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Letzte Änderung 03.07.2021, 09:27
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp08,lts1900,lt1900,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 13. Sitzung am 27. April 1900 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 20 Abgeordnete. Abwesend: Hochwst. Bischof. Regierungsvertreter: Herr k. k. Statthaltereirath Rudolf Graf Huyn. Beginn der Sitzung 10 Uhr 3 Minuten vormittags. Landeshauptmann: Die heutige Sitzung ist eröffnet. Ich bitte um Verlesung des Protokolles der letzten Sitzung. (Secretär verliest dasselbe.) Wird von irgend einer Seite gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung erhoben? Da dies nicht der Fall ist, betrachte ich dasselbe als genehmiget. Wir gehen zur Tagesordnung über; auf derselben steht als erster Gegenstand der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über den Gesetzentwurf, betreffend die Regulierung des Bizauer Baches. Ich ertheile das Wort dem Herrn Berichterstatter Abg. Jodok Fink. Jodok Fink: Hohes Haus! Aus dem Ihnen vorliegenden Berichte, besonders aber aus demjenigen Theile, der aus dem technischen Berichte herübergenommen ist, ersehen Sie, dass die Lage in Bizau eine trostlose ist. Mau ersieht aus dem technischen Berichte, dass die Sohle des Bizauer Baches, der ein Wildbach im vollsten Sinne des Wortes ist, 10 m höher liegt als die Thalsohle, und wer in Bizau gewesen ist, hat sich selbst überzeugen können, dass die in nächster Nähe des Baches befindlichen Häuser, ich möchte sagen, unter dem Bache liegen; denn es ist niöglich, dass bei höheren! Wasserstande das Wasser auf die Hausdächer der in nächster Nähe befindlichen Häuser gerichtet wird. Dieser Umstand, glaube ich, genügt, um zu beweisen, dass für diese Häuser, Liegenschaften u. s. w. eine beständige Gefahr vorhanden ist. Im technischen 110 XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. Berichte sagt der Sachverständige, dass die Dämme so erhöht sind, dass dieselben wohl kaum auf lange Zeit Stand halten werden. Üeberdies nimmt die Erhöhung der Dämme und des Bachbettes von Jahr zu Jahr zu. Ältere Leute haben mir gesagt, dass vor 40 bis 50 Jahren die Dämme um zwei bis drei Meter niedriger gewesen sind als heute; dieselben haben sich also innerhalb eines Menschenalters um zwei bis drei Meter erhöht. Es wird daher sowohl von Seite des technischen Vertreters des Landes-Ausschusses, als auch besonders von Seite des Amtssachverständigen zugegeben, dass rasch eingegriffen werden muss, wenn nicht für Bizau eine fürchterliche Katastrophe eintreten soll. Die Regulierung betrifft einerseits die Verbauung im Thalinnern, damit weniger Geschiebe herauskommt, und andererseits im Unterlaufe des Baches zur besseren Abfuhr der Geschiebe. Die Kosten belaufen- sich nach dem vorliegenden Projecte auf 140.000 K. Die Gemeinde Bizau und die Interessenten könnten wohl einen solchen Kostenaufwand nie aufbringen, und man hat sich schon bei der wasserrechtlichen Verhandlung am 2. Mürz ds. Js. gesagt, dass die Regulierung nur dann möglich sein werde, wenn auch die Hilfe des Staates und des Landes beikomme. Nach den Anträgen des volkswirtschaftlichen Ausschusses ist die Aufbringung der Kosten in folgender Weise gedacht: Das Land soll von denselben 25% bis zum Höchstbetrage von 35.000 K übernehmen, der Staat einen Beitrag von 50% dann die Gemeinde 5%, weil doch auch die öffentlichen Gebäude, Pfarrhof, die Kirche und die Schule u. s. w. in Betracht kommen, und endlich die Wassergenossenschaft einen Betrag von 20 %. Bisher bestand die Übung, dass die Anrainer die Erstellung und die Erhaltung der Wuhre zu besorgen haben, und die betreffenden Güter sind auch bei Besitzübernahmen niedriger verkauft und eingeschätzt worden, gerade in Rücksicht auf die Lasten, die wegen der Erhaltung der Wuhre darauf haften. Es ist auch in Aussicht genommen, dass diese Wassergenossenschaft die Erhaltung derselben zu übernehmen habe. Was allfällige Mehrkosten betrifft, ist im Gesetze in Aussicht genommen, dass dieselben ebenfalls der Wassergenossenschaft zufallen. Das erscheint vollauf gerechtfertigt, weil dieselbe eigentlich die ganze Regulierung und Erhaltung zu tragen Hütte, wenn es ihr möglich wäre. Wenn man ihr aber 8O% abnimmt, dürfte es gerechtfertigt sein, dass sie wenigstens die etwaigen Mehrkosten zu tragen hat. Ich glaube nun, es werde von Seite des hohen Hauses keinem Anstande unterliegen, dass auch in diesem dringenden Falle die Hilfe des Landes gewährt werde. Hoffen wir, dass das Werk bald zur Ausführung gelange und vollständig gelinge, damit auch die Bewohner von Bizau ruhig schlafen können, was in letzter Zeit oft thatsächlich nicht der Fall war, weil es in den letzten Jahren wiederholt vorgekommen ist, dass mitten in der Nacht Sturm geläutet wurde, und Alt und Jung aus den Häusern eilte, um wenigstens das eigene Leben zu retten, wenn sonst nichts mehr zu retten wäre. Ich empfehle Ihnen daher den Antrag des volkswirtschaftlichen Allsschusses zur Annahme, welcher lautet (liest): Der hohe Landtag wolle beschließen: "Dem beiliegenden Gesetzentwürfe, betreffend die Verbauung und Regulierung des Bizauer Baches in den Gemeinden Bizau und Reuthe, wird die Zustimmung ertheilt." Ich empfehle Ihnen also, in die Specialberathung dieses Gesetzentwurfes überzugehen. Landeshauptmann: Ich eröffne über den Gesetzentwurf die Generaldebatte. Wenn sich niemand weiter zum Worte meldet, gehen wir zur Specialdebatte über. Ich erlaube mir an den Herrn Berichterstatter und die übrige> Herren die Bitte, bei der Verlesung der Paragraphen auf Druckfehler achtzugeben, nachdem der Bericht erst seit kurzer Zeit in unseren Händen sich befindet, damit wir in dieser Beziehung feinen Anstand haben. Jodok Fink: § 1. Landeshauptmann: Wer wünscht zu § 1 das Wort. - Wenn keine Einwendung erfolgt, betrachte ich denselben als angenommen. Jodok Fink: 8 2.Landeshauptmann: Keine Bemerkung betrachte ich als Zustimmung zu § 2. Derselbe ist angenommen. XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. 111 Jodok Fink: § 3. Landeshauptmann: Wenn niemand das Wort wünscht, erkläre ich § 3 als angenommen. Jodok Fink: § 4. Landeshauptmann: § 4 ist angenommen. Jodok Fink: § 5. Landeshauptmann: § 5 ist angenommen. Jodok Fink: § 6. Landeshauptmann: § 6 ist angenommen. Jodok Fink: § 7. Landeshauptmann: Ebenfalls angenommen. Jodok Fink: § 8. Landeshauptmann: Angenommen. Jodok Fink: § 9. Landeshauptmann: Ebenfalls angenommen. Jodok Fink: (Liest Titel und Eingang des Gesetzes.) Landeshauptmann: Wenn gegen Titel und Eingang des Gesetzes keine Einwendung erfolgt, betrachte ich dieselben als angenommen. Jodok Fink: Ich beantrage die dritte Lesung des Gesetzentwurfes. Landeshauptmann: Wird gegen diesen Antrag eine Einwendung erhoben? Es ist das nicht der Fall, somit ersuche ich jene Herren, welche dem Gesetzentwurfe, wie er aus der Berathung in der zweiten Lesung hervorgegangen ist, ihre Zustimmung geben, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Der Gesetzentwurf ist zum Beschlusse erhoben. Der nächste Gegenstand unserer heutigen Tagesordnung ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses in Betreff Schaffung einer Landes-Renten- und Lebensversicherungsanstalt. Wegen der Kürze der Zeit, welche dem volkswirtschaftlichen Ausschüsse nach Bewältigung seiner sonstigen zahlreichen Arbeiten zur Verfügung stand, war es dem Herrn Berichterstatter nicht möglich, den Bericht noch zu einer Zeit fertig zu stellen, dass er noch vor der Sitzung hätte in Druck gelegt werden können. Nachdem dieser Gegenstand aber sehr wichtig ist, und andererseits eine Verschiebung desselben nicht thunlich erscheint, habe ich denselben zur mündlichen Berichterstattung auf die Tagesordnung gesetzt. Der heute vom Herrn Berichterstatter verlesene Bericht wird aber nachträglich in Druck gelegt und den Herren als Beilage zu den stenographischen Protokollen zugestellt werden. Nach diesen Bemerkungen bitte ich den Bericht zu verlesen. Jodok Fink: (liest Bericht und Anträge nach Beilage XLIV.) Das wären also die Anträge des volkswirtschaftlichen Ausschusses. Ich werde mir nun erlauben nur mit ein paar Worten auf das im Berichte Gesagte zurückzukommen. Vor allem anderen steht im Berichte eine Bemerkung darüber, dass nach der Anschauung des volkswirtschaftlichen Ausschusses die Einführung und Perfectionierung der sogenannten Volksversicherung in Vorarlberg keine große Ausdehnung erfahren würde. Der volkswirtschaftliche Ausschuss ist nämlich der Anschauung, dass der gleiche Zweck billiger und leichter durch die vorhandenen Raiffeisenvereine, insbesonders aber durch die sogenannten Zwangssparvereine erreicht werden könnte. Solche Zwangssparvereine sind ja in einzelnen Gemeinden schon vorhanden, ich glaube aber wohl sagen zu dürfen, dass es zur Förderung des Sparwesens in Vorarlberg sehr viel beitragen würde, wenn noch in vielen anderen Gemeinden solche freiwillige Zwangssparvereine errichtet würden. "Freiwillig" in soweit, dass sich jene, welche sich zusammenthun, eine solche Zwangsspargesellschaft zu errichten, aus freiem Willen zusammenthun, einen solchen Verein zu gründen und sich aus freiem Willen dazu verpflichten, durch eine gewisse Reihe von Jahren einen bestimmten Beitrag als Ersparnis zurückzulegen. Der kleinste Betrag, welcher nach dem Brauche in den bisher errichteten 112 XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. Sparvereinen zulässig ist, ist 10 h in der Woche, nach oben ist keine Grenze gegeben. In Dornbirn z. B. sehen wir, dass die freiwillige Grenze der Mitgliederbeiträge nach oben auf 2 K wöchentlich gestellt wurde, weil kein Mitglied, das sich diesem Vereine angeschlossen hat, sich verpflichtete, einen höheren Betrag wöchentlich einzulegen. Die Institution dieser Spargesellschaften ist meines Wissens aus der Schweiz nach Vorarlberg herübergekommen. In der Schweiz hat man diese Spargesellschaften schon viel länger, und wie schon gesagt, werden diese wöchentlichen Beiträge von den einzelnen Mitgliedern zurückgelegt und dem Cassier übergeben, und zwar so lange, bis ein gewisses Vielfache dieser wöchentlichen Beiträge erreicht ist. Die Sparvereine der Schweiz haben fast ausschließlich als dieses Vielfache das Tausendfache des Wochenbeitrages zur Regel genommen. Hier in Vorarlberg ist bei einzelnen Vereinen auch das Tausendfache, bei anderen, z. B. bei Höchst das Fünfhundertfache festgesetzt. Denn bis das Tausendfache erreicht ist, erfordert das mit Zins und Zinseszins eine Reihe von etwa 13 bis 15 Jahren, je nachdem der Zinsfuß hoch oder nieder ist. Bis das Fünfhundertfache erreicht ist, würde es sonach etwa sieben Jahre dauern. Wenn man so wöchentlich eine Kleinigkeit auf die Seite legt, und wenn in einer Gemeinde z. B. hundert oder noch mehr sich hiezu herbeilassen, so sammelt sich das sehr an; wir sehen das in der Schweiz drüben, wo das Tausendfache einer solchen Serie bereits erreicht wurde, und die Mitglieder dieser Sparvereine nach Ablauf von 14 Jahren sich eine Ersparnis von 4 bis 500.000 Franken zusammen zurückgelegt haben. Das macht in der Reihe der Jahre sehr viel aus, während man in einer Woche nur eine kleine Ersparnis zurücklegt. Ich halte dafür, dass diese Einrichtung ein sehr wohlthätiger Zweig des Ersparniswesens ist, und dass das Land denselben sehr fördern soll. Ich habe auch schon überlegt gehabt, ob ich nicht hier im Landtage einen Antrag stellen soll, dass bei Gründung solcher Sparvereine denselben ein Gründungsbeitrag aus Landesmitteln gewährt werde, ähnlich wie bei den Raiffeisenvereinen. Ich habe es aber aus dem Grunde unterlassen, weil ich weiß, dass bisher einigen diesbezüglichen Sparvereinen Gründungsbeiträge in der Höhe von 50 bis 80 Gulden von Seite des Landes-Ausschusses gewährt wurden, und weil ich hoffe, dass das in der Folge auch ohne Landtagsbeschluss geschehen werde, wenn solche neue Gründungen vorkommen und Gesuche an den Landes-Ausschuss geleitet werden. Was dann weiter noch die heute eigentlich auf der Tagesordnung stehende Frage der Lebens- und Rentenversicherung betrifft, so ist dieser Gegenstand nicht bloß hier in Vorarlberg, sondern auch in Niederösterreich schon früher in Erwägung gezogen und dort auch bereits schon activiert worden. Ich kann ferner auch mittheilen, dass der Tiroler Landtag diese Frage dermalen behandelt und zwar ganz in der gleichen oder doch in beinahe ganz gleichen Weise, wie die Anträge des volkswirtschaftlichen Ausschusses lauten. Der Tiroler Landtag ist nämlich auch der Anschauung, dass man von der Errichtung einer eigenen Landes-Lebens- und Rentenversicherungsanstalt absehen und lieber sich der schon bestehenden diesbezüglichen Landesanstalt anschließen solle. Im allgemeinen ist in Österreich, wenn wir die Statistik ansehen, das Lebensversicherungswesen gegenüber anderen Ländern noch weit zurück. In Österreich sind kaum 2% der Einwohner in einer Lebensversicherung, während Deutschland etwa 12 bis 15% versicherte Einwohner hat und in Frankreich und England gleich 30% aller Einwohner in einer Lebensversicherung sind. Das Ersparniswesen hat auch so seine Entwicklungsgeschichte. Wir wissen, dass es in früherer Zeit nicht so selten vorgekommen ist, dass einer seine Ersparnisse in der Erde vergraben hielt; später dann hat es sich dahin entwickelt, dass man seine Ersparnisse in Strümpfe hineingegeben und dann irgendwo in einem Versteck aufbewahrt hat. Etwas weiter in der Entwicklung vorgeschritten, ist man zu den Sparcassen gekommen. Diese Sparcassen sind gewiss eine sehr gute Einrichtung, aber sie sind eine freiwillige Einrichtung, und ich möchte fast sagen, im Verhältnisse zu diesen Ersparniseinrichtungen ist die Anlage in der Lebensversicherung eine Zwangseinrichtung. Denn mehr oder weniger legt sich jeder, der seine Ersparnisse in der Lebensversicherung anlegt, den Zwang auf, jährlich etwas als Ersparnis zurückzulegen und insoferne namentlich mit Rücksicht auf unsere heutigen Zeitverhältnisse halte ich diese Ersparnisweise für vielleicht die beste, wenigstens für manchen. Sich diesen XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. 113 Ersparniszwang aufzuerlegen, ist in vielen Fällen auch eine ganz gewiss uneigennützige Ersparnis; wenn einer nämlich sich auf Lebenszeit versichert, so thut er das in uneigenütziger Weise, weil er es für seine Familie zurücklegt. Wenn er keine Familie hat, so hat er vielleicht für andere Verhältnisse zu sorgen, etwa, dass er selbst im Alter einen Sparpfennig hat, da wird nun die Rentenversicherung vielleicht besser sein oder die Versicherung auf den Erlebensfall. Es sind da eben verschiedene Fälle möglich, so dass sich jeder so versichern lassen kann, wie es ihm am besten passt. Ich glaube es ist da ganz am Platze, dass auch die öffentlichen Vertretungen, hier also der Landtag, sich mit dieser Frage beschäftigen und ich möchte Ihnen noch einmal anempfehlen, die Anträge des volkswirtschaftlichen Ausschusses anzunehmen. Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Anträge des volkswirtschaftlichen Ausschusses die Debatte. Ölz: Weil ich nicht Mitglied des volkswirtschaftlichen Ausschusses bin, werde ich mir erlauben, hier meine Ansicht dahin auszusprechen, dass ich es nämlich begrüße, dass der volkswirtschaftliche Ausschuss mit diesen Anträgen vor das hohe Haus gekommen ist. Es ist das Versicherungswesen heute eine gar brennende Frage, ich möchte sagen eine Frage, welche die ganze Gesellschaft berührt. Daher ist es sehr wohl am Platze, dass sich der Landtag damit beschäftigt. Es wäre mir freilich lieber gewesen, wenn wir tut Lande Vorarlberg so stark wären, dass wir eine eigene Anstalt hätten gründen können. Da dies bei der Kleinheit unseres Landes nicht möglich ist, hat der volkswirtschaftliche Ausschuss wohl Recht gehabt, wenn er sich umgesehen, ob irgend ein Anschluss bei einer anderen Anstalt möglich wäre. Der im Vorjahre von Tirol gefasste Plan, eine eigene Lebens- und Rentenversicherungsanstalt zu gründen, ist aufgegeben worden, und infolge dessen auch für uns die Frage entfallen, ob wir uns mit Tirol zur Gründung einer solchen Anstalt vereinigen sollen. Die Tiroler sind, nachdem sie die Frage studiert hatten, ebenfalls auf den den gleichen Standpunkt gekommen, wie die Kärntner. Das Land Kärnten hat, wie der Herr Abg. Jodok Fink in seinem Berichte bereits dargethan hat, den Anschluss an Niederösterreich schon vollzogen. Man hat sich dort offenbar auch gesagt, die Gründung einer eigenen Anstalt wäre nicht gut für ein so kleines Gebiet, da die Spesen zu groß wären. Es ist besser, wenn man sich an eine schon bestehende Landesanstalt anschließt. Überhaupt ist es rentabler und für die Versicherten viel vortheilhafter, wenn diese Gesellschaften eine große Entwicklung erlangen, denn die Spesen verringern sich, je größer die Gesellschaft ist. Wir stehen nun vor der Frage, ob wir diesen Anschluss mit Niederösterreich vollziehen sollen. Nach den Erhebungen und Verhandlungen, ist das LandesAusschusssubcomite und dann der Landes-Ausschuss dazu gekommen, den Anschluss au Niederösterreich zu befürworten. Es ist aber im vorgelesenen Berichte nicht ganz genau gesagt, unter welchen Bedingungen das geschehen wird resp. soll. Ich hätte es nicht ungern gesehen, wenn uns der Vertrag, den Kärnten mit Niederösterreich abgeschlossen hat, bekannt gegeben worden wäre. Es wäre doch von Interesse, wie dieser Vertrag gemacht worden ist. Es ist allerdings betont worden, dass wir jetzt den Anschluss nicht so vollziehen können, wie Kärnten ihn hat, weil wir vorher noch eine Statutenänderung vollzogen wissen möchten. Aber dessen ungeachtet wäre es mir lieb den Vertrag zu hören. Ich stelle daher an den Herrn Berichterstatter die Bitte uns bekannt zu geben, wie dieser Vertrag lautet und auf wielange er Rechtskraft hat. Wir haben dann ungefähr ein Bild, wie die Anträge für das nächste Jahr ausschauen könnten. Dann möchte ich den Herrn Berichterstatter auch noch um etwas ganz anderes bitten. Er hat uns wohl die niederösterreichische Anstalt anempfohlen, aber er hat uns etwas nicht gesagt, was für uns zu wissen auch angenehm märe, nämlich, was diese Anstalt in den letzten zwei Jahren für Geschäfte gemacht hat. Es ist, wenn mau sich an ein Institut anschließt, denn doch von großem Interesse zu wissen, wie dieses Institut sich bis jetzt bewährt hat. Es war ohne Zweifel für die Niederösterreicher eine große Aufgabe, als sie diese Gründung beschlossen haben. Die bestehenden Gesellschaften waren auf die Gründung einer solchen Landesanstalt natürlich sehr böse zu sprechen und haben alles aufgeboten, um ja diese Anstalt nicht zur Blüte kommen zu lassen. Es wäre daher, wie gesagt, aus diesem Grunde angezeigt, wenn der Herr Abg. Jodok Fink uns das bekanntgeben würde. 114 XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. Im allgemeinen kann ich nur sagen, dass mir der Anschluss an diese Landesanstalt ganz besonders gefällt, und ich glaube, wir handeln da vollkommen im Interesse der Versicherten und des Versicherungswesens selbst. Der Herr Abg. Jodok Fink hat uns schon gesagt, dass das Versicherungswesen bei uns in Österreich eigentlich noch im Argen liegt; bei uns seien nur 2% der Einwohner in einer Lebensversicherung, während andere Länder viel höhere Procentsätze zeigen. Das ist wohl zum großen Theile dem Umstande zuzuschreiben, dass wir bis jetzt in Österreich Versicherungsanstalten hatten, denen einmal zu wenig Vertrauen entgegengebracht wurde. Einerseits waren es Actiengesellschaften, und da hat sich jeder, der sich versichern ließ, gesagt, zuerst muss ich für die Herren die Dividenden bezahlen und dann erst bekomme ich etwas. Man hat hier vielleicht keine Zweifel in die Verwaltung gesetzt, weil diese Anstalten, die meisten wenigstens, große Fonde haben. Bei den gegenseitigen Versicherungen hingegen hat man sich wegen der Verwaltung gefürchtet, und das hat auch seine Gründe gehabt, wie Sie ans bekannten Thatsachen wissen. Der Hauptumstand also, warum bei uns das Versicherungswesen noch so im Argen liegt, ist der, dass wir unseren bestehenden Versicherungsgesellschaften zu wenig Vertrauen entgegengebracht haben, und andererseits wurde auch der Betrieb dieser Gesellschaften nicht richtig in die Hand genommen. Die Leute, die man hinausgeschickt hat in die Provinzen, waren oft von einer solchen Qualität, dass man sich aus Vorsicht zu einer Versicherung nicht herbeilassen wollte. Das wird nun, wenn für das Land eine Lebens- und Rentenversicherungsanstalt gegründet wird, d. h. wenn der Anschluss erfolgt, ganz anders werden. Da hat dann jeder in Zukunft bei der Versicherung das Gute, dass ihm erstens niemand den Gewinn vorher wegnimmt, und zweitens, dass die Verwaltung eine gute ist. Dann hat man noch die ganz bestimmte Versicherung, dass die Regiespesen bei der niederösterreichischen Lebens- und Rentenversicherungsanstalt verhältnismäßig klein sein werden. Es ist ja selbstverständlich, dass bei der Einführung etwas mehr Spesen aufgehen, aber wenn die Anstalt Boden gefasst hat, wird das bald besser werden. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Pensionierung der Beamten nicht auf Kosten der Gesellschaft erfolgt, sondern dass die Pension von Seite des Landes Niederösterreich gr zahlt wird. Man wird vielleicht auch sagen, es sei jetzt nicht gut, einer so jungen Gesellschaft beizutreten, da man lange nicht zu einer Prämie komme. Nun das ist einerseits wohl richtig; aber andererseits muss bedacht werden, dass bei der großen Unterstützung, die die Anstalt besonders von Seite des Mutterlandes genießt, die nothwendigen Fonde bald eine solche Höhe erreichen werden, dass Prämien ausgefolgt werden können. Ich kann also nur wärmstens die Anträge des volkswirtschaftlichen Ausschusses nach meinen Auseinandersetzungen begrüßen und ihnen zustimmen. Den Herrn Abg. Fink -möchte ich noch bitten, diese von mir vorhin erbetenen Aufschlüsse zu ertheilen. Landeshauptmann: Wer wünscht noch weiter das Wort? Ganahl: Der geehrte Herr Vorredner hat darauf hingewiesen, dass die Versicherung in Österreich in viel kleinerem Maßstabe betrieben wird als in anderen Ländern. Diese Thatsache hat er aber meiner Ansicht nach unrichtiger Weise dem Umstande zugeschrieben, dass bisher nur Actiengesellschaften existieren, denen man kein Vertrauen entgegenbringen kann. Ich glaube, das ist doch etwas zu weit gegangen, wir haben in Österreich solche Versicherungsgesellschaften wie in anderen Ländern, welche ein unbedingtes Vertrauen verdienen. Ich möchte dies nur zur Ehre dieser Anstalten sagen; deswegen, weil es Actiengesellschaften gibt, welchen kein Vertrauen entgegengebracht werden kann, darf man die Sache doch nicht so generalisieren. In anderen Ländern, in welchen das Versicherungswesen sehr entwickelt ist, sind meistens Actiengesellschaften, welche einen Blütestand des Versicherungswesens haben. Im übrigen habe ich auch nichts dagegen einzuwenden, wenn die Länder sich um das Versicherungswesen interessieren; freilich diese christlich-sociale Schöpfung ist mir von etwas zu jungen Tagen, und es wäre wünschenswert, wenn man da noch einige Jahre verstreichen ließe, nm mehr Erfahrung zu sammeln. Das volle Vertrauen bringe ich dieser Schöpfung nicht entgegen. XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900, 115 Ölz: Ich muss nur dem Herrn Landeshauptmannstellvertreter mit einigen Worten entgegnen. Ich glaube, er hat mich doch etwas zu scharf aufgefasst, wenn er behauptet, ich hätte gesagt, man habe den Actiengesellschaften kein Vertrauen entgegengebracht. Ich glaube mich in dem Sinne ausgesprochen zu haben, dass man denselben nicht zugcströmt sei, oder man habe sich dort nicht mehr gerne versichern lassen, weil in erster Linie der Profit wegenommen worden ist. Sonst habe ich beigefügt, wird man ihnen kein Misstrauen entgegen bringen können, weil sie doch an und für sich große Fonde haben. Dies zur Richtigstellung. Was das andere, die politische Seite anlangt, so kann ich nur sagen, dass in Niederösterreich in dieser Frage wohl alle Parteien einig sind. Da hat es keine Christlichsocialen und keine anderen gegeben mit Ausnahme jener, welche bei einer solchen Unternehmung speciell betheiligt waren; dass diese nicht dafür waren, ist selbstverständlich. Es sitzen dort im niederösterreichischen Landtage Herren der Minorität wie bei uns, und wäre einmal etwas zu rügen, so wäre denselben genügend Gelegenheit gegeben, und zwar nicht bloß Gelegenheit, dies öffentlich zu thun, sondern auch in den Ausschüssen. Es hat nämlich die niederösterreichische Landesanstalt die Verpflichtung, jährlich dem LandesAusschusse und dem Landtage Bericht zu erstatten und Rechnung zu legen. Wenn etwas nicht in Ordnung wäre, könnten die Herren die Gelegenheit voll und ganz benützen, an dieser christlich-socialen Einrichtung und Gründung zu rügen, was nicht in Ordnung ist. Dr. Schmid: Ich erlaube mir, an den Herrn Berichterstatter die Frage zu stellen, ob der Anschluss von Seite Kärntens an die niederösterreichische Anstalt bereits eine vollendete Thatsache ist, oder ob gegenwärtig noch Unterhandlungen laufen, und wann oder seit wann die Thatsache vollendet ist. Landeshauptmann: Ich glaube, es würde zur Abkürzung der Debatte passend sein, wenn der Herr Berichterstatter zwischen hinein die paar Fragen beantworten würde, welche von Herrn Ölz und Dr. Schmid gestellt worden sind. (Martin Thurnher: Dann geht die Debatte erst recht los!) Jodok Fink: Wenn es gewünscht wird, werde ich in erster Linie das Abkommen zwischen dem Kärtner- und dem niederösterreichischen LandesAusschusse, betreffend den Anschluss Kärntens an die niederösterreichische Landesanstalt, verlesen; in diesem Abkommen ist auch der Termin enthalten, wann der Anschluss erfolgt ist und die Zeit, auf wie lange der Anschluss vorläufig festgestellt ist: (liest) Übereinkommen, abgeschlossen zwischen dem Landes-Ausschusse des Erzherzogthums Österreich unter der Enns als statutarischem Vertreter der niederösterreichischen Landes-Lebens- und Rentenversicherungsanstalt einerseits und dem Landes-Ausschusse des Herzogthums andererseits, wie folgt: § 1. Der niederösterreichische Landes-Ausschuss verpflichtet sich, eine Zweigniederlassung der niederösterreichischen Landes-Lebens- u. Rentenversicherungsanstalt für Kärnten mit dem Sitze in Klagenfurt unter den in diesem Übereinkommen stipulierten Modalitäten und Bedingungen ins Leben zu rufen. § 2. Das Land Kärnten stellt für diese Zweigniederlassung der niederösterreichischen Landes-Lebens- und Rentenversicherungsanstalt die erforderlichen Amtsräume (2 Zimmer) sammt nothwendiger Einrichtung unentgeltlich zur Verfügung, und trägt die Kosten der Instandhaltung, Beleuchtung, Beheizung und Reinigung derselben, sowie jene der Bedienung des Personales. § 3. Die Aufstellung der Geschäftsführer für die Zweigniederlassung ist im Einvernehmen mit dem Kärtner Landes-Ausschusse derart vorzunehmen, dass ihre Vollmachten von diesem unter Anschluss einer Empfehlung mit dem Wortlaute: "Herr N. N. wird zum Abschlüsse von Versicherungsanträgen für die niederösterreichische Landes-Lebens- und Rentenversicherungsanstalt empfohlen, " mitunterfertigt werden. Der Kärtner Landes-Ausschuss verpflichtet sich ausdrücklich, die Zwecke der niederösterreichischen Landes-Lebens- und Rentenversicheruugsanstalt thunlichst zu fördern und zu unterstützen. 116 XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. §4. Das Land Kärnten leistet für die Bildung eines eigenen Aufbesserungsfondes einen vom Landtage jährlich festzusetzenden Betrag, welcher fruchtbringend anzulegen und im Sinne des § 14 der Satzungen der niederösterreichischen Landes-Lebens- und Rentenversicherungsanstalt ausschließlich für in Kärnten heimatberechtigte, oder mindestens 3 Jahre im Lande wohnhafte Mitglieder zu verwenden ist. Dieser Betrag wurde für das Jahr 1899 mit fl. 2000- = K 4000-- festgesetzt. Die Verwaltung dieses Fondes, auf welchen der niederösterreichischen Landesanstalt keinerlei Einfluss zusteht, und die Art der Verwendung desselben bleibt dem kärntnerischen Landes-Ausschusse vorbehalten. § 5. Dem Aufbesserungsfonde werden von allen durch die kärntnerische Zweigniederlassung und deren Geschäftsführer im Lande Kärnten erzielten Geschäften der Capitalsversicherung 2%0, das ist zwei Gulden von Eintausend Gulden der Versicherungssumme unter der Voraussetzung zugewiesen, dass für die betreffenden Versicherungen eilt Jahr lang die Prämien gezahlt wurden. § 6. Die niederösterreichische Landesanstalt trägt sämmtliche mit der Organisation, Förderung und Ausgestaltung des Unternehmens, sowie die mit der Aquisation zusammenhängenden Auslagen, insbesonders die Beamtengehalte und Pensionen, sowie die Vergütung an die Geschäftsführer. § 7. Die niederösterreichische Landes-Lebens- und Rentenversicherungsanstalt ist verpflichtet, einen solchen Theilbetrag ihrer Gesammtprämienreserven, welcher jeweils beiläufig der Prämienreserve für die im Kronlande Kärnten bestehenden Versicherungen entspricht, nach Thunlichkeit in Pfandbriefen der kärntnerischen Landes-Hypothekenanstalt anzulegen. § 8. Der kärntnerische Landes - Ausschuss ist zur Prüfung der Gesammtgeschäftsgebarung der Zweigniederlassung der niederösterreichischen Landes-Lebens- und Rentenversicherungsanstalt und zur jährlichen wenigstens viermaligen Scontrierung der Cassa berechtigt und verpflichtet. § 9. Der kärntnerische Landes-Ausschuss verpflichtet sich schließlich während des Bestandes dieses Übereinkommens weder ein Concurrenzunternehmen selbst zu errichten, noch ein solches in irgend einer Art im Kronlande zu unterstützen oder zu fördern. § 10. Dieses Übereinkommen ist zunächst auf die Dauer von zehn Jahren geschlossen und tritt mit 1. Juli 1899 in Kraft. Jedem Vertragstheile steht das Recht zu, dasselbe vor Ablauf der stipulierten Vertragsdauer einjährig aufzukünden. Ist jedoch diese Kündigung bis 1. Juli 1909 nicht erfolgt, so gilt dasselbe stillschweigend auf weitere zehn Jahre verlängert. Das wäre also die Antwort auf die eine Frage. Herr Ölz hat dann auch gefragt, welche Geschäftsumsätze die niederösterreichische Landes-Lebens- und Rentenversicherungsanstalt seit ihrem Bestände gemacht habe. Ich habe hier die neueste Mittheilung, nämlich ein Telegramm, das heute während der Sitzung angekommen ist. Ich muss bemerken, dass die betreffende Anstalt nicht am 1. Jänner 1898 ins Leben getreten ist, sondern erst im Laufe des Jahres. Das Telegramm lautet: (liest) "Im Jahre 1898 ausgestellt 6, 800.000 K Capital und 24.000 K Rente, im Jahre 1899 ausgestellt 14, 300.000 K Capital und 50.000 K Rente, zusammen 21, 100.000 K Capital und 74.000 K Rente. Fuchshuber." Also im Jahre 1898 war das Versicherungscapital 6, 800.000 K, auf Rentenbezüge 24.000 K, im Jahre 1899 ein Versicherungscapital von 14, 300.000 K, auf Rentenbezüge waren versichert 50.000 K. Wenn wir in Betracht ziehen, dass man eigentlich bei der Rentenversicherungsanstalt diese 50.000 K zu kapitalisieren hätte, um die eigentliche Versicherungssumme zu suchen, so sehen wir, dass diese Landes-Lebens- und Rentenversicherungsanstalt bereits zu Beginn ihres Bestandes schon beinahe alle österreichischen Versicherungsanstalten in Bezug auf den Geschäftsbetrieb oder die Größe des Unternehmens überflügelt hat. XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtages, iv. Session, 8. Periode 1900. 117 Johannes Thurnher: Ich stehe der Sache sehr kühl gegenüber, und es hat ziemlich viel gebraucht, bis ich durch lange Erörterungen dazu bekehrt morden bin, heute wenigstens im Principe für den Anschluss an die niederösterreichische Anstalt zu stimmen. Ich habe nur deshalb um das Wort gebeten, weil der Herr Landeshauptmannstellvertreter die politische Seite gestreift hat durch seine Äußerung über das Misstrauen oder wenigstens das nicht gehörige Vertrauen für diese Schöpfung der Christlichsocialen in Niederösterreich. Nun der Herr Landeshauptmannstellvertreter kann ans dem heutigen Vorgehen und aus dem Vorgehen des Ausschusses ersehen, dass wir mindestens ebenso vorsichtig oder eigentlich vorsichtiger auftreten, als es eine liberale Vertretung, nämlich der Kärntner Landes-Ausschuss gethan hat. Mir scheint, dass bei dem Kärntner Landes-Ausschusse bezüglich dieser christlichsocialen Schöpfung doch mehr Vertrauen herrscht, als bei uns selbst in conservativen Kreisen. Landeshauptmann: Wer wünscht noch weiter das Wort? Da sich niemand mehr meldet, ist die Debatte geschlossen; der Herr Berichterstatter hat das Wort. Jodok Fink: Den letzten Worten des sehr verehrten unmittelbaren Herrn Vorredners will ich noch beifügen, dass wir ja auch verlangen, dass die Satzungen der niederösterreichischen LandesLebens- und Rentenversicherungsanstalt zuerst geändert werden müssen, bevor wir uns überhaupt darauf einlassen. In Kärnten ist nicht einmal das geschehen, sondern man ist darauf eingegangen unter Bedingungen und Satzungen, aus welchen man ganz genau ersehen musste, dass eigentlich ein Theil des Gewinnes den niederösterreichischen Landeskindern zugute kommt. Wie aus dem Berichte hervorgeht, haben wir das nicht für zulässig erklärt, sondern gesagt, dass zuerst die Bedingungen geändert werden und die Anstalt auf voller Gegenseitigkeit beruhen müsse, damit man sich mit vollem Vertrauen anschließen und den Vorarlbergern, die sich in diese Lebensversicherung aufnehmen lassen wollen, die Versicherung geben kann, dass sie ganz gleich wie die andern ? am Gewinne theilnehmen können. Ich schließe mich den Anschauungen des Herrn Ölz voll und ganz an, insbesondere auch dort, wo er gesagt hat, - oder wenigstens ist dieses aus seiner Rede hervorgegangen - dass unter Umständen die Actiengesellschaften noch nicht die schlechtesten wären, weil sich nämlich schon ein gewisses Capital angesammelt hat und dadurch eine gewisse Garantie für die Versicherten gewährt ist. Ich habe auch die Überzeugung, dass wir namentlich in Österreich verschiedene Gegenseitigkeits-Gesellschaften haben, welche den Aktiengesellschaften nicht vorzuziehen sind. Die Geschäfte, welche sie machen, und die damit verbundenen viel zu hohen Regiekosten ihrerseits, dann die Verwaltung derselben sind derart, dass es wohl außer Zweifel ist, dass bei der einen oder andern Actiengesellschaft der Versicherte noch besser steht, als bei einer nicht gut eingerichteten Gegenseitigkeitsgesellschaft, die nicht viele Geschäfte machen, sehr hohe Regiekosten haben, und deren Verwaltung nicht recht vorsichtig ist. Wir wissen, dass bei der Controle, welche seitens des Staates im neuen Jahre vorgenommen worden ist, bei solchen Gegenseitigkeitsgesellschaften bedeutende und einschneidende Anordnungen getroffen worden sind. Zum Theile waren solche Lebensversicherungsgesellschaften nicht immer gerade selbst schuld; es ist z. B. eine dieser Gesellschaften in früheren Jahren gegründet worden, und man hat damals damit gerechnet, dass die Prämienreserven zu 4 ½% angelegt werden können. Nun nach dem Zinsfüße, der in den letzten Jahren bestand, konnten diese Prämienreserven höchstens zu 3 1/2% angelegt werden, und das macht einen riesigen Eindruck auf die zugrunde gelegten Berechnungen. Insofern hat die Macht der eingetroffenen Zeitverhältnisse da mitgewirkt, und da muss ich sagen, dass gerade bei der niederösterreichischen Anstalt bei der Gründung dies in Berücksichtigung gezogen worden ist, indem auch entsprechende Prämiensätze gestellt worden sind, dass man nicht mit 4 1/2% Anlagen, sondern mit 3% rechne. Im allgemeinen habe ich nur noch beizufügen, dass nämlich für den kleinen Gewerbe- oder Bauernstand die Lebensversicherung sehr in Erwägung gezogen werden soll. Wir haben zwar zur Entschuldung des Bauernstandes die Landeshypothekenbank eingeführt; diese wird, wie bisher, das ihrige beitragen. Soll aber der Bauernstand nicht bei jeden: Besitzübergange, wenigstens beim Grundbesitze, vom Vater auf die Kinder, wieder neu belastet werden, und sollen bei diesen: Übergange, ich will nicht sagen alle Früchte der Landeshypothekenbank, aber ein großer Theil derselben 118 XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. illusorisch werden, wird es sehr gut sein, dass soweit als möglich ein solcher Familienvater sich sein Leben versichert, sodass, wenn er stirbt und die Kinder zum Theilen kommen, wobei dann in der Regel nicht jedes ein Stück Grund und Boden übernehmen kann, sondern gewöhnlich einem oder zweien das Anwesen übergeben werden muss, mit der Auslösungssumme nicht das Gut neu belastet werden muss, sondern dieselbe durch einen Theil der Lebensversicherung bestritten werden kann. Dies ist gewiss auch ein Moment, das in Erwägung zu ziehen ist. Ich empfehle noch einmal die Anträge zur Annahme. Landeshauptmann: Die vom volkswirtschaftlichen Ausschüsse gestellten Anträge lauten: (Verliest nochmals obige Anträge nach Beilage LXIV.) Ich kann wohl beide Anträge unter einem zur Abstimmung bringen und ersuche jene Herren, welche den Anträgen ihre Zustimmung geben wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Dieser Gegenstand ist somit erlediget. Wir kommen zum 3. Punkte der Tagesordnung, das ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über die Eingabe der Gemeinde Alberschwende um einen Beitrag zu den Straßenerhaltungskosten. Es wird über diesen Gegenstand in Anbetracht der vorgerückten Zeit Herr Abg. Kohler als Berichterstatter mündlich referieren. Ich bitte ihn, dazu das Wort zu ergreifen. Kohler: Hohes Haus! In ihrem Gesuche, das uns vorliegt, beruft sich die Gemeinde Alberschwende auf zwei wichtige Gründe. Der eine besteht darin, dass die Gemeinde Alberschwende durch die durch ihr Gebiet führende Bregenzerwälderstraße unverhältnismäßig belastet worden sei, indem diese Straße für sie eine Länge von 9160 m zur Einhaltung habe. Es ist nicht zu bestreiten, dass allerdings für eine solche Gemeinde eine solche Straßenstrecke nebst ihren übrigen Straßen und Wegen, die sie ja noch haben wird, unverhältnismäßig groß erscheint. Es ist auch bekannt und nirgends bestritten, dass dieser Grund für ihre Petition besteht. Als zweiten Grund, der vielleicht noch schwerer wiegt, führt die Gemeinde an, dass sie unglücklicherweise in ihrem Gebiete keine Schottergruben besitze, und dieser Umstand natürlich die Kosten ihrer Straßenerhaltung in bedenklicher Weise steigere. Es ist das ebenfalls eine Thatsache, die bisher noch von keiner Seite bestritten wurde, aber ob sie ganz richtig ist, kann ich nicht sagen, weil ich nicht jeden Winkel, jeden Theil der Gemeinde genau kenne. Das weiß ich, dass allerdings der Schotter aus den Gebieten der Gemeinden Schwarzach und Bildstein zugeführt wird, und dass er oft noch in mühseligster Weise aus den Gräben und kleinen Bächen hervorgeholt werden muss, wo dann noch die Zerkleinerung unverhältnismäßige Kosten verursacht. Es müssen also wohl diese beiden Gründe als richtig anerkannt werden. Bezüglich der Kosten gibt das Gesuch nur an, dass sich dieselben näher auf 4000 als auf 3000 fl. durchschnittlich jährlich belaufen, ohne gewisse Frohnden, die auch noch dazu zu rechnen sind. Nach dem, was wir aus den Verhandlungen der Vergangenheit ja wissen, hat sich die Gemeinde immerfort bemüht, diese ihr aufgeladenen allzugroßen Lasten zu erleichtern und war daher bestrebt, den schon beinahe durchgeführten Gedanken einer Coucurrenz verwirklichen zu helfen, wobei sie eine Entlastung zweifellos hätte erfahren müssen. Nun ist in letzter Zeit nicht bloß in der Gemeinde Alberschwende die Calamität der Straßenfrage zutage getreten, sondern auch auf dem heraußen liegenden Gebiet der Hofsteigergemeinden, und es sind Schritte gethan worden, mm diesen zur Einhaltung verpflichteten Gemeinden durch Wegmauten zu Hilfe zu kommen. Das Gesuch für diese Wegmauten, die eigentlich früher schon bestanden und leider ohne hinreichenden Grund aufgelassen wurden, ist jetzt eingereicht. Das ist also eine Thatsache, die jetzt auch in Erwägung zu ziehen sein wird. Was die Frage der Concurrenz betrifft, so muss am Bestreben, eine solche zustande zu bringen, immer festgehalten werden. Aber dass jetzt der Moment sehr ungünstig ist, ist selbstverständlich. Denn gerade der Moment, wo man im Begriffe steht, die Bregenzerwaldbahn zu bauen Utld also Hoffnung hat, dass sich die Straßenverhältnisse für manche Gemeinden ganz anders gestalten werden, ist nicht geeignet zur Bildung einer Concurrenz. In Erwägung dieser Gründe hat nun der volkswirtschaftliche Ausschuss sich entschlossen, XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. 119 Anträge zu stellen, welche die wohlberechtigten Ansprüche der Gemeinde Alberschwende anerkennen und selbst noch anerkennen müssen, wenn auch manche Bedenken geäußert wurden, ob wohl die Gemeinde Alberschwende vollauf allen Anforderungen nachgekommen sei. Die Thatsache lässt sich nicht bestreiten, dass die Gemeinde wirklich überlastet ist. Der Ausschuss wollte also solche Anträge stellen, die es möglich erscheinen lassen, dass doch dem Übel im wesentlichen abgeholfen würde. Er konnte sich einer großen Sorge nicht entschlagen, dass nämlich, wenn diese Zustände fortdauerten, eine wahre Calamität gerade jetzt, wo noch die Straße zur Zeit des Bahnbaues weit mehr in Anspruch genommen wird, entstehen könnte, und dass es dann doch der politischen Behörde mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln nicht möglich ist, so einzugreifen, wie eingegriffen werden müsste. Die Anträge, die also der Ausschuss nach langen und eingehenden Berathungen in dieser Frage dem hohen Hause stellen muss, lauten wie folgt: Der hohe Landtag wolle beschließen: "1. Der Landes-Ausschuss wird beauftragt, die Errichtung einer Straßen-Concurrenz in geeignetem Zeitpunkte anzubahnen, unterdessen aber zum Zwecke der Ermöglichung der besseren Einhaltung der Straße dahin zu wirken, dass die Eingänge der in Aussicht stehenden Wegmaut insbesondere auch für die Einhaltung der Straße im Gebiete der Gemeinde Alberschwende verwendet werden. 2. Der Landes-Ausschuss wird ferner beauftragt, unter der Voraussetzung und Bedingung, dass die Gemeinde Alberschwende selbst das ihrige zur Verbesserung der Straße gethan hat, behufs einer einmaligen Unterstützung dieser Gemeinde dem Landtage in der nächsten Session Anträge zu stellen." Es gehen freilich diese Anträge schwerlich soweit, dass man begründete Hoffnung haben kann, dass einer Calamität sicher vorgebeugt werde; aber es muss doch noch das Möglichste versucht werden. Insoweit Zweifel bestehen, dass die Gemeinde Alberschwende das ihrige nicht gethan habe und nicht gesonnen wäre, das Ihre zu thun, so wird die Untersuchung, die der Landes-Ausschuss einleiten wird, diesen Punkt ins Licht stellen, was ja ganz in Ordnung ist. Was die Wegmaut betrifft, so wird sich sicher der Landes-Ausschuss auch bemühen, die sehr niedrigen Sätze, die vorläufig noch in Aussicht genommen sind, zu erhöhen, wenn die Erträgnisse dann auch der Straßeneinhaltung der Gemeinde Alberschwende dienen sollen. In welchem Zeitpunkte er dann das Zustandekommen einer Concurrenz in Angriff nehmen wird, wird seiner Erwägung überlassen bleiben müssen. Der Ausschuss glaubte auch in diesem Punkt 2, dass selbst eine einmalige Hilfe des Landes nicht ausgeschlossen werden sollte, obwohl mit derartigen Belastungen unseres Landesfondes wohl gewiss vorsichtig vorgegangen werden muss. Was den jetzigen Zustand der Straße betrifft, so ist er wohl auffallend genug, und sieht es wohl jeder ein, der hier nur durchgeht, umsomehr noch fühlt er es, wenn er fährt, in welchen Zustand diese Straße gerathen ist. Nach der Anschauung des Ausschusses, der nicht widersprochen werden konnte, würde z. B. jetzt die Instandsetzung dieser Straße in einen einigermaßen leidlichen Zustand wohl beiläufig die Summe von 10.000 fl. kosten. Ob nun diese oder jene Gründe für diesen Zustand vorhanden waren, aber dieser Thatsache gegenüber lässt sich halt nicht bestreiten, dass die Gemeinde außer Stande ist, allein und ohne Hilfe diese Aufgabe zu lösen. Ich kann daher nur namens des Ausschusses nach dieser mündlichen Berichterstattung dem hohen Hause diese beiden Anträge zur Annahme empfehlen. Landeshauptmann: Die Herren haben den mündlichen Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses und auch die Anträge gehört. Ich eröffne darüber die Debatte. Pfarrer Fink: Ich habe im volkswirtschaftlichen Ausschüsse diesem Antrage zugestimmt und werde es auch jetzt wieder thun. Doch noch eine Bemerkung möchte ich machen. Im Gesuche ist als zweiter Grund, warum die Straßeneinhaltung so theuer sei, angeführt, es sei kein Schotter dort. Dass dies nun wirklich so ist, ist mir nicht ganz wahrscheinlich, wie auch der Herr Referent fast daran zweifelt. Nun das mag sein, wie es will. Ich möchte nur die Gemeinde 120 XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. anregen, durch einen Fachmann, etwa einen Geologen, die Sache untersuchen zu lassen, ob wirklich kein Schotter zu finden sei. Es wäre bedeutungsvoll für die Zukunft, wenn man solchen Schotter in nicht zu großer Entfernung von der Straße finden könnte. Ich will dadurch kein Misstrauen auf Alberschwende werfen, sondern ich weiß, wie es mitunter geht. Im allgemeinen geht es doch so, dass der Bauer, wenn er auch merkt, dass er Schotter auf seinem Grunde hat, will, dass es verborgen bleibe, damit dieses Grundstück nicht befahren und ruiniert werde. Ich möchte den Landes-Ausschuss daher bitten, durch einen Fachmann solche Untersuchungen anstellen zu lassen, ob wirklich kein Schotter dortselbst vorhanden sei. Landeshauptmann: Wer wünscht noch das Wort? Da sich niemand meldet, ist die Debatte geschlossen.