herren die Mitteilung zu machen, daß ich zuerst schriftlich und dann später mündlich seiner Excellenz dem damaligen Herrn Statthalter Grafen Merveldt diese Angelegenheit dringend zur Erledigung vorgetragen habe. Se. Exzellenz hat auch versprochen, obwohl er auf die Schwierigkeiten hingewiesen hat, welche mit der Herstellung eines neuen Generalindex verbunden sind, doch die nötigen Schritte zu tun. Nun ist auf meine Urgenz, welche das letztemal unterm 23. Juli 1901, also unmittelbar einige Zeit nach den Verhandlungen des hohen Landtages in dieser Angelegenheit an die Statthalterei neuerdings ergangen ist, endlich unterm 17. August v. Js. eine amtliche Mitteilung der Statthalterei angekommen, die ich mir erlaube im kurzen Wege zur Kenntnis des hohen Hauses zu bringen: (liest) "Mit Beziehung auf die Zuschrift vom 23. Juli 1901 Zl. 3337, welche erst am 15. d. Mts. hier einlangte, beehre ich mich, mitzuteilen, daß der General-Index zum Gesetz- und Verordnungsblatt für die gefürstete Grafschaft Tirol und das Land Vorarlberg sich seit langem in Arbeit befindet und dessen Vollendung, welcher sich mannigfache Schwierigkeiten technischer Natur Xs. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 8. Periode 1902. 112 entgegensetzten, in zwei bis drei Monaten, jedenfalls aber noch im Laufe dieses Kalenderjahres zu gewärtigen ist. Ich kann jedoch Hiebei nicht unterlassen beizufügen, daß die Zusammenstellung eines derartigen 35 Jahrgänge umfassenden Verzeichnisses, soll dasselbe, um überhaupt einen praktischen Wert zu haben, genau und verläßlich sein, eilte sehr mühevolle und äußerst zeitraubende Arbeit ist." Merveldt, m. p. Es ist also hier die Vollendung oes Werkes in zwei bis drei Monaten, spätestens vor Ende des Kalenderjahres in sichere Aussicht gestellt worden, heute stehen wir in der Zeit genau ein Jahr nach jener Zeit, in welcher urgiert wurde, und ich glaube daher, daß es den Intentionen des Herrn Interpellanten und der anderen Herren entsprechen wird, wenn ich neuerlich auf Grund dieser Zuschrift und unter Berufung auf dieselbe die endliche Erledigung dieser Angelegenheit betreibe. Pfarrer Fink: Hohes Haus! Bei Durchlesung der Beilage VIII. A ist mir bei dem Posten 5 "Kosten für Zwänglinge 1520 K" und Post 6 "Schubkosten 6218 K" in den Sinn gekommen, wie hoch wird sich etwa die Summe belaufen, welche das Volk von Vorarlberg ausgibt für solche Vaganten, Dörcher, Zigeuner u. s. w., welche man nicht abschieben kann, oder wenigstens nicht abschiebt? Es ist eine große Beschwerde und heuer sogar eine Landplage, daß so viel, man kann sagen - Gesindel in Vorarlberg herumzieht, Dörcher, Karrenzieher, Zigeuner, Vaganten, Handwerksburschen u. s. w. das Volk auf das unverschämteste durch Bettel bedrängend. Die Karrenzieher und Zigeuner haben in der Regel einen Legitimationsschein oder Gewerbeschein, und was tun sie? Ja, sie verkaufen Besen, Porzellangeschirr oder etwa einen Korb u. s. w., das ganze ist aber abgesehen auf einen recht aufdringlichen Bettel. Heuer kam es öfter vor, daß zu gleicher Zeit in derselben Gemeinde drei bis vier DörcherFamilien anwesend waren, ja in der kleinen Gemeinde Schoppernau waren heuer zur selben Zeit 40 Personen von Karrenziehern bettelnd zugegen. Denken Sie, meine Herren, wenn diese Leute etliche Tage in einer Gemeinde zubringen, was das heißt. Die Kinder dieser Karrenzieher gehen, wenn sie nur laufen können, Tag für Tag in die Häuser auf den Bettel aus! So etwas gibt aber ordentlich aus und bildet eine große Plage der Gemeinde. Ich möchte daher den hohen Landtag bitten, daß er diesbezüglich eine kleine Aktion vornehme, indem ich beantrage, daß der Landes-Ausschuß beauftragt werde, bei der k. k. Regierung dahin vorstellig zu werden, daß das Vagabundengesetz strenge durchgeführt werde. Es bedeutet dieser Antrag eigentlich nur die Wiederaufnahme früher eingeleiteter Aktionen. Ich verweise auf die stenographischen Berichte der Landtagssessionen aus den Jahren 1885 und 1888. Damals hat der Herr Abg. Adolf Rhomberg, unser gegenwärtiger Landeshauptmann, einen Antrag eingebracht des Inhaltes, es möge der LandesAusschuß beauftragt werden, int Sinne des § 19 der Landesordnung bei der k. k. Regierung vorstellig zu werden, damit die Bestimmungen des Vagabundengesetzes auch strenge durchgeführt werden. Es besteht nämlich ein Reichsgesetz vom 24. Mai 1885 R.-G.-Bl. Nr. 89 gegen das Vagabundentum, und es sind auch die strafrechtlichen Bestimmungen darin aufgenommen. Da heißt es in § 1: (Liest) "Wer geschäfts- und arbeitslos umherzieht und nicht nachzuweisen vermag, daß er die Mittel zu seinem Unterhalte besitze oder redlich zu erwerben suche, ist als Landstreicher zu bestrafen und zwar mit Arrest von 1 bis zu 3 Monaten." Der § 2 lautet: (Liest) "Wegen Bettels ist zu bestrafen (Arrest von 8 Tagen bis zu 3 Monaten): 1. Wer an öffentlichen Orten oder von Haus zu Haus bettelt oder aus Arbeitsscheu die öffentliche Mildtätigkeit in Anspruch nimmt. 2. Wer Unmündige zum Bettel ausschickt oder verleitet." Diese reichsgesetzlichen Bestimmungen treffen doch gewiß zu bei den soeben bezeichneten herumziehenden Personen. Es ist sicherlich kein Werk der Charitas, wenn man derartige Leute durch Spenden noch unterstützt. Die Bevölkerung Vorarlbergs ist sehr besorgt, ihre eigenen Armen zu versorgen. Die Gemeinden Vorarlbergs unterstützen ihre hilfsbedürftigen Gemeindeangehörigen und haben in großer Zahl mit vielem Aufwand und Edelsinn Armenanstalten errichtet, unter guter Leitung, meist XI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 8. Periode 1902. 113 unter der bewährten Leitung der barmherzigen Schwestern, damit die hilfsbedürftigen Armen in jeder Beziehung versorgt sind. Keine Gemeinde Vorarlbergs ist so gesinnt, daß sie ihre Ortsarmen auf den Bettel in's Ausland schickt. Da möchte ich denn doch rufen, man solle die vorarlbergischen Gemeinden gegen diese fremden Vaganten schützen. Es handelt sich da nicht bloß um die Aussaugung der Bevölkerung, sondern diese privilegierten Bettelleute sind zudem oft ungemein roh und grob, sie wissen ganz gut, daß sie mancherorts durch Terrorismus besser ihren Erfolg sichern. Speziell auf die Zigeuner muß ich noch hinweisen. Sämtliche Bewohner eines Zigeunerdorfes in Ungarn, bis auf acht Unfähige, in der Zahl von zirka 600 Personen sind Heuer auf Beute ausgezogen und kamen an die österreichische Grenze, wo ihnen die k. k Regierung das vidi gab. Die Schar warf sich dann zum größten Teile bettelnd und stehlend auf Cisleithanien. Dabei ist sogar vorgekommen, daß eine kleine Abteilung derselben bis in den Bregenzerwald und nach Lingenau gekommen ist, wo sie in der Gemeinde herumgebettelt und gestohlen haben. Als dann die Männer durch die Gendarmerie nach Bezau abgeführt wurden, hatte die Gemeinde die Freude, ein Weibsbild von 16 Jahren und Mutter von zwei Kindern im Armenhause verpflegen zu können, bis die Männer wieder entlassen wurden. Kurz gesagt also, wir fordern, daß die k. k. Regierung die Bestimmungen des Vagabundengesetzes zur strengen Durchführung bringe. Nun habe ich heute noch etwas zur Sprache zu bringen. Ich bin nämlich verhindert gewesen, der ersten Sitzung der diesjährigen Session beizuwohnen, in der der Bericht über die Wirksamkeit der Verpflegsstationen verhandelt wurde. Ich hege die Meinung, daß die Verpflegsstationen im Vorderwalde nicht mehr ihren Zweck erreichen. Die Handwerksburschen machen es einfach so, sie übernachten und essen in den Verpflegsstationen, dann aber gehen sie auf den Vettel aus, um auch saufen zu können. Die Gendarmerie schützt uns zu wenig. Ich habe in der Verpflegsstation diesbezüglich mich erkundigt und gehört, daß die Gendarmen die Handwerksburschen nicht gar streng kontrollieren und dem Bettel derselben steuern. Infolgedessen ist es bei uns soweit gekommen, daß die Landbevölkerung sich selbst gegen diesen Bettel nicht mehr zu schützen imstande ist. Denken Sie sich nur, wenn so zwei oder drei Handwerksburschen in ein Haus kommen, wo nur eine Frau und Kinder sind, da muß diesen ungebetenen Gästen etwas gegeben werden, denn sonst wären sie oft der Beschimpfung oder Mißhandlung ausgesetzt. Ich muß schon sagen, als Geistlicher einer Landgemeinde kann ich auch nichtanders vorgehen, und meine Schwester hat oft erklärt: "Ich darf zu diesen Leuten nicht sagen, sie sollen in die Verpflegsstation gehen, denn sonst fangen sie furchtbar zu schimpfen an über die Pfaffen u. s. ro." Es ist daher nur ein Akt der Billigkeit, wenn man uns besser vor Vagabunden schützt, als es bisher der Fall war, und ich bin überzeugt, daß die Gendarmerie mehr tun kann, wenn sie dazu angehalten wird. Wir haben ein Recht, diesen Schutz zu verlangen, zahlen wir ja vom Lande einen Gendarmerie-Beguartierungsbeitrag von zirka 10.000 K. Wenn die Behörden, die k. k. Bezirkshauptmannschaften etc., die Anleitungen geben und in dieser Beziehung tätiger sein würden, so wäre damit schon viel geholfen. Sonst aber soll der Landes-Ausschuß mit den Gemeinden wegen Polizeidienern verhandeln. Gemeindediener sind ja schon vorhanden, diesen könnte man ja auch die Polizeidienersstelle übertragen. Aber sei dem, wie ihm wolle, das Volk braucht Schutz und ich möchte daher mit Rücksicht darauf, daß dieses Vagabundenwesen eine wahre Landplage ist, den hohen Landtag bitten, nachfolgenden Antrag anzunehmen. (Liest.) Der hohe Landtag wolle beschließen: "Der Landes-Ausschuß wird beauftragt, auf Grund des § 19 der Landesordnung an die hohe Regierung eine neuerliche energische Vorstellung zu richten im Sinne einer mit aller Strenge durchzuführenden Handhabung der Gesetze über Landstreichern und Vagabundenunwesen, welches geradezu zu einer unerträglichen Landplage geworden ist." Landeshauptmann: Ich erteile weiters das Wort dem Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter. Ganahl: Der sehr geehrte Herr Vorredner ist so erschöpfend auf den Gegenstand eingegangen und hat sich so energisch gegen das Karrenzieherunwesen ausgesprochen, daß mir in dieser Sache nur wenig 114 XI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 8. Periode 1902. mehr zu sagen übrig bleibt. Ich kann nur erklären, daß ich diesen Ausführungen in der Hauptsache voll und ganz zustimme. Es ist an und für sich schon ein widerwärtiges Schauspiel, zu sehen, wie diese Menschen, Mann und Weib, sich zu Zugtieren erniedrigen und den Karren mit ihrer Familie durchs Land ziehen. Würde diese physische Kraft, die da entwickelt wird, auf produktive Arbeit verwendet werden, so könnten diese Leute was Nützliches leisten. Bekanntermaßen betreiben diese Karrenzieher einen kleinen Handel, aber der Hauptzweck besteht wohl, wie der sehr geehrte Herr Vorredner bereits bemerkt hat, im Bettel. Freilich kann der Karrenzieher seinen Handel vorschützen und sich so gewissermaßen für das Vagabundentum legitimieren. Die k. k. Regierung sollte aber darnach sinnen, wie einem solchen für das Land Tirol gewiß nicht ehrenhaften Unwesen gesteuert werden könnte. Und ich wüßte einen Weg. Ich glaube, daß dieser unsaubere Kindertransport schon aus sanitären Gründen zu verbieten wäre. Ich möchte speziell an die Blatternepidemien in Feldkirch vom Jahre 1880 erinnern. Es ist eine notorische Tatsache, daß dieselbe durch Karrenzieher eingeschleppt wurde. Hier wäre für die Regierung Gelegenheit, den Hebel einzusetzen und aus sanitären Gründen den unsauberen Kindertransport zu verbieten. Wenn die Karrenzieher einmal nicht mehr ihre Familien mitnehmen dürfen, so hört sich das Vagabundenunwesen von selber auf. Ich stimme, wie bereits erklärt, den Ausführungen des Pfarrer Fink vollkommen zu, vielleicht könnte man aber in dem vorliegenden Antrage auch den sanitären Moment hervorheben. Pfarrer Fink: Ich stimme dem Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter vollkommen bei und möchte noch beifügen, daß das erziehliche Moment und die Schulordnung sehr ins Gewicht fallen bei den Motiven zur Hintanhaltung des Vagabundenwesens. Ich habe des öfteren schon von unseren Bauern hören müssen, "die Karrenzieher brauchen ihre Kinder nicht in die Schule zu schicken, schleppen sie im Lande herum und halten sie zur Faulheit und Bettel an, wenn unser einer sein Kind einmal nicht in die Schule schickt, wird er gleich gestraft." Dazu kommt das weitere Moment hinzu, daß nämlich derartige Kinder geradezu zum Dörcherwesen herangezogen werden. Dieses Herumziehen wird ihnen mit der Zeit ganz zur zweiten Natur. Wir haben in einer Gemeinde ein Büblein aus einer solchen Familie im Armenhause auferziehen müssen, und ich muß sagen, es ist ganz ordentlich erzogen worden. Als aber der Bube kaum erwachsen war, war er auch nicht mehr zu halten. Wie ein Jagdhund sein Wild, so suchte er die Gegend ab und spürte genau, wann Dörcher irgendwo ankamen und war gerne bei ihnen und ist dadurch auf Abwege gekommen. Bei diesen Leuten ist das Herumziehen sozusagen ein zweites Naturell, da ja die Erziehung überhaupt einen großen Einfluß auf den Menschen ausübt. Martin Thurnher: Ich stimme den Ausführungen des Herrn Abg. Pfarrer Fink über das Vagabundenunwesen im allgemeinen bei, ich bin aber deshalb veranlaßt worden, das Wort zu ergreifen, weil der Herr Abg. Pfarrer Fink bei seinen Ausführungen auch der Naturalverpflegsstationcn gedacht hat. Ich habe bereits bei dem hier im Hause heuer erstatteten Berichte darauf aufmerksam gemacht, daß jetzt im Bregenzerwalde die Frequenz dieser Anstalten anläßlich des Baues der Bregenzerwaldbahn eine bedeutend größere geworden sei und daß es nach dem Bahnbaue, der bereits seiner Vollendung entgegengeht, wieder besser werden dürfte. Wenn der hochwürdige Herr Vorredner meint, die Bevölkerung könne sich vor den Vagabunden nicht selber schützen, so bin ich nicht dieser Anschauung. Es ist in erster Linie Aufgabe der Gemeindevorstehungen, die Bevölkerung von Zeit zu Zeit auf den Nutzen und Wert der Naturalverpflegsstationen aufmerksam zu machen und durch Publikationen, insbesondere in den Gemeindeblättern als auch in anderer Weise, darauf hinzuwirken, daß die Bevölkerung sich aller Gaben, besonders aber der Geldgaben an solche herumziehende Elemente enthalten solle. Wenn jede Gemeinde dieser Aufgabe nachkommt, und ich kann mit Befriedigung konstatieren, daß viele Gemeinden, darunter die größte des Landes nämlich Dornbirn, diesbezüglich vollkommen ihre Pflicht tun, so werden die Verpflegsstationen ihrem Zwecke vollkommen entsprechen. Ich weiß z. B., daß Dornbirn früher von dieser Plage sehr belästigt war, daß täglich in jedes Haus eine Anzahl solcher herumziehenden Individuen auf den Bettel gingen. Jetzt ist das XI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 8. Periode 1902. 115 viel besser geworden, und wir können uns nicht mehr beklagen. Der Landes-Ausschuß hat diesbezüglich wiederholt auch bei der Regierung Vorstellungen gemacht, daß sie an den Grenzen derartige Individuen besser überwachen und sie nicht das Land betreten lassen solle, wenn dieselben nicht Staatsangehörige sind oder sich nicht ordentlich durch Papiere und den Besitz von etwas Geld auszuweisen vermögen. Sonst sollten sie durch die Gendarmerie oder die Finanzwache am Betreten des Landes verhindert werden, was besonders beim Lande Vorarlberg, das nach drei Richtungen hin an fremde Staaten grenzt, von größter Bedeutung wäre. Es sind seitens der Regierung auch solche Verordnungen erlassen worden, es wäre aber in dieser Hinsicht sehr gut, wenn neuerliche Weisungen an die betreffenden Organe erlassen würden. Wir haben in der Einschränkung des Bettels auch in anderer Hinsicht schon Erfolge erzielt; ich verweise auf einen seinerzeit im Landtage, wie ich glaube, über meinen Antrag gefaßten Beschluß, wonach die k. k. Statthalterei ersucht wurde, den Bettelmusikanten u. s. w. in Vorarlberg keine Konzessionen mehr zu erteilen. Unserem Ansuchen ist dann auch in entgegenkommendster Weise entsprochen worden; der Antrag des hochw. Herrn Pfarrer Fink, daß wir bei der Regierung auch wegen der Karrenzieherplage einschreiten sollen, wird nach meiner Anschauung gewiß nicht erfolglos bleiben. Diese Bemerkungen wollte ich zum Schutze der Naturalverpflegsstationen gemacht haben. Landeshauptmann: Wünscht noch jemand zu diesem Gegenstände das Wort? - Johannes Thurnher: Ich weiß nicht, habe ich den Herrn Abg. Pfarrer Fink richtig verstanden, als er einen Fall in Schoppernau anführte, wo zu gleicher Zeit 40 - oder waren es 14? Karrenzieher im Dorfe waren, ist das überhaupt möglich, daß gleich 40 solcher Karren zusammenkommen können. (Pfarrer Fink: Es waren mehrere Karrenzieherfamilien mit zusammen 40 Personen!) Ich glaube, es wäre ganz gerechtfertigt, wenn man solch' auffällige Erscheinungen, wie sie da in Schoppernau zutage getreten sind, benützen und dem Landes-Ausschusse Gelegenheit geben würde, diese Daten der k. f. Statthalterei zur Verfügung zu stellen. Es ist ja horrend, am Ende des Bregenzerwaldes, wo man mit den Karren nicht mehr weiterkommt, Karrenzieher in der Stärke von 40 Personen an einem Tage anzutreffen. Das beste wäre da allerdings, schon an der Grenze recht strenge zu sein und dazu sollte die Statthalterei die Hand bieten. Landeshauptmann: Wer wünscht noch zu irgend welchem Detailpunkt des Landesfondes das Wort zu nehmen? Da niemand mehr das Wort ergreift, ist die Debatte geschlossen, hat vielleicht der Herr Berichterstatter noch etwas beizufügen? (Scheidbach: Rein!) Dann schreite ich zur Abstimmung und zwar zunächst über den Antrag, den der Herr Abg. Pfarrer Fink gestellt hat. Ich bemerke hiezu, daß votn Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter und dem Herrn Abg. Pfarrer Fink im Laufe der Debatte hervorgehoben wurde, daß noch einige andere Momente, nämlich das sanitäre und der Standpunkt der Schulpflege, bei diesem Antrage in Betracht kommen. Ich glaube aber, daß es nicht notwendig ist, den Antrag dahin modifizieren zu müssen, weil der Landes-Ausschuß bei Übermittlung dieses Antrages an die k. k. Statthalterei nicht ermangeln wird, auch den betreffenden Auszug aus dem stenographischen Protokolle beizulegen, damit die k. k. Statthalterei ersehen kann, was über diese Angelegenheit hier gesprochen worden ist. Jene Herren, die dem Antrage, wie er von dem Herrn Abg. Pfarrer Fink gestellt worden ist, ihre Zustimmung geben wollen, bitte ich, sich von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Run kommt noch der Antrag des Finanzausschusses, wie er Ihnen vorhin verlesen wurde. Gegen denselben ist nichts eingewendet worden, und ich ersuche daher jene Herren, die mit demselben einverstanden sind, gefälligst sitzen zu bleiben. Angenommen. Ich bitte nun in der Verlesung weiterzufahren. Scheidbach: (liest) "III. Landes-Kulturfond. a) Rechnungsabschluß für das Jahr 1901. (Beil. IX.) Der Rechnungsabschluß Beilage IX. weist an 116 XI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 8. Periode 1902. Vermögen und Einnahmen 92.571 K 73 h An Ausgaben .... 7.099 , 39 " aus, und verbleibt mit Ende 1901 ein Vermögensstand von........................ 85.472 K 34 h Die Prüfung des Rechnungsabschlusses ergab die Richtigkeit der obigen Ansätze, und erhebt der Finanzausschuß den Antrag: Dem vorliegenden Rechnungsabschlüsse des Landes-Kulturfonds pro 1901 wird mit dem ausgewiesenen Vermögensstande von 85.472K 34 h die Genehmigung erteilt. b) Voranschlag des Vorarlberger Landes-Kulturfondes pro 1902. Dieser wurde am 21. Juni 1902 in der II. Sitzung genehmigt." Landeshauptmann: Wünscht jemand hiezu das Wort? Dies ist nicht der Fall, somit nehme ich an, daß das hohe Haus diesem Antrage die Zustimmung gibt. Scheidbach: (liest) "IV. Krankenversorgung. Da die im Rechenschaftsberichte des Landes-Ausschusses ausgewiesenen Ausgabeziffern per 21, 953 K 66 h in der Beilage XII A. einzeln aufgeführt und zudem im Rechnungsabschlüsse des Landesfondes verrechnet erscheinen, wird gestellt der Antrag: Der hohe Landtag wolle Punkt IV des Rechenschaftsberichtes zur Kenntnis nehmen."