18960129_lts012

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Letzte Änderung 03.07.2021, 10:56
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp07,lts1896lt1896,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 12. Sitzung am 29. Januar 1896, unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 20 Abgeordnete. Abwesend: Herr Johannes Thurnher. Regierungsvertreter: Herr Hofrath Graf St. Julien-Wallsee. Beginn der Sitzung 11 Uhr 5 Min. Vormittags. Landeshauptmann: Die Sitzung ist eröffnet und ich ersuche um Verlesung des Protokolles der letzten, am 27. Januar abgehaltenen Sitzung. (Secretär verliest dasselbe.) Wird gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung erhoben? — Es ist dies nicht der Fall, ich betrachte somit dasselbe als genehmiget. Es ist mir ein Einlaufstück zugekommen, welches eine rasche Erledigung finden kann, nämlich eine Eingabe der Parcellen - Bewohner von Fischbach in Angelegenheit der Straße nach Buch, worin sich dieselben gegen die Behauptungen der Gemeindevorstehung Alberschwende aussprechen und verwahren. Ich glaube, nachdem der Bericht über diese Straßenangelegenheit bereits verificiert ist, so kann die Sache einfach in der Weise behandelt werden, dass ich dieses Gesuch dem Herrn Berichterstatter übermittle, der im Verlauf der Debatte davon Gebrauch machen kann oder auch nicht. Ich glaube, dass das h. Haus damit einverstanden ist. Bevor wir zur Tagesordnung übergehen, ertheile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Waibel zur Geschäftsordnung das Wort. Dr. Waibel: Mit Rücksicht auf den Beschluss, der in der letzten Sitzung in Betreff der Polizeistunde gefasst worden ist, möchte ich auf Folgendes aufmerksam machen. 164 XII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session, 7. Periode 1896. Im Gesetze vom Jahre 1862, womit grundsätzliche Bestimmungen zur Regelung des Gemeindewesens vorgezeichnet werden, steht im Artikel V, der von dem Umfange des selbständigen Wirkungskreises der Gemeinden handelt, ausdrücklich im Punkte 7 nur die Sittlichkeitspolizei angeführt. In diesem Reichsgesetze ist die Überwachung der Gast- und Schankgewerbe und die Handhabung der Polizeistunde nicht ausgenommen. Es wird somit nach meiner Auffassung kein Hindernis haben, wenn der Landesausschuss den gestellten Antrag ohne weitere Verzögerung in Angriff nehmen will. Landeshauptmann: Wir gehen nun zur Tagesordnung über. Auf derselben steht als erster Gegenstand der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über das Gesuch der Gemeinde Au um Subvention zur Wegbauvollendung der Au-Damülser Straße. Ich ersuche den Herrn Berichterstalter Fink, das Wort zu ergreifen. Fink: Wie die Herren aus dem Berichte ersehen, hebt die Gemeinde Au in ihrem Gesuche hervor, dass sie schon in dem letzten Jahre bedeutende Kosten mit der Erstellung einer neuen Fahrstraße nach Damüls gehabt habe. Man ersieht aus demselben, dass sie nahezu 5500 fl. an Kosten aufgewendet hat. Ferner ersehen Sie aus dem Berichte, dass die Gemeinde Au auch für die Zukunft, für dieselbe Straßenstrecke noch Kosten im Betrage von 3000 fl. bis 3500 fl. zu erstehen haben wird. Die Gemeinde Au führt in ihrem Gesuche weiters aus, dass diese Kosten sehr drückend seien; man ersieht dies wohl am besten aus dem schnellen Anwachsen der Umlagsprocente dieser Gemeinde in den letzten Jahren, ein Umstand, der die Bestreitung der Kosten für die Au-Damülser Straße seitens der Gemeinde als eine schwere erscheinen lässt. Der volkswirtschaftliche Ausschuss glaubte daher, es solle dem Gesuche entsprochen und der Gemeinde Au ein Beitrag bewilliget werden; dieser Beitrag aber soll nicht zunächst für die bereits stattgefundenen Arbeiten gewährt werden, sondern vielmehr für die in Aussicht genommenen. Dadurch übt der Landtag einen gewissen Einfluss aus, dass die noch auszuführenden Arbeiten richtig erstellt werden. Wenn man nun dies tn’8 Auge fasst, dass man also noch für die auszuführenden Kosten von 3000 bis 3500 fl. einen Landesbeitrag von 1000 fl. in Anschlag bringt, so dürfte derselbe gegenüber anderen Landesbeiträqen, welche man anderen Gemeinden oder Genossenschaften gewährt, etwas zu hoch erscheinen. Ich muss daher ausdrücklich aufmerksam machen, dass bei der Festsetzung der Höhe des Betrages der volkswirtschaftliche Ausschuss auch in Berücksichtigung gezogen hat, dass die Gemeinde Au in den letzten Jahren schon sehr viele Ausgaben in dieser Straßenangelegenheit gehabt hat; er glaubte daher auch, dass es gerechtfertiget erscheine, wenn der Gemeinde Au für zwei Jahre, nämlich für die Jahre 1896 und 1897 eine Jahresrate von je 500 fl., also zusammen eine Summe von 1000 fl. als Unterstützungsbeitrag gewährt werde. Ich möchte daher den Antrag des volkswirtschaftlichen Ausschusses zur Annahme empfehlen. Der Antrag lautet. (Liest denselben aus Beilage XLI.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag die Debatte. — Nachdem sich Niemand zum Worte meldet, schreite ich zur Abstimmung. Ich ersuche jene Herren, welche mit dem Antrage des volkswirtschaftlichen Ausschusses einverstanden sind, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Der zweite Gegenstand der Tagesordnung ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses, betreffend das Gesuch von vier Parcellen der Gemeinde Nenzing um Gewährung einer Subvention zu den Wuhrbauten an der Ill und am Galinabache. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Martin Thurnher, das Wort zu ergreifen, und nachdem er auch für den nächsten Gegenstand als Berichterstatter fungiert, so wolle er sich gefälligst zum Berichterstattertisch begeben. Martin Thurnher: Die Angelegenheit der Illregulierung ist dem h. Hause nach jeder Richtung XII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session, 7. Periode 1896. 165 hin bekannt. Es ist in der heurigen und verflossenen Session diese Angelegenheit besprochen und sind darüber Beschlüsse gefasst worden, so dass ich mich weiterer Ausführungen enthalten kann. Es soll eine weitere Strecke der Ill in den zur Gemeinde Nenzing gehörigen Parcellen Motten, Mariex, Mittelberg und Gurtis der Regulierung unterzogen werden. Diese vier kleinen Parcellen sind aber nicht in der Lage, die Baukosten selbst aufzubringen und haben sich daher an den Landesausschuss gewendet, um Erwirkung einer Staats- und Landessubvention. Der Bericht schildert übrigens die Sachlage in ausführlicher Weise, und es bleibt mir nur übrig namens des volkswirtschaftlichen Ausschusses folgende Anträge zu stellen. (Liest die Anträge aus Beilage XLV.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag die Debatte. — Nachdem sich Niemand zum Worte meldet, kann ich zur Abstimmung schreiten und zwar über beide Anträge unter Einem. Ich ersuche jene Herren, welche mit den Anträgen einverstanden sind, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Wir kommen nun zum dritten Gegenstand der Tagesordnung, nämlich zum Berichte des volkswirtschaftlichen Ausschusses, betreffend den ungarischen Ausgleich. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter das Wort zu ergreifen. Martin Thurnher: Ich habe bereits bei der ersten Lesung dieses Gegenstandes Gelegenheit gehabt, meine Anschauungen hinsichtlich unseres Verhältnisses zu Ungarn, in ausführlicher Weise darzustellen. Ich enthalte mich daher vorläufig weiterer Ausführungen und stelle namens des volkswirtschaftlichen Ausschusses folgenden Antrag. (Liest den Antrag aus Beilage XL1V.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag die Debatte. Dr. Waibel: Ich muss zuerst zurückkommen auf die Begründung, welche seinerzeit zum Anträge gegeben wurde, und erst dann werde ich auf den eigentlichen Gegenstand des Berichtes, der uns vorliegt, zu sprechen kommen. Es war vorauszusehen, dass die Gelegenheit über den ungarischen Ausgleich zu sprechen benützt werden würde, um gewisse Parteianschauungen zum Ausdrucke zu bringen, welche hier nicht zum ersten Male ausgesprochen wurden, sondern welche auch in anderen Körperschaften schon oft wiederholt worden sind. Was wir zunächst in Betracht ziehen wollen, ist die Differenz der ungar. Regierung mit dem apostolischen Nuntius. Der apostolische Nuntius nimmt, wie ein anderer Gesandter, eine völkerrechtliche Stellung ein. Die Nuntien stammen aus der Zeit her, in welcher der römische Stuhl sich noch im Besitze eines Territoriums befand, über welches er als souveräner Herrscher gleich anderen Herrschern regierte, wo er also den übrigen Potentaten coordiniert war. Meines Wissens ist die völkerrechtliche Stellung der Nuntien auch heutzutage dieselbe. Ihre Mission ist nicht konfessionelle Glaubensinteressen zu vertreten; dafür sind meines Wissens die Bischöfe da, welche selbst in unmittelbarem Verkehre mit dem heiligen Vater in diesen Angelegenheiten stehen und diesen Verkehr ungehindert vom Staate ausüben können. Diese Herren haben auch von Gesetzeswegen und von Staatswegen Sitze ex offo in den Vertretungskörpern des Staates, und haben auch dort Gelegenheit die Glaubens-Interessen zu vertreten. In Anbetracht dessen glaube ich, dass die Stellung des Nuntius eine internationale, völkerrechtliche ist, welche mit der Confession nichts zu thun hat. Wenn nun ein solcher Vertreter, sei es der Vertreter des hl. Vaters, oder der Vertreter einer weltlichen Macht, in seiner Stellung etwas unternimmt, wodurch sich die betreffende weltliche Macht, bei welcher derselbe accrediriert ist, verletzt fühlt, worin sie glaubt, es sei ein Übergriff des betreffenden Vertreters gegenüber der staatlichen Gewalt unternommen worden, wenn so etwas unternommen wird, so kann der betreffenden Regierung daraus ein Vorwurf nicht gemacht werden. Der betreffende Vertreter hat eben die Folgen zu tragen, wenn er sich wirklich etwas Ungehöriges zu Schulden kommen lässt. Wir sind nicht in der Lage zu prüfen und zu untersuchen, was zur Differenz zwischen der ungarischen Regierung und den 166 XII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 7. Periode 1896. Vertretern des römischen Stuhles geführt hat; ich will daher auch mich länger nicht aufhalten, weil das mit der ganzen Sache nichts zu thun hat. Dann ist auch eine Persönlichkeit genannt und sind geschichtliche Ereignisse mit derselben in Verbindung gebracht worden, welche uns vom politischen Standpunkte aus näher stehen, und das ist die Erwähnung des Grafen Beust. Es ist auch hier, wie das wiederholt anderswo vorgekommen, vorgetragen und gesagt worden, dass Beust der Schöpfer des sogenannten ungarischen Ausgleiches sei. Das ist eine geschichtliche Unrichtigkeit. Wer sich jene Zeit vergegenwärtiget, wo unser constitutionelles Leben begonnen hat, nämlich in den Jahren 1861 und 1862, der wird sich erinnern, dass damals in der ersten Zeit Schmerling an der Spitze unserer staatlichen Geschäfte stand. Nach der damals erlassenen Verfassung hätten die Ungarn gleich den übrigen Kronländern in Wien zusammentreten und sich versammeln sollen, um das gesammte Reich zu vertreten. Die Ungarn sind jedoch, gestützt auf ihre frühere Geschichte auf diese Einladung nach Wien zu kommen nicht eingegangen. Schmerling hat, nachdem man längere Zeit gewartet hat, den historischen Spruch gemacht: „Wir können warten." Wir haben gewartet, bis zum heutigen Tage, sie sind aber nicht gekommen. Die Ungarn haben sich gedacht, wir können auch warten, wir gehen nicht nach Wien. Als die Verfassung sistiert wurde, im Jahre 1865 unter den Ministerium Belcredi, da sind die Ungarn politisch auf einmal sehr rührig geworden. Wer sich in jene Zeit zurückdenken kann, wird sich noch erinnern an jene interessanten Adress-Debatten, welche im Februar 1866 im ungarischen Landtage stattgefunden haben, an jene berühmten und interessanten Debatten, in welchen Deak der Führer der Ungarn die erste, maßgebendste Rolle spielte, Deak, der vom Kaiser und der Kaiserin auf das höchste gehuldigte Vertreter des ungarischen Landes. In jener Adress-Debatte, welche viele Tage in Anspruch nahm, und alle Kreise, die ein politisches Interesse hatten, auf das höchste berührte, wurden verlangt folgende Dinge: „Wir verlangen erstens eine parlamentarische Regierung, zweitens ein verantwortliches Ministerium und drittens verfassungsmäßige Wiederherstellung und Selbständigkeit der Municipien." Es ist allerdings auf diese Forderung seitens des Kaisers nicht sofort eingegangen worden. Er gab den Ungarn sowohl als den Croaten, welche zur gleichen Zeit in ihrem Landtage die Verfassungsfrage verhandelt hatten, mündlich ausweichende Bescheide. Aber in dem bald darauf an die Ungarn gerichteten Rescripte erscheint bereits eine andere Auffassung. In diesen! Rescripte wurde nicht mehr jene ablehnende Haltung eingenommen und bereits auf den Gedanken eines eigenen verantwortlichen Ministeriums eingegangen. Die Sache blieb natürlich nicht liegen. Das ungarische Unterhaus wählte bald nach den berühmten Februar-Debatten den sogenannten 67er Ausschuss, welcher die Aufgabe erhielt, die Regelung der zwischen Ungarn und den übrigen Ländern gemeinsamen Angelegenheiten vorzuberathen. Dieser Ausschuss hat eine bedeutende Rolle gespielt, und dass der Kaiser die Arbeiten dieses Ausschusses mit großem Interesse verfolgt hat, geht aus dem Umstande hervor, dass er am 26. April 1867 einer Deputation des ungarischen Oberhauses gegenüber erklärte, er wünsche die Beschleunigung der Unterbreitung des Vereinbarungsentwurfes betreffend die gemeinsamen Angelegenheiten. Dieser 67er Ausschuss hatte, wie das begreiflich war, sich nicht in pleno mit der Sache befasst, sondern aus sich selbst einen 15er Ausschuss niedergesetzt, und dieser 15er Ausschuss wurde am 25. Juni mit seinen Arbeiten fertig. Wenn Sie die Punktationen, welche dieser 15er Ausschuss ausgearbeitet hat, nachsehen, so werden Sie finden, dass dieselben fast Wort für Wort mit den jetzt geltenden Bestimmungen gleichlautend sind. Am 17. Juli veröffentlichte Deak in dem „Pesti-Napli" einen nicht zwar langen, aber höchst lesenswerten Artikel über die politische Lage Ungarns, voll politischer Wärme, voll Ruhe und Ernst, aber voll des schwersten Nachdruckes, wie das zu sprechen und zu schreiben nur diesem Manne eigen war. Tags darauf war Deak in Wien und unterhandelte mit dem Ministerium über die Einsetzung eines ungarischen Ministeriums und über die Regelungen der gemeinsamen Angelegenheiten, und man kann annehmen, dass diese Unterredungen eigentlich die Grundlage geworden sind für die späteren parlamentarischen Verhandlungen, betreffend die Regelung der Dinge zwischen Ungarn und der diesseitigen Reichshälfte. XII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session, 7, Periode 1896. 167 Meine Herren! Zu jener Zeit war der Herr Beust noch nicht Graf, sondern Freiherr, und nicht österreichischer Minister, sondern noch Minister des Königs von Sachsen. Freiherr v. Beust ist erst mit Allerhöchster Entschließung vom 30. October 1866 an die Spitze der Geschäfte nach Österreich berufen worden. Es ist also wohl eine Ironie, wenn man immer noch sagt, Beust habe den Ausgleich gemacht. Das ist ja ganz richtig, dass das, was längst auf dem bezeichneten Wege vereinbart und vorbereitet war, er als oberster Staatsbeamter in seinem Bureau ausführen musste. Das hat seine Richtigkeit, aber der Schöpfer des Ausgleiches ist Beust nicht gewesen. Das ist ein historisches Falsum! Nun nach dieser geschichtlichen Exeursion gehen wir auf die Hauptsache selbst über. Seit dem Bestande des Ausgleiches ist Ungarn ein höchst selbständiger Staat geworden, vielleicht selbständiger, als er sich damals geträumt hat, als er die ersten Anläufe dazu im Jahre 1866 gemacht hat, vielleicht selbständiger als Deak sich gedacht hat, der an diesem Ausgleiche in vorderster Linie mitgeholfen hat. Er ist aber nicht bloß selbständiger geworden, sondern er hat auch eine wachsende Kraft entwickeln können, in materieller und anderer Richtung. Es ist eine Reihe verständiger patriotischer Männer in diesem Lande immer wieder auf die Oberfläche gekommen, welche es mit der Wohlfahrt des Landes ernst nahmen, welche es verstanden haben, durch Zusammenwirken mit Gleichgesinnten dem Lande einen immer festeren Boden zu verschaffen. Nun ist es begreiflich, dass angesichts dieses Wachsthums der Wohlfahrt Ungarns die anderen Länder zur Frage kommen, ob es unter diesen Umständen richtig sei, das Quotenverhältnis und andere Dinge, die von 10 zu 10 Jahren vereinbart worden sind, in der Weise aufrecht zu erhalten, wie es bisher geschehen ist. Diese Frage ist angesichts der jetzt vor uns stehenden Verhandlungen eine ganz brennende geworden. Im Reichsrathe hat in letzter Zeit, als wir versammelt waren, keine Partei es unterlassen, auf diese Frage zu sprechen zu kommen, jede Partei ohne Unterschied war bemüht, den Standpunkt einzunehmen, dass das Verhältnis, wie es bisher bestanden hat, nicht mehr den gegenwärtigen Verhältnissen entspreche, und dass die Regierung auf die Verhandlungen mit Ungarn allen Einfluss und Nachdruck anzuwenden habe, um dieses Missverhältnis zu beseitigen und ein gerechteres Verhältnis einzuführen. Ich gebe zu, dass die Regierung, nachdem sie von allen Parteien des Reichsrathes diese Aufforderung in den verschiedensten Tonarten bekommen hat, es nur angenehm sein kann, wenn auch die Landtage mit mehr oder weniger Nachdruck dieselbe Anforderung stellen. Das kann nur die Stellung unserer Regierung gegenüber Ungarn bei diesen Verhandlungen stärken; wenn wir auch als ein kleines Land nur einen bescheidenen Eindruck machen, so fallen wir, wenn auch nicht so stark, dennoch mit ins Gewicht. Ich kann mich bei diesem Anlasse einer allgemeinen Erörterung nicht enthalten. Was spielen wir gegenüber diesem geographisch geschlossenen und auch sonst kräftigen Ungarn für eine, ich möchte fast sagen bedauerliche Rolle? Da drüben ist man wenigstens der Hauptsache nach einig, und wenn man einig ist, ist man auch stark. Bei uns aber, das ist oft genug betont worden, ist eine solche Zerklüftung von dem äußersten Osten der Bukowina bis zu uns nach Bregenz und bis nach Dalmatien, Ragusa und Eattaro; eine Zerklüftung nach allen Richtungen, durch welche wir schon deswegen einen solchen Nachdruck, ein solches Gewicht gegenüber Ungarn, kaum auszuüben im Stande sind, wie es zu wünschen wäre; und ich glaube schon, stehend auf dem Standpunkte, den die liberale Partei meist eingenommen hat und der gerade nach dem Jahre 1865 auch seitens der Regierung eingeschlagen wurde (ich erinnere an die Thronrede vom Jahre 1867), dass nämlich eine mehr centralistische Verwaltung und Verfassung ein größeres Gewicht auszuüben im Stande wäre, als die Zersplitterung, in der wir uns befinden. Wir gehen nun auf den Bericht selbst über. Ich glaube zu demselben nicht viel sagen zu müssen. Die Thatsachen, die hier aufgeführt sind, werden von allen Seiten als im Allgemeinen zutreffend anerkannt. Es ist dasselbe, was im Reichsrathe und anderen Landtagen hervorgehoben worden ist, dass nämlich einerseits das Missverhältnis sich vermehre, andererseits gewisse Missstände sich herausgebildet haben, welche in gewissen gemeinsamen Angelegenheiten von Ungarn aus gegenüber uns zur Schädigung der diesseitigen Interessen fortbestehen. 168 XII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI Session, 7. Periode 1896. Da habe ich keinen einzigen Punkt, gegen den ich mich wenden könnte, sondern ich glaube, sowie meine Gesinnungsgenossen, die hier aufgezählten Thatsachen als richtige und zutreffende annehmen zu können und stimme daher auch dem Anträge des volkswirtschaftlichen Ausschusses bei. Bischof: Der geehrte Herr Vorredner hat über die Stellung der päpstlichen Nuntien und in concreto des päpstlichen Nuntius in Wien eine Auffassung ausgesprochen, zu der ich nicht einfach schweigen kann, obwohl ich die Überzeugung habe, dass diese Frage uns gegenwärtig absolut nichts angeht. Der Herr Abgeordnete hat die Ansicht ausgesprochen, dass die Nuntien nur Stellvertreter des Papstes, als souveränen Herrschers des Kirchenstaates einmal waren und jetzt noch Gesandte in diesem Sinne seien, dass sie also den übrigen Gesandten gleichstehen. Diese Anschauung und Auffassung von der Stellung der päpstlichen Nuntien ist nicht richtig. Sie wurde allerdings in der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts von einzelnen Canonisten in Deutschland ausgesprochen. Es waren dies Canonisten der febronianischen Richtung. Es hat sich damals schon unter dem Pontificate Pius VI. der apostolische Stuhl entschieden gegen diese Auffassung und manches andere, was damit zusammenhieng, ausgesprochen und zugleich auch die Stellung der Nuntien klar und richtig gestellt. Nun die Sache ist diese. Der päpstliche Nuntius ist allerdings Stellvertreter des heil. Vaters, als eines souveränen Fürsten, und als solcher ist der hl. Vater auch jetzt noch von den Mächten anerkannt, obwohl er den Kirchenstaat nicht mehr besitzt. Der Nuntius mag auch in dieser Beziehung den übrigen Gesandten der Mächte gleichgestellt werden. Aber der heil. Vater ist nicht bloß Beherrscher des Kirchenstaates und jetzt noch souveräner Fürst, sondern er ist auch das Oberhaupt, der oberste Bischof der katholischen Kirche, und auch in dieser Hinsicht lässt er sich bei den Mächten durch einen Nuntius vertreten. Die päpstlichen Nuntien sind daher auch Stellvertreter des Papstes, als des Oberhauptes der ganzen katholischen Kirche, mit jenem Umfange von Rechten und Befugnissen, welche den Nuntien der heil. Vater einzuräumen für gut befindet. Das hängt einzig und allein von ihm ab. Manche Rechte kann er ihnen gar nicht einräumen. Aber sie vertreten ihn immer auch in dieser Hin ficht. Es ist ja auch bei uns bekannt, dass man sich da und dort in den kirchlichen Angelegenheiten an den päpstlichen Nuntius wenden kann und sich auch wirklich wendet. In dieser Beziehung, wie es ja klar ist, steht der Nuntius nicht den Gesandten der übrigen Mächte gleich. Da hat er eine ganz andere Stellung, da besitzt er eine kirchliche Stellung. Und darüber herrscht auch im canonischen Rechte keine Differenz und kein Zweifel mehr. Die ehemalige Auffassung der febronianischen Canonisten darf als aufgegeben betrachtet werden. Das wollte ich nur erwähnen als Richtigstellung. Sachlich geht es uns gar nichts an. Landeshauptmann: Wer wünscht weiter noch das Wort? Dr. Waibel: Ich hätte über diese Angelegenheit auch kein Wort gesprochen, wenn nicht der Herr Berichterstatter selbst mich dazu veranlasst hätte. Ich habe mir daher erlaubt, auch meine Anschauung auszusprechen. Ich bin Sr. bischöfl. Gnaden für seine Ausführungen in jeder Hinsicht dankbar. Landeshauptmann: Wenn Niemand mehr das Wort wünscht, so ist die Debatte geschlossen. Der Herr Berichterstatter hat noch das Wort. Martin Thurnher: Der Herr Abg. Dr. Waibel hat sich über den Bericht und den vorliegenden Antrag günstig ausgesprochen Er hat auch erklärt, dass er und seine Gesinnungsgenossen dem Anträge beistimmen werden, was ich sehr begrüße und auch für selbstverständlich halte, da doch in dieser Beziehung kein Unterschied der Parteien, glaube ich, bestehen kann und darf, wenn es gilt, unser Recht und unsere gerechten Forderungen gegenüber Ungarn zu vertheidigen. Gegenüber meiner ursprünglichen Begründung bei der ersten Lesung des Antrages hat der Herr Abg. Dr. Waibel einige Einwendungen erhoben. Er hat insbesonders in der Angelegenheit, die ich damals besprochen habe, bezüglich des Vorgehens Ungarns gegenüber dem apostolischen Nuntius, seiner gegentheiligen Anschauung Ausdruck gegeben. Die Anschauung, die ich damals ausgesprochen XII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VL Session, 7. Periode 1896. 169 habe, wurde heute aus kompetentem Munde als wahr und richtig bestätiget, nämlich dass der Nuntius nicht als gewöhnlicher Gesandter angesehen und behandelt werden dürfe, sondern dass er auch in kirchlichen Sachen der Stellvertreter des heil. Vaters sei, und dass wir Katholiken das volle Recht haben zu fordern, dass wir mit dem Nuntius, als dem Vertreter des heil. Vaters, des Oberhauptes der katholischen Kirche, ungehindert verkehren können ohne die Vermittlung einer Regierung. Diese Ansicht halte ich heute noch aufrecht.. Ich kann die Anschauung nicht theilen, dass man den päpstlichen Nuntius ebenso anschaut und behandelt, wie etwa die Gesandten des Schah von Persien oder des Kaisers von China. Weiter bestreitet der Herr Abg. Dr. Waibel meine Behauptung, Graf Beust sei der Schöpfer des ungarischen Ausgleiches gewesen, und meint, das sei geschichtlich nicht richtig. Ich muss aber doch auf meinen früheren Ausführungen bestehen. Ich weiß, dass bevor Beust ins Amt trat, schon Unterhandlungen mit Ungarn stattgefunden haben. Ich weiß, dass Ungarn schon früher seine Forderungen aufgestellt hat, und ich weiß auch, dass Ungarn gegenüber dem Ausspruche Schmerlings: „Wir können warten", ebenfalls gewartet hat und zwar gewartet hat, bis Österreich in eine verhängnisvolle Lage, in die Lage des Jahres 1866 gekommen ist, wobei noch Ungarn wesentlich beigetragen hat, diese Lage zu verschlechtern, indem es den Feinden des Vaterlandes die Hände gereicht hat, um dann bei dem eingetretenen Unglücke des Reiches seine Forderungen besser zur Geltung zu bringen. In meiner früheren Rede habe ich den Grafen Beust insoferne und zwar mit Recht doch als den Schöpfer des ungarischen Ausgleiches gekennzeichnet, weil es bekannt und heute noch nicht widersprochen ist, dass er alle Forderungen der Ungarn, ohne irgendwie daran zu mäckeln oder zu markten, angenommen, bewilliget und durchgeführt hat. Ich habe damals schon darauf hingewiesen, dass bei solchen Verhandlungen von den beiheiligten Parteien gewöhnlich hohe, ja zu hohe Forderungen gestellt werden, damit dann etwa ein Theil derselben zu erlangen sei. Damals haben die Ungarn selbst nicht geglaubt, dass alle ihre Forderungen vom Grafen Beust bewilliget werden. Und darum glaube ich, meine damals ausgesprochene Ansicht auch heute noch aufrecht halten zu können. Ich glaube, es war gerade Graf Beust, der sich mit den Ungarn verbunden hatte, um das Ministerium Belcredi zu stürzen, das damals einen außerordentlichen Reichsrath zur Regelung dieser und anderer Angelegenheit einberufen wollte. Das lag aber nicht im Sinne des Grafen Beust, deshalb wusste er im Vereine mit Ungarn, dies hintanzuhalten und dieses geschah d.urch Annahme der ungarischen Forderungen. Was der Herr Abg. Dr. Waibel bezüglich des Übergewichtes von Ungarn gesagt hat, das ist richtig Das geben Alle zu, dass die jenseitige Reichshälfte fester zusammenhält und energischer einschreitet für die Wahrung und Sicherstellung ihrer Interessen als die diesseitige. Das Mittel aber, das der Herr Abgeordnete empfiehlt, nämlich auch in Cisleithanien eine strammere Centralisation einzuführen, das kann ich bei der historischen Entwicklung Österreichs nicht als das richtige ansehen. Wir sehen, dass bei der jetzigen, auch ziemlich starken Centralisation auf dem Reichsgesetzgebungswege nicht viel erzielt wird, und dass der gegenwärtige Reichstag nicht imstande ist, die so wichtigen und nöthigen, socialen und politischen Gesetze fertig zu stellen, obwohl die Zeit so dazu drängt und obwohl keine Minute unnütz, vergeudet werden sollte, um endlich einmal die diesbezüglichen Schritte energisch durchzuführen. Ich würde aber vielmehr das Gegentheil von dem angeben, was der Herr Abg. Dr. Waibel als Mittel und als Hilfe empfohlen hat, nämlich dass man noch manchen Zweig der Gesetzgebung den Landtagen überweisen sollte. (Rufe: Bravo!) Das würde den eigenartigen Verhältnissen unseres Staates viel besser entsprechen. Wenn die mannigfachen Bedürfnisse, die jedem Lande eigenthümlich sind, durch selbst gewählte Landesvertreter nach und nach geregelt würden, so hätten wir bei weitem zufriedenere Länder und die Gesammtheit des Staates würde dabei auch besser stehen. Denn diese Zufriedenheit der Länder würde dann auch wohlthätig auf das gesammte Staatsgebilde wirken, die Interessen und Bedürfnisse des Volkes würden dann mehr berücksichtiget werden, der Reichsrath könnte dann seiner Aufgabe auch besser entsprechen und würden auch unsere Rechte und unsere Forderungen gegen 170 XII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. VI. Session, 7. Periode 1896. Ungarn mehr Schutz finden, als es jetzt der Fall ist. Weitere Bemerkungen sind hinsichtlich des Berichtes und Antrages nicht erhoben worden. Ich bitte daher das h. Haus, den vorliegenden Antrag einstimmig anzunehmen. Landeshauptmann: Bevor ich zur Abstimmung schreite, möchte ich mittheilen, dass ich von dem nach der Geschäftsordnung mir zustehenden Rechte, an der Abstimmung theilzunehmen, Gebrauch machen und ebenfalls meine Stimme abgeben werde. Ich schreite nun zur Abstimmung. Ich ersuche jene Herren, welche dem Anträge des volkswirtschaftlichen Ausschusses die Zustimmung ertheilen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Einstimmig angenommen. Wir kommen nun zum 4. Gegenstände der heutigen Tagesordnung. Ich möchte aber dem Wunsche, der mir von Seite einiger Herren Abgeordneten ausgesprochen worden ist, entsprechend diesen Gegenstand von der heutigen Tagesordnung absetzen und auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung setzen. Wir kommen nun zum 5. Gegenstand unserer Tagesordnung. Das ist die Wahl eines Landesausschuss-Ersatzmitgliedes aus dem vollen Hause nach § 12 der Landesordnung an Stelle des Herrn Abgeordneten Nägele. Ich mache das h. Haus auf die Bestimmung des § 12, bezw. § 13 der Landesordnung aufmerksam, wonach für jedes Landesausschuss-Mitglied ein entsprechender Ersatzmann zu wählen ist. Herr Abg. Nägele war das für den Herrn Landesausschuss-Beisitzer Reisch gewählte Ersatzmitglied. Herr Reisch wurde aus dem vollen Hause gewählt, ebenso auch dessen Ersatzmann Herr Nägele. Es ist also die Wahl des Stellvertreters aus dem vollen Hause vorzunehmen. Ich ersuche nun zur Wahl zu schreiten. (Wahlact.) Ich ersuche die Herren Abg. Reisch und Nägele, gefälligst das Scrutinium vorzunehmen. Reisch: Es wurden 19 Stimmzettel abgegeben, wovon einer leer ist. Nagele: Es erhielren bei dieser Wahl die Herren Abgeordneten: Welte 11 Stimmen, Dr. Schmid 3 Stimmen, Büchele, Kohler, Bösch und Wolf je 1 Stimme. Landeshauptmann: Es ist somit der Herr Abgeordnete Welte als Landesausschuss-Ersatzmann für Herrn Abg. Nägele gewählt. Wir stehen nun am Schlüsse unserer heutigen Tagesordnung, und ich beraume die nächste Sitzung auf Übermorgen, Freitag den 31. Januar, um 10 Uhr vormittags an mit dem einzigen Gegenstände der Tagesordnung: Bericht des Finanzausschusses über den Rechenschaftsbericht des Landesausschusses. Die heutige Sitzung ist geschlossen. (Schluss der Sitzung 12 Uhr 5 Min. Mittags.) Druck von J. N. Teutsch, Bregenz. Mrarl'öerger Landtag. 12. Sitzung am 29. Januar 1896, unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. -----Gkgeuumllig 20 Idgkorduete. l a i-----------Abwesend: Herr Johannes Thnrnher. Aegiewugsvertreter: Herr Hofrath Graf St. Julien-Walllee. BegiM der Sitzung 11 Uhr 5 Min. Vormittags. Landeshauptmann: Die Sitzung ist eröffnet und ich ersuche um Verlesung des Protokolles der letzten, am 27. Januar abgehaltenen Sitzung. (Secretär verliest dasselbe.) Wird gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung erhoben? — Es ist dies nicht der Fall, ich betrachte somit dasselbe als genehmiget. Es ist mir ein Einlaufstück zugekommen, welches eine rasche Erledigung finden kann, nämlich eine Eingabe der Parcellen - Bewohner von Fischbach in Angelegenheit der Straße nach Buch, worin sich dieselben gegen die Behauptungen der Ge­ meindevorstehung Alberschwende aussprechen und verwahren. Ich glaube, nachdem der Bericht über diese Straßenangelegenheit bereits verificiert ist, so kann die Sache einfach in der Weise behandelt werden, dass ich dieses Gesuch dem Herrn Berichterstatter übermittle, der im Verlauf der Debatte davon Gebrauch machen kann oder auch nicht. Ich glaube, dass das h. Haus damit einverstanden ist. Bevor wir zur Tagesordnung übergehen, er­ theile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Waibel zur Geschäftsordnung das Wort. Dr. Waibel: Mit Rücksicht auf den Beschluss, der in der letzten Sitzung in Betreff der Polizei­ stunde gefasst worden ist, möchte ich auf Folgendes aufmerksam machen. 164 XII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. Im Gesetze vom Jahre 1862, womit grund­ sätzliche Bestimmungen zur Regelung des Gemeinde­ wesens vorgezeichnet werden, steht im Artikel V, der von dem Umfange des selbständigen Wirkungs­ kreises der Gemeinden handelt, ausdrücklich im Punkte 7 nur die Sittlichkeitspolizei angeführt. In diesem Reichsgesetze ist die Überwachung der Gast- und Schankgewerbe und die Hand­ habung der Polizeistunde nicht ausgenommen. Es wird somit nach meiner Auffassung kein Hindernis haben, wenn der Landesausschuss den gestellten Antrag ohne weitere Verzögerung in Angriff nehmen will. Landeshauptmann: Wir gehen nun zur Tages­ ordnung über. Auf derselben steht als erster Gegenstand der Bericht des volkswirtschaft­ lichen Ausschusses über das Gesuch der GemeindeAu um Subvention zur Weg­ bauvollendung der Au-Damülser Straße. Ich ersuche den Herrn Berichterstalter Fink, das Wort zu ergreifen. Fink: Wie die Herren aus dem Berichte er­ sehen, hebt die Gemeinde Au in ihrem Gesuche hervor, dass sie schon in dem letzten Jahre be­ deutende Kosten mit der Erstellung einer neuen Fahrstraße nach Damüls gehabt habe. Man ersieht aus demselben, dass sie nahezu 5500 st. an Kosten aufgewendet hat. Ferner er­ sehen Sie aus dem Berichte, dass die Gemeinde Au auch für die Zukunft, für dieselbe Straßen­ strecke noch Kosten im Betrage von 3000 st. bis 3500 st. zu erstehen haben wird. Die Gemeinde Au führt in ihrem Gesuche weiters aus, dass diese Kosten sehr drückend seien; man ersieht dies wohl am besten aus dem schnellen Anwachsen der Umlagsprocente dieser Gemeinde in den letzten Jahren, ein Umstand, der die Bestreitung der Kosten für die Au-Damülser Straße seitens der Gemeinde als eine schwere erscheinen lässt. Der volkswirtschaftliche Ausschuss glaubte daher, es solle dem Gesuche entsprochen und der Gemeinde Au ein Beitrag bewilliget werden; dieser Beitrag aber soll nicht zunächst für die bereits stattgefundenen Arbeiten gewährt werden, sondern vielmehr für die in Aussicht genommenen. Dadurch übt der Landtag einen gewissen Einfluss aus, VI. Session, 7. Periode 1896. dass die noch auszuführenden Arbeiten richtig er­ stellt werden. Wenn man nun dies tn’8 Auge fasst, dass man also noch für die auszuführenden Kosten von 3000 bis 3500 fl. einen Landesbeitrag von 1000 fl. in Anschlag bringt, so dürfte derselbe gegenüber anderen Landesbeiträqen, welche man anderen Ge­ meinden oder Genossenschaften gewährt, etwas zu hoch erscheinen. Ich muss daher ausdrücklich auf­ merksam machen, dass bei der Festsetzung der Höhe des Betrages der volkswirtschaftliche Aus­ schuss auch in Berücksichtigung gezogen hat, dass die Gemeinde Au in den letzten Jahren schon sehr viele Ausgaben in dieser Straßenangelegenheit gehabt hat; er glaubte daher auch, dass es gered^tfertiget erscheine, wenn der Gemeinde Au für zwei Jahre, nämlich für die Jahre 1896 und 1897 eine Jahresrate von je 500 fl., also zu­ sammen eine Summe von 1000 fl. als Unter­ stützungsbeitrag gewährt werde. Ich möchte daher den Antrag des volkswirt­ schaftlichen Ausschusses zur Annahme empfehlen. Der Antrag lautet. (Liest denselben aus Beilage XLI.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag die Debatte. — Nachdem sich Niemand zum Worte meldet, schreite ich zur Abstimmung. Ich ersuche jene Herren, welche mit dem An­ trage des volkswirtschaftlichen Ausschusses ein­ verstanden sind, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Der zweite Gegenstand der Tagesordnung ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses, betreffend dasGesuchvon vier Pa reell en der Gemeinde Nenzing um Gewährung einer Subvention zu den Wuhrbauten an der Jll und am Galinabache. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Martin Thurnher, das Wort zu ergreifen, und nachdem er auch für den nächsten Gegenstand als Bericht­ erstatter fungiert, so wolle er sich gefälligst zum Berichterstattertisch begeben. Martin Thuruher: Die Angelegenheit der Jllregulierung ist dem h. Hause nach jeder Richtung XII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. hin bekannt. Es ist in der heurigen und ver­ flossenen Session diese Angelegenheit besprochen und sind darüber Beschlüsse gefasst worden, so dass ich mich weiterer Ausführungen enthalten kann. Es soll eine weitere Strecke der Jll in den zur Gemeinde Nenzing gehörigen Parcellen Motten, Mariex, Mittelberg und Gurtis der Regulierung unterzogen werden. Diese vier kleinen Parcellen sind aber nicht in der Lage, die Baukosten selbst aufzubringen und haben sich daher an den Landes­ ausschuss gewendet, um Erwirkung einer Staarsund Landessubvention. Der Bericht schildert übrigens die Sachlage in ausführlicher Weise, und es bleibt mir nur übrig namens des volkswirtschaftlichen Ausschusses folgende Anträge zu stellen. (Liest die Anträge aus Beilage XLV.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag die Debatte. — Nachdem sich Niemand zum Worte meldet, kann ich zur Abstimmung schreiten und zwar über beide Anträge unter Einem. Ich ersuche jene Herren, welche mit den Anträgen einverstanden sind, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Wir kommen nun zum dritten Gegenstand der Tagesordnung, nämlich zum Berichte des volks­ wirtschaftlichen Ausschusses, betreffend den ungarischen Ausgleich. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter das Wort zu ergreifen. Martin Thurnher: Ich habe bereits bei der ersten Lesung dieses Gegenstandes Gelegenheit gehabt, meine Anschauungen hinsichtlich unseres Verhältnisses zu Ungarn, in ausführlicher Weise darzustellen. Ich enthalte mich daher vorläufig weiterer Ausführungen und stelle namens des volkswirtschaftlichen Ausschusses folgenden Antrag. (Liest den Antrag aus Beilage XL1V.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag die Debatte. Dr. Waibel: Ich muss zuerst zurückkommen auf die Begründung, welche seinerzeit zum Anträge VI. Session, 7. Periode 1896. 165 gegeben wurde, und erst dann werde ich auf den eigentlichen Gegenstand des Berichtes, der uns vorliegt, zu sprechen kommen. Es war vorauszusehen, dass die Gelegenheit über den ungarischen Ausgleich zu sprechen benützt werden würde, um gewisse Parteianschauungen zum Ausdrucke zu bringen, welche hier nicht zum ersten Male ausgesprochen wurden, sondern welche auch in anderen Körperschaften schon oft wieder­ holt worden sind. Was wir zunächst in Be­ tracht ziehen wollen, ist die Differenz der ungar. Regierung mit dem apostolischen Nuntius. Der apostolische Nuntius nimmt, wie ein anderer Ge­ sandter, eine völkerrechtliche Stellung ein. Die Nuntien stammen aus der Zeit her, in welcher der römische Stuhl sich noch im Besitze eines Territoriums befand, über welches er als souveräner Herrscher gleich anderen Herrschern regierte, wo er also den übrigen Potentaten eoordiniert war. Meines Wissens ist die völkerrechtliche Stellung der Nuntien auch heutzutage dieselbe. Ihre Mis­ sion ist nicht konfessionelle Glaubensinteressen zu vertreten; dafür sind meines Wissens die Bischöfe da, welche selbst in unmittelbarem Verkehre mit dem heiligen Vater in diesen Angelegenheiten stehen und diesen Verkehr ungehindert vom Staate ausüben können. Diese Herren haben auch von Gesetzeswegen und von Staatswegen Sitze ex offo in den Vertretungskörpern des Staates, und haben auch dort Gelegenheit die Glaubens-Interessen zu vertreten. In Anbetracht dessen glaube ich, dass die Stellung des Nuntius eine internationale, völkerrechtliche ist, welche mit der Confession nichts zu thun hat. Wenn nun ein solcher Vertreter, sei es der Vertreter des hl. Vaters, oder der Vertreter einer weltlichen Macht, in seiner Stel­ lung etwas unternimmt, wodurch sich die be­ treffende weltliche Macht, bei welcher derselbe accrediriert ist, verletzt fühlt, worin sie glaubt, es sei ein Übergriff des betreffenden Vertreters gegenüber der staatlichen Gewalt unternommen worden, wenn so etwas unternommen wird, so kann der betreffenden Regierung daraus ein Vorwurf nicht gemacht werden. Der betreffende Vertreter hat eben die Folgen zu tragen, wenn er sich wirklich etwas Ungehöriges zu Schulden kommen lässt. Wir sind nicht in der Lage zu prüfen und zu untersuchen, was zur Differenz zwischen der ungarischen Regierung und den Ver­ 166 XII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. tretern des römischen Stuhles geführt hat; ich will daher auch mich länger nicht aufhalten, weil das mit der ganzen Sache nichts zu thun hat. Dann ist auch eine Persönlichkeit genannt und sind geschichtliche Ereignisse mit derselben in Ver­ bindung gebracht worden, welche uns vom politischen Standpunkte aus näher stehen, und das ist die Erwähnung des Grafen Beust. Es ist auch hier, wie das wiederholt anderswo vor­ gekommen, vorgetragen und gesagt worden, dass Beust der Schöpfer des sogenannten ungarischen Ausgleiches sei. Das ist eine geschichtliche Un­ richtigkeit. Wer sich jene Zeit vergegenwärtiget, wo unser constitutionelles Leben begonnen hat, nämlich in den Jahren 1861 und 1862, der wird sich erinnern, dass damals in der ersten Zeit Schmerling an der Spitze unserer staatlichen Geschäfte stand. Nach der damals erlassenen Verfassung hätten die Ungarn gleich den übrigen Kronländern in Wien zusammentreten und sich versammeln sollen, um das gesammte Reich zu vertreten. Die Ungarn sind jedoch, gestützt auf ihre frühere Geschichte auf diese Einladung nach Wien zu kommen nicht eingegangen. Schmerling hat, nachdem man längere Zeit gewartet hat, den historischen Spruch gemacht: „Wirkönnen warten." Wir Haden gewartet, bis zum heutigen Tage, sie sind aber nicht gekommen. Die Ungarn haben sich gedacht, wir können auch warten, wir gehen nicht nach Wien. Als die Verfassung sistiert wurde, im Jahre 1865 unter den Ministerium Belcredi, da sind die Ungarn politisch auf ein­ mal sehr rührig geworden. Wer sich in jene Zeit zurückdenken kann, wird sich noch erinnern an jene interessanten Adress-Debatten, welche im Februar 1866 im ungarischen Landtage stattge­ funden haben, an jene berühmten und interessanten Debatten, in welchen Deak der Führer der Ungarn die erste, maßgebendste Rolle spielte, Deak, der vom Kaiser und der Kaiserin auf das höchste gehuldigte Vertreter des ungarischen Landes. In jener Adress-Debatte, welche viele Tage in Anspruch nahm, und alle Kreise, die ein politisches Interesse hatten, auf das höchste berührte, wurden verlangt folgende Dinge: „Wir verlangen erstens eine parlamentarische Regierung, zweitens ein verantwortliches Mnisterium und drittens verfassungsmäßige Wieder­ herstellung und Selbständigkeit der Municipien." VI. Session der 7. Periode 1896. Es ist allerdings auf diese Forderung seitens des Kaisers nicht sofort eingegangen worden. Er gab den Ungarn sowohl als den Croaten, welche zur gleichen Zeit in ihrem Landtage die Ver­ fassungsfrage verhandelt hatten, mündlich aus­ weichende Bescheide. Aber in dem bald darauf an die Ungarn gerichteten Rescripte erscheint be­ reits eine andere Auffassung. In diesen! Rescripte wurde nicht mehr jene ablehnende Haltung ein­ genommen und bereits auf den Gedanken eines eigenen verantwortlichen Ministeriums eingegangen. Die Sache blieb natürlich nicht liegen. Das ungarische Unterhaus wählte bald nach den be­ rühmten Februar-Debatten den sogenannten 67er Ausschuss, welcher die Aufgabe erhielt, die Re­ gelung der zwischen Ungarn und den übrigen Ländern gemeinsamen Angelegenheiten vorzu­ berathen. Dieser Ausschuss hat eine bedeutende Rolle gespielt, und dass der Kaiser die Arbeiten dieses Ausschusses mit großem Interesse verfolgt hat, geht aus dem Umstande hervor, dass er am 26. April 1867 einer Deputation des ungarischen Oberhauses gegenüber erklärte, er wünsche die Beschleunigung der Unterbreitung des Verein­ barungsentwurfes betreffend die gemeinsamen An­ gelegenheiten. Dieser 67er Ausschuss hatte, wie das begreiflich war, sich nicht in pleno mit der Sache befasst, sondern aus sich selbst einen 15er Ausschuss niedergesetzt, und dieser 15er Ausschuss wurde am 25. Juni mit seinen Arbeiten fertig. Wenn Sie die Punktationen, welche dieser 15er Ausschuss ausgearbeitet hat, nachsehen, so werden Sie finden, dass dieselben fast Wort für Wort mit den jetzt geltenden Bestimmungen gleich­ lautend sind. Am 17. Juli veröffentlichte Deak in dem „Pesti-Napli" einen nicht zwar langen, aber höchst lesenswerten Artikel über die politische Lage Ungarns, voll politischer Wärme, voll Ruhe und Ernst, aber voll des schwersten Nachdruckes, wie das zu sprechen und zu schreiben nur diesem Manne eigen war. Tags darauf war Deak in Wien und unterhandelte mit dem Ministerium über die Einsetzung eines ungarischen Ministeriums und über die Regelungen der gemeinsamen An­ gelegenheiten, und man kann annehmen, dass diese Unterredungen eigentlich die Grundlage geworden sind für die spateren parlamentarischen Verhand­ lungen, betreffend die Regelung der Dinge zwischen Ungarn und der diesseitigen Reichshälfte. XII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. Meine Herren! Zu jener Zeit war der Herr Beust noch nicht Graf, sondern Freiherr, und nicht österreichischer Minister, sondern noch Minister des Königs von Sachsen. Freiherr v. Beust ist erst mit Allerhöchster Entschließung vom 30. October 1866 an die Spitze der Ge­ schäfte nach Österreich berufen worden. Es ist also wohl eine Ironie, wenn man immer noch sagt, Beust habe den Ausgleich gemacht. Das ist ja ganz richtig, dass das, was längst auf dem bezeichneten Wege vereinbart und vorbereitet war, er als oberster Staatsbeamter in seinem Bureau ausführen musste. Das hat seine Richtigkeit, aber der Schöpfer des Ausgleiches ist Beust nicht gewesen. Das ist ein historisches Falsum! Nun nach dieser geschichtlichen Exeursion gehen wir auf die Hauptsache selbst über. Seit dem Bestände des Ausgleiches ist Ungarn ein höchst selbständiger Staat geworden, vielleicht selbständiger, als er sich damals geträumt hat, als er die ersten Anläufe dazu im Jahre 1866 ge­ macht hat, vielleicht selbständiger als Deak sich gedacht hat, der an diesem Ausgleiche in vorderster Linie mitgeholfen hat. Er ist aber nicht bloß selbständiger geworden, sondern er hat auch eine wachsende Kraft entwickeln können, in materieller und anderer Richtung. Es ist eine Reihe ver­ ständiger patriotischer Männer in diesem Lande immer wieder auf die Oberfläche gekommen, welche es mit der Wohlfahrt des Landes ernst nahmen, welche es verstanden haben, durch Zusammenwirken mit Gleichgesinnten dem Lande einen immer festeren Boden zu verschaffen. Nun ist es begreiflich, dass angesichts dieses Wachsthums der Wohlfahrt Ungarns die anderen Länder zur Frage kommen, ob es unter diesen Umständen richtig sei, das Quotenverhältnis und andere Dinge, die von 10 zu 10 Jahren vereinbart worden sind, in der Weise aufrecht zu erhalten, wie es bisher geschehen ist. Diese Frage ist angesichts der jetzt vor uns stehenden Verhandlungen eine ganz brennende ge­ worden. Im Reichsrathe hat in letzter Zeit, als wir versammelt waren, keine Partei es unter­ lassen, auf diese Frage zu sprechen zu kommen, jede Partei ohne Unterschied war bemüht, den Standpunkt einzunehmen, dass das Verhältnis, wie es bisher bestanden hat, nicht mehr den gegen­ wärtigen Verhältnissen entspreche, und dass die Regierung auf die Verhandlungen mit Ungarn VI. Session, 7, Peride 1896. 167 allen Einfluss und Nachdruck anzuwenden habe, um dieses Missverhältnis zu beseitigen und ein gerechteres Verhältnis einzuführen. Ich gebe zu, dass die Regierung, nachdem sie von allen Parteien des Reichsrathes diese Aufforderung in den ver­ schiedensten Tonarten bekommen hat, es nur an­ genehm sein kann, wenn auch die Landtage mit mehr oder weniger Nachdruck dieselbe Anforderung stellen. Das kann nur die Stellung unserer Regierung gegenüber Ungarn bei diesen Verhand­ lungen stärken; wenn wir auch als ein kleines Land nur einen bescheidenen Eindruck machen, so fallen wir, wenn auch nicht so stark, dennoch mit ins Gewicht. Ich kann mich bei diesem Anlasse einer allgemeinen Erörterung nicht enthalten. Was spielen wir gegenüber diesem geographisch geschlossenen und auch sonst kräftigen Ungarn für eine, ich möchte fast sagen bedauerliche Rolle? Da drüben ist man wenigstens der Hauptsache nach einig, und wenn man einig ist, ist man auch stark. Bei uns aber, das ist oft genug betont worden, ist eine solche Zerklüftung von dem äußersten Osten der Bukowina bis zu uns nach Bregenz und bis nach Dalmatien, Ragusa und Eattaro; eine Zerklüftung nach allen Richtungen, durch welche wir schon deswegen einen solchen Nachdruck, ein solches Gewicht gegenüber Ungarn, kaum aus­ zuüben im Stande sind, wie es zu wünschen wäre; und ich glaube schon, stehend auf dem Stand­ punkte, den die liberale Partei meist eingenommen hat und der gerade nach dem Jahre 1865 auch seitens der Regierung eingeschlagen wurde (ich erinnere an die Thronrede vom Jahre 1867), dass nämlich eine mehr centralistische Verwaltung und Verfassung ein größeres Gewicht auszuüben im Stande wäre, als die Zersplitterung, in der wir uns befinden. Wir gehen nun auf den Bericht selbst über. Ich glaube zu demselben nicht viel sagen zu müssen. Die Thatsachen, die hier aufgeführt sind, werden von allen Seiten als im Allgemeinen zutreffend anerkannt. Es ist dasselbe, was im Reichsrathe und anderen Landtagen hervorgehoben worden ist, dass nämlich einerseits das Missverhältnis sich vermehre, andererseits gewisse Missstände sich herausgebildet haben, welche in gewissen gemein­ samen Angelegenheiten von Ungarn aus gegenüber uns zur Schädigung der diesseitigen Interessen fortbestehen. 168 XII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. Da habe ich keinen einzigen Punkt, gegen den ich mich wenden könnte, sondern ich glaube, sowie meine Gesinnungsgenossen, die hier aufgezählten Thatsachen als richtige und zutreffende annehmen zu können und stimme daher auch dem Anträge des volkswirtschaftlichen Ausschusses bei. Bischof: Der geehrte Herr Vorredner hat über die Stellung der päpstlichen Nuntien und in concreto des päpstlichen Nuntius in Wien eine Auffassung ausgesprochen, zu der ich nicht einfach schweigen kann, obwohl ich die Überzeugung habe, dass diese Frage uns gegenwärtig absolut nichts angeht. Der Herr Abgeordnete hat die Ansicht aus­ gesprochen, dass die Nuntien nur Stellvertreter des Papstes, als souveränen Herrschers des Kirchen­ staates einmal waren und jetzt noch Gesandte in diesem Sinne seien, dass sie also den übrigen Gesandten gleichstehen. Diese Anschauung und Auffassung von der Stellung der päpstlichen Nuntien ist nicht richtig. Sie wurde allerdings in der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts von einzelnen Canonisten in Deutsch­ land ausgesprochen. Es waren dies Canonisten der febronianischen Richtung. Es hat sich damals schon unter dem Pontificate Pius VI. der apo­ stolische Stuhl entschieden gegen diese Auffassung und manches andere, was damit zusammenhieng, ausgesprochen und zugleich auch die Stellung der Nuntien klar und richtig gestellt. Nun die Sache ist diese. Der päpstliche Nuntius ist allerdings Stellvertreter des heil. Vaters, als eines sou­ veränen Fürsten, und als solcher ist der hl. Vater auch jetzt noch von den Mächten anerkannt, obwohl er den Kirchenstaat nicht mehr besitzt. Der Nuntius mag auch in dieser Beziehung den übrigen Gesandten der Mächte gleichgestellt werden. Aber der heil. Vater ist nicht bloß Beherrscher des Kirchenstaates und jetzt noch souveräner Fürst, sondern er ist auch das Oberhaupt, der oberste Bischof der katholischen Kirche, und auch in dieser Hinsicht lässt er sich bei den Mächten durch einen Nuntius vertreten. Die päpstlichen Nuntien sind daher auch Stellvertreter des Papstes, als des Oberhauptes der ganzen katholischen Kirche, mit jenem Umfange von Rechten und Befugnissen, welche den Nuntien der heil. Vater einzuräumen für gut befindet. Das hängt einzig und allein VI Session, 7. Periode 1896. von ihm ab. Manche Rechte kann er ihnen gar nicht einräumen. Aber sie vertreten ihn immer auch in dieser Hin ficht. Es ist ja auch bei uns bekannt, dass man sich da und dort in den ftrchlichen Angelegenheiten an den päpstlichen Nuntius wenden kann und sich auch wirklich wendet. In dieser Beziehung, wie es ja klar ist, steht der Nuntius nicht den Gesandten der übrigen Mächte gleich. Da hat er eine ganz andere Stellung, da besitzt er eine kirchliche Stellung. Und darüber herrscht auch im canonischen Rechte keine Differenz und kein Zweifel mehr. Die ehemalige Auffassung der febronianischen Canonisten darf als aufgegeben betrachtet werden. Das wollte ich nur erwähnen als Richtigstellung. Sachlich geht es uns gar nichts an. Landeshauptmann: Wer wünscht weiter noch das Wort? Dr. Waibel: Ich hätte über diese Angelegenheit auch kein Wort gesprochen, wenn nicht der Herr Berichterstatter selbst mich dazu veranlasst hätte. Ich habe mir daher erlaubt, auch meine Anschauung auszusprechen. Ich bin Sr. bischöst. Gnaden für seine Ausführungen in jeder Hinsicht dankbar. Landeshauptmann: Wenn Niemand mehr das Wort wünscht, so ist die Debatte geschlossen. Der Herr Berichterstatter hat noch das Wort. Martin Thurnher: Der Herr Abg. Dr. Waibel hat sich über den Bericht und den vorliegenden Antrag günstig ausgesprochen Er hat auch erklärt, dass er und seine Gesinnungsgenossen dem Anträge beistimmen werden, was ich sehr begrüße und auch für selbstverständlich halte, da doch in dieser Be­ ziehung kein Unterschied der Parteien, glaube ich, bestehen kann und darf, wenn es gilt, unser Recht und unsere gerechten Forderungen gegenüber Ungarn zu vertheidigen. Gegenüber meiner ursprünglichen Begründung bei der ersten Lesung des Antrages hat der Herr Abg. Dr. Waibel einige Einwendungen erhoben. Er hat insbesonders in der Angelegenheit, die ich damals besprochen habe, bezüglich des Vorgehens Ungarns gegenüber dem apostolischen Nuntius, seiner gegentheiligen Anschauung Ausdruck gegeben. Die Anschauung, die ich damals ausgesprochen