18980208_lts015

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Letzte Änderung 02.07.2021, 19:09
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp08,lts1898,lt1899,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 15. Sitzung am 8. Februar 1898 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 19 Abgeordnete. Abwesend: Hochwürdigster Bischof und Johannes Thurnher. Regierungsvertreter: Herr Statthaltereirath Josef Graf Thun-Hohenstein. Beginn der Sitzung um 10 Uhr 5 Minuten vormittags. Landeshauptmann: Ich erkläre die heutige Sitzung für eröffnet und ersuche um Verlesung des Protokolles der letzten Sitzung. (Secretär verliest dasselbe). Wird gegen die Fassung des Protokolles eine Bemerkung zu machen gewünscht? Da dies nicht der Fall ist, so betrachte ich dasselbe als genehmiget. Wir gehen zur Tagesordnung über. Ans derselben steht als erster Gegenstand der Bericht des Steuerausschusses über die vom Landtage in die Erwerbsteuer-Landescommission und in die Bernfungscommission für die Personaleinkommensteuer vorzunehmenden Wahlen. Ich ersuche den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dressel, das Wort zu ergreifen. Dressel: Hohes Haus! Nach dem Gesetze vom 25. October 1896, R. G. Bl. Nr. 220 über die direkten Personalsteuern sind in Vorarlberg zwei Landescommissionen zu creieren und zwar eine Erwerbsteuer-Landescommission nach § 19 und eine Berufungscommission für die Personaleinkommensteuer nach § 177 B des genannten Gesetzes, deren Mitglieder zum Theile vom Landtage zu wählen sind." Nach § 19 und dem Schema A zu diesem Paragraph ist die Erwerbsteuer-Landescommission so zu creieren, dass der Landtag nach einem von 168 XV. Sitzung des Vorarlberger Landtages, II. Session, 8. Periode 1898. ihm zu bestimmenden Wahlmodus 4 Mitglieder wählt, die Regierung 4 Mitglieder, darunter den Vorsitzenden, ernennt und die Handels- und Gewerbekammer 1 Mitglied entsendet, so dass diese Commission aus 9 Mitgliedern besteht. Bei dieser Wahl sollen thunlichst die 4 verschiedenen Erwerbsteuerclassen berücksichtiget werden. Wählbar sind nur jene Erwerbsteuerpflichtigen männlichen Geschlechtes beziehungsweise jene leitenden Betriebsbeamten (§ 16, Absatz 5 des obigen Gesetzes), welche das 24. Lebensjahr zurückgelegt haben und sich im Vollgenusse der bürgerlichen und politischen Rechte befinden. Mit Rücksicht auf die Kleinheit unseres Landes und die Verhältnisse, wie sie vorliegen, glaubte der Steuerausschuss, es sei die Wahl dieser Commission von den: vollen Hanse vorzunehmen und den Mitgliedern des h. Landtages nicht vorzuschreiben, dass sie gerade genau je ein Mitglied aus den verschiedenen Erwerbsteuerclassen nehmen, sondern dass alle 4 Mitglieder gleichzeitig miteinander gewählt werden sollen. Für jedes vom h. Hause zu wählende Mitglied ist dann noch ein Stellvertreter nach demselben Modus zu wählen. Bezüglich der Berufungscommission für die Personaleinkommensteuer schreibt das betreffende Gesetz in den §§ 182 und 183 den Wahlmodus genau vor. Nach der Kundmachung des Finanzministeriums vom 16. November 1897 hat der hohe Landtag 8 Mitglieder und ebensoviele Stellvertreter zu wählen. Der Wahlmodus ist hier, wie schon erwähnt, genau vorgeschrieben. Es soll nämlich nach Curien gewählt werden und zwar nach den in der Landesordnung für die Wahl der Landesausschussbeisitzer festgesetzten Bestimmungen. Dem Steuerausschusse lag also nur ob, die Zahl der zu wählenden Mitglieder nach diesen Bestimmungen zu bezeichnen. Da wir in Vorarlberg 4 Landesausschussbeisitzer haben und in diese Landescommission 8 Mitglieder und 8 Stellvertreter zu wählen sind, so trifft es, wenn man die beiden Körperschaften vergleicht, auf jeden Landesausschussbeisitzer 2 zu wählende Mitglieder. Es haben also die Vertreter der Städtecurie und der Handels- und Gewerbekammer 2 Mitglieder und 2 Stellvertreter, ferner die Abgeordneten der LandgemeindenCurie ebenfalls 2 Mitglieder und 2 Stellvertreter und schließlich das ganze Hans 4 Mitglieder und 4 Stellvertreter zu wählen. Da die Landesordnung vorschreibt, dass für jedes Landesausschussmitglied ein bestimmter Stellvertreter zu wählen sei, so ist auch für jedes zu wühlende Mitglied dieser Commission ein bestimmter Stellvertreter zu wählen. Die Stellvertreter sind also nicht allgemein sondern ad personam zu wählen. Mit Rücksicht auf die gegebenen Verhältnisse und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen schlägt der Steuerausschuss folgende Anträge vor: (Liest dieselben ans Beilage L.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Anträge des Stencransschusses die Debatte. Es nieldet sich niemand zum Worte, somit kann ich zur Abstimmung schreiten und zwar werde ich beide Anträge unter einem vornehmen. Ich ersuche jene Herren, welche den beiden Anträgen, wie sic der Steuerausschuss vorlegt, die Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Wir kommen nun zum zweiten Gegenstände unserer Tagesordnung, nämlich zur Wahl der Erwerbsteuer-Landescommission. Ich bemerke gleich jetzt schon, dass auf Wunsch verschiedener Herren Abgeordneten die Wahl der Personaleinkommensteuer-Berufungscommission auf die morgige Sitzung verschoben wird. Es bleibt uns also nur die Wahl der Mitglieder für die Erwerbsteuer-Landescommision. Nach den soeben gefassten Beschlüssen sind die Mitglieder dieser Commission aus dem ganzen Hause zu wählen. Ich ersuche daher 4 Namen zu schreiben. (Wahlact.) Ich ersuche für diesen Wahlact und für alle folgenden die Herren Abgeordneten Jodok Fink und Pfarrer Thurnher das Scrutinium zu übernehmen. Pfarrer Thurnher: Abgegeben wurden 18 Stimmzettel, einer davon war leer. Jodok Fink: Die meisten Stimmen haben erhalten: Johann Vallaster, Fabriksbesitzer in Feldkirch, 14; Placidus Gunz, Müller in Bludenz, 14; Engelbert Bösch, Landtagsabgeordneter und Altvorsteher in Lustenau, 13; Franz Loser, Reichsrathsabgeordneter und Schuhmachermeister in Rieden, 13. Die übrigen Stimmen waren zersplittert und zwar erhielten davon: Dr. v. Preu, Josef Hutter und Richard Goßer je 2 Stimmen; Dr. Waibel, XV. Sitzung des Vorarlberger Landtages II. Session, 8. Periode 1898. 169 Heinrich Hueier, Josef Wolf, Arnold Ganahl, Franz Mäher, Nägele und Büchele je 1 Stimme. Landeshauptmann: Es sind somit die Herren Johann Vallaster, Fabriksbesitzer in Feldkirch; Placidus Gunz, Müller in Bludenz; Engelbert Bösch, Landtagsabgeordneter und Altvorsteher in Lustenau, und Franz Loser, Reichsrathsabgeordneter und Schuhmachermeister in Rieden, zu Mitgliedern der Erwerbstener-Landescommission gewählt. Wir schreiten nun zur Wahl der Stellvertreter. Nach den soeben früher gefassten Beschlüssen ist für jedes Mitglied ein Stellvertreter ad personam zu wählen. Ich ersuche daher zuerst für Johann Vallaster, Fabriksbesitzer in Feldkirch, einen Stellvertreter zu wählen. Ich ersuche, einen Namen ans den Stimmzettel zu schreiben. (Wahlact.) Pfarrer Thurnher: Abgegeben wurden 14 Stimmzettel. Jodok Fink: Davon erhielten Albert Ölz, Kaufmann in Bregenz, 13 Stimmen und Hugo Niedermaier 1 Stimme. Landeshauptmann: Es ist somit Albert Ölz, Kaufmann in Bregenz, zum Ersatzmanne für Johann Vallaster gewählt. Ich ersuche nun, den Ersatzmann für Placidus Gunz, Müller in Bludenz, zn wählen. Ich ersuche, einen Namen aufzuschreiben. (Wahlact.) Pfarrer Thurnher: 14 Stimmzettel wurden abgegeben. Jodok Fink: Gustav Rhomberg, Müller in Dornbirn, erhielt alle 14 Stimmen. Landeshauptmann: Es ist somit Gustav Rhomberg, Müller in Dornbirn, als Stellvertreter für Placidus Gunz gewählt. Ich ersuche nun um die Wahl des Ersatzmannes für Engelbert Bösch, Landtagsabgeordncten und Altvorsteher in Lustenau. (Wahlact.) Pfarrer Thurnher: Es wurden 14 Stimmzettel abgegeben. Jodok Fink: Alois Sturm, Sticker und Gemeinderath in Rankweil, erhielt alle 14 Stimmen. Landeshauptmann: Alois Sturm, Sticker und Gemeinderath in Rankweil, ist der Stellvertreter für Engelbert Bösch. Es kommt nun zum Schlusse die Wahl des Ersatzmannes für Franz Loser, Reichsrathsabgeordneten und Schuhmachermeister in Rieden. (Wahlact.) Pfarrer Thurnher: Es wurden 14 Stimmzettel abgegeben. Jodok Fink: Davon erhielten Anton Fetz, Zimmermeister in Egg, 13 Stimmen und der Redacteur der "Freien Rundschau" 1 Stimme. (Heiterkeit.) Landeshauptmann: Es ist somit Anton Fetz, Zimmermeister in Egg, als Ersatzmann für Franz Loser gewählt. Dieser Gegenstand der Tagesordnung ist somit erlediget. Der letzte Gegenstand unserer heutigen Tagesordnung ist der Bericht des Sprachenausschusses über den Antrag der Herren Abgeordneten Ganahl und Genossen und über den Antrag der Herren Abgeordneten Ölz und Genossen in Angelegenheit der Sprachenverordnungen vom 5. und 22. April 1897 und der allgemeinen Lage in Österreich. Ich ersuche den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Martin Thurnher, das Wort zu ergreifen. Martin Thurnher: Hohes Haus! Jeder Patriot sieht heute mit Furcht und Bangen der weiteren Entwicklung der Dinge in Österreich entgegen. Der unheilvolle Sprachenstreit in Böhmen hat eine Aufregung in der Bevölkerung verursacht, die bereits zu den bedauerns- und beklagenswertesten Auftritten führte. Die Thätigkeit des Reichsrathes ist vollständig gelähmt. Statt ruhiger, sachlicher Behandlung, wie wir sie im Landtage hier gewöhnt sind, erlebten wir im Reichsrathe Tumulte und Scenen, gegen die das Kriegsgeschrei der Indianer 170 XV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 8. Periode 1898. noch als liebliche Musik aufgefasst werden muss. Insbesoudere die Scenen der letzten Tage der reichsräthlichen Thätigkeit oder besser reichsräthlichen "Thätlichkeit" waren geradezu derart, dass eine Beschreibung derselben ein Ding der Unmöglichkeit ist. Viele und dringende Arbeiten, insbesondere auf dem Gebiete socialer Reformen harren der Erledigung seitens des Reichsrathes. Jeder nicht benützte Augenblick verschlimmert die Lage der um ihre Existenz kämpfenden Bevölkerung und erhöht die der Gesellschaft drohenden Gefahren. Darum bedauert jeder, der es mit Österreich und seiner Bevölkerung gut meint, die Unthätigkeit des Reichsrathes. Wir bedauern aber auch die unmittelbare Veranlassung derselben und diese ist, wenn auch vorher schon reichlicher Zündstoff aufgehäuft war und vorlag, in den von unglücklicher Hand erlassenen Sprachenverordnungen zu suchen. Ich hatte von allem Anfange an die Ansicht, für deutsche Bezirke gehöre die deutsche, für czechische Bezirke die czechische Sprache und für gemeinsprachliche Bezirke gehören beide Sprachen. Wir würden uns sicher auch wehren, wenn man uns in Vorarlberg, einem bis in die jüngste Zeit kerndeutschen Lande, zwingen wollte, irgend welche Geschäfte bei den Gerichts- oder politischen Behörden in italienischer Sprache abwickeln zu müssen. Darum ist die Forderung berechtiget, dass die auf falscher Basis beruhenden Sprachenverordnungen, soweit die Interessen des deutschen Volkes durch dieselben geschädiget werden, aufgehoben werden und die Sprachenfrage auf gesetzlichem Wege unter Würdigung der bestehenden Verhältnisse und auf Grundlage der Gerechtigkeit gelöst werde. Der erste Punkt der vorliegenden Anträge des Sprachenausschnsses gibt dieser unserer Anschauung entschiedenen Ausdruck, und ich zweifle nicht an der einstimmigen Annahme desselben. Die Majorität des Sprachenausschusses und sicher auch die des h. Hauses ist aber der Anschauung, dass auch noch andere Mittel zur Sanierung unserer Verhältnisse in Anwendung gebracht werden sollen. Nebst der Liebe zum gemeinsamen Herrscherhause war es insbesondere der Geist des Christenthums, der Österreich stark und groß machte, durch den es die schwierigsten Situationen und Kämpfe bestand und auf Grund dessen es durch Jahrhunderte hindurch als Vormauer der Christenheit, als Schützer der Cultur und Vertheidiger des Rechtes ruhmvoll dastand. Die christliche Staatseinrichtung und das geliebte Herrscherhaus waren gleichsam der Kitt, der die verschiedenen Völkerschaften verband und im Staate ihren gemeinsamen Schützer ihrer Rechte und Freiheiten erblicken ließ. Geben wir dein ehrwürdigen Habsburgerreiche wieder seinen Hauptpfeiler, den Geist des Christenthums; bauen wir auf diesen Pfeiler unsere staatlichen Einrichtungen auf und der Friede zwischen den Nationen wird ein bleibender und gesicherter fein! Wir werden, wenn wir wieder einig sind, auch stark nach außen. Wir werden aber dann auch jene Stellung in unserer Monarchie erlangen, die unserer Reichshälfte gebührt. Ich habe vor zwei Jahren von dieser Stelle aus Gelegenheit gehabt, unser Verhältnis zu Ungarn eingehend zu beleuchten, und Sie werden sich noch erinnern, das Bild, das ich damals entworfen habe, war für uns kein erfreuliches. Durch die mittlerweile eingetretenen Verhältnisse sind wir aber Ungarn gegenüber vollständig machtlos geworben, und wenn nicht bald eine Besserung eintritt, so sind wir und zwar durch eigene Schuld gleichsam mit gebundenen Händen an Ungarn ausgeliefert. Darum thut es noth, rasch eine Versöhnung unserer verschiedenen Nationen herbeizuführen. Über den dritten Punkt der vorliegenden Anträge brauche ich wohl nur wenige Worte zu sagen. Bei den eigenartigen und ungleichartigen Verhältnissen der verschiedenen Länder Österreichs erscheint es wohl unbedingt nothwendig, das Gesetzgebungsrecht der Landtage zu erweitern und den so schwerfälligen Reichsrath von einer Reihe von Arbeiten und Agenden zu entlasten. Das war von jeher unser Programm und muss es heute mehr denn je sein. Wir wollen ein starkes und mächtiges Österreich und wissen, dass eine Reihe Angelegenheiten von einem Centralparlamente besorgt werden muss. Dagegen wollen wir aber auch die Befriedigung der einzelnen Theile und die Wahrung ihrer Rechte und Freiheiten, und dieses kann wohl am besten geschehen in der Kräftigung und Hebung der Autonomie der Länder. Zum Schlusse möchte ich noch der Hoffnung Ausdruck geben, dass der Friede in unserer Monarchie bald hergestellt werde, damit das Jubeljahr unseres erhabenen Monarchen, dieses eminenten FriedensXV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 8. Periode 1898. 171 fürsten, zu einem wahren Friedens- und Freudenjahre sich gestalte und dem schwer geprüften Monarchen damit die schönste und beste Gabe zu seinem Feste zu Füßen gelegt werde. (Lebhafter andauernder Beifall.) Auf Grund dieser kurzen Ausführungen erlaube ich mir namens des Sprachenausschusses folgende Anträge zu stellen: (Liest dieselben ans Beil. XLIX.) Landeshauptmann: Ich eröffne also zunächst über den Bericht und sämmtliche Anträge des Sprachenausschusses eine Generaldebatte und werde dann über jeden einzelnen Antrag eine Specialdebatte abhalten lassen. Wenn in der Generaldebatte niemand das Wort zu ergreifen wünscht, so ist dieselbe geschlossen und wir gehen zur Specialdebatte über die drei Anträge und zwar zunächst über den Antrag 1, über, wie er Ihnen vom Herrn Berichterstatter soeben verlesen worden ist. Ich ertheile das Wort dem Herrn LandesHauptmann-Stellvertreter, Abgeordneten Ganahl. Ganahl: Punkt 1 des vorliegenden Antrages ist gewissermaßen als das Product eines Campromisses zu betrachten. Denn schon die Minorität dieses Hauses gieng bei der Formulierung ihres selbstständigen Antrages vom Gedanken ans, denselben so zu gestalten, dass er auch für die Majorität sollte annehmbar sein. Im Sprachenausschusse, wo die Anschauungen beider Parteien zu einer längeren Erörterung gelangt sind, gab es keinerlei Verschiedenheit in der Auffassung bezüglich der Sprachenverordnungen selbst, beide Parteien waren einig darin, sie als eine Kränkung der Deutschen, speciell aber der Deutschen in den Sudetenländern zu verurtheilen. Beide Parteien waren auch einig darüber, dass eine sofortige Remedur nothwendig erscheine, um dann später in geeigneter Zeit und tut gesetzlichen Wege die Sprachenfrage zu regeln. Es gab jedoch im Sprachenausschusse eine kleine Divergenz der Anschauungen in der Beurtheilung der Obstruction. Während die Vertreter der Minorität die Obstruction mehr als Wirkung einer Ursache nämlich der Sprachenverordnungen beklagte, wobei eben nicht ausgeschlossen erschien, dass diese Wirkung eine natürliche sei, gieng die Anschauung der Majorität dahin, dass die Obstruction unbedingt zu verurtheilen sei, und sie wollte auch diesem ihrem Standpunkte, im Antrage selbst schärfern Ausdruck geben. Bei dem vorherrschenden Wunsche jedoch, eine einhellige Kundgebung gegen die Sprachenverordnungen zustande zu bringen, verzichtete die Majorität darauf, dieser ihrer Auffassung im Anträge selbst noch Ausdruck zu verleihen. Die Minorität wäre eben nicht in der Lage gewesen, die Obstruction als solche und in unbedingter Weise zu verurtheilen. Gestatten Sie mir, meine Herren, dass ich bei diesem Thema etwas länger verweile. Die Obstruction ist nicht, wie vielfach angenommen wird, als ungeberdiges Kind der Neuzeit zu betrachten; sie ist schon älteren Datums. Sie ist älter als unsere Zeitrechnung, denn schon die Römer haben sie gekannt und geübt. Schon bei den Römern gab es einen Dauerredner, der um eilt Gesetz, welches ihm im Interesse des Vaterlandes verwerflich schien, zu verschleppen, einen ganzen Tag hindurch gesprochen hatte. Es gab auch bei den Römern einen "führenden" Consul, der den missliebigen Obstructionisten durch Büttel abführen und in den Carcer stecken ließ. Dagegen erhob sich aber der ganze Senat und wollte das Loos des Gemaßregelten theilen. Dieser imposanten Demonstration gegenüber wich der "führende" Consul zurück und gab den Gefangenen frei. Sie sehen, meine Herren, es gibt nichts neues unter der Sonne, es ist alles schon dagewesen. Kein Vernünftiger wird die parlamentarische Obstruction als ein regelrechtes Mittel der Minorität sich Geltung zu verschaffen, betrachten können. Die Obstruction im concreten Falle aber ist - wird dies fast allgemein zugegeben - lediglich als Nothwehr zu betrachten, als Nothwehr gegen einen ungesetzlichen Act, als Nothwehr gegen einen Gewaltstreich, welchen sich das Ministerium Badeni den Deutschen in den Sudetenländern gegenüber gestattet hat. Int Stande der Nothwehr aber pflegt man den Gegner nicht in Glacehandschuhen anzurühren. Im Stande der Nothwehr kommen leider auch Überschreitungen vor. Die liberale Partei, welche durch zwanzig Jahre eine decente Opposition getrieben hat, ist es endlich müde geworden, dass man fortwährend auf ihre Kosten Majoritäten schafft; sie hat es satt bekommen, dass man vom deutschen Besitzstand immer mehr abbröckelt, mit damit die maßlosen Aspirationen der Tschechen und Slovenen zu befriedigen. Der 172 XV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 8. Periode 1898. Unwille darüber ist lawinenartig gewachsen, der furor teutonicus ist erwacht, und die Regierung wird gut thun, mit demselben zu rechnen. Im übrigen freue ich mich, dass diese einstimmige Kundgebung zustande gekommen ist. Run haben sämmtliche deutsch-österreichische Landtage gesprochen und dieser einstimmigen Declaration aller deutschösterreichischen Landtage gegenüber wirb hoffentlich die hohe Regierung ohne Zögern und Zagen das schreiende Unrecht, welches an dem deutschen Volke in Österreich verübt wurde, wieder gnt zu machen bedacht sein. Denn darüber ist kein Zweifel gestattet; solange die Sprachenverordnungen fortbestehen, wird es keinen Frieden, wird es keine parlamentarische Thätigkeit und wird es auch keinen Ausgleich mit Ungarn geben, so wünschenswert und so nothwendig derselbe für beide Reichshälften ist. Ich werde für Punkt 1 der vorliegenden Anträge stimmen. Landeshauptmann: Ich ertheile das Wort dem Herrn Abgeordneten Ölz. Ölz: Geehrte Herren! Ich habe nur etwas zu berichtigen, was der Herr Vorredner in seinen Ausführungen gesagt hat. Derselbe hat unter anderem die Ansicht ausgesprochen, es sei im Sprachenausschusse von der Majorität die Obstruction im allgemeinen verurtheilt worden. Run, meine ich, dieser Herr hat sich doch etwas geirrt. Ich bin in der Ausschusssitzung unmittelbar neben dem Herrn Abgeordneten Ganahl gesessen und habe gerade den bezüglichen Passus im Anträge des Herrn Abgeordneten Ganahl beanständet, weil er mir so geschienen hat, als ob er die Obstruction im allgemeinen verurtheile. Ich habe mich dagegen gewehrt, weil ich das nicht wollte. Der Herr Abgeordnete Ganahl wird sich noch erinnern, dass wir eine andere Fassung in unserem Vorschläge gehabt haben und mir uns nur seinem Anträge der Einhelligkeit halber accommodicrt haben. Wir haben in unserem Vorschläge folgendes drinnen gehabt: "Der Landtag des Landes Vorarlberg beklagt auf das tiefste die in der letzten Session des Reichsrathes vorgekommenen tumultuösen Vorgänge, wodurch das Ansehen Österreichs im Auslande gefährdet wurde." Wir wollen also nur diese bekannten wüsten Vorgänge rügen und verurtheilen, aber nicht die gesetzlich zulässige und anständige Obstruction. Rur dem Frieden zuliebe, wie der Herr Abgeordnete Ganahl ja selbst gesagt hat, ist der Compromissantrag zustande gekommen, indem wir diese von uns beantragte Stelle fallen ließen und die Fassung annahmen, in welcher uns der Antrag 1 vorliegt. Ich wollte dies nur zu meiner Rechtfertigung und der der anderen Gesinnungsgenossen sagen. Der Herr Abgeordnete Ganahl wird sich weiter noch erinnern, dass im Ausschusse über Antrag eines Mitgliedes über den Passus: "Die tumultuösen Vorgänge, wodurch das Ansehen Österreichs im Auslande gefährdet wurde" extra noch abgestimmt werden musste. Es herrschte also entgegen der Aussage des Herrn Abgeordneten Ganahl, nicht die allgemeine Ansicht auf Seite der Majorität, dass die Obstruction im allgemeinen zu verurtheilen sei. Was meine Person anbelangt, so kann ich nur das sagen, was ungefähr der Herr Berichterstatter ausgeführt hat, nämlich dass ich von allem Anfänge an, als die Sprachenverordnungen erlassen wurden, dieselben bedauert und verurtheilt habe. Ich stehe ganz genau auf demselben Standpunkte wie der Herr Abgeordnete Martin Thurnher und halte auch dafür, dass es gut ist, wenn wir in Vorarlberg einen einstimmigen Beschluss in dieser Beziehung fassen. Es soll damit dokumentiert werden, dass es unser sehnlichster Wunsch ist, dass in Böhmen einmal wieder Gerechtigkeit eintrete. Ich hätte jetzt hier Gelegenheit, auf verschiedene Anwürfe, die nur in letzter Zeit in dieser Beziehung gemacht worden sind, einzugehen und auf dieselben zu erwidern. Ich werde es aber nicht thun. Ich weise diese Vorwürfe, die mir von gewisser Seite systematisch, absichtlich und in verleumderischer Weise in Bezug auf mein Verhalten gegenüber den Sprachenverordnungen gemacht worden sind, als Verleumdungen energisch zurück. Landeshauptmann: Wer wünscht weiter noch das Wort? Herr Abgeordneter Pfarrer Thurnher! Pfarrer Thurnher: Mich hat eine Äußerung des Herrn Landeshauptmann-Stellvertreters gar sehr befremdet, die er hier ausgesprochen hat, indem er sagte, die Majorität habe die Obstruction im XV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 8. Periode 1898 173 allgemeinen verurteilt, während die Minorität dieselbe nicht verurtheilen konnte. Ich will ihn nur an einen Ausspruch erinnern, den er anfangs, als er den Antrag der Minorität im Ausschusse vorlegte, gethan hat, als er nämlich sagte: "Meine Herren, wir sind Ihnen entgegen gekommen, soweit es möglich war, denn der Antrag, wie er unsererseits vorliegt, involviert gewissermaßen eine Verurtheilung der Obstruction." Diesen Satz hat er wörtlich ausgesprochen, und ich habe ihn mir deshalb eigens notiert. Wenn es mir noch gestattet ist, einiges in dieser Sache beizufügen, so ist es ungefähr Folgendes. Es ist gewiss in der Ordnung, dass der Deutsche auch seine Nation, deren Sitte und Sprache liebt, seine Vorbilder in der Geschichte hochhält, und dass er auch für die Erhaltung des deutschen Besitzstandes überall mit Kraft und voller Entschiedenheit eintritt. Ebenso ist es gewiss nicht zu tadeln, wenn der Deutsche dem agitatorischen Vordringen anderer Nationen, welches weder in den bestehenden Verhältnissen noch in irgend einer anderen Nothwendigkeit begründet ist, sich mit Ruhe aber auch mit Entschiedenheit entgegenstellt. Das ist gewiss nicht zu tadeln. Auch das muss sein, dass wir bei der Verschiedenheit der Sprachen und Völker in unserem lieben Österreich eine gemeinsame Verkehrssprache haben, und dass diese Sprache keine andere sein kann als eben die deutsche Sprache. Gegen alles das wird vernünftigerweise niemand etwas einwenden können, der auf dem Standpunkte der Gerechtigkeit und Billigkeit steht. Wenn aber dieser Kampf um das Deutschthum zu einer Hetze ausartet, wenn er mit verwerflichen Mitteln geführt wird, wenn er geführt wird, ' um die Verhetzung der einzelnen Nationen in Permanenz zu erhalten, dann ist dieser Kampf, meine Herren, nicht mehr zu billigen. Wenn ich auch zugebe, dass von Ihrer linken Seite gewiss gar manche Gesinnungsgenossen es ehrlich und ernst meinen in diesen! Kampfe, so darf man ebenfalls mit der nämlichen Sicherheit behaupten, dass es jenen Elementen, welche die Führung in demselben sich angemaßt haben, nicht so fast zu thun ist um das Deutschthum selbst, sondern um die Verhetzung der Nationen, um die gegenseitige Hetze der Völker in Permanenz zu erhalten, ja, wenn es möglich wäre, die Zerstörung unseres altehrwürdigen Reiches und den Sturz unserer katholischen Dynastie herbeizuführen. Um das ist es ihnen hauptsächlich zu thun. Wäre es jenen einzelnen Elementen voll und ganz ernst um die Erhaltung des Deutschthums, wie konnten sie da jene mit aller Vehemenz bekriegen, die ebenfalls die deutsche Fahne hochhalten, aber nicht weniger die des Christenthums, die also ebenso gute Christen als Deutsche sein wollen? Wie wäre es sonst möglich gewesen in diesem Kampfe plötzlich den Ruf erschallen zu lassen: "Los von Rom!"? Wenn Rom in diesem Kampfe um das Deutschthum Rath zu geben und ein Wort zu sprechen hätte, so würden dieselben dahin lauten, dass sobald als möglich auf dem Boden der Gerechtigkeit und Billigkeit Friede geschlossen, nicht aber diese Völkerhetze in Permanenz erhalten werde. Gerade daraus, dass jene Elemente, welche auf dem Boden des Christenthums stehen, in diesem Kampfe so befehdet werden und gegen dieselben der Ruf erschallt: "Los von Rom!", gerade daraus ersieht man, dass es diesen "Patentdeutschen" nicht um das wahre Deutschthum, sondern darum zu thun ist, den verblassten Liberalismus wieder empor zu bringen. Es ist das der Hass gegen das Christenthum. Wäre diesen Leuten wahrhaft ernst gewesen, dann, glaube ich, hätten ihre gleichgesinnten Minister bei der Debatte, in welcher es sich um die Versetzung des Ministeriums Badeni in den Anklagestand handelte, ihnen nicht ins Gesicht sagen können: "Meine Herren, es ist Ihnen doch nicht Ernst damit"; dann hätten sie meinen Erachtens schon auftreten müssen zur Zeit, als der Minister Stremayr, der ihrer, liberalen Partei angehörte, Sprachenverordnungen erlassen hatte, die gewiss nicht geeignet waren, den deutschen Besitzstand zu mehren. Ich glaube, es wäre wohl nicht denkbar, wenn es sich nur einzig und allein um das handeln würde, was immer gesagt wird, nämlich um die Wahrung des deutschen Besitzstandes in Österreich, es wäre wohl nicht denkbar, sage ich, dass man sich unter die Fahne jener gestellt hätte, die so zusagen offen die Degradation, um nicht zu sagen, den Verrath Österreichs auf dieselbe geschrieben. Dann wäre es nicht denkbar, dass man sich unter die Führung solcher stellen würde, die sich ärgern und spotten, dass nach schwarzgelber Schablone die jungen Leute an der Universität "gedrillt" respective erzogen werden, die bei jeder Gelegenheit so zu sagen ihre Abneigung, wenn 174 XV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session 8. Periode. nicht den Hass gegen unser Österreich an den Tag legen. Ich werde daher für die Anträge, wie sie vorliegen, stimmen, weil wir ja alle damit einverstanden sind, dass Friede geschaffen werde. Aber ich muss nochmals gestehen, der Umstand, dass gerade die führenden Elemente in diesem Sprachenkampfe um das Deutschthum sich absolut nicht zu einem Friedensschlüsse herbeilassen wollen, trotzdem die Regierung dazu bereits die Hand geboten hat, dies ist mir ein neuer Beweis, dass es diesen Leuten durchaus nicht um das Deutschthum zu thun ist. Wenn die Regierung sich bereit erklärt, Unterhandlungen über die Sprachenverordnung zu eröffnen, so sagt sie selbst, wenigstens indirect damit, dass hier ein Fehler begangen wurde, der wieder gut gemacht werden soll. Ich werde also im Sinne meiner Ausführungen für den ersten vorliegenden Antrag, wie er zur Verlesung gebracht wurde, stimmen. (Lebhafte Zustimmung.) Kohler: Hoher Landtag! Auf Grund des § 19 unserer Landesordnung ist der eilte dieser uns vorliegenden Anträge eingebracht worden. Wenn ich den § 19 in seinem Wortlaute in das Auge fasse, so könnte ich unter den Einrichtungen, um die es sich hier handelt, eigentlich nur unseren Reichsrath verstehen; denn allgemeine Gesetze, über die wir hier zu sprechen hätten, sind diese Sprachenverordnungen nicht. Ich will jedoch gerne die weiteste Auslegung des § 19 annehmen und habe das selbst damit ausgesprochen, indem ich einen dieser Anträge mit unterfertigt habe. Für einen Patrioten ist denn doch das gegenwärtige Bild unserer Lage, der Lage unseres Vaterlandes, ein überaus trauriges und es scheint wohl, dass wir in unserem Jubeljahre nicht etwa bloß freudige Ereignisse feiern können, sondern dass auch noch ganz andere Dinge uns bevorstehen. Wenn nun der h. Landtag von Vorarlberg sich mit dieser Frage befasst, so glaube ich, kann er doch kaum eine andere Absicht haben, als in den hochgehenden Wogen der Leidenschaft ein beruhigendes, versöhnendes Wort zu sprechen und darf nicht etwa durch das, was er sagt, diese Wogen noch höher treiben. Von dieser Absicht geleitet, beschäftigen wir uns mit dieser Angelegenheit. Es hat der Herr Vorredner, selbst einer der Antragsteller, besonders die Idee der Obstruction hervorgehoben. Ich habe nun allerdings in dieser Sache eine etwas extreme Ansicht, ich gebe das zu; aber ich scheue mich nicht, sie dennoch hier auszusprechen. Ich halte nämlich die Obstruction an sich für verfehlt und diese Taktik mit geordneten Zuständen unvereinbar. Ich will auf das Principielle weiter hier nicht eingehen und nur das bemerken, dass ich allerdings passiven Widerstand nicht bloß für erlaubt, sondern unter Umständen auch für durchaus geboten halte. Aber mir scheint, dass die Obstruction weit über die Grenzlinie des passiven Widerstandes hinausgeht dadurch, dass sie Mittel anwendet, die nicht gut sind, und wir wollen doch nicht dem Grundsätze huldigen, dass der Zweck die Mittle heilige. Wir bekennen uns nicht zu demselben. Praktisch ist es auch jedenfalls richtig, dass man mit der Obstruction sich in einer Sackgasse befindet. Man kommt einfach da nicht mehr weiter, und wir haben jetzt auch die große Gefahr, dass wir, wenn so vorgegangen wird, auch mit unseren politischen Einrichtungen stecken bleiben werden. Jedenfalls hat der Parlamentarismus als solcher durch die Obstruction einen großen Schaden erlitten, denn die Obstruktion widerspricht dem Gedanken des Parlamentarismus. Nun ist es allerdings wahr, und es ist das auch das viel verbreitete Gefühl in der Bevölkerung, dass es um unseren Parlamentarismus ja nicht schade sei. (Heiterkeit.) Ich theile diese Ansicht nicht. Er ist gewiss nicht ein System, welches geeignet ist, die Völker durch die Gesetzgebung zu befriedigenden Zuständen zu bringen. Das verstehen alle, die in einer solchen Maschine schon gestanden sind, die der Parlamentarismus geschaffen hat. Aber er könnte denn doch als Übergangsstadium zu besseren gesunden Einrichtungen sein, die dem Wohlstände und Frieden der Völker förderlich sind. Insoweit bedauere ich denn doch, dass die Obstruction den Parlamentarismus so sehr herabgesetzt und principiell eigentlich desavouiert hat. Jedenfalls, täuschen wir uns nicht! Schauen wir nur auf die Eindrücke, welche dieser Vorgang in der Welt hinterlassen hat. Man kann sie kurz in den Worten zusammenfassen: Die Idee der Revolution hat in der Obstruction einen Sieg errungen, und die Folgen dieser Vorgänge für unser öffentliches Leben, XII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. IL Session, 8. Periode 1898. 175 werden wir noch zu kosten bekommen. Wenn ein Herr im Ausschusse ausgesprochen hat, man halte immerhin die Obstruction für besser als die bisherige Taktik, weil sie einen Erfolg errungen, indem sie einen Minister gestürzt habe, so sage ich: ja, meine Herren, trauen wir diesen Erfolgen nicht, die sind zu theuer erkauft worden. Was nun die Sprachenverordnungen betrifft, um die es sich hier handelt, so will ich über den Inhalt derselben nicht sprechen. Ich halte es von Meinem Standpunkte aus und aus Grund meiner Erfahrungen überhaupt für gewagt, in die Verhältnisse anderer Länder hineinzureden. Da übergreifen wir uns in der Regel. Es geschieht zwar jetzt sehr oft, und unsere heute so ausgewachsene Tagespresse trägt auch dazu bei, dass man wirklich von den Zuständen anderer Länder sich beinahe bessere Kenntnis zutraut als über die Verhältnisse des eigenen Landes. Nun von unserer Presse, überhaupt von der heutigen Tagespresse, muss man wohl auch sagen: Sie ist ein Stück moderner Versimpelung (Heiterkeit), denn die Urtheile, die sich nach der Tagespresse bilden, die lassen denn wohl in der Regel heute an Oberflächlichkeit nichts zu wünschen übrig. Ich will also auf den Inhalt der Sprachenverordnungen hier nicht eiligeren. Es mag ja sein, dass sie viel enthalten, was sie nicht enthalten müssten und nicht enthalten sollten. Ich enthalte mich da des Urtheiles. Mir machen die Vorgänge den Eindruck, dass die Sprachenverordnungen gar nicht der Grund sondern nur der Vorwand zu diesen tumultuarischen Scenen im Abgeordnetenhause waren. Es ist das ein schwerer Vorwurf, aber selbst ein liberaler Minister hat den Obstructionisten diesen Vorwurf nicht ersparen können, ein Mann von Erfahrung, dem man denn doch als ihrem deutschen Parteimanne eine gewisse Unbefangenheit nicht wird absprechen können. Dass sie nur ein Vorwand waren, erhellt mir weiter aus dem Umstande, dass, nachdem die Regierung ja diese Sprachenverordnungen als discutierbar erklärte und eine Verständigung über die Sache anbahnen wollte, dieser an sich gewiss vernünftige Vorgang perhorresciert wurde, dass nur der eine Theil, - und wir müssen es leider nicht zur Ehre unserer Connationalen sagen - der slavische Theil der vernünftigere war und auf den Boden der Verhandlung treten wollte; aber unsere Obstructionisten wollten das nicht. Es ist nun ein gleicher Versuch wieder im böhmischen Landtage gemacht worden. Ja, mein Gott, wenn eine Partei sich so in einer Sache verhält, sich nicht auf den Boden der Verständigung und Versöhnung begeben will, kann man dann mit Grund annehmen, dass diese Sprachenverordnungen der wirkliche Grund der Obstruction waren, dass sie nicht blos der Vorwand waren? Mich hat man von dieser Überzeugung nicht abbringen können. Ich stimme daher in diesen Punkten den Ausführungen meines geehrten Herrn Vorredners vollständig bei, weit mehr Vorwand als Grund war da vorhanden. Doch sei dem, wie ihm wolle, eines wird nothwendig sein, und das ist die Verständigung. Ob nun die Sprachenverhältnisse in Österreich im Wege der Gesetzgebung geordnet werden oder im Wege der Verordnungen, wie es bisher war, und worin man also der.Regierung durchaus nicht den Vorwurf der Gesetzesverletzung machen konnte, immerhin wird man sowohl für den Weg der Verordnungen wie für den Weg des Gesetzes die Verständigung zuerst haben müssen. Was helfen uns Gesetze, was helfen uns Verordnungen, wenn sie an dem Widerwillen der Bevölkerung wirkungslos bleiben? Das ist in meinen Augen der Kernpunkt, um den es sich hier handelt. Die Verständigung muss erzielt werden, und die Verständigung war ja nach den Urtheilen jener, die der Sache nahe standen, schon sehr nahe erreicht, es hat gar nicht viel gefehlt. Wenn wir also zu dieser Sache ein Wort sprechen, so können wir nur den herzlichen Wunsch aussprechen, dass der Weg der Verständigung gesucht werde. Dann erst kann es zu einem dauernden Frieden und zu besseren Zuständen führen, als wir bisher, leider Gott, erleben mussten. Wenn daher in dieser Beziehung der erste Punkt der Anträge meiner Anschauung nicht so vollständig entspricht, so glaube ich doch demselben zustimmen zu dürfen, obwohl ich im Ausschusse dem zweiten Theile des Punktes 1 noch nicht zugestimmt habe, weil mir darin eine zu einseitige Auffassung der Sache gelegen war. Ich begnüge mich damit, meine Auffassung hier bekannt gegeben zu haben und werde also, nachdem dieser ganze Antrag, wie ja der Herr Vorredner gesagt hat, im Wege eines Compromisses so zustande gekommen ist, wenn er als ein solcher Compromissantrag auch etwas angekränkelt ist, 176 XV. Sitzung des Vorarlberger -Landtages. II. Session, 8. Periode 1898. demselben doch unter den gegebenen Verhältnissen meine Zustimmung geben. Landeshauptmann: Wer wünscht noch das Wort? Jodok Fink: Der Herr Vorredner hat die Anschauung ausgesprochen, dass es sich bei diesem Streite nicht so fast um die Sprachenverordnungen handle. Nun so weit, wie der Herr Vorredner gegangen ist, möchte ich in dieser Anschauung nicht gehen. Ich möchte so nach meiner Anschauung das Richtige etwa in der Mitte finden. Ich meine, die Sprachenverordnungen seien wirklich auch mit ein Grund und eine Ursache, dass die durch dieselben gekränkten Deutschen sich dagegen wehren, und dass sonach die Erlassung der Sprachenverordnungen die bekannten Scenen und die bestehende Verwirrung mitverschuldet hat. Ich glaube aber auch, dass noch andere Gründe auch dabei waren und sind, und für diese Anschauung habe ich folgendes anzuführen. Vor allem muss ich darauf Hinweisen, dass im Abgeordnetenhause anlässlich der Stellungnahme gegen die Sprachenverordnungen von einem hervorragenden Führer - wenigstens hält er sich für einen solchen - der Deutschnationalen und Deutschliberalen, dem Herrn Abgeordneten Wolf, so weit gegangen wurde, dass derselbe ganz antiösterreichische Aussprüche machte, und das, glaube ich, wäre zur Wahrung des deutschen Besitzstandes nicht nothwendig gewesen. Ich werde mit der Erlaubnis des Herrn Vorsitzenden Ihnen eine ganz kurze Stelle aus dem stenographischen Sitzungsprotokolle des Reichsrathes vom 26. October 1897 hier mittheilen. Da hat der Herr Abgeordnete Wolf folgendes gesagt: "Wir denken uns, - und das würde den Rahmen, die Grundlagen des heutigen Österreich nicht anfechten - dass ein Verhältnis mit Deutschland zu einer Innigkeit ausgestaltet werden könnte, wie es zwischen den Bundesstaaten des Deutschen Reiches und dem gesummten Deutschen Reiche heute besteht. Wir können uns denken, dass Cisleithanien in dasselbe Verhältnis zu Deutschland tritt, wie Sachsen, Bayern und Baden." (Bewegung.) Das hat nach dem stenographischen Protokolle wörtlich der Herr Abgeordnete Wolf im Reichsrathe gesagt. Nun in solchen Reden, die man in einer parlamentarischen Körperschaft, im österreichischen Reichsrathe, vorbringt, erblicke ich ein Moment, dass bei manchen noch etwas anderes dieser Hetze zugrunde liegt, als bloß, dass man das deutsche Bewusstsein zum Ausdrucke bringen und den deutschen Besitzstand in Österreich wahren wolle. Aus solchen Äußerungen sehen wir, dass gewisse Leute über die schwarzgelben Grenzpfähle hinaus schielen, und dass sie diesen Anlass, den das Ministerium Badeni durch die unglücklichen Sprachenverordnungen ihnen gegeben hat, und den ich immer verurtheilt habe, benützen, um da für diese preußenseuchlerische Deutschthümelei Propaganda zu machen. Einen weiteren Umstand möchte ich noch anführen, der auch nach meiner Überzeugung dafür spricht, dass es sich nicht blos um die Wahrung des deutschen Besitzstandes handelt, und der liegt darin, dass, wie bekannt ist, auch die Socialdemokraten im Reichsrathe die Obstruction mitgemacht haben. Bekanntlich sind die Socialdemokraten international; sie haben das auch im Reichsrathe ausgesprochen, und doch haben sie bei diesem nationalen Streite die Obstruction mitgemacht, und ich habe mir das nie anders erklären können, als die sind froh, wenn es drunter und drüber geht, und wenn überhaupt Österreich in Fransen gienge. Nur daraus konnte ich mir es erklären, dass die auch immer mitgemacht haben, die sonst bei jeder. Gelegenheit und sogar auch im Reichsrathe erklärt haben: "Ja, wir sind da international." Was meine Stellung zum heutigen Anträge anbelangt, so ist dieselbe, glaube ich, gegeben. Ich habe in dieser Frage im Reichsrathe schon Stellung nehmen müssen, und daher werde ich wohl kaum etwas mehr beizufügen haben, warum ich voll und ganz dem heute vorliegenden Anträge meine Zustimmung gebe. Bezüglich der Obstruction hat schon der Herr Abgeordnete Ölz darauf hingewiesen, dass der Herr Landeshauptmann-Stellvertreter hier eine etwas unrichtige Auffassung uns imputieren wollte. Es ist ja im Ausschusse besonders hervorgehoben worden, dass man von unserer Seite, ich möchte sagen, die unparlamentarische Obstruction verurtheile, nämlich jene Scenen hauptsächlich verurteile, die nicht mehr Obstruction, sondern die eigentlich richtiger Revolution genannt werden müssen, Scenen, die da aufgeführt worden sind XV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 8. Periode 18.98. 177 mit Signalpfeifen, Kindertrompeten, Pultdeckeln und Trommeln, Scenen, wobei sogar einer mit offenem Jagdmesser in der Hand drohte, und es so weit kam, dass man das Präsidium herunterwarf. Das haben wir in erster Linie am allermeisten verurtheilt, dass deutsche Männer und akademisch gebildete Männer noch dazu solche Scenen im Abgeordnetenhause aufgeführt haben. Damit glaubte ich, sei nicht bloß die nach der Geschäftsordnung zulässige parlamentarische Obstruction ausgeübt worden, sondern diese sei eigentlich in Revolution ausgeartet. Ich habe Ihnen gesagt, dass meine Stellung für mich gegeben sei, weil ich schon früher Stellung genommen habe, und ich kann mich darauf beziehen, dass schon in der 6. Sitzung der XII. Session vom 9. April 1897, als die Dringlichkeitsanträge wegen Aufhebung der Sprachenverordnung vom 5. April der Herren Abgeordneten Jro, Schönerer, Türk, Kittel, Wolf und Genossen, Dr. Funke und Genossen, Steinwender und Genossen auf der Tagesordnung standen, sowohl ich als auch mein verehrter Herr College Loser bei dieser Sitzung für die Dringlichkeit der Behandlung und sonach in gewisser Beziehung für die Aufhebung der Sprachenverordnungen stimmten, (Ruse: Bravo!) und ich will gleich bemerken, dass damals der dritte christlichsociale Abgeordnete von Vorarlberg, Herr Martin Thurnher, anlässlich einer Landesschulrathsitzung oder Landesausschusssitzung hier im Lande anwesend war und daher an diesen Tagen nicht Stellung nehmen konnte. Ich kann weiters noch mittheilen, dass wir drei christlich-socialen Abgeordneten von Vorarlberg in der Sitzung vom 12. November 1897, als es sich um die erste Lesung des Antrages Dr. Funke, Dr. Groß, Dr. Pergelt und Genossen, betreffend die Erhebung der Anklage gegen die Minister wegen der Erlassung der Sprachenverordnungen in Böhmen und Mähren, handelte, gegen den Übergang zur Tagesordnung gestimmt haben, und damals war die Situation für die Regierung insoferne ziemlich ernst, weil die Majorität, die für den Übergang zur Tagesordnung stimmte, nur mehr sechs Stimmen betrug. Ich glaube nun damit gekennzeichnet zu haben, welche Stellung ich vom Anfänge an in der Sprachenverordnungsfrage eingenommen habe, und .Sie werden mir daher glauben, dass ich heute mit Freude für den Antrag stimmen werde. Martin Thurnher: Ich beantrage Schluss, der Debatte. Landeshauptmann:, Der Herr Abg. Martin Thurnher hat Schlafs der Debatte beantragt. Ich bringe zunächst diesen Antrag zur Abstimmung und ersuche jene Herren, welche demselben zustimmen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Es hat noch der Herr Berichterstatter das Wort. Martin Thurnher: JL fühle mich nicht veranlasst, über die etwas divergierenden Anschauungen über den Punkt 1 der vorliegenden Anträge, wie sie sich im Laufe der Debatte dargestellt häbeü, weiter noch einzugehen. Ich habe meiner Anschauung in hinreichender Weise sowohl im gedruckt vorliegenden Berichte als auch in den kurzen Einleitungsworten Ausdruck gegeben. Gegen den Antrag selbst ist nichts eingewendet worden; im Gegentheile alle Redner haben zugesichert, demselben beizustimmen, und ich habe daher weiter nichts beizufügen, als die einstimmige Annahme desselben nochmals dem h. Hause zu empfehlen. Landeshauptmann: Ich schreite also zur Abstimmung über Punkt 1 der Anträge und ersuche die Herren, welche demselben ihre Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. Einstimmig angenommen. . Nun eröffne ich die Debatte über Punkt 2 der Anträge. Wer wünscht hiezu das Wort? Dr. Waibel: Geehrte Herren! Aus aufrichtiger Liebe für unser Vaterland und für unseren allverehrten Monarchen sind wir alle einig in dem Wunsche, dass bald wieder Friede und Ruhe in unseren Gemüthern eintreten möge, um wieder an die nothwendigen Arbeiten schreiten zu können und Dinge zu schaffen, die dringend nothwendig sind. Die deutschen Landtage unseres cisleithanischen Staatstheiles haben sich sämmtlich in dem Antrage geeiniget, gegen die zunächst bekannte Ursache der Störung der parlamentarischen Thätigkeit Stellung zu nehmen und auf Beseitigung des Grundes dieser Störung hinzuwirken, nämlich auf die