18990424_lts014

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Letzte Änderung 03.07.2021, 10:56
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp08,lts1899,lt1899,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 14. Sitzung am 24 April 1899 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 19 Abgeordnete. Abwesend: Hochw. Bischof und Büchele. Regierungsvertreter: Herr K. k. Statthaltereirath Rudolf Graf Huyn. Beginn der Sitzung 10 Uhr 40 Min. vormittags. Landeshauptmann.- Ich erkläre die heutige Sitzung für eröffnet und ersuche um Verlesung des Protokolles der letzten Sitzung. (Secretär verliest dasselbe.) Hat einer der Herren gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung zu erheben? - Wenn das nicht der Fall ist, so ist dasselbe genehmiget. Ich habe dem hohen Hause mitzutheilen, dass sich der Herr Abgeordnete Büchele für die heutige Sitzung entschuldiget hat, weil in Lauterach am heutigen Tage das Patrociniumsfest abgehalten wird. Ferner habe ich mitzutheilen, dass an mich seitens des Herrn Abgeordneten Dr. Waibel folgende Anfrage gerichtet worden ist (liest): "In dem Berichte der Landesausschusssitzung vom 27. October 1898 findet sich unter den Beschlüssen folgender Punkt: "Auf das Stipendiengesuch des Johann Häusle von Nüziders, Hörers der Staatsgewerbeschule in Innsbruck, konnte nicht eingegangen werden." Ich erlaube mir anzufragen, welche Gründe es gewesen sind, aus denen der Landes-Ausschuss sich veranlasst gefunden hat, auf die Gewährung dieses Stipendiengesuches nicht einzugehen. Bregenz, am 24. April 1899. Dr. Waibel m. p. Abgeordneter." 244 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. Session, 8. Periode 1899. Ich bin in der Lage, dem Herrn Abgeordneten auf seine Frage nachstehende Antwort zu ertheilen: Es werden bekanntlich seit einer Reihe von Jahren seitens des Landes-Ausschusses verschiedene Stipendien vertheilt sowohl an Schüler der Staatsgewerbeschule wie auch an Besucher verschiedener Fachcurse. So ist auch unter anderem in diesem Jahre wiederum ein Gesuch eines gewissen Johann Häusle aus Nüziders eingelaufen beim LandesAusschüsse, in welchem derselbe um die Verleihung eines Landesstipendiums bittlich wurde. Dieses Gesuch wurde, durch die Direction der k. k. Staatsgewerbeschule in Innsbruck bestens befürwortet, dem Landes-Ausschusse unterbreitet. Es sind jedoch im Laufe der letzten Jahre an genannter Anstalt Vorkommnisse zu verzeichnen gewesen, welche im hohen Grade geeignet waren, das Vertrauen, welches man bis jetzt in diese Anstalt setzte, zu erschüttern. Nicht etwa aus Zeitungsberichten sondern aus vollständig unantastbarer Quelle habe ich in Erfahrung gebracht, dass an der Staatsgewerbeschule in Innsbruck im letzten Jahre unter den Schülern derartige radical-nationale Bestrebungen zutage traten, die so weit giengen, dass einem Professor von dortigen Schülern eine Katzenmusik bereitet wurde und zwar nur aus dem Grunde, weil dieser Professor sich veranlasst gesehen hat, auf diese antiösterreichischen Agitation unter den Schülern in der Lehrkörper-Conferenz aufmerksam zu machen. Der Landes-Ausschuss hat nun auf meine Anregung in der Sitzung vom 27. October v. J. folgende Zuschrift an die Direction der k. k. Staatsgewerbeschule in Innsbruck beschlossen (liest): "In Beantwortung der geschätzten Zuschrift vom 18. d. Mts., Z. 3504 beehre ich mich unter Rückschluss des Gesuches des Johann Häusle um Verleihung eines Landesstipendiums sammt Beilagen gemäß heutigen Sitzungsbeschlusses mitzutheilen, dass der Landes-Ausschuss bei den im verflossenen Schuljahre an dortiger Lehranstalt in höchst bedauerlicher Weise zutage getretenen Zuständen in den Kreisen der Schüler und bei dem offenkundigen antiösterreichischen und unbotmäßigen Geiste eines Theiles derselben dermalen nicht in der Lage ist, Landesmittel für Stipendien zur Verfügung zu stellen." Auf diese Zuschrift des Landes-Ausschusses ist dann von der Direction der k. k. Staatsgewerbeschule eine Erwiderung au den Landes-Ausschuss eingelangt, worin dieselbe sich gegen die gemachten Vorwürfe zu verwahren sucht. Wenn die Herren wünschen, so werde ich auch diese Zuschrift zu Ihrer Kenntnis bringen, damit die Sache uach allen Seiten hin klargestellt ist (liest): "Bezugnehmend auf die in dem Intimate eines hohen Landes-Ausschusses vom 27. Oktober l. J., Z. 4044 gegebene Motivierung der Ablehnung eines Stipendiengesuches des aus Nüziders in Vorarlberg gebürtigen Schülers des I. Jahrganges der k. k. Staatsgewerbeschule Johann Häusle, beehrt sich die ergebenst gefertigte Direction der Ansicht Raum zu geben, dass einem hohen Landes-Ausschusse über ven benannten Disziplinarfall, welcher im vorigen Schuljahre an dieser Anstalt zum Austrage gekommen ist, bisher keine zutreffende Information geworden sein kann. Die ergebenst gefertigte Direction fühlt sich deshalb verpflichtet, einem hohen Landes-Ausschusse zur Wahrung der Reputation genannter Lehranstalt int folgenden den amtlich festgestellten Sachverhalt der fraglichen Angelegenheit zur hochgeneigten Kenntnis zu bringen: Im vorigen Schuljahre (Ende Jänner) entdeckte ein Mitglied des Lehrkörpers dieser Schule, dass einige Schüler entgegen den wiederholt eingeschärften Disciplinarvorschriften sich an Kneipen beteiligten. Die von der gefertigten Direction hierauf mit bereitwilligster Unterstützung des Lehrkörpers sofort eingeleitete Untersuchung ergab das erwiesene Resultat, dass drei Schüler (ein gebürtiger Ausländer als Rädelsführer und zwei Tiroler) sich an Kneipereien betheiligten und hiebei deutschnationale Tendenzen vertraten. Diese drei Schuldigen, welche, indes ohne Erfolg, auch andere Schüler der Anstalt zu gleichem Thun verleiten wollten, wurden seitens der Direction sofort vom weiteren Schulbesuche suspendiert und über ausführlich motivierten Antrag des gesammten Lehrkörpers durch das hohe k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht von allen über den Kreis der Volksschule hinausreichenden öffentlichen Lehranstalten der Monarchie ausgeschlossen. Die Direction und der Lehrkörper der Staatsgewerbeschule haben durch eigene Entdeckung und Strafveranlassung in diesem bedauerlichen Falle ihre Pflicht gethan, weder beirrt durch schmähende Angriffe und lügnerisch-übertriebene Berichte gewisser Parteiblätter noch durch Drohungen und Demonstrationen seitens außerhalb dieser Schule stehenden, politisch verhetzten Personen. Man kann XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages III. Session, 8, Periode 1899. 245 wohl sagen, dass der Versuch einiger den Disciplinarvorschriften dieser Anstalt unterstehenden Schüler sich sogenannte "akademische Freiheiten" anzumaßen nicht schneller unterdrückt und strenger hätte bestraft werden können, als es hier geschah. Wenn hingegen von "offenkundig antiösterreichischen und unbotmäßigem Geiste eines Theiles der Schüler dieser Anstalt" einem hohen Landes-Ausschusse berichtet wurde, das ist von Zuständen, welche nur an einer Anstalt herrschen können, an der keine Disciplin besteht, so beruht dies offenbar auf einer höchst bedauerlichen, irreführenden Darstellung des Sachverhaltes. Ein hoher Landes-Ausschuss geruhe aus dem vorstehenden, ergebensten Berichte zu ermessen, dass diese Lehranstalt, welche seit ihrem mehr als zwanzigjährigen Bestände - sie wurde als Zeichen- und Modellierschule gegründet und fernerhin weiter ausgestaltet stets ihre Aufgabe erfüllte, auch in Hinkunft bestrebt sein wird, dies zu thun und sich des vollen Vertrauens aller Gönner derselben würdig zu erweisen. Nicht weniger als irgend eine andere Schule hat diese jederzeit das patriotische Gefühl unter ihren Zöglingen gefördert, sie hat bereits eine große Zahl von jungen Leuten, darunter viele Vorarlberger Landeskinder zu tüchtigen Fachmännern herangebildet, welche die Kronzeugen ihres Wirkens sind, und mit berechtigtem Stolze darf es gesagt werden, dass die ersprießliche Wirksamkeit der k. k. Staatsgewerbeschule in Innsbruck wiederholt die Allerhöchste Anerkennung unseres Allergnädigsten Kaisers gefunden hat." Diese Zuschrift der Direktion der k. k. Staatsgewerbeschule wurde dem Landes-Ausschusse in der Sitzung vom 28. November mitgetheilt. Ich bemerke zu dem Inhalte derselben, den ich übrigens, was die Versicherung der Pflege des Patriotismus anlangt, gerne zur Kenntnis nehme, nur folgendes: Die Thatsache, dass nach erfolgter Relegation dieser Gewerbeschüler beinahe sämmtliche Schüler der Staatsgewerbeschule dem betreffenden Professor, der die erste Anzeige gemacht, eine solenne Katzenmusik gebracht haben, wobei es auch nicht ohne directe antiösterreichische Demonstrationen hergieng, diese Thatsache habe ich nicht etwa lediglich aus den öffentlichen Blättern sondern von einer sehr competenten Seite, deren Zuverlässigkeit außer allem Zweifel steht. Diese Thatsache ist aber auch in der Erwiderung der Direction in keiner Weise widerlegt worden. Wenn sich die Verhältnisse an der Staatsgewerbeschule wieder ändern sollten, so bin ich der erste, der den Antrag, an Vorarlberger Schüler der genannten Schule Stipendium zu verleihen, stellt und befürwortet. Aber solange an dieser Anstalt notorisch radikale Schönerianische Tendenzen unter den Schülern gepflegt werden, werde ich, solange ich an dieser Stelle bin, niemals dafür sein, dass Landesmittel zu Stipendien zur Verfügung gestellt werden. (Lebhafte Zustimmung und Rufe: Bravo!) Dr. Waibel: Ich bitte um das Wort. Martin Thurnher: Darüber ist feine Debatte zulässig. Landeshauptmann: Ich will ausnahmsweise dem Herrn Abgeordneten Dr. Waibel das Wort ertheilen. Dr. Waibel: Es ist nicht in der Geschäftsordnung vorgesehen, ob bei der Beantwortung einer Interpellation eine Debatte zulässig ist oder nicht. Es ist also einmal nicht verboten, die Interpellation näher zu begründen. Ich wollte nur bemerken, dass ich diese Anfrage gestellt habe in meiner Eigenschaft als Abgeordneter der Handels- und Gewerbekammer. Ich habe die Thätigkeit der Staatsgewerbeschule in Innsbruck immer mit großer Liebe und Aufmerksamkeit verfolgt und die Beobachtung machen können, dass die Vorarlberger Schüler dort eine eminente Stellung einnehmen, sehr fleißig sind und mit Erfolg sich auszeichnen. Es ist in der Beantwortung der Interpellation keine Andeutung. Vorhände::, dass der Schüler, der um das Stipendium angesucht hat, sich desselben unwürdig gemacht hätte. Wenn sich aber der Schüler wirklich dessen unwürdig gemacht hat, so will ich die Beschlussfassung vollkommen für gerecht halten. Aber wegen solcher Vorkommnisse, mit denen das Verhalten des betreffenden Schülers wahrscheinlich gar nicht im Zusammenhänge steht, gleich das Stipendium zu verweigern, nachdem wir hier beschlossen haben, dass Schüler dieser Anstalt stipendiert werden sollen, 246 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. Session, 8. Periode 1899. das scheint mir doch ungerecht zu sein. Es ist mir übrigens angenehm, dass der Herr Landeshauptmann Anlass genommen hat, meine Anfrage ausführlich zu beantworten. Ich muss es der Unterrichtsverwaltung und der betreffenden Anstalt überlassen, die Vorwürfe, die hier gegen sie vorgebracht wurden, zu beantworten. Ich habe so den Eindruck von diesen Dingen, die in der Schule vorkamen, dass es mehr Kindereien sind als ernstlich zu nehmende Dinge. Die Knaben, wenn sie einmal 14, 16 Jahre alt sind, haben nun einmal das Bestreben, es den Erwachsenen nachzuthun. Ich glaube, aufrichtig gesagt, es ist nicht wohlgethan, dergleichen Dinge so ernst zu nehmen und ihnen eine solche Bedeutung zu geben. Landeshauptmann: Ich muss nur dem Herrn Abgeordneten Dr. Waibel noch meinerseits auch danken, dass er mir durch diese Interpellation Gelegenheit gegeben hat, in diese Sache Klarheit zu bringen. Es wird das gewiss nach allen Seiten hin nur wohlthätig wirken. Was die Anfrage des Herrn Dr. Waibel anbelangt, ob dieser Schüler deswegen nicht betheilt worden sei, weil er an jenem früher erwähnten Scandal activ theilnahm, so muss ich sagen, dass das von mir nicht behauptet wurde, und ich muss weiter constatieren, dass ich auch gar nicht weiß, ob er wirklich dabei gewesen ist oder nicht, sondern ich habe nur allgemein der Thatsache und den daraus entsprungenen Folgen Ausdruck gegeben, dass an dieser Schule wenigstens ein bedenklicher, unbotmäßiger und unpatriotischer Geist existiert, der sich dahin äußerte, dass, wenn ein Professor seine Pflicht als Österreicher und Erzieher thut, er von den Schülern dafür eine Katzenmusik bekommt. Ich glaube, das kann man doch nicht mehr als "Kindereien" auffassen. Des Weitern ist Thatsache, dass beim k. k. Staatsgymnasium in Innsbruck gelegentlich eines am Schlusse des verflossenen Schuljahres abgehaltenen Gottesdienstes ein großer Theil der Schüler beim Absingen der Kaiserhymne derselben den Text des Liedes: "Deutschland, Deutschland über Alles" einzulegen und zu singen sich erfrechte, geeignet, ein eigenthümliches Schlaglicht auf die Schulverhältnisse in Innsbruck überhaupt zu werfen. Solchen traurigen Thatsachen gegenüber haben wir die Pflicht, so weit wir Einfluss haben, entschieden Stellung zu nehmen, und dort, wo der Landes-Ausschuss Stipendien zu verleihen gemäß Landtagsbeschluss ermächtiget ist, muss er im Interesse des Landes wohl erwägen, dass er nicht diese aus den Steuergeldern des Volkes geschöpften Beträge an Anstalten votiert, an denen Unbotmäßigkeit und Heiko-Schwindel unter den Schülern grassiere. Dazu bin ich niemals zu haben. (Bravorufe.) Wir gehen nun zur Tagesordnung über. Auf derselben steht als erster Gegenstand der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über das Gesuch des Standes Montafon, betreffend den Bau der normalspurigen Localbahn Bludenz - Schruns (Montafoner-Bahn.) Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, Abgeordneten Martin Thurnher, das Wort zu nehmen. Martin Thurnher: Zum zweiten Male in dieser Session beschäftiget uns eine Bahnfrage. Waren wir am Anfänge dieses Jahres in der Lage, die Angelegenheit bezüglich des Baues der Bregenzerwald-Bahn voraussichtlich endgiltig zum befriedigenden Abschlüsse zu bringen, so wird es unsere heutige Aufgabe sein, ein neues und sicher realisierbares Project vorläufig aus dem Stadium der Vorarbeiten an die etwas rauhere Luft der Öffentlichkeit und der parlamentarischen Verhandlung zu bringen. Es war anfangs der 1890er Jahre, als diese Frage der Montafonerbahn zum erstenmale auftauchte und einer raschen Lösung zuzugehen schien. Es wurde damals behufs Realisierung dieses Projektes ein Vertrag mit der Firma Siemens und Halske geschlossen, nach welchem die Ausführung dieses Baues sicher gestellt war. Dieser Vertrag ist durch Genehmigung des Landes-Ausschusses rechtskräftig geworden, und man hätte erwarten können, dass der Bahnbetrieb längstens bis zum Jahre 1894 oder 1895 eröffnet würde. Da trat im Jahre 1893 die Katastrophe im Vensertobel ein. Ein großer Theil der Straße, die als Bahntrace größtenteils dienen sollte, wurde damals weggerissen und die anderen damals angerichteten weiteren Verheerungen sind den Herren ja bekannt. Nun trat die Firma Siemens und Halske - ob mit XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. Session, 8. Periode 1899. 217 Recht oder Unrecht, will ich nicht erörtern - vom Vertrage einfach zurück. Jetzt will der Stand Montafon den Bau der Bahn selbst in die Hand nehmen, und dies wäre nach meiner Ansicht, wenn nämlich der Plan in dieser Weise realisiert werden kann, für das Thal Montafon sicher die richtigste Lösung. Der volkswirtschaftliche Ausschuss verkennt nicht die Wichtigkeit und den Wert der zu erbauenden Bahn. Dennoch ist er nicht in der Lage, schon jetzt bestimmte Anträge über die finanzielle Mitwirkung des Landes zur Sicherstellung des Baues dieser Bahn dem Landtage zu unterbreiten. Ich kann bezüglich der Stellung des Landtages und des Landes zu dieser Bahnfrage mich wohl nicht kürzer ausdrücken, als wie in den drei letzten Absätzen des Berichtes dargestellt ist, welche ich Ihnen daher zur Mittheilung bringen will. Der volkswirtschaftliche Ausschuss sagt hier nämlich (liest): "Es erscheint wohl selbstverständlich, dass der Landtag den Bestrebungen des Standes Montafon, eine Localbahn in dem von Naturschönheiten so gesegneten, mit gewerblichen und industriellen Anlagen versehenen, von einer fleißigen, rührigen Bevölkerung bewohnten Thale die größte Sympathie entgegenbringt und auch gegebenen Falles nicht ermangeln wird, die Realisierung dieses Werkes thatkräftig zu fördern. Momentan fehlen indessen einige unerlässliche Vorbedingungen, um über die Art und Weise sowie das Ausmaß der Mitwirkung des Landes schlüssig zu werden. Es ist noch gar nicht bekannt, ob und in welcher Weise der Staat sich an dem Unternehmen betheiligen wird, ja es sind seitens des Standes nach dieser Richtung keinerlei Schritte eingeleitet worden. Weiter wird in Erwägung zu ziehen sein, in welcher Weise und unter wessen Garantie die Prioritätsactien zu verzinsen und zu amortisieren seien, wer für eventuelle Mehrkosten aufzukommen habe, und insbesondere, ob der Stand Montafon für sich allein in der Lage sei, für alle Fälle und für alle Eventualitäten das Risico zu übernehmen, und ob der Landes-Ausschuss dahingehenden Beschlüssen des Standes Montafon beziehungsweise der betheiligten Gemeinden mit Beruhigung die nach § 88 G. O. erforderliche Genehmigung zu ertheilen in der Lage sei. Es wird daher nothwendig sein, hinsichtlich der Finanzierung des Unternehmens vorerst die nöthigen Verhandlungen mit der Standesverwaltung und auch mit der k. k. Regierung zu pflegen, und erst nach Durchführung derselben in eine Beschlussfassung über die Theilnahme des Landes an Aufbringung der Kosten des Bahnbaues, sei es durch Gewährung einer angemessenen Subvention, sei es durch Zeichnung von Stammactien einzugehen." Nach diesen kurzen Bemerkungen erlaube ich mir die Annahme des Antrages, wie ihn der volkswirtschaftliche Ausschuss stellt, zu empfehlen, und welcher folgendermaßen lautet: (liest denselben aus Beil. LXV). Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag die Debatte. Wittwer: Hohes Haus! Das Thal Montafon ist mit seinen Verkehrsmitteln, wie bekannt, noch sehr weit zurück. Das wird nicht nur von den Bewohnern des Thales sondern auch bereits von jedem, der in das Thal kommt, bemängelt, trotzdem wir alljährlich einen großen Aufwand für Herstellung, Erhaltung und Verbesserungen der dortigen Straßen machen müssen. Der Ruf nach einer Eisenbahn erschallt in Montafon schon seit Jahren und zwar besonders deshalb, weil die Straße Bludenz - Schruns dem jetzigen Verkehre nicht mehr entspricht. Sie sollte zwar eine Straße I. Classe sein, ist aber theilweise - ich dürfte bereits sagen - eine Straße niederster Classe; denn der größte Theil der Straße ist zu schmal und auf schlechten Untergrund gebaut. Daher ist sie immer ausgefahren und besonders bei schlechter Witterung in einem miserablen Zustande. Durch den Bau der Bahn würde man den Bau der Straße, die mit 60.000 fl. im Straßenbau-Programme ausgenommen ist, ersparen, das heißt größtentheils diese große Kostensumme; man würde aber auch die großen Summen, die fortwährend auf die Erhaltung einer solchen Thalstraße aufgewendet werden müssen, zum Theile ersparen. Einen zweiten Vortheil bringt die Bahn dem Thale dadurch, dass die großen Frachten in das Thal hinein und vom Thale heraus billiger befördert werden könnten. Dadurch würde nun der Handelsverkehr des an wirtschaftlichen Produkten nicht armen Thales gehoben und die finanzielle Lage der nicht gerade reichen Gemeinden wesentlich verbessert. 218 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. Session, 8. Periode 1899. Dann ist das Thal Montafon, wie allseitig bekannt, ein von den Fremden sehr gerne besuchtes Thal. Dadurch würde der Fremdenverkehr nur noch mehr gesteigert werden, was nicht nur den Geschäftsleuten zugute käme, sondern überhaupt den Thalbewohnern manchen Verdienst einbrächte. Aus diesen Gründen ist daher der Bahnbau den Gemeinden des Thales Montafon sehr angelegen. Das ist schon daraus zu ersehen, dass dieselben, wie im Berichte des volkswirtschaftlichen Ausschusses angcdeutet ist, bereits 150.000 fl. in Stammaktien gezeichnet haben und weitere 120.000 fl. durch Private schon gezeichnet wurden. Damit beweist die Bevölkerung des Thales Montafon, dass es sicher und ernstlich das Zustandekommen der Bahn wünscht. Sie hoffen auch, dass man den Gemeinden selbst den Betrieb der Bahn überlasse, wodurch die Einnahmen dieser gewiss sehr rentablen Bahn dem Lande beziehungsweise den Gemeinden verbleiben würden. Aus allen diesen Gründen glaube ich, dem hohen Hause die Annahme des Antrages, wie er vom volkswirtschaftlichen Ausschüsse gestellt wurde, auf das wärmste empfehlen zu dürfen. Dr. v. Prey: Die besonderen Gründe, die der Herr Abgeordnete Wittwer über die Wichtigkeit und Nothwendigkeit der Bahn für die Stadt Bludenz und das Thal Montafon hervorgehoben hat, würdige ich ganz vollkommen und kann nur dasjenige, was er gesagt hat, im wesentlichen durchaus nach meinen Erfahrungen auch bestätigen. Ich möchte nur auf eines noch Hinweisen, was der Herr Abgeordnete Wittwer auch erwähnt hat, nämlich auf die jetzt von Bludenz nach Schruns als Concurrenzstraße I. Classe führende Straße. Wenn nämlich dem Anträge des volkswirtschaftlichen Ausschusses entsprechend die Beschlussfassung ausfallen sollte, so möchte ich den Landes-Ausschuss bitten, die besondere Bedachtnahme auf die Regelung der Concurrenzpflicht zur Straße mit dem Bahnconsortium sehr scharf ins Auge zu nehmen. Es ist nämlich in dieser Beziehung bei früheren Verhandlungen, welche mit der Firma Siemens und Halske gepflogen wurden, wie bereits der Herr Berichterstatter erwähnt hat, und auch bei den späteren Verhandlungen mit einer Firma aus Dresden, die ich zwar nicht mehr weiß, deren persönlicher Vertreter aber, soviel ich mich erinnere, Erwin Bubeck ist, also bei den Verhandlungen dieser beiden Firmen gegenüber ist damals schon festgestellt worden, dass sie die ganze Concurrenzpflicht zur Straße zu übernehmen hätten, so dass die betreffenden Gemeinden so ganz von der Concurrenzpflicht entlastet würden. Seitens der Firma Siemens und Halske ist diese Bedingung, glaube ich, schriftlich zugesichert worden, was ich zwar nicht ganz bestimmt weiß; aber bei den Verhandlungen, die vor 2 Jahren mit dem Herrn Bubeck eingeleitet wurden, habe ich es mit eigenen Ohren gehört und ist in meiner Gegenwart zugesichert worden, dass die betreffende Firma die ganze Concurrenzpflicht zu übernehmen sich erklärte. Ich glaube, bei der endgiltigen Beschlussfassung betreffs dieser Bahnfrage sei besonders darauf Bedacht zu nehmen. Es ist nicht nothwendig, einen Antrag zu stellen, sondern ich empfehle dem Landes-Ausschusse diesen Umstand mit aller Energie zu berücksichtigen. Wittwer: Soviel ich aus den Worten des Herrn Abgeordneten Dr. v. Preu entnehmen kann, ist er der Meinung, dass die Stadt Bludenz durch den Bahnbau von der Concurrenzpflicht der Straße aufgelassen werden soll, wenn nämlich die Bahn die Erhaltung der Straße übernimmt, was sie nie thun wird. Das ist nach meiner Anschauung von Seite der Stadt Bludenz doch etwas zuviel verlangt. Der Stand Montafon sollte einmal die Bahn bauen und dazu noch der Stadt Bludenz die Concurrenzpflicht der Straße abnehmen. Ich möchte da auf etwas zurückkommen, was der Herr Abgeordnete Ganahl im volkswirtschaftlichen Ausschüsse gesagt hat; er hat nämlich da hervorgehoben, dass sich die Geschäfte in Schruns derart gehoben haben, dass viele Bludenzer ihre Einkäufe in Schruns machen. Ich bitte, wenn die Bludenzer ihre Einkäufe in Schruns besorgen, dann werden sie uns doch nicht zumuthen können, dass man sie von der Straßenconcurrenz loslasse, während sie sich doch an dem Bahnbaue gar nicht betheiligen! Das wäre denn doch zuviel verlangt von den armen Montafonern. (Pfarrer Thurnher: Arme Montafoner! Heiterkeit.) Dieser Einwand des Herrn Pfarrer Thurnher passt mir ganz gut. Der früher früher erwähnte Ausspruch des Herrn Ganahl hat in mir einen gewissen Stolz erregt. Ich habe mir gedacht, dass ich in Zukunft hart thun werde, wenn ich wieder XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. Session, 8. Periode 1899. 249 für Montafon betteln will, wenn Schruns sich so gehoben hat, dass die Bludenzer dort ihre Einkäufe machen. Ich glaube zwar, dass das nicht der Fall ist, gebe aber gerne zu, dass hie und da, wenn ein Bludenzer hineinkommt, sich derselbe mitunter eine Ansichtskarte kauft (Heiterkeit); aber ihre sonstigen Einkäufe machen sie lieber in Amerika (Heiterkeit) als im Montafon. Wenn das doch so wäre, so wäre es das erste, dass Bludenz für eine gute Straße eintreten müsste; denn so könnten sie dann ihre Ware, die sie in Schruns gekauft haben, um so viel billiger nach Bludenz zurückbringen. Damit schließe ich vorläufig. Dr. v. Preu: Nur einige wenige Worte! Der Herr Abgeordnete Wittwer ist da nämlich nicht ganz richtiger Anschauung über meine Meinung. Ich habe nicht gemeint, dass bloß Bludenz von der Concurrenzpflicht los wäre sondern auch Montafon. Außerdem möchte ich noch eine Bemerkung machen hinsichtlich des Standes Montafon; derselbe hat 150.000 st. Stammactien gezeichnet; ich habe aber nirgends gelesen, - es kann ja möglich sein - dass der Stand allein das Consortium bilden will, ich weiß aber nicht, ob es der Fall ist. (Wittwer: Wird beabsichtiget!) Ich habe nicht wollen den Stand allein zur Concurrenz herangezogen wissen; ich habe gemeint, dass ein auswärtiges Consortium den Bau übernimmt, und dass man dasselbe ebenso berücksichtigen sollte wie den Stand Montafon, dazu fände ich keinen Grund. Wenn man den Montafonern eine gewisse Rücksicht trägt, so ist das ganz recht, und ich bin damit einverstanden. Aber ich sehe nicht ein, warum man einem fremden Consortium gegenüber ebenso glimpflich verfahren sollte. Dressel: Ich bin ebenfalls sehr dafür, dass sich der Landes-Ausschuss warm für diese Bahn verwende. Wenn man eine Bahn bauen will, setzt man bei den Berechnungen die Einnahmeziffer häufig möglichst hoch an, die Ausgabeziffer dagegen möglichst niedrig, so dass sich eine gute Rentabilität herausstellt. Bei der Montafoner-Bahn glaube ich, ist das nicht der Fall. Denn, wenn sich die Montafoner selbst mit 150.000 st. Stammactien betheiligen, dann darf man annehmen, dass in der Beziehung nicht die Unwahrheit gesagt wurde, und das Unternehmen darf als reell angesehen werden. Darum empfehle ich dem hohen Hause die Annahme des von Herrn Martin Thurnher gestellten Antrages. Landeshauptmann: Wer wünscht weiter das Wort? - Es meldet sich niemand, somit ist die Debatte geschlossen. Herr Berichterstatter! Martin Thurnher: Herr Dr. $. Preu ist, wie mir wenigstens scheint, in einem Irrthume befangen; denn die ganze Vorlage, wie sie dem Landtage unterbreitet wurde, lautet nur dahin, dass der Stand Montafon als solcher die Bahn erbauen und betreiben will. Etwas anderes können Sie aus der ganzen Vorlage, wie sie uns im Augenblicke vorliegt, nicht entnehmen, und sonach sind die Ausführungen des Herrn Dr. v. Preu verfrüht, wenn er meint und verlangt, die auswärtige Firma, welche den Bahnbau nach seiner Ansicht übernehmen wolle, solle zu gewissen Verpflichtungen herangezogen werden. Ich bin aber auch nicht der Anschauung, dass die Montafonerstraße ganz vernachlässiget werden dürfe, denn eine ordentliche Verkehrsstraße muss auch neben der Bahn noch bestehen. Diese Frage wird in den nächsten Tagen hier im hohen Hause verhandelt werden, indem nach den Anträgen des volkswirtschaftlichen Ausschusses auch diese Strecke in das Straßenbauprogramm Aufnahme finden soll. Insoferne, glaube ich, hat auch der Abgeordnete für Montafon, der sich der Bahn warm angenommen hat, nicht Recht, wenn er meint, dass die zum Zwecke der Verbesserung dieser Straße präliminierten 66.000 fl. ganz entfallen könnten. Die Kosten könnten höchstens etwas reduciert werden, wenn die Bahn gebaut wird. Aber etwas muss doch für diese Straße geschehen, damit nicht vorn im Thale eine schlechte Straße besteht und die gute erst weiter drinnen, von Schruns an, beginnt; der ganze Straßenzug muss einheitlich und gleichwertig hergestellt werden. Nach diesen kurzen Bemerkungen beziehungsweise Richtigstellungen erlaube ich mir nochmals die Annahme des Antrages dem hohen Hause zu empfehlen. Landeshauptmann: Ich schreite zur Abstimmung und ersuche jene Herren, welche dem 250 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. Session, 8. Periode 1899. Anträge ihre Zustimmung geben, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Einstimmig angenommen. Zweiter Gegenstand der heutigen Tagesordnung ist der mündliche Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses, betreffend die Angliederung Vorarlbergs bei einer allfälligen Errichtung einer Landes-, Lebens- und Rentenversicherungsanstalt in Tirol. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, Herrn Abg. Jodok Fink, das Wort zu ergreifen. Jodok Fink (liest): Hoher Landtag! Der Tiroler Landtag hat in seiner Sitzung vom 2. März 1898 unter anderem dem Landes-Ausschusse den Auftrag ertheilt, mit dem Landes-Ausschusse von Vorarlberg darüber in Verhandlung zu treten, ob er eventuell geneigt wäre, eine Angliederung Vorarlbergs an eine Tiroler Landes-, Lebens- und Rentenversicherungsanstalt im dortigen Landtage in Vorschlag zu bringen. Eine dem entsprechende Anfrage des LandesAusschusses von Tirol beantwortete unser LandesAusschuss dahin, dass er dermalen nicht in der Lage sei, sich über eine eventuelle Angliederung an Tirol aussprechen zu können, nachdem er die diesfälligen Anschauungen im Lande und in den Kreisen der Abgeordneten vorerst kennen lernen müsste. Gleichzeitig wurde dem Tiroler LandesAusschusse mitgetheilt, der Landes-Ausschuss von Vorarlberg werde der Organisation der Lebens- und Rentenversicherung seine Aufmerksamkeit zuwenden und die Anfrage des Tiroler LandesAusschusses dem Landtage in Vorlage bringen. Der volkswirtschaftliche Ausschuss hat diesen ihm vom Landtage zur Berichterstattung zugewiesenen Gegenstand in Berathung gezogen. Derselbe verkennt keinesfalls die große Bedeutung der Lebens- und Renteiwersicherung. Es liegt wohl außer Zweifel, dass die Lebensversicherung in der heutigen Zeit für viele Kreise ein Gebot der Nothwendigkeit oder doch wenigstens bedeutenden Vortheiles ist. Den besten Beweis liefert die großartige Entfaltung des Versicherungswesens in neuerer Zeit, obwohl dasselbe meistens durch Actien- oder andere private Versicherungsgesellschaften besorgt wird. Diese Gesellschaften setzen zwar in der Regel mit einem bedeutenden Kostenaufwande einen großen Apparat in Bewegung, um für die Erwerbung neuer Versicherungen zu sorgen, es zählt für sie aber nicht die versicherte Person sondern nur die Versicherungssumme, weshalb es bei denselben fast durchgehends als Regel gilt, Versicherungen unter einem gewissen Minimum nicht nur nicht zu suchen, sondern sogar abzuwehren. Bei Errichtung von derartigen Landesanstalten würde man daher besonders darauf Rücksicht zu nehmen haben, auch dem weniger bemittelten Theile der Bevölkerung insbesondere jenen, die hauptsächlich auf ihre eigene Arbeit angewiesen sind, die Versicherung, soweit thunlich, zu ermöglichen und zu erleichtern. Die Regiekosten würden bei einer Landesanstalt jedenfalls geringer werden als bei den Actien- oder anderen Privatversicherungsgesellschaften, was nur den Versicherten zugute käme. Auf Grund dieser Erwägungen ist der volkswirtschaftliche Ausschuss der Anschauung, es solle von Seite der Landesvertretung der Errichtung einer Landes-, Lebens- und Rentenversicherungsanstalt in der Folge die volle Aufmerksamkeit zugewendet werden, es könne sich aber dermalen und zwar bis zum Zeitpunkte, als die Errichtung einer derartigen Landesanstalt in Tirol greifbarere Gestalt angenommen habe, die Landesvertretung über eine allfällige Angliederung Vorarlbergs an Tirol nicht endgiltig aussprechen. Indem diesbezugs eine zuwartende Haltung eingenommen werden soll, glaubte der volkswirtschaftliche Ausschuss, es solle diese Angelegenheit besonders auch nach der Richtung weiter verfolgt werden, ob nicht die Errichtung einer eigenen diesbezüglichen Landesanstalt durchführbar wäre. Nach dieser Richtung sollte der Landes-Ausschuss alle ihm geeignet scheinenden Erhebungen pflegen und das Resultat derselben in einer folgenden Session dem Landtage vorlegen. Der volkswirtschaftliche Ausschuss stellt daher folgende Anträge: Der Landtag wolle beschließen: "1. Die Anfrage des Landes-Ausschusses von Tirol, ob bei einer allfälligen Errichtung einer Landes-, Lebens- und Renten-Versicherungsanstalt in Tirol Vorarlberg bereit sei, sich Tirol anzugliedern, kann dermalen nicht beantwortet werden. XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. Session, 8. Periode 1899. 251 2. Der Landes-Ausschuss wird beauftragt, dieser Angelegenheit seine Aufmerksamkeit zuzuwenden und über eine etwa im Lande selbst zu gründende Landes-, Lebens- und Rentenversicherungsanstalt die ihm geeignet erscheinenden Erhebungen zu pflegen und dem Landtage hierüber in einer folgenden Session Bericht zu erstatten." Ich empfehle Ihnen diese Anträge zur Annahme. Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht mit) Anträge die Debatte. Nägele: Statt, wie es im Anträge heißt: "kann dermalen nicht eingegangen werden, " würde ich lieber die Worte setzen: "wird nie eingegangen (Rufe: Oho!), nämlich sich Tirol anzuschließen natürlich; der zweite Antrag ist schon recht. Landeshauptmann: Wer wünscht noch weiter das Wort? Johannes Thurnher: Man ist im volkswirtschaftlichen Ausschüsse ursprünglich auch der Meinung gewesen, es werde nicht wahrscheinlich sein, sich Tirol anzuschließen. Ich bin aber nicht dafür, dass man das Wort "dermalen" streiche, weil erst die Verhandlungen auf beiderseitigem Gebiete ergeben müssen, was zweckmäßiger ist. Es kann ja sein, dass sich unser Land als zu klein erweist für die Errichtung einer solchen Anstalt. Wir wissen nicht, was zu dieser Zeit, wo wir die Erhebungen machen, die Tiroler im Laudes-Ausschusse machen; vorläufig haben sie nur unsere principielle Geneigtheit zu erfahren gewünscht. Es ist aber nicht unmöglich, dass die Sache vielleicht in einem Jahre eine solche Gestalt annimmt, dass man auf deren Nachtheil oder Vortheil zurückkommt, und dass wir besser unterscheiden können, ob wir uns abzuschließen oder anzugliedern haben. Heute ist man das nicht in der Lage, wir wissen nicht, wie weit wir mit unseren Erhebungen gelangen, und können nicht beurtheilen, was Tirol Zweckmäßiges zutage fördert. Deshalb, glaube ich, sollte man die Thüre nicht ganz zuschließen, und ich stimme daher den vom Herrn Berichterstatter gestellten Anträgen zu. Landeshauptmann: Wer wünscht noch weiters das Wort? - Es meldet sich niemand, somit ist die Debatte geschlossen, und ich schreite zur Abstimmung. Der Herr Abg. Nägele stellt keinen bestimmten Antrag; ich ersuche jene Herren, die den beiden Ausschussanträgen ihre Zustimmung geben, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Nächster Gegenstand ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses, betreffend die Errichtung einer Muster- und Lehrsennerei in der Gemeinde Dore n. Bekanntlich ist in der vorletzten Sitzung dieser Gegenstand noch einmal zur Berathung an den Ausschuss zurückverwiesen worden. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, das Wort zu ergreifen. Jodok Fink: Wie soeben der Herr Landeshauptmann mitgetheilt hat, ist in der vorletzten Sitzung dieser Gegenstand nochmals an den Ausschuss zurückverwiesen morden, um über den vom Herrn Abgeordneten Dr. Waibel gestellten Antrag zu berathen, wonach der Landtag erklären soll, dass er diese Anstalt in sein Eigenthum übernehme. Der volkswirtschaftliche Ausschuss hat diesen Antrag in Berathung gezogen und legt Ihnen nun heute etwas geänderte Anträge vor. Dieselben entsprechen sowohl dem Antrage des Herrn Abgeordneten Dr. Waibel als auch den von der Regierung bekannt gegebenen Intentionen. Ich erlaube mir im Namen des volkswirtschaftlichen Ausschusses die Anträge desselben zu verlesen (liest): Der hohe Landtag wolle beschließen: "1. Für den Fall, als auf Kosten des Staates in Doren eine Muster- und Lehrsennerei errichtet wird, wird zum Zwecke der Erhaltung der Anstalt und zur Deckung eines allfälligen Betriebsabganges aus dem Fonde zur Hebung der Rindviehzucht in jenen Jahren, in welchen ein solcher Abgang nachgewiesen wird, ein Beitrag bis zu 1000 fl. gewährt. 2. Wenn die in Aussicht genommene Muster- und Lehrsennerei in Doren vor der nächsten Landtagssession eröffnet wird, erhält der Landes-Ausschuss die Ermächtigung, an weniger bemittelte Vorarlberger Schüler, welche den einjährigen Curs an der 252 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. HI. Session, 8. Periode 1899. Muster- und Lehrsennerei in Doren mitmachen, Stipendien aus dem Fonde zur Hebung der Viehzucht zu gewähren. 3. Das Land übernimmt unter den sub 1 aufgeführten Bedingungen die Muster- und Lehrsennerei sogleich nach der Errichtung und zweckmäßigen Einrichtung derselben in das Eigenthum." Ich empfehle Ihnen die Annahme dieser vom Ausschüsse gestellten Anträge. Landeshauptmann: Ich eröffne nun über diese neuen Anträge des volkswirtschaftlichen Ausschusses wie über den Gegenstand überhaupt noch einmal die Debatte. - Wenn niemand sich zum Worte meldet, ist dieselbe geschlossen, und ich bringe nun die Anträge mitsammen zur Abstimmung. Ich ersuche diejenigen Herren, welche diesen drei Anträgen ihre Zustimmung geben, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Einstimmig zum Beschlusse erhoben. Vierter Gegenstand der heutigen Tagesordnung ist der Bericht d es Schulausschusses über das Gesuch der Gemeinde Dornbirn um einen jährlichen Beitrag zur Bestreitung der Kosten der in Dornbirn bestehenden Realschule bis zur Umwandlung derselben in eine Staatsanstalt. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, Abgeordneten Dressel, das Wort zu übernehmen. Dressel: Im Jahre 1852 hat die Gemeindevertretung von Dornbirn beschlossen, eine Haupt- und Unterrealschule zu gründen. Diese Unterrealschule wirkte sehr segensreich und hatte bedeutende Erfolge nicht bloß in Dornbirn sondern im ganzen Lande zu verzeichnen. Diese Schule wurde dann später, Ende der 60er Jahre bedauerlicher Weise aufgelöst. An ihre Stelle trat dann eine Fortbildungsschule. Als die Fortbildungsschule nicht mehr entsprach, hat man 1878 eine Realschule gegründet, die heute noch besteht. Diese Realschule umfasst vier Classen, ist also eine vollständige Unterrealschule. Die Gemeinde ist aber sehr schwer durch Ausgaben besonders auch für ihre Volksschulen belastet, so dass die Zuschläge für Dornbirn im letzten Jahr 222% zu den directen staatlichen Steuern betrugen und, wenn ich mich nicht irre, betragen dieselben jetzt 244%. Das ist für eine an Industrie so reiche Gemeinde wie Dornbirn doch eine starke Last. Es ist begreiflich, wenn die Gemeinde sich an die Regierung wandte um Verstaatlichung der Anstalt. Das geschah im Jahre 1896, und die Bemühungen sind seitdem nicht mit Erfolg gekrönt worden. Es ist aber Aussicht vorhanden, dass die Anstalt verstaatlicht wird, wenn das Land und die Gemeinde einträchtig zusammenwirken. Inzwischen hat die Regierung der Gemeinde in Aussicht gestellt, eine jährliche Staatssubvention zu gewähren, und mit Allerhöchster Entschließung vom 26. December v. I. wurde ihr diese Staatssubvention auch zugesprochen mit Vorbehalt der Genehmigung durch deu Reichsrath. Die Gemeinde Dornbirn ist fast um dieselbe Zeit nämlich am 28. December an das Land um eine jährliche Subvention bis zur Verstaatlichung der Anstalt herangetreten. Wie Sie wissen, resultiert für das Land eine bedeutende Erhöhung der Landesumlagen durch die neuen Schulgesetze sowohl wie auch durch das Straßenbauprogramm, das wir nächster Tage beschließen werden. Wir sind daher nicht in der Lage, jährliche Subventionen geben zu können; der Schulausschuss empfiehlt Ihnen aber eine einmalige Subvention zu beschließen und zwar in der Höhe von 1000 Gulden. Der Schulausschuss empfiehlt Ihnen weiters zu beschließeit, dass der Landes-Ausschuss mit allem Nachdrucke dahin wirke, dass die Verstaatlichung der Anstalt schon bis zum nächsten Schuljahre erfolge. Der Schulausschuss glaubt, das Land habe eine gewisse Berechtigung dazu. In Österreich bestehen dermalen 97 Realschulen, von diesen werden 64 vom Staate erhalten und zwar in Niederösterreich 10, Oberösterreich 2, Salzburg 1, Tirol 3, Steiermark 2, je 1 in Kärnten, Kram, Görz und Triest, in Istrien 2, Dalmatien 1, Böhmen 26, Mähren 3, Schlesien 4, Galizien 6. Es bleiben nur die Bukowina und Vorarlberg, die noch keine Staatsrealschulen haben. In der Bukowina ist eine sehr stark frequentierte Realschule, die durch den griechisch-orthodoxen Religionsfond erhalten wird. Hier im Lande ist die Unterrealschule in Dornbirn die einzige Schule dieser Art, und wie bekannt, ist der realistische Unterricht für gewisse Zweige und auch als Vorbereitung für die Handelsschule u. s. w. sehr entsprechend. Darum ist es auch gerechtfertiget, wenn sich der Landes-Ausschuss für diese einzige Unterrealschule XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. Session, 8. Periode 1899. 253 einsetzt, und ich empfehle Ihnen daher, die Anträge des Schulausschusses zu acceptieren. Dieselben lauten (liest): Der hohe Landtag wolle beschließen': "1. Der Landes-Ausschuss wird beauftragt, mit allem Nachdrucke dahin zu wirken, dass die Realschule in Dornbirn, wenn immer möglich, schon bis zum Schuljahr 1899/1900 verstaatlicht werde. 2. Der Gemeinde Dornbirn wird für die Realschule eine einmalige Unterstützung von 1000 st. gewährt." Landeshauptmann: Ich ertheile das Wort in der Debatte, die ich über Bericht und Anträge eröffne, dem Herrn Landesausschussreferenten Martin Thurnher. Martin Thurnher: Ich unterstütze die Anträge des Schulausschusses auf das wärmste. Das Land Vorarlberg braucht unbedingt und zweifellos eine Realschule. Für die Industrie, für Handel und Gewerbe ist eine solche ein unabweisbares Bedürfnis. Der zahlreiche Besuch, dessen sich die Realschule in Dornbirn aus allen Theilen des Landes stets zu erfreuen hatte, ist ein sprechendes Zeugnis hiefür. Die Realschule entspricht auch vollkommen der an sie gestellten Aufgabe. Schon vor vierzig Jahren, als Dornbirn eine zweiclassige Realschule besaß, genoss dieselbe einen sehr guten Ruf. Ich als damaliger Schüler dieser Anstalt weiß ihr Wirken und ihre Erfolge zu würdigen und bewahre den damaligen hochverdienten Lehrern dieser Anstalt stets eine dankbare Erinnerung und vollste Anerkennung ihres ausgezeichneten Wirkens. Die Schule selbst wird durch die Verstaatlichung nur noch mehr gewinnen, indem dadurch eine Stabilität des Lehrkörpers herbeigeführt wird. Jedermann ist von der Nothwendigkeit des Bestandes einer Realschule im Lande überzeugt. Die Gemeinde Dornbirn hat, wie bereits im Berichte und in den weiteren Ausführungen des Herrn Berichterstatters dargethan ist, ohnedem finanzielle Sorgen genug. Daher sollte, nachdem auch alle übrigen Länder derartige staatliche Anstalten besitzen, die Verstaatlichung mit thunlichster Beschleunigung erfolgen. Die Unterrichtsverwaltung hat Vorarlberg bisher in ganz stiefmütterlicher Weise behandelt. Außer dem Gymnasium in Feldkirch und der Stickereischule in Dornbirn ist mir auf diesem Gebiete nichts bekannt, dass der Staat irgend etwas geleistet hätte. Alles was wir sonst haben, ist aus eigenen Mitteln und aus eigenen Anstrengungen geschaffen worden. Der Landesschulrath hat wiederholt einstimmig sein Votum für die Verstaatlichung der Realschule in Dornbirn in die Waagschale gelegt. Ich bin überzeugt, dass der hohe Landtag ebenso übereinstimmend im gleichen Sinne votieren wird, und ich schließe mit dem lebhafte Wunsche, dass die Regierung nicht mehr länger zögern werde, diesem berechtigten Wunsche des Landes baldigst zu entsprechen. (Beifall im Hause.) Dr. Waibel: Als Abgeordneter der Handels- und Gewerbekammer kann ich die Anträge, die uns vonseite des Schulausschusses vorgelegt werden, nur auf das freudigste begrüßen. Wenn der hohe Landtag die Gewogenheit hat, diese Anträge einstimmig zum Beschlusse zu erheben, so kann damit nur bewirkt werden, dass die Wünsche, welche für die Schule bestehen, auch zur Erfüllung gelangen. Ich halte es nicht für nothwendig, weitere Gründe anzuführen, die für die Annahme dieser Anträge sprechen. Sie sind bereits im Berichte hinreichend dargelegt und von den Herren Vorrednern berührt worden. Ich muss nur betonen, dass durch Annahme dieses Antrages, der auf die Verstaatlichung hinzielt, der Schule ein wesentlicher Dienst in der Weise geleistet wird, dass dieselbe ganz gewiss an Ansehen und Vertrauen, das sie im Lande und in der Bevölkerung genießt, wie in wissenschaftlicher Hinsicht nur gewinnen wird. Nach dieser Richtung hin glaube ich, dass wir wesentlich durch die Verstaatlichung gewinnen würden, und schon von diesem Gesichtspunkte aus kann ich dem hohen Hause die Annahme dieser Anträge nur auf das wärmste empfehlen, wie es schon der Herr Berichterstatter und mein Herr Vorredner gethan haben. Landeshauptmann: Wer wünscht noch weiter das Wort? - Dann ist die Debatte geschlossen. Wenn der Herr Berichterstatter nichts mehr beizufügen findet, schreite ich zur Abstimmung, wobei ich constatiere, dass ich mich an der Abstimmung in dieser Frage ebenfalls betheiligen werde. Ich kann wohl beide Anträge unter einem zur Abstimmung 254 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. Hl. Session, 8. Periode 1899. bringen und ersuche jene Herren, die diesen Anträgen des Schulausschusses ihre Zustimmung geben, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Einstimmig zum Beschlusse erhoben. Unser letzter Gegenstand ist die dritte Lesung der Gesetzentwürfe, betreffend: A. die Schulaufsicht;