19010627_lts009

Dateigröße 4.13 MB
Aktenzahl/Geschäftszahl
Letzte Änderung 03.07.2021, 10:14
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp08,lts1901,lt1901,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
Unterausschüsse
Kommissionen/Kuratorien
Verbände/Konkurrenzen
Verträge
Publikationen Landtag-Sitzungsprotokoll_lts
Aktenplan
Anhänge
Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 9. Sitzung am 27. Juni 1901 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 19 Abgeordnete. Abwesend: Hochwst. Bischof und Ganahl. Regierungsvertreter: Herr k. k. Hofrath Rudolf Graf Huyn. Beginn der Sitzung 10 Uhr 15 Min. vormittags. Landeshauptmann: Die Sitzung ist eröffnet, und ich ersuche um Verlesung des Protocolles der letzten Sitzung. (Secretär verliest dasselbe.) Hat einer der Herren gegen die Fassung des Protocolles eine Einwendung zu erheben? - Es ist dies nicht der Fall, daher betrachte ich dasselbe als genehmigt. Der Herr Landeshauptmann - Stellvertreter Ganahl hat sich für die heutige Sitzung wegen Berufsgeschäfte entschuldiget, was ich bitte zur Kenntnis zu nehmen. Es ist mir ein Einlaufstück übergeben worden, nämlich eine Eingabe des Vorarlberger FeuerwehrGauverbandes; gleichzeitig wurde damit ein neues Modell von Schlauchverbindungen, nämlich die sogenannte Griesberg'sche Kuppelung eingesandt. Das Petit des vorarlbergischen Feuerwehr-Gauverbandes geht dahin, dass seinerzeit, nicht in dieser Session, an eine Abänderung des § 16 des Feuerpolizei- und Feuerwehrgesetzes vom 18. Februar 1888 gedacht werden sollte, in der die Metzische Schlauchverbindung als obligatorisch vorgeschrieben ist. Nun hat sich diese Griesbergische Verbindung als viel vortheilhafter gezeigt, und es geht daher das Petitum in erster Linie dahin, es möchten ein paar Vereine des vorarlbergischen FeuerwehrGauverbandes probeweise mit dieser Kuppelung betheilt werden, um auf Grund der gemachten Erfahrungen das Gesetz einer Abänderung unterziehen zu können. Nachdem die ganze Angelegenheit nicht dringender Natur ist, glaube ich, umsomehr als der vorjährige Beschluss des hohen Landtages bezüglich Einbringungszeit von Eingaben der weiteren 56 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session, 8. Periode 1900/1901. Behandlung entgegensteht, dass dieselbe dem LandesAusschusse zum Studium und seinerzeitigen Berichterstattung zugewiesen werden könne. Die Bewilligung von Beträgen für Feuerwehrzwecke steht ja ohnedies dem Landes-Ausschusse nach dem Gesetze, betreffend die Bildung von Feuerwehrfonden, zu. Wenn keine Einwendung erfolgt, so nehme ich an, dass das hohe Haus diesem Vorschläge zustimmt. Ferner möchte ich im Einlaufe einen Act des Landes-Ausschusses vorbringen, das ist die Angelegenheit der Frutzregulierung in Meiningen und Koblach. Dieser Gegenstand hat den hohen Landtag in seiner letzten Session beschäftigt und mittlerweile ist die Entschließung der hohen Regierung bezüglich der Beitragsleistung seitens des Staates an den Landes-Ausschuss herabgelangt. Aus diesem Grunde muss sich der hohe Landtag nochmals mit der Angelegenheit befassen und legt der Landes-Ausschuss daher den erwähnten Act vor, und ich glaube, es ist am ersprießlichsten, diesen Gegenstand im dringlichen Wege dem volkswirtschaftlichen Ausschüsse zur Vorberathung und Berichterstattung zuzuweisen. Wir kommen nun zu unserer heutigen Tagesordnung. Aus derselben steht zunächst als erster Punkt Selbständiger Antrag des Herrn Abg. Dr. Schmid und Genossen in Sachen der Reform der Landtagswahlordnung. Der Antrag ist geschäftsordnungsmäßig gedruckt und den Herren rechtzeitig vorgelegt worden; ich erwarte über die formelle Behandlung dieses Gegenstandes einen Antrag. Dr. Waibel: Im Auftrage meiner Herren Collegen habe ich einige Bemerkungen zu machen. Der Antrag, der dem hohen Hause vorliegt, ist nicht neu, er hat dasselbe schon wiederholt beschäftigt und ist auch wiederholt eine Begründung desselben hier in diesem Hause gegeben worden, so dass es nicht als nothwendig erscheint, neuerdings eine solche Begründung in extenso zu wiederholen. Die Absicht, die diesem unseren Anträge zu Grunde liegt, ist einfach die, dem Lande Vorarlberg endlich einmal eine zeitgemäße Landtagswahlordnung zu verschaffen. Die geheime Stimmabgabe hat sich bei uns eingelebt, und wenn auch in erster Zeit bei den Gemeindewahlen die Stimmabgabe öffentlich und mündlich war. so wurde dies sehr bald als unpraktisch aufgelassen und ist hiefür die geheime Stimmabgabe eingeführt worden. Bei den Wahlen in die Reichsvertretung besteht ebenfalls geheime Stimmabgabe und hat sich dieselbe auch hier als praktisch und zweckmäßig erwiesen. Was die unmittelbaren Wahlen für die Landgemeinden anbetrifft, so sind wir auch heute noch der Ansicht, die wir schon zu wiederholten Malen ausgesprochen haben, dass es eine Ungerechtigkeit, eine Degradierung der Landgemeindenbezirke bedeutet, wenn man ihnen nicht die Fähigkeit zumuthet, direct wählen zu können, nachdem dieselben denn doch als gleichwertig betrachtet werden müssen und es doch nicht angeht, die Gemeindeangehörigen von Hohenems, Lustenau und Rankweil z. B. als minderwertiger und minderfähiger zu declarieren als die Einwohner von Dornbirn, Feldkirch etc. Dies ist nur ein Act der Billigkeit, der in diesem Theile unseres Antrages liegt. Was die Einschränkung des Wahlrechtes auf Personen des männlichen Geschlechtes anlangt, so sind wir auch hier wieder von den Grundsätzen, wie sie im Reichsrathswahlgesetz enthalten sind, und von der Wahrnehmung ausgegangen, die man allenthalben bei dieser Ausdehnung des Wahlrechtes auf das weibliche Geschlecht gemacht hat. In größeren Gemeinden spielt das eine große Rolle, und man muss zugestehen, und es kann niemand in Abrede stellen, dass diese Praxis des Vollmachtwesens immer zu Ungehörigkeiten führt und es daher, wie ich glaube, Pflicht des Landtages ist, solche eclatante Ungehörigkeiten zu beseitigen. Was die Punkte 4 und 5 anbelangt, so glaube ich, dass es nur ein Act der Billigkeit wäre, nach denselben vorzugehen, weil es leicht möglich ist, entweder das eine oder das andere auszuführen und weil auf diesem Wege eher der Wahlwunsch der Bevölkerung zum richtigen Ausdrucke gebracht werden kann. Das sind alles Dinge, die nicht in Abrede gestellt werden können und die uns bewogen haben, eine endlich zeitgemäße Abänderung der Landtagswahlordnung anzustreben. Was die formelle Behandlung anbelangt, so haben wir hier gesagt, es möge der Antrag einem eigenen Ausschüsse zugewiesen werden. Es würde sich aber unseres Erachtens für die Verhandlung auch der Specialausschuss eignen, der für die Landhaus-Baufrage aufgestellt worden ist. IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages, v. Session, 8. Periode 1900/1901. 57 Sollte das jedoch nicht beliebt werden, so würde ich den Eventualantrag stellen, dass der LandesAusschuss beauftragt werde, sich mit dieser Angelegenheit zu befassen. Der Antrag lautet: (liest) Der hohe Landtag wolle beschließen: "Die dermalen in Geltung stehende Landtagswahlordnung ist einer Umarbeitung zu unterziehen, und sind in dieselbe folgende Grundsätze aufzunehmen: 1. Geheime Stimmabgabe; 2. Einschränkung des Wahlrechtes auf Personen männlichen Geschlechtes; 3. Unmittelbare Wahl der Landgemeinden gleichwie in den Städte-Curien; 4. Schaffung von individuellen Wahlbezirken; oder 5. Spaltung der 3 bezirkshauptmannschaftlichen Wahlbezirke in 6 bezirksgerichtliche Wahlbezirke. In formeller Beziehung wird vorgeschlagen, diesen Antrag einem eigenen Ausschüsse zuzuweisen." Landeshauptmann: Wer wünscht hiezu das Wort? Martin Thurnher: Ich glaube, konstatieren zu können, dass die Majorität des Hauses einzelnen der beantragten Punkte nicht unsympathisch gegenüber steht. Es ist besonders die Einführung der geheimen Stimmenabgabe; dann die Auflassung der Wahl der Frauen durch Vollmachten, die Beseitigung des Wahlrechtes für Minderjährige und juristische Personen; bezüglich des direkten Wahlrechtes dürfte im Schoße der Landesvertretung wohl eine Meinungsverschiedenheit bestehen und die Austragung dieser Angelegenheit auf Grund der Bestimmungen der Landes-Wahlordnung nur mit Schwierigkeiten zu bewerkstelligen sein. Wenn aber die Mehrheit des Landtages einzelnen der Punkte, wie Auflassung des Wahlrechtes der Frauen durch Vollmachten, Aufhebung des Wahlrechtes für Minderjährige und juristische Personen sympathisch gegenübersteht, so hat sich andererseits dieser Reform eine bedeutende Schwierigkeit entgegengestellt, und das ist die Weigerung der Regierung auf Herabsetzung des Wahlcensus. Die Majorität des Hauses will durch die Änderung der Landtagswahlordnung nicht eine Schmälerung, sondern vielmehr eine Erweiterung des Wahlrechtes herbeiführen, und darum glaube ich, können wir an die Aufhebung der Wahl durch Vollmacht der Frauen u. s. w. insolange nicht schreiten, bis nicht anderweitig den gerechten Forderungen der Erweiterung des Wahlrechtes für die männliche Bevölkerung auf weiterer Grundlage entsprochen wird. Daher sollte, wie ich glaube, diese Angelegenheit dem Landes-Ausschusse zur Vorberathung überwiesen werden, derselbe aber auch den Auftrag erhalten, vorerst neuerliche Verhandlungen mit der Regierung, betreffend die Herabsetzung des Census einzuleiten. Es bliebe dann dem Landes-Ausschusse immer noch anheim gestellt, eventuell wegen einer theilweisen Abänderung der Landeswahlordnung bezüglich der Einführung der geheimen Stimmenabgabe weitere Berathungen zu pflegen und Anträge in der nächsten Session zu stellen. Aus diesem Grunde möchte ich folgenden Antrag in Abänderung des vom Herrn Vorredner eingebrachten stellen: "Der Antrag des Herrn Abg. Dr. Schmid und Genossen, betreffend die Abänderung der Landtagswahlordnung wird zur Vorberathung dem Landes-Ausschusse mit dem Auftrage zugewiesen, vorerst mit der k. k. Regierung neuerliche Verhandlungen bezüglich Herabsetzung des Census bei Landtagswahlen einzuleiten." Ich empfehle diesen Antrag dem hohen Hause zur Annahme. Landeshauptmann: Es liegen in formeller Hinsicht drei Anträge vor. Der erste bezweckt die Betrauung des Specialausschusses mit der Berichterstattung über diesen Gegenstand, weiters bezweckt ein Antrag die Übermittlung an den Landes-Ausschuss zur Ausarbeitung einer entsprechenden Vorlage, und schließlich ist noch der Antrag des Herrn Abg. Martin Thurnher, den Sie soeben gehört haben. Ich bitte nun, wenn noch jemand das Wort wünscht, sich zu melden und ertheile dasselbe zunächst dem Herrn Abg. Johannes Thurnher. Johannes Thurnher: Ich bin mit den Eventualanträgen der Herren Abg. Dr. Waibel und Martin Thurnher vollkommen einverstanden, dass diese Angelegenheit dem Landes-Ausschusse zur Berichterstattung und Antragstellung überwiesen werde. Ich habe mir aber nicht wegen dieser Zustimmung 58 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session, 8. Periode 1900/1901. das Wort erbeten, sondern damit von unserer Seite die Bemerkung des Herrn Abg. Dr. Waibel nicht unerwidert bleibt, da fortgesetzt behauptet wird, es liege in dem Umstande, dass die Landgemeinden indirect durch Wahlmänner wählen, eine Minderwertigkeit der Wähler. Wo steht denn das geschrieben? Wo ist denn ein Majoritätsbeschluss, aus dem gefolgert werden könnte, dass der Landtag die Landgemeinden, weil ihnen das Wahlrecht erleichtert worden ist, als minderwertig angesehen hätte? Ich bin nun bald 30 Jahre im Landtage, mir ist es aber nicht erinnerlich, dass jemals die Majorität, die doch die Beschlüsse fasst, die Wähler vom Lande, weil sie die Erleichterung haben, indirect zu wählen, als minderwertig betrachtet oder angesehen hätte. Ich will das nur erwähnen, damit diese Behauptung nicht unwidersprochen in die Welt hinausgeht. (Abg. Martin Thurnher: Die Handels- und Gewerbekammern wählen ja auch indirect!) Landeshauptmann: Wer wünscht noch weiter das Wort? Dr. Waibel: Auf die Bemerkungen des Herrn Abg. Johannes Thurnher möchte ich nur noch erwidern, dass ich mich an einen Ausspruch des Herrn Abg. Kohler in einer der vorigen Sessionen erinnere, wo er diese Einrichtung für eine Wohlthat erklärte, und es sei eine Nothwendigkeit, dass für die größeren Kreise eine Art von vormundschaftlicher Leitung bestehe. Ich habe es so aufgefasst, und möge das der Herr Abg. Kohler nicht vergessen. Ich glaube, darin liegt gewissermaßen eine Degradierung der Wahlkreise, wenn man ihnen zumuthet, dass sie nur dann richtig wählen können, wenn gewisse Leute die Geschichte in die Hand nehmen und sozusagen eine Prädestination üben. Kohler: Hohes Haus! Ich bin zwar nicht in der Lage, mich an einen solchen Ausspruch, wie Herr Abg. Dr. Wäibel ihn angeführt hat, genau zu erinnern, aber wenn er es gerade berührt, dass ich gesagt hätte, es gehe bei den Wahlen nicht ohne Leitung, so glaube ich, wird niemand sagen, dass ich die Unwahrheit gesprochen hätte. Eine Leitung bei der Wahl unserer heutigen modernen Volksvertretung ist unumgänglich erforderlich, falls überhaupt noch etwas halbwegs Vernünftiges zustande kommen soll, denn heutzutage haben wir es mit einer desorganisierten Gesellschaft zu thun, die das Princip der Kopfzahl zur Geltung bringt und keine geschlossenen Stände hat. Ich glaube das wird niemand bestreiten können, und meiner Ansicht nach haben auch die Herren, die auf eine Abänderung der Wahlordnung hinzielen, hauptsächlich den Gedanken dabei, dass die Wahlen künftighin in einem anderen Sinne geleitet werden könnten. Ohne Leitung ist überhaupt eine Wahl nicht vorzunehmen, weder in der Stadt noch auf dem Lande, weder direct noch indirect, es handelt sich nur darum, wer leitet. Es wird darauf ankommen, ob die Presse leitet, oder ob mehr die Tradition in den Gemeinden die Leitung ausübt, aber geleitet muss immer werden; denn wir haben es ja mit einer atomisierten Gesellschaft zu thun, und das Richtigste wäre, nach einer -Gliederung der Gesellschaft zu streben, und wenn wir das thun, so streben wir in dem Maße einer allgemeinen Gesundung unserer Wahlen zu. Mir ist immer daran gelegen gewesen, die Wahlgesetze sollten so sein, dass sie möglichst gute Vertretungen für das Land und die Gemeinde zustande bringen, und dann wäre mir an der Form sehr wenig gelegen. Nägele: Da nun schon einmal der Ausdruck gefallen ist, dass durch die indirekten Wahlen die Landgemeinden-Wähler als minderwertig und bevormundet bezeichnet werden könnten, so will auch ich meine Ansicht vorbringen und muss erklären, dass ich mich einer solchen Anschauung nicht anschließen kann; wohl aber glaube ich, dass in dem Falle der Einführung der directen Wahlen die kleineren Gemeinden erst recht und auf das höchste bevormundet werden. Landeshauptmann: Wer wünscht noch weiter das Wort? Dressel: Einer der Punkte, die die Herren von der Minorität aufgestellt haben, ist die Theilung der Wahlbezirke, man sollte nämlich für jeden Abgeordneten einen eigenen Bezirk aufstellen. Dann würde das zutreffen, was der Herr Abg. Nägele gesagt hat; oder man denkt daran, die bestehenden Bezirkshauptmannschaften in zwei Kreise nach IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session, 8. Periode 1900/1901. 59 Bezirksgerichten zu theilen. Dieser Gedanke ist schon in dem Jahre 1861 hier verhandelt worden; damals hat die liberale Majorität geglaubt, es könnte der eine oder der andere Bezirk sonst benachtheiligt werden; z. B. Bregenz und Bregenzerwald. Sie haben eben gemeint, wenn nicht die Bezirke wählen, so könnte es vorkommen, dass beispielsweise kein Bregenzerwälder gewählt werde. Ebenso gelte das in Bludenz-Montafon und Feldkirch-Dornbirn. Nun sind sie später davon wieder abgekommen und eine 40jährige Erfahrung hat gezeigt, dass in dieser Beziehung durchaus keine Gefahr besteht, es sind die Laudtagsabgeordneten immer aus allen Gerichtsbezirken gewählt worden. Was die Behauptung von der angeblichen Bevormundung im Allgemeinen betrifft, so ist es eine eigenthümliche Erscheinung, dass eine solche Forderung bisher nie von Landgemeinden, sondern immer nur von den Abgeordneten der Städte erhoben wurde. In dieser Beziehung hat der Herr Abg. Kohler sehr richtig bemerkt, dass durchaus keine Remedur, keine Gesetzesänderung nöthig sei, und solange die Landgemeinden mit diesem Wahlsysteme zufrieden sind, soll man es ihnen lassen. Dr. Waibel: Ich muss eine Berichtigung vorbringen. Es ist thatsächlich nicht richtig, wie gesagt wurde, dass die Landgemeinden nie mit einer solchen Anregung gekommen wären. Ich erinnere daran, dass die Gemeinden Lustenau, Hohenems und Rankweil eine Eingabe in dieser Richtung an das hohe Haus gemacht haben zur Unterstützung der Anträge, die wir gestellt haben. Es ist sehr begreiflich, dass die Anträge von unserer Seite gestellt wurden, von Ihrer Seite ist das nicht zu erwarten. Sie haben kein Interesse die Wahlordnung zu ändern. Sie befinden sich bei dieser Wahlordnung sehr wohl. (Heiterkeit.) Damit ist aber noch nicht gesagt, dass, wenn die Bevölkerung nicht immer davon spricht, sie hiemit schon der ganzen Sachlage ihre Zustimmung gibt und einverstanden ist. Wir vertreten die Meinung derjenigen großen Kreise aus Ihren Wählern, die unserer Ansicht sind, und wir halten es für unsere Pflicht, diese Angelegenheit so lange zu verfolgen und zu verfechten, bis etwas erreicht ist. Sie, meine Herren, geben ja übrigens selbst zu, dass eine Abänderung und Verbesserung der heute geltenden Wahlordnung sehr angezeigt wäre. Jodok Fink: Ich werde mir hiezu nur einige Worte erlauben, weil ich Bedenken hege, ob diese Debatte überhaupt geschäftsordnungsmäßig ist. Ich möchte aber an den geehrten Herrn Vorredner nur die Anfrage stellen, ob er nämlich glaubt, dass, wenn die Landtagsmahlordnung etwa wirklich so geändert würde, sie den Grundsätzen der Reichsrathswahlordnung bezüglich der V. Curie entspricht, dieselbe für unsere Partei dann ungünstiger wäre, als es jetzt der Fall ist? Landeshauptmann: Dem leisen Vorwurfe des Herrn Abg. Jodok Fink gegenüber erlaube ich mir zu bemerken, dass die Debatte allerdings nicht geschäftsordnungsmäßig ist; ich weiß sehr wohl, dass nur über Die formelle Behandlung dieser Vorlage gesprochen werden sollte, aber diese Angelegenheit hat uns des öfteren schon beschäftigt, und eine Aussprache ist nach der Lage der Dinge bei der meritorischen Verhandlung nicht möglich, weil ja die ganze Angelegenheit wahrscheinlich dem LandesAusschusse überwiesen werden wird. Aus diesem Grunde habe ich mir als Vorsitzender gedacht, Liberalität walten lassen zu dürfen, damit man die beiderseitigen Ansichten erfahre und sich gegenseitig aussprechen könne. Run möchte ich aber doch bitten, sich auf das Formelle beschränken zu wollen, damit wir die erste Lesung abschließen können. Wer wünscht noch das Wort? - Es meldet sich niemals, somit kann ich zur Abstimmung schreiten. Es liegen drei Anträge vor. Da man von einem weitergehenden in diesem Sinne hier nicht sprechen kann, nachdem alle formeller Natur sind, so werde ich zunächst den erstgestellten zur Abstimmung bringen, nämlich den Antrag auf Ueberweisung an den bereits bestehenden Specialausschuss. Dr. Waibel: Ich ziehe denselben zurück. Landeshauptmann: Dann kann ich zur Abstimmung über den Antrag schreiten, dass die ganze Angelegenheit dem Landes-Ausschusse übermittelt werde. Dann kommt der Antrag des Herrn Abg. Martin Thurnher, der diesem Antrags 60 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session, 8. Periode 1900/1901. noch eine ganz bestimmte Direktive zu geben wünscht. Ich bitte also jene Herren, die der Überweisung des Antrages des Herrn Abg. Schmid und Genossen an den Landes-Ausschuss zur Vorberathung und Berichterstattung in nächster Session ihre Zustimmung geben, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Einstimmig angenommen. Der Herr Abgeordnete Martin Thurnher stellt noch den Zusatzantrag, dass der Landes-Ausschuss neben der Vorberathnng auch beauftragt werde, vorerst mit der Regierung wegen Herabsetzung des Census in neuerliche Verhandlungen zu treten. Ich ersuche jene Herren, die diesem Zusatzantrage beistimmen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Ebenfalls angenommen. Dieser Gegenstand ist somit erledigt, und wir können nun zum zweiten Gegenstand der Tagesordnung übergehen, das ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses in Betreff des Anschlusses an die niederösterreichische Lebens- und Rentenversicherungsanstalt. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Abg. Jodok Fink das Wort zu ergreife<. Jodok Fink: Hoher Landtag! Das h. Haus hat sich bereits in der letzten Session mit dieser Angelegenheit beschäftigt und hat sich principiell dahin ausgesprochen, dass das Land Vorarlberg sich an die niederösterreichische Landes-Lebens- und Rentenversicherungs-Anstalt anschließen solle. Es ist daher, wie ich glaube, nicht meine Aufgabe, als Berichterstatter über das Meritorische der ganzen Angelegenheit bei Einleitung der Debatte weitere Worte zu verlieren. Damals haben nur noch Bedenken deshalb bestanden, weil wir uns gesagt haben, das Statut der niederösterreichischen Landes-Lebens- und Rentenversicherungs-Anstalt sei dermalen nicht geeignet, dass sich der Anschluss vollziehen könne. Wie die Herren sich erinnern werden, wurde darauf hingewiesen, dass einzelne Bestimmungen für niederösterreichische Landesangehörige günstiger lauten, beziehungsweise bei Versicherungen die Angehörigen anderer Länder nicht so günstig stehen würden als die von Niederösterreich. Seither wurde gerade über unsere Einwendungen und denen des Landes Tirol vom niederösterreichischen Landtage das Statut geändert und zwar in einer Weise, dass unseren Forderungen entsprochen wurde. Es konnte sich daher bei den Verhandlungen des Landes-Ausschusses nur noch darum handeln, welche Pflichten, beziehungsweise welche Lasten für das Land Vorarlberg aus dem Anschlüsse erwachsen. Diesbezüglich sind anfänglich ziemlich hohe Forderungen von Seite Niederösterreichs gestellt worden, weil sie mehr schablonenmäßig nach jenen Forderungen bestimmt wurden, welche bei andern, größeren Ländern gestellt worden sind. Im Verlaufe der Verhandlungen sind dieselben aber in einer Weise reduciert worden, dass nunmehr, wie Sie aus dem Berichte ersehen, der volkswirtschaftliche Ausschuss glaubte, dass keine Bedenken mehr obwalten, dass man sich an Niederösterreich anschließe. Schon vor der letzten diesbezüglichen Verhandlung im Vorarlberger Landtage hat sich Kärnten angeschlossen, seither noch Tirol und seit neuestem auch Oberösterreich. Ich glaube also bei Einleitung der Debatte nichts weiter beifügen zu sollen und empfehle dem hohen Hause im Namen und Auftrage des volkswirtschaftlichen Ausschusses dem Beispiele von Kärnten, Tirol und Oberösterreich zu folgen und den Landes-Ausschuss zu ermächtigen, den Anschluss zu vollziehen. Ich stelle namens des Ausschusses folgende Anträge: (liest) Der h. Landtag wolle beschließen: "1. Dem vorliegenden Vertragsentwürfe, nach welchem zwischen dem Landes-Ausschusse des Erzherzogthums Österreich unter der Enns als statutarischen Vertreter der n.-ö. Landes-, Lebens- und Renten-, sowie der n.-ö. LandesUnfall- und Haftpflicht-Versicherungsanstalt einer- und dem Landes-Ausschusse von Vorarlberg andererseits ein Übereinkommen abgeschlossen wird, womit in Vorarlberg eine Zweigniederlassung der genannten n.-ö. Landesanstalten errichtet wird, wird die Zustimmung ertheilt. 2. Der Landes-Ausschuss wird ermächtigt, zur Durchführung dieses Anschlusses die nöthigen Verfügungen zu treffen und die Festsetzung IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session, 8. Periode 1900/1901. 61 des Beginnes der Thätigkeit dieser Zweigniederlassung im Einvernehmen mit dem n.-ö. Landes-Ausschusse zu vereinbaren." Landeshauptmann: Ich werde zunächst die Debatte über Bericht, Antrag und Übereinkommen im allgemeinen eröffnen und hernach die Specialberathung, wenn das hohe Haus das Eingehen in dieselbe beschließt, um den Herren Gelegenheit zu geben, zu den einzelnen Paragraphen Bemerkungen zu machen oder Anträge zu stellen. Wer wünscht in der allgemeinen Berathung das Wort? Da sich niemand meldet, können wir gleich zum Uebereinkommen übergehen. Jodok Fink: Ich möchte fragen, ob ich die einzelnen Paragraphen verlesen soll, oder ob es genügt, wenn ich dieselben nur anrufe. Landeshauptmann: Wünschen die Herren die Verlesung? - Wenn auch nur einer der Herren Abgeordneten sie wünscht, so werden die einzelnen Paragraphen selbstverständlich verlesen werden. Nachdem niemand diesen Wunsch äußert, bitte ich den Herrn Berichterstatter, mit dem Anrufen der Paragraphen zu beginnen und vielleicht zuerst den Titel des Uebereinkommens zu lesen. Jodok Fink: (liest): Übereinkommen, abgeschlossen zwischen dem Landes-Ausschusse des Erzherzogthums Österreich unter der Enns als statutarischem Vertreter der n.-ö. Landes-Lebens- und Renten- sowie der n.-ö. Landes-Unfall- und Haftpflicht-Versicherungsanstalt einerseits und dem Landes-Ausschusse des Landes Vorarlberg andererseits, wie folgt: Landeshauptmann: Ich werde immer eine Pause eintreten lassen, und wenn keine Bemerkung erfolgt, den betreffenden Paragraph als angenommen betrachten. Jodok Fink: § 1. - § 2. - § 3. - § 4. - § 5. - § 6. - § 7. - § 8. - § 9. § 10. - § 11. - § 12. - § 13. - § 14. Johannes Thurnher: Hier ist eine Bestimmung enthalten, nach welcher sich der n.-ö. LandesAusschuss verpflichtet, während der Dauer dieses Übereinkommens auf den Geschäftsbetrieb der Brandschaden-Versicherung in Vorarlberg zu verzichten. Ich meine aber, dass es nicht nothwendig ist, dass wir durch diese Bestimmung dem n.-ö. Landes-Ausschusse die Verpflichtung auferlegen, sich von einem allenfalsigen Geschäftsbetriebe der dortigen Brandschaden-Versicherung in Vorarlberg zu enthalten. Wir haben seinerzeit versucht, eine Landes-Assecuranz zu bilden, und dabei ist man auf den Widerstand und, wie sich nachträglich herausgestellt hat, auf den berechtigten Widerstand der kleinen Versicherungs-Gesellschaften gestoßen, welche im Montavon, im Bregenzerwald und sonst in einzelnen Gemeinden bestanden haben. Es war also nicht möglich, diesen Plan durchzuführen, und bloß das flache Land allein war auch zu schwach, eine solche Anstalt zu schaffen. Bei einem Brandunglücke in einer größeren Ortschaft hätten möglicherweise die Mittel, welche zusammengebracht werden konnten, das Auslangen nicht gewährt. Nun muss man sich fragen, wer eigentlich auf dem flachen Lande und am Eingange zu den Thälern die Assecuranzgeschäfte gemacht hat, und wenn man eine Reihe von solchen Gesellschaften durchsieht, so sind das mit Ausnahme der tirolischen Brandschaden - Versicherungs - Anstalt lauter auf Gewinn berechnete Gesellschaften. Der Tiroler Brandschaden-Versicherungsanstalt wollen wir den Weg nicht versperren, aber ich meine, es wäre wohlthätig, wenn das Land Niederösterreich, welches sich in seinen wirtschaftlichen Aufgaben erfreulicherweise zusehends entwickelt, in die Lage käme, den anderen Gesellschaften hier Concurrenz zu machen. Ich möchte diese Möglichkeit nicht durch die Bestimmung des § 14 versperrt wissen und beantrage daher, wenn nicht vielleicht eine besondere Vereinbarung mit dem Landes-Ausschusse in Niederösterreich bezüglich dieser Bestimmung besteht, welche das Ganze in Frage stellen würde, dass dieser § 14 gestrichen wird. Landeshauptmann: Wer wünscht noch weiter das Wort zu 8 14 ? Nachdem sich niemand meldet, ertheile ich dasselbe dem Herrn Berichterstatter. Jodok Fink: Ich kann dem h. Hause nur mittheilen, dass nicht etwa von Seite des Vorarlberger Landes-Ausschusses die Bedingung gestellt 62 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session, 8. Periode 1900/1901. worden ist, dass der u.-ö. Landes-Ausschuss sich verpflichten müsse, während der Dauer dieses Übereinkommens auf den Geschäftsbetrieb der Brandschadenversicherung in Vorarlberg zu verzichten. Die Sache verhält sich diesbezüglich so: Bis jetzt ist die u.-ö. Landes-BrandschadenVersicherungs-Anstalt nach ihren Statuten nur für Niederösterreich, und können nur solche Gebäude versichert werden, welche in Niederösterreich sind. Diese Bestimmung könnte allerdings durch Landtagsbeschluss erweitert werden, und in diesem Falle könnte dieser § 14 in Betracht kommen. Hineingekommen ist diese Bestimmung in das Übereinkommen aber eigentlich deshalb, weil für unser Übereinkommen dasjenige für Tirol als Muster genommen worden ist, und für Tirol war es ein Bedürfnis, diese Bedingung zu stellen, mit Rücksicht auf die tirolisch-vorarlbergische BrandschadenVersicherungs-Anstalt. Für uns war kein Bedürfnis vorhanden, eine solche Bedingung zu stelle>, und ich meine, es kann uns ganz gleichgiltig sein, wenn es einmal zulässig wäre, dass man sich bei der n.-ö. Landesanstalt versichert, ob man das bei der tirolischen Anstalt thut, oder bei der niederösterreichischen. Ich habe daher gar keine Einwendung gegen den Antrag des Herrn Abg. Johannes Thurnher zu erheben, und es besteht auch gar kein Hindernis, diesen Paragraphen zu streichen, denn selbstverständlich tangiert das das Übereinkommen im ganzen nicht. Es kann ja den Niederösterreichern überhaupt nur lieb sein, dass sie für den Fall, als sie die Statuten ihrer Landesanstalt ändern, dann auch in Vorarlberg den Geschäftsbetrieb der Brandschaden-Versicherung ausüben können. Ich glaube also, man kann dem Anträge des Herrn Abg. Johannes Thurnher zustimmen. Landeshauptmann: Ich werde den Antrag des Herrn Abg. Johannes Thurnher einfach in der Weise behandeln, dass ich § 14 zur Abstimmung bringe. Wenn derselbe angenommen wird, entfällt dadurch die Abstimmung über den Antrag Thurnher und im gegenteiligen Falle ist demselben Genüge geschehen. Ich ersuche also diejenigen Herren, welche den § 14 annehmen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Einstimmig abgelehnt. Mit der Annahme des Übereinkommens ist der erste Antrag des volkswirtschaftlichen Ausschusses erledigt, und ich habe nur noch den zweiten Antrag zur Abstimmung zu bringen, welcher dahin geht, dass der Landes-Ausschuss ermächtigt wird, zur Durchführung dieses Anschlusses die nöthigen Verfügungen zu treffen und die Festsetzung des Beginnes der Thätigkeit dieser Zweigniederlassung im Einvernehmen mit dem niederösterreichischen Landes-Ausschusse zu vereinbaren. Ich ersuche also diejenigen Herren, welche diesem Antrage 2 zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Dieser Gegenstand wäre somit erledigt. Letzter Gegenstand unserer heutigen Tagesordnung ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über die Eingabe der Gemeinden des Bezirkes Bludenz um Abänderung des Thierseuchen-Übereinkommens. Ich ersuche wiederum den Herrn Abg. Jodok Fink als Berichterstatter, das Wort zu ergreifen. Jodok Fink: Der volkswirtschaftliche Ausschuss stellt diesfalls vier Anträge: Der erste befasst sich nur mit der Eingabe der Gemeinden des politischen Bezirkes Bludenz, welche sich an den Landtag mit der Bitte gewendet haben, derselbe möge sich dafür verwenden, dass die ungünstigen Bestimmungen des bestehenden Thierseuchen-Übereinkommens mit dem deutschen Reiche abgeändert werden. Der volkswirtschaftliche Ausschuss hat, wie Sie aus dem Berichte sehen, diese Forderung unterstützt, weil er sie für gerechtfertigt hält, glaubte aber sagen zu sollen, dass dies nicht bloß bezüglich des deutschen Reiches zu gelten habe, sondern dass bei Abschluss neuer Viehseuchen-Übereinkommen mit dem Auslande überhaupt auf die berechtigten Wünsche und Interessen der Landwirte Rücksicht genommen werden soll, und diese Anschauung des volkswirtschaftlichen Ausschusses ist auch im Berichte niedergelegt. Der volkswirtschaftliche Ausschuss glaubte aber, noch weiter gehen zu sollen als die Eingabe und stellt daher dem Landtage noch drei weitere Anträge, wovon der Antrag 2 sich damit befasst, dass der Landtag sich dafür aussprechen soll, dass er es IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session, 8. Periode 1900/1901. 68 begrüße, dass dermalen im Reichsrathe eine Abänderung des Thierseuchengesetzes in Aussicht genommen ist. Thatsache ist, dass wir Landwirte finden, dass manche Bestimmungen desZbestehenden Thierseuchengesetzes den heutigen Verkehrsverhältnissen und dem heutigen Stande der Wissenschaft, z. B. in Bezug auf die Impfung, nicht mehr entsprechen und daher eine Änderung desselben am Platze ist. Allgemein ist aber auch die Anschauung verbreitet, dass die Klagen der Landwirte nicht so sehr, oder wenigstens nicht so allgemein, das Thierseuchengesetz an sich treffen, als vielmehr die Durchführungsverordnungen und die Durchführung des Gesetzes, weshalb der volkswirtschaftliche Ausschuss glaubte, auch diesbezüglich dem hohen Hause einen Antrag unterbreiten zu sollen. Thatsache ist, dass, wenn man sich auch an den Rahmen des Thierseuchengesetzes hält, - oft geschieht es ja, dass bei Durchführungsverordnungen noch etwas mehr hineingebracht wird, was kaum mehr im Gesetze liegt, -? aber wenn man sich noch an den Rahmen des Gesetzes hält, so könnte doch manches geschehen, wodurch beit berechtigten Klagen der Landwirte abgeholfen würde. Die Klagen, welche hier bestehen, sind der Hauptsache nach im Berichte niedergelegt. Aber ich sage hier offen, es ist dem volkswirtschaftlichen Ausschüsse weder in Bezug ans die Abänderung des Thierseuchengesetzes noch in Bezug auf die Forderungen, welche die Landwirte zu stellen haben, dass ihren Forderungen nämlich schon im Verordnungswege entsprochen werde, nach keiner Richtung hin möglich gewesen, alles das namhaft zu machen, was am Gesetze oder durch Verordnungen zu ändern nothwendig wäre. Ich verweise z. B. darauf, dass es auch eine gewiss berechtigte Forderung der Landwirte wäre, dass eine wirklich genaue Desinficierung der Eisenbahnwagen erfolgen solle, denn ich bin davon überzeugt, dass oft gerade dadurch Thierseuchen verschleppt werden, dass die Desinfection der Wagen nicht genügend vorgenommen wird. Gerade hier in Bregenz kommt es auch öfter vor, dass verschiedene Thierhäute von St. Gallen herüberkommen und auf dem Bahnhofperron oder auf der Rampe liegen bleiben und da ist es, glaube ich, für jedermann einleuchtend, dass durch diese verschiedenen Häute, welche meist vom Schlachtvieh kommen und wo es gar nicht nachweisbar ist, ob die betreffenden Thiere mit Seuchen behaftet waren, leicht eine Verschleppung stattfinden kann, wenn nach ihnen gesundes Vieh auf der Rampe eingeladen wird. Auch ist nicht darauf hingewiesen worden, dass es zur raschen Abwickelung der Geschäfte in Thierseuchenangelegenheiten sehr empfehlenswert wäre, wenn mehr als dies bisher der Fall ist, andere Thierärzte als die Bezirksthierärzte verwendet würden, namentlich dann, wenn die Seuche eine größere Ausdehnung erlangt hat. Bei ausgedehnten Bezirken wie Bregenz und Bludenz ist es den Bezirksthierärzten da wohl unmöglich, rasch amtszuhandeln, und es wäre im Interesse der raschen Amtshandlung und der Verbilligung derselben ganz entsprechend, wenn da mindestens diplomierte Thierärzte herangezogen würden, um an Stelle des Bezirksthierarztes zu handeln. Sie sehen also, meine Herren, dass noch mancher Punkt anzuführen wäre, es ist aber gar nicht möglich, innerhalb einer so kurzen Zeit alles zusammenzustellen, was an dem Gesetze geändert werden soll, es ist auch nicht möglich, alles anzuführen, was sich im Wege der Durchführungsverordnungen machen ließe, manches ist aber im Berichte angezogen worden, manches wird von anderer Seite der hohen Regierung mitgetheilt werden, und wenn das noch nicht genügt, können ja in dieser Angelegenheit Experten einberufen werden; thatsächlich ist auch von der Regierung im Thierseuchen-Ausschuss des Reichsrathes in Aussicht gestellt worden, dass für die Abänderung des Thierseuchengesetzes solche Experten berufen werden. Aus diesen Gründen empfehle ich die Anträge des volkswirtschaftlichen Ausschusses dem hohen Hause zur Annahme, welche lauten: (liest) Der h. Landtag wolle beschließen: "1. Die Eingabe der Gemeindevorsteher des politischen Bezirkes Bludenz wird der k. k. Regierung zur eingehenden Würdigung abgetreten. 2. Der Landtag begrüßt die in Aussicht stehende Abänderung des bestehenden Thierseuchengesetzes und erwartet, die Regierung werde diese Action nach Kräften fördern. 3. Die k. k. Regierung wird aufgefordert, unverzüglich im Verordnungswege den in 64 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session, 8. Periode 1900/1901. Bezug auf die Durchführung des Thierfeuchengesetzes von den Landwirten geltend gemachten Beschwerden und Forderungen zu entsprechen, insoweit dies im Rahmen des gegenwärtigen Gesetzes zulässig erscheint. 4. Die k- k. Regierung wird aufgefordert, der schon wiederholt gestellten Forderung Vorarlbergs auf Errichtung eines eigenen Veterinärsanitäts-Bezirkes zu entsprechen." Ich habe dem letzten Punkte der Anträge nichts mehr beigefügt; wir Vorarlberger haben diese Forderung immer wieder aufgestellt und so eingehend von allen Seiten aus, vom Landtage, von allen Gemeinden und vom Landwirtschaftsvereine begründet, dass ich glaube, es fehlt gewiss nicht an der Begründung, wenn bis jetzt unserem Wunsche nicht entsprochen worden ist, sondern es müssen andere Gründe gewesen sein, warunt die Regierung nicht entspricht; ich glaube aber, dass diese Forderung vom Lande immer wieder gestellt werden muss, bis derselben entsprochen ist. (Beifall.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Anträge die Debatte. Dr. Waibel: Punkt 4 der Anträge veranlasst mich zu einer Bemerkung. Die Forderung nach Errichtung eines eigenen Veterinärsanitätsbezirkes für unser Land liegt wohl in der Natur des Landes Vorarlberg und dessen geographischen und wirtschaftlichen Verhältnissen bezüglich unserer Viehzucht. Die Missstände, die wir seit längerer Zeit beklagen, haben uns aus diesem Connex mit dem Veterinärsanitätsbezirk Innsbruck manche bittere Erfahrungen machen lassen. Wie bereits der Herr Berichterstatter bemerkt hat, sind schon wiederholt Forderungen an die hohe Regierung gestellt worden, diesen Umständen Rechnung zu tragen und uns einen eigenen Veterinärsanitätsbezirk zu schaffen. Meines Wissens sind im Jahre 1899 sogar von allen Gemeinden des Landes Vorarlberg Petitionen in dieser Beziehung an die Regierung gestellt worden, welche aber bisher ohne Antwort geblieben sind. Wie aus dem Rechenschaftsberichte des Landes-Ausschusses, Seite 78, hervorgeht, hat der Landes-Ausschuss den Beschluss des Landtages vom 19. April 1900 an die Regierung gerichtet, aber wie aus dem Berichte hervorgeht, ist derselbe bis zur Zeit der Abfassung des Berichtes ohne Antwort geblieben. Ich möchte mir daher die Anfrage an das Präsidium erlauben, ob nicht doch zwischen der Regierung und dem LandesAusschusse irgendwelche Correspondenz geführt worden ist, oder ob vonseite der Regierung lediglich stillgeschwiegen worden ist? Ich bin auch damit einverstanden, dass der Landtag und der Landes-Ausschuss diese Forderung bei jedem Anlasse aufstellt, und nur dann davon abgeht, wenn die Regierung in der Lag' ist, solche Gründe für die Ablehnung zu bringen, welche auch wir begreifen. Landeshauptmann: Ich kann die Anfrage des Herrn Abg. Dr. Waibel dahin beantworten, dass wir thatsächlich bis zum heutigen Tage ohne jede Antwort geblieben sind, obwohl der Landes-Ausschuss nicht bloß den Bericht und Beschluss des Landtages schlechthin der Regierung neuerlich übermittelt hat, sondern nochmals aus eigenem Antriebe mit aller Wärme auf die Nothwendigkeit der Errichtung eines eigenen Viehsanitätsbezirkes hingewiesen hat; es ist eigenthümlich, dass wir in dieser Frage fortwährend ohne Antwort bleiben. Martin Thurnher: Ich möchte mir auch noch erlauben zu Punkt 4 der Anträge eine Bemerkung zu machen. Wenn für Vorarlberg ein eigener Veterinärsanitätsbezirk gebildet würde, so könnten doch solche Vorkommnisse, wie wir sie im letzten Jahre erlebt haben, wohl als unmöglich bezeichnet werden. Ich will bloß auf zwei solcher Fälle Hinweisen. Der eine hat sich im Herbste vorigen Jahres zugetragen; als schon einige Bezirke nahezu seuchenfrei waren, und die Abhaltung der Märkte wieder bewilligt werden konnte, da hat man an die Bewilligung der Abhaltung eine so unglaubliche Bedingung geknüpft, dass man sie eigentlich vom gesunden Menschenverstand aus gar nicht begreifen kann. Das war die Verfügung, dass die Märkte in der gleichen Reihenfolge abgehalten werden mussten, in welcher sie sonst kalendarisch festgesetzt ist. Montafon z. B. war schon ganz seuchenfrei, während im Bregenzerwalde noch die Seuche grassierte. Nun musste also Montafon warten, bis die Märkte in Schwarzenberg und anderen Orten des Bregenzerwaldes abgehalten werden konnten. (Ruf: Sehr pfiffig!) IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages, v. Session, 8. Periode 1900/1901. 65 Das zweite Stücklein des Veterinär-Sanitätsreferenten in Innsbruck ist fast noch schlimmer als das erste. Im heurigen Frühjahre war das Land fast vollständig seuchenfrei, da kam auf einmal eine Verfügung der k. k. Statthalterei in Innsbruck, wonach Vorarlberg als verseuchter Landstrich erklärt worden ist. Das Ministerium war selbstverständlich vernünftiger (Heiterkeit) und hat binnen wenigen Stunden oder besser gesagt binnen zwei Tagen die ganze Verfügung außer Kraft gesetzt. Die Bildung eines eigenen Sanitätsbezirkes für das Land Vorarlberg würde, glaube ich, für die Zukunft das Land vor solchen Schwabenstreichen des Veterinärsanitätsreferenten in Innsbruck schützen. (Heiterkeit und Beifall.) Dr. v. Preu: Nach dem, was in dieser Frage insbesonders von dem unmittelbaren Herrn Vorredner. ausgeführt worden ist, besteht wohl kein Zweifel, dass dieses Institut für Vorarlberg eine unbedingte Nothwendigkeit ist, dass nämlich für unser Land ein eigener Sanitätsbezirk gegründet und die Vereinigung mit Tirol aufgehoben wird. Was der Herr Landeshauptmann mitgetheilt hat, dass nämlich die Regierung über Einschreiten des LandesAusschusses keine Antwort gegeben hat, so glaube ich, dass das eine Angelegenheit ist, welche uns wohl Anlass geben soll, sich an die hohe Regierung zu wenden, und ich möchte daher beantragen, es solle zu Punkt 4 ein Zusatz gemacht werden, dahingehend, es solle der Landes-Ausschuss gleichzeitig beauftragt werden, bei der hohen Regierung anzufragen, welche Gründe einer Erledigung des Einschreitens wegen Gründung eines eigenen Veterinärbezirkes in Vorarlberg entgegenstehen. Wittwer: Ich sehe mich veranlasst, zu dem, was Herr Abg. Martin Thurnher gesagt hat, noch einige Worte zu sagen. Im Jahre 1900 war bekanntlich im Gerichtsbezirke Bludenz die Seuche ziemlich stark verbreitet, jedoch bis zum Spätherbste ist es so weit gekommen, dass man hätte den Markt abhalten können. Der Bezirk Montafon ist glücklicher Weise den ganzen Sommer seuchenfrei geblieben. Es ist bekannt, dass in Montafon im September der Hauptviehmarkt abgehalten wird, jedoch es ist ein Erlass herausgekommen, ich weiß nicht recht, von wo er ausgegangen ist, dass in dieser Gegend Viehmärkte nicht abgehalten werden dürfen, und dieser Erlass hat natürlich Montafon arg berührt. Es ist deshalb eine Deputation des Gerichtsbezirkes Montafon nach Innsbruck gegangen, welche bewirken wollte, dass die Märkte hätten abgehalten werden dürfen, aus wahlberechtigten Gründen, namentlich deshalb, weil Montafon immer seuchenfrei war. Es war also kein Grund vorhanden, die Abhaltung der Märkte zu verbieten. Allein man hat uns gesagt, das können wir nicht thun, Schwarzenberg ist noch nicht seuchenfrei, es muss dort der erste Markt abgehalten werden, es geht also nicht an. (Zwischenruf: "Muss" abgehalten werden!?) Ja, diese Berechtigung hat Schwarzenberg. Also Montafon muss zuwarten, wenn Schwarzenberg krank ist, muss Montafon sterben; es ist nicht anders zu schließen. Das hat mich so angegriffen, dass ich mir als Bauer nicht mehr zu helfen wusste. Dazu kam noch eine schöne Verordnung, infolge deren wir mit unserem gesunden Vieh eine zehntägige Contumaz aushalten mussten; da die Herrn Bezirksärzte von Bludenz nicht in alle Ställe gehen wollten, mussten wir unser Vieh in einen Stall treiben, und dieses musste mit fremdem Futter auf Kosten des Verkäufers gefüttert werden. Nach 10 Tagen musste wieder der Thierarzt von Bludenz kommen und constatieren, dass das Vieh gesund sei, erst dann durften wir es abtreiben. Das ist doch zu viel. Ich glaube nicht, dass das Gesetz solche Wirkungen mit sich bringt, wohl aber, wie schon öfters bemerkt, die Durchführungsverordnungen zum Gesetze. Ich weiß nicht, ist das der Unkenntnis der Sache zuzuschreiben, ich denke wahrscheinlich, denn wenn die Herrn Kenntnis hätten, welchen Effect eigentlich eine solche Durchführungsverordnung auf den Bauer macht, könnten sie dieselben nicht erlassen; ich glaube, das würde ihr Menschenverstand nicht zulassen. Damit schließe Ich. Landeshauptmann: Wer wünscht noch das Wort? Wenn sich niemand meldet, ist die Debatte geschlossen. Ich bemerke, dass der Herr Abg. Dr. v. Preu folgenden Zusatzantrag gestellt hat: "Der Landes-Ausschuss wird gleichzeitig beauftragt, bei der hohen Regierung anzufragen, welche Gründe einer Erledigung des Einschreitens wegen Gründung eines eigenen Veterinärsanitäts-Bezirkes in Vorarlberg entgegenstehen." 66 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session, 8. Periode 1900/1901. Regierungsvertreter: Ich möchte mir erlauben, mit Rücksicht auf das im Laufe der Debatte Gesagte, einige Worte zu sagen. Ich enthalte mich, auf die einzelnen vorgebrachten Beschwerden einzugehen. Nur das möchte ich bitten, zu glauben, was an und für sich selbstverständlich ist, - dass, wenn Anordnungen seitens der k. k. Statthalterei in Seuchenangelegenheiten getroffen werden, diese immer nur den Zweck verfolgen können und auch verfolgen, dem Lande und der Viehzucht zum Nutzen zu gereichen. Man kann ja verschiedener Anschauungen sein über die Zweckmäßigkeit getroffener Maßnahmen, aber der Regierung eine Absicht zu imputieren, welche einen anderen Zweck verfolgen würde, als den eben erwähnten, entbehrt doch jeder Begründung. Ich erwähne dies insbesondere auch deshalb, weil in den Eingaben der Gemeinden des Gerichtsbezirkes Bludenz eine solche Absicht, wenn ich nicht irre, den Verfügungen der Regierung zugemuthet wird. Das ist an und