18970219_lts009

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Letzte Änderung 03.07.2021, 11:05
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp08,lts1897,lt1897,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 9. Sitzung am 18. Februar 1897, unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig alle Abgeordneten. UegierungsvertveterrHeeeHLattHaltereirathGrafIosefTHun-Hohenstem. Beginn der Sitzung 10 Uhr 10 Min. Vormittags. Landeshauptmann: Ich erkläre die heutige Sitzung für eröffnet und ersuche um Verlesung des Protokolles der letzten Sitzung. (Secretär verliest dasselbe.) Hat einer der Herren gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung zu erheben? Da dies nicht der Fall ist, betrachte ich dasselbe als genehmigt. Es ist eine Petition einer großen Anzahl von Bürgern aus Lustenau eingelaufen in Angelegenheit der Krankenversicherung ihrer eigenen im Gewerbebetriebe beschäftigten Kinder. Ich glaube es kann von der Verlesung Umgang genommen werden, und vielleicht stimmt das hohe Haus meiner Anregung bei, dass diese Petition in kurzem Wege dem volkswirtschaftlichen Ausschüsse überwiesen werde. Da dagegen keine Einwendung erfolgt, so nehme ich an, dass diese meine Anregung die Zustimmung des hohen Hauses erhalten hat. Es ist ferner eine Interpellation der Herren Abgeordneten Dressel und 16 Genossen überreicht worden. Nachdem dieselbe sehr ausführlich ist, möchte ich mir erlauben, um den Herrn Secretär nicht zu sehr anzustrengen, dieselbe selbst vorzulesen. (Landeshauptmann liest.) 98 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 8. Periode 1897. Interpellation. Der Lehrerverein des Landes Vorarlberg hat schon bei seiner Gründung im Jahre 1878 gezeigt, wes‘ Geisteskind er ist, indem er zum Vereinsobmann Professor Dr. Nachbaur wählte, jenen Mann, der bereits 8 Jahre zuvor in öffentlicher Versammlung erklärte: "Ich bin nicht der Ansicht, dass unsere Schulgesetze etwas Vollkommenes geleistet haben, ich bin vielmehr der Ansicht, dass der confessionelle Unterricht aus der Schule ganz hinausgeworfen werden soll." Noch deutlicher trat der religionsfeindliche Geist bei der ersten Hauptversammlung des Vereines zu Tage, als in derselben der vormalige Schulinspector Teimer den nackten Materialismus nicht bloß als Hypothese, sondern als Ergebnis exacter, naturwissenschaftlicher Forschung unter lebhaftem Beifalle der Vereinsmitglieder vortrug. Wie sehr dieser religionsfeindliche Geist im Vereine fortdauernd unterhalten und gepflegt wurde, beweisen die Vereinsorgane "Tiroler Schulfreund" und "D.Ö. Lehrerzeitung". Zwar wurde die Existenz des ersteren Organes durch Intervention der Schulbehörden unmöglich gemacht; allein der Schulfreund fand einen weit schlimmeren Nachfolger in der "D.-Ö. Lehrerzeitung", gegen welche, selbst nach dem Urtheile von Vereinsmitgliedern, der ehemalige "Schulfreund" als harmlos bezeichnet werden müsse. Es ist daher begreiflich, dass der Herr Landesschulinspector Dr. Kiechl auf Grund eines einstimmig ausgesprochenen Wunsches des h. k. k. Landesschulrathes, die Vereinsvorstehung dringend abmahnte, die "D.-Ö Lehrerztg." von Vereinswegen weiterhin zu abonnieren. Allein das "freiheitstrutzige Häuflein" (Lehrerztg. 1. Jahrgang S. 285) war hiezu nicht zu bewegen, und der Verein fährt fort, genannte Zeitung seinen Mitgliedern als Vereinsgabe hinauszugeben. Dieser "Freiheitstrutz" gegen "übergeordnete Gewalten" (S. 285) fand das volle Lob im genannten Vereinsorgane, und dasselbe constatiert mit Befriedigung, dass, wenn man auch Dr. Nachbaur und Teimer "aus Dienstesrücksichten aus dem Ländchen wegversetzte", sich die Maßregel als vergeblich erwiesen habe. "Wo man der Hydra einen Kopf nahm, wuchsen flugs sieben neue Köpfe nach". (S. 285.) Die deutsch-österr. Lehrer-Ztg. bezeichnet zwar das R.-V.-Schulgesetz vom Jahre 1869, das die sittlich-religiöse Erziehung als Hauptzweck obenan stellt, als "eine wahre Perle"; allein, weit entfernt, diesen Zweck in dem Sinne zu deuten, wie er allgemein und auch von der Regierung von jeher verstanden wurde, und wie ihn das Gesetz selbst in den §§ 5 und 38 versteht, erklärt sie den Lehrern klar und offen, "dass sittlich-religiös, nicht sittlich-katholisch, nicht sittlich-evangelisch, nicht sittlich-mosaiisch, nicht sittlich-buddhistisch, überhaupt nicht sittlich-confessionell heißt" .... "Wenn aber als Beweis für die Nothwendigkeit des Religionsunterrichtes angeführt wird, dass das Volk darnach verlange, so muss dem entgegen gehalten werden, dass die paar Spießbürger, welche gedankenlos nachplappern, was ihnen vorgeplappert wird, keineswegs das Volk sind, dass das Volk, wenn es erst wird reden dürfen, den Herren das Gegentheil beweisen wird. Das Volk hat heute bereits so weit urtheilen gelernt, dass es weder in dem Katholicismus noch sonst einer confessionellen Einrichtung Schlüssel zur moralischen Vervollkommnung der Menschheit erblickt; es wird noch weiter urtheilen lernen, dass die Moral als ein rein menschliches Übereinkommen, von der Confession gänzlich unabhängig, das confessionelle Beiwerk aber für die sittliche Bildung des Menschen völlig wertlos ist". (S. 76.) Demnach leugnet das Blatt den Wert jeder positiven Religion und setzt an Stelle der Gebote Gottes das freie Übereinkommen der Menschen. Um die Lehrer ja nicht im Zweifel darüber zu lassen, dass ihre "Religion" vom Katholicismus" durch eine ganze Welt" getrennt sein müsse, sagt es (S. 233): "Lehrt die Pädagogik, dass der Verstand des Kindes zu entwickeln und zu schärfen ist, damit er eine Leuchte auf dem Pfade zur Wahrheit sei, so heischt die clericale Vorschrift, dass das Kind lerne seine Vernunft gefangen zu nehmen und sich dem Dogma schweigend zu unterwerfen. Lehrt die Pädagogik, dass das Kind seinen Lauf beginnt als einen edlen, fleckenlosen Abglanz der Gottheit, so steht es nach den Satzungen des Clericalismus da als ein Wesen, das schon sündlich belastet in's Dasein tritt. Lehrt die Pädagogik, dass die Erziehung des Kindes eine Entwicklung von innen heraus, ein Entfalten IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. 99 gegebener Anlagen sein muss, so behauptet dagegen der Clericalismus, dem Kinde sei von außen, nach Maßgabe menschlicher Satzungen seine Wesensgestaltung einzuimpfen. Überall der schärfste Gegensatz. Bei uns Glauben an das Kind, bei ihnen Misstrauen gegen dasselbe; bei uns Entbindung der Geisteskraft, bei ihnen Einschnürung und Abtödtung derselben, bei uns das Ziel der feste Charakter, bei ihnen das Ziel die Marionettennatur." Der Kampf gegen die katholische Religion, welche constant mit Clericalismus bezeichnet wird, und gegen jede positive Religion nimmt in manchen Nummern noch schärfere Formen an. Der Darwinismus ist dem Blatte etwas selbstverständliches; es schließt aber aus dem Umstande, dass Dr. Scheicher im niederösterreichischen Landtage sich dahin ausgesprochen hat, die Kinder sollen an den regelmäßigen Besuch des Gottesdienstes gewöhnt werden, dass die "Religion weiter nichts als etwas dem Menschen Andressiertes" sei und es sei "also auch nach der Religion der Mensch nur ein höheres Thier", und sagt dann weiter: "Die freie Schule aber stellt sich höhere Ziele als bloße Gewöhnung und strebt nach edlerer Religiosität als wie sie der Clericalismus in Pacht genommen hat. Wahre Menschenbildung und sich ewig duckende Kriecherei werden auch immer zueinander stehen wie Feuer und Wasser. Pflicht eines jeden ist es, der einmal den engen Fesseln entronnen, in die er schon in frühester Kindheit 'geschmiedet wurde, sein möglichstes beizutragen, dass endlich die Himmel durchleuchtet werden mit der Fackel der Vernunft, die jedenfalls der Gottähnlichkeit würdiger ist, als hündische Unterwürfigkeit. Gott ist nicht ein feiger Despot, dessen Gelüsten immer nach mehr Sclaven steht." (S. 66.) Der Hass gegen die katholische Kirche, welcher fast in jeder Nummer des Blattes zutage tritt, erstreckt sich nicht blos auf ihre Lehren sondern naturgemäß in gleichem Grade auch aus ihre Diener, die Priester und alle Gläubigen, welche nach ihm gläubig "nachplappern", was ihnen die ersteren "vorplappern". Das Blatt ist empört darüber, dass die Regierung gegen die Lehrer und Geistlichen zweierlei Maß habe und für die ersteren, obwohl sie nur "österreichische Staatsbürger" seien, "die ihre oberste Directive nicht wie jene von einem fremden Oberhaupte empfangen", nur den "Maulkorb" und für die Geistlichen uneingeschränkte Freiheit habe. "Wenn wir", sagt dasselbe, "ein Gesetz bekämpfen, so geschieht es aus Patriotismus, nicht des Eigennutzes wegen; wir haben auch nie das scheinheilige und geradezu staatsgefährliche Wort gebraucht: man muss Gott mehr gehorchen als dem Staate" (S. 109). Wenn die Lehrer-Ztg. die Lehren des Christenthumes und die Gebote Gottes, wie oben gezeigt wurde, als menschliche Satzungen hinstellt und bekämpft, dann darf es nicht wundern, dass ihr die Gebote der Kirche um so mehr als Aberglauben erscheinen, der mit Spott und Hohn bekämpft werden müsse. So schreibt sie (S. 110): "Machen wir den Aberglauben lächerlich wo wir ihn finden.... Fragt mich unlängst der Cooperator, was da im Vorhaus dufte? "Ja, es ist eben heute Freitag, da wird regelmäßig eingebeitztes Fleisch gegessen." Handelt es sich im vorangeführten Beispiele nebst der Verspottung des Kirchengebotes auch um die Verhöhnung eines Kaplanes, so wird auf Seite 26 der Spott über einen katholischen Bischof ausgegossen. "Fromm und ehrbar, " heißt es da, "sind heule, wie auch ein noch so feiner Kopp (selbst wann er ein Fürstbischof wäre) darüber denken möge, weniger als je Eins. Und wenn unsere Lehrer sich bemühen, den Kindern Ehrbarkeit und Selbstachtung einzuflößen, so wird wohl nur ein einseitig gearteter Christ Anstoss daran nehmen, dass sie nicht auch zu Rom-, Lourdes-, Calvaria- und Messeläufern erzogen werden." Wie aus einer Reihe von Stellen sich klar ergibt, sucht das Blatt bei jeder irgendwie gearteten Gelegenheit mit Vorliebe durch spöttische Angriffe das Ansehen des Priesters in den Augen der Bevölkerung herabzusetzen und seine noch so billigen und gerechten religiösen Forderungen als von der Herrschsucht und dem Eigennutz dictiert darzustellen. So lesen wir, (S. 189), um nur noch ein Beispiel anzuführen: "Nicht mehr mit kluger Mäßigung, sondern mit rasender Beschleunigung geht es bei uns rückwärts! Landsteiner-Infanterie und die Liechtenstein-Dragoner lagern im Süden. Im mährischen Rom herrscht ein heiliges Konsistorium und fordert im Wege eines Landesschulraths-Erlasses absonderlich fromme Dinge! Im Olmützer Theil der Diöcese wird nämlich durch obigen Erlass angeordnet, dass 100 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. auch noch an drei Schultagen Schulgottesdienst stattzufinden habe; doch kann derselbe auch öfter als dreimal angeordnet werden. Eltern, welche ihre Kinder von dieser heiligen Verpflichtung fernhalten, sollen nachsichtslos bestraft werden. Nur zu, nur zu! Verhängt uns das liebe Sonnenlicht mit Euren schwarzen Kutten! Die Sonne sollt Ihr uns doch nicht ausblasen! Der Religion helft Ihr aber durch Zwang und Gewaltthat nimmer auf! Druck zeugt Gegendruck, Kirchenzwang ist der beste Nährvater des unbändigen Kindes "Freiheit"! Und was dann folgt, Ihr wisst es ja selber, und dass Ihr's fürchtet, wollt Ihr nur feige verbergen!! Nur zu! Uns ist nicht bange!" Vom Christenthum will die "deutsch-österr. Lehrer-Ztg." nur den Satz von der "Bruderliebe" als Grundlehre gelten lassen und behauptet (S. 221) dem gegenwärtigen Papste gegenüber, dass der Clericalismus (i. e. Katholicismus) das Christenthum stets verleugnet habe und dass "seine sogenannte Cultur immer ausgesprochen unchristlich" gewesen sei. Nach dem Gesagten darf die Forderung des Blattes nicht mehr überraschen, dass wie an den Hochschulen die Erziehung und der Unterricht auch in den Volksschulen confessionslos werden müssen, (S. 103) und dass es "nie und nimmer Aufgabe der Schule sei, den Menschen für übernatürliche Zwecke und imaginäre Dinge zu bilden", (S. 235) sondern ihr erster und Hauptzweck sei Menschenbildung für diese Welt, und ist daher wohl nach allem zu begreifen, wenn dasselbe an anderer Stelle sagt (S. 235): "Die Schriften eines Darwin, Häckel, Karl Vogt, Mantegazza, Lombroso u. a. m. _bem Verständnis weitester Kreise zuzuführen, wäre jedenfalls ein Verdienst um die Menschheit". Die "deutsch-österr. Lehrer-Ztg." erstrebt nicht nur die Abweisung jedes religiösen Einflusses auf die Schule sie verlangt eben so offen und klar gänzliche Unabhängigkeit derselben von Gemeinde und Staat und tritt mit aller Kraft ein für die volle Autonomie der Schule und die uneingeschränkte Freiheit des Lehrers. Habe man auch durch die Schulnovelle vom Jahre 1883 dem Schulgesetze "die Krone geraubt" und stehe zu befürchten, dass dasselbe in reactionärem Sinne noch weiter geändert werde, so tröstet sie sich damit, dass "das Leben, der Geist einer Schule Leben und Geist des Lehrers sei, der sich nicht "reglementieren" lasse. Neben dem Kampfe gegen das Christenthum und gegen jede positive Religion erblickt die "Deutsch-österr. Lehrer-Ztg." in der politischen Verhetzung der Lehrer unstreitig eine ihrer Hauptaufgaben. Behandlung fachlicher Fragen und Förderung der Lehrer in ihrem Berufe ist ihr Nebensache. Hiefür bietet der erste Jahrgang Nummer für Nummer ausreichende Belege. Mit Ausnahme der Socialdemokratie, für welche sie eine besondere Vorliebe hegt, bekämpft sie mehr oder weniger wohl alle bestehenden politischen Parteien. Diese Vorliebe für die Socialdemokraten ist erklärlich, wenn sie sagt (S. 51): "Die Lehrer wollen eiserne und rücksichtslose Verfechter der Schule gegen die den calen Herrschgelüste, solche Verfechter finden sich zur Zeit aber nur unter den Socialisten." Gefällt der "Lehrerzeitung" an der gegenwärtigen Socialdemokratie auch nicht alles, so tritt sie doch principiell für dieselbe ein. Unter anderem schreibt sie in dem Berichte über eine Volksversammlung in Wien (S. 161): "Dr. Adler, der Socialistenführer, der Kopf und die Seele der Arbeiterbewegung in Österreich, geißelte mit scharfem Sarcasmus die reactionären, freiheitsfeindlichen Strömungen, die bei uns walten und - herrschen. Er leuchtete scharf in das Herz des sogenannten Liberalismus hinein und kennzeichnete die vergangenen und die gegenwärtigen Zustände, die im Wiener Gemeinderathe herrschten und herrschen mit den Worten: Der gegenwärtige Gemeinderath ist noch um 2700 Gulden schlechter als der frühere. Dass die Professoren der Universität sich an das Volk gewendet haben, zu dem Volke gekommen seien, fand er ganz vernünftig. Nur ganz allein die Socialdemokraten fürchten die Wahrheit nicht, nur in ihrem Kreise könne die Wissenschaft eine freie Sprache führen. In den oberen und mittleren Ringen müsse die Wahrheit verschleiert werden, sonst errege sie Anstoß!" Mit den Liberalen geht das Blatt selber folgendermaßen in's Gericht: "Ungarn geht unter Führung seiner Volksvertretung geistig vorwärts, es baut seine freiheitliche Gesetzgebung immer weiter aus; unsere Volksvertretung IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 8. Periode 1897. 101 dagegen ist von keiner einzigen großen Idee mehr durchdrungen, sie ergeht sich in Declamationen über das, was der Liberalismus einstmals errungen hat und lässt dabei dieses vor Jahren Errungene Stück um Stück von der Reaction vernichten. So kommt sie, aller Ideale und jeder Thatkraft bar, um jeden Einfluss unter dem Volke. In Ungarn fällt eine confessionelle Fessel nach der anderen, wo aber fände in Österreich die liberale Partei den Muth, von der Civilehe auch nur zu reden, geschweige denn sie zu einem ernsten Punkte ihres parlamentarischen Programmes zu machen!.. . Und wo war denn die liberale Partei, als durch einen Federstrich der Schulbehörde die Lehrer eines wichtigen Staatsbürgerrechtes verlustig und zur Theilnahme an religiösen Übungen verpflichtet wurden? Wo war jene Partei, als entgegen dem Geiste des alten Reichs-Volksschulgesetzes den Wiener Schulen die Gebete einer bestimmten Konfession aufgezwungen wurden? Wo hat sich dies Partei erhoben und durch Wort und That Protest eingelegt gegen die endlose Kette von bureaukratischen Einschnürungen, die schließlich sogar zu dem beklagenswerten Beamtenerlass führten, und unter denen die Lehrerschaft zu erliegen droht? Die Partei fand wohl den Weg in die Coalition, aber die Schule und die Lehrer hat sie verlassen, darum wird sie nun auch von den Lehrern nicht mehr unterstützt. Auge um Auge, Zahn um Zahn!" rc. (S. 161.) Und weiter Seite 163: "Die liberale Partei ist ohne Saft und Kraft, ohne jedes zielbewusste Streben, und an eine solche kann sich die Lehrerschaft nicht halten, denn sie wäre bei dem ersten kräftigen Stoße, der gegen sie geführt wird, verloren, weil die Männer der liberalen Partei keinen Widerstand mehr zu leisten vermögen." . . . "Mit den Deutschnationalen ist es nicht besser. Sie machen viele Worte, die bei nüchterner Beurtheilung hohle Phrasen sind und ihre Thaten bestehen in nichts anderem als im Wirtshaus beim Stammtisch den Ton anzugeben, in allen Tonarten gegen die Juden und das Capital loszuziehen und der Menschheit heiligste Güter, Fortschritt, Freisinn und Nächstenliebe um einige Stimmen bei den Wahlen leichtsinnig zu verhandeln. Sie sind die größten Feinde der deutschen Nation, denn sie haben Zwietracht unter das ganze deutsche Volk gebracht, haben Institutionen geschädigt, deren Thätigkeit von den schönsten Erfolgen gekrönt war und haben im blinden Hasse gegen einige Bundesgenossen es ruhig geschehen lassen, dass die deutschfeindlichen Nationen Vortheile errangen." (S. 163). Selbstverständlich sind der "Deutsch-österr. Lehrer-Ztg." die Christlich-Socialen und die "clericalen Römlinge" am meisten verhasst, namentlich in Vorarlberg, "wo ein scheinheiliges Christenthum seine dunkelsten Schatten" werfe und "ägyptische Finsternis" herrsche. (S. 285). In dem Artikel "Der Erbfeind" (Nr. 17) sagt Redacteur Jessen zum Schlüsse: "Für die Lehrerschaft gibt es mit den Clericalen keinen Frieden, sondern nur den Krieg. Es ist für die Lehrer, die nicht zu Schafen herabsinken und das verächtlichste Dasein führen wollen, eine Lebensfrage, dass die Clericalen zerschmettert werden. Mit ihnen einen Frieden einzugehen, das heißt sich der Menschenwürde entäußern. Wie die Disteln keine Feigen, der Dornstrauch keine Trauben trägt, so kann auch bei den Clericalen keine Liebe zur Bildung der Jugend und des Volkes gefunden werden; sie sind ein Gewächs, das man umhauen und ins Feuer werfen muss, damit es zu Asche verbrenne." Da nun letzteres vorläufig schwer zu bewerkstelligen sein dürfte, wird den Lehrern einstweilen der "Kampf mit den Pfarrhöfen", speciell in unserem Ländchen Vorarlberg, empfohlen (S. 150.) Hiezu werden sie für einen speciellen Fall (Zeitungscolportage) im Artikel "Die Lehrer und Presse" (Nr. 15) folgendermaßen angeeifert: "Zieht der Pfarrer mit den Lehrern aber nicht an dem gleichen Strange und besitzen die letzteren die Achtung und Zuneigung der Gemeindemitglieder, so unterliegt der Einfluss des Pfarrers gewiss. Denn die Berührung der Lehrer mit der Bevölkerung ist inniger als die des Pfarrers, und die Lehrer haben im Gegenspiele den größten Trumpf in der Hand: die Jugend. Über dieses Verhältnis sind sich die Lehrer vielfach selbst noch nicht klar oder es fehlt ihnen der Muth, den Kampf mit der Geistlichkeit aufzunehmen. Sie werden aber nach und nach allgemein zu der Einsicht kommen, dass hier die Zurückhaltung gar nicht am Platze ist. . . ." 102 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 8. Periode 1897. Die Lehrer werden wiederholt ermahnt, politisch thätig zu sein, namentlich bei Wahlen ihren Einfluss so viel als möglich geltend zu machen, und es werden die tschechischen Lehrer geradezu als Muster vorgestellt, welche "der freiheitlichen Jungtschechenpartei die politische Macht verschafft" haben. (S. 224). Die Lehrerzeitung gibt sich aber damit nicht zufrieden, dass die Lehrer die von ihr propagierten Ideen nur in sich aufnehmen, sondern empfiehlt durch Mittheilung einer Resolution der Abgeordneten-Versammlung des Deutsch-österr. Lehrerbundes, dass ein Fond gesammelt werde, um "berufenen Männern Gelegenheit zu bieten, jene Ideen durch Agitation in die Massen des Volkes zu tragen. Es sei daher von größter Nothwendigkeit, in allen Vereinen unseres Bundes Vertrauensmänner zu gewinnen, welche für diese angedeuteten Zwecke (Sammlung von Geldern für Rechtsschutz und Agitation) wirken mögen." (S. 277). Die Landesvertretungen, welche den Lehrern bezüglich ihrer Wünsche nicht voll und ganz entsprechen, werden mit Spott und Hohn übergossen. So wird (S. 150) der Landesausschuss von Vorarlberg gehöhnt wegen der "Almosen", die er an "brave" Lehrpersonen austheile, wobei besonders "gottbegnadete" sogar 100 Gulden bekommen. Besonders unzufrieden bezüglich der Lehrergehaltsaufbesserung ist das Blatt mit den liberalen Landtagen. "Das Bild", schreibt es, "das in dieser Beziehung manche Kronländer mit liberalen Landtagsmehrheiten darbieten ist dunkelste Nacht." (S. 62). Dem Landtage von Mäh, en wird Seite 65 unwürdiges, geradezu frevelhaftes Spiel, das er mit der Lehrerschaft treibe, vorgeworfen und Seite 101 der genannten Landesvertretung mit ihrer deutschliberalen Majorität folgendermaßen der Krieg erklärt: "Im nächsten September also gibt es wieder lustigen, fröhlichen Krieg! Für diese Zeit sind die Landtagsmahlen in Aussicht genommen! Nun, uns soll's recht erfreulich sein, wenn die freigewordenen Geister kämpfend aufeinander platzen! Auch wir wollen diesmal ganz munter Sturm laufen gegen die morschen Barrikaden, auf denen hohle Köpfe und lang geschonte Zöpfe sich so beschaulich sonnten, als sollte es ewig währen. Also rüstet nur alle! Es gilt!" Eine besondere Freude hat die "Deutschösterr. Lehrer-Ztg." an dem bekannten Dr. Dittes, dem es, wie sie in Nr. 11 schreibt, gelungen sei, dass die Lehrer bei seinen Vorträgen "das inwendige Raisonnieren" allmählig verlernten und die geballte Faust mehr und mehr aus dec Tasche herausbrachten. Dieser "Erfolg" zeigt sich im Blatte besonders gegen die Schulbehörden. Hier nur ein Beispiel: "Bald vielleicht werden manche, die als Hüter des Gesetzes gegen dessen alten Geist unermüdlich sündigen, sehen und erkennen, dass man ihnen mit offenem Visier und scharf geschliffenem Schwerte entgegentritt. Und dann wehe ihnen!" (S. 22). Wie aus der vorstehenden Darlegung sich ergibt, ist die "Deutsch - österr. Lehrer-Ztg." ein religionsfeindliches, die geistliche und weltliche Autorität untergrabendes, politisches Blatt. Dasselbe rühmt sich 11.000 Abonnenten zu haben, und es ist thatsächlich wahr, was es hiezu spottweise bemerkt: "Das ist das Fürchterliche, das Gift quillt jetzt schon in jedes Dörflein und die Milch der frommen Denkart verwandelt sich in allen Lehrerkreisen in gährend Drachengift." (S. 276.) Der Lehrerverein des Landes Vorarlberg ist kein politischer Verein und ihni stehen nach § 3 seiner Satzungen als Mittel zum Zwecke nur "periodische Versammlungen zur Besprechung von Fragen im Bereiche des Vereinszweckes und zur Abhaltung von Vorträgen pädagogisch-didactischen oder auch überhaupt wissenschaftlichen Inhaltes" zu Gebote. Wie kommt demnach der Verein dazu, seine Mitglieder zur Abnahme eines politischen Blattes obligatorisch zu verpflichten? Wir stellen daher an die k. k. Regierung folgende Fragen: 1. Hat die k. k. Regierung Kenntnis von diesen Vorgängen und hält sie Lehrer, die eine jede positive Religion bekämpfende Zeitung als ihr Organ erklären, für geeignet, die Jugend sittlich-religiös zu erziehen und den Religionsunterricht subsidiär zu ertheilen? 2. Was gedenkt die k. k. Regierung gegen die oben nachgewiesene, systematische Verführung IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session der 8. Periode 1897. 103 und Vergiftung der Lehrer im La; de und zur Beruhigung der christlichen Bevölkerung vorzukehren? 3. Ist der k k. Regierung die Überschreitung des § 3 der Satzungen des Vorarlberger Lehrervereines bekannt? Wenn ja, welche Stellung gedenken sie dagegen einzunehmen? Bregenz, 17. Februar 1897. Johannes, Alois Drossel Bischof von Evaria Andreas Thurnher Adolf Rhomberg Jodok Fink Johannes Thurnher Josef Wegeler Johann Kohler Jakob Nägele Josef Büchele Fink Jos., Pfarrer Josef Ölz Fr. Ant. Müller Jakob Scheidbach Rudolf Wittwer Engelbert Bösch Mart. Thurnher Ich werde mir erlauben, diese Interpellation dem Herrn Regierungsvertreter zu übermitteln. Wir gehen nun zur Tagesordnung über, und zwar steht auf derselben als erster Punkt der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses, betreffend die Fortsetzung des Baues der Flexenstraße. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Abg. Martin Thurnher das Wort zu ergreifen. Mart. Thurnher: Ich habe dein Ihnen vorliegenden Berichte, der alle nöthigen Daten enthält und auf den ich vollinhaltlich verweise, eigentlich nichts beizufügen. Der schwierigste Theil der Flexenstraße ist mit Hilfe des Staates und Landes nahezu erstellt, es soll aber auch für die Fortsetzung des Baues der Straße Sorge getragen werden, dass deren Anschluss an die im Lechthale tut Baue begriffene Straße seinerseit vollzogen werden kann. Wir müssen bei unseren Beschlüssen auch Bedacht nehmen, dass die nöthige Berücksichtigung der zutage tretenden Anforderungen itttb Wünsche anderer Landestheile möglich bleibe, sonach die Fortsetzung der Flexenstraße mir successive erfolge und die Zeit, die dem Herrn Landescultur-Ingenieur zu Verfügung steht, und die dem Lande zur Verfügung stehenden Mittel auch anderen Aufgaben zugewendet werden können. Die Anträge des volkswirtschaftlichen Ausschusses bewegen sich vollkommen innerhalb dieser Grenzen, und ich kann daher die Annahme dieser Anträge dem h. Hause nur empfehlen. (Liest die Anträge aus Beilage XXV.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Anträge die Debatte. Da sich bei derselben Niemand zum Worte meldet, so kann ich zur Abstimmung schreiten, und zwar werde ich, wenn dagegen keine Einwendung erfolgt, sämmtliche drei Anträge unter Einem vornehmen. Ich ersuche jene Herren, welche diesen drei Anträgen die Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. Einstimmig angenommen. Der zweite Gegenstand der heutigen Tagesordnung ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über die Eingabe des landwirtschaftlichen Vereines in Sachen der Tuberculin-Impfung, Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, Abgeordneten Jodok Fink das Wort zu nehmen. Jodok Fink: Ich glaube dem Berichte des volkswirtschaftlichen Ausschusses vorläufig nichts mehr beifügen zu müssen. Das h. Haus ersieht aus dem Berichte, dass wir es hier wieder mit einem Versuche in Impfangelegenheiten zu thun haben und ich bringe daher nur den Antrag zur Verlesung. (Liest den Antrag aus Beilage XXVI.) In Zeile 6 des Antrages sind nach "Nutzrindern" die Wörtchen "die bis" ausgeblieben. Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag die Debatte. Dr. Waibel: Ich möchte mir ein paar Worte erlauben, da es sich hier um eine außerordentlich wichtige Angelegenheit handelt. Die Grundlage dessen, was hier unternommen werden soll, ist eine Krankheit, welche nach den statistischen Nachweisungen unter dem Rindvieh in außerordentlichem Umfange herrscht. 104 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. Man ist geradezu erstaunt über die Ausbreitung dieser Krankheit. Dieselbe besteht auch in unserer Nachbarschaft, in der Schweiz. Aus der Schweiz wird nach einer langjährigen Gepflogenheit das wertvolle Zuchtmaterial bezogen, welches die Bestimmung hat, in unserem Lande zur Heranziehung einer besseren Zucht zu dienen, also in physiologischen Verkehr mit unseren Rindern in ganzen Gemeinden oder wenigstens größeren Gruppen tritt. Es ist darum ganz gewiss nicht nicht bloß eine Vorsicht, sondern eine sehr dringende Aufgabe der Verwaltung, diesem Gegenstände die volle Aufmerksamkeit zuzuwenden. Es wird behauptet, dass bei uns diese Krankheit noch nicht besteht, ich möchte aber daran zweifeln. Es ist auffallend, dass bei uns gerade in den Gebirgslagen unter der Bevölkerung die Tuberculose eine ganz gewöhnliche, sehr häufig vorkommende Krankheit ist. Es wird zu berücksichtigen sein, dass die Krankheit vielleicht doch im Zusammenhange steht mit dem Milchgenusse, der ja in den Gebirgsländern im vorherrschenden Gebrauche ist. Es ist bekannt, dass die Erkrankung der Rinder an Perlsucht hauptsächlich dem Umstande zugeschrieben wird, dass das Vieh lange in den Stallungen zurückgehalten wird, in denen es Tag und Nacht seinen Aufenthalt hat. Wer die Stallungen in unseren Gebirgsdörfern und auch in den tiefern Lagen kennt, wird sich erinnern, dass diese Stallungen zum größtentheile auch sehr beschränkt sind, dass so große Organismen, wie die Thiere es sind, in ganz kleinen, engen Stallungen untergebracht sind, in denen sich die Menschen kaum bewegen können, und zwar nicht bloß kurze Zeit, sondern die längste Zeit des Jahres, den ganzen Winter hindurch. Es wird das Vieh nicht einmal immer aus den Stallungen getrieben, uni Wasser zu genießen, sondern das Wasser wird hineingetragen, und so kommt das Vieh monatelang aus den Stallungen nicht heraus. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass die Perlsucht häufiger vorhanden sein dürfte, als man vermuthet. Jedenfalls soll bei Beschaffung des Zuchtmateriales aus unserer Nachbarschaft die größte Vorsicht beobachtet und sollen Anstalten getroffen werden, dass nicht eine weitere Gefährdung des Viehstandes und der menschlichen Gesundheit daraus erwachse. Ich weiss mich aus früheren Jahren, wo ich die Sache mehr verfolgt habe, zu erinnern, dass auf der Schlachtbank in Zürich auffallend viele perlsüchtige Thiere constatiert wurden. Es wird behauptet von Leuten, die das wissen können, dass im Simmenthale unter dem dortigen vornehmen Zuchtmateriale diese Krankheit außerordentlich verbreitet ist, und man hat diese Erfahrung auch in Niederösterreich gemacht, weil aus dem Simmenthale sehr gerne Stücke nach Niederösterreich angekauft und in Verwendung gebracht werden. In meiner Gemeinde ist vor kurzem der Antrag gestellt worden, der Sache näher zu treten, was auch geschehen wird. Alan hat es für zweckmäßig gefunden, nicht gerade mit dem Rindvieh anzufangen, sondern sich vorzubereiten auf die nächste Zuchtperiode 1897/98, also auf den nächsten Herbst, und wird sich zunächst mit den Zuchtstieren befassen. Es ist vorauszusehen, dass die nächste Zuchtstierhaltungsperiode in unserer Gemeinde obligatorische Impfungen vorgenommen werden dürften, und diese Vorsicht kann nur am Platze sein. Was die Kosten der Tuberculinimpfung anbelangt, so sind dieselben nicht so beträchtlich. Sie dürfen gewiss nicht abschrecken, der Sache so rasch als möglich näher zu treten. Eine Impfung, kann man annehmen, kostet, wenn der Impfstoff aus Wien, wo eine staatliche Anstalt zur Erzeugung desselben besteht, bezogen wird, ca. 35 fr. für ein Stück Vieh. Mit einer Lösung von 1 g Tuberculin zu 9 g destilliertem Wasser also mit 10 g können ca. drei Stück Vieh geimpft werden und ein solches Fläschchen kostet 80 fr. Also die Kosten sind das Wenigste, was bei der Sache in Betracht kommen kann. Ich hätte gerne gesehen, wenn die Ausschuss-Anträge etwas präciser, detaillierter und schärfer lauten würden. Ich hätte für meine Person gemeint, dass die Anträge besser so lauten sollten: "1. Der Landes-Ausschuss wird beauftragt, der Tuberculin-Impfung im Einvernehmen mit dem Landwirtschafts-Vereine seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und dem Landtage in der nächsten Session über das Ergebnis seiner dahin gerichteten Thätigkeit Bericht zu erstatten, beziehungsweise Vorschläge zur weiteren Verfolgung der Sache zu unterbreiten. 2. Der Landes-Ausschuss wird ermächtiget, Kosten, welche während des Jahres 1897 der Landesverwaltung durch dringend gewordene Tuberculinimpfungen verursacht werden, aus dem Fonde zur Hebung der Rindviehzucht zu bestreiten." IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. 105 Ich bestehe aber nicht darauf und habe nichts dagegen, dass der Ausschuss-Antrag zum Beschlusse erhoben wird und schließe mich demselben an, weil ich nach den Auseinandersetzungen, die ich gegeben habe, und nach dem Berichte selbst doch vermuthen darf, dass man mit der Sache ernst zu machen beabsichtigt. Ich accomodiere mich also dem Ausschuss-Anträge. Ich übergebe aber meine Anträge, weil ich glaube, dass diese Fassung zweckdienlicher wäre. Dr. Schmid: Der Antrag - oder eigentlich ist es nur ein Vorschlag und der Ausdruck einer Meinung -- meines verehrten Collegen Dr. Waibel, wie er vorgelesen worden ist, entspricht allerdings dem Ernste und der Bedeutung der Sache, um die es sich hier handelt, und es wäre ganz recht, wenn das h. Haus den Landes-Ausschuss beauftragen würde, seine volle Aufmerksamkeit dem Gegenstände zuzuwenden. Aber im Wesentlichen liegt der ganze Gedanke, der hier in anderer Form gegeben ist, auch in dem Ausschuss-Antrage, und ich für meine Person sehe eine dringende Änderung nicht für nothwendig an. Etwas möchte ich noch bemerken über den im Berichte enthaltenen Satz, dass nach der Anschauung des landwirtschaftlichen Vereines die Perlsucht beziehungsweise Tuberculose in Vorarlberg unter dem Vieh noch nicht häufig sei. Es ist vorher darauf hingewiesen worden, dass die Tuberculose in Gebirgsländern unter den Menschen häufig auftrete und der Grund dafür häufig im Genusse von Milch perlsüchtiger Kühe zu finden sei. Eine andere Thatsache möchte ich diesem Gedanken aber noch beifügen zur Begründung dafür, dass die Tuberculose unter dem Rindvieh bei uns nicht so selten vorkommt, wie der landwirtschaftliche Verein meint. Dem: wenn wir nur die Berichte des Schlachthauses in Bregenz durchlesen, so füllt auf, dass nicht gerade in jedem, aber in sehr vielen Wochenberichten erwähnt wird, dieses oder jenes Stück sei wegen Tuberculose vom Verkaufe ausgeschlossen und der Freibank übergeben worden. Das ist eine Thatsache, welche ganz gewiss Beachtung verdient und darauf hindeutet, dass diese Krankheit unter dem Rindvieh nicht so selten ist, wie es hier von Seite des landwirtschaftlichen Vereines erwähnt worden ist. Dass der Landes-Ausschuss diesem Gegenstände seine volle Aufmerksamkeit zuwenden soll, ist ganz richtig, und ich wünsche nur, dass in dieser Hinsicht das Resultat der Handlungen, die man beim Rindvieh durchzuführen bestrebt ist, ein besseres sei, als bisher das Resultat der Versuche beim Menschen war. Die seinerzeit allgemein ungeheuer hoch gepriesene Impfung bei kranken, gesunden oder halbkranken Menschen hat sich bis dato wissenschaftlich nicht so erwiesen, dass sie allgemein eingeführt wird in der Praxis. Ich hoffe und wünsche, dass der Versuch in der Thierarzneikunde von besseren Erfolgen gekrönt sei. Ölz: Ich möchte mir einige Bemerkungen erlauben. Ich bin auch der Ansicht, dass diesem Gegenstände die größtmögliche Aufmerksamkeit geschenkt werde. Die Bemerkungen des Herrn Vorredners gegen die Ausführungen des landwirtschaftlichen Vereines beruhen wohl auf einem Irrthume. Aus dem, was in dem Schlachthause in Bregenz vorkommt, ist nicht auf das Land zu schließen, denn es kommt meist nicht vorarlbergisches Vieh zum Verkaufe, sondern fremdes. Es mag zwar auch vorarlbergisches aufgetrieben werden, aber wenig. Nach meiner Anschauung kommt überhaupt hier wenig vorarlbergisches Vieh zum Schlachten. Ich glaube hier dürfen wir schon dem landwirtschaftlichen Vereine glauben, der sagt, dass bisher diese Krankheit in Vorarlberg wenig vorgekommen sei. Dr. Schmid: Ich bitte um das Wort zu einer Richtigstellung. Ich muss darauf bestehen, dass hier das vorarlbergische Vieh ins Auge gefasst werden muss, denn am meisten kommt diese Krankheit unter den Kälbern vor, und diese werden bei uns nicht importiert, sondern werden von den Metzgern in der Umgebung zusammengekauft; das ist Thatsache. Dann kommt die Tuberculose sehr häufig bei. Kühen und jungen Rindern vor, bei denjenigen aber die hauptsächlich importiert und in Bregenz geschlachtet werden, bei den Mastochsen, da sehen sie im ganzen Jahre im Berichte keinen Fall von Tuberculose. Aber das andere Vieh, das hier geschlachtet wird, die Kühe und Kälber, ist alles original vorarlbergisches Vieh, und bei diesem kommt die Tuberculose vor. Landeshauptmann: Wenn sich Niemand mehr zum Worte meldet, so ist die Debatte geschlossen, I und hat der Herr Berichterstatter das Wort. 106 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. Jodok Fink: Es ist im allgemeinen gegen Bericht und Antrag des volkswirtschaftlichen Ausschusses nichts eingewendet worden, er ist nur von allen Seiten unterstützt worden. Ich sehe auch in dem Vorschläge des Herrn Abg. Dr. Waibel, wonach der Antrag in 2 Theile getheilt werden soll, eigentlich keinen neuen Gesichtspunkt. Das versteht sich doch von selbst, dass bei Fragen, welche die Landwirtschaft betreffen, wohl immer und überall der vorarlbergische Landwirtschaftsverein zu Rathe gezogen wird. Wenn die Herren in die Acten Einsicht nehmen, so ersehen Sie daraus, dass das bis jetzt immer der Fall war. Darin sehe ich auch keine Abänderung des Antrages, wenn dieser Wunsch angenommen wird. Der Antrag, wie er im Berichte vorliegt, schließt das auch nicht aus. Wenn von einem Herrn Vorredner, ich glaube vom Herrn Abgeordneten Dr. Schmid, gesagt worden ist, der Landwirtschaftsverein weise darauf hin, dass durch den Genuss der Milch von solchen, an Tuberculose kranken Kühen eine Übertragung dieser Krankheit auf Menschen stattfinden könne, (Dr. Schmid: Das habe ich nicht gesagt!) so ist das nicht richtig. Das hat der volkswirtschaftliche Ausschuss gesagt, nicht der Landwirtschaftsverein. Dieser Verein hat nur die Anschauung zum Ausdrucke gebracht, dass diese Krankheit nicht so häufig hier in Vorarlberg unter dem Vieh vorkomme. (Dr. Schund: Das habe ich gesagt.) Mann hat auch von solchen Fällen nicht viel gehört. Herr Abgeordneter Dr. Schmid hat auch gesagt, dass hier in Bregenz solche Fälle vorkommen, nämlich bei alten Kühen und Kälbern. Ich glaube, - bestimmt weiß ich es nicht - mit alten Kühen würde man hier im Bregenzer Schlachthofe nicht viel Concurrenz machen können. Meines Wissens werden hier nichtviel alte Kühe voin Vorarlberger Viehschlag geschlachtet, sondern das meiste kommt von auswärts her und ist gesundes, gut gemästetes Vieh. Das Argument des Herrn Äbg. Dr. Schmid beweist nach meiner Ansicht noch nicht, dass diese Krankheit im Lande häufig vorkommt. Wenn der Herr Abg. Dr. Waibel gesagt hat, die Stallungen seien oft nicht in Ordnung, so stimme ich ihm darin zu. Aber andererseits darf man auch nicht vergessen, dass dem Vorkommen dieser Krankheit der Umstand günstig entgegen wirkt, dass im Sommer das meiste Vieh auf die Hochalpen kommt. Dem Umstande, dass hier in Vorarlberg der größere Theil des Viehes gealpt wird, möchte ich es zuschreiben, dass diese Krankheit hier in unserem Lande nicht so häufig vorkommt, wie vielleicht in manch' andern Ländern. Weiteres habe ich nichts zu bemerken. Ich hoffe, dass von allen Seiten der Antrag des volkswirtschaftlichen Ausschusses angenommen wird. Die Zukunft wird lehren, welche Folgen sich daran knüpfen. Auf das wird es am allermeisten ankommen, ob, wie Herr Abgeordneter Dr. Schmid richtig gesagt hat, die Erfolge der Impfung beim Vieh bessere sind als beim Menschen. Ungeschickt und unpraktisch ist es mir nur vorgekommen, dass man mit der Tuberculin-Impfung beim Menschen zuerst angefangen hat. Versuche zu machen, anstatt beim Vieh. Mir ist damals sofort die Ueberzeugung gekommen, dass man es umgekehrt hätte machen sollen. Wir sind damit nur einverstanden und können das wärmstens unterstützen. Der Herr Abgeordnete Dr. Waibel hat einen Abänderungsantrag, glaube ich, nicht gestellt. (Dr. Waibel: Rein, ich habe das nur angeregt, damit es ins stenographische Protokoll kommt.) Landeshauptmann: Dann werde ich den Ausschussantrag zur Abstimmung bringen. Jene Herren, welche diesem Antrage, wie er verlesen wurde, beistimmen, wollen sich gefälligst von den Sitzen erheben. Angenommen. Der dritte Punkt unserer Tagesordnung ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über das Bittgesuch der die Außerbödner Wuhr-Interessentschaft bildenden Grundbesitz er von Bartholomäberg um Gewährung einer Unterstützung aus Land es Mitteln zur Deckung von Illwuhrbaukosten. Ich ersuche den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Wegeler, das Wort zu nehmen. Wegeler: Ich glaube, dass es nicht nothwendig sei, dem Berichte etwas beizufügen. Die Herren haben denselben schon längere Zeit in Händen und die Angelegenheit ist nicht von so großer Wichtigkeit, dass dieselbe besondern Erörterungen unterzogen werden sollte. Ich möchte Ihnen nur den Antrag des volkswirtschaftlichen Ausschusses zur vollen Annahme empfehlen. Derselbe lautet: (Liest denselben aus Beilage XXVIII.) IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. 107 Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag die Debatte. - Es meldet sich Niemand zum Worte, sohin kann ich zur Abstimmung schreiten. Ich ersuche jene Herren, welche dem Antrage des volkswirtschaftlichen Ausschusses die Zustimmung ertheilen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Der vierte Gegenstand unserer Tagesordnung ist der Bericht des landtäglichen Schulausschusses über den Landes-Ausschussbericht, betreffend die Förderung des sonntäglichen Unterrichtes durch Verabfolgung von Remunerationen an Lehrpersonen und die Gewährung von Beiträgen zur Anschaffung von Lehrmitteln für Sonntagsschulen. Ich ersuche den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Kohler, das Wort zu nehmen. Kohler: Der Ausschuss hat diesen Gegenstand, der bereits im h. Hause schon einmal einer eingehenden Erörterung unterzogen worden ist, in Berathung und Beschlussfassung genommen und stellt nun folgende Anträge, die in der Sache erschöpfend und klar genug sind, so dass ich glaube, ein weiteres Wort nicht beifügen und dieselben nur zur Annahme empfehlen zu sollen. Dieselben lauten: (Liest aus Beilage XXVI1. die Anträge.) Landeshauptmann: Ich eröffne über den Bericht und die Anträge des Schul-Ausschusses die Debatte. Ich ertheile das Wort dem Herrn Abgeordneten Pfarrer Fink. Pfarrer Fink: Ich möchte mir erlauben, bei diesem Gegenstände meine Gedanken auszusprechen. Es wird dadurch klar werden, worum ich für die Anträge des Schul-Ausschusses stimmen werde. Der Beschluss vom 16. März 1892, von Seite des letzten Landtages, den sonntäglichen Wiederholungs- und Fortbildungs-Unterricht zu unterstützen durch Votierung von Remunerationen an Lehrpersonen, dieser Beschluss ist ein wahrhaft volksthümlicher und wohlthätiger. Die erfreuliche Zunahme der Gemeinden, in welchen ein solcher Unterricht gehalten wird, die immer mehr wachsende Betheiligung der Lehrkräfte und Schüler ist ein Beweis, dass der damalige Landtag einem wirklichen Bedürfnisse des Volkes entgegenkam und entsprach. Es gab eine Zeit - es waren das die 1870iger Jahre - in welcher von den damaligen Freunden der "Neuschule" die Wiederholung und Fortbildung der Jugend im sonntäglichen Unterrichte für überflüssig erklärt wurde; es war eine Zeit, in welcher durch die Presse agitiert wurde besonders bei Lehrpersonen gegen die Abhaltung eines solchen sonntäglichen Unterrichtes; es war eine Zeit, in welcher man sagte oder vielmehr die irrige Meinung verbreitete, die 14:, 15jährige, Heranwachsende Jugend bedürfe eines solchen Wiederholungs- und Fortbildungsunterrichtes nicht mehr. Diese Agitation hat wirklich in manchen Gemeinden zur Folge gehabt, dass das Bewusstsein für ein solches Bedürfnis immer mehr und mehr verloren gieng und dieser Fortbildungsunterricht daher in manchen Gemeinden unterblieb. Das war sehr zu bedauern und betrübte diejenigen, welche die Nothwendigkeit der Wiederholungs- und Fortbildungsschulen erkannten. Der hohe Landtag hat dann durch sein Vorgehen und seine Beschlüsse den praktischen Wunsch geäußert, dass in unserem Lande der sonntägliche Wiederholungs- und Fortbildungsunterricht wieder ertheilt werde. Dies war ein gutes Beispiel von Seite der hohen Landesvertretung. Man wollte damit dem Volke sagen, der Landtag wünsche, dass die Wiederholungs- und Fortbildungsschulen abgehalten werden. Und bald hieß es, die Abgeordneten und der Landtag haben Recht, wir wollen auch wiederum die Sonntagsschule. Auf diese Weise ist es gekommen, dass der sonntägliche Unterricht wieder ausgenommen bezw. neu belebt wurde. Es sind aber auch noch andere Momente dazugekommen, diesen Unterricht wieder aufzunehmen und zu fördern. So hat der hochwürdigste Bischof bei allen seinen Visitationen dringend auf die "Nothwendigkeit dieses Sonntagsunterrichtes hingewiesen und energisch daraus hin gearbeitet, dass derselbe abgehalten werde. (Rufe: Bravo!) Dass der Landtag mit dem guten Beispiele vorangegangen ist und auf das Volk in dieser Richtung eingewirkt hat, dieses moralische Moment ist besonders nicht zu unterschützen, das weiß ich aus Erfahrung. Die Einsicht von der Nothwendigkeit und Nützlichkeit eines solchen Unterrichtes hat auch den Landtag bewogen, seinen Willen in dieser Hinsicht durch Verabfolgung von Remunerationen an Lehr108 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. Personen zweckdienlich zu fördern. Die Gemeinden sind ohnehin stark belastet und besonders die Schullasten sind in manchen Gemeinden wirklich sehr groß. So kann man den Gemeinden nicht noch zumuthen, dass sie zu diesem Zwecke auch noch etwas leisten. Einige Lehrer ließen sich wohl herbei, ohne Remuneration die Sonntagsschule zu halten. Aber so uneigennützig und der guten Sache ergeben waren nicht alle. Gerade die Betheiligung von Lehrpersonen mit Remunerationen war die Veranlassung, daß der sonntägliche Unterricht wieder abgehalten bezw. mehr gefördert wurde. Obwohl die Remuneration sehr klein ist, so machte diese edle Sache doch große Fortschritte; denn das ersprießliche Wirken des Lehrers kam dem guten Willen des Landtages entgegen. So ist es gekommen, dass wir hier in Vorarlberg in 64 Gemeinden sonntägliche Wiederholungs- und Fortbildungsschulen besitzen, an denen 94 Lehrkräfte ihre Wirksamkeit entfalten. Wie ich glaube, haben wir im ganzen Lande nur in Bregenz, Dornbirn, Feldkirch und Bludenz eigentliche, öffentliche Fortbildungsschulen. Die größere Zahl der Heranwachsenden Jugend kann aber an denselben nicht theilnehmen aus pecuniären und familiären Gründen. Sollen nun diese jungen Leute, die in einem Alter von 14, 15 Jahren stehen, ohne eine weitere geistige Fortbildung in das Leben eintreten? Nein! Jeder, der ein Herz für das Volk hat, muss sagen: Es ist ein großes Glück, wenn sonntägliche Wiederholungsschulen in den Gemeinden sind. Was die Gegenstände in diesen Schulen betrifft, so wird nicht nur die Wiederholung derselben geübt, sondern man sucht in die Erkenntnis der einzelnen Gegenstände tiefer einzudringen. So wird die Religion wiederholt und auch intensiver eingegangen auf einzelne Theile derselben oder manche Grundsätze der Moral und Dogmatik näher beleuchtet, gerade wie es der Seelsorger für praktischer oder vortheilhafter erkennt. Es wird Lesen, Rechnen und Schreiben wiederholt und gelehrt und zwar nicht mehr in so mechanischer Weise, wie in der Volksschule. Es werden