18980205_lts014

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Letzte Änderung 03.07.2021, 11:02
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp08,lts1898,lt1898,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 14. Sitzung am 5. Februar 1898 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 20 Abgeordnete. Abwesend: Hochwürdigster Bischof. Regierungsvertreter: Herr Statthaltereirath Josef Graf Thun-Hohenstein. Beginn der Sitzung 10 Uhr 10 Min. vormittags. Landeshauptmann: Die Sitzung ist eröffnet. Ich ersuche um Verlesung des Protokolles der letzten Sitzung. ? (Secretär verliest dasselbe.! Hat einer der Herren gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung vorzubringen? Da dies nicht der Fall ist, so betrachte ich das Protokoll als genehmiget. Es sind mir noch zwei Einlaufstücke zugekommen, beide überreicht durch den Herrn Abgeordneten Dr. v. Preu. Das erste ist eine Petition mehrerer Industriellen, Gewerbe- und Handelsgenossenschaften von Bludenz um Ergänzung des § 27 des Vorarlberger Landeswasserrechtsgesetzes v. 28. August 1870, Nr. 65 L. G. Bl. Als Beilage ist ein eigener Gesetzentwurf hiefür beigegeben, bestehend ans vier Paragraphen. Derselbe betrifft die Enteignung zum Zwecke der Herstellung und des Betriebes von elektrischen Leitungsanlagen solcher Elektricitätswerke, welche die elektrische Kraft mit Hilfe der Wasserkraft erzeugen. Das zweite Einlaufstück ist eine Petition derselben Gesuchsteller um Ergänzung beziehungsweise Abänderung des § 18 des Vorarlberger Landeswasserrechtsgesetzes vom 28. August 1870, Nr. 65 L. G. Bl. über Benützung, Leitung und Abwehr der Gewässer. Ich ertheile in Angelegenheit dieser beiden Petitionen dem Herrn Abgeordneten Dr. v. Preu das Wort. 150 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. 11. Session, 8. Periode 1898. Dr. v. Preu: Wie die Herren bereits aus der Citierung beider Petitionen, die ich mir im hohen Hause zu überreichen noch gestattet habe, gehört haben, betreffen beide Änderungen wasserrechtsgesetzlicher Bestimmungen, nämlich des Landesgesetzes vom 28. August 1870, welches im Rahmen des vorausgegangenen Reichsgesetzes von: Jahre 1869 erlassen wurde. Diese Änderungen, welche hier beantragt werden, betreffen nach der ersten Petition die Bestimmung, dass den elektrischen Leitungen zu gewissen Motorbetrieben - insbesonders ist hier das Kleingewerbe zu berücksichtigen, - wenn solche Leitungen eingerichtet werden, das Expropriationsrecht nach § 365 a. b. G. B. zugestanden werde, damit auf diese Weise etwaige Schwierigkeiten, die der Errichtung so wichtiger, insbesonders das Kleingewerbe fördernder Einrichtungen entgegenstehen, leicht beseitiget werden können. Es handelt sich hier ja nicht um große Eingriffe in die Eigenthumsrechte anderer; es sind ja nur einfache Leitungen und Einrichtungen für den Motorenbetrieb aufzustellen und da wird nicht viel Grund und Boden dazu benöthiget. Die Erhaltungs- und Ausbesserungsarbeiten, die damit verbunden sind, werden auch nicht eine große Belastung für die Grundherren mit sich bringen. An und für sich ist auch das als Entwurf der Petition beigegebene Gesetz selbst nicht schwer durchzuführen, da ja in demselben ausdrücklich hervorgehoben ist, welche Eigenthumsgattungen von der Expropriation in solchen Fällen ganz ausgeschlossen sind. Sie finden im § 3 des Gesetzentwurfes diese Ausnahmen ausdrücklich enthalten. So gehören z. B. Gebäude jeder Art, öffentliche Plätze, Friedhöfe u. s. w. zu den ausgenommenen. Die Nothwendigkeit dieser Sache steht wohl außer jedem Zweifel. Es geht nicht bloß von unserem Lande allein die Anregung nach Abänderung dieser wasserrechtsgesetzlichen Bestimmungen aus, sondern auch in anderen Landtagen z. B. wie im steirischen und krainischen Landtage sind schon darauf abzielende Anträge eingebracht worden. Die zweite Petition betrifft ebenfalls die Abänderung wasserrechtsgesetzlicher Bestimmungen beziehungsweise Ergänzung des § 18 des nämlichen Gesetzes. Hier handelt es sich um Wasserrechtsverleihungen seitens der politischen Behörde an Private, welche Verleihungen unter gewissen Modalitäten, die näher auszuführen ich jetzt wohl unterlassen darf, da später bei der Verhandlung im h. Hause eine detaillierte Erörterung diesfalls voraussichtlich stattfinden wird. Vorerst glaube ich nur darauf Hinweisen zu sollen, dass nach den gegenwärtig geltenden gesetzlichen Bestimmungen Wasserrechtsverleihungen seitens der politischen Behörde unbedingt auf einen gewissen Zeitpunkt, bis zu welchem die Concession gelten soll, oder auf Widerruf erfolgen können. Die letzte Art und Weise der Verleihung hat aber sehr beachtenswerte Folgen. Wenn so ein Recht auf Widerruf verliehen werden kann, so wird sich derjenige, der das Recht erwerben will, vorher sehr gut überlegen, ob er das Geschäft eingehen soll, da ihm bei der Unsicherheit des Zeitraumes, für welchen die Bewilligung gelten soll, jede Basis zur Calculation über die Amortisierung des Anlagecapitales mangelt; das sind wasserrechtliche Fragen allgemeiner Natur. Nehmen Sie aber nun an, es wird in einem Gewässer, dessen Kraft nur auf Widerruf zu benützen gestattet ist, ein Werk zur Erzeugung elektrischer Kraft ausgestellt, welches wiederum an andere Werke, wie es heutzutage sehr oft der Fall ist, Kraft abzugeben hat. Denken Sie nun, wie viele Gewerbetreibende durch einen Widerruf, den die politische Behörde unbedingt machen könnte, in Mitleid gezogen würden, und wie schwierig es für Kleingewerbetreibende, welche zur Anlage ihres Motorenbetriebes Credit benöthigen, wäre, solchen zu bekommen und weiter zu erhalten. Es ist dies jedenfalls eine sehr einschneidende und harte Bestimmung in ihren Folgen, und uni diese zu modificieren, ist hier ein diesbezügliches Ansuchen seitens der Industriellen und Gewerbetreibenden an den h. Landtag gestellt worden, dahin gehend, dass in der Änderung des § 18 unseres Wasserrechtsgesetzes als wesentliche Bestimmung enthalten sein solle, dass die politische Behörde verpflichtet sei, in der Verleihungsurkunde genau die Gründe des Widerrufes anzugeben, auf Grund deren nur der Widerruf zulässig sei. Nur dadurch wird der Widerruf nicht unbedingt der Behörde anheimgegeben. Ich erlaube mir diese beiden Petitionen im h. Hause hier zu überreichen mit der Bitte um Zuweisung an den Landesausschuss. Ich ersuche denselben, mit dieser jedenfalls hochwichtigen volkswirtschaftlichen Angelegenheit sich eindringendst zu XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 8. Periode 1898. 151 befassen, das Studium derselben eifrigst zu pflegen, hierauf mit der hohen Negierung sich ins Einvernehmen zu setzen, ihre Stellung zu diesen Gesetzentwürfen zu erforschen und dem nächsten Landtage hierüber Bericht zu erstatten. Landeshauptmann: Der Herr Abgeordnete Dr. v. Preu beantragt in Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit unserer diesjährigen Landtagssession die Zuweisung beider Petitionen an den Landesausschnss zur nöthigen Vornahme von Erhebungen und Einleitung von Verhandlungen mit der h. k. k. Regierung. Wenn dagegen keine Einwendung erhoben wird, so nehme ich an, dass das h. Hans dein Anträge die Zustimmung ertheilt. Vor Übergang zur Tagesordnung hat sich der Herr Abgeordnete Dr. Waibel zur Geschäftsordnung zum Worte gemeldet. Ich ertheile ihm dasselbe. Dr. Waibel: Ich bin vorgestern nach der Sitzung zur Kenntnis des gedruckten Protokolles der siebenten Sitzung gelangt und finde auf Seite 62, dass mir in dieser Sitzung seitens des Herrn Abgeordneten Martin Thurnher die Ausdrücke "Rohheiten, Lümmelei und Flegelei" vorgeworfen werden. Es ist seitens des geehrten Präsidiums unterlassen worden, Diese Ausdrücke geschäftsordnungsmäßig zu behandeln d. h. den Ordnungsruf gegen diesen Abgeordneten zu ertheilen. (Martin Thurnher: Das hätte vorher erfolgen sollen!) Ich bin daher in die Lage versetzt, mich selbst schützen zu müssen. Das Protokoll ist Gemeingut und ein öffentlicher Act, der von allen gelesen werden kann. Es wird ausfallen, dass während der ganzen Session dies der einzige Fall ist, wo solche Ausfälle gegen ein Mitglied des hohen Hauses gemacht werden. Als Vertreter einer angesehenen Körperschaft des Landes kann mir nicht zugemuthet werden, dass ich diese Ausdrücke einfach über mich ergehen lasse. Ich empfehle daher dem Abgeordneten Martin Thurnher kurz und ohne Verclauselierung diese Ausdrücke zurückzunehmen. Wenn das in der von mir beantragten Weise geschieht, bin ich geneigt, die Sache vollkommen auf sich beruhen zu lassen und von weiteren Schritten abzusehen. Martin Thurnher: Meine damaligen Äußerungen entsprangen der Entrüstung über das Vorgehen des Abgeordneten Dr. Waibel, das er sich gegen eilt Mitglied des hohen Hauses in ganz ungerechtfertigter, unwahrer und verleumderischer Weise zu Schulden kommen ließ. Wenn der Herr Landeshauptmann als Vorsitzender dieser Versammlung ihm zuerst den Ordnungsruf ertheilt hätte, wie es nach der Geschäftsordnung und nach meiner Anschauung gerecht und nothwendig gewesen wäre, wäre es mir nicht eingefallen, solche Zurufe zu machen. Ich habe es aber als nothwendig erachtet, nachdem diese Seite des Hauses von berufener Seite nicht geschützt wurde, Selbsthilfe eintreten zu lassen und werde es in jedem Falle wieder thun, wenn derartige Vorkommnisse sich wiederholen sollten. Dr. Waibel: Ich habe damals Persönlichkeiten nicht genannt, nachdem aber der Abgeordnete Martin Thurnher die Sache weiter zu verfolgen wünscht, so bin ich genöthiget, daraus einzugehen. (Martin Thurnher: Es wird aber nicht geduldet, dass Sie wieder beleidigen!) Wenn ich eine Action vom Jahre 1890 hier in unangenehme Erinnerung gebracht habe, so habe ich sie damit begründet, dass ich sagte: "Eine Persönlichkeit, die den Vorwurf des Meineides hat auf sich sitzen lassen, eignet sich nicht zur Stellung im Landesschulrathe." (Bewegung im Hause.) (Martin Thurnher: Diese Rohheiten dürfen nicht wieder gemacht werden, das sind die gleichen Lümmeleien!) Bitte, meine Herren, das habe ich damals actenmäßig erhoben. Landeshauptmann: Ich muss bemerken, dass ich vom Standpunkte als Vorsitzender das nicht dulden kann. Ich habe das letztemal aus Rücksicht auf die verehrten Herren der Minorität den Ordnungsruf unterlassen. Das ist die Ursache gewesen, dass der Herr Abgeordnete Martin Thurnher zu solchen Äußerungen hat sich hinreißen lassen. Ich gestehe offen, ich hätte sollen damals gleich einschreiten, so wäre dieser unliebsame Auftritt unterblieben. Ich bitte die Herren, bei der Sache zu bleiben. 152 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 8. Periode 1898. Dr. Waibel: Ich muss dem Abgeordneten Martin Thurnher gegenüber nur sagen, dass ich mir nicht solche Ausdrucke gefallen lassen kann am allerwenigsten von seiner Seite. Ich wäre in der Lage, ein Exempel eclatanter Flegelei von ihm namhaft zu machen, in welchem der Abgeordnete Martin Thurnher die erste und einzige Rolle spielt. (Martin Thurnher: Nur heraus damit! Überhaupt, meine ich, das gehört gar nicht hieher!) Ich bin nicht geneigt, mir von einem Herrn Vorwürfe machen zu lassen, der fortwährend die Hände in den Taschen der Gemeinde hat, ohne das Geringste der übernommenen Verbindlichkeiten zu erfüllen. (Entrüstung auf Seite der Majorität. Rufe: das ist eine Gemeinheit, eine solche Sprache!) (Ölz: Sie werden als Bürgermeister auch angenommen haben!) Martin Thurnher: Über diese Frage würde ich wohl gar nicht zu reden brauchen. Der Abg. Dr. Waibel weiß gar keine nennenswerten Dinge vorzutragen. Es ist gewiss keine Flegelei, wenn jemand auf seinem Rechte beharrt. Seine Ausführungen beziehen sich auf meine Stellung als Lehrer und Reichsrathsabgeordneter. Nachdem diese Frage aufgerollt ist und mir damit ein Vorwurf gemacht werden soll, und nachdem der Herr Vorsitzende gegen den Sinn unserer Geschäftsordnung zu solchen Erörterungen dem anderen Abgeordneten das Wort gegeben hat, so muss auch mir gestattet werden, ein paar Worte in dieser Angelegenheit zu sprechen. Der ist das von Vorwurf des Abgeordneten Dr. Waibel vollständig unbegründet. Ich hätte als Lehrer Recht, den Fortbezug meines ganzen Gehaltes der Gemeinde zu verlangen. Es ist in einer Ministerialverordnung vom Jahre 1891, wo ich zum erstenmale in den Reichsrath gewählt wurde, ausdrücklich festgesetzt, dass die Lehrpersonen - es sind hauptsächlich Professoren darunter gemeint, aber auch andere Lehrpersonen - für die ganze Dauer ihrer Mandatsperiode zu beurlauben seien. Es ist ein nach der Verfassung gewährleistetes Recht, dass auch Lehrer - es müssen ja nicht immer gerade Bürgermeister sein - in den Reichsrath gewählt werden können. Ich war sehr coulant gegen die Gemeinde. Ich habe zwei Tage, bevor der Reichsrath in Wien am 9. April 1891 seine Thätigkeit eröffnet hat, in der Landesschulrathsitzung vom 7. April die Erklärung abgegeben, dass ich zu Gunsten der Supplierung auf meinen vollen gesetzlichen Gehalt von 600 st. verzichte und nur Anspruch mache auf die Auszahlung der wohlverdienten Alterszulagen; auf diese verzichtete ich deshalb nicht, weil ich bereits damals durch volle 29 Jahre im Dienste der Schule war. (Jodok Fink: Macht es der Reichsrathsabgeordnete Drexel auch so?) Ich werde schon darauf zurückkommen. Der Landesschulrath hat von meinem damaligen Angebot nicht im vollen Umfange Gebrauch gemacht, wohl gerade in Rücksicht darauf, weil er gesehen hat, dass ich in sehr coulanter Weise der Schulbehörde entgegen gekommen bin. Die Schulbehörde hat zuerst eine Lehrerin- beziehungsweise Unterlehrerstelle mit einem Jahresgehalt von 400 fl. für Besorgung der Supplierung ausgeschrieben. Der ernannte Unterlehrer hat dann später ein Gesuch um Erhöhung seines Gehaltes eingegeben. Der Landesschulrath hat infolge dessen den Gehalt desselben sofort auf 500 fl. erhöht. Und wenn in einem weiteren Zeitraume von 1 oder 2 Jahren wieder ein derartiges Gesuch gekommen wäre, so wäre es keinem Anstande unterlegen, den Gehalt des betreffenden Lehrers auf 600 fl. zu erhöhen. Wer ist aber Schuld daran, dass es anders gekommen ist? Niemand anderer, als Dr. Waibel, der Bürgermeister von Dornbirn, der damals nämlich Vorsitzender des Ortsschulrathes war. Sein Vorgänger ist in vernünftiger, gesetzlicher wie acceptabler Weise das erstemal eingeschritten, dass der betreffende Supplent die Erhöhung des Gehaltes bekomme und hat sie auch erreicht. Natürlich Dr. Waibel musste es anders machen. Er hat selbst eigenmächtig verfügt, dass mir der noch bezogene Gehaltsrest von 100 fl. einfach nicht mehr ausbezahlt sondern dem betreffenden Supplenten gegeben werde. Ein solches Vorgehen konnte ich, nachdem ich mich in so coulanter Weise der Gemeinde gegenüber benommen habe, vernünftigerweise nicht dulden, deshalb habe ich Schritte dagegen eingeleitet, um mir zu meinem Rechte zu verhelfen. Der Erfolg ist bekannt. Dr. Waibel, der sein Unrecht noch vertheidigen wollte, ist in allen Instanzen durchgefallen. Wenn er nun XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages, II. Session, 8. Periode 1898. 153 neuerdings solche Versuche machen will - und er hat es bereits schon versucht, - so wird er jedenfalls das gleiche Schicksal dabei wieder erleben. Wenn ich nun in Betracht ziehe, dass die Stadt Feldkirch mit ihrem Schulleiter und Lehrer, dem Reichsrathsabgeordneten Drexel, es anders macht, so glaube ich, weiteres meinen Ausführungen nichts beifügen zu sollen. Dieser Reichsrathsabgeordnete bezieht den vollen eigentlichen Gehalt und hat nur auf die Activitätszulagen - das Wort sagt es schon selbst, dass es nut diesen nicht so steht wie mit dem normalen Gehalte - verzichtet, aber den gesamten Gehalt von 600 fl. sowie die Alterszulagen und den Wohnungsbeitrag bezieht er, wie schon gesagt, voll und ganz. Ich muss also den Vorwurf, als ob ich da irgend etwas Unrechtes gethan hätte, auf das Entschiedenste zurückweisen. Der Vorwurf füllt auf den Angreifer selbst zurück, denn er ist Schuld, dass der betreffende Supplent den vollen Gehalt von 600 fl. nicht bezieht. (Lebhafte Zustimmung seitens der Majorität.) Dr. Waibel: Ich muss nochmals um das Wort bitten zur Klarstellung dieser Angelegenheit. Johannes Thurnher: Ich muss auch als der angegriffene Theil zu einer ganz kurzen Bemerkung mir das Wort nehmen. Landeshauptmann: Ich bitte die Herren, sich nur kürz zu fassen. Ich ertheile zunächst das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Waibel. Dr. Waibel: Ich habe nur zu bemerken, dass ich den Vorwurf "Flegelei" damit vollkommen begründen kann, dass ich hier mittheilen muss, es thut mir leid, dass ich das thun muss - dass nämlich Martin Thurnher nicht im solchen Falle ist wie der Herr Abgeordnete Drexel. (Martin Thurnher ruft wiederholt: "Das ist kleinlich"!) Der Fall Drexels berührt uns hier gar nicht. Martin Thurnher hat nämlich damals, was denn doch den allergewöhnlichsten Anforderungen der Schicklichkeit entsprochen hätte, es unterlassen, dem Schulrathe, der Gemeinde und dem Ortsschulrathe von der erfolgten Wahl und Annahme derselben Kenntnis zu geben. (Ironisches Gelächter auf Seite der Majorität.) Ich kann das actenmäßig nachweisen, dass der Abgeordnete Martin Thurnher einfach von der Schule weggegangen ist, ohne die davon berührten Instanzen zu verständigen. (Martin Thurnher ruft wiederholt: "Das ist alles unwahr!") Ich kann das alles actenmäßig nachweisen. Das ist tut Jahre 1891 und 1897 geschehen. (Martin Thurnher: Und wird das nächstemal wieder so geschehen!) Wenn das nicht Flegeleien sind, damt weiß ich nicht, was sonst noch Flegeleien sind. (Entrüstung auf Seite der Majorität.) Landeshauptmann: Ich muss wegen dieses Ausdruckes den Herrn Abgeordneten Dr. Waibel zur Ordnung rufen. Ich glaube, das kann man doch nicht als Flegeleien betrachten. Ich gestatte mir noch eine Bemerkung. Die Herren werden mir das Zeugnis geben, dass ich in allen sieben Jahren, in welchen ich die Ehre habe, ain der Spitze der Landesvertretung zu stehen, die größte Coulance allen Rednern entgegen gebracht habe. Speciell die Herren der Minorität werden mir dieses Zeugnis umsomehr ausstellen, nachdem gerade heute von den Herren der Majorität der Vorwurf erhoben worden ist, dass ich meine Pflicht wegen der beleidigenden Äußerungen des Herrn Abg. Dr. Waibel nicht erfüllt habe. Ich habe mich auf den Standpunkt gestellt, dass wir in Vorarlberg gewohnt sind, etwas freier oder, wie man sagt, von der Leber weg zusprechen. Ich pflegte daher nicht so strenge zu Werke zu gehen, wie man anderwärts vorgeht. Heute muss ich aber zu meinem Bedauern konstatieren, dass nicht bloß in der 7. Sitzung sondern auch heute wiederholt Ausdrücke gefallen sind, die direct ehrenrühriger Natur sind. Wenn man einem Mitgliede des h. Hauses Meineid vorwirft, so ist das gewiss ehrenrühriger Natur, umsomehr als das betreffende Mitglied durch actenmäßige Belege zur Kenntnis aller übrigen Mitglieder des h. Hauses dargethan hat, dass dieser Vorwurf vollständig unbegründet war. Nur der Herr Abg. Dr. Waibel, welcher diesen beleidigenden Vorwurf schon wiederholt erhoben hatte, hat sich nicht die Mühe genommen, diesen Act einzusehen und zu studieren. (Dr. Waibel: O ja, ich habe es schon gethan!) Ich erkläre zu meinem größten Bedauern, dass ich von jetzt an in dieser Richtung etwas strenger 151 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 8. Periode 1898. Vorgehen werde, denn ich möchte mir nicht den Vorwurf vorhalten lassen, dass der Vorarlberger Landtag auf das Niveau des Reichsrathes herabsinkt. Was die Angelegenheit, die in der 7. Sitzung sich abgespielt hat, betrifft, so hätte ich geglaubt, dass sich diese beleidigenden Äußerungen aus dem stenographischen Protokolle hätten herausbringen lassen. Sämmtliche öffentliche Blätter Vorarlbergs haben aus einem, wie mir scheint, unverabredeten Takte, diese gewiss peinlichen Scenen in ihren Berichten nicht gebracht; deshalb hatte ich gehofft, es werde zwischen beiden Herren, welche die beleidigenden Äußerungen gemacht haben, eine Verabredung stattfinden, um diese peinliche Angelegenheit ans dem stenographischen Protokolle zu eliminieren. Ich habe die Sitzung, seitdem sie im Drucke erschienen ist, gar nicht angesehen, und war daher sehr erstaunt darüber, dass diese beleidigenden Bemerkungen drinnen stehen. Johannes Thurnher: Nachdem der Herr Landeshauptmann so gütig war, das von mir bezüglich der betreffenden Landtagsverhandlung beigebrachte Material und die nach erfolgter Einsichtsnahme gewonnene Anschauung der Herren Abgeordneten zu erwähnen, so habe ich keine Ursache mehr darauf zurückzukommen. Ich möchte nur bitten, dass jene Herren, welche damals nicht im hohen Hause anwesend waren, sich die Mühe nehmen, die bezüglichen stenographischen Protokolle nachzulesen. Landeshauptmann: Wir gehen nun zur Tagesordnung über. Auf derselben steht als erster Gegenstand der Antrag der Herren Abgeordneten Dr. Waibel und Genossen, betreffend die Reform der Landtagswahlordnung. Ich ertheile zunächst das Wort dem Herrn Abgeordneten Nägele. Nägele: Dieser Gegenstand, wenn er infolge seiner Wichtigkeit eingehend behandelt werden müsste, sollte eigentlich einem besonderen Ausschüsse, der eigens zu wählen wäre, zugewiesen werden. Nachdem wir aber am Schlusse der diesjährigen Session stehen, so kann in eine gründliche Behandlung dieses Gegenstandes nicht mehr eingegangen werden. Ich stelle aber den Antrag, dass er doch einem Ausschusse und zwar dem jüngst gewählten zugewiesen werde. Mir ist der Name dieses Ausschusses augenblicklich entfallen. (Rufe: Sprachenausschuss!) Ich meine, man könnte diesem Ausschusse sonst noch den Namen "Antibadeni-Ausschuss" beilegen. (Heiterkeit.) Dr. Waibel: Nachdem ich im Namen meiner Collegen diesen Antrag eingebracht habe, halte ich es noch für zweckmäßig, einige Worte zur Begründung desselben hier vorzubringen. Dass die Reform der Landtagswahlordnung ein Bedürfnis ist, glaube ich, nicht weiter ausführen zu müssen. Das ist bereits in der vorigen Session in ausführlicher Weise geschehen und auch von allen Seiten im wesentlichen anerkannt worden. Es hat der letzte Landtag zwei Grundsätze in seine Beschlussfassung ausgenommen, nämlich die geheime Stimmabgabe und die Einschränkung des Wahlrechtes auf Personen männlichen Geschlechtes. Ich habe schon im vorigen Jahre die Nothwendigkeit dieser Grundsätze ausdrücklichst hervorgehoben und ich glaube, nachdem dieselben von denjenigen Herren bereits beschlossen worden sind, welche auch heuer wieder dem hohen Landtage angehören, so brauche ich nicht näher das zu betonen. Ich glaube, dass die Herren dieser Anschauung treu bleiben, weil sich diese Grundsätze als praktische erweisen. Die geheime Stimmenabgabe ist ja bei den Gemeindewahlen schon längst eingeführt, ursprünglich war auch hier die Stimmenabgabe öffentlich. Wir haben aber gefunden, dass die öffentliche Stimmenabgabe eine sehr schwerfällige und unpraktische ist. Es ist ganz unglaublich, dass man bei dieser Praxis in den Landtagswahlen bis zum heutigen Tage geblieben ist. Die Einschränkung des Wahlrechtes auf Personen männlichen Geschlechtes empfiehlt sich auch wieder von selbst. Wir haben in manchen Gemeinden, besonders auch in Dornbirn, das doch eine große Nolle im öffentlichen Leben spielt, die Erfahrung gemacht, dass diese Vollmachtspraxis zu Unzukömmlichkeiten aller Art führt und insbesondere geeignet ist, den Willen der Einwohnerschaft zu verhüllen, ich will gerade nicht sagen, zu fälschen, ihn in einer Weise und Form vorzubringen, die dem thatsächlichen Willen der Einwohnerschaft nicht entspricht. Wenn wir die unmittelbare Wahl oder die sogenannte directe Wahl auch für die XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 8, Periode 1898. 155 Landgemeinden empfehlen, so stehen wir ans demselben Standpunkte, den wir schon im Jahre 1896 und besonders im letzten Jahre betont und eingenommen haben. Diese indirecte Wahl ist doch etwas schwerfälliges und äußerst unpraktisches. Sie ist eine doppelte Wahl, nämlich eine Wahl der Wahlmänner durch die Wähler und eine Wahl der Abgeordneten durch die Wahlmänner. Die Praxis sowohl wie die Stimme des Volkes - man kann das oft vernehmen - ist dieser Wahlmethode nicht günstig gestimmt. Diejenigen, welche Anhänger derselben sind, denken sich dabei, das Volk benöthige eine Art Vormundschaft. Ich glaube aber, wir erweisen dem vorarlbergischen Volke kein Compliment, wenn wir auf diesem Standpunkte verharren. Unser Volk ist demokratisch erzogen und ist gewohnt, seinen Willen und seine Wünsche unmittelbar selbst kundzugeben. Es braucht keine Vormundschaft. Es besteht aber noch ein anderer Grund, welcher für die Einführung unmittelbarer Wahlen spricht. Es ist durch die neue Reichsrathswahlordnung eine neue Curie geschaffen worden, und diese Curie muss dort, wo die Landtagswahlen nicht direct sind, auch indirect wählen. In jenen Ländern aber, wo für die Landgemeinden das directe Wahlrecht schon eingeführt ist, muss diese Curie ebenfalls direct wählen. Nun haben wir die Erfahrung gemacht, wie schwerfällig, mühsam und ungeschickt diese Praxis ist in den Landgemeinden insbesonders in solchen, wo diese Wählerclasse eine große Anzahl von Namen bekannt zu geben hat. Wenn man darauf bestehen würde, dass diese fünfte Curie genau nach den: mittelbaren Wahlrechte zu wählen hat, wie vorgeschrieben wäre, so müsste eigentlich jeder von diesen Wühlern alle Namen, die er angeben will, mündlich angeben, Nun kann man sich ja vorstellen, was für einen Zeitaufwand in den großen Gemeinden dies erfordert, mit welchen Schwierigkeiten und Umständlichkeiten dies verbunden ist für die einzelnen Wähler. Es ist doch richtiger, wenn man dem einzelnen Wähler die Gelegenheit gibt, jene Person unmittelbar zu bezeichnen, welcher er sein Vertrauen schenkt, und welche er mit der betreffenden Mission, um die es sich handelt, betraut wissen will. Wir haben z. B. in Dornbirn nicht weniger als 22 Wahlmänner zu wählen gehabt. Nun wir haben allerdings in diesem Wahlbezirke nach Vorschrift des Gesetzes eine Spaltung in 4 Wahlorte vornehmen können. Aber auch da ist es höchst ungeschickt und umständlich hergegangen. Es hat alles nichts gleich gesehen. Alles macht den Eindruck einer Comödie und nicht einer ernstlichen Action. Wenn wir für die Landgemeinden das directe Wahlrecht fordern, wie es für die Stadtgemeinden schon besteht, so sind wir da auch von der Anschauung ausgegangen, die übrigens auch da ausgesprochen wurde, dass es nämlich nur auf diesem Wege den Wählern möglich ist, jene Persönlichkeit, welche sie tatsächlich wünschen, und welcher sie ihr Vertrauen schenken, mit dem Mandate zu betrauen. Wenn für jeden Abgeordneten ein eigener Wahlbezirk geschaffen wird, so ist das ein kleiner Kreis. In diesem Kreise findet die Bevölkerung sehr leicht heraus, wem sie ihr Vertrauen zu schenken Ursache hat. Jetzt aber ist es nicht so. Bei diesen cumulativen Wahlen, die wir jetzt noch haben in den Landgemeinden, muss man Compromisse machen, man ist in seinem Willen beschränkt und gehemmt. Nun wenn man nicht gerade auf solche individuelle Wahlbezirke eingehen will, so könnte man doch wenigstens ein Übergangsstadium dadurch schaffen, dass man die drei großen politischen Wahlbezirke in sechs kleine gerichtliche Wahlbezirke spaltet. Auf diesem Wege würde schon eine bedeutende Erleichterung für die Wähler geschaffen werden. Nehmen wir an, der Gerichtsbezirk Feldkirch z. B. würde sich leichter über zwei oder drei Persönlichkeiten einigen als über alle fünf zusammen. Ebenso ist es in Dornbirn, so auch in Bregenz und Bregenzerwald der Fall. Es ist ganz gewiss, diese Eintheilung der Wahlbevölkerung, wenn man schon nicht individuelle Wahlbezirke schaffen will, wäre viel sympathischer und gewiss willkommener als der alte, schwerfällige und umständliche Wahlapparat. Dass individuelle Wahlbezirke möglich sind und vielleicht von der Regierung zugestanden werden, das, glaube ich, können wir von dem Umstande ableiten, dass, wie ich schon wiederholt erwähnte, bereits im Jahre 1870 seitens der hohen k. k. Regierung ein Wahlgesetz hier in Vorlage gebracht wurde, welches im wesentlichen für unsere anzustrebende Reform zur Grundlage genommen werden könnte. Wenn wir die Sache überhaupt jetzt hier zur Sprache gebracht haben, so sind wir vom 156 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 8. Periode 1898. Gedanken geleitet worden, dass eine solche Reform doch eine sehr wichtige ist, dass sie eine reifliche Überlegung verlangt, lind dass man sich gut vorbereiten muss, wenn man sie überhaupt noch innerhalb dieser Periode zu Ende bringen will. Da ist keine Zeit zu verlieren. Es ist besser, mir beginnen dieses Werk gleich nächstes Jahr oder ein Jahr darauf, als wenn wir bereits den größten Theil unserer Functionsdauer hinter uns hätten. Da kann es wieder passieren, dass wir etwas beschließen, was von der Regierung in dem einen oder anderen Punkte beanständet wird, und uns wäre dann keine Zeit und Gelegenheit mehr geboten, das so dringende nothwendige Reformwerk zu Ende zu bringen. Darum habe ich geglaubt, die Anregung zu machen, dass man den Landesausschuss beauftrage, er solle diese Aufgabe in die Hand nehmen, sich eingehend mit dem Studium derselben befassen und in nächster Session uns eine Vorlage machen. Der formellen Behandlung, wie sie der Herr Abgeordnete Nägele vorschlägt, könnte ich wohl aus dem Grunde nicht zustimmen, weil, wenn ich recht verstanden habe, diese so wichtige und gut zu überlegende Sache schon in der nächsten Sitzung zur Erledigung käme. Es wird dieser Ausschuss, dem die Sache nach dem Anträge des Herrn Abg. Nägele zugewiesen werden soll, sofort zu einer Berathung zusammentreten und wird in der nächsten Sitzung einen Antrag einbringen, von dem ich vermuthe, dass er so lauten wird, wie er voriges Jahr gelautet hat. Voriges Jahr hat nämlich der Antrag der Majorität folgendermaßen gelautet: "Auf eine Änderung der Landtagswahlordnung wird aus den angeführten Gründen dermalen nicht eingegangen." (Heiterkeit.) Ich befürchte, dass es auch hier so gehen wird, und ich halte somit unseren Antrag aufrecht und könnte dem Antrage des Herrn Abgeordneten Nägele nie meine Zustimmung geben. Landeshauptmann: Wenn ich richtig verstanden habe, so wünschen die Herren Antragsteller die Verweisung ihres Antrages an den Landesausschuss behufs weiterer Erhebungen und Berichterstattung in der folgenden Session. Dr. Waibel: Unser Antrag lautet (liest): Dash. Hans wolle beschließen: "Der Landesausschuss wird beauftragt, anknüpfend an die im Jahre 1896 J beschlossene Landeswahlordnung, eine neue Landeswahlordnung auszuarbeiten, und zwar nach folgenden Grundsätzen: a) Geheime Stimmenabgabe; b) Einschränkung des Wahlrechtes auf Personen männlichen Geschlechtes; c) unmittelbare Wahl gleich wie in den Städtecurien; d) Schaffung von individuellen Wahlbezirken; oder e) Spaltung der drei bezirkshauptmannschaftlichen Landgemeinden-Wahlbezirke in sechs bezirksgerichtliche Landgemeinden-Wahlbezirke. Der nach diesen Grundsätzen ausgearbeitete Entwurf ist dem nächsten Landtage in Vorlage zu bringen." Es heißt hier ausdrücklich im Eingänge des Antrages: "Der Landesausschuss wird beauftragt." Landeshauptmann: Der Antrag selbst enthält wiederum einen Antrag über die formelle Behandlung, nämlich dass der Landesausschuss beauftragt werde, eine Vorlage auszuarbeiten und in der nächsten Session hierüber Bericht zu erstatten. Der Herr Abgeordnete Nägele beantragt aber auch die formelle Behandlung dieses Antrages. Somit muss ich diesen Antrag zuerst zur Abstimmung bringen, nachdem ein Widerspruch erfolgt ist gegen die Zuweisung an den Landesausschuss. Ich ersuche jene Herren, welche dem Antrage des Herrn Abgeordneten Nägele auf Zuweisung des Antrages, der von der Minoritätspartei eingebracht wurde, an den letztgewählten Ausschuss, die Zustimmung geben wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Es ist die Majorität. Somit ist dieser Gegenstand erlediget. Wir kommen nun zum zweiten Gegenstände der heutigen Tagesordnung, nämlich dem Berichte des Finanzausschusses über das ihm in der XL Landtagssitzung am 29. d. M. zugewiesene Gesuch des Rectorates der k. k. Universität Innsbruck. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, Abgeordneten Nägele, das Wort zu nehmen. Nägele: Ich muss bemerken, dass sich beim ersten Worte des Berichtes ein Druckfehler eingeschlichen hat, da es "Das Rectorat" nicht "Der Rectorat" heißen soll. XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 8. Periode 1898. 157 Im übrigen liegt der Bericht schon zwei Tage in den Händen der Herren Abgeordneten, daher glaube ich, denselben nicht verlesen zu müssen, und beschränke mich darauf, den Antrag zur Kenntnis des hohen Hauses zu bringen. (Liest den Antrag aus Beilage XLVI.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag die Debatte. Dr. Schmid: Ich lese im Berichte, dass der Finanzausschuss nicht damit einverstanden ist, das Geld dem Rectorate zu geben, sondern beantragt, dass das Geld vom Landesausschusse an die einzelnen dürftigen Hörer der Hochschule verabfolgt weite. Ich kann mir das sehr schwer vorstellen, dass von Seite des Landes den einzelnen das Geld gegeben wird, und Sie belasten da nach meiner Anschauung die Verwaltung des Landes, den Landesausschuss, mit einer Thätigkeit, die viel besser dem Rectorate überlassen worden wäre. Es ist doch nicht zu befürchten, dass das Rectorat bei der Vertheilung des vom Lande gespendeten Geldes an arme Studierende irgendwie nicht richtig vorgehe. Ich würde mir daher erlauben, den Antrag in der Weise zu modificieren, dass man einfach nach den Worten "im Betrage von 100 fl." die Worte "durch das Rectorat" einfügt. Landeshauptmann: Der Herr Abg. Pfarrer Thurnher hat das Wort. Pfarrer Thurnher: Ich hinüber die speciellen Gründe, welche den Finanzausschuss geleitet haben bei Stellung dieses Antrages, im einzelnen nicht informiert, aber ich glaube nicht irre zu gehen, wenn ich annehme, es seien ungefähr dieselben Gründe gewesen, welche ihn zu diesem Antrage bewogen haben, die auch mich bewegen, voll und ganz demselben meine Zustimmung zu geben. Bekanntlich wurde wie in anderen Universitätsstädten so auch in Innsbruck von Seite der Universitätsjugend der Sturz des Ministeriums Badeni dazu benützt, um gegen missliebige, christlich gesinnte Reichsrathsabgeordnete Scandalgeschichten zu inscenieren derart, wie man sie wohl nur von einer rohen Rotte nicht aber von den Musensöhnen einer Hochschule erwarten könnte. Nachdem bereits mittags am 29. November, am Tage unmittelbar nach dem Sturze Badeni's, es allgemeines Stadtgespräch in Innsbruck war, dass die Universitätsstudenten den zwei Abgeordneten Förg und Dr. Kapferer eine solchne Katzenmusik veranstalten wollen, sammelten sich schon in der sechsten Nachmittagsstunde die Studenten truppenweise in der Hochschule, um in der dortigen Aula zu berathen, in wie wirksamer Weise etwa dieses "edle" Vorhaben könnte ausgeführt werden. Während unterdessen eine neugierige Menge sich immer zahlreicher in den Straßen ansammelte, zogen bekanntlich die Studenten vor 8 Uhr, circa 300-400 an der Zahl, corporativ aus, an der Spitze ein Gemeinderath der Stadt Innsbruck als richtiger Rottenführer, während unterdessen, wie zahlreiche Augenzeugen auf das bestimmteste versichern, im Publikum auch Professoren der Universität mit vergnügter Miene zusahen, wie ihre wackeren Schüler verständnisinnig es bereits begriffen, politische Demonstrationen zu machen. Der Zug bewegte sich zunächst zur Wohnung des Herrn Reichsrathsabgeordneten Förg, und dort begann ein ohrenbetäubendes Schreien, Lärmen und wüstes Geschrei. Von dort gieng es natürlich vorüber am Redactionslocale der "Tirolerstimmen", wo sich dieselben Scenen erneuerten, zum Hause des Herrn Dr. Kapferer, und daselbst wurden die gleichen Scenen wiederholt. Dass aus diesem Zuge auch von Zeit zu Zeit die Rufe erschollen: "Nieder mit den Katholiken! Nieder mit der Canisiusfeier!" will ich nur nebenbei bemerkt haben. Ebenso will ich nur kurz erwähnen, dass gewissermaßen wie aus einem Chore von Trossbuben gemeinsam namentlich vor der Wohnung des Herrn Dr. Kapferer gerufen wurde: "Verräther und Schuft!" Wie der Zug von der Universität ausgegangen war, so bewegte er sich auch wieder dorthin zurück und es wurde dann, verstärkt durch die Genossen, die Socialdemokraten, entblößten Hauptes das Lied "Die Wacht am Rhein" gesungen, das, wie es scheint, unter der deutschnationalen Studentenschaft an die Stelle unseres ehrwürdigen, patriotischen Kaiserliedes tritt. Eine Scene aber, welche sich vor dem Hanse des Herrn Dr. Kapferer abgespielt hat, und die da aufgeführt wurde von einer Schar ausgelassener Buben, anders kann ich sie nicht nennen, in Gegenwart der zahlreich versammelten Frauenwelt und, wie wiederum verschiedene Augen- und Ohrenzeugen auf das bestimmteste versichern, unter passiver 158 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 8. Periode 1898. Assistenz eines Universitätsprofessors. Diese Scene hier zu schildern, verbietet wirklich der Anstand, und müsste ich sie richtig classificieren, so dürfte ich sie nicht unter die Rubrik Ausgelassenheit, sondern unter die Rubrik Sittenlosigkeit stellen. Damit will ich die Herren nicht weiter behelligen, dass dann dieser deutschnationale Rummel im Gasthause am selben Abend weitergeführt wurde; auch damit nicht, dass dieselben Studenten, verstärkt durch die Socialdemokraten, als in später Abendstunde sich das Gerücht verbreitete, es seien die zwei Abgeordneten, welche nicht anwesend waren, mit dem Zuge von Wien angekommen, zum Bahnhöfe zogen. Auch das will ich nicht länger ausführen, dass tags darauf von der nämlichen Studentenschaft beschlossen wurde, dieselben Scenen zu wiederholen. Dies alles will ich nicht weiter berühren. Auch darüber will ich nicht viele Worte verlieren, wieso cs denn eigentlich gekommen ist, dass die Universitätshörer sich dazu entschlossen, diesen zwei Abgeordneten, die sic bei Haut und Haar nichts angehen, außer etwa, dass einzelne wiederholt Wohlthaten aus ihrer Hand empfangen haben, eine derartige Demonstration zu veranstalten. Ich kann mir vielleicht die Sache durch den bekannten Satz erklären: "Wie die Eltern so die Kinder; wie die Lehrer so die Schüler", oder wenn Sie lieber wollen: "Wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen." Aber eines möchte ich hier hervorheben? Wo ist denn diesen Scenen gegenüber das Rectorat geblieben, das doch in erster Linie berufen ist, für öffentlichen Anstand unter der Universitätsjugend Sorge zu tragen, und für die Erhaltung des guten Rufes der Universität? Es ist nichts öffentlich bekannt geworden, dass etwa das Benehmen einzelner Professoren wäre gerügt morden; es ist auch nichts in die Öffentlichkeit gedrungen und bekannt geworden, dass dieser Schandfleck von der Universität wäre abzuwälzen versucht oder die Veranstalter und Unternehmer dieser Scandalgeschichten wären der richtigen Strafe zugeführt worden. Man wird mir vielleicht einwenden, das Rectorat habe nicht Kenntnis von diesen Dingen gehabt. Da ist aber kein Mensch hier, der mir das vordemonstrieren und glaubwürdig machen könnte. Das wäre doch lächerlich, wenn alle Welt weiß, was die Universitätsstudenten am Abende beginnen und schon den halben Tag davon gesprochen wird. dass dann das Rectorat nicht Kenntnis erhalten haben sollte, dass es nichts wissen sollte von den Dingen, die bereits alle Spatzen einen halben Tag lang in der Stadt herum von den Dächern pfiffen. Es bleibt daher nur die Annahme übrig, dass das Rectorat entweder sich zu schwach fühlte, dass es nicht den Muth hatte, hier einzuschreiten, um solche Scandalgeschichten seitens der Universitätsjugend zu verhindern; in diesem Falle ist es nicht mehr als billig und recht, wenn das Rectorat abgesetzt wird, weil es nicht fähig ist, seines Amtes zu walten; oder es hatte nicht den Willen einzuschreiten, es war vielleicht innerlich damit einverstanden, und in diesem Falle soll dasselbe zur strengen Rechenschaft gezogen werden wegen schwerer Pflichtverletzung. Ich muss gestehen, ich staune über die Unterrichtsverwaltung, die, wie es scheint, keine Mittel zu finden weiß, um ein solches Rectorat an seine wirklichen Pflichten nachdruckvollst zu erinnern. Das Verhalten des Rectorates gegenüber solchen Scandalen seitens der Universitätsjugend ist in meinen Augen um so sträflicher, weil es indirect wenigstens eine Ermunterung zn solchen Ausschreitungen involviert. Ich möchte die Eltern mahnen, die Augen aufzumachen nnd zuzusehen, was in Innsbruck ans ihren Söhnen etwa wird, und wie das sauer erworbene Geld dazu dienen muss, dass vielleicht anstatt brave, gute künftige Beamte, Lehrer u. s. w. geeignet, das Volk zu belehren, Volksverderber und Verführer herauskommen. Ich begreife vollkommen und billige es daher, dass der Finanzausschuss hier im hohen Hause den Antrag bringt, das zu bewilligende Geld nicht mehr an das Rectorat abzuführen. Ein solches Rectorat verdient wirklich das Vertrauen nicht mehr zur Vertheilung solcher Gelder, sondern es soll dem Landesausschusse anheimgestellt werden, dasselbe in richtiger Weise an dürftige Hörer zu bringen damit wir nicht etwa Gefahr laufen, dass das so schwer erworbene Geld unseres braven, christlich gesinnten Volkes an Leute vergeben werde, die nicht bloß bar sind jeder Religion sondern auch bar sind jedes patriotischen Gefühles. Es handelt sich nicht um eine Parteisache, sondern es handelt sich darum, dass dieses Geld allenfalls nicht Leuten verabfolgt werde, die bereits religionslos schon lieber heute als morgen über die schwarzgelben Grenzpfühle hinausschreiten möchten. XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 8. Periode 1898 159 Deshalb empfehle ich nochmals die Annahme des Antrages und brauche wohl nicht mehr zu erwähnen, dass ich aus vollem Herzen dafür stimmen werde. Dr. Schmid: Ich glaube, das hohe Haus wird in seiner Gänze die Überzeugung gewonnen haben, dass nicht mein unschuldiger Antrag, der nur eine Erleichterung bezweckte, die Ursache war, dass wir jetzt eine so lange Rede anhören mussten. Das Rectorat und die Verhältnisse an der Innsbrucker Universität haben mit dem, was ich früher gesagt habe, wohl so wenig Zusammenhang, dass man nicht annehmen kann, dass mein Antrag die Veranlassung zu dieser Siebe gegeben hat, denn ich hatte ja nur eine Erleichterung des Geschäftsganges für die Landesverwaltung im Ange. Was aber die Ausführungen des Herrn Vorredners selbst betrifft, auf welche ich im großen und ganzen nicht eingehen will, so ist mir eines ausgefallen. Der Herr Vorredner hat nämlich über das Rectorat der Universität in Innsbruck, also über einen Mann, den er wahrscheinlich noch nicht so nahe kennt, dass er berechtiget wäre, ihm derartige Anwürfe anzuthun, gesprochen, wie man spricht, wenn man einen notorischen Verräther am Vaterlande, einen notorischen Sucher nach auswärts vor sich hat. Dann ist etwas auffallend gewesen, was sich allerdings wieder erklärt. Der Herr Pfarrer Thurnher hat gemeint, es sei das Rectorat an der Innsbrucker Universität oder überhaupt an einer Universität berufen, die Studenten und ihre Handlungen zu bestrafen, hervorzuheben, zu untersuchen 2C. wie dort, wo in der Volksschule der Schulmeister die Buben hernimmt und untersucht, wenn sie etwas Ungebürliches gethan haben. Meine Herren! Der Herr Pfarrer Thurnher scheint keine Ahnung von der akademischen Freiheit zu haben und keine Ahnung davon, dass die akademischen Bürger nach ihrem eigens verfassten Rechte auch freien politischen Meinungen huldigen und politische Anschauungen vertreten können, was kein Rector, kein Professor und kein Senat irgendwie zu beeinflussen und zu unterdrücken das Recht haben. Das sind Sachen, welche dem Rectorate nicht anzuwerfen sind. Erstens hat das Rectorat nicht gewusst, was im Laufe des abends geschieht, (Stufe: Oho!) zweitens ist die ganze Sache in einer Art und Weise geschildert worden, die entschieden mit mancher Übertreibung zu thun hat, und drittens, wenn das Rectorat nachher erfahren hätte, dieser und jener sei es vielleicht gewesen, wer wäre da gewesen, welcher die einzelnen Namen bestimmt angegeben hätte, damit man die einzelnen Schuldigen herausnehmen und bestrafen hätte können. Man findet eben nicht überall Anzeiger und Denuncianten, wie dies anderswo eben der Fall ist. Da kann das Rectorat nichts thun. Das ist denn doch keine Veranlassung, welche dem Landtage Gelegenheit geben kann, solche verdächtigende Worte gegen das Rectorat unserer Landeshochschule zu schleudern. Wir haben bis dato nicht gehört, dass an der Universität in Innsbruck solche Ideen propagiert wurden, wie man vorher sie zu schildern beliebt hat. Das ist eine Sache, welche weit übertrieben wird, wenn man dem Studenten den deutschnationalen Gedanken zum Vorwurfe macht in der jetzigen Zeit, in welcher in Österreich die Hebung und Pflege des deutschnationalen Gedankens wahrlich berechtiget ist. Wenn alte, erfahrene, graue Männer, wenn die treuesten Staatsangehörigen Österreichs mit wohlüberlegten Worten für diese Idee eintreten, wenn die besten Patrioten ihr zürnendes Wort erheben gegen die Vergewaltigung der Deutschen in Österreich, so dürfen sie es dem jungen, brausenden Akademiker an der Hochschule nicht für übel nehmen, wenn er nicht immer gerade das eine Lied, welches vorgeschrieben ist, singt, sondern auch im erhebenden Augenblicke die Wacht am Rhein ertönen lässt. Das hat noch keine Regierung, noch kein Gendarm perhorresciert, das war dem Vorarlberger Landtage vorbehalten zu sagen, es ist eine Sünde, die Wacht am Schein zu singen. Das dürfen Sie meine Herren den Akademikern nicht zum Vorwurfe machen und am allerwenigsten bei einer Gelegenheit, wo es sich einfach um eine Sache handelt, die mit der politischen Anschauung der Studenten und Professoren als solche gar nichts zu thun hat. Das Rectorat wird gewiss das Geld so verwenden, und dies ist der Sinn meines Antrages, wie es der Landtag selbst und der Landesausschnss verwendet haben will, nämlich für dürftige Vorarlberger Hochschüler. Darum, glaube ich, ist die unmittelbar vorgesetzte Behörde am besten geeignet, unter den Studenten das Geld zu vertheilen, und 160 XIV. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 8. Periode 1898. das war der Grund, warum ich meinen Antrag gestellt habe. Landeshauptmann: Wer wünscht noch weiter das Wort? - Der Herr Abgeordnete Pfarrer Thurnher! Pfarrer Thurnher: Ja, wenn der Herr Abgeordnete Dr. Schmid mir gegenüber sagt, ich scheine keinen Begriff zu haben von der akademischen Freiheit, so muss ich ihm erwidern, dass ich den schon habe, aber keinen Begriff von einer akademischen Zügellosigkeit. (Bravo-Rufe.) Aber er scheint keinen Begriff zu haben von den unpatriotischen Ideen unter einem großen Theile der Studentenschaft der Universität, die weiter als bloß bis zur Pflege des Deutschthums gehen, die darauf abzielen, Leute heranzubilden, die über die schwarzgelben Pfähle hinüberschielen, bis endlich der "glückliche" Augenblick zum (überschreiten derselben kommt. (Dr. Schmid: Das sind einzelne, nicht die ganze Studentenschaft!) Nein, es ist eine ganze Menge darunter.