18990414_lts011

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Letzte Änderung 02.07.2021, 19:10
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp08,lts1899,lt1899,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 11. Sitzung nm 14. April 1899 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 21 Abgeordnete. Regierungsvertreter: Herr k. k. Statthaltereirath Rudolf Graf Huyn. Beginn der Sitzung 10 Uhr 15 Minuten vormittags. Landeshauptmann: Ich erkläre die heutige Sitzung für eröffnet und ersuche um Verlesung des Protokolles der letzten Sitzung. (Secretär verliest dasselbe.) Wird gegen die vorliegende Fassung des Protokolles' eine Einwendung erhoben? - Da dies nicht der Fall ist, betrachte ich dasselbe als angenommen. Es ist mir ein Einlaufstück zugekommen, nämlich eine Eingabe der Gemeinde Klösterle wegen Beförderung der Verbauungsaction am Großtobel; überreicht durch den Herrn Pfarrer Thurnher. (Dasselbe wird verlesen.) Ich möchte die Anregung machen, diesen Gegenstand dem volkswirtschaftlichen Ausschüsse zur Vorberathung zu überweisen. - Es erfolgt keine Einwendung, somit wird die Zuweisung in diesem Sinne erfolgen. Wir gehen nun zur heutigen Tagesordnung über. Auf derselben steht als einziger Gegenstand der Bericht des Schulausschusses über den Gesetzentwurf, betreffend die Schulaufsicht. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, Abg. Martin Thurnher, die Tribüne zu besteigen und das Wort zu nehmen. Martin Thurnher: Hohes Haus! Ich halte es nicht für nothwendig. Ihnen den Motivenbericht des Landes-Ausschusses und den schon 130 XI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. Session, 8. Periode 1899. länger in Ihren Händen befindlichen Bericht des Schulausschusses über den vorliegenden Gesetzentwurf vorzulesen, sondern begnüge mich, die Debatte über diesen so hochwichtigen Gegenstand mit einigen Worten einzuleiten. Mit Beschluss des Landtages vom 26. Februar 1897 erhielt der Landes-Ausschuss den Auftrag, wegen Änderung der bestehenden Schulgesetze Verhandlungen mit der Regierung einzuleiten und über das Ergebnis derselben seinerzeit in einer späteren Session dem Landtage Bericht zu erstatten. Der Landes - Ausschuss unterzog sich mit großem Eifer der ihm gestellten Aufgabe und war nun in der Lage, das Resultat seiner Arbeiten und Verhandlungen in der Form von drei Gesetzentwürfen, die sich auf die Schulaufsicht, auf die Errichtung, die Erhaltung und den Besuch der öffentlichen Volksschulen und auf die Rechtsverhältnisse des Lehrerstandes an den öffentlichen Volksschulen beziehen, dem Landtage in dieser Session zu unterbreiten. Heute hat sich nun der Landtag mit dem ersten dieser Gesetzentwürfe, nämlich mit jenem über die Schulaufsicht zu befassen. Dieser Gesetzentwurf ist unter den drei Vorlagen vom principiellen Standpunkte aus weitaus der wichtigste. Es sollte doch im Sinne des Landtagsbeschlusses vom 26. Februar 1897 gerade durch diesen Gesetzentwurf vorgesorgt werden, dass dem Lande ein größerer Einfluss auf die Zusammensetzung der Schulbehörden und der Kirche ein maßgebenderer Einfluss auf die Schule eingeräumt werde. In dem dem hohen Hause bereits vorliegenden Berichte ist ausgeführt, dass der Erfolg der dahin gerichteten Verhandlungen ein sehr bescheidener war, dass aber dessenungeachtet der neue Gesetzentwurf wertvolle Verbesserungen gegenüber dem geltenden Gesetze enthält. Als Ende der sechziger Jahre die Hochfluth liberaler Herrschaft über Österreich hereinbrach, als die Gesetzgebungsmaschine - der Reichsrath - mit voller Dampfkraft an der Ausarbeitung kirchenfeindlicher Gesetze arbeitete, glaubte die damalige Landesvertretung Vorarlbergs bei diesem Wettlaufe nicht zurückbleiben zu sollen und verschlimmerte die Regierungsvorlage, betreffend die Schulaufsicht. Ich verweise diesbezüglich beispielsweise nur auf § 15 des geltenden Gesetzes, nach dem der Ortspfarrer nicht einmal Ortsschulaufseher werden konnte, sondern dieses Amt nur auf die Mitglieder des Ortsschulrath es eingeschränkt wurde. Diese kirchenfeindliche Strömung bei Votierung der Schulgesetze im Vorarlberger Landtage fand in der Bevölkerung im Lande selbst die vollste Missbilligung, und die Wahlen im Jahre 1870 waren ein deutlicher Beweis hiefür. Man kann und muss daher mit vollem Recht erwarten, dass die jetzige Landesvertretung Hand an die Verbesserung des Schulaufsichtsgesetzes legen werde. Inwieweit eine Verbesserung der Verhältnisse durch den dem hohen Hause vorliegenden Gesetzentwurf herbeigeführt wird, muss der Beurtheilung des hohen Hauses selbst und der Bevölkerung überlassen bleiben. Das Reichsschulgesetz würde zwar nicht im Wege stehen, noch viel weitergehende Änderungen im Schulaufsichtsgesetze zu beschließen, als es in dem uns beschäftigenden Gesetzentwürfe vorgesehen ist. Das Reichsschulgesetz bestimmt nämlich, dass Orts-, Bezirks- und Landesschulrathe zu bestehen haben, überlässt aber die Art und Weise der Zusammensetzung der Landesgesetzgebung. Dennoch war von der Regierung, wie Sie dem Motivenberichte des Landes-Ausschusses entnehmen, nicht mehr zu erreichen, als was die Vorlage enthält, da die Regierung auf möglichst einheitliche Bestimmungen der Landesschulgesetzgebung wohl einen zu übergroßen Wert legt. Sehr zu bedauern ist, dass der Vorschlag des Landes-Ausschusses, die Vertreter der Schulgemeinde im Ortsschulrathe seien direct von den Eltern der schulpflichtigen Kinder zu wählen, nicht durchdrang, sondern nach mannigfachen Verhandlungen schließlich fallen gelassen werden musste. Durch eine solche Bestimmung wäre der Familie ein nicht zu unterschätzender Einfluss auf die Schule eingeräumt worden, was sicherlich im Interesse der Schule selbst sehr zu begrüßen gewesen wäre. Nach diesen kurzen einleitenden Bemerkungen empfehle ich dem hohen Hause das Eingehen in die Specialdebatte des vorliegenden Gesetzentwurfes. Die Annahme desselben involviert keine Änderung unserer principiellen Haltung und Auffassung gegenüber den Schulgesetzen, sondern bezweckt einfach eine Milderung der bestehenden Härten innerhalb des Rahmens des uns in ungerechtfertigter Weise zu eng begrenzten Wirkungskreises. XL Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. Session, 8. Periode 1899. 131 über die eingebrachten Minoritätsanträge werbe ich mir vorbehalten, in der Specialdebatte meine Anschauung zum Ausdrucke zu bringen. Landeshauptmann: Ich werde zunächst dem hohen Hause mittheilen, in welcher Weise ich bei der Verhandlung dieses Gegenstandes vorzugehen gedenke. Zuerst wird die Generaldebatte eröffnet. Wenn dieselbe durchgeführt ist und keine Anträge vorliegen, wird in die Specialdebatte eingegangen werden. Bei jenen Paragraphen, wo Minoritätsanträge vorliegen, wird der Herr Berichterstatter der Minorität wie der Herr Berichterstatter der Majorität zum Worte kommen, obwohl unsere Geschäftsordnung hierüber keine Bestimmung enthält. Wir werden so vorgehen, weil die Gepflogenheit bisher so war. Indem ich zunächst die Generaldebatte eröffne, theile ich dem hohen Hause mit, dass sich bereits drei Herren zum Worte gemeldet haben, nämlich der hochwürdigste Herr Bischof, die Herren Abgeordneten Kohler und Landeshauptmann-Stellvertreter. Hochwürdigster Bischof: Mit Rücksicht aus die dem hohen Landtage vorliegenden Gesetzentwürfe kann ich nicht umhin folgende Erklärung abzugeben mit dem Ersuchen, dieselbe dem stenographischen Protokolle beizuschließen. (Liest): "Die katholische Kirche hat in Betreff der Schule, deren Zweck und Hauptaufgabe die religiös-sittliche Erziehung der Jugend ist, unerlässliche Pflichten und darum auch unveräußerliche Rechte. Sie nimmt hinsichtlich der katholischen Jugend nicht den Religionsunterricht allein in Anspruch, sondern hat auch das Recht und den Beruf, die religiös-sittliche Heranbildung der Jugend so zu leiten und zu überwachen, dass sie den Grundsätzen der christlichen Erziehung entspricht. Die unentbehrliche Grundlage der sittlichen Entwicklung ist aber die Religion. Die Kirche hat daher das Recht zu fordern, dass auch der anderweitige Unterricht mit dem Religionsunterrichte nicht nur nicht im Widersprüche, sondern in innigem Zusammenhange stehe, und der ganze Unterricht der Jugend der katholischen Religion angemessen sei. Diese Rechte der katholischen Kirche finden aber in den österreichischen Reichsvolksschulgesetzen, aus denen die Landesschulgesetze ausgebaut sind, keineswegs die ihnen gebärende Anerkennung und Berücksichtigung. Der österreichische Episkopat hat daher, wie allgemein bekannt, gegen diese Gesetze wiederholte und feierliche Rechtsverwahrungen eingelegt, gegen die Verletzung der unveräußerlichen Rechte der Kirche Protest erhoben und sich unablässig bemüht, im wohlverstandenen Interesse des Staates, der Familie und der Kirche die ihr gebärende Stellung in der Schule wieder zu erlangen, jedoch ohne den entsprechenden Erfolg. Der Gefertigte fühlt sich daher bei dem Eintritte in die Verhandlungen über die neuen Landesschulgesetze im Gewissen verpflichtet, zu erklären, dass er den mit den Rechten der Kirche im Widersprüche stehenden Grundsätzen, welche in unserer Schulgesetzgebung zum Ausdrucke kommen, durchaus nicht beistimme, sondern an den oberwähnten Erklärungen und Rechtsverwahrungen des österreichischen Episkopates unverbrüchlich sesthalte und in diesem Sinne auch in Zukunft in gesetzlicher Weise wirken werde. Der Gefertigte betheiligt sich daher an den projektierten Änderungen unserer Landesschulgesetze nur in der Absicht, um einerseits wenigstens einige Mängel derselben zu beseitigen und anderseits die religiös - sittliche Erziehung der Jugend in praktischer Hinsicht möglichst zu fördern. Bregenz, am 14. April 1899. Johannes, Bischof von Evaria, Generalvikar." Landeshauptmann: Dem Wunsche Sr. bischöflichen Gnaden entsprechend, werde ich die von Hochdemselben soeben verlesene Erklärung dem stenographischen Protokolle beifügen. Ich ertheile nun das Wort dem Herrn Abgeordneten Kohler. Kohler: Hohes Haus! Im Auftrage einer Anzahl von Mitgliedern dieses h. Hauses, die in demselben die Majorität bilden, habe ich folgendes bekannt zu geben (liest): 132 XL Sitzung des Vorarlberger Landtages. HI. Session, 8. Periode 1899. "Hoher Landtag! Ehe wir über das vorliegende Gesetz, betreffend die Schulaufsicht, und die weiteren in Vorbereitung stehenden Gesetze über Errichtung und Erhaltung der Volksschulen und die Rechtsverhältnisse der Lehrer in eine Verhandlung eingehen, finden wir für nothwendig, folgende Erklärung abzugeben, mit dem Ersuchen, dieselbe dem Protokolle der heutigen Sitzung beizuschließen: Als Katholiken und als Vertreter eines katholischen Landes haben wir gleich unseren Vorgängern im hohen Landtage gegen die auf Grund der sogenannten interkonfessionellen Gesetze des Jahres 1868 und des Reichsvolksschulgesetzes vom 14. Mai 1869 in Vorarlberg eingeführten Landesgesetze entschiedene Stellung genommen, weil dieselben grundsätzlich gegen das verfassungsmäßige Recht des Landes auf selbständige Ordnung seines Volksschulwesens, gegen das natürliche Recht der Familie und gegen das unveräußerliche göttliche Recht der Kirche auf Erziehung der Jugend verstoßen, und wir haben dieser Überzeugung auch wiederholt und klar Ausdruck gegeben. Auf diesem unserem Rechtsstandpunkte stehen wir, wie vor drei Decennien, auch heute noch. Wenn wir daher, derzeit noch außer Stande, die principiellen Grundlagen unserer Landesschulgesetze zu ändern, endlich eine Reform derselben in der Richtung anstreben, dass den verletzten Rechten etwas mehr Geltung verschafft wird, so müssen wir sowohl dem katholischen Volke als einer hohen Regierung gegenüber erklären, dass wir damit unsern Standpunkt in der Schulfrage keineswegs ändern und gegen eine solche Deutung unseres Vorgehens uns entschieden verwahren. Wir werden, wie bisher, auch fortan zunächst in den gegebenen Verhältnissen auf eine katholische Erziehung der Jugend durch die Schule hinwirken, dabei aber immer unsere Bestrebungen fortsetzen, dem Rechte der Kirche, der Familie und des Landes auch in den Gesetzen selbst volle Anerkennung zu verschaffen. Dem katholischen Lande seine katholische Schule! Vorerst soweit als möglich thatsächlich. dann auch gesetzlich. Das war unser Ziel, ist es heute und wird es bleiben, ja wird um so mehr unser Ziel bleiben als schon heute vor unseren Augen die antikatholischen Tendenzen mit ihrem antiösterreichischen Charakter offen zu Tage treten und jedes patriotische Herz mit Trauer erfüllen. Landeshauptmann: Ich entspreche dem Wunsche des Herrn Abgeordneten Kohler, den er in seinem und im Namen seiner Gesinnungsgenossen vorgebracht hat, nämlich auf Einverleibung dieser Erklärung ins stenographische Protokoll, und in meiner Eigenschaft als Abgeordneter und Vertreter der Gemeinde Dornbirn erkläre ich auch meinerseits dieser Erklärung voll und ganz zuzustimmen. Johannes Thurnher: Wie sie aus der Verlesung der Unterschriften entnommen haben, trägt die Erklärung meine Unterschrift nicht aus dem Grunde, weil ich an der Verhandlung dieses Gegenstandes im Club nicht theilgenommen habe. Der Inhalt derselben aber entspricht meiner 30 jährigen Haltung sowohl im Landtage, bei den Behörden und im öffentlichen Leben, und möchte deshalb ersuchen, diesen meinen Beitritt zu dieser Erklärung im heutigen Protokolle anzumerken. Im weiteren halte ich es für zweckmäßig, dass die Erklärung nicht bloß im stenographischen Protokolle abgedruckt, sondern auch dem Protokolle der heutigen Sitzung beigefügt werde. Landeshauptmann: Das letztere unterliegt gar keinem Anstande und es wird in diesem Sinne vorgegangen werden. Ich ertheile das Wort dein Herrn Landeshauptmann-Stellvertreter. Gauahl: Hohes Haus! Ich habe wiederholt schon in diesem Hause bei anderen Anlässen den Standpunkt vertreten, dass in der GesetzXI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. Session, 8. Periode 1899. 133 gebung eine gewisse Stetigkeit herrschen sollte, dass Änderung an einem bestehenden Gesetze nur im Falle zwingender Nothwendigkeit gerechtfertiget erscheinen könne. Nach meiner Anschauung und der meiner Gesinnungsgenossen besteht aber nicht der geringste Grund, an dem Schulaufsichtsgesetze eine Änderung vorzunehmen. Dasselbe hat sich während seines 30 jährigen Bestandes in jeder Richtung bewährt, und Sie selbst, geehrte Herren von der Majorität, haben durchaus keinen Grund, mit der Wirkung dieser Gesetze so unzufrieden zu sein; denn die Generation, die während des Bestandes dieser Schulgesetze herangewachsen ist, hat bisher noch keine Mienen gemacht, Sie von Ihrer politischen Stellung zu verdrängen. (Heiterkeit. ) Wenn ich mir zu dieser Vorlage das Wort erbeten habe, so geschah das keineswegs in der Meinung, Sie überzeugen. Sie zu unserer Anschauung bekehren zu wollen. Nein, meine Herren, solchen Illusionen pflege ich mich nicht hinzugeben; (Ruf: Sehr brav!) ich wollte es nur laut verkünden und es auch zur Kenntnis der hohen Regierung bringen, dass die Vertreter der Städtegruppe und der Handelskammer diese Gesetzesänderung perhorrescieren und der Meinung find, dass dieselbe gegen die im Reichsvolksschulgesetze vom Mai 1869 niedergelegten Principien verstoßen. Man hat vor 3 Jahren, als es sich darum handelte, dem Lande Tirol endlich ein Landesvolksschulgesetz zu verschaffen, dieses Reichsgesetz einer gewissen Elasticitätsprobe unterzogen. Dafür war aber - das muss gerechter Weise zugegeben werden - wenigstens ein ernstes Motiv vorhanden. In unserem Falle aber besteht keine solche Veranlassung, denn wir sind im glücklichen Besitze eines Schulaufsichtsgesetzes, das trefflich functioniert und gegen das man wohl eine Agitation einleiten und durch Decennien fortsetzen kann, gegen welches man aber den ordentlichen Beweis zu erbringen niemals imstande sein wird, dass dasselbe, sei es in religiöser, sei es in politischer, sei es in socialer Beziehung, int mindesten schädlich gewirkt habe. Ohne mich in diesem Stadium der Angelegenheit in weitere Details einzulassen, will ich nur im allgemeinen bemerken, dass wir gegen die §§ 2, 9, 12, 23, 31 und 34 der Vorlage Stellung nehmen müssen. Ich will nur noch erwähnen, dass im früheren Schulaufsichtsgesetze die Kirche als solche bezeichnet wird, während in der heutigen Vorlage die Kirche als "katholische" Kirche specificiert wird. Nun, in unserem Lande ist das ja wegen seiner praktischen Wirkung irrelevant. Es scheint mir darin nur eine gewisse Demonstration gegen das Reichsvolksschulgesetz zu liegen, welches eben allen Confessionen gerecht wird. Ich finde auch, dass es nicht billig sondern ungerecht ist, dass die Vertreter der anderen Confessionen nach dieser Vorlage um die Stellung, die sie im früheren Gesetze innegehabt, kommen und gewissermaßen nur als gelegentlich einzuvernehmende Experten functionieren sollen. Endlich muss ich noch betonen, dass mir Ihre Absicht, den fachmännischen Einfluss auf die Schule im Bezirks- und Landesschulrathe zu Gunsten des politischen Einflusses des Landes-Ausschusses einzuschränken, ein gar gefährliches und unvorsichtiges Beginnen erscheint. Ja selbst von Ihrem Standpunkte aus ist dieser Gedanke nicht weise, nicht vorsichtig. Sie sind dermalen im Vollbesitze der politischen Macht in diesem Lande. Glauben Sie aber, dass es immer so sein wird? Halten Sie eine Änderung für ausgeschlossen? Die Geschichte aller Völker lehrt, dass nichts wandelbarer ist als die Volksgunst, und ich glaube, dass auch bei uns früher oder später ein Umschwung eintreten wird. Kommt dieser Umschwung nicht von liberaler Seite, so kommt er von einer andern Seite; (Ruf: Von der socialistischen!) dann werden Sie es, meine Herren, beklagen, - beklagen, betone ich - daß Sie den fachmännischen Einfluss auf die Schule, welcher gewissermaßen das ruhige Element in der Erscheinungen Flucht fein soll, zu Gunsten des politischen restringiert haben. Ich der den zur schließe einstweilen und stelle im Rainen Vertreter der Städtegruppe und der Handelskammer Antrag, über den vorliegenden Gesetzentwurf Tagesordnung überzugehen. Landeshauptmann: Wer wünscht noch weiter das Wort? Der Herr Abg. Pfarrer Thurnher. Pfarrer Thurnher: Das vorliegende Gesetz oder vielmehr der Gesetzentwurf über das Aufsichtsrecht in der Schule ist selbstverständlich ein134 XL Sitzung des Vorarlberger Landtages- HL Session, 8. Periode 1899. gezwängt in den Rahmen des Reichsvolksschulgesetzes und deshalb trägt es auch begreiflicher Weise den Charakter des Widerspruches mit den Grundsätzen der katholischen Religion und der Religionsfeindlichkeit an sich. Dass dem so ist, kann ich Ihnen durch einen Ausspruch eines der linken Seite gewiss ganz unverdächtigen Zeugen beweisen. Dieser Mann hat zwar, leider Gottes, mit Recht den Titel eines Todtengräbers von Österreich erworben, aber in dem Punkte wird er doch der linken Seite maßgebend sein, was er über die Beziehungen des Reichsvolksschulgesetzes zu den Principien der katholischen Religion gesprochen hat. Er hat dem seligen Bischof Rudigier von Linz gegenüber einmal den Ausspruch gethan, es sei wahr, dass das Reichsvolksschulgesetz vom 25. Mai 1869 unvereinbar sei mit den Principien der katholischen Religion und gleichzeitig auch noch den Grund angegeben, warum das so kommen musste. "Nämlich", so fügte Graf Beust bei, "in einem constitutionellen Staate muss die Gesetzgebung ihre eigenen Wege gehen und hat sich nicht um die Dogmen der Kirche zu kümmern." Nun, dass diese Gesetzgebung factisch ihre eigenen Wege gegangen ist, unbekümmert um die religiöse Überzeugung und um die religiösen Grundsätze der katholischen Kirche, das können wir schon aus dem ersten Paragraphen des Reichsvolksschulgesetzes erblicken, der da bekanntlich besagt, dass das oberste Aufsichtsrecht über den Unterricht und die Erziehung stets dem Staate zukomme. Ferner ist das auch zu ersehen aus der weiteren Bestimmung, dass alle übrigen Lehrgegenstände unabhängig von religiösem Unterrichte gelehrt werden sollen. Es liegt, wenn mir nebenbei eine Bemerkung gestattet ist, sehr nahe auf der Hand, dass wenigstens beim Lehrpersonale, aber auch bei der Jugend, sich der Grundsatz festsetzen muss: Nun, wenn in den übrigen Gegenständen der Unterricht mit den religiösen Wahrheiten nichts zu thun hat, so liegt, sage ich, der Gedanke nahe, dass eine solche Jugend und ein solches Lehrpersonale auch zu dem [weiteren Schlusse kommt, außerdem Lernen -der Religionswahrheiten hat die Religion mit dem übrigen Leben nichts zu schaffen. Dass das aber ein thatsächlicher Widerspruch mit den Grundlehren der katholischen Kirche ist, nämlich dass der Staat in der Schulgesetzgebung im Unterrichts- und Erziehungswesen sich die oberste Aufsicht und Leitung anmaßt, das, glaube ich, ist wohl nicht näher zu beweisen. Dazu hat er aber gar kein Recht; denn dieses Recht, wie Sie soeben aus competentem Munde vernommen haben, ist ein unveräußerliches Recht der Kirche. Dieses Princip des obersten Aufsichtsrechtes des Staates über den Unterricht und das Erziehungswesen ist selbstverständlich auch consequent durchgeführt im Schulgesetze. Deswegen hat sich der Vertreter der Kirche in den einzelnen Schulräthen auch diesen unterzuordnen. Es wird zwar im neuen Gesetze dem katholischen Seelsorger das Recht eingeräumt, sich von dem religiös-sittlichen Zustande in der Schule zu unterrichten, aber allfällige Beschwerden hat er nicht etwa der geistlichen Behörde anzuzeigen, dass sie solche beseitige und entscheidende Anordnungen treffe, sondern das ist Sache des Orts-, Bezirks- und Landesschulrathes eventuell des UnterrichtsMinisteriums als gesetzlich oberster Unterrichtsbehörde. Woher maßen sich aber diese Behörden das Recht an, in religiös-sittlicher Beziehung Entscheidungen zu treffen? Wer gibt ihnen die Mission dazu? Das ist factisch ein nur angemaßtes Recht, denn das kann nur der Kirche zustehen. Hier ist die Kirche thatsächlich zur Dienerin, zur Magd des Staates herabgewürdigt worden. Es ist, ich weiß wohl, im Gesetze unter anderem die Bestimmung enthalten, dass die unmittelbare Aussicht über den Religionsunterricht der Kirche zustehe. Aber es ist, damit ja nicht etwa die Kirche ihr volles Recht, wie es ihr gebührt, ausüben könne, auch die Bestimmung beigefügt: "unbeschadet des obersten Aussichtsrechtes des Staates." Nun möchte ich Sie fragen: Ist das nicht ein ganz eclatenter Widerspruch, auf der einen Seite zu behaupten, die Kirche sei in dieser Beziehung souverän und aus der anderen Seite, der Staat habe das oberste Aufsichtsrecht über diese Souveränität? Das ist, wie ein erleuchteter Kirchenfürst gesagt hat, eine contradictio in terminis. Sie wissen, wie in liberalen Kreisen dieses Gesetz trotzdem eine Perle der Schulgesetzgebung genannt worden ist. Nun mit diesen Bestimmungen allein schon XI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. Session, 8. Periode 1899. 135 ist das oberste Aufsichtsrecht der Kirche, was den Unterricht in religiös-sittlicher Beziehung anbelangt, thatsächlich geleugnet, ein Recht somit geleugnet, das ihr unveräußerlich zukommt. Es ist dann ferner auch in einem Absätze des Reichsvolksschulgesetzes die Bestimmung enthalten, dass in dem Falle, wenn von Seite des jeweiligen Bischofs für den Religionsunterricht nicht vorgesorgt wird, der Landesschulrath einzutreten und die Besorgung des Religionsunterrichtes zu veranlassen habe. Nun das ist gleichfalls ein Eingriff in die Rechte der Kirche. Was würden Sie dazu sagen, wenn es beispielsweise hieße, wenn der Staat irgendwo in einem dringenden Falle einen Beamtenposten nicht besetzt, dann hat die Kirche das Recht, hier einen Beamten zu bestellen? Ich glaube, da wäre kein Mensch so einfältig, zu sagen, dass hier nicht factisch in die Rechte des Staates eingegriffen worden sei. Wenn aber das Umgekehrte der Fall ist, wie es thatsächlich hier geschieht, so nennt man das die Rechte der Kirche wahren. (Rufe: Sehr richtig!) Auch darin ist die der Kirche laut göttlicher Bestimmung zukommende Freiheit genommen, dass sie sich der Staatsgesetzgebung in Bezug auf das Ausmaß des Religionsunterrichtes zu fügen hat, indem sie sich hier dem von den weltlichen Schulbehörden verfassten Schulplane zu fügen hat. Ich weiß, man sagt, Zweck des Unterrichtes und der Erziehung sei, die Jugend sittlich-religiös zu erziehen. Dieses Wort hat selbstverständlich bei allen, die näher mit den Wahrheiten des Christenthums vertraut sind, allein schon Anstoss erregt, aber es entspricht vollkommen dem Sinne und Geiste unserer kirchenfeindlichen liberalen Gesetzgebung. Denn wahre Sitte ist auf wahrem Glauben gegründet und nicht umgekehrt. Sonflt, wollte man das richtig aussprechen, müsste man sagen, "religiös-sittliche" Erziehung und nicht "sittlich-religiöse" Erziehung. Nun was soll das für eine Religion sein? Was soll das für eine religiös-sittliche Erziehung sein? Auf welchen Wahrheiten ist sie aufgebaut? Jedenfalls nicht auf den Wahrheiten der katholischen Kirche. Denn diese Wahrheiten besagen, dass das oberste Aufsichtsrecht in religiös-sittlicher Beziehung nicht dem Staate sondern der Kirche zukommt. Also kann offenbar nicht diese religiös-sittliche Erziehung gemeint sein, die wir im Auge haben, nicht die der katholischen Kirche sein. So hat man also mehrfach in die Rechte der Kirche eingegriffen, und der Staat hat gewaltsam das Recht der Kirche an sich gerissen. Dann ist noch ein weiterer Übelstand zu erwähnen. Der Staat zwingt nämlich die Eltern, ihre Kinder in eine Schule hineinzuschicken, die möglicherweise vollständig den Grundsätzen der Eltern widerspricht, in der ein Geist herrscht, dertz dem Geiste der Eltern ganz entgegengesetzt ist. Das erste Recht auf die Erziehung der Kinder haben selbstverständlich die Eltern, das ist ein natürliches Recht. Sie haben aber auch die schwere Pflicht, diese Erziehung im richtigen Sinne zu besorgen. Nun kommt der Staat und zwingt die Eltern, die Kinder in eine Schule zu schicken, in der möglicherweise eine ihren Pflichten ganz entgegengesetzte Erziehung und ein ihren: Sinne entgegengesetzter Unterricht ertheilt wird. Es ist zwar den Eltern auf Grund des Volksschulgesetzes das Recht eingeräumt, im Falle als sie es mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren können, ihre Kinder in unchristlich geleitete Schulen zu schicken, an denen vielleicht auch andersgläubige Lehrer angestellt sind, also Juden oder Protestanten möglicherweise unterkommen, da ist freilich auf Grund des Gesetzes den Eltern gestattet. Privatschulen zu errichten. Aber dennoch bleibt das Unrecht aufrecht erhalten, indem man solche Eltern zwingt, zu diesen religionslosen Schulen trotzdem noch durch Steuern beizutragen. Das ist ein Eingriff in die natürlichen Rechte der Eltern. Dieser Eingriff ist umso größer, weil dieselben keinen Einfluss auf die Heranbildung der Schullehrer besitzen, und die Lehrer doch nichts anderes sind als die Stellvertreter der Eltern in der Heranbildung und Erziehung der Kinder. Das ist die Stellung des Lehrers in der menschlichen Gesellschaft. Er ist ein Vertreter der Eltern, aber nicht ein von den Eltern und der Familie unabhängiger Beamter. Die katholischen Eltern haben weiters auch auf die Bildung der Lehrer in den Pädagogien keinen Einfluss; da verfügt ebenfalls die Staatsgesetzgebung. So sehen wir, wie durch diese Gesetze factisch die Rechte der Kirche beschränkt werden und theilweise der Staat sie zwangsweise an sich gerissen hat, dass ebenso auch die Rechte der 136 XI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III- Session, 8. Periode 1899. Eltern stark beschränkt worden sind und zwar gerade in den wichtigsten Punkten. Nun, meine Herren, wenn nun ein Staat gegenüber solchen Autoritäten, den ersten und vornehmsten Autoritäten, die in der menschlichen Gesellschaft bestehen, das sind die Eltern und die Kirche, wenn er, sage ich, so verfährt, dann muss man sich nicht wundern, wenn in einem Großtheile der Bevölkerung auch das Ansehen und der Respect vor der weltlichen Autorität gesunken ist. (Rufe: Ganz richtig!) Wenn Vater und Mutter den Kindern ein schlechtes Beispiel geben, wird man sich nicht wundern, wenn aus solchen Familien auch schlechterzogene Kinder hervorgehen. Wenn der Herr Landeshauptmann-Stellvertreter gesagt hat, das Gesetz habe sich bewährt, so muss ich ihn aufmerksam machen, auf die gegenwärtigen Zustände im Staate Österreich, auf die Strömungen in der Bevölkerung, auf den antireligiösen und antipatriotischen Geist, der immer weitere Kreise um sich zieht. Man muss sich nur wundern, dass die Regierung nach solchen Misserfolgen nicht endlich einmal einsieht, dass da in der Schulgesetzgebung gründlich Wandel geschaffen werden muss. Das Gesetz hat sich soweit bewährt, dass ein antireligiöser und antipatriotischer Geist durch eine solche Gesetzgebung in die Bevölkerung hineingedrungen ist. (Rufe: Sehr richtig!) Es ist geradezu lächerlich, wenn man einem socialdemokratischen Lehrer die Zügel anlegen wollte. Aber sagen Sie, meine Herren, wer hat sie so erzogen? Ist es nicht der Staat, der den Pädagogien auf Grund eines religionsfeindlichen Gesetzes den Geist eingepflanzt hat? Ist nicht die ganze Einrichtung so beschaffen, dass dieser Geist ihnen von Staatswegen eingepflanzt wurde? Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn solche Früchte an den Tag kommen. "An den Früchten werdet Ihr sie erkennen!" In dieser Richtung hat der Herr Landeshauptmann-Stellvertreter Recht gehabt: "Das Gesetz hat sich bewährt", wie wir es vorausgesagt haben. Nun, meine Herren, wenn wir von der Majorität trotzdem in die Berathung dieses Gesetzentwurfes eintreten, wenn ich und meine Gesinnungsgenossen dafür stimmen, dass in die Specialdebatte über dieses Gesetz eingegangen werde, dann thun wir es etwa nicht, weil die Grundlage dieses Gesetzes von uns anerkannt wird, oder um dem Gesetze zum Durchbruche zu verhelfen, sondern einzig und allein deshalb, um den schädigenden Einfluss, den die Gesetzgebung aus die Heranwachsende Jugend haben könnte, möglichst hintanzuhalten und zu verhindern. In diesem Sinne werde ich für das Eingehen in die Specialdebatte stimmen. Dr. Schmid: Geehrte Landesvertretung! Es sind zwar außer dem hochwürdigsten Bischof noch zwei ehrenwerte Vertreter des Clerus in diesem Hause. Aber wenn man zugehört hat, was heute von allen Seiten gesprochen worden ist, so könnte man wahrlich glauben, man sei in einer Versammlung, die nicht als Vertretung des Volkes, der Staatsbürger erscheint sondern als Vertretung eines einzelnen Standes - der Geistlichkeit. (Zustimmung auf Seite der Gesinnungsgenossen und Heiterkeit.) Diesen Eindruck empfängt man unwillkürlich, wenn man nichts anderes reden hört als von der katholischen Kirche, von katholischen Grundsätzen, vom katholischen Verlangen und von Anmaßungen eines fremden Gebietes seitens des' Staates, nämlich der Schule - Sachen, welche durch die Vergangenheit, durch die Geschichte bisher keine Begründung gefunden haben. Ich muss gegenüber dem vorliegenden Gesetzentwürfe meinen Standpunkt wahren und erkläre im vorhinein, dass ich natürlich, wie schon der Herr Abgeordnete Ganahl ausgesprochen hat, dessen Partei auch ich angehöre, für die Ablehnung der Specialdebatte stimme. Ich erkläre aber auch, dass mir das ganze Schulgesetz schon deswegen nicht der Änderung zu unterwerfen nothwendig erscheint, weil ich, seitdem ich im politischen Leben stehe, sehe, dass sehr wenig, ja bereits nirgends ein Verlangen nach einer Änderung unseres Landesvolksschulgesetzes sich kundgegeben hat. Der Herr Berichterstatter hat zwar sehr packend uns auseinandergesetzt und mitgetheilt, dass die Wahlen des Jahres 1870 eine Antwort auf die Volksschulgesetze der 1860er Jahre gewesen seien, und damit beweisen wollen, dass das Volk mit den gegenwärtigen Volksschulgesetzen, wie sie in den 1860er Jahren von der damaligen Landesvertretung geschaffen worden XI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. III. Session, 6. Periode 1899. 137 sind, nicht zufrieden sei. Wenn das wahr ist, dann, meine Herren, haben Sie das Volk auf Ihren Dank lange warten lassen. (Gelächter.) Denn von den 1870er Jahren bis jetzt haben Sie sich nicht bemüßiget gefunden, eine Änderung in der Volksschulgesetzgebung des Landes eintreten zu lassen, und das arme Volk, das seinen Unwillen durch die colossale Änderung in der Wahl seiner Landesvertretung kundgegeben hat, musste beinahe 30 Jahre warten, bis seinem Willen entsprochen worden ist. Das ist wahrlich eine merkwürdige Volksvertretung! Das ist eine Thatsache, welche mit dem übereinstimmt, was ich anfangs gesagt habe, dass hier nämlich nicht Vertreter des Volkes sitzen sondern Vertreter eines Bestandtheiles des Volkes, eines Standes, nämlich der Geistlichkeit. Diejenigen Gesetze zu ändern, deren Änderung vom Volke sehnlichst verlangt wird und schon oft verlangt worden ist, das fällt Ihnen nicht ein. Die Änderung der Schulgesetze aber ist bisher von der Bevölkerung in hervorragendem Maße nicht verlangt worden. Ich erinnere da nur an das im Lande vielfach zu Tage getretene Verlangen, die Landesvertretung möchte einmal die Landtagswahlordnung in zeitgemäßer Weise ändern. Ich erinnere an unseren Antrag, den Sie, ohne ein Wort zu erwidern, vom Tische weggestrichen haben, trotzdem unter Ihnen selbst die Ansicht ausgesprochen worden ist, es sei nothwendig, die Landtagswahlordnung zu ändern. Da ist man nicht darauf eingegangen, obwohl das ausdrücklich der Wunsch der Bevölkerung des Landes ist. Hier hat dieser Wunsch der Bevölkerung bisher einen maßgebenden Ausdruck nicht gefunden. Und wenn es die Wahlen der 1870er Jahre waren, so kommen Sie sehr spät mit der Beantwortung desselben. Das Gesetz scheint mir aber auch gar nicht nothwendig zu sein. Sie sprechen, dass die Nothwendigkeit des Gesetzes hauptsächlich darin liege, dass der Kirche ein größerer Einfluss auf die sittlich-religiöse Erziehung der Jugend und dem Lande ein vermehrter Einfluss auf die Zusammensetzung der Bezirks- und Landesschulräthe gewährt werde, wie im Motivenberichte es steht; also einen erhöhten Einfluss der Kirche und dem Landes-Ausschusse in Beziehung auf die Schulaufsicht zu gewähren, darin liege der maßgebende Grund für die Nothwendigkeit des neuen Gesetzes. Ja, was haben Sie denn, meine Herren? Sie müssen nicht immer weiter schweifen und Sachen von anderen Ländern herbringen. Wir reden ja nur von unseren Landesschulgesetzen, und da frage ich Sie: Was haben Sie in unserem Lande zu constatieren, wie die Schule Schaden gelitten hat durch dieses Schulgesetz, das heute verändert werden soll? Wo hat die katholische Kirche, welche hauptsächlich im Volke als regierende Kirche dasteht, irgend einen Schaden gelitten durch dieses Schulgesetz? Nicht einmal dort, wo die Vertreter des jetzigen Schulgesetzes maßgebend sind und maßgebend sein sollten. Meine Herren, ist es möglich geworden, dass irgendwie kirchliche Rechte tangiert worden sind? Da fällt mir eben ein, dass ich im vergangenen Herbste als Gast zur hiesigen Bezirksschullehrer-Conferenz geladen war. Ich fand da nun aus der Tagesordnung einen Vortrag mit dem unschuldigen Titel: "Beziehungen zwischen Familie und Schule". Dieser Vortrag, dessen Verfasser ich nicht kenne, wurde von einem Lehrer der hiesigen Umgebung vorgelesen. Bei der Verlesung entpuppte sich aber dieser Vortrag, dessen unschuldiger Titel: "Beziehungen zwischen Familie und Schule" eben nur oben an den Kopf gestellt worden ist, als eine Bekämpfung, Herabwürdigung und Verurtheilung der Volksschulgesetze unseres Reiches und Landes. Dieser Vortrag, der mit lautloser Stille angehört wurde, wurde abgehalten in Gegenwart von Vertretern des Landesschulrathes unter Leitung des k. k. Bezirksschulinspectors. Es fand sich - natürlich die Pflicht der Höflichkeit und Sitte gebot es dem Gaste - unter den Mitgliedern des Landesschulrathes niemand, der diesen Äußerungen entgegen getreten wäre; aber wunderbarer Weise hat auch der k. k. Vertreter der Schule, der Bezirksschulinspector als Leiter der Bezirksschullehrer-Conferenz, es nicht nur nicht für nothwendig gefunden, den anmaßenden Äußerungen des Vortragenden entgegenzutreten und diese Beurtheilung des Volksschulgesetzes ins rechte Licht zu stellen, sondern er fand es noch für nöthig, dem Vortragenden bestens zu danken und diesen erhebenden Vortrag zu beloben. (Heiterkeit. Bravorufe auf Seite der Majorität.) Wenn das möglich ist, meine Herren, dann müssen Sie doch zugestehen, "nicht einmal diese 138 XI. Sitzung des Vorarlberger Landtages- HI. Session, 8. Periode 1899. viel angefeindeten Vertreter des religionsfeindlichen Staates sind unseren Kindern gefährlich und noch viel weniger die Schullehrer, welche die Schulgesetze im Sinne der katholischen Erziehung der Jugend durchführen sollen". Also die Nothwendigkeit einer Änderung dieses Gesetzes scheint mir nicht einleuchtend, ebensowenig wie wir kein Bedürfnis nach einer Änderung haben. Es ist aber, wie bereits in früheren Worten eines meiner Herren Gesinnungsgenossen so trefflich hervorgehoben worden ist, das neue Gesetz geradezu schädlich. Ich will nicht mehr viel Worte darüber verlieren; es hat ja der Herr Abgeordnete Ganahl in dieser Beziehung so trefflich gesprochen; aber das will ich sagen und betonen, dass das neue Gesetz deswegen schädlich ist, weil darin der Grundsatz aufgestellt wird, dass man die Schule der Leitung und Oberaufsicht der fachmännischen Organe des Staates entziehen will und sie einerseits den gegenwärtigen politischen Machthabern des Landes in die Hand spielen und sie andererseits unter die Unterwürfigkeit der Geistlichkeit bringen will. Das ist, meine Herren, nach meinem Standpunkte und dem meiner Gesinnungsgenossen verwerflich, nicht richtig und für die Zukunft der Entwicklung der Schule sehr schädlich. Wir stehen nicht auf dem Standpunkte, der uns früher insinuiert worden ist, sondern auf dem: "Eine freie Schule im freien Staate"! (Zustimmung der Gesinnungsgenossen. - Gelächter. - Pfarrer Thurnher: Saubere Freiheit!) Johannes Thurnher: Ich werde eine angenehme Abwechslung, glaube ich, in die bisherige Debatte bringen durch die Kürze, mit der ich sprechen werde. Ich will nur auf einen einzigen Satz, auf einen ganz merkwürdigen Satz des Herrn Vorredners reagieren, der gesagt hat, die gegenwärtige Landesvertretung und ihre Vorgängerinnen hätten es 30 Jahre über sich gebracht, damit zu warten, dem Volke den Dank dafür abzustatten, dass es durch die in den 70iger Jahren stattgefundenen Neuwahlen einen conservativen Landtag gewählt hat. Also 30 Jahre hat man damit gewartet! Ja, ich bin bereits ebenso lange in diesem Hause, aber ich glaube, es hat in diesem Zeitraume wenige Jahre gegeben, in welchen man sich nicht mit Schulgegenständen und mit Verbesserungen der Schulgesetzgebung befasst hat. Ich kann diesen Ausspruch nicht begreifen, da der Herr Abg. Doctor Schmid doch Bregenzer ist, meines Wissens nicht immer abwesend war und ich nicht annehmen kann, dass er die ganze Zeit politisch geschlafen habe. (Lebhafte Heiterkeit.) Dressel: Es war sonst nicht meine Absicht, in der Generaldebatte mich zum Worte zu melden, dennoch will ich auf einiges antworten, was hier vorgebracht wurde. Man hat gesagt, die Schulbehörden hätten ja bisher so trefflich functioniert, und wenn die Gesetze in unserem Lande so schlecht gewesen wären, so wäre das jedenfalls zutage getreten. Darauf ist nur zu antworten, dass der Grund dieser Erscheinung nicht in den Gesetzen liegt. (Rufe: Sehr richtig!) Von Gesetzes wegen hätten in den Landesschulbehörden lauter Juden und Heiden sitzen können. (Rufe: Sehr richtig!) Das gestattet das Gesetz. Wenn man ferner sagt, man schränke die fachmännischen Vertreter in ihrer Thätigkeit ein, man wolle den fachmännischen Einfluss in den Schulbehörden zurückdrängen, so ist das ein ungerechtfertigter Vorwurf. Auch in Zukunft werden im Landesschulrathe nicht weniger als vier Fachmänner sitzen, und alle vier werden auch stimmberechtiget sein, wenn die Regierung darauf verzichtet, den Referenten zu ernennen. Es ist z. B. im Jahre 1869, wo die liberale Hochfluth am höchsten war, in Görz ein Landesschulaufsichtsgesetz geschaffen worden. Sie werden von den Görzern nicht sagen, dass sie zu den Ultramontanen gehören. Nach diesem Gesetze sind im Landesschulrathe zwei katholische Geistliche und zwei Vertreter des Landes-Ausschusses, das ist zusammen vier. Diesen vier gegenüber haben nur zwei Mitglieder des Lehrerstandes Sitz und Stimme und von diesen zweien muss der eine als Landesschulinspector fungieren, so dass also außer demselben in Görz nur noch ein einziger Lehrer als Fachmann im Landesschulrathe sitzt. Wir haben vier Vertreter der Schule, und ich glaube, das sollte auch für die Zukunft genügen. Kohler: Es sei mir nur gestattet, einen einzigen Punkt aus der Rede des Herrn XI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. HI. Session, 8. Periode 1899. 139 Landeshauptmann-Stellvertreter mit ein paar Worten zu beleuchten. Er hat nämlich darüber sein Bedauern ausgesprochen, dass in der neuen Vorlage nur von der "katholischen" Kirche die Rede sei, und dass somit in dieser Vorlage die anderen Confessionen im Lande in ihren Rechten und in ihrer bisherigen Stellung verkürzt erscheinen. Ich möchte hier dieser Bemerkung gegenüber nur auf die Thatsache hinweisen, dass die zwei anderen Confessionen - ich weiss nur die evangelische in Bregenz und die israelitische in Hohenems - eigentlich auf den Grundgedanken der confessionslosen Schule von Anfang an gar nicht eingegangen sind. Dieser Umstand muss von diesen beiden Confessionen mit Hochachtung hier berührt werden. Aus den Gedanken einer confessionslosen Schule sind nur gewisse Katholiken eingegangen, (Rufe: Sehr richtig!) unsere evangelischen und israelitischen Mitbürger sind meines Wissens hierauf gar nicht eingegangen und haben unsere liberale Schulgesetzgebung schon vor 30 Jahren perhorresciert. Alle Achtung vor Ihnen! (Rufe: Sehr richtig! Bravo!) Ganahl: Der Herr Vorredner hat nicht widerlegt, was ich früher bemerkt hatte, nämlich dass man die im früheren Gesetze für andere Confessionen vorgesehenen Rechte verkürzt habe. Ich wollte nur dem Herrn Abg. Pfarrer Thurnher noch einiges bemerken. Dieser Herr hat auf die bösen Folgen der Neuschule hingewiesen. Es ist dies ein bekanntes Thema, es ist dies ein bekanntes Lied. Wir kennen es schon seit Jahren auswendig; es hat nur einen Fehler, dass es nämlich nicht wahr ist. Um jedoch einen gewissen Beweis zu erbringen, hat man versucht, auf eine vielleicht nicht einwandfreie politische Strömung hinzuweisen, die sich mit den Worten "Los von Rom" kennzeichnet. Nun, ich sage Ihnen aufrichtig, dass es mir selbst nicht gefällt, wenn man aus politischen Gründen die Religion wechselt. (Lebhafter Beifall.) Aber darüber sich zu beschweren, haben am wenigsten jene Ursache, welche seit Jahren die Religion mit der Politik verquickt haben. (Lebhafte Zustimmung links.) Das ist ein gefährlicher Weg und führt zu solchen befremdlichen Erscheinungen. Es macht übrigens einen eigenthümlichen Eindruck, wenn man die Volksschule für Erscheinungen verantwortlich macht, die an den Universitäten auftreten. Ich glaube, das ist doch etwas zuweit gegangen. Ich frage aber den Herrn Abg. Pfarrer Thurnher: Hat seit 30 Jahren in diesem Lande das katholische Leben abgenommen? Wir in Feldkirch wissen wenigstens das Gegentheil zu erzählen. Wir sind dort von einer ganzen Corona von Klöstern und frommen Anstalten umgeben. (Dr. Schmid: Sehr richtig! Heiterkeit!) Das ist einmal eine starke Bethätigung des katholischen Lebens; daher es nicht richtig ist, wenn man behauptet, die Neuschule habe die Religion oder das religiöse Leben geschädiget. Damit will ich schließen, denn unsere Gegensätze werden sich niemals vereinbaren. (Rufe: Sehr richtig!) Hochwürdigster Bischof: Der Herr Landeshauptmann-Stellvertreter hat sich eben mit Pathos darüber beschwert, dass Feldkirch mit einer ganzen Corona von Klöstern und frommen Anstalten umgeben sei. (Ganahl: das habe ich nicht so gesagt!) Ich erlaube mir die Anfrage zu stellen, ob der Herr Landeshauptmann-Stellvertreter den Wunsch hat, dass das eine oder das andere dieser Klöster im materiellen oder religiösen Interesse der Gemeinde beseitiget werden soll und welches von ihnen? Ganahl: Ich bedaure, den hochwürdigsten Bischof berichtigen zu müssen. Ich habe mich nicht beschwert, sondern nur eine Thatsache constatiert. (Hochwürdigster Bischof: Dann war es Spott! Unruhe im Hause.) Wenn man behauptet, dass das katholische Leben durch die Neuschule zurückgegangen ist, so habe ich auch das Recht zu beweisen, dass das Gegentheil geschehen ist; und dieses Recht nehme ich auch dem hochwürdigsten Bischof gegenüber in Anspruch, bei aller Hochachtung und Verehrung, die ich dem hochwürdigsten Bischof persönlich und seiner Stellung wegen entgegenbringe. Hochwürdigster Bischof: Dass die Klöster um Feldkirch in materieller Beziehung für die Gemeinde sehr nützlich und für die religiös-sittliche Erziehung des Volkes sehr nothwendig sind, das constatiere ich gegenüber diesen Angriffen. 140 XI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IH. Session, 8. Periode 1899. Jodok Fink: Der Herr Abgeordnete Ganahl hat schon wiederholt betont, dass wir in diesen Punkten doch nicht einig werden, und da stimme ich vollkommen zu. Es ist schon in einer früheren Sitzung von einem Herrn Collegen sinngemäß angedeutet worden, dass, sobald das Wort "katholisch" oder "Maria" vorkommt, dieses die Wirkung hat, wie wenn man den Herren ein rothes Tuch vorhält. (Heiterkeit.) Da ich glaube, dass es doch umsonst ist, die Herren in dieser Beziehung zu bekehren, so will ich auf dieses Gebiet gar nicht näher eingehen. Aus den Ausführungen der Herren Liberalen möchte ich aber einen Punkt besonders hervorheben. Die Herren von der Linken haben wiederholt sich dahin ausgesprochen, dass sie sehr bedauern, dass man die fachmännischen Vertreter in den einzelnen Schulbehörden zurückdrängen wolle. Zu diesen Äußerungen möchte ich nur sagen, dass die heutigen Liberalen von denen des Jahres 1868 ganz verschieden sind. Damals waren die Liberalen wirkliche Volksvertreter und haben noch volksthümliche Anschauungen gehabt und dieselben auch zum Ausdrucke gebracht. Damals hat der liberale Abgeordnete Gsteu erklärt, dass den Vertretern des Volkes und des Landes zu wenig Sitze im Landesschulrathe eingeräumt werden. Er hat verlangt, dass neben dem Landes-Ausschusse, der zwei Mitglieder zu wählen hatte, auch der Landtag zwei Mitglieder in den Landesschulrath wählen sollte; und auch mein Vorgänger aus dem Bregenzerwalde, Abgeordneter Feuerstein, - auch ein Liberaler - hat sich ebenfalls in diesem Sinne ausgesprochen. Mit Erlaubnis des Herrn Landeshauptmannes werde ich zum Beweise dessen den Herren eine kurze Stelle aus dem stenographischen Protokolle über die damalige Landtagsverhandlung vorlesen. Dieser Abgeordnete Feuerstein sagte damals (liest): "Ich bin der Ansicht, dass dem Lande selbst im Landesschulrathe eine sehr ungenügende Vertretung eingeräumt wird. Wenn er wirklich so constituiert würde, wie das im gegenwärtigen Gesetze beantragt wird, so wäre vielleicht der Titel "Regierungsschulrath" angezeigter als "Landesschulrath"; denn sieben Mitglieder werden von der Regierung ernannt. Meine Ansicht geht daher dahin, dass wenigstens im Landesschulrathe dem Lande ein gewichtiges Wort eingeräumt werde." Also damals waren die Herren liberalen