18970129_lts003

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Letzte Änderung 03.07.2021, 10:17
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp08,lts1897,lt1897,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 3. Sitzung am 29. Januar 1897, unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 21 Abgeordnete. Abwesend: der Hochwürdigste Bischof. AeglerungsvertreterrHerrHtatthalteverratHGrafIossfThttn-Hohenstem. Beginn der Sitzung 10 Uhr 10 Min. Vormittags. Landeshauptmann: Die Sitzung ist eröffnet. Ich ersuche um Verlesung des Protokolles der gestrigen Sitzung. (Sekretär verliest dasselbe.) Hat Jemand gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung zu erheben? Da dies nicht der Fall ist, betrachte ich dasselbe als genehmiget. Es ist mir ein Einlaufstück zugekommen, nämlich ein Gesuch des Asyl-Vereines der Wiener Universität um Subvention - überreicht durch den Herrn Abgeordneten Martin Thurnher. Dasselbe konnte, wenn kein Einwand dagegen erhoben wird, in kurzem Wege dem Finanz-Ausschusse zugewiesen werden. - Da Niemand etwas dagegen vorzubringen findet, betrachte ich meinen Vorschlag als angenommen. Bevor wir zur Tagesordnung schreiten, werde ich dem neu eingetretenen Herrn Abgeordneten Johannes Thurnher das Handgelöbnis abnehmen. Sie haben Seiner k. und k. Apostol. Majestät dem Kaiser Treue und Gehorsam, Beobachtung der Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten an Eidesstatt zu geloben. Johann Thurnher: Ich gelobe. Landeshauptmann: Wir kommen nun zum ersten Gegenstände der Tagesordnung, das ist der Bericht des Landesausschusses in Angelegenheit des 50jährigen Regierungs-Jubiläums Seiner Majestät des Kaisers. Ich ersuche den Herrn Referenten des LandesAusschusses Martin Thurnher die Tribüne zu besteigen und den Bericht vorzutragen. 18 III. Sitzung des Vorarlberger Landtages. 1. Session, 8. Periode 1897. Martin Thurnher: (Liest den Bericht, Beilage I sammt Anträgen.) Hohes Haus! Das Land Vorarlberg hat in guten und schlimmen Tagen stets seine Liebe und Treue zum Kaiserhause gezeigt, an dessen Freuden und Leiden immer den innigsten Antheil genommen. Besondere Liebe und Verehrung aber bringt unser Land und dessen Bevölkerung unserem gegenwärtigen Herrscher entgegen. Seine väterliche Liebe zu allen Völkern seines Reiches, seine unausgesetzte Fürsorge für dieselben, seine aufopfernde Thätigkeit während seiner ganzen Regierungszeit hat ihm die Herzen aller seiner Unterthanen schon längst erobert. Möge der Allmächtige das theuere Leben unseres Monarchen schützen, möge er Ihm noch viele Jahre gewähren bis zur äußersten Grenze des menschlichen Alters, damit Er noch lange zum Wohle Seiner Völker als eminenter Friedensfürst walte und herrsche. Die Gabe, die wir anlässlich Seines bevorstehenden 50 jährigen RegierungsJubiläums votieren, ist zwar gering, sie ist aber den Verhältnissen und Kräften des Landes entsprechend. Wenn die Gabe auch gering ist, so schlägt unser Herz doch nicht minder in Liebe und Treue zu Unserem angestammten Monarchen. Diese Liebe und Treue der vorarlbergischen Bevölkerung ist so stark und fest wie die Berge unseres Landes, die zum Himmel ragen, und als ein kleiner Beweis dieser Liebe und Treue, als ein, wenn auch unzureichendes Zeichen derselben, wolle die Votierung der vorliegenden Anträge angesehen werden, und darum bitte ich das hohe Haus, dieselben unverändert anzunehmen. Landeshauptmann: Wünscht einer der Herren das Wort? - Da dies nicht der Fall ist, so schreite ich zur Abstimmung über sämmtliche Anträge und ersuche die Herren, welche denselben beistimmen, sich zu erheben. Einstimmig angenommen. Das hohe Haus hat soeben in vollster Einmüthigkeit den Anträgen des Landes-Ausschusses, wie sie von Seite des Herrn Referenten vorgetragen worden sind, zugestimmt und damit vereint einen Act patriotischer Hingebung und Treue vollführt, indem es den väterlichen Intentionen Seiner Majestät entsprechend ein Humanitäts-Institut des Landes in so warmer Weise unterstützt hat. Ich kann den beredten Worten des Patriotismus und der begeisterten Hingabe an Kaiser und Reich, welche der Herr Referent ausgesprochen hat, nur noch den Schlussstein beifügen, und glaube gewiss aus aller Herzen zu sprechen, wenn ich Sie auffordere, auf Seine Majestät Unseren Allergnädigsten Kaiser und Herrn ein dreifaches Hoch auszubringen. (Das ganze Haus erhebt sich und stimmt begeistert in die Hochrufe des Herrn Landeshauptmannes ein.) Wir kommen nun zum zweiten Gegenstände der Tagesordnung und zwar zum Acte, betr. die Fortsetzung der Flexenstraße. Ich erwarte über die formelle Behandlung dieses Gegenstandes einen Antrag aus der Mitte der hohen Versammlung. Pfarrer Thurnher: Es dürfte wohl nicht nothwendig sein dieses einen Gegenstandes wegen einen neuen Ausschuss zu wählen, da wir bereits einen solchen haben, nämlich den volkswirtschaftlichen, dessen Mitglieder meines Erachtens ganz besonders geeignet sind, diesen vorliegenden Gegenstand einer gedeihlichen Berathung und Beschlussfassung zuzuführen; deshalb stelle ich den Antrag, diesen Gegenstand dem volkswirtschaftlichen Ausschüsse zuzuweisen. Landeshauptmann: Wird gegen den Antrag auf Überweisung dieses Gegenstandes an den volkswirtschaftlichen Ausschuss ein Einwand erhoben? Da dies nicht der Fall ist, so ist der .Antrag angenommen. Wir kommen nun zum dritten Gegenstände der Tagesordnung, nämlich zum Berichte des Landesausschusses über das Gesuch der Mensa academica um Subvention. Ich ersuche den Herrn Referenten den Antrag zu verlesen. Martin Thurnher: Die Mensa academica ist für arme Studierende eine sehr wohlthätige Einrichtung. Der Landesausschuss glaubt daher das Gesuch, welches an ihn von diesem Vereine gerichtet wurde, um es dem hohen Landtage vorzulegen, befürworten zu sollen und erhebt daher folgenden Antrag: "Der unter der Leitung des akademischen Senates der k. k. Universität in Wien stehenden Mensa academica wird für das Jahr 1897 III. Sitzung des Vorarlberger Landtages. 1. Session, 8. Periode 1897. 19 eine Subvention von 30 fl. aus Landesmitteln gewährt." Landeshauptmann: Ich eröffne über diesen Gegenstand die Debatte. Dr. Waibel: Es kommen in jedem Jahre eine Anzahl derartiger Petitionen an den Landtag und es scheint mir nicht nothwendig zu sein, dass man für jede derselben ein eigenes Blatt Papier bedruckt und so unnöthige Kosten verursacht. Ich glaube, es wäre zweckmäßiger, wenn diese Petitionen zusammengefasst und unter Einem zur Sprache gebracht würden. Es ist dies nur eine Anregung, die ich geben möchte für die Behandlung etwaiger noch weiterer Einläufe dieser Art. Der Aufwand, der da für so geringfügige Gegenstände gemacht wird, scheint mir doch zu groß zu sein. Nagele: Ich glaube, dass Herr Dr. Waibel nicht ganz Unrecht hat, wenn mehrere derartige Gegenstände bereits vorliegen, dieselben unter Einem zu behandeln, in diesem speciellen Falle aber konnte man die Sache nicht anders machen, weil dies bis jetzt das einzige derartige Einlaufstück ist. Martin Thurnher: Gegen den Antrag selbst ist keine Einwendung erhoben worden. In Bezug aus das, was Herr Dr. Waibel angeregt hat, möchte ich dahin Aufklärung geben, dass vor Eröffnung der Landtags-Session außer diesem Stücke keine anderen Petitionen eingelaufen sind. Damit aber eine Erleichterung der Arbeit für den Landtag herbeigeführt werde und nicht erst jetzt die Zuweisung dieses Gegenstandes an einen Ausschuss erfolgen müsse, so war es doch zweckmäßig in dieser Weise vorzugehen. Wenn mehrere Stücke eingelaufen wären, so wären sicher alle zusammengenommen worden, diese Petitionen laufen aber gewöhnlich erst nach Eröffnung des Landtages ein. Die Ursache, dass nicht mehrere Petitionen gleichzeitig Aufnahme gefunden haben, ist sonach eben die, dass keine weiteren vorhanden waren. Landeshauptmann: Ich schreite nun zur Abstimmung und ersuche jene Herren, welche diesem Anträge die Zustimmung geben, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Es folgt nun der vierte Gegenstand der Tagesordnung, das ist die Haushaltsrechnung der Landes-Irrenanstalt Valduna pro 1895. Büchele: Ich beantrage, diesen Gegenstand dem schon bestehenden Finanzausschüsse zur Berathung und Berichterstattung zuzuweisen. Landeshauptmann: Der Herr Abgeordnete Büchele beantragt die Zuweisung dieses Gegenstandes an den Finanzausschuss. Wenn keine Einwendung erfolgt betrachte ich den Antrag als angenommen. Wir kommen zum fünften Gegenstände der Tagesordnung, Antrag der Herren Dr. Waibel und Genossen in Sachen der directen Wahlen und Petition der Gemeinde Hard in derselben Angelegenheit. Dr. Waibel: Wir haben es unterlassen, dem Anträge eine schriftliche Begründung beizugeben, und uns vorbehalten, diese mündlich vorzubringen. Ich glaube dieselbe sehr kurz fassen zu können. Es sind im wesentlichen zwei Punkte, welche für die Annahme dieses Antrages sprechen; der eine ist unmittelbar praktischer Natur, der andere ist mehr ein politisch-ethischer Grund. Der unmittelbar praktische Grund, welcher zu diesem Anträge veranlasst hat, mit dem stehen wir nicht allein, sondern derselbe hat eine Anzahl von Landtagen Österreichs bereits in den ersten Sitzungen bewogen, in gleicher Weise vorzugehen. Durch Schaffung einer neuen Wahlcurie, der sogenannten fünften, allgemeinen Wahlcurie, ist für eine große Anzahl von Wählern eine ganz ungewohnte Situation geschaffen worden. In allen Kronländern mit Ausnahme jener, welche directe Wahlen besitzen, das ist NiederÖsterreich und wie ich höre auch Salzburg, muss eine große Anzahl von Wählern, die bisher gewohnt waren, ihr Wahlrecht direct auszuüben, nun unter dem Drucke dieser neuen Einrichtung dasselbe in der fünften Curie indirect ausüben. Eine Ausnahme findet nur in Prag statt. Alle übrigen Landeshauptstädte, Graz, Lemberg usw. und andere bedeutende Städte sind in der Lage, indirect wählen zu müssen, weil umliegende Bezirksgerichte ihnen angereiht wurden. 20 III. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. Diese Situation also hat eine Anzahl von Landtagen veranlasst, so rasch als möglich durch Einführung der directen Wahlen in den Landgemeinden diesen Übelstand zu beseitigen. Ich will von Vorarlberg einige Beispiele geben. Die größeren Orte, wie Bregenz, Dornbirn, Feldkirch und Bludenz müssen nun mit den Landgemeinden zusammen indirect wählen. In Dornbirn sind 21 Wahlmänner. Da die Stimmenabgabe mündlich erfolgen muss, muss natürlich jeder von diesen 21 Wahlmännern der Wahlcommission mündlich angesagt, dann niedergeschrieben werden usw., was eine fürchterliche Umständlichkeit ist und bei großer Wahlbetheiligung in manchen Orten mehrere Tage beanspruchen kann. Was bekommt da die Wahlcommission für eine fürchterliche Aufgabe! Das ist ein Übelstand, auf dessen Beseitigung mit aller Energie hingearbeitet werden muss. Ich glaube, dass wir dazu zunächst berufen sind. Ich darf wohl erinnern, dass in Dornbirn durch einstimmigen Beschluss der Gemeindevertretung an die Abgeordneten der Gemeinde Dornbirn mit der Einladung herangetreten wurde, sofort beim Zusammentritte des Landtages auf Einführung der directen Wahlen einzuwirken. Ich glaube, dass die Herren Kenntnis haben von diesem Beschlusse, und ich zweifle nicht, dass sie demselben Rechnung tragen und unseren Antrag unterstützen werden. Ich gebe zu, dass für die unmittelbar bevorstehenden Reichsrathswahlen diese Änderung kaum Anwendung finden wird. Ich habe gestern oder vorgestern eine Erklärung des Herrn Statthalters von Böhmen gelesen, durch welche auch diese Auffassung bestätigt wird. Es ist im Prager Landtage auf die Dringlichkeit der Einführung der directen Wahlen hingewirkt worden, Se. Excellenz der Herr Statthalter hat aber erklärt, er könne nicht gutstehen, dass dies noch möglich werde, auch wenn der Landtag einstimmig einen derartigen Beschluss fassen würde. Das, glaube ich, kann uns aber nicht aufhalten, die Sache doch in die Hand zu nehmen. Niemand ist in der Lage die Zukunft der politischen Situation vorauszusehen. Es ist denkbar, dass aus irgendeinem Anlasse noch vor Ablauf der sechsjährigen Periode eine Auflösung des nächsten Reichsrathes sich als zweckmäßig herausstellt. Schon das ist ein Grund, die Sache rasch in die Hand zu nehmen, um für alle Fälle gesichert dazustehen. Das ist der unmittelbar praktische Grund, der zu diesem Anträge geführt hat. Der mehr allgemeine Grund, der, wie ich gesagt habe, politisch-ethische Grund ist folgender. Wir sind hier versammelt die Interessen und Wünsche des Landes zu vertreten. Wir sind nicht des Mandates wegen da, sondern wir sind da, um die Geschäfte des Landes nach unserem besten Ermessen zu besorgen. Um nun das mit einer gewissen moralischen Berechtigung thun zu können, ist es für Jeden, der sich der Aufgabe unterzieht, an den Landesangelegenheiten mitzuwirken, eine große Beruhigung, wenn er sich sagen kann, es ist der Wunsch von zahlreichen Mitbürgern meiner Gemeinde oder meines Bezirkes, dass ich ein Mandat ausübe und die Interessen meiner Wähler hier vertrete. Die Wahlen in den Landgemeinden, welche indirect sind, haben schon seit mehreren Perioden gezeigt, dass die Theilnahme der Bevölkerung an diesen Wahlen im Abnehmen begriffen ist, und diejenigen, welche zufolge dieser Wahlen in dieses Haus berufen worden sind, können sich nur ans eine ganz kleine Anzahl der Angehörigen des Landes Vorarlberg berufen, welche sie entsendet hat. Ich will hier auf diesen Punkt nicht weiter eingehen, da sich voraussichtlich eine andere Gelegenheit darbietet, denselben näher zu besprechen. Ich muss aber bemerken, und glaube dabei keinem Widersprüche zu begegnen, dass die vollkommene Indolenz gegenüber den Landgemeinde-Wahlen doch ein Beweis dafür ist, dass diese Wahlmethode der Bevölkerung nicht zusagt. Ausgesprochen wird das häufig genug, wenn man in persönlichem Verkehre mit den Leuten ist. Wenn es aber auch nicht gerade hier in Form von Petitionen ausgesprochen wird, so ist es doch klar, dass diese Art der Wahl unserer Bevölkerung, die aus ihrem früheren Leben nicht daran gewöhnt ist, absolut nicht behagt. Wenn wir nun aber einmal zu dieser Erkenntnis gekommen sind, so glaube ich, ist es unsere Schuldigkeit, diesem indirect ausgesprochenen Wunsche Rechnung zu tragen und unsere volle Aufmerksamkeit zuzuwenden. Aus diesem politisch-ethischen Grunde empfehlen wir Ihnen mitzuwirken bei der Umarbeitung der bereits im vorigen Jahre beschlossenen Landtags-Wahlordnung und die directe Wahl für die Landgemeinden einzuführen. III. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. 21 Die Vollziehung der directen Wahl wird gewiss keine solchen Schwierigkeiten bieten, dass darin für die Einführung dies er Wahlordnung ein Hindernis gelegen wäre. Wenn man das in Nieder-Österreich machen konnte, so kann man es bei uns in Vorarlberg ganz gewiss auch machen, wenn man will. Unser Antrag enthält aber noch weiter einen Gedanken, den ich mir bereits bei den letztjährigen Verhandlungen über die Landtags-Wahlordnung vorzubringen und zu begründen erlaubt habe, nämlich die Spaltung der BezirkshauptmannschaftsWahlbezirke in Gerichts-Wahlbezirke. Jetzt wählen die Landgemeinden des Bezirkes Bregenz-Bregenzerwald zusammen 5 Abgeordnete, die Landgemeinden des Bezirkes Feldkirch-Dornbirn 5 Abgeordnete, die Landgemeinden des Bezirkes Bludenz-Montavon 4 Abgeordnete. Wenn wir nun eine Spaltung nach Gerichtsbezirken vornehmen, wogegen nach meiner Ansicht absolut kein Hindernis vorliegt, so wird dadurch doch für die Wähler ein bedeutender Vortheil geschaffen. Es wird ihnen nämlich auf diesem Wege viel leichter möglich werden, die Persönlichkeiten ihres Vertrauens an den Posten zu bringen, an dem wir uns jetzt befinden. Wir haben kleine Bezirke, die wir aus eigener Anschauung vollkommen genau kennen. Nehmen wir z. B. die Bezirke BregenzBregenzerwald. Nach der Volkszahl würde es auf den Bezirk Bregenz 3 Abgeordnete, auf den Bezirk Bregenzerwald 2 Abgeordnete treffen. Ich will noch das Beispiel von Dornbirn-Feldkirch anführen. Dornbirn würde 2 und Feldkirch 3 Abgeordnete zu wählen haben. Schwieriger würde sich das Verhältnis bei Bludenz-Montavon gestalten. Dieser Bezirk hat 4 Abgeordnete zu wählen. Die Volkszahl des Bezirkes Montavon beläuft sich auf 7-8000 Seelen, und da wird die Auftheilung etwas schwieriger werden. Es müßte, um ein billiges Verhältnis zu erzielen, noch ein Theil des Hinterlandes herangezogen werden, z. B. das Klosterthal, um 2 Abgeordnete für das Gericht Montavon sammt Anhang zu erhalten. Das sind die ziffermäßigen Verhältnisse. Nun werden Sie mir zugeben, daß die in einem Gerichtsbezirke angesiedelten Bewohner jedenfalls leichter thun werden, die paar Persönlichkeiten, welche sie zu wählen haben, für sich ausfindig zu machen und auf eine erfolgreiche Wahl hinzuwirken. Den Bewohnern eines und desselben GerichtsBezirkes, die unter sich allerlei Contact haben, wie z. B. in Bregenz, wird die Wahl erschwert, wenn sie mit den Bregenzerwäldern zusammen arbeiten müssen und umgekehrt. Es ist in diesem Vorschläge nun ein Fortschritt weiter enthalten, welcher zur Erzielung eines vollkommenen, dem Willen der Wähler entsprechenden Resultates führen kann. Wir glauben darum diesen Antrag, für den ein Hindernis kaum vorliegt, im Interesse der Bevölkerung empfehlen zu können. Es ist weiter der Eventual-Antrag gemacht worden, für die Abgeordneten der Landgemeinden individuelle Wahlbezirke zu schaffen, d. h. für jeden einzelnen Abgeordneten einen Wahlkreis zu bilden. Dass das möglich wäre, dafür liegt der Beweis in dem Umstande, dass, wie es wiederholt ausgesprochen wurde, bereits im Jahre 1871 unter dem Ministerium Hohenwart eine solche Vorlage dem Landtage unterbreitet worden ist. Schon diese Regierungsvorlage erbringt den Beweis, dass so etwas möglich ist, wenn man will. Da aber kaum darauf zu rechnen ist, dass auf diesen Antrag eingegangen wird, so legen wir nicht ein wesentliches Gewicht darauf und haben ihn nur als EventualAntrag eingebracht. Wir sehen ein, dass die Abgrenzung von individuellen Wahlbezirken unter Umständen ihre großen Schwierigkeiten haben kann, und dass, wo es sich um kleinere Ziffern der Bevölkerung handelt, sich leicht zeitweilig Verschiebung nothwendig machen und Änderungen vorgenommen werden müssten. Aus diesem Grunde also ist es praktischer nur die Spaltung der bezirkshauptmannschaftlichen Wahlbezirke in Gerichtswahlbezirke vorzunehmen, und das andere der Zukunft zu überlassen. Weiters habe ich zur Begründung unseres Antrages nichts vorzubringen und empfehle denselben der geneigten Berücksichtigung des hohen Hauses auch namens meiner Collegen. Wenn das hohe Haus geneigt ist, diesen Antrag anzunehmen, so würde es sich empfehlen einen eigenen Ausschuss für diese Angelegenheit zu schaffen, welchem dieser Gegenstand zu überweisen wäre. Damit schließe ich. Martin Thurnher: Die Frage der Wahlreform hätte ohnedem den hohen Landtag beschäftigen müssen, weil bekanntlich der im vorigen Jahre beschlossene Gesetz-Entwurf die kaiserliche Sanction nicht erhalten hat. Der Landes-Ausschuss hätte sonach Mittheilungen über dieses Ergebnis und 22 III. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. die sich daran knüpfenden Verhandlungen mit der Regierung über die Herabsetzung des Census erstatten müssen. Es ist angezeigt, dass der vorliegende Antrag einem Wahlreform-Ausschusse zugewiesen werde, der denselben in Berathung zu ziehen und später seine Anträge zu stellen hat. Ich stelle daher den Antrag, dass sowohl der vorliegende Antrag, als auch die Petition der Gemeinde Hard einem 7 gliedrigen WahlreformAusschusse zugewiesen werde. Die Wahl dieses Ausschusses soll aber auf die Tagesordnung einer späteren Sitzung gestellt werden. Landeshauptmann: Es ist in formeller Beziehung die Zuweisung dieses Antrages an einen 7gliedrigen Wahlreform-Ausschuss beantragt worden. Wenn keine Einwendung erfolgt, betrachte ich den Antrag als angenommen. Gleichzeitig wurde beantragt, die Wahl dieses Ausschusses auf die Tagesordnung einer späteren Sitzung zu stellen, was meinerseits geschehen wird. Der sechste Gegenstand der heutigen Tagesordnung ist der Bericht des Landes-Ausschusses in Angelegenheit der Polizeistunde und über die beantragte Abänderung des § 27 G.-O. Ich ersuche den Herrn Landes-Ausschuss-Referenten Martin Thurnher, hierüber zu berichten. Martin Thurnher: Ich werde von der Verlesung des Berichtes Umgang nehmen und nur einige erläuternde Worte demselben beifügen. In der letzten Landtagssession wurde einstimmig und ohne Unterschied der Parteirichtung der Anschauung Ausdruck gegeben, dass eine entsprechende Einhaltung der Polizeistunde auf Grund der StatthaltereiVerordnung vom 3. Juni 1895 äußerst schwierig, ja kaum durchführbar sei. Es ist damals allgemein der Wunsch ausgesprochen worden, die betreffende Statthalterei-Verordnung nach der Richtung einer Änderung zu unterziehen, dass die Gäste, welche nach Eintritt der Polizeistunde im Gastlocale noch getroffen werden, ohne weiters als strafbar erklärt werden sollen. Die in der Statthalterei-Verordnung vorgesehene Bestimmung, dass der Bestrafung eine zweite Mahnung voraus zu gehen habe, solle entfallen. Es wurde ferner auch der Wunsch ausgedrückt, dass der Gastwirt, wenn er das Local nach Eintritt der Polizeistunde noch offen lässt, als strafbar erklärt wird, und dass eine vorangehende Mahnung, seitens der Polizeiorgane überhaupt nicht mehr nöthig sei. Ich muss weiters noch beisetzen, dass der hohe Landtag dahingehende Beschlüsse gefasst, und den Landes-Ausschuss beauftragt hat, in Verhandlungen mit der hohen Regierung zu treten. Der Landes-Ausschuss hat auch diesem Auftrage, wie Sie aus dem Berichte ersehen, vollkommen entsprochen. Wie Sie ebenfalls aus dem Berichte ersehen, ist die Regierung auf den Wunsch, dass nämlich jene Gäste, welche nach Eintritt der Polizeistunde im Gastlocale noch getroffen werden, für strafbar zu halten seien, nicht eingegangen. Die hohe Regierung hat erklärt, das könne sie nicht thun, weil die mit Gesetzeskraft ausgerüstete Ministerial-Verordnung vom Jahre 1853 diesem Wunsche entgegenstehe und die Festsetzung einer solchen Bestimmung nur durch die Reichsgesetzgebung, erfolgen könne. Dagegen hat die Regierung der Anschauung Ausdruck gegeben, dass die Strafbarkeit der Gastwirte sofort ohne vorherige Mahnung eintrete, wenn dieselben das Local über die Polizeistunde offen halten und Getränke usw. verabfolgen. Diese Interpretation der Statthalterei-Verordnung vom 3. Juni 1895 ist also doch einigermaßen wertvoll und ermöglicht die Durchführung der Statthalterei-Verordnung über Einhaltung der Polizeistunde in der Weise, dass durch den Umstand, dass die Wirte allsogleich strafbar erklärt werden, eine Handhabe geboten ist, um der bezüglichen Verordnung den nöthigen Nachdruck zu verleihen. Der Landesausschuss hat auch nicht ermangelt, sämmtliche Gemeindevorstehungen des Landes auf diese Interpretation seitens der k. k. Regierung aufmerksam zu machen und dieselben neuerdings zur strengen Einhaltung der Polizeistunde aufzufordern. Eine Regelung der gesetzlichen Bestimmung, betreffend die Einhaltung der Polizeistunde im Wege der Landesgesetzgebung erklärte die Regierung als unzulässig, weil sie eben der Anschauung ist, diese Regelung könne nur im Wege der Reichsgesetzgebung erfolgen. Die Abänderung der Polizeistunde gehöre nicht zur Competenz der Landesvertretung. Was endlich den dem Landes-Ausschusse zur Vorberathung überwiesenen Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Waibel betreffend die Abänderung. III. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. 23 "des § 27 Punkt 7 der G.-O. anlangt, so erscheint diese Abänderung nach der Erklärung der hohen Regierung als völlig wertlos, indem dadurch kein anderer Zweck erzielt würde, als dass der gegenwärtige Zustand in gleicher Weise dennoch aufrecht erhalten bliebe. Nach dies en kurzen Ausführungen stelle ich im Namen des Landesausschusses folgende Anträge: (Liest dieselben aus Beil. IX.) Landeshauptmann: Ich eröffne über den Bericht und die Anträge die Debatte. Dr. Waibel: Ich bitte um das Wort. Ich kann mich einiger Erörterungen über diese Angelegenheit nicht enthalten, ich bemerke aber, dass ich im eigenen Namen spreche, nicht im Namen meiner Gesinnungsgenossen. Was ich zu sagen habe, ist ungefähr Folgendes. Wenn in den Gasthäusern nur Speisen verabreicht würden, da wäre wohl, glaube ich, eine solche Maßregel, wie die Polizeistunde ganz und gar überflüssig. (Johann Thurnher: Sehr richtig!) Nur der Umstand, dass in den Gasthäusern auch alkoholische Getränke verabreicht werden, das hat seine Schattenseiten. Dass der Alkohol einer der fürchterlichsten Feinde der Menschheit ist, darüber brauche ich nicht viel Worte zu verlieren. Die Verwüstungen, die er an der Gesundheit, im ökonomischen Bestände der Familie, in Beziehung auf den Familienfrieden usw. anrichtet, sind ganz unzählbar und fürchterlich. (Rufe: Sehr richtig!) Wer im öffentlichen Leben zu thun hat und die Dinge unbefangen beobachtet, dem graut davor. Wir finden überall das Bestreben, dass die öffentliche Verwaltung, die Staats- wie die Landesbehörden darauf bedacht sind, diesem Übelstande einigermaßen Schranken zu setzen, aber der Vorgang, der dabei beobachtet wird, ist ein außerordentlich schwächlicher. Bei uns in Europa geht man sehr zurückhaltend vor, während man in Amerika, in den Theilen, wo die Angelsachsen angesiedelt sind, etwas schneidiger ist. Dort, wo man zur Erkenntnis kommt, dass der Alkoholgenuss ein Unheil für die Bevölkerung ist, hat man den Muth, denselben von Staatswegen einzuschränken, so dass die sogenannte Temperenz dort herrscht. Das ist ein energisches Vorgehen, das hat einen Sinn. Bei uns ist die ganze schwächliche Operation darin zusammenzufassen, dass man entweder um II Uhr oder 12 Uhr die Gasthäuser schließt. Bis dorthin darf weiter gesoffen werden (Heiterkeit) viel oder wenig, theuer oder wohlfeil (Büchele: gut oder schlecht). Nun diese Vorschrift über Einhaltung der Polizeistunde ist so alt und so oft schon discutiert worden, dass ich nicht mehr darüber reden will. Da ich in meiner Amtspraxis jede behördliche Maßregel auf ihren praktischen Wert zu prüfen Gelegenheit habe, so muss ich gestehen, dass unsere Maßregeln die Prüfung nicht bestehen und sehr komisch sind. Wenn die Regierung jetzt dazu gekommen ist, die Frist von einer halben Stunde auf eine Viertelstunde zu reducieren, so ist das kein großer Erfolg, so ist damit nicht viel geholfen, ja es ist geradezu komisch. Ich habe schon voriges Jahr, als wir die Sache in Verhandlung zogen, gesagt, diese Verordnung der Statthalterei vom Jahre 1895 sei eine Vorschrift, für welche das Sprichwort passt: "Wascht mir den Pelz und mach' mir ihn nicht nass“ Thatsächlich verhält es sich auch so. Wozu braucht es so viele Polizei-Operationen, um Wirte und Gäste daran zu erinnern, dass es 12 Uhr ist. In jedem Zimmer sind eine oder zwei Uhren; jeder Gast hat eine Uhr im Sacke; ja selbst jeder Schulbube hat heutzutage eine Sackuhr. Wenn man will, braucht man nicht mehr daran erinnert zu werden, dass es schon Mitternacht ist. Dass man aber gar zweimal kommen soll, daran zu erinnern, das ist wirklich zu komisch. (Rufe: Sehr richtig.) In der ersten Zeit der Wirksamkeit der neuen Polizeistunden-Verordnung habe ich als Bürgermeister von Dornbirn die Sache so gemacht: Ich habe den Polizei-Organen den Auftrag gegeben, wenn sie auf dem Patrouillen-Gange in ein Gasthaus kommen, die nach 12 Uhr im Locale noch anwesenden Gäste zu fragen: "Hat der Wirt abgeschafft oder nicht?" Bezeugten nun die Gäste vor dem Wirte, dass derselbe abgeschafft habe, so war der Wirt außer Schuld. Ich kann demselben doch nicht zumuthen, dass er die Gäste beim Kragen nimmt und hinauswirft. (Heiterkeit.) Bei den Arbeitern kann man das vielleicht thun; aber es sind mitunter auch Herren dabei, wo dies nicht gut möglich ist. 24 III. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. Wenn nun die Gäste sagen, der Wirt habe abgeschafft, so ist er außer Schuld und die Gäste haben die Schuld. Die Polizei schreibt dann ihre Namen aus, und sie werden ihre Buße bekommen. Das habe ich practiciert und das hat sich bei den Wirten wie bei den Gästen gut eingelebt. Wenn die Gäste, welche so bestraft wurden, mir Gegenvorstellungen machten, so habe ich ihnen einfach erklärt, wer bis über 12 Uhr nachts im Gasthause sitzen und zechen kann, der hat übriges Geld genug im Sacke, um ganz gut dem ArmenFonde 1 oder 2 fl. bezahlen zu können. Das thut den Gästen nicht wehe. Das ist eine Zeit lang practiciert worden und hat seine guten Wirkungen gehabt. Die Polizei-Organe, deren Thätigkeit in diesem Dienste keine Kleinigkeit ist, konnten ihre Nachtruhe dann auch antreten. Die Wirre wie die Bevölkerung haben sich in diese Anordnung ganz gut zurecht gesunden. Dann aber hat einmal ein Gast gegen die Strafe Recurs ergriffen. Die Statthalterei hat sich genau auf den Wortlaut der Verordnung vom Jahre 1895 berufen, und so ist das Straf-Erkenntnis aufgehoben worden. Bon dieser Zeit an haben wir wieder alle Schwierigkeiten mit der Handhabung der Polizeistunde wie früher. Das ist aus meiner Praxis als Gemeindevorsteher. (Rufe: Bravo! Sehr richtig!) Nun muss ich noch folgendes bemerken. Einen komischen Eindruck macht es, dass bei dieser Angelegenheit zwei Instanzen, die Statthalterei und der Landes-Ausschuss, gleichzeitig operieren und zwar, ich möchte sagen, einander widersprechend operieren. Das ist wohl ganz eigenthümlich. Es hat Fälle gegeben, wo die Regierung gesagt hat: "Ja, das geht die Gemeinde nichts an; die Überwachung der Gastgewerbe ist Sache der Gewerbebehörde. ^ Solche Fälle sind vorgekommen, wo es sich um die Sperrung von Gasthäusern zu gewissen Tageszeiten gehandelt hat. Wenn man aber, wie ich das vorige Jahr beantragt habe, aus dem § 27 G.-O. den Passus, betreffend die Überwachung der Polizeistunde durch die Gemeinde streicht, dann sagt wiederum die Regierung, wie wir aus dem Berichte sehen: "das geht nicht, dass das gestrichen wird, wenn es auch gestrichen wird, so ist es doch Sache der Gemeinde." Nun muss ich fragen, was sagt der § 27 G.-O.? Dieser Paragraph enthält alle Gegenstände des selbständigen Wirkungskreises der Gemeinde. Für alle diese Gegenstände nun sind, soweit es nothwendig und wünschenswert war, bereits Landesgesetze erflossen, welche die Richtschnur geben, wie diese Zweige des selbständigen Wirkungskreises auszuführen sind. Es macht, wie gesagt, einen ganz eigenthümlichen Eindruck, dass die Behörden da im Widersprüche miteinander sich befinden. Der Landes-Ausschuss erlässt eine Kundmachung und gleichzeitig auch die Bezirkshauptmannschaft, ersterer am 3. September, letztere am 15. September. Das ist eine schöne Confusion, das macht keinen guten Eindruck. Man. weiß wirklich nickt, wer der Herr und Meister in dieser Sache ist. Ich muss gestehen, ich kann diesen Bericht nicht so hinnehmen, wie er hier vorliegt. Ich bestehe nicht darauf, dass die Abänderung des § 27 G.-O. in dem angedeuteten Sinne noch einmal zur Berathung und Verhandlung gezogen werde, weil die Regierung ja gesagt hat, dass sie darauf kein Gewicht lege, da sie die Gemeinde doch für die Überwachung der Polizeistunde verantwortlich macht. Da nun eine solche eigenthümliche Verwirrung, zwischen den Behörden herrscht, so kann ich den Bericht nicht einfach zur Kenntnis nehmen, sondern nur die Confusion nehme ich zur Kenntnis. (Heiterkeit.) Landeshauptmann: Wer wünscht weiter noch das Wort? Pfarrer Thurnherr: Es ist sehr bedauerlich, dass es dem hohen Landes-Ausschusse nicht gelungen ist, in dieser vielbeklagten Polizeistunde-Angelegenheit, beziehungsweise Überwachung der Polizeistunde einmal gründlich Wandel zu schaffen. Ich stimme vollkommen der Ansicht des geehrten Herrn Vorredners bei. Auch nach meiner Ansicht liegt die Hauptschuld, dass diese Angelegenheit nicht in Ordnung gebracht werden kann, an der Regierung, welche den gerechten und billigen Forderungen und Wünschen des hohen Landes-Ausschusses bis jetzt zu entsprechen sich nicht bestimmt gefühlt hat. Wenn man die jetzt bestehende Statthalterei-Verordnung hinsichtlich der Überwachung der Polizeistunde ansieht, so macht es förmlich den Eindruck, als sei sie dem Grundsätze entsprungen: "Die alten Deutschen, sie tranken noch Eines ehe sie III. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. 25 giengen." Ich weiß nicht, ob in anderen Polizeiangelegenheiten und Verboten auch so schonend vorgegangen wird, wie dies den Wirtshaussitzern gegenüber der Fall ist. Dieser Erlass bezüglich Einhaltung der Polizeistunde macht ungefähr den Eindruck, als wollte man diesen Leuten sagen: "Verehrte Herren! Damit ihr ja keine Minute von der "kostbaren" Zeit des Wirtshaussitzens, des Trinkens und Spielens versäumt, könnt ihr ruhig sitzen bleiben, denn die Polizeiorgane sind beauftragt, euch rechtzeitig zu mahnen, und erst dann, wenn sie euch gemahnt haben wegzugehen, dürft ihr ans Weggehen denken. Bis dahin braucht ihr euch gar nicht zu ängstigen. Und kommt das Polizeiorgan gar nicht, dann dürft ihr erst recht ruhig sitzen bleiben." Nun das macht ganz den Eindruck, als ob man das lange, verderbliche Wirtshaussitzen mehr fördern, als gründlich einmal beseitigen wollte abgesehen davon noch, dass infolge einer solchen Verordnung oder verlangten Mahnung die Einhaltung und Überwachung derselben den einzelnen Gemeinden und Organen außerordentlich erschwert, wenn nicht geradezu unmöglich gemacht wird. Freilich fehlt es oft auch an jenen Factoren, die in erster Reihe berufen wären, von diesen Verordnungen den richtigen Gebrauch zu machen. Eine so merkwürdige Verordnung findet . begreiflicher Weise auch in verschiedenen Orten eine merkwürdige Auslegung. Davon will ich nicht sprechen, dass es Gemeinden gibt, die gar keine Polizeistunde haben und sich um die ganze Sache gar nicht scheren. Auch davon will ich nicht sprechen, dass in vielen Orten an Werktagen Niemand daran denkt, dass auch die Gasthäuser zur rechten Zeit geschlossen werden. Ich will nur auf einige andere Übelstände noch aufmerksam machen. So kommt es thatsächlich in unserem Lande vor, dass der Polizeidiener wirklich um 11 Uhr oder 12 Uhr erscheint und die Gäste aufmerksam macht auf den Eintritt jenes Zeitpunktes, in dem sie nach der bestehenden Statthalterei-Verordnung das Gasthaus zu verlassen haben. Dann geht das Polizeiorgan ruhig heim, legt sich schlafen und kommt nicht wieder. Aus diese Weise ist es leicht begreiflich, dass die Gäste bis zum hellen Tage im Gasthause sitzen bleiben. , Ferner kommt es vor, dass Gäste, welche bei Übertretung der Polizeistunde betroffen wurden, zwar ausgeschrieben und der Behörde angezeigt, aber niemals gestraft werden. Das ist ein Verfahren, welches meines Erachtens in erster Reihe geeignet ist, die Übertretung der Polizeistunde erst recht zu züchten, denn darin liegt gewissermaßen eine Aufforderung oder Belehrung, wie man dieselbe übertreten dürfe, ohne Gefahr zu laufen, einer Strafe zu verfallen. Es kommt ferner in unserem Lande vor, dass die Ausführung des Statthalterei-Erlasses mancherorts theilweise wenigstens illusorisch gemacht wird dadurch, dass Gemeindevorstehungen regelmäßig gestatten, vom Samstag auf Sonntag oder vom Sonntag aus Montag öffentliche Tanzunterhaltungen zu veranstalten gegen eine Tanzgebühr von wenigen Gulden. Da finden denn die Leute die beste Gelegenheit, die paar Kreuzer, die sie schwer und hart verdient haben, allwöchentlich wieder zu verklopfen und der steigenden Genusssucht zu fröhnen. Unter sothanen Umständen ist es begreiflich, wenn die Thatsache zu Tage tritt, dass Wirte zu den Gästen sagen: "Wir müssen zwar um 11 oder 12 Uhr das Gasthaus schließen, aber es steht nirgends geschrieben, zu welcher Zeit dasselbe wieder geöffnet werden dürfe." Da gehen die Wirte her, öffnen das Gastlokal nach 12 Uhr wieder und lassen die abgeschafften Gäste neuerdings ein. Darum sage ich, man darf sich nicht verwundern, wenn bei einem so merkwürdigen Statthalterei-Erlasse auch so merkwürdige Erscheinungen respective Auslegungen vorkommen. Nun, meine Herren, man könnte mir vielleicht den Vorwurf machen, ich sei ein Feind der persönlichen Freiheit und wolle dieselbe über Gebühr einschränken. Das ist durchaus nicht der Fall. Aber wenn mau so oft die Klagen der Eltern, Mütter, Witwen und Erzieher anhören muss, dass ihre Söhne an Sonn- und Feiertagen nachts erst um 1, 2 oder 3 Uhr nach Hause kommen, wenn man sie klagen hört, dass der ganze Familienstand immer mehr zurückgehe und die Noth in der Familie stets größer werde, weil das Haupt derselben oder die Kinder, namentlich die Söhne ihre Kreuzer, die sie während der Woche hart verdienen, an Sonn- und Feiertagen verschwenderisch wieder hinauswerfen, wenn geklagt wird über die Wirte, dass sie gar oft die Leute zurückhalten und die letzten Kreuzer ihnen aus der Tasche zu locken suchen, dann bedarf es keines weiteren Beweises 26 III. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. mehr, dass solche sociale Übelstände ein wahrer Krebsschaden sind für den Wohlstand vieler Familien. Ich konnte eine Menge von Beispielen aufführen, wie Familien durch derartige Ausschweifungen ihrer Kinder, obgleich sämmtliche erwachsen und fähig waren, ihren Lebensunterhalt voll zu verdienen, um Haus und Hof gekommen sind. Diese Zustände werden nun dahin führen, dass die Bevölkerung verarmt und der Noth und dem Elende engegengeführt wird. Dann werden auch jene, die früher berufen gewesen wären, in dieser Beziehung Wandel und Abhilfe zu schaffen, es endlich begreifen, dass sie ein großes, sociales Übel ruhig gewähren ließen und werden es dann einmal recht einsehen, wenn eine Menge von Leuten, die früher gut situiert waren, infolge dieser zügellosen Freiheit und Verschwendung ihnen auf den Hals kommen und in einem Armenhause aus Gemeindesteuern erhalten werden müssen. Soviel mir bekannt ist, unterstehen auch in dieser Hinsicht, was nämlich die Überwachung der Polizeistunde betrifft, die Gemeindevorsteher dem hohen Landes-Ausschusse. Darum möchte ich den Gedanken anregen, dass der hohe Landes-Ausschuss auf Mittel denke, die Überwachung der Polizeistunde in den Gemeinden zu controlieren, damit das wenige, was der Statthalterei-Erlass gewährt, auch in unserem Lande zur möglichsten Durchführung gelange. Solche Leute, die bei Übertretung der Polizeistunde getroffen wurden, sollen auch der wohlverdienten Strafe zugeführt werden, um künftigen Übertretuugsfällen zu steuern. Aber ich möchte auch an die hohe Statthalterei die Bitte richten, sie möge mit der Ertheilung von Concessionen an Gastwirte fernerhin etwas mehr geizen. Es liegen im Lande Fälle vor, dass die unterstehenden Behörden solche Concessionen verweigerten mit Rücksicht auf die localen Verhältnisse, weil sie die Vermehrung der Wirtschaften für schädlich hielten, dass aber auf einen Recurs hin die Statthalterei die erbetene Concession dennoch ertheilt hat. In dieser Beziehung dürfte es sich sehr empfehlen, strenger vorzugehen. Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich sage, es ist besser, wenn um zehn Wirtschaften im Lande zu wenig sind, als wenn nur eine einzige zu viel ist. Es trifft auch hier eben das Sprichwort zu: "Gelegenheit macht Diebe". Der herrschende Leichtsinn, namentlich unter der Heranwachsenden Jugend, macht es gebieterisch nothwendig, dass in dieser Richtung strenger vorgegangen wird, als es bisher der-Fall war. Das eine möchte ich dem hohen Landes-Ausschusse nochmals ans Herz legen, dass er eine strenge Aufsicht und Controls über jene Factoren ausübe, die in erster Reihe berufen sind, diese Statthalterei-Verordnung in Polizei-Angelegenheiten zu handhaben, die leider aber oft in dieser Beziehung ihre Pflichten vernachlässigen. Ich habe nicht etwa die Vorstehungen im allgemeinen im Auge, sondern nur jene, die sich in dieser Hinsicht einer schweren Pflichtverletzung schuldig machen. Ich weiß, dass ich bei jenen Wirten, die wirklich auf Ordnung sehen, keineswegs damit Anstoß errege. Denn das wird nur beitragen zu einer ordentlichen, reellen Wirtschaftsführung aber auch dahinführen, jene Wirtschaften zu beseitigen, die in Bezug auf Moralität, in Bezug auf das Wohl des Einzelnen wie ganzer Familien zu einer wahren Mördergrube geworden sind. (Lebhafte Zustimmung.) Nägele: Ich muss auf etwas zurückkommen, was mein Herr Vorredner Dr. Waibel gesagt hat, oder vielmehr daran anknüpfen. Er hat nämlich etwas gedonnert über das Alkoholtrinken und die Bewilligung bis 12 Uhr saufen zu dürfen. In dieser Beziehung bin ich einverstanden und rede weder den Brantweinerzeugern noch den Brantweintrinkern das Wort, wenn ich auch zugebe, dass bei den ländlichen Verhältnissen das Schnapstrinken zum Lebensunterhalt manchmal nothwendig ist. Es ist ganz eigenthümlich, wenn man die Folgen sieht, welche diese alkoholischen Getränke mit sich gebracht haben, und die Regierung hat nach meiner Anschauung, dem Trinken etwas Einhalt zu thun die Pflicht. Ich glaube, es ist ihr damit aber nicht ernst. Bei Ertheilung von Wirtschafts-Concessionen kommt es nicht so leicht vor, auch zugleich die Concession zum Ausschanke vom Alkohol zu bekommen. Wenn die Wirtschaften weiter von einander entfernt liegen, so bekommt man sie leichter. Selbst altrenomierte Wirtshäuser bekommen sie nicht, wenn andere in der Nähe liegen. Wenn es der Regierung ernst wäre, so sollte sie der Erzeugung des Alkohols steuern. Das will sie aber eben nicht. Wenn die Vortheile in fremde Hände übergiengen, so würbe sie eher daran denken, dem Übelstande zu steuern, da aber III. Sitzung des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. 27 der Vortheil in ihrer eigenen Hand liegt und die Regierung daraus Steuern bezieht, da ist es gleich, da kann passieren, was will. Wenn z. B. eine alte Wirtschaft die Person des Inhabers ändert, so kriegt sie die Concession nicht mehr. Das ist eigentlich dem Brantweintrinken nicht entgegengearbeitet. Das ist einfach Ungerechtigkeit. Es ist schließlich gleich, ob der Schnaps in diesem Wirtshause getrunken wird oder in einem andern, aber für alte Wirtschaften ist das eine Ungerechtigkeit. Mit diesen Bemerkungen will ich schließen. Ganahl: Der Herr Pfarrer Thurnher hat uns wahrhaftig ein dramatisches Bild der Zustände, welche durch den Alkoholgenuss verursacht werden, geboten. Er hat hingewiesen, wie der Leichtsinn der Jugend immer mehr überhand nimmt, wie die Familie dem Verderben und Ruine zugeführt wird, kurz er hat die Verheerungen des Alkoholismus in drastischer Weise geschildert. Ich bin mit diesen Klagen einigermaßen einverstanden, insoferne nämlich, als ich zugebe, daß in dieser Hinsicht in unserem Lande nicht Alles vollkommen und gut bestellt ist. Nur die Art der Abhilfe will mir nicht recht gefallen. Ich glaube nämlich nicht, dass durch Vorschriften über Einhaltung und Ueberwachung der Polizeistunde dem Alkoholismus gesteuert werden kann. (Rufe: Sehr richtig!) Ich glaube, dass die eigentlichen, gewohnheitsmäßigen Trinker selten oder nie in die Lage kommen, die Polizeistunde zu übertreten. (Rufe: Ganz richtig!) Ja, wenn ich eine Polizeistunde einzuführen hätte, ich würde sie vielleicht in die Morgenstunden versetzen und würde gegen die verlängerten Frühschoppen Stellung nehmen. (Rufe : Sehr richtig!) Im Übrigen habe ich gegen die vorliegenden Anträge nichts einzuwenden und schließe mich denselben vollkommen an. Ich habe nur noch bezüglich des zweiten Antrages des Berichtes etwas zu bemerken. Derselbe lautet: "Der Landtag findet sich angesichts der Erklärung der k. k. Regierung nicht veranlasst, dermalen eine Änderung des § 27 G. O. zu beschließen." Diesen Passus hat, wenn ich mich nicht irre, mein College und Gesinnungsgenosse Dr. Waibel im vergangenen Jahre beantragt, was mir nicht recht erklärlich gewesen ist, es ist dies ein Standpunkt den ich nicht einnehmen möchte. Ich glaube zu wissen, warum seinerzeit in unserer Gemeinde-Ordnung diese Bestimmung Aufnahme gefunden hat. Die damaligen Herren Abgeordneten werden sich noch an jene Zeiten erinnert haben, als die Gendarmen-Plage über unser Land kam; es war in den fünfziger Jahren. Die Gendarmen, welche heute eine sehr geschätzte und tüchtige Polizeiwache sind, waren damals, wie sich vielleicht die älteren Herren erinnern werden, eine wahre Geißel für das Land. Die Gendarmen hatten auch die Ueberwachung der Polizeistunde, aber in welch' schrecklicher Weise wurde sie gehandhabt; sie kamen mit aufgepflanztem Bajonnett in die Wirtsstuben und wer nicht sofort sich entfernte, der sah sich förmlich von der Waffe bedroht. Ich erinnere mich daran noch gut, denn in meiner Jugend habe ich zuweilen auch die Polizeistunde übertreten. (Heiterkeit.) Der damalige Landtag hat daher eigens in's Gesetz ausgenommen, dass die Gemeinden die Polizeistunde handhaben sollen, damit nicht wieder so schreckliche Gendarmen mit aufgepflanzten Gewehren dies thun. Was da war, kann wiederum kommen, und darum möchte ich nichts ändern und bin einverstanden damit, dass man das Gesetz unberührt lässt. Dr. Waibel: Ich möchte über diesen Punkt noch ein paar Worte zur Aufklärung sagen. Der Grund, warum diese Änderung des § 27 G.-O. beantragt wurde, lag darin, dass die StaatsBehörde in dieser Frage die Stellung eingenommen hat, die Überwachung der Wirtschaften und die Handhabung des Gewerbegesetzes sei Sache der politischen Behörde als Gewerbebehörde und nach dieser Auffassung habe ich erklärt, es gehört dieser Satz nicht mehr in die Gemeinde-Ordnung hinein. Ich wollte die Regierung veranlassen neuerdings Stellung zur Polizeistundfrage zu nehmen. Das hat sie auch gethan, indem sie gesagt hat, auch wenn man diese Worte eliminiert, so gehört die Handhabung der Polizeistunde doch in die Agenden der Gemeinde. Die Entstehung dieser Einsetzung in das Gemeinde-Gesetz ist mir wohl bekannt, weil ich die Verhandlungen nachgelesen habe. Ich weiß die Gründe recht gut, sie waren seinerzeit vollkommen berechtigt und sind vom Herrn Vorredner richtig wiedergegeben worden. Damit schließe ich.