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Letzte Änderung 03.07.2021, 09:27
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp08,lts1900,lt1900,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 14. Sitzung am 28. April 1900 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 19 Abgeordnete. Abwesend: Hochwst. Bischof und Dr. Waibel. Regierungsvertreter: Herr k. k. Statthaltereirath Rudolf Graf Huyn und Herr k. k. Landesschulinspector Gebhard Baldauf. Beginn der Sitzung 9 Uhr 40 Mm. vormittags. Landeshauptmann: Die heutige Sitzung ist eröffnet. Ich bitte um Verteilung des Protokolles der gestrigen Sitzung. (Secretär verliest dasselbe.) Wird gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung erhoben? - Da dies nicht der Fall ist, betrachte ich dasselbe als genehmiget. Wir gehen zur Tagesordnung über. Ans derselben steht als erster Gegenstand der Bericht des Schulausschusses über die Regierungsvorlage, betreffend den Realschul-Gesetzentwurf. Ich ertheile das Wort dem Herrn Berichterstatter. Dressel: Hohes Haus! In der Sitzung vom 17. April d. J. wurde dem Schulausschusse eine Regierungsvorlage, betreffend die Abänderung des Vorarlberger Realschulgesetzes, zugewiesen. Die Abänderung betrifft die §§ 8, 14, 15 und 21. Im § 8 wird unter die obligaten Lehrgegenstände anstatt der englischen Sprache die italienische als obligater Gegenstand eingesetzt und das Englische unter die freien Fächer verwiesen; in diesem Paragraph wird weiters noch das Turnen unter die obligaten Fächer eingereiht. Sonst bleibt dieser Paragraph wie bisher. Dann wird im § 14 bezüglich der Maturitätsprüfung eine Beschränkung getroffen. Bisher konnte ein Schüler der VII. Classe Realschule die Maturitätsprüfung ablegen, 124 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. wenn er auch im Fortgänge die Note "ungenügend" hatte, d. h. also, roerni er nach den sonstigen Verhältnissen noch hätte ein Jahr weiter studieren müssen. Er musste zur Maturitätsprüfung zugelassen werden, und das hatte die missliche Folge, dass dieser Schüler unter normalen Verhältnissen auch bei der Maturitätsprüfung die Note "ungenügend" bekam, oder es konnte ihm durch Zufall glücken, dass er trotz des schlechten Fortganges in der VII. Classe dennoch ein Reifezeugnis bekommen musste, weil er zufälligerweise die Fragen, die an ihn gestellt wurden, zu beantworten wusste. Um diesem Missstande abzuhelfen, wird im § 15 bestimmt, dass ein Schüler der VII. Classe genügende Fortgangsnoten haben muss, um zur Maturitätsprüfung zugelassen zu werden. Bezüglich der Privatstudierenden war bisher nur gefordert, dass dieselben das 18. Lebensjahr zurückgelegt haben. Ein solcher Privatstudierender musste also zur Maturitätsprüfung zugelassen werden, wenn er auch die erforderliche Qualität nicht hatte, ja sogar wenn es bei ihm in sittlicher Beziehung nicht in Ordnung stand. Die Schüler der Realschulen selbst unterliegen ja der Disciplin der Schule, der Privatist, welcher von außen kommt, unterliegt solchen Disciplinarvorschriften nicht und musste, selbst wenn er ein ganz herabgekommenes Individuum war, nach dem Buchstaben des Gesetzes zur Prüfung zugelassen werden. Um dem abzuhelfen, hat die Regierung im zweiten alinea bestimmt, dass die Privatisten nur dann zugelassen werden dürfen, wenn sie das 17. Lebensjahr zurückgelegt haben, und man mit Grund vermuthen kann, dass sie die erforderliche Bildung haben; unter diesen Bedingungen, heißt es, "können" sie vom Landesschulrathe zugelassen werden. Diese Bestimmung der Regierungsvorlage geht aber über die "Weisungen zur Führung des Lehramtes" und über die "erläuternden Bemerkungen", welche der Regierungsvorlage beigegeben sind, hinaus. Die Textierung des Schulausschusses wahrt die Lernfreiheit und entspricht den Wünschen der Regierung im Sinne der "erläuternden Bemerkungen". Dann ist im § 14 die Prüfungscommission anders bestimmt, als sie im alten Gesetz gefordert wird. Dort wurde die Commission vom Ministerium für Cultus und Unterricht durch Ernennung zusammengesetzt, hier in der Regierungsvorlage aber ist gefordert, dass die Lehrer der obersten Classe der betreffenden Schule Sitz und Stimme in dieser Commission haben sollen. Im § 21 sind bezüglich der Zahl der Lehrstunden der Lehrer der Sprachfächer einige Änderungen getroffen. Der Schulausschuss stand nun also, vor einer Abänderung des bisher bestehenden Realschulgesetzes. Der Vorarlberger Landtag hat aber seit 30 Jahren an dem Grundsatze festgehalten, man ändert an einem alten Schulgesetze nichts, ohne dass man überhaupt eine Revision des Gesetzes vornimmt. Wir haben das im letzten Jahre so gemacht, und der Schulausschuss blieb sich hierin consequent. Die Realschulgesetzgebung ist den Ländern überlassen, und die Regierung hat denselben in dieser Beziehung dargelegt, was sie an den betreffenden Gesetzen geändert wünscht. Der Schulausschuss aber brachte das zum Ausdrucke, was das Land zu wünschen hat. Das alte Realschulgesetz kannte die Realschulen nur als Unterrichtsanstalten; aber sowohl der "Entwurf der Organisation der Gymnasien und Realschulen in Österreich" als auch das Reichsvolksschulgesetz, dieses allerdings zunächst nur für die Volksschulen, bestimmt, dass diese Schulen auch Erziehungsanstalten seien. Dieser Organisationsentwurf für Gymnasien und Realschulen, welcher ja heute noch zu Recht besteht, schreibt im § 66 deutlich vor, dass die Erziehung eine religiöse und sittliche sei, und der Wortlaut des Reichsvolksschulgesetzes entspricht ebenfalls dem hier in § 1 vorangestellten Zwecke der Realschulen, die Schüler sittlich-religiös zu erziehen; dann erst kommen die übrigen Bestimmungen "ihnen eine allgemeine Bildung mit besonderer Berücksichtigung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Disciplinen zu gewähren und sie für die höheren Fachschulen (polytechnische Institute, Forstakademien, Bergakademien u. s. w.) vorzubereiten." 3m § 7 wurde die Bestimmung ausgenommen, dass die Leitung und unmittelbare Beaufsichtigung des religiösen Unterrichtes und der religiösen Übungen der kirchlichen Behörde zustehe, und zwar auf Grund des Gesetzes vom 25. Mai 1868, in welchem dieses Recht den Kirchen und Religionsgesellschaften zugesprochen ist. Ebenso haben wir im § 8 gemäß dem "Normallehrplan und Instructionen für den Unterricht an Realschulen in Österreich" eine XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. 125 Bestimmung eingefügt, welche den Religionsunterricht angeht; dort heißt es nämlich Seite 1: "Religionslehre I.-VI. Classe, wöchentlich je 2 Stunden, VII. Classe, wöchentlich 1 Stunde, wofern nicht nach dem Landesgesetze für diesen Gegenstand eine andere Stundenzahl festgesetzt ist. Lehrziel und Classenziele werden von den kirchlichen Oberbehörden . . . bestimmt und durch die Landesschulbehörde den Realschulen vorgezeichnet." Der Ausschuss glaubte, es sollten auch in der siebten Classe zwei Stunden für den Religionsunterricht eingeräumt werden, weil eine Stunde in der Woche an sich wenig ist und der Religionsunterricht, namentlich in der Religionsgeschichte, in der obersten Classe vertieft werden soll; für das Gymnasium besteht die Vorschrift, dass in der achten Classe 3 Stunden wöchentlich gegeben werden können. Wir haben aber auch noch hinzugefügt, dass diese Stundenzahl vermehrt werden kann, wenn es nothwendig ist, darum steht hier "wenigstens". Ich werde da, damit keine Unklarheit darüber bleibt, wer diese Vermehrung der Stundenzahl zu bestimmen hat, beantragen, dass diese zwei Alinea verschoben, d. h. der 3. Absatz nach dem vorliegenden 4. Absatz gesetzt werde. § 14 wurde, wie ihn die Regierung vorgeschlagen hat, angenommen. Im § 15 haben wir bezüglich der Privatisten bestimmt, dass es nicht im Belieben des Landesschulrathes liegen soll, sie abzuweisen, wenn sie allen gesetzlichen Bedingungen und Forderungen, die man an sie stellen kann, genügen, dass sie dann zur Prüfung zuzulassen seien. Wir haben aber in Übereinstimmung mit der Ministerialverordnung vom 5. Mai 1895 den Zusatz gemacht, dass solche Schüler zuzulassen seien, "wenn sie das 17. Lebensjahr vollendet haben oder noch in dem betreffenden Kalenderjahre, in welches die Maturitätsprüfung fällt, vollenden, sich über die Art ihres Bildungsganges so auszuweisen vermögen, dass die erforderliche Vorbildung als vorhanden vermuthet werden kann, und gegen ihre Zulassung zu höheren Studien keine sittlichen Bedenken obwalten." Damit hat der Landesschulrath eine genügende Handhabe, um Unwürdige oder zu wenig Vorbereitete abzuweisen. Im § 17 haben wir eine Abänderung getroffen oder eigentlich einen Zusatz gemacht, dahingehend: "Die Befähigung zur Ertheilung des Religionsunterrichtes prüft die kirchliche Oberbehörde." Das ist wohl selbstverständlich, dass derjenige, der kat exochen berufen erscheint, über die Religionslehre zu wachen, auch bezüglich der Religionslehrer das Recht haben muss, diese Prüfungen vorzunehmen. Übrigens ist das längst schon durch die Praxis und durch ministerielle Verordnungen in diesem Sinne geregelt worden. Dann kommt § 21 in der Fassung, wie ihn die Regierung gewünscht hat, und zu §*22 wurde der Zusatz gemacht: "Als Religionslehrer sind nur solche Bewerber anzustellen, welche die kirchliche Oberbehörde als zur Ertheilung des Religionsunterrichtes für befähigt erklärt." Dieser Zusatz gründet sich ebenfalls auf ein Reichsgesetz, und zwar auf das Gesetz vom 20. Juni 1872. In § 23 haben wir eine Ergänzung vorgenommen. Dort heißt es nämlich (liest): "Die Ernennung der Lehrer und Professoren erfolgt bei Staatsschulen auf Antrag des Landesschulrathes vom Minister für Cultus und Unterricht, bei Landesschulen von der Landesvertretung. Hilfs- und Nebenlehrer werden auf Vorschlag des Directors bei Staatsschulen vom Landesschulrathe, bei Landesschulen vom Landes-Ausschusse bestellt." Endlich haben wir den § 24 entsprechend der neuen Fassung der §§ 1 und 8 umgestaltet und ergänzt. Das Gesetz ist nun, wie es uns vorliegt, allerdings nicht vollkommen; es war auch zu wenig Zeit, um eine sehr gründliche Revision vorzunehmen, jedenfalls aber bedeutet der vorliegende Entwurf dem bisher bestehenden Gesetze gegenüber eine Verbesserung nach mehreren Richtungen hin, und ich beantrage im Namen des Ausschusses das Gesetz, sowie es uns vorliegt, anzunehmen. Landeshauptmann: Indem ich zunächst die Generaldebatte eröffne, ertheile ich das Wort dem Herrn Regierungsvertreter. Regierungsvertreter: Wie ich mir schon gelegentlich der Überreichung der Regierungsvorlage kurz auszuführen erlaubt habe, bezweckte die Regierung mit dieser Vorlage die Abänderung des bestehenden Realschulgesetzes in einigen bestimmten Punkten. Sie berühren, um sie noch ganz kurz zu wiederholen, die Bestimmung, dass an den Realschulen 126 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. statt des Englischen das Italienische obligat sein soll, wodurch auch der schon in Geltung stehende Lehrplan der Realschule in Dornbirn auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wird. Überdies wird das Turnen als obligat erklärt. Weiters beziehen sich die Abänderungen auf die Zusammensetzung der Maturitäts-Prüfungscommissionen und die Zulassung zur Maturitätsprüfung. Endlich wird das Pflichtausmaß der Lehrer der Sprachfächer analog, wie es an den übrigen Mittelschulen der Fall ist, den betreffenden Bestimmungen angepasst und auch das Pflichtausmaß des Directors mit Bedachtnahme auf die übrigen, durch die Leitung der Anstalt ihm obliegenden Pflichten etwas herabgesetzt. In der Vorlage, welche der Ausschuss dem hohen Hause unterbreitet, sind diese von der Regierung vorgeschlagenen Modificationen mit Ausnahme einer kleinen, vielleicht nicht wesentlichen Änderung im § 15 berücksichtiget, so dass ich mich eigentlich darauf beschränken könnte, die Annahme desselben dem hohen Hause zu empfehlen. Der Schulausschuss hat sich aber auch veranlasst gesehen, bei diesem Anlasse eine Revision des ganzen Gesetzes überhaupt vorzunehmen, und hat weitere Abänderungen oder richtiger Einschaltungen in das Gesetz ausgenommen. Ich kann nicht umhin, meiner Anschauung dahin Ausdruck zu geben - und ich glaube dies im Namen der Regierung, die ich zu vertreten die Ehre habe, sagen zu können -, dass es erwünscht wäre, wenn bei einer weitergehenden Revision des Gesetzes der obersten Unterrichtsverwaltung Gelegenheit gegeben wäre, auch ihrerseits früher ihre Ansicht auszusprechen, und wenn sonach die Angelegenheit in solcher Weise eingeleitet würde, dass der Landes-Ausschuss in der Lage wäre, das Einvernehmen mit der Regierung zu pflegen. Es scheint mir einer besonderen Begründung nicht zu bedürfen, dass die oberste Unterrichtsverwaltung bei einer gesetzgebenden Action in einer Mittelschulangelegenheit auf ein solches Einvernehmen Wert legen muss, unbeschadet der verfassungsmäßigen Competenz der Landtage in der Realschulgesetzgebung. Es liegt wohl nahe, dass ich bei dieser Sachlage mich nicht für autorisiert halten kann, hinsichtlich der über die Regierungsvorlage hinausgehenden Änderungen, welche vom Schulausschusse beantragt werden, namens der Regierung Stellung zu nehmen. Immerhin werde ich mir aber erlauben, wenn in die Specialdebatte eingegangen werden sollte, die Aufmerksamkeit des hohen Hauses darauf zu lenken, wenn nach meiner Anschauung hinsichtlich der einen oder anderen vom Ausschüsse beantragten Einschaltungen etwas zu bemerken kommt. Landeshauptmann: Wer wünscht weiter das Wort? Dr. v. Preu: Schon in der Sitzung des Schulausschusses, dem ich anzugehören die Ehre habe, habe ich hervorgehoben, dass ich glaube, es sei nicht unsere Aufgabe, im Hause jetzt über den Nahmen hinauszugehen, welcher für die Behandlung des vorliegenden Gegenstandes durch die Regierungsvorlage gezeichnet ist. Aus den Worten, welche der Herr Regierungsvertreter soeben gesprochen hat, ist das ganz deutlich herausgeklungen, dass diese Anschauung die richtige ist. Es handelt sich speciell darum, dass das Gesetz in denjenigen Punkten ergänzt werde, welche von der Regierung und von den Fachkreisen als nicht mehr passend anerkannt werden und welche uns in der Regierungsvorlage genau vorgezeichnet waren. Vielmehr handelt es sich nur darum, dass im Gesetze dort, wo sich Mängel zeigen, Besserung vorgenommen, und nicht darum, dass jetzt ein ganz neues Gesetz geschaffen werde. Ich muss also, wie ich das schon im Ausschusse gesagt habe, nochmals wiederholen, dass ich nicht glaube, dass es Aufgabe des hohen Hauses sei, jetzt in die Berathung eines ganz neuen Gesetzes einzugehen. Der Herr Berichterstatter hat heute spontan erklärt, dass zur Schaffung dieser Gesetznovelle und zur gründlichen Behandlung derselben zu wenig Zeit gewesen sei. Damit bin ich allerdings vollkommen einverstanden. Es ist das ein großer Mangel; denn wir waren von der Sache gar nicht unterrichtet, und wir haben das erstemal - wenigstens diejenigen Herren, welche nicht dem Schulausschusse angehören - erst Kenntnis erhalten von der Sachlage in diesem Gegenstände durch den gestern uns zugekommenen Bericht. Das ist aber doch kein Zeitraum, um sich für die Statuierung eines solchen Gesetzes gründlich und ordentlich vorbereiten zu können. Es ist wohl ein großer Unterschied, meine Herren, einige Paragraphen zu schaffen oder ein ganzes Gesetz zu machen. Denn ein Gesetz, wenn es etwas wert sein soll, muss man doch zu dem Zwecke schaffen. XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. 127 dass es in eine feste Form, welche fleißig und sorgsam ausgearbeitet ist, wie ein Guss zusammenkommt. Denn ein Gesetz, das nur so da und dort - wenn der Ausdruck erlaubt ist - "zusammengeklaubt" wird, das wird nie einen Wert haben und seinen Zweck erfüllen. Ich muss also nur betonen, dass ich völlig damit einverstanden bin, was der Herr Berichterstatter heute erwähnt hat, dass viel zu wenig Zeit vorhanden war, um sich auf die Codificierung eines neuen Gesetzes genügend vorzubereiten, speciell in dieser Frage, wo seit dem Erscheinen des letzten Gesetzes vom Jahre 1869 eine Unmasse von Verordnungen herausgegeben wurden, an welche das Gesetz sich angliedern soll, und welche alle mit den Bestimmungen desselben correspondieren sollen. Da ist ein so kurzer Zeitraum der Zweckmäßigkeit und Vollendung des Werkes absolut nicht zuträglich. Nach diesen kurzen Auseinandersetzungen und nachdem vom Herrn Berichterstatter und vom Herrn Regierungsvertreter die Momente ziemlich deutlich hervorgehoben worden sind, welche es nicht zulässig erscheinen lassen, jetzt hier ein neues Gesetz zur Berathung und Beschlussfassung zu bringen, kann ich nur erklären, dass ich gegen das Eingehen in die Specialdebatte stimmen werde. Ganahl: Ich will nur kurz bemerken, dass ich dem Herrn Vorredner zustimme. Mir ist es von jeher als Anomalie erschienen, dass die Gesetzgebung über die Realschulen den Ländern zugewiesen wurde, nachdem dieselben doch meistens vom Staate erhalten werden. Sie verschärfen diese Anomalie, indem Sie ein Gesetz abändern, ohne mit der Unterrichtsverwaltung Fühlung genommen zu haben. Nun ich hoffe aber, dass Ihnen dieser Versuch nicht gelingen wird; denn ich kann mir nicht vorstellen, dass die Unterrichtsverwaltung diesen Gesetzentwurf, wie wir ihn vor uns haben, der Sanction empfehlen wird. Ich werde nicht für das Eingehen in die Specialdebatte stimmen. Jodok Fink: Ich habe schon im Schulausschusse gesagt, die hohe Regierung habe uns ihre Wünsche in Betreff der Änderung des Realschulgesetzes durch die Regierungsvorlage mitgetheilt. Desgleichen habe ich dort die Anschauung ausgesprochen, dass nun der Landtag die Wünsche, die das Land auf Abänderung des Realschulgesetzes bei diesem Anlass kundzugeben hat, durch einen Landtagsbeschluss kundgeben solle. Denn ich habe die Anschauung, Wünsche, die der Landtag in Betreff der Änderung des Schulgesetzes hat, können eigentlich nur durch Landtagsbeschluss der hohen Regierung zur Kenntnis gebracht werden. Ich weiß ja wohl, es geschieht hie und da, dass der Landes-Ausschuss Verhandlungen mit der Regierung pflegt, aber eine eigentliche Stellungnahme kann nur erfolgen durch einen Landtagsbeschluss, und dies geschieht, wenn der Landtag einen Gesetzentwurf annimmt. Der Herr Abg. Dr. v. Preu hat davon gesprochen, dass man nur die Mängel des Schulgesetzes beheben solle, und er scheint zu glauben, die hohe Regierung habe mit ihrer Regierungsvorlage alle Mängel, welche unser Realschulgesetz aufweist, getroffen. Ich verweise darauf, dass im dermaligen Realschulgesetz in § 7 der § 27 citiert ist, der ganz unzutreffend ist. Ich glaube, das ist auch ein Mangel. Ich verweise ferner darauf, dass das dermalige Realschulgesetz einen Übergangsparagraphen hat, der überflüssig ist; und ich glaube wohl kaum, dass jemand hier im hohen Hause ist, der es nicht als Mangel empfindet, wenn im Realschulgesetze, das auch für 10jährige Schüler schon gilt, das erziehliche Moment ganz außeracht gelassen ist. Ich glaube, dass auch die Herren von der Gegenseite die Anschauung haben, dass dies ein Mangel im Gesetze sei, und daher finde ich es ganz am Platze, dass eine gründliche Revision, wie sie der Schulausschuss vorschlägt, am Gesetze vorgenommen werde. Dr. v Prell: Wenn ich nochmals das Wort ergreife, so geschieht es nur zum Zwecke einer Entgegnung auf das, was der Herr Abg. Fink mir zugemuthet hat, nämlich dass ich geglaubt Hütte, es wären mit diesen, in der Regierungsvorlage enthaltenen Änderungen alle Mängel des Gesetzes auf die Seite geschafft. Dies ist jedenfalls eine Voraussetzung, welche ohne Grund aufgestellt wurde. Denn ich habe im Gegentheil mir gedacht, und es ist mir in meinen ersten Ausführungen nur entfallen, dass auch wir vielleicht manches am Gesetze zu ergänzen oder zu ändern gewünscht hätten. Es war aber das schon wiederholt angeführte Hindernis dem entgegen, wir hatten ja nicht genug Zeit, um uns vorzubereiten, um ordentliche Einwürfe oder Entwürfe zu machen. 128 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. Seien Sie versichert, dass wir nicht dieser Meinung sind, und speciell ich nicht der Meinung bin, dass mit dem, was die Regierung diesmal vorgeschlagen hat, alle Mängel des Gesetzes behoben wären. Landeshauptmann: Wenn niemand mehr das Wort wünscht, so ist die Debatte geschlossen. Der Herr Berichterstatter hat noch das Wort. Dressel: Es ist vom Vorredner, dem sehr verehrten Herrn Abgeordneten der Stadt Bludenz, gesagt worden, dass hier ein ganz neues Gesetz geschaffen werde. Das ist nicht der Fall. Das Gesetz wurde im Jahre 1869 vom damaligen Landtage jedenfalls nach reiflicher Überlegung beschlossen. Dieses Gesetz war eine Regierungsvorlage, und die Regierung hatte die Sache jedenfalls auch reiflich überlegt, bevor sie es vorgelegt hat, das sollte man wenigstens voraussetzen dürfen. Dieses Gesetz wird eigentlich im großen und ganzen gelassen, wie es war. Was geändert erscheint, sind bloße Zusätze. Man kann daher nicht von einer reinen Paragraphen-Macherei reden, wie gesagt wurde, sondern man hat nur einige Bestimmungen, die bereits in Gesetzen und Ministerialverordnungen enthalten sind, herübergenommen. Die Structur des Gesetzes ist nicht geändert. Wenn es damals "wie aus einem Gusse" ausgesehen hat, so kann man wohl sagen, dass an diesem "Guss" nicht viel verändert wurde. Diese Bestimmungen betreffen das erziehliche Moment und den Religionsunterricht, und wird damit nur eine Lücke im Gesetze ausgefüllt. Die Herren der Minorität dürfen also beruhigt sein. Was nun die Zeit der Vorbereitung betrifft, so waren es doch nicht bloß 24 Stunden, während welcher sich der Herr Abgeordnete von Bludenz mit den Änderungen beschäftigen konnte, sondern wir haben mehrere Ausschusssitzungen gehabt, wo alle Paragraphen und die betreffenden Gesetze und Verordnungen gelesen und berathen wurden; man kann also nicht sagen, dass bloß 24 Stunden Vorbereitungszeit gewesen sei. Die Herren der Minorität haben allerdings den Bericht erst seit gestern in Händen, es waren ihnen aber die vorgeschlagenen Änderungen schon vorher bekannt. Und weil es sich hier nicht um ein neues Gesetz, sondern nur um eine Herübernahme von einigen Bestimmungen aus bestehenden Gesetzen und Verordnungen über das Realschulwesen und überhaupt über das Mittelschulwesen handelt, so genügte auch eine kürzere Vorbereitung. Es würde allerdings, wie ich schon gesagt habe, bei manchen Paragraphen das eine oder andere noch zu ändern wünschenswert sein, nämlich bei jenen, die im Jahre 1869 nicht ganz glücklich stilisiert wurden; aber das kann nicht hinderlich sein, den Gesetzentwurf anzunehmen. Dies ist wahr, dass es im allgemeinen gut ist, wenn die Regierung und der Landtag bezüglich neuer Gesetzentwürfe miteinander Übereinkommen. Herr Fink hat aber schon gesagt, der Landtag kann nicht sprechen außer durch einen Landtagsbeschluss. Er kann wohl dem Landes-Ausschusse Aufträge ertheilen u. s. w., aber das Haus selbst ist nicht in der Lage, den Landes-Ausschuss zu informieren, was es geändert wünscht, und da nun die Regierung selbst die Revision des Gesetzentwurfes vorgenommen und uns gesagt hat, was sie geändert wünscht, so kann das Haus nur dann in die Lage kommen, seine Wünsche zum Ausdrucke zu bringen, wenn es auch Beschlüsse fasst, nämlich Beschlüsse über das Gesetz selbst. Dass wir das ganze Gesetz in eine Vorlage gebracht haben, geschah aus praktischen Gründen. Wenn eine Abänderung gemacht wird, so ist es unbequem für jene, welche das Gesetz handhaben müssen, dass sie immer zwei Gesetze nachschlagen sollen, um die betreffende Bestimmung zu finden. Es liegt also kein Grund vor, auf die Annahme des Gesetzes zu verzichten, und ich empfehle nochmals den Gesetzentwurf der Berathung und Beschlussfassung zu unterziehen. Landeshauptmann: Ein formeller Antrag, welcher dem Ausschussantrage auf Eingehen in die Specialdebatte entgegensteht, ist nicht gestellt worden. Wir gehen also zur Specialdebatte über. Ich möchte folgenden Vorgang vorschlagen. Die Paragraphen, welche, sei es durch die Regierungsvorlage oder durch Beschluss des Ausschusses eine Änderung erlitten haben, bitte ich den Herrn Berichterstatter vorzulesen, jene Paragraphen, welche unverändert aus dem alten Gesetze herübergenommen worden sind, bitte ich nur anzurufen, und dann würde ich die Herren bitten, bei der Specialdebatte sich zum Worte zu melden, wenn jemand eine Bemerkung machen will. Sollte dies nicht der Fall XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. 129 sein, werde ich die unveränderten Paragraphen als angenommen erklären und über die andern mir vorbehalten, die formelle Abstimmung einzuleiten. Johannes Thurnher: Ich bitte ums Wort! Landeshauptmann: Zur Geschäftsordnung? Johannes Thurnher: Wegen Eingehens in die Specialdebatte, ja. Es sind Äußerungen in der Debatte gefallen, nach welchen nicht alle Mitglieder des hohen Hauses gesonnen sind, in die Specialdebatte einzutreten, und ich glaube, es sollte ihnen Gelegenheit geboten werden vor Eingehen in die Specialdebatte sich in gewöhnlicher Weise darüber auszusprechen. Es sollte die Frage gestellt werden, ob das hohe Haus geneigt sei, in die Specialdebatte einzutreten. Landeshauptmann: Ich muss nur bemerken, dass in der Geschäftsordnung über diese formelle Angelegenheit nichts enthalten ist. (Johannes Thurnher: Das ist wahr, das weiß ich!) Nach der des Reichsraths wird allerdings, glaube ich, ein eigener formeller Antrag auf Eingehen in die Specialdebatte bei jedem Gesetzentwurfe gestellt und muss darüber abgestimmt werden, ob in die Specialdebatte eingegangen werde oder nicht. Ich habe mir so gedacht, dass jene Herren, welche nicht in die Specialdebatte einzugehen wünschen, die gegentheiligen Anschauungen bei der dritten Lesung zum Ausdrucke bringen können. Übrigens nehme ich keinen Anstand, nach dieser Anregung in Rücksicht auf die geehrten Herren, die ihre abweichenden Anschauungen zum Ausdrucke gebracht haben, vorzugehen und werde die formelle Abstimmung einleiten, ob in die Specialdebatte über den vorliegenden Gesetzentwurf eingegangen werden soll. Ich ersuche also jene Herren, welche damit einverstanden sind, dass in die Specialdebatte eingegangen werden soll, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Majorität. Run bitte ich also in dieser Weise, wie gesagt, bei der Specialdebatte vorzugehen. Dressel (liest): I. Allgemeine Bestimmungen. § 1. Der Zweck der Realschule ist, die Schüler sittlich-religiös zu erziehen, ihnen eine allgemeine Bildung mit besonderer Berücksichtigung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Disciplinen zu gewähren und sie für die höheren Fachschulen, (polytechnische Institute, Forstakademien, Bergakademien u. s. w.) vorzubereiten. Landeshauptmann: Wer wünscht zu § 1 das Wort? Ganahl: "Der Zweck der Realschule ist, die Schüler sittlich-religiös zu erziehen." Mir scheint, damit ist der Zweck der Realschule nicht definiert. Eine sittlich-religiöse Erziehung muss man auch in andern Mittelschulen finden. Wenn also der Zweck der Realschule darzustellen ist, so müssen Sie sagen: Der Zweck ist, "den Schülern eine allgemeine Bildung mit besonderer Berücksichtigung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Disciplinen zu gewähren" u. s. w., und dann können Sie die sittlich-religiöse Erziehung beifügen. Aber in erster Linie zu sagen, der Zweck der Realschule ist die sittlich-religiöse Erziehung, drückt in Wahrheit nicht den eigentlichen Zweck aus. Nehmen Sie einen Vater an, der einen Sohn hat; er will ihn studieren lassen. Run fragt er sich, soll ich ihn ans Gymnasium oder an die Realschule schicken. Endlich wird er schlüssig, ihn in die Realschule zu geben. Der sittlich-religiösen Erziehung wegen? Rein, diese findet er im Gymnasium auch, er gibt ihn aber in die Realschule, damit er in den Realfächern ausgebildet werde. Ich möchte vorschlagen, wenn ich mich ganz auf Ihren Standpunkt stelle, das erste alinea so zu geben: "Der Zweck der Realschule ist, den Schülern eine allgemeine Bildung mit besonderer Berücksichtigung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Disciplinen bei einer sittlich-religiösen Erziehung zu gewähren." Da haben Sie die sittlich-religiöse Erziehung gleichfalls betont und versündigen sich nicht gegen die Logik. Regierungsvertreter: Ich möchte mir nur erlauben, die Herren aufmerksam zu machen, dass der Zweck der Gymnasien in den bestehenden Normen dahin definiert ist, "den Schülern eine "höhere allgemeine Bildung unter wesentlicher Benützung der alten classischen Sprachen "und Literatur zu gewähren und auf die Universitätsstudien vorzubereiten." 130 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. Das Realschulgesetz definiert den Zweck der Realschnle dahin, "eine allgemeine Bildung mit "besonderer Berücksichtigung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Disciplinen zu gewähren und für die höhern Fachschulen, polytechnische Institute, Forstakademien etc. vorzubereiten." Es wird sohin offenbar im § 1 die Aufgabe der Realschule im Gegensatze zu jener des Gymnasiums zum Ausdrucke gebracht, und scheinen mir in Würdigung dieses Umstandes die Ausführungen des Herrn Vorredners wohl ihre Berechtigung zu haben. Landeshauptmann: Wer wünscht noch das Wort? Dressel: Es ist allerdings richtig, dass der Organisationsentwurf für Gymnasien und Realschulen diesen Hauptzweck des Lernens voranstellt. Er sagt dann aber im § 66, dass diese jungen Leute religiös und sittlich erzogen werden sollen. Dies sei ein Hauptzweck, ein "wesentlicher Theil" der Aufgabe der Mittelschule. In § 1 hier ist dieser Zweck eingeführt, es ist nämlich aufgezählt, was mit diesen jungen Leuten zu geschehen hat: In erster Linie sie sittlich-religiös zu erziehen, zweitens das, was die allgemeine Bildung betrifft in Bezug auf die Fachschule. Run bekommen wir in unserem Realschulgesetz nirgends Gelegenheit, diesen § 66 des Organisationsentwurfes unterzubringen. Ich habe mich, als ich diesen Paragraphen stilisierte, an das allgemeine Reichs-Volksschulgesetz gehalten. Die Volksschule hat auch den Zweck, die Kinder zu bilden, sie lesen, schreiben und rechnen zu lehren. Es ist aber auch in diesem Gesetze der Zweck, sittlich-religiös zu erziehen, vorangestellt. (Liest): "Die Volksschule hat zur Aufgabe, die Kinder sittlich-religiös zu erziehen, deren Geistesthätigkeit zu entwickeln, sie mit den zur weiteren Ausbildung für das Leben erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten auszustatten und die Grundlage für Heranbildung tüchtiger Menschen und Mitglieder des Gemeinwesens zu schaffen." Die Anordnung, wie sie für das Volksschulgesetz getroffen worden, ist auch für die Realschule richtig. Wir haben es auch hier, wie in der Volksschule, zum großen Theile mit Kindern von 10 bis 14 Jahren zu thun, also mit solchen, die bei normalmäßigem Lehrgang und genügender Befähigung mit 14 Jahren schon die Unterrealschule absolviert haben. Was nun für Kinder der Volksschule richtig ist, dass sie nicht bloß lesen, schreiben und rechnen lernen, sondern auch erzogen werden sollen, soll auch hier für Kinder im selben Alter geschehen. Darum könnte ich nicht von der Stilisierung des § 1 abgehen. Pfarrer Thurnher: Wenn man den Erziehungszweck bei Mittelschulen als untergeordnet hinstellt, mag der Herr Landeshauptmannstellvertreter mit ferner Ansicht Recht behalten. Wenn man aber auch das erziehliche Moment als Hauptzweck der Mittelschulen auffasst, dann glaube ich, ist der § 1, wie er vorliegt, richtig stilisiert. Der Zweck, den die Realschule haben soll, ist hier summarisch aufgeführt. Sie soll nicht bloß zum Lernen anhalten und zur Erweiterung der gewöhnlichen Kenntnisse, welche man im menschlichen Leben braucht, sondern auch die religiösen Kenntnisse erweitern und vertiefen im Schüler, damit in den einzelnen Schülerherzen die Wahrheiten, welche die Religion enthält, gepflegt werden, und die Leute dieselben auch praktisch zu üben verstehen. Dass dieses Moment äußerst wichtig ist gerade in diesen Jahren, das kann man daraus entnehmen, weil es ja möglich ist, dass Schüler mit 10 Jahren die Realschulen bereits besuchen, und somit in einem Alter, in welchem sie sonst aus der Volksschule entlassen würden, schon die Unterrealschule absolviert haben. Da glaube ich, ist es am Platze, dass für solche junge Leute das erziehliche Moment an die Spitze gestellt werde, und man es nicht bloß nebenbei so mitlaufen lasse. Ich habe da die Beilage zur "Allgemeinen Münchner Zeitung" zufällig in die Hand bekommen, und da wehrt sich ein offenbar wissenschaftlich gebildeter Mann, gegen die Vorwürfe, welche man den höhern Schulen damit mache, dass man beständig behauptet, sie seien nur Unterrichts- und keine Erziehungsanstalten. Er verwahrt sich dagegen und will sagen, sie haben ebenso den Zweck, die jungen Leute heranzuziehen und dann auch in ihnen die übrigen Kenntnisse zu erweitern. Es ist auch, wenn man die Sachlage annimmt wie sie ist, dringend nothwendig. Wenn auch der religiöse Grund in der Volksschule gelegt wird, so ist es doch nothwendig, dass diese jungen Leute in der Übung des Guten XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. 131 und in den Lehren des Christenthums später gefestigt und gestärkt werden, und zwar umsomehr, als sie mit der Welt immer mehr in Verkehr treten, und die schlimmen Einflüsse umso stärker auf sie einwirken. Darum ist es dringend nothwendig, dass das erziehliche Moment ganz besonders hier betont und an die Spitze gestellt werde, und zwar das religiös-sittliche Moment. Ich kann deshalb nicht umhin, diesem § 1, wie er vorliegt, zuzustimmen und ihn auch den übrigen Herren zur Annahme zu empfehlen. Dr. Schmid: Ich verstehe nicht, warum man sich so ungeheuer dafür ereifert, dass diese Bemerkung gleich am Kopf des § 1 angebracht werde. Es ist, wie bereits der Herr Berichterstatter den betreffenden Paragraphen des Reichs-Volksschulgesetzes vorgelesen hat, die Volksschule die Grundlage aller zukünftigen Bildung und Schulung. Dieser Punkt ist schon berührt worden und auch der Grundsatz ausgesprochen worden, dass der Zweck der Schule die sittlich-religiöse Erziehung in sich schließe, und dass dies der erste Hauptzweck sei, und dann die Beibringung der nothwendigsten Kenntnisse der Volksschule. Auf diesen Grundstamm aller zukünftigen Bildung werden aufgebaut zwei andere Gesetze. - Das Gesetz für die Mittelschulen theilt sich erst da in eine realistische und classische Richtung: in Realschulen und Gymnasien. Wenn nun als Grundlage der ganzen künftigen Lebensbildung des Menschen an der Volksschule der Grundsatz gilt, dass die sittlich-religiöse Erziehung nebst Beibringung der Grundkenntnisse der Zweck derselben sei, so ist doch wahrlich nicht nothwendig, dass bei den Ausläufern dieses Stammes, des Volksschulgesetzes, bei den Mittelschulgesetzen auch überall wieder hingeschrieben werde, "der Zweck ist die sittlich-religiöse Erziehung." Sie wissen ja, factisch wird die sittlich-religiöse Erziehung in Realschulen wie an Gymnasien im Auge behalten und auch praktisch durchgeführt. Es ist nun hier, wenn Sie auch speciell nochmals den Ausdruck wählen wollen "sittlich-religiöse Erziehung sei Zweck", nur dann logisch möglich, wenn Sie das überhaupt noch einmal thun wollen, in der Weise anzubringen, wie es mein geehrter Freund Ganahl in seinem Antrag vorgebracht hat. Dann ist es angebracht, Ihrem Wunsche ist entsprochen und der Logik nicht ins Gesicht geschlagen. Aber eigentlich wäre es nicht einmal da nothwendig, weil es ja schon im Stamme ausgenommen ist. Darum hat auch bei dem bisher bestehenden Gesetze diese Wiederholung nicht stattgefunden, trotzdem dass die Regierung gewiss in ihrer alten wie in ihrer neuen Vorlage nicht beabsichtigt, das sittlich-religiöse Erziehungs- Moment aus den Schulen hinaus zu thun. Dann möchte ich nur noch beifügen, dass die Erziehung der jungen Leute ja nicht bloß darin besteht, dass sie religiösen Unterricht genießen. Meine Herren, dann haben Sie, wenn Sie das behaupten, heute mit 2 Stunden Religionsunterricht viel zu wenig. Sie sagen, das wichtigste sei die sittlich-religiöse Erziehung. Dann setzen Sie eine größere Anzahl von Religionsstunden hinein, wenn Sie glauben, dass darin allein die Erziehung bestehe. Die Erziehung des Menschen besteht aber auch in der Erwerbung von Bildung, und alles zusammen schafft erst den sittlich erzogenen religiösen Menschen. Wir wollen aber nicht allein bloß Unterricht in einem Fach, welches als Lehrfach der betreffenden Schule in den Lehrplan ausgenommen ist. Darum glaube ich, hat die bisher bestehende Fassung des Realschulgesetzes seine Berechtigung, und wenn schon dieses Moment nochmals hineingebracht werden soll als § 1, so glaube ich, dass es nur in der Form angenommen werden kann, wie sie von Herrn Ganahl vorgebracht wurde. Johannes Thurnher: Wenn man die erläuternden Bemerkungen der Hoheit Regierung zur eingebrachten Regierungsvorlage im ersten Absatz liest, so hat die Änderung des betreffenden Paragraphen den Zweck, das Gesetz mit den bestehenden Verhältnissen an der Schule in Übereinstimmung zu bringen. Dort ist also gesagt, dass lieben der Landessprache die französische und die englische Sprache obligate Unterrichtsgegenstände seien. Das steht schon seit 1869 drinnen, und es ist dann weiter angeführt, dass thatsächlich bereits seit zwei Decennien nicht das Französische und nicht das Englische, sondern das Italienische gelehrt werde. Das Bestreben der Regierung bei diesem Paragraphen war also, den thatsächlichen Verhältnissen, wie sie bestehen, auch im Gesetze Ausdruck zu geben. Das ganz gleiche geschieht nun, wenn in der Realschule bereits Religionsunterricht ertheilt wird, dass man dies auch hineinsetzt, und weil es der wichtigste Gegenstand ist, es darin an die Spitze stellt. 132 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. Dr. Schmid: Wir haben nichts dagegen, dass es an die Spitze gestellt werde, aber nicht in dieser Form, dass man es allein an die Spitze stellt und der Logik ins Gesicht schlagt. Sie werden doch nicht behaupten, dass es eine religiöse Arithmetik oder Geometrie u. s. w. gebe. Lassen Sie es in der Form, wie sie Herr Ganahl vorgeschlagen hat, so ist einem Ihrer Wünsche entsprochen. Es ist nur der Antrag gestellt, dass an der Stilisierung eine Änderung eintrete in der vorher bezeichneten Form. Ölz: Die studierten Herren sprechen immer, als ob man mit diesem Paragraphen der Logik ins Gesicht schlage. Ich mit meinem gewöhnlichen Unterthanenverstand finde das nicht; ich möchte wissen, wo das liegt. Es wird jetzt einfach aufgezählt, "der Zweck der Realschule ist, die Schüler sittlich-religiös zu erziehen" in erster Linie; ferners kann man ja ganz gut sagen, zweitens "ihnen eine allgemeine Bildung mit besonderer Berücksichtigung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Disciplinen" zu gewähren, drittens sie für die höheren Fachschulen etc. vorzubereiten. Ja wenn dies unlogisch ist, dann verstehe ich nichts. Dass es eine Reihenfolge ist, welche den Herren vielleicht nicht passt, kann sein, aber dann sollen sie das sagen und nicht was anderes, das lasse ich mir dann gefallen. Sic wollen es lieber umgekehrt haben, zuerst die andern Fächer vor der Religion. Aber dass dies der Logik ins Gesicht geschlagen sei, das verstehe ich nicht. Deshalb stimme ich dem Antrage zu, wie er hier vorliegt. Johannes Thurnher: Aus den letzten Ausführungen des Herrn Abgeordneten der Stadt Bregenz, Dr. Schmid, könnte man meinen, es stehe entweder im § 1 oder es sei in meinen Ausführungen gelegen, als ob wir religiöse Realfächer z. B. eine religiöse Mathematik wollten. So etwas steht weder im Paragraphen, noch ist es im Sinne meiner Worte zu finden, ich bitte, nur das stenographische Protokoll nachzulesen. Pfarrer Thurnher: Es muss doch ausgefallen sein, dass das logische Gefühl des Herrn Doctors der Medicin durch diesen Paragraphen so sehr verletzt wird. Er hat nämlich ganz richtig herausgesunden, dass dieser Erziehungszweck im Gesetz für die Volksschule deutlich ausgesprochen wurde und dann gemeint, es sei nicht nothwendig, es hier nochmals zu wiederholen. Dort hat er diesen Paragraphen also nicht für unlogisch gehalten, hier aber auf einmal findet er ihn, nachdem er ungefähr ebenso stilisiert ist, wie dort, ganz unlogisch. Der Herr Vorredner hat gemeint, der Grund, warum man es nicht zu wiederholen brauche, sei der, weil dort schon der Grundsatz ausgesprochen sei, die Jugend müsse sittlich-religiös erzogen werden. Es gibt nun aber ein eigenes Gesetz für die Realschulen. Da ist es an sich genommen nicht einzusehen, warum man das nicht auch wieder herein, nehmen soll, wenn man schon über den Zweck dieser Realschulen spricht. Nehmen wir ein Beispiel. Jedes Dorf hat seine bestimmten Straßentafeln, die sagen, der Weg geht dahin, der dorthin; haben nun diese Wege Abzweigungen, so wird wieder eine neue Tafel hingesetzt. Das findet kein Mensch unrichtig, man findet nur leichter den Weg. Wenn wir nun sagen, auch bei dieser Abzweigung im Unterrichte solle der Erziehungszweck nicht aus den Augen gelassen werden, so sehe ich nicht ein, warum Herr Dr. Schmid das unlogisch findet. Ich glaube, das stößt die Herren vielmehr, dass wir den Passus an die erste Stelle gesetzt haben; wir wollen eben betont wissen, dass eine religiös-sittliche Erziehung ein Hauptzweck und nicht so ein Nebenzweck auch der Realschulen sei. Wenn der Herr Abg. Dr. Schmid sagt, mit zwei Stunden Religionsunterricht sei die Erziehung noch nicht abgeschlossen, so hat er ganz recht, wir meinen das auch. Mich wundert da nur, dass er im letzten Jahre, als wir das Volksschulgesetz hier verhandelt haben, nicht losgezogen ist gegen jenen Paragraphen im Volksschulgesetz, der sagt, die übrigen Lehrgegenstände seien unabhängig von dem confessionellen Unterrichte zu dotieren. Ich glaube, wir können da genug bei diesen Bestimmungen bleiben, nämlich wir sagen ja in einem späteren Paragraphen, worin dieses "ReligiösSittliche" bestehe, nicht nur im Religionsunterrichte, sondern auch in der religiösen Übung. Darum heißt es auch "in Leitung und Übung". Es ist also falsch, zu sagen, dass mit zwei Religionsunterrichtsstunden in der Woche die religiös-sittliche Erziehung abgeschlossen sei; es handelt sich auch um die Übung der religiösen Wahrheiten und jener Pflichten, wie sie die Kirche festgesetzt hat. Ich XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. 133 muss gestehen, ich mit meinem einfachen Menschenverstände finde nicht, dass die Logik so malträtiert morden sei, wie die Herren der Linken behaupten wollen. Pfarrer Fink: Der Herr Abg. Dr. Schmid hat uns den Zusammenhang des Schulwesens zwischen der Volksschule einerseits und der Realschule und dem Gymnasium anderseits in einem Bilde dargestellt; die Volksschule ist der Hauptstamm, Realschule und Gymnasium sind die Ausläufer oder Äste dieses Hauptstammes. Run das Bild ist richtig. Herr Abg. Dr. Schmid meint dann, da die Volksschule, der Hauptstamm, auch nach dem letztjährigen Landesschulgesetze, die sittlich-religiöse Erziehung zum Hauptzwecke habe, so verstehe es sich von selbst, dass auch in der Realschule und am Gymnasium sittlich-religiös erzogen werden müsse. Das wäre nun ganz recht, und wir nehmen die Anschauung des Herrn Dr. Schmid zur angenehmen Kenntnis. Doch es ist bekannt, dass mitunter Stürme toben, welche vom Hauptstamme einen Ausläufer oder Ast wegreißen, oder mail sagt mit Fleiß, absichtlich einen solchen Ausläufer weg vom Stamme, - dann ist aber zu wünschen, dass an dem weggerissenen oder abgesägten Ausläufer erkannt werden kann, zu welchem Stamme er gehört, dass er die Signatur des Hauptstammes trage. Ich wünsche, dass nicht bloß bei der Volksschule das sittlich-religiöse Moment recht betont werde, sondern dass auch tut Realschulgesetze die sittlich-religiöse Erziehung als Zweck dieser Schule genannt werde, und darum stimme ich für den § 1, wie er uns vom Schulausschusse vorliegt. Landeshauptmann: Wenn niemand mehr das Wort ergreift, ist die Debatte geschlossen. Das Wort hat der Herr Berichterstatter. Dressel: Ich habe hier nicht viel zu sagen. Man hat wohl gesagt, in der Gesetzgebung bezüglich der Realschulen und Gymnasien sei der Zweck der sittlich-religiösen Erziehung in § 1 nicht ausgedrückt, und der Herr Abg. Dr. Schmid hat auch gesagt, es sei dies nicht nothwendig, weil es schon im § 1 des Volksschulgesetzes stünde. Das Volksschulgesetz ist aber ein Gesetz für sich, und wenn man aus demselben etwas für Gymnasien oder Realschulen deducieren wollte, könnte man einwenden, das Gesetz sei für die Volksschulen erlassen worden und nicht für die Mittelschulen. Eine "Wiederholung" ist übrigens für die Realschulen und Gymnasien nicht erfolgt, weil der diesbezügliche Organisationsentwurf viel älter ist als das Volksschulgesetz. Dort konnte man also gar nicht wiederholen, man hat einfach die Anordnung gelassen, wie sie dort getroffen wurde. Ich habe schon das erstemal bei Beginn meiner Ausführungen gesagt, dass wir keine Gelegenheit gehabt haben, diesen Grundsatz des § 66 sonst irgendwo unterzubringen und wir haben uns deswegen in der Structur des Gesetzes an das Reichsvolksschulgesetz angeschlossen. Mail hat dann auch alles kürzer bei einander und weiß von vorneherein, worin der Zweck der Schule besteht. Auch die Anordnung der beiden Punkte, die aufgezählt sind, entspricht dem § 8. Dort steht unter a) der Religionsunterricht, und wie derselbe unter den Lehrfächern die erste Stellung einnimmt, so soll auch bei der Erziehung und Bildung der jungen Leute die religiöse, sittliche Seite in erster Linie gepflegt werden. Darum finde ich nicht, worin der Faustschlag gegen die Logik bestehen soll, ich für meine Person finde nicht einmal einen Schatten davon und empfehle Ihnen die Annahme des § 1, wie er hier vorgeschlagen ist. Landeshauptmann: Ich kann nun zur Abstimmung übergehen. Zu 8 I hat der Herr Abg. Ganahl einen Antrag gestellt, welcher lautet (liest): "Der Zweck der Realschule ist, eine allgemeine Bildung mit besonderer Berücksichtigung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Disciplinen bei sittlich-religiöser Erziehung." Ich ersuche jene Herren, die dem Abänderungsantrage zustimmen wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Es ist die Minorität. Nun kommen wir zur Abstimmung über den Ausschussantrag. Ich ersuche jene Herren, die diesem Antrage ihre Zustimmung geben, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Es ist die Majorität. Dressel: § 9. 134 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. Landeshauptmann: Diejenigen Paragraphen, die bloß angerufen werden, sind unverändert ans dem früheren Gesetze herübergenommen, die anderen, bei denen Abänderungen und Anträge vorliegen, werden zur Verlesung gebracht werden. § 2 ist angenommen. Dressel:§ 3. Landeshauptmann: Angenommen. Dressel:§ 4. Landeshauptmann: Angenommen. Dressel:§ 5. Landeshauptmann: Angenommen. Dressel:§ 6. Landeshauptmann: Angenommen. Dressel:§ 7. Ich werde denselben zur Verlesung bringen (liest): § 7. "Die Realschulen sind entweder öffentliche oder Privatrealschulen. Als öffentliche Realschulen gelten diejenigen, welche das Recht haben, staatsgiltige Zeugnisse auszustellen (§ 27). Nur die Zeugnisse öffentlicher Realschulen haben Giltigkeit in jenen