18960124_lts009

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Letzte Änderung 03.07.2021, 10:15
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp07,lts1896,lt1896,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 9. Sitzung am 24 Januar 1896, unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 20 Abgeordnete. Abwesend: Herr Greißing. Regierungsvertreter: Herr Hofrath Graf St. Julien-Wallsee. Beginn der Sitzung 10 Uhr 15 Min. Vormittags. Landeshauptmann: Ich erkläre die heutige Sitzung für eröffnet und ersuche um Verlesung des Protokolles der letzten Sitzung. (Secretär verliest dasselbe.) Wird gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung erhoben? — Es ist nicht der Fall, somit ist dasselbe genehmiget. Der Herr Abg. Greißing hat mir schriftlich mitgetheilt, dass er infolge eines Todfalles in der Familie genöthigt ist, um einen Urlaub von 8 Tagen anzusuchen. Da diese gewünschte Zeit des Urlaubes über jene hinausgeht, welche ich selbst nach der Geschäftsordnung zu gewähren vermag, so muss ich das h. Haus fragen, ob es diesem Wunsche des Herrn Greißing entsprechen wolle. Ich ersuche daher jene Herren, welche dem Begehren des Herrn Abg. Greißing beistimmen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Es ist somit der Urlaub ertheilt. Der Herr Abg. Nägele hat in einem Schreiben mir die Mittheilung gemacht, dass er. wegen Familienverhältnissen gezwungen sei, sein Mandat als Landesausschuss-Ersatzmann niederzulegen. Ich ersuche die Herren, dies zur Kenntnis zu nehmen und werde die Wahl eines LandesausschussErsatzmannes aus die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen setzen. Ich werde nun dem neugewählten Herrn Abgeordneten Pfarrer Andreas Thurnher vorschriftsmäßig das Handgelöbnis abnehmen. 94 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 7. Periode 1896. Sie haben dem Kaiser Treue und Gehorsam, Beobachtung der Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten an Eidesstatt zu geloben. Andreas Thurnher: Ich gelobe. Landeshauptmann: Bevor wir zur Tagesordnung übergehen ertheile ich dem Herrn Regierungsvertreter das Wort. Regierungsvertreter: Anlässlich der Einbringung des Entwurfes des Landesgesetzes, betreffend die Anlegung von Grundbüchern und die innere Einrichtung derselben, in der Sitzung vom 16. b. Ms-, habe ich die Ehre gehabt, darauf hinzuweisen, dass die Regierung geneigt sei, den zunächst für Tirol in Aussicht genommenen Entwurf eines Reichsgesetzes, womit für den Fall der Einführung des Grundbuches in Tirol einige grundbuchsrechtliche Sonderbestimmungen und erleichternde Gebührenvorschriften, sowie das Realexecutionsverfahren betreffende Anordnungen erlassen und Beschränkungen der Theilung von Gebäuden nach materiellen Antheilen eingeführt werden, auch auf das Land Vorarlberg auszudehnen. Es wurde ferner dem h. Hause mitgetheilt, dass dieser für Vorarlberg bestimmte Gesetzentwurf bereits in der Ausarbeitung begriffen sei und demnächst überreicht werden wird. Ich beehre mich nun den eben erwähnten Reichsgesetzentwurf sammt den erläuternden Bemerkungen in der erforderlichen Zahl von Exemplaren zu übergeben und zugleich das h. Haus in Kenntnis zu setzen, dass Seine Excellenz der Herr Justizminister mit Erlass vom 19. Januar d. I. Z. 1435 den gedachten Reichsgesetzentwurf als Regierungsvorlage im Reichsrathe zur verfassungsmäßigen Behandlung bereits eingebracht hat. Landeshauptmann: Der Herr Abgeordnete Johann Thurnher hat sich zum Worte gemeldet; ich ertheile ihm dasselbe. Johann Thurnher: Ich habe in der weiteren Verfolgung der Angelegenheit, welche der Herr Regierungsvertreter berührte, indem er bei Einbringung der Vorlage bezüglich des Grundbuches vom 16. d. Ms. weitere Mittheilungen gemacht hat, in der Sitzung vom 18. d. Ms. das Ersuchen gestellt, es möchten nicht bloß die bereits bis dahin zugekommenen gedruckten Vorlagen des Gesetzes des Vorarlberger Landtages, sondern auch die erläuternden Bestimmungen dazu, ferner die im Reichsrathe nun eingebrachten Gesetze für Tirol und Vorarlberg, welche die Grundlage für dieses Landesgesetz bilden sollen und ebenso die hiezu gemachten erläuternden Bemerkungen dem Drucke unterzogen und sämmtlichen Mitgliedern zugetheilt werden. Wie ich vom Herrn Regierungsvertreter soeben vernehme, ist dies der Fall und muss nur noch eines anderen Umstandes wegen bemerken^ dass mich in meinem damaligen Bestreben auch der Herr Abgeordnete der Handels- und Gewerbekammer und Herr Fink unterstützt haben, und dass es ausgefallen ist, dass jener Theil der Presse des Landes Vorarlberg, welcher sonst die stenographischen Protokolle in der vollständigsten Weise bringt, gerade diese Erörterung zwischen dem Herrn Landeshauptmann und dem Herrn Negierungsvertreter nicht gebracht hat. Ich finde mich deshalb veranlasst, dieses zu erwähnen, weil es als eine Art Correction des Sachverhaltes über die Einführung des Grundbuches in diesem Blatte erscheint, der nicht ganz übereinstimmt. Es ist hier nämlich die Rede, dass der Herr Statthalter mit einigen Persönlichkeiten des Landtages bezw. des Landesausschusses gesprochen habe. Ich muss das dahin berichtigen, dass es nicht Einige' sind, sondern meines Wissens nur der Herr Landeshauptmann und Herr Martin Thurnher — ich jedenfalls nicht — welche auf den weiteren Gedanken, der in diesem Berichte enthalten ist und aus autoritativer Quelle stammen soll, nämlich über die Feiertage drei Delegierte nach Innsbruck zu entsenden, um Einsicht in die Grundbuchsvorlage zu nehmen, eingegangen sind. Ich bin in dem Falle das zurückhaltende Element im Landesausschusse gewesen und werde es auch hier im Landtage sein, indem ich wünsche, dass diese Vorlage mit vollem Verständnisse zur Kenntnis des h. Landtages und der Bevölkerung gelange; in dieser letzteren Beziehung glaube ich, sollte man den Vorgang einschlagen, den man bei früheren wichtigen Vorlagen eingehalten hat, von denen man wusste, dass sie nicht in einem Jahre durchberathen werden konnten, dass man nämlich die diesbezüglichen stenographischen Protokolle, also diese beiden Gesetze IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 7. Periode 1896. 95 und die dazugehörigen Erläuterungen und die aus dieser Angelegenheit hervorgegangenen Berichte des betreffenden Ausschusses in einer solchen Anzahl von Exemplaren drucken lasse, dass sämmtliche Gemeindevorstehungen des Landes damit betheilt werden können. Die Gemeindevertretungen werden mit dieser Angelegenheit in Zukunft auch zu thun haben. Wenn man auch nicht alle, welche ein Interesse an der Vorlage haben, damit betheilen kann — da dieselben doch in einer zu großen Anzahl sind — so halte ich dafür, dass mindestens die Gemeindevorsteher diese Vorlagen bekommen sollen. Die dem Lande dadurch verursachten Kosten stehen in gar keinem Verhältnisse zu der Wichtigkeit der Vorlage, zu den Interessen der Landesbevölkerung, so dass ich glaube, der h. Landtag wird mir gewiss beistimmen, wenn ich an den Herrn Landeshauptmann das Ersuchen stelle, die Verfügung zu treffen, dass genannter Bericht und dessen Beilagen in einer solchen Anzahl gedruckt werden, um nach dem Landtage sämmtliche Gemeindevorsteher damit betheilen zu können. Landeshauptmann: Der Erfüllung dieses Wunsches steht im geringsten nichts im Wege, und ich werde Sorge tragen, dass seinerzeit die Übermittelung an die Gemeindevorsteher erfolgen kann. Wir kommen nun zur Tagesordnung. Als erster Gegenstand steht auf derselben der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über das Gesuch der Gemeinde Thüringen, betreffend die Gewährung einer Subvention zu den Wuhrbauten an der Lutz. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, das Wort zu ergreifen. Martin Thurnher: Die Subvention, die vom volkswirtschaftlichen Ausschüsse für die Wuhrbauten der Gemeinde Thüringen an der Lutz beantragt wird, ist zwar eine verhältnismäßig hohe. Sie ist aber in Rücksicht auf die im Berichte geschilderten Verhältnisse doch gerechtfertiget. Die Erstellung der Wuhrbauten liegt nämlich mehr im Interesse der flussabwärts liegenden Gemeinde Bludesch, als in dem von Thüringen und die Durchführung der Bauten wäre vielleicht ohne Aussicht auf eine ergiebige Staats- und Landessubvention ganz unterblieben. Die kleine Gemeinde Bludesch selbst hat in den letzten Jahren in ihrem Gebiete- mit einem außerordentlichen Aufwande von Kosten unter Beihilfe des Staates und des Landes Schutzbauten an der Lutz und Ill durchgeführt; die großen Opfer wären aber fast umsonst gebracht, wenn diese Gemeinde nicht auch flussaufwärts durch Erstellung der Schutzbauten auf dem Gemeindegebiete von Thüringen geschützt würde. Ich stelle daher namens des volkswirtschaftlichen Ausschusses folgende Anträge. Sie lauten: (Liest aus Beilage XXXI.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Anträge die Debatte. Reisch: Ich bitte um das Wort. Wenn ich mich bei diesem Gegenstände zum Worte gemeldet habe, so ist das keineswegs aus dem Grunde geschehen, um gegen die vom volkswirtschaftlichen Ausschüsse beantragte Subvention zu sprechen. Ich habe vielmehr die Überzeugung, dass die Gemeinde Thüringen die Hilfe des Landes, sowie des Staates sehr bedarf, um ihre Wuhrbauten an der Lutz in entsprechender Weise, dass diesem Wildbache Schranken geboten und die weiteren unterhalb befindlichen Regulierungsbauten der Gemeinde Bludesch vor Überfluthung gesichert werden, erstellen zu können. Die Illthalgemeinden des Wallgaues find gewiss ebenso subventionsbedürftig, wie viele andere Landestheile Vorarlbergs. Mir ist nämlich beim Lesen des Berichtes die Stelle, wo es heißt: „In dem Gesuche u.s.w. (Liest aus Beilage XXXI.) aufgefallen und habe mir unwillkürlich gedacht, -bei Thüringen ist die Vorarlberger Bahn nobler vorgegangen, als bei Frastanz die k. k. Staatsbahn. Die Illregulierung fusst bekanntlich auf einem Übereinkommen der Illthalgemeinden des Wallgaues vom Jahre 1868, — wenn ich mich recht erinnere —, (Martin Thurnher: Ja, es ist richtig!) unter Mitwirkung des damaligen h. Landesausschusses. Diese Regulierungsarbeiten sind nun von da ab bis heute mit vereinten Kräften und großen Kosten von Seite der Gemeinden, des Landes und des Staates nahezu vollendet und es dürften dieselben in diesem Jahre noch, oder doch spätestens im Jahre 1897 ihren Abschluss finden, mit der einzigen 96 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session, 7. Periode 1896. Ausnahme der dringend nothwendigen Wuhrbauten in Frastanz, unterhalb der Ganahl'schen Fabrik (Gießerei) bis Felsenau, in einer Länge von ca. 800 m. Ich habe schon in früheren Jahren in diesem h. Hause darauf hingewiesen, wer an der NichtVollendung und Stockung des Wuhrbaues in Frastanz die Schuld trage d. i. die k. k. Staatsbahn, die den Frastanzern das Wuhren einfach einstellte, weil durch einen einseitigen Wuhrbau der Frastanzer am linksseitigen Illufer, der Bahnkörper am rechtsseitigen Illufer gefährdet werde. Wohin soll das nun führen? Offenbar zum Ruine der Gemeinde Frastanz, sobald das Regulierungswerk der Ill im inneren Wallgau vollendet sein wird. Wie soll sich die Gemeinde Frastanz aber helfen? — Ich weiß es, dass der h. Landtag leider in diesem Falle nicht ohne weiteres einschreiten kann, weil im Jahre 1868 ein Landesgesetz, betreffend die Illregulierung nicht geschaffen wurde, und somit weder die k. k. Staatsbahn, noch die Gemeinde Götzis, welche ihre minderwertigen Gründe am rechtsseitigen Illufer, um sich der Wuhrpflicht zu entschlagen, lieber preisgibt, zum Wuhrbaue verhalten werden kann. Die k. k. Staatsbahn scheint in letzterer Zeit allerdings etwas nachgiebiger zu werden und möchte eine sogenannte Wassergenossenschast anstreben und dabei zum Wuhrbaue am rechtsseitigen Illufer, ohne Anerkennung einer Pflicht beitragen, damit für sie kein Präjudiz für die Zukunft geschaffen werde; und die Gemeinde Frastanz sollte den Wuhrbau von ca. 1200 w Länge ausführen. Das kann und wird aber die Gemeindevertretung von Frastanz, bei dem Umstande, als dieselbe vom Jahre 1862 an bis heute über 50.000 fl. für Illwuhrbauten verausgabt hat, niemals thun können, außer wenn das Land die erübrigenden Kosten des Wuhrbaues am rechtsseitigen Illufer übernimmt und für die Wuhrpflicht den erforderlichen Betrag auf sich übernimmt, oder aber bei der k. k. Staatsbahn auf irgend welche Weise Wandel schafft. Gestützt auf diese kurze, aber wahrheitsgetreue Darlegung des kritischen Sachverhaltes, erlaube ich mir ein dahingehendes Gesuch im hohen Hause demnächst einzubringen, (Johann Thurnher: Das ist der rechte Weg!) und bitte im Namen der bedrängten und ohne ihr Verschulden wegen Vernachlässigung des Wuhrbaues von Überschwemmung bedrohten Gemeinde Frastanz um thatkräftige Unterstützung. Landeshauptmann: Wer wünscht weiter das Wort? — Es meldet sich Niemand, somit ist die Debatte geschlossen. Martin Thurnher: Die vom Herrn Vorredner gemachten Mittheilungen beruhen auf voller Richtigkeit. Es sind nun die meisten Wuhrbauten an der Ill vollendet, oder werden mit Hilfe des Landes und Staates in diesem, längstens aber im nächsten Jahre der Vollendung zugeführt. Nur bei Frastanz wird eine Lücke bleiben und das ist umso schlimmer, weil Frastanz im untern Theile des Flussgebietes, gerade vor dem Eintritte der Ill in die Schlucht bei Feldkirch liegt, daher alles Geschiebe, das der Fluss von seinem oberen Gebiete bringt, in der Gemeinde Frastanz abgelagert wird. Ich habe schon vor ein paar Jahren bei Behandlung ähnlicher Gesuche Gelegenheit gehabt darauf hinzuweisen, dass bei der Illregulierung gleichsam das Ross beim Schwänze aufgezäumt worden sei, dass man nämlich statt oben die Regulierung zu beginnen, wie es naturgemäß und vernünftiger gewesen wäre, von unten angefangen habe. Leider hat man damals, im Jahre 1868 noch nichts gewusst von einem Meliorationsgesetze, von der Beihilfe des Staates und des Landes, von einem Landes-Gesetze, das auf Grund dieses Meliorationsgesetzes vom Landtage beschlossen werden kann und deshalb ist es so gekommen. Was nun die in Aussicht gestellte Eingabe an den hohen Landtag betrifft, so glaube ich jetzt schon aussprechen zu dürfen, dass der Landtag sicher auch diesem Gesuche volle Berücksichtigung angedeihen lassen wird, dass aber nicht so rasch eine Erledigung desselben erfolgen kann, weil bisher diesbezügliche Vorverhandlungen nicht gepflogen wurden, Projecte und Kostenvoranschlag nicht vorliegen, und weil endlich die Gemeinde Frastanz selbst noch nicht weiß, ob und unter welchen Voraussetzungen sie eine bestimmte Beitragssumme aufzubringen gewillt ist, oder aufzubringen in der Lage ist. Die endgiltige Erledigung in dieser Angelegenheit dürfte daher kaum noch in dieser Session zu gewärtigen sein, sondern der h. Landtag wird erst nach eingeleiteten Vorerhebungen seitens des Landes-Ausschusses in der Lage sein, in eine geeignete Beschlussfassung einzutreten. IX. Sitzung des vorarlberger Landtages. VI. Session der 7. Periode 1896. 97 Gegen den Antrag des Volkswirtschaftlichen Ausschusses wurde nichts eingewendet und ich habe daher dem Gesagten nichts beizufügen und bitte nochmals um die Annahme der vorliegenden Antrags. Landeshauptmann: Ich schreite zur Abstimmung und zwar über beide Punkte unter Einem'. Ich ersuche jene Herren, welche den Anträgen des volkswirtschaftlichen Ausschusses die Zustimmung geben, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben.Angenommen. Somit ist dieser Gegenstand erlediget. Der zweite Gegenstand der Tagesordnung ist der Bericht des Finanzausschusses über das Gesuch des Rectorates der Universität in Innsbruck um Erwirkung einer Landessubvention pro 18 96 von 200 fl. zur Unterstützung würdiger und dürftiger Hörer aus Vorarlberg. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Fritz, den Antrag zu verlesen. Fritz: Der Finanzausschuss stellte bezüglich der Berathung dieses Gegenstandes folgenden Antrag: (Liest denselben aus Beilage XXIX.) Landeshauptmann: Ich eröffne Über Bericht Und Antrag die Debatte. Es meldet sich Niemand zum Worte, somit schreite ich zur Abstimmung. Ich ersuche jene Herren, welche mit dem Anträge des Finanzausschusses einverstanden sind, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Der dritte Gegenstand der heutigen Tagesordnung ist der Bericht des Finanzausschusses über das ihm zu gewiesene Gesuch des katholischen Schulvereines für Österreich in Wien. Ich ersuche den Herrn Pfarrer Rudigier, das Referat zu übernehmen. Rudigier: Schon in dem letzten Jahre, vielleicht schon in früheren Jahren ist der katholische Schulverein in Wien an unsere Landesvertretung herangetreten mit Gesuchen um Gewährung von Subventionen, wurde aber zurückgewiesen und zwar mit Berechtigung zurückgewiesen. Wir haben auch voriges Jahr bei Verhandlung Dieses Gegenstandes Gründe für und wider gehört und diese Gründe, welche für die Bewilligung der Subvention bestanden, bestehen auch heute noch voll Und ganz. Der katholische Schulverein entwickelt eine sehr bedeutende und fruchtbringende Thätigkeit, indem er eins Privatlehrerseminar in Wien-Währing unterhält und mehrere Privatvolksschulen und eine Bürgerschule ebenfalls unterhält. Voriges Jahr kamen zum ersten Male die ersten Abiturienten aus dem Privatlehrerseminar heraus und unterzogen sich der Maturitätsprüfung an der k. k. Lehrerbildungsanstalt in Salzburg und zwar mit einem, wie es in der Eingabe heisst, alle Erwartungen übertreffenden günstigen Erfolge. Genau ist die Ziffer, das Ergebnis der Erfolge der Prüfungen nicht angegeben. Auf Grund dessen nun, dass die alten Gründe, welche uns voriges Jahr zur Bewilligung einer Subvention von 100 fl. bewogen, noch fortbestehen, erhebt der Finanzausschuss folgenden Antrag: (Liest aus Beilage XXX.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag die Debatte. Dr. Waibel: Wir können heute gegenüber diesem Begehren und gestelltem Anträge keine andere Stellung einnehmen, als wir bisher eingenommen haben. Wir halten das Ganze für eine einseitige Parteiunternehmung und halten es nicht für gut, wenn die Landesvertretung einseitige Parteibestreben ihrerseits unterstützt. Wir sind der Ansicht, dass die vom Staate errichtete und erhaltene Lehrerbildungsanstalt ihrem Zwecke, nach allen Richtungen, auch in religiöser Richtung, vollkommen genüge. Wir können uns daher nicht für bestimmt erachten, ein solches Parteiunternehmen, wie mit diesem Anträge bezweckt wird, zu unterstützen und für diese Summe zu stimmen. Landeshauptmann: Wenn Niemand mehr das Wort zu ergreifen wünscht, ist die Debatte geschlossen. Rudigier: Ich habe gar nicht die Absicht auf die Einwendungen des unmittelbaren Vorredners zu erwidern, da wir ja alle gefasst sein konnten, dass von dieser Seite in hem bekannten und heute 98 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 7. Periode 1896. wieder neu bekannt gewordenen Sinne, eine Einwendung erfolgen werde. Ich weise aber nur hin auf die Gründe- wie sie theilweise im Berichte des heurigen Jahres, theilweise in dem Berichte des Vorjahres enthalten sind und ersuche deshalb um Annahme des Antrages. Landeshauptmann: Ich schreite zur Abstimmung. Ich ersuche jene Herren, welche für den Antrag des Finanz-Ausschusses stimmen, sich von den Sitzen gefälligst zu erheben. Majorität. Dieser Gegenstand ist erlediget. Wir kommen zum letzten Gegenstand der Tagesordnung, zum Berichte des WahlreformAusschusses betreffend den Gesetzesentwurf über eine neue LandtagsWahlordnung für das Land Vorarlberg. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter sich zum Berichterstatter-Tisch zu begeben. Bevor der Bericht zur Verlesung gelangt wünscht der Herr Regierungsvertreter das Wort zu ergreifen. Regierungsvertreter: Hohes Haus! Ich habe die Ehre, die bereits anlässlich der Berathungen dieses Gegenstandes im Wahlreform-Ausschusse namens der Negierung abgegebene Erklärung heute in öffentlicher Sitzung zu wiederholen, dass, nachdem die Verhandlung principieller Wahlrechtsfragen in der laufenden Landtagssession nicht opportun erscheint, da dies der von der Regierung in Aussicht genommenen Reform des Reichsraths-Wahlrechtes präjudicieren würde. Die Regierung ist daher nicht in der Lage, zu dem vorliegenden Gesetzentwürfe einer neuen Landtagswahlordnung für das Land Vorarlberg in dem gegenwärtigen Momente Stellung zu nehmen. Martin Thurnher: Der dem h. Hause vorliegende Gesetzesentwurf, betreffend die Erlassung einer neuen Wahlreform ist, man darf wohl sagen, bis zum letzten I-Tüpfelchen nach den vom Landtage in der letzten Session beschlossenen Grundsätzen vom Landesausschusse verfasst worden und wird mit ganz geringfügiger Änderung seitens des WahlreformAusschusses in dieser Fassung zur Annahme dem h. Hause vorgelegt und empfohlen. Ich habe schon in der Schlusssitzung der vorigen Session Gelegenheit gehabt darauf hinzuweisen, dass die vom Landtage festgesetzten Grundsätze keineswegs meinem Ideale entsprechen, dass es aber rathsam erscheine, etwas Erreichbares, statt etwas Unerreichbares anzustreben. Aus dem etwas trockenen Tone des Berichtes haben Sie schon entnehmen können, dass ich diese Ansicht auch heute nicht geändert habe. Nur an einem Orte erscheint der Bericht etwas wärmer abgefasst, nämlich im Passus über die Unzulässigkeit der Angliederung einer neuen Curie für kleine Steuerzahler und anders Personen. Bei Verfassung des Berichtes muss der jeweilige Berichterstatter in der Regel einen alten, zahmen Amtsschimmel reiten und es wurde daher im Berichte diese Cune als die Curie „nicht gleichberechtigter Staatsbürger" bezeichnet; ich möchte sie aber lieber die Curie „minderwertiger Staatsbürger" nennen. Ich habe die Ansicht, dass wir in Vorarlberg der Aufnahme eines solchen Monstrums in die Landtagswahlordnung niemals zustimmen, sondern demselben beim ersten dahingehenden Versuch ohne Gnade den Todesstoß versetzen würden. Mein Ideal jeder Wahlordnung, sonach auch der Landtagswahlordnung, wäre gänzliches Fallenlassen des Census. Was nützt und bedeutet heute in Österreich ein Census von 1 bis 5 fl., wenn in Betracht gezogen wird, dass die indirecten Steuern und die Finanzzölle die directen Steuern in ihrer Höhe weit überragen. Trinkt einer alle Tage nur ein paar Glas Bier, so bringt das dem Staate schon einen höheren Betrag an indirecten Steuern ein, als der Census bei der Landtagswahl oder der Reichsrathswahl ausmacht. Und welch' hohe Summe an indirecten Steuern und Abgaben fällt auf jeden Familienvater für Fleisch, Caffee, Petroleum, Getränke, Salz, Tabak, dann Gebüren an Stenipeln, Taxen u.s.w. Der Haushaltungsvorstand einer größeren Familie hat, wenn er auch gar keine directe Steuer entrichtet, indirect an den Staat so viel zu leisten, dass er, nach dieser Leistung beurtheilt, eigentlich in die Großgrundbesitzer-Curie, dort, wo eine solche besteht, eingereiht werden müsste. Hiezu kommt noch die von allen gleich zu tragende Wehrpflicht, die schlimmste und härteste aller dem Staatsbürger auferlegten Lasten. Soll nun einer, der Jahre hindurch seine ganze Kraft dem Staate gewidmet, ihm die beste Zeit seines IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 7. Periode 1896. 99 Lebens geopfert hat, nicht einmal so viel Rechte haben, als einer, der zum Militärdienste wegen körperlichen oder geistigen Gebrechen untauglich war, aber aus irgend einem Grunde, vielleicht infolge Erbschaft, lumpige 5 fl. als Steuer entrichtet. “ Endlich soll die Würde und der Wert des Menschen, nicht das Geld, die Grundlage des Wahlrechtes bilden. (Rudigier: Bravo!) Was die Einführung der directen Wahlen in den Landgemeinden betrifft, so stehe ich derselben keineswegs feindlich gegenüber. Bisher hatte man die Anschauung, dass die Regierung der Auflassung der indirecten Wahlen in den Landgemeinden entgegentreten werde, und noch bei den vorjährigen Verhandlungen des Wahlreformausschusses hat der Herr Negierungsvertreter seinem Bedenken gegen Einführung der directen Wahlen Ausdruck gegeben. Man wollte also schon aus diesem Grunde der Einführung directer Wahlen nicht näher treten, weil man die Realisierung als aussichtslos ansah. Dazu kam noch, dass bisher in den Landgemeinden und von deren Vertretern selbst nur vereinzelte Wünsche nach Einführung der directen Wahl laut wurden. Obwohl wir z. B. seit dem Jahre 1890 in jeder Session Verhandlungen über die Landtagswählreform hatten, so gelangte in dieser ganzen Zeit nur eine einzige Petition, nämlich von der Gemeinde Hohenems, an den h. Landtag, die sich für die directen Wahlen aussprach. Wenn nun aber die in den letzten Tagen in die Öffentlichkeit gedrungenen Nachrichten über die Badenische Wahlreform sich bewahrheiten sollten, wornach die Wahlen in der neu zu schaffenden Curie für den Fall, als es die betreffenden Landtage beschließen, direct vorgenommen werden können, dann wird die Schranke, die bisher gegen die Einführung directer Landtagswahlen bestand, von selbst fallen, dann werden auch die Stimmen aus den Landgemeinden, weil nicht mehr aussichtslos, sich mehren und auf Einführung der directen Wahl dringen. Ich halte es sonach nur mehr für eine Frage der Zeit, und wenn sich die angedeuteten Nachrichten erhärten, für die Frage einer kurzen Zeit, dass diese Angelegenheit einen acuten Character annimmt und die Einführung der directen Wahlen zur That wird. Was nun die von einer Seite beantragte Eintheilung der Wahlkreise nach Gerichtsbezirken anbelangt, so halte ich den Unterschied zwischen dieser und der jetzt geltenden Eintheilung für nicht von besonders wesentlicher Bedeutung. So lange indirecte Wahlen beibehalten werden, wird es der Bevölkerung auch ziemlich gleichgiltig erscheinen, ob die von ihr gewählten Wahlmänner in der Regel alle 6 Jahre einmal die eigentliche Wahl am Sitze der politischen oder an jenem der Gerichtsbehörde auszuüben haben. Ebenso wenig könnte ich mich für eine andere aufgetauchte Idee erwärmen, dass die Wahlen direct, aber nach Gerichtsbezirken durchgeführt werden sollten. Wenn einmal von Seite der Landesvertretung mit Aussicht auf Erfolg das Princip directer Wahlen in den Landgemeinden acceptiert werden wird, dann muss wohl selbstverständlich auch für jeden Abgeordneten ein eigener Wahlkreis geschaffen werden. Directe Wahl und Listenscrutinium schließen sich wohl vollständig aus. Nun wird man mir einwenden, wenn die Sachen so liegen und insbesondere in der Frage der directen Wahlen demnächst eine Änderung in den Anschauungen der Regierung zu Tage treten dürfte, so sollte man mit der Wahlreform zuwarten. Diese Anschauung theile ich nun nicht. Abgesehen davon, dass, mir unmittelbar vor den Neuwahlen stehen und schon für dieselben eine thunlichst weitgehende Erweiterung des Wahlrechtes erwirken möchten, so sind denn doch in dem vorliegenden Gesetzesentwurfe eine Menge wichtiger wertvoller Bestimmungen enthalten, die gegenüber den jetzt geltenden als ein großer Fortschritt angesehen werden müssen. Wenn der vorliegende Gesetzesentwurf Gesetz wird, so können wir mit voller Genugthuung auf diese unsere Arbeit blicken. Es würde damit auch kein Hindernis geschaffen, das einem weiteren Ausbaue der Landtagswahlordnung in der nächsten Landtagsperiode entgegenstehen würde. Aus diesen Gründen möchte ich das h. Haus bitten, den vorliegenden Gesetzesentwurf als Grundlage der Specialdebatte anzunehmen und in dieselbe einzutreten. Was die vom Herrn Regierungsvertreter gegebene Erklärung betrifft, so ist schon in dem Berichte darauf hingewiesen wyrden, dass wir keinen 100 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 7. Periode 1896. Grund haben, uns dadurch abhalten zu lassen, die Arbeit zu vollenden, weit die h. Regierung die Reichsrathswahlreform ja bald durchzuführen bestrebt ist, und sie nachher Zeit und Gelegenheit genügend haben wird, um zu dem von uns beschlossenen Gesetzesentwurfe Stellung zu nehmen. Dieser Gesetzesentwurf, wie die Verhältnisse jetzt liegen, glaube ich, dürfte den Bedürfnissen des Landes am besten entsprechen und, nachdem Bestimmungen hinsichtlich Aufnahme einer neuen Curie niemals Aussicht haben, Aufnahme in unsere Landtagswahlordnung zu finden, so liegt gar kein Grund vor, warum wir infolge der Erklärung der Negierung nicht auf den vorliegenden Gesetzesentwurf eingehen sollten. Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Gesetzesentwurf die General-Debatte. Dr. Waibel: Wir haben sehr viel Worte gehört- aber die eigentliche Wahrheit haben wir nicht vernommen. Man hat schon wiederholt von der anderen Seite des h. Hauses die lauteste Versicherung gehört, dass man es mit der Statuierung der Volksrechte ernstlich meine und dieselben auf die breiteste Grundlage zu stellen bereit sei; wenn es sich aber darum handelt, wirklich etwas Derartiges zu leisten, dann sind eine Anzahl Ausflüchte vorhanden, um auszuweichen. Nach der einen Seite gibt man, nach der andern lehnt matt ab, und erklärt es für unmöglich. Es ist gesagt worden, dass diese Wahlreform, die uns vorliegt, genau nach den Beschlüssen des letzten Landtages verfasst sei. Ich muss aber bemerken, dass diese Beschlüsse wenigstens in den Punkten 4 und 5 nicht einstimmig gefasst wurden. Für die Beschränkungen des Wahlrechtes auf männliche Personen sind wir eingestanden und haben wiederholt Anlass genommen in den abgelaufenen Sessionen, auf die Übelstände des Vollmachtswesens hinzuweisen, und es als Pflicht erklärt, diesem Übelstande, wo es möglich ist, auf dem Wege der Gesetzgebung abzuhelfen. Nun diesem vollkommen berechtigten Wunsche ist hier allerdings Rechnung getragen worden. Auch ein Punkt, die öffentliche Stimmabgabe nämlich wurde fallen gelassen und ist die geheime Stimmabgabe ausgenommen worden. Ich glaube auch, bass die Regierung eine Wahlordnung, welche diese Bestimmung nicht enthalten würde, gewiss nicht mehr acceptieren würde. Sie ist ja auch bei uns nichts Neues, wir haben sie ja in der Gemeindewahlordnung schon längst. Auch ihre Einführung »für Landtagswahlen ist, ich erinnere mich noch wohl daran, in einer Landtagssession der sechziger Jahre in Verhandlung gestanden, merkwürdigerweise aber ist man bei der öffentlichen Abstimmung stehen geblieben und konnte sich nicht entschließen, die geheime Stimmabgabe einzuführen, obwohl sie bei den Gemeindewahlen allenthalben bereits eingeführt war. Geheime Stimmabgabe und Beschränkung des Wahlrechtes auf eigenberechtigte männliche Personen sind somit zugestanden. Das ist aber auch Alles. Jeder weitere Fortschritt wird in diesem Entwurf ausgeschlossen. Ich habe schon voriges Jahr erklärt, und erkläre es Heuer wieder, dass nach meiner Ansicht es am richtigsten wäre, wenn man schon überhaupt eine wirkliche Reform in die Hand nehmen will, die Regierungsvorlage vom Jahre 1871 zur Grundlage zu nehmen. Diese Vorlage bestimmt für jeden einzelnen Abgeordneten der Landgemeinden einen abgesonderten Wahlkreis, was gewiss vernünftig wäre ; ferner schreibt sie auch für die Landgemeinden directe Wahlen vor. (Rudigier: Und für den Großgrundbesitz.) Den haben wir nicht, den brauchen wir also auch im Gesetze nicht, das ist klar. ^Es ist ja gar nicht 'zu begreifen, warum die Bevölkerung von Lustenau, eine sehr gewerbsfleißige, höchst intelligente Bevölkerung, nicht berechtigt sein sollte, ihr Wahlrecht nicht direct auszuüben, wie die Gemeinden Dornbirn, Feldkirch und andere. Das ist jedenfalls ein engherziger Standpunkt und nur auf diesem Wege, dass man nämlich die Vorlage vom Jahre 1871 zur Grundlage genommen hätte, hätte man auch dem leicht abhelfen können und hätten Sie auch gezeigt, dass es Ihnen Ernst gewesen, eine richtige, zeitgemäße, der Bevölkerung angemessene Reform zu unternehmen. Aber dazu hat man den Muth nicht gehabt. Nicht einmal der ganz bescheidene Vorschlag, das Listenskrutinium wenigstens dadurch etwas abzuschwächen, dass man die jetzigen Wahlbezirke spaltet und aus dreien sechs macht, nicht einmal diese Reform ist angenommen worden, obwohl sie gewiss im Wunsche der Bevölkerung gelegen wäre. Wenn auch in diesem Sinne keine Petitionen eingelaufen sind, so ist das doch nicht immer maßgebend. Wir haben hier im Hause eine Tanzordnung IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VT. Session der 7. Periode 1896. 101 beschlossen, ich habe damals gefragt, ob vielleicht die eine oder die andere Landgemeinde diesbezügliche Wünsche oder ein Bedürfnis nach einer solchen Tanzordnung ausgesprochen habe. Keine Stimme hat sich erhoben und dennoch hat man es als eine dringende Nothwendigkeit und unaufschiebbares Gesetz erklärt. Hier aber, wenn man aufrichtig fein will, so hätte man nicht warten müssen, wir können in diesem Punkte Alle die Meinung und Gesinnung des Volkes, dem wir angehören und dessen Interessen wir hier vertreten. Ich glaube, dass wir Alle, wenn man aufrichtig sein will, sagen müssen, dass es dem Volke nicht angemessen ist diese großen Wahlkreise länger aufrecht zu erhalten. Nicht einmal diesem bescheidenen Vorschläge die Wahlkreise zu spalten und dadurch ein lebhafteres Interesse in das Wahlwesen zu bringen, nicht einmal diesem ist man entgegengekommen, das ist der beste Beweis, dass es den Herren gar nicht ernst ist mit der ganzen Geschichte. Was über die neue Curie gesagt wurde, so können wir füglich darüber hinweggehen. Das ist ein Zukunftstraum. Wir kennen ja den Inhalt dieser Regierungs-Vorlage über die Reichsrathswahlreform noch gar nicht. Wir kennen nur etliche Zeitungsnachrichten. Wir müssen also warten bis wir den wirklichen Inhalt kennen lernen und müssen uns dann orientieren, ob seitens der Negierung auch in diesem Sinne eine Abänderung der Landtagswahlreform beabsichtiget und gewünscht wird. Auf das ist jetzt gar nicht einzugehen. Den Erklärungen der Negierung zufolge, die doch beim Zustandekommen des Gesetzes einen nicht unwichtigen Factor spielt, ist es allerdings nicht zu erwarten, dass das, was hier voraussichtlich beschlossen wird Gesetzeskraft erlangt; demungeachtet halte ich es für zweckmäßig, dass uns Gelegenheit gegeben wird, wenigstens akademisch über die Sache uns auszusprechen. Die Wahlreform ist eine so wichtige Landesangelegenheit, dass wir über dieselbe auch längere Zeit sprechen und nach allen Richtungen über die Erfordernisse und Zweckmäßgikeit einer solchen Gesetzesarbeit discutieren können. Das Material, das hiedurch gewonnen wird, kann der Regierung doch nur angenehm sein. Wenn die Regierung die Vertagung derselben als Wunsch ausspricht, so verliert sie dabei nichts. Sie kann das Materiale, welches hier ausgearbeitet wird, ja einstweilen liegen lassen. Ich habe von vorneherein die Erklärung abgegeben, dass ich bei der dritten Lesung aus den Gründen, welche ich angedeutet habe, gegen das Gesetz stimmen werde. Ich behalte mir aber vor bei einzelnen Paragraphen Bemerkungen zu machen. Joh. Thurnher: Es war zu erwarten, dass mein unmittelbarer Herr Vorredner die vom Regierungstische gefallene Bemerkung, dass nämlich die Regierung, wie sie schon im Ausschüsse erklärt, an dem Zustandekommen dieses Gesetzes momentan kein besonderes Interesse hat, aufgreifen wird, um daraus für seine Ansicht Capital zu schlagen. Aber ich beurtheile die Erklärung der Regierung von einem andern Gesichtspunkte. Die Regierung hat jetzt im Reichsrathe und in Niederösterreich, dann gegenüber dem ungarischen Ausgleiche und insbesondere mit der Reichsrathswahlreform, die sie einmal bringen soll, so viel zu schaffen und zu sorgen, dass ihr vielleicht gar nicht zu verübeln ist, wenn sie sich an den Wahlreformbestrebungen in den Landtagen momentan nicht betheiliget. Zunächst wird der Regierung daran liegen, — um bloß vom Wahlreformgebiete zu sprechen — mit dem von ihr eingebrachten Wahlreformentwurfe im Reichsrathe durchzudringen. Wenn es ihr hiebei gut geht, so wird sie auch die eingelaufenen Landtagswahlreformen der verschiedenen Länder — ich weiß nicht, wie es damit in andern Ländern steht — prüfen und Zeit haben zu prüfen, um zu sehen, ob die Grundsätze und Bestrebungen, die sie einmal dort verwirklichen wird, mit denen, welche die Vorlagen der Landtage bieten, nicht im grellen Wiederspruche stehen, und in wie weit etwa Abweichungen in den gegenwärtigen Landtags - Wahlordnungen ausgenommen sind, welche jenen Grundsätzen widersprechen, über die Bestrebung des Herrn Abg. Dr. Waibel, die Landtagswahlkreise zu theilen, habe ich schon in der früheren Debatte Gelegenheit gehabt, mich auszusprechen und will mich jetzt in diesen Punkt sachlich weiter nicht einlassen. Dass er glaubt, dass bei einer Zweispaltung der gegenwärtigen Wahlbezirke wirklichere Vertreter herauskommen, als jetzt, das hat er uns trotz langer Auseinandersetzung nicht bewiesen. Interessanter als das, was Dr. Waibel gesagt hat, ist das, was er verschwiegen hat von der gegenwärtigen Vorlage. Er als ein Genosse 102 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 7. Periode 1896. derjenigen Partei, die sehr viel das Volkswohl im Munde führt, begrüßt es hier nicht — wenigstens nicht öffentlich, ob im Stillen, weiß ich nicht, — dass eine bedeutende Wahlrechtserweiterung in der Herabsetzung des Census liegt. Er hat kein Wort erwidert auf die Forderung des Berichterstatters und die vorzügliche Begründung derselben, dass es eigentlich gerechtfertigt wäre, jeden Census aufzuheben. Ich begrüße gerade den Umstand, dass man in der Herabsetzung des Census soweit vorgegangen ist, was gewiss als ein bedeutender Fortschritt des Wahlrechtes zu betrachten ist. Die Vorlage nähert sich immer mehr und mehr dem berechtigten Begehren nach allgemeinem Stimmrechte aller männlichen Personen. Fink: Der Berichterstatter hat bereits hervorgehoben, dass wir uns hier im Landtage schon seit dem Jahre 1890 alle Jahre mit der LandtagsWahlreform beschäftiget haben. Dieses und wohl auch der Umstand, dass dermalen schon seit längerer Zeit in der ganzen Welt von verschiedenen Wahlreformen die Rede ist, hat in mir den Entschluss gezeitigt, über Wahlgesetze und Wahlreformen möglichst eingehend zu studieren, soweit ich es eben zustande brachte. Ich sage es Ihnen ganz offen, ich habe das ohne jede Voreingenommenheit gethan, ohne hiebei den politischen Standpunkt im Auge zu haben, der so mehr oder weniger heute schon hereingezogen worden ist. Ganz abgesehen davon habe ich versucht, mir eine Anschauung zu bilden, wie die künftige Landtagswahlordnung bei unseren dermaligen Verhältnissen etwa aussehen sollte. Ich will gleich im vorhinein bemerken, dass ich mich hierüber wiederholt ausgesprochen habe, dass die öffentlichen Wahlen beizubehalten seien. Ich hätte von dem nichts gesagt, wenn nicht Herr Abg. Dr. Waibel so sehr hervorgehoben hätte, dass das nicht am Platze sei. Ich habe aber voriges Jahr gegen meine diesfällige Anschauung dem Beschlusse beigestimmt, dass man geheime Wahlen einführe. Ich habe hauptsächlich deshalb dazu mich Herbeigelassen, weil man von allen Seiten des h. Hauses gesagt hat, es würde die angestrebte Wahlreform eher sanctioniert werden, wenn man die geheime Wahl einführe. Dann ist noch ein anderes Moment hinzugekommen für die Einführung der geheimen Wahl. Dieses Moment ist, dass man den Census von 5 auf 1 fl. heruntersetzte. Dadurch wird einer großen Zahl kleinerer Leute das Wahlrecht eingeräumt. Es ist doch immerhin anzunehmen, dass die kleineren Leute, wenn also unter 5 fl. herabgegangen wird, sich vielleicht weniger getrauen würden, das öffentliche Wahlrecht auszuüben. Es ist ja bekannt, wie bei Wahlen vorgegangen, was für ein. Einfluss da oft genommen wird. Bei den kleineren Leuten könnte da eher ein Einfluss ausgeübt werden, als bei den bester Situierten. Es hat schon der Herr Abg. Joh. Thurnher hingemiesen, dass Herr Dr. Waibel bloß gemeint hat, man sei nur auf 2 im Vorjahre einstimmig angenommene Grundsätze eingegangen, nämlich auf die geheime Wahl und Ausschließung des Vollmachtwesens. Es ist aber auch einstimmig die Herabsetzung des Census von 5 fl. auf 1 fl. angenommen worden. Insoferne ist eine Berichtigung der Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Waibel nothwendig. Ich will auch beifügen, dass damals von beiden Seiten des hohen Hauses gesagt wurde, weiter herunter könnte man nicht gehen. Besonders Herr Abg. Dr. Waibel hat hervorgehoben, man sei schon zu weit herunter gegangen, wenn man die Sanction des Gesetzes beabsichtige. Die Herren, die von Wien gekommen sind, haben ja gesagt, ein weiteres Heruntergehen im Census wäre nicht am Platze, wenn man wünsche, dass die beabsichtigte Wahlreform nicht bloß eine ideale Kundgebung sei, sondern dass sie überhaupt einen realen Charakter annehme und zum Gesetze werde. Deshalb bin ich auch dafür eingestanden und stehe heute noch aus ebendemselben Grunde dafür ein, dass dieser Census bleibe. Es hat gerade auch der Herr Abg. Dr. Waibel gesagt, die Gerüchte, die von Wien kommen und aus denen man entnehmen könnte, dass die Regierung jetzt einen ablehnenden Standpunkt gegen die Einführung der directen Wahl nicht mehr einnehme, seien nicht officiell, sondern nur Zeitungsnachrichten, und daher sei ihnen nicht zu trauen. Deshalb besteht auch für mich der vorjährige Standpunkt. Ich sage ganz offen, ich würde ganz gut bereit sein, den Census ganz abzuschaffen. Ich habe mich diesfalls schon früher ausgesprochen. Ich kann mir nie beifallen lassen, dass Einer erst dann gescheidt genug zum Wählen ist, wenn er 5 oder 1 fl. Steuer zahlt. Es muss denn doch auch das persönliche Moment in Betracht gezogen werden. IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 7. Periode 1896. 103 Wenn ich so über eine zweckmäßige Landtagswahlreform nachgedacht habe, so habe ich mir als obersten Grundsatz vorgestellt, dass die Wahlordnung so sein solle, dass auf Grund derselben ein möglichst guter, den Verhältnissen der Bevölkerung entsprechender Landtag zustande komme. Das war mein leitender Grundsatz- Ich habe mich dann gefragt, wie soll die Landtagswahlordnung aussehen, damit dies thunlichst erreicht werde. Darauf habe ich mir geantwortet, das wird höchstens dann der Fall sein, wenn die einzelnen Berufs stände in möglichst entsprechender, gleichmäßiger Weise im Landtage vertreten sind. Ich will mich näher aussprechen. Wenn der Stand der Gelehrten, alle akademisch Gebildeten und meinetwegen auch der Lehrerstand eine Anzahl von Vertreter hier im Landtage haben, so glaube ich, es sollte dann auch in entsprechender Weise der Handels-, Gewerbe- und Bauernstand hier vertreten sein. Ich würde es demnach für das allerbeste halten, wenn diese einzelnen Stände ganz selbständig ihre Vertreter aus ihrer Mitte in den Landtag entsenden. Das wäre nach meinem Dafürhalten ganz gut zu bewerkstelligen, wenn für die einzelnen Stände Berufsgenossenschaften — ich meine aber nicht freiwillige, sondern obligatorische Berufsgenossenschaften — (Joh. Thurnher: gesetzliche.) vorhanden wären. Ich habe schon früher im Jahre 1894 dieser Anschauung Ausdruck gegeben. Es hat mich sehr interessiert, als der frühere Ackerbauminister, Se. Excellenz Graf Falkenhayn, einen Gesetzentwurf einbrachte, welcher die Bildung von Berufsgenossenschaften der Landwirte bezweckte. Ich habe mir gedacht, es müsse einmal so kommen. Die einzelnen Stände werden sich in Berufsgenossenschaften zusammenthun. Dass der Zug der Zeit heute darnach gerichtet ist, sehen wir auch auf andern Gebieten, z. B. der Gewerbestand fühlt auch bereits dieses Bedürfnis. Man will Genossenschaften gründen und gründet auch wirklich solche Vereinigungen. Aber es ist nicht die Verpflichtung dabei, dass Alle dabei sein müssten. Wenn das einmal gesetzlich eingeführt wäre, so würde das, glaube ich, sehr einfach sein, dass diese einzelnen Berufsgenossenschaften eine entsprechende Anzahl Abgeordneter aus ihrer Mitte in den Landtag entsenden würden. Ein solcher Abgeordneter könnte dann wohl seinen Stand in richtiger und möglichst entsprechender Weise im Landtage vertreten. Es würde dann nicht eine Summe von sogenannten Willensübertragungen stattfinden, wie das heute irrthümlicher Weise gedacht ist, indem man vielfach glaubt, man könne dem Abgeordneten den Willen einzelner Individuen ^übertragen, welche Individuen den verschiedenen Ständen, dem Gewerbe-, Bauern-, Gelehrtenstand u.s.w., angehören. Bei der Wahl durch die Berufsstände hätte der betreffende Abgeordnete dann zunächst die Interessen seines Standes, die er am besten kennen würde, zu vertreten. Da ist dann das auch gar keine Frage mehr, ob Alle wählen können. Wenn diese Berufsgenossenschaften bestehen würden, so sollten dann Alle wählen, welche männlichen Geschlechtes, 24 Jahre alt sind und denen kein Hindernis nach dem Strafgesetze entgegensteht. Es würde mich absolut nicht genieren, dass sie direct wählen würden. Ich wäre vielmehr entschieden dafür, dass in diesem Falle die Ange- hörigen der einzelnen Berufsgenossenschaften direct ihre Wahlen ausüben sollten. Nun haben wir bekanntlich diese Einrichtung nicht. Weil wir sie noch nicht haben, so habe ich mich weiter gefragt, wie soll dann das Wahlrecht eingerichtet werden, damit wir diesem Ideale der gleichmäßigen, zweckentsprechenden Ständevertretung am nächsten kommen? Kann man diesem Ideale näher kommen mit directem Wahlrechte-und Einzelwahlkreisen oder mit indirectem Wahlrechte und Beibehaltung von größeren oder kleineren Wahlkreisen? Ich meine gefunden zu haben, dass diesem Ideale gewiss mehr Rechnung getragen werden kann bei indirecten Wahlen und größeren Wahlkreisen. Nach meiner Anschauung, ist das ganz selbstverständlich. Bei der indirecten Wahl, wo also in einem Wahlkreise alle Abgeordneten von den Wahlmännern auf einmal gewählt werden, kommt es hauptsächlich auf die Einsicht, die gute Leitung und Organisation der betreffenden Partei und auf die nothwendigen Unterhandlungen und Berathungen der einzelnen Wahlmänner an, dass der gedachten Vertretung der Standesinteressen Rechnung getragen werde. Möglich ist es in dem Falle ganz gut. Ich will ja nicht leugnen, dass auch vielleicht von unserer Seite diesfalls nicht immer ganz richtig vorgegangen worden ist, dass dieses Moment, nämlich im Landtage die einzelnen Stände in entsprechender Weise zu 104 IX. Sitzung des vorarlberger Landtages. VI. Session, 7. Periode 1896. vertreten- nicht immer genügend zum Ausdruck gekommen ist. Ich widerspreche dem nicht, daher wäre ich dafür, dass in Zukunft diesem Punkte möglichst Rechnung getragen würde. Nehmen wir z. B. unsern Bezirk Bregenz-Bregenzerwald; da könnten sich ja die Wahlmänner sehr gut einigen, dass ein Candidat aus dem Gewerbestande, dann einer aus dem Gelehrtenstande, sei es ein Geistlicher, ein Doctor oder ein Advokat, ein anderer aus dem Handelsstande und einer aus dem Bauernstande aufgestellt würde. Ein fünfter wäre da immer noch zu vergeben, damit nicht etwa ein größerer Theil des Wahlkreises keinen Abgeordneten hätte, und damit irgend ein Stand, der vermöge der Anzahl seiner Mitglieder oder wirtschaftlicher Bedeutung ein größeres Interesse hat, als die anderen Stände, den betreffenden Abgeordneten bekäme. Und so sollte auch in gleicher Weise in den anderen Bezirken vorgegangen werden. Nun wird man mir aber sagen, das ist Alles sehr schön, das könnte auch bei directen Wahlen und Einzelwahlkreisen gemacht werden. Diese Anschauung habe ich durchaus nicht. Ich meine, dass diejenigen, die solches behaupten, sich es nicht überlegt haben oder es nicht Ernst nehmen. Ich bin vielmehr der Anschauung, dass, wenn wir, sagen