18950128_lts009

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Letzte Änderung 03.07.2021, 11:10
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp07,lts1895,lt1898,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 9. Sitzung am 28. Januar 1895, unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 20 Abgeordnete. Regierungsvertreter: Herr Hofrath Graf St. Julien-Wallsee. Beginn der Sitzung um 10 Uhr 35 Min. Vormittags. Landeshauptmann: Die heutige Sitzung ist eröffnet. Ich bitte um Verlesung des Protokolles der letzten Sitzung. (Secretär verliest dasselbe.) Landeshauptmann: Hat Einer der Herren gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung M machen oder eine Ergänzung zu beantragen? — Da dies nicht der Fall ist, so betrachte ich das Protokoll als genehmigt. Der Herr Abgeordnete Wolf hat mir in einem Schreiben die Mittheilung gemacht, dass es ihm wegen gemeindeämtlicher Arbeiten heute nicht möglich sei, der Sitzung des hohen Landtages beizuwohnen. Wir gehen nun zur Tagesordnung über. Auf derselben steht als erster Gegenstand der Bericht des Finanzausschusses über das Gesuch des Asylvereins der Wiener Universität um Unterstützung. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Abgeordneten Greißing den Antrag zu verlesen. Greißing: Der Finanz-Ausschuss stellt über diesen Gegenstand folgenden Antrag: (Liest den Antrag aus Beilage XXVII.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag die Debatte. — Da sich in derselben Niemand zum Worte 90 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session, 7. Periode 1895. meldet, so ist die Debatte geschlossen. Ich schreite zur Abstimmung und ersuche diejenigen Herren, welche dem Antrage des Finanz-Ausschusses zustimmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Der zweite Gegenstand unserer heutigen Tagesordnung ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses, betreffend das Gesuch der Gemeinde Satteins um eine Subvention aus Landesmitteln für Illwuhrbauten. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Abgeordneten Reisch hierüber zu referieren. Reisch: Die Gemeinde Satteins ist um eine Subvention zur Vollendung der Illwuhrbauten bittlich geworden. Die Verbauung der noch nicht gesicherten Strecke von circa 500 laufenden Metern erscheint dringend geboten, einerseits um den Anschluss an die Wuhrbauten der angrenzenden Gemeinde Schlins zu bewerkstelligen, andererseits um die Abfuhr des Schotters, welcher durch den auf dem entgegengesetzten linksseitigen Illufer einmündenden Wildbach Galina vorgeschoben und abgelagert wird, zu ermöglichen und somit fördernd auf die Correctionslinie der Ill einzuwirken. Die Gemeindevorstehung von Satteins gibt an, dass sie in früheren Jahren ca. 60—70.000 fl. für die Illregulierung verwendet und zudem Straßen gebaut habe, ohne je an das Land um eine Subvention herangetreten zu sein. Weiters sagt die Gemeindevorstehung zur Begründung ihres Ansuchens, dass, nachdem der Fabriksbetrieb in Satteins schon Jahre lang eingestellt sei, auch wenig Geld mehr der Gemeinde zufließe und infolge dessen es nicht mehr möglich sei, solche Bauten aus Eigenem zu erstellen. Alle diese Gründe dürften wahr und zutreffend sein, und es kann bei den gegebenen Verhältnissen die Nothwendigkeit einer Subvention wohl nicht in Abrede gestellt werden. Da aber dem Gesuche weder ein Kostenvoranschlag noch Plan beiliegt und auch nicht um eine bestimmte Summe angesucht wurde, glaubte der volkswirtschaftliche Ausschuss, dermalen auf Subventionierung nicht eingehen zu sollen und stellt somit folgende Anträge: (Liest die Anträge aus Beil. XXIV.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Anträge die Debatte. — Es meldet sich in derselben Niemand Zum Worte, sie ist daher geschlossen und ich schreite zur Abstimmung. Wenn das hohe Haus damit einverstanden ist, so werde ich beide Anträge unter Einem zur Abstimmung bringen. Ich ersuche diejenigen Herren, welche den Anträgen, wie sie soeben verlesen worden sind, ihre Zustimmung leihen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Der dritte Gegenstand unserer heutigen Tagesordnung ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über den Gesetzentwurf, betreffend die Tragung der Kosten für die Aufstellung von Wachen bei Viehseuchen. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Abgeordneten Martin Thurnher darüber zu referieren. Martin Thurnher: Nach dem allgemeinen Seuchengesetze sind die Gemeinden verpflichtet, die Kosten, die aus einer Reihe von Maßregeln, welche zur Hintanhaltung der Weiterverbreitung von Seuchen erwachsen, zu zahlen. Es sind insbesondere die Kosten, die für die Aufstellung von Seuchenwachen beim Ausbruche einer Seuche den Gemeinden erstehen, außerordentlich drückend und von kleinen Gemeinden kaum aufzubringen. Der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses weist darauf hin, dass bei den Seuchenausbrüchen die Sicherheitsmaßregeln mitunter nicht mit jener Präcision zur Durchführung gelangen, wie sie eigentlich sollten, um den Seuchenherd auf das Engste zu beschränken. Die hohe k. k. Regierung hat daher den LandesAusschuss darauf aufmerksam gemacht, es möchte in dieser Beziehung Abhilfe getroffen und, wie es bereits in anderen Ländern, z. B. Tirol, geschehen ist, den Gemeinden Erleichterung geschaffen werden dadurch, dass ein Theil der Kosten sei es auf die Gerichtsbezirke oder auf das Land übernommen werde. Der volkswirtschaftliche Ausschuss, dem dieser Gegenstand zur Vorberathung und Berichterstattung überwiesen war, hat diese Gründe vollinhaltlich gewürdigt und eingesehen, dass es im Interesse des Landes liege, dass die Seuchenvorschriften genau eingehalten und durchgeführt werden, weil gerade dadurch viel dazu beigetragen wird, die schweren Folgen der Seuche vom gesummten Lande abzuhalten, indem durch jeden Ausbruch der Seuche, wenn dieselbe nicht rasch der Tilgung zuIX. Sitzung des Vorarlberg er Landtags. V. Session, 7. Periode 1895. 91 geführt wird- dem Lande durch die Absperrung | anderer Länder und Staaten großer Schaden erwächst. Der vorliegende Gesetzentwurf bestimmt nun, dass die Kosten der Seuchen wachen getheilt werden und ein Drittel derselben die betreffende Gemeinde, ein Drittel der Gerichtsbezirk und ein Drittel das Land zu tragen hätte. Auf Grund der Ausführungen des Berichtes, auf den ich hiemit verweise, möchte ich den Antrag stellen, das hohe Haus wolle in die Specialdebatte über den vorliegenden Gesetzentwurf eintreten und denselben zum Beschlusse erheben. Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Gesetzentwurf die Generaldebatte. Dr. Waibel: Ich habe mir eigentlich nur zu r Spezialdebatte das Wort erbitten wollen und ersuche, mich zu § 1 vorzumerken. Landeshauptmann: Wenn in der Generaldebatte Niemand das Wort ergreift, so gehen wir zur Specialdebatte über. Ich bitte § 1 zu verlesen. Martin Thurnher: Ich glaube von der Verlesung Umgang nehmen zu können, denn der Gesetzentwurf ist bereits einige Tage in den Händen der Mitglieder des hohen-Hauses. Landeshauptmann: Zu § 1 hat sich der Herr Abgeordnete Dr. Waibel zum Worte gemeldet. Dr. Waibel: Nach den Erfahrungen, welche ich in der Gemeinde Dornbirn in diesem Verwaltungsgegenstande gemacht habe und in Anbetracht der großen Auslagen, welche die Gemeinden bereits in dieser Agende zu bestreiten gehabt haben, will ich der hohen Regierung für die Anregung, welche sie dem Landtage gegeben hat, um die Sache günstiger zu gestalten, höflichst danken. Die Ausführung dieser Anregung aber scheint mir, wenigstens in § 1, nicht die richtige zu sein. Es heißt z. B. im Berichte: „Der volkswirtschaftliche Ausschuss ist der Anschauung, dass der in Tirol gesetzlich festgestellte Bertheilungsmodus, nach welchem ein Drittel der Kosten von der Gemeinde, die die Wachorgane aufzustellen hat, ein Drittel der Gerichtsbezirk, zu dem die betreffende Gemeinde gehört und endlich ein Drittel das Land zu tragen hat, auch für die Verhältnisse Vorarlbergs angemessen sei." Auch im § 1 des Gesetzes heißt es, die Kosten, welche bei Viehseuchen durch Aufstellung von Wachen erlaufen, seien, insofern die Tragung derselben nicht gesetzlich dem Staatsschätze, dem Lande oder einzelnen Personen obliegt, zu gleichen Theile-n von der Gemeinde, welche die Wachen aufstellt, von dem Gerichtsbezirke, welchem diese Gemeinde angehört, und vom Lande zu tragen. Das scheint mir zu Punkt 2 des 8 l einen Widerspruch zu enthalten. Es ist nicht eine gleiche Vertheilung, wenn die Gemeinde, welche die Wachen aufzustellen und die ganzen Strapazen und volle Verantwortung zu tragen hat, in diesem Punkte 2 wieder mit als tragend erscheint. Ich glaube darum, dass es nothwendig ist, diesen Punkt 2 dahin zu corrigieren, dass man sagt: „2. Von den übrigen Gemeinden des betreffenden Gerichtsbezirkes nach Maßgabe ihrer directen Steuerleistung im betreffenden Jahre, unter Vorbehalt ihrer Vereinbarung über einen anderen Vertheilungsmaßstab." Ich glaube damit nur auf einen Fehler im Punkt 2 aufmerksam gemacht zu haben und halte es für meine Pflicht, eine diesbezügliche Änderung des Punktes 2 zu beantragen. Ich erwarte, dass der hohe Landtag die Ansicht hat, die Unbilligkeit, die hier in der Fassung des � 2 besteht, entfernen zu sollen. Landeshauptmann: Der Herr Abgeordnete Dr. Waibel beantragt, dem Punkte 2 des 8' 1 folgende Fassung zu geben: „Von den übrigen Gemeinden des betreffenden Gerichtsbezirkes nach Maßgabe ihrer directen Steuerleistung im betreffenden Jahre, unter Vorbehalt ihrer Vereinbarung über einen anderen Vertheilungsmaßstab." Wer wünscht weiter das Wort? Nägele: Ich bin nicht in der Lage, der Ansicht und dem Anträge des Herrn Abgeordneten Dr. Waibel beizutreten. Wenn eine Gemeinde Wachen aufstellen muß, ist sie in der Regel selbst in der größten Gefahr und hat deshalb auch am meisten zu leiden. Darum ist es billig, wenn sie auch am meisten zu den Kosten herangezogen wird. Der Gerichtsbezirk Dornbirn wird in einem solchen Fall allerdings stark mitgenommen; aber wenn die Gemeinde Dornbirn von der Verrechnung ausgeschlossen ist, so haben die andern Gemeinden viel mehr zu tragen. 92 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session, 7. Periode 1895. Es kommt nicht in Betracht, dass Dornbirn zufällig so groß ist. Die übrigen kleineren Gemeinden werden nicht auf allen Theilen Wache halten müssen, da sie nicht mehr, als nach Maßgabe ihres Viehstandes dazu herangezogen werden. Darum halte ich eine Gefahr ungleicher Kostenvertheilung durch den Punkt 2 für nicht so groß und kann also dem Antrage des Herrn Abgeordneten Dr. Waibel nicht beistimmen. Landeshauptmann: Wer wünscht weiter das Wort? Bösch: Ich muß die Ausführungen des Herrn Vorredners unterstützen. Es käme thatsächlich so heraus, daß dann wenn Dornbirn Wachen aufstellen müßte, diese große Gemeinde, die ein bedeutendes Vermögen besitzt, wenigstens viele reiche Leute hat und eine viel richtigere Steuervertheilung, als manche andere Gemeinden, fast leer ausgehen würde, während die ärmeren Gemeinden, die zu diesem Bezirke gehören, die erlaufenen Unkosten für Dornbirn zahlen müssen. Dr. Waibel. Ich muß darauf bestehen, dass das ein Widerspruch ist, wenn es heißt: „zu drei gleichen Theilen." Dies ist nicht richtig, das sind drei ungleiche Theile, die Gemeinde kommt zweimal zum Handkuss. Es ist einmal unrichtig ausgedrückt, und wenn es eine bewusste Unrichtigkeit ist, so kommt es mir sonderbar vor, dieselbe in das Gesetz hineinzubringen. Ich muss dem Herrn Vorredner gegenüber Folgendes bemerken: Es betrifft ja das nicht die Gemeinde Dornbirn allein, diese Affaire kann jede andere Gemeinde, welche Marktgebiet ist, auch treffen, denn diese Seuchen treten ja in den meisten Sommern auf. Jede Gemeinde hat dann die bezüglichen Vorkehrungen zu treffen, und wenn eine Gemeinde so etwas unternimmt, so unternimmt sie es freilich zunächst im unmittelbaren Interesse des eigenen Viehstandes. Aber wer die Dinge vom geographischen Standpunkte aus ansteht, dem ist es klar, dass diese Sicherheitsmaßregel nicht nur für die eine Gemeinde unternommen wird- sondern für größere Kreise von Viehbesitzern. Ich bleibe nur bei dem Beispiele von Dornbirn, weil ich die Verhältnisse daselbst genau kenne. Ich habe den Herren vergegenwärtigt, dass die Thätigkeit dieser Gemeinde dem ganzen Marktbezirke zu Statten kommt, den Dornbirn zu vertreten hat; sie beschränkt sich nicht auf Dornbirn allein, sondern Alle haben ein Interesse daran, dass der Platz gesäubert und sicher bleibe. Wenn die Gemeinde allenfalls zunächst große Kosten auszulegen hat, so ist damit auch für einen großen Werth ein großer Schutz gewährt, und es ist nicht mehr als billig, dass die Gemeinden, welche diesen Schutz genießen, auch im selben Verhältnisse herangezogen werden. Warum soll eine Gemeinde Alles, die Verantwortung, die Strapazen, Kosten und Arbeit in unrichtigem Maßstabe tragen? Die Ungleichheit ist nun einmal da, und ich halte daher meinen Antrag für vollkommen begründet und bitte um dessen Berücksichtigung. In diesem Sinne erwarte ich auch, von den Vertretern der Gemeinde Dornbirn in meinem Anträge unterstützt zu werden. Johann Thurnher: Ich bin zwar nicht ein Vertreter der Gemeinde Dornbirn, aber auch nicht in der Lage, den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Waibel zu unterstützen. Bisher haben die Gemeinden, welche solche Wachen aufzustellen hatten, die Kosten allein zu tragen gehabt, nicht bloß zu ihrem eigenen Schutze, sondern auch zum Schutze des ganzen Bezirkes und des Landes. Das war eine Unbilligkeit. Diese wird dadurch aufgehoben, dass einen Theil der Kosten die Gemeinde, und die zwei anderen Theile, soferne die Kosten in drei Theile getheilt werden, der betreffende Bezirk und das Land zu tragen hat. Es ist vom Herrn Abgeordneten Dr. Waibel nicht im Einzelnen festgestellt worden, was für Kosten er im Auge hat. Aber er meint offenbar keine anderen Kosten als diejenigen, welche das Gesetz im Auge hat, denn das Gesetz bestimmt, die Kosten bei der Aufstellung von Wachen bei Viehseuchen angemessen zu vertheilen, und wenn die Gemeinde ein Drittel bezahlt, ist ihr immerhin eine ganz wesentliche Last, zwei Drittel der Kosten, abgenommen, welche sie vorhin allein gezahlt hat. Man könnte consequentermaßen fragen: warum geht es den Bezirk an, warum nicht das ganze Land? Wir haben nun hier Zeinen Modus vorgeschlagen, der sich in Tirol erprobt hat, und es ist nach dem Grundsätze „Das Hemd liegt näher als der Rock" ganz billig, dass nach ihm die Kosten aufgetheilt werden. Ich glaube also, der hohe Landtag sollte IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session, 7. Periode 1895. 93 bei dem Anträge, wie ihn der volkswirtschaftliche Ausschuss gestellt hat, verbleiben. Martin Thurnher: Ich beantrage Schluss der Debatte. Landeshauptmann: Der Herr Abgeordnete Martin Thurnher beantragt Schluss der Debatte. Es versteht sich von selbst, dass die Herren Redner, welche vorgemerkt sind, noch zum Worte kommen. Es sind dies die Herren Abgeordneten Fink, Dr. Schmid und Decan Berchtold. Ich muss nach der Geschäftsordnung nun zur Abstimmung schreiten und ersuche diejenigen Herren, welche mit dem Anträge auf Schluss der Debatte einverstanden sind, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Nägele. Nägele: Der geehrte Herr Vorredner hat mir das, was ich sagen wollte, aus dem Munde genommen. Für die Gemeinden, welche die Wache halten mussten und die Kosten bisher allein zu tragen hatten, bedeutet in der That die Vertheilung der Kosten eine große Erleichterung. Was der Herr Abgeordnete Dr. Waibel gesagt hat, nämlich dass der Viehmarkt der Marktgemeinde Dornbirn dem ganzen Marktbezirke zu Statten kommt, ist im großen Ganzen richtig. Aber da haben auch wieder die Dornbirner selbst das größte Interesse an der Sache, und wenn die Marktgemeinde die Wachen aufstellt, ist es nicht mehr als recht und billig, dass, sich auch die Marktgemeinde in gebührendem Maße an den Kosten betheilige. Fink: Ich glaube, wir haben es hier mit einem Landesgesetze und nicht mit einem Gesetze für die Gemeinde Dornbirn zu thun. Aus einem Appell des Herrn Abgeordneten Dr. Waibel an die Vertreter von Dornbirn — (Dr. Waibel: Ich bin nicht Vertreter von Dornbirn!) ich sage aus einem Appell des Herrn Abg. Dr. Waibel an die Vertreter von Dornbirn gienge fast hervor. als ob wir es hier mit einem Gesetze zu thun hätten, welches die allerdings größte Gemeinde des Landes, aber eben nur eine Gemeinde, betreffen würde. Ich glaube deshalb, dass wir hier als Landesvertreter handeln müssen, und als Landesvertreter, glaube ich, werden wir sagen müssen, dass der Vertheilungsmodus, wie er im Gesetzentwurfe aufgestellt ist, ganz zutreffend ist. Ich habe die Anschauung, dass es auch nicht mehr gleiche Theile wären, wenn nach dem Anträge des Herrn Abgeordneten Dr. Waibel vorgegangen würde, denn dann würden die Gerichtsbezirke — nehmen wir das Beispiel von Dornbirn — auch nicht mehr den dritten gleichen Theil zahlen, wenn Dornbirn ausgeschlossen würde. Ich meine, die Sache ist so viel als möglich überlegt worden und es ist auch schon darauf hingewiesen worden, dass es billig sei, die Gemeinde, die die Aufstellung der Wachen trägt, auch einigermaßen zu entlasten. Ich meine also, dass wir dem Ausschussantrage zustimmen dürfen. Dr. Schmid: Nach den Ausführungen der Herren Abgeordneten Fink und Johann Thurnher will der volkswirtschaftliche Ausschuss die bisher von den Gemeinden allein zu tragenden Kosten in drei gleiche Theile vertheilen. So fasse ich die Sache auf, und da finde ich, dass die Formulierung dieses Wunsches in der Weise, wie sie vorliegt, allerdings nicht ganz richtig gefasst ist. Wenn ich nämlich sage: eine Last ist in drei gleiche Theile zu theilen, einen Theil trägt der A, den zweiten Theil der ß, den dritten der C, und im Theile des B ist der A auch wieder belastet, so kann ich nicht behaupten, dass den A ein Drittel zu tragen trifft, denn auch den zweiten Theil muss der A tragen helfen. . Insoferne sind die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Waibel ganz richtig. Ohne darauf einzugehen, was die Herren in merito für besser finden, möchte ich doch behaupten, dass, wenn die Herren die Sache sö durchgeführt haben wollen, wie sie im Gesetze dargestellt ist, eine Änderung stattfinden muss. Sie können nicht sagen: „zu gleichen Theilen", das wäre nach meiner Anschauung logisch unrichtig. Decan Berchtold: Ich erlaube mir zu bemerken, dass mit demselben Rechte und derselben Begründung - 94 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags V. Session, 7. Periode 1895. gefolgert werden müsste, dass dann auch derjenige Gerichtsbezirk, der im gegebenen Falle bereits einbezogen wurde, ausgelassen werden müsste, wenn es sich um die vom Lande zu tragenden Kosten handelt. (Rufe: Sehr richtig!) Man müsste die Berechnung machen auf die Frage, wie viel hat der Gerichtsbezirk zu zahlen und wie viel ist davon abzurechnen, was die Gemeinde bezahlt, und feiner auf die Frage, wie viel ist abzurechnen, was der Gerichtsbezirk bezahlt hat, von dem, was das Land zu bezahlen hat? Mir scheint, dass man auf diese Weise in ein unentwirrbares Labyrinth käme. Landeshauptmann: Die Debatte ist geschlossen. Das Wort hat der Herr Berichterstatter. Martin Thurnher: Mir ist es ganz eigenthümlich vorgekommen, dass der Herr Abgeordnete der Handels- und Gewerbekammer an die Abgeordneten von Dornbirn appelliert hat, sie möchten in seinem Sinne votieren und dabei die Interessen von Dornbirn wahren, gleichsam als ob im ganzen Lande sonst nirgends eine Seuche ausbrechen könnte als in Dornbirn. (Rufe: Sehr wahr!) Ich muss, wie auch bereits von anderer Seite gesagt worden ist, darauf Hinweisen, dass auf die anderen Gemeinden ein zu großer Betrag entfallen würde dadurch, dass eine große Gemeinde nicht mehr mit dem Bezirke an den erwachsenden Kosten concurrieren müsste. Aber es kann sein, dass nicht nur in einer großen Gemeinde die Seuche ausbricht, sagen wir in Dornbirn, um bei dem Beispiele zu bleiben. Es könnte z. B. sein, dass die Seuche außer Dornbirn auch in Lustenau, Hohenems und Höchst ausbricht und diese Gemeinden Wachen aufzustellen hätten. Dann würden, wenn mcm alle diese Gemeinden ausscheiden würde, die Gemeinden Ebnit, Gaißau und Fußach ein volles Drittel der Kosten aufzubringen haben. Das wäre eine ganz unpraktische und mit undurchführbaren Härten versehene Gesetzesbestimmung, so dass es Wunder nehmen muss, wie ein praktischer Mann, wie Dr. Waibel sein will, solche Vorschläge zu machen im Stande ist. Was der Herr Abgeordnete Dr. Schmid gesagt hat, kann ich wohl übergehen, drei gleiche Theile bleiben es doch. Eine Änderung ist nicht nothwendig, die Bestimmung steht in einem anderen bereits sanctionierten Gesetze, und dort haben auch Leute mitgewirkt, die solche Dachen verstehen. Ich empfehle daher die unveränderte Annahme des § 1. Landeshauptmann: Ich schreite nun zur Abstimmung und zwar zunächst über das erste Alinea und Punkt 1 des § 1, welche von keiner Seite eine Anfechtung erfahren haben. Ich ersuche diejenigen Herren, welche die Einleitung sowie Punkt 1 des § 1 annehmen wollen, sich von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Zu Punkt 2 des § 1 liegt ein Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Waibel vor, den ich bereits früher verlesen habe. Ich ersuche diejenigen Herren, welche diesem Abänderungsantrage ihre Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. Minorität. (Martin Thurnher: Einstimmig!) Ich darf wohl Punkt 2 und 3 unter Einem zur Abstimmung bringen und ersuche diejenigen Herren, welche diesen Punkten in der Fassung des Ausschusses ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Ich bitte weiterzufahren. Martin Thurnher: § 2. — Landeshauptmann: Wenn keine Bemerkung erfolgt, ist § 2 angenommen. Martin Thurnher: § 3. — Landeshauptmann: Angenommen. Martin Thurnher: § 4. — Landeshauptmann: Ebenfalls angenommen. Martin Thurnher: (Liest Titel und Eingang des Gesetzes.) Landeshauptmann: Angenommen mit der Druckfehlerberichtigung, (Der Herr Abgeordnete Fritz verläßt den Saal.) IX. Sitzung des vorarlberger Landtags V. Session, 7. Periode 1895. 95 Martin Thurnher: Ich beantrage die Vornahme der dritten Lesung des Gesetzes. Landeshauptmann: Es ist beantragt worden, dass in die dritte Lesung des Gesetzes eingetreten werde. Wird dagegen eine Einwendung erhoben? — Es ist nicht der Fall, somit ersuche ich diejenigen Herren, welche dem Gesetzentwürfe, wie er aus der Berathung der zweiten Lesung hervorgegangen ist, auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Der nächste Gegenstand unserer heutigen Tagesordnung ist der Bericht des vom hohen Landtage in seiner 4. diesjährigen Sitzung gewählten Immunitätsausschusses über das Einschreiten des k. k. Bezirksgerichtes Bezau wegen gerichtlicher Verfolgung des Landtagsabgeordneten Herrn Jodok Anton Fritz von Mittelberg. . Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Abgeordneten Reisch, darüber zu referieren. Reisch: Der Herr Landtagsabgeordnete Jodok Anton Fritz wurde von Daniel Müller in Mittelberg wegen Übertretung gegen die Sicherheit der Ehre nach den Paragraphen 487, 488 und 491 St.-G. beim k. k. Bezirksgericht in Bezau angeklagt. Der Herr Abgeordnete Fritz soll nämlich den Daniel Müller, welch' letzterer nach den in der Kronenwirtschaft in Mittelberg anlässlich der Wahl Müllers in die Gemeindevertretung indirect gemachten Aussagen des ersteren nicht gut beleumundet erscheint, an der Ehre gekränkt haben. Bemerkenswert hiebei ist, dass Müller auf diesen Vorhalt hin sein Mandat als Ausschuss sofort schriftlich niedergelegt hat. Das k. k. Bezirksgericht Bezau hat nun in einer Zuschrift an den Landes-Ausschuss bei dem Umstande, als Landtags- und Reichsrathsabgeordnete nach Artikel 2 des Gesetzes vvm 3. October 1861 R.-G.-Bl. Nr. 98 während der Dauer einer Session wegen einer strafbaren Handlung ohne Zustimmung des Hauses nicht verhaftet oder gerichtlich verfolgt werden dürfen, um • die Freigebung, beziehungsweise Auslieferung des Herrn Abgeordneten Fritz ersucht. Die Immunität schützt nach dem vorhin citierten Gesetze in erster Linie die Person eines Abgeordneten derart, dass dieselbe während der Dauer einer Landtags- oder Reichsrathssession von der gerichtlichen Verfolgung ausgeschlossen erscheint, was nach meiner Ansicht auch nicht mehr als recht und billig ist, da auf Grund jenes Gesetzes die Abgeordneten das ihnen von ihren Wählern anvertraute Mandat frei und ungestört ausüben können. Durch die Immunität des Volksvertreters wird aber auch den Wählern die Beruhigung und Gewissheit zutheil, ihr Vertrauensmann werde und könne in der Ausübung des ihm von ihnen übertragenen Mandats frei und ungestört bleiben. Ganz besonders aber muss es dem hohen Landtage daran gelegen sein, dass alle seine Mitglieder ununterbrochen an den ihm zum Wohle des Landes zur Berathung und Erledigung obliegenden Arbeiten theilnehmen und keines derselben während der Session zur strafgerichtlichen Verfolgung ausgeliefert werde. Der Immunitätsausschuss stellt daher in Erwägung dieser Gründe per majora folgenden Antrag: (Liest den Majoritätsantrag aus Beilage XXVIII.) Außerdem liegt noch ein zweiter, ein Minoritätsantrag vor. Bevor ich diesen vom Ausschussmitgliede Herrn Abgeordneten Dr. Waibel gestellten Minoritätsantrag zur Verlesung bringe, glaube ich nur noch bemerken zu sollen, dass der Herr Abgeordnete Dr. Waibel hauptsächlich aus ' dem Grunde zu diesem Anträge gekommen ist, weil er befürchtete, es könnte möglicherweise eine Verjährung eintreten und dadurch dem Kläger Daniel Müller die Gelegenheit zu seiner Rechtfertigung genommen werden, — also aus Billigkeitsrücksichten. Das Ausschussmitglied Herr Dr. Waibel stellt folgenden Antrag: (Liest den Minoritäts-Antrag aus Beil. XXVIII.) Landeshauptmann: Ich eröffne über die Anträge der Majorität und Minorität des ImmunitätsAusschusses die Debatte. Dr. Waibel: Es muss mir gestattet sein, meinen Antrag zu begründen, und weil ich mit der Anschauung meiner beiden Herren Collegen des Immunitäts-Ausschusses im Widerspruch stehe, muss ich mir doch erlauben, die Herren zu bitten zu gestatten, dass ich etwas näher in diese Frage 96 IX* Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session, 7. Periode 1895. eintrete, denn es ist nothwendig, meine Haltung genauer zu begründen. Es ist vollkommen richtig, dass der Artikel 2 des Gesetzes vom 3. Oktober 1861 dem parlamentarischen Körper, ob er nun Reichsrath oder Landtag heißt, die Ermächtigung giebt, seine Mitglieder gegen gerichtliche Verfolgung zu schützen. Es wird in diesem Artikel eine Einschränkung nicht ausgesprochen, ausgenommen den Fall, dass der Abgeordnete auf frischer That ergriffen wird. Weitere Ausnahmen sind nicht da. Es ist also der Discretion der parlamentarischen Körperschaft anheimgestellt, zu beurtheilen, ob sie richtig handelt, wenn sie den Abgeordneten schützt und sagt: „wir lassen ihn nicht an das Gericht ausliefern, wir geben dem Begehren des Gerichtes nicht Folge", oder: „wir geben demselben Folge." Ich glaube, es ist wohl naturgemäß, wenn wir uns die Verhältnisse vergegenwärtigen, dass eine solche parlamentarische Körperschaft nicht in jedem Falle richtig handelt, wenn sie das Recht, einen Abgeordneten vor gerichtlicher Verfolgung zu schützen, für sich in Anspruch nimmt. Im Allgemeinen besteht die Anschauung — wenigstens im Reichsrathe ist es immer so geübt worden, und zwar nicht blos im österreichischen, sondern auch in den Parlamenten anderer Länder —, dass ein gerichtlich verfolgter Abgeordneter nur dann vom Parlamente in Schutz zu nehmen ist, wenn es sich um eine tendenziöse Angelegenheit handelt, um ein allgemein politisches Motiv, sei es eine Rede, die der Abgeordnete gehalten hat, sei es eine Drucksache u.s.w., — kurzum eine Angelegenheit von allgemeiner Bedeutung. Ein anderer Standpunkt aber ist es, wenn eine Privatperson irgend einen Grund 'und Anlass hat, gegenüber einem Abgeordneten das Gericht in einer Privatsache in Anspruch zu nehmen, und Ehrenbeleidigungen sind doch Privatangelegenheiten. Dieser Fall liegt auch hier vor. Es ist nicht eine allgemein politisch-tendenziöse Verfolgung, die gegen den Herrn Abgeordneten Fritz eingeleitet worden ist, sondern lediglich das Begehren einer Privatperson um Schutz des Gerichtes, weil sie sich verletzt glaubt, und das Gericht tritt an uns heran und sagt, wir sollen, wie man zu sagen pflegt, die Auslieferung veranlassen. Ich kann den Herren aus meiner eigenen Erfahrung einen Fall in Erinnerung bringen, der für den vorliegenden Fall typisch ist. Er betrifft meinen verstorbenen Reichsraths-Collegen Dr. Ölz und meine Wenigkeit und ist im Jahre 1879 im Reichsrathe und einige Monate darauf im Jahre 1880 auch hier im Landtage zur Verhandlung gelangt. Sie mögen aus der Art und Weise, wie die Sache in Wien beim Reichsrathe, also in einer Körperschaft, wo Männer von juristischem Wissen und wissenschaftlichem Ansehen sich befinden, ersehen, wie dort dergleichen Fragen behandelt werden. Es hat sich damals auch um eine Privatklage gehandelt, die ich gegen Dr. ülz angestrengt habe, und um eine Privatklage, welche er gegen mich erhoben hat, in Sachen der verletzten Ehre. Das Kreisgericht hat sich an den Reichsrath gewendet bezüglich beider Personen und das Begehren gestellt, dass die gerichtliche Verfolgung wider dieselben vollzogen werden könne. Der Reichsrath hat aber damals diesen Fall ebenso aufgefaßt, wie ich den Fall des Herrn Abgeordneten Fritz auffasse. Ich will den Herren noch bemerken, dass damals, als jene Frage verhandelt wurde, jene Partei, der ich im Reichsrathe anzugehören die Ehre habe, in der sogenannten Majorität war, also die entscheidende Partei, und dem ungeachtet hat dieselbe mich nicht geschützt, sondern beschlossen, es sei dem Begehren des Kreisgerichtes Folge zu geben und dem Gerichte zu gestatten, die Verfolgung gegen mich weiter in die Hand zu nehmen. Es wird mir erlaubt sein, wörtlich anzuführen, was der Berichterstatter des Immunitäts-Ausschusses damals in der Sache gesprochen hat. Er äußerte sich folgendermaßen: „Der Ausschuss hat sich bei Beurtheilung der Frage, ob die gerichtliche Verfolgung der beiden wegen Privatdelicte angeklagten Reichsrathsabgeordneten zu gestatten und bei dem hohen Hause auf diese Gestattung anzutragen sei, gegenwärtig gehalten, dass die Immunität den Abgeordneten gegen grundlose Verfolgungen schützen, dass sie sowohl ihm, als auch der durch ihn vertretenen Wählerschaft, sowie der Gesammtheit der Bevölkerung die Gewähr bieten soll, dass der Abgeordnete seinem wichtigen Berufe nicht durch muthwillige oder böswillige Klagen entzogen, dass er nicht durch Furcht oder andere Einwirkungen von außen in der unbefangenen Vertretung der Interessen der Bevölkerung und des Staates beirrt werde." IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags, v. Session, 7. Periode 1895. 97 Dieselben Gedanken sind auch in unserem Berichte enthalten. Aber es heißt weiter: „Darüber hinaus soll ein nur dem Amte, nicht aber der Person des Volksvertreters unbeschränkt zuerkanntes Privilegium, welches eine Ausnahme von den allgemeinen Gesetzen begründet, nicht wirken. Der Ausschuss konnte daher nur prüfen, ob gegen einen oder anderen der Abgeordneten völlig grundlose oder gar auf Beeinträchtigung seiner Wirksamkeit als Abgeordneter abzielende, böswillige Anklagen vorliegen. Der Ausschuss hat nach Prüfung der Acten gefunden, dass man nicht vorweg behaupten könne, die erhobene Pressklage sei in dem einen oder anderen Falle völlig grundlos, wobei er auch constatierte, dass eine auf Beeinträchtigung der Wirksamkeit der Abgeordneten abzielende Böswilligkeit der Anklagen durch die Umstände völlig ausgeschlossen ist. Zudem glaubte der Ausschuss den Umstand nicht unberücksichtigt lassen zu sollen, dass hier Privatanklagen vorliegen und man hierbei besonders sorgfältig bedacht sein müsse, dass die Immunität nicht dazu diene, den Staatsbürger in der Verfolgung seiner Rechte gegen einen Abgeordneten zu behindern." Das sind die Erwägungen gewesen, von welchen der Immunitäts-Ausschuss, in dem mehrere Juristen gesessen sind, ausgegangen ist, und auf Grund dieser Erwägungen ist beschlossen worden, die Zustimmung zur gerichtlichen Verfolgung zu ertheilen. Es ist aber zur Orientierung über die Sache nur von Nutzen, und für mich, nachdem ich meine Haltung zu rechtfertigen habe, von besonderem Werte, wenn mir gestattet wird, auch noch das im Wesentlichen bekannt zu geben, was in der Debatte über diesen Bericht seitens eines ganz eminenten Juristen im Abgeordnetenhause gesprochen worden ist. (Martin Thurnher: Wer?) Es ist Doctor Jaques, eine juristische Autorität, das kann nicht in Abrede gestellt werden. Dr. Jaques sagte nämlich: „Der Schwerpunkt der ganzen Frage liegt, nach meinem Erachten wenigstens, ganz wesentlich nur darin, ob von demjenigen Standpunkte, von dem allein das Gesetz dem Abgeordnetenhause das Recht geben und einräumen will, über die Zulassung oder Nichtzulassung einer Verfolgung sich zu äußern, ohne alle Rücksicht auf die Parteienfrage, ohne Rücksicht auf den Umstand, ob der Abgeordnete der einen oder der anderen Seite angehört, ob, sage ich, irgend welche Gründe vorliegen, von dieser Klage im vorhinein zu behaupten, sie solle gar nicht zugelassen werden, weil es sich etwa um einen Tendenzprocess handelt." Weiter sagt Dr. Jaques: „Zu allen Zeiten, wenn es sich darum gehandelt hat, Immunitätsgesetze für Abgeordnete festzustellen und in den verschiedensten Staaten — mag man Hinweisen auf England, von dem diese Normen ausgegangen sind, oder auf die Continentalstaaten, welche diese Bestimmungen später aufgenommen haben — wurde immer daran festgehalten, dass nur die eine Frage Gegenstand der Erörterung ist, ob es sich in derlei Fällen um irgend welche Tendenzprocesse handle oder nicht, ob etwa die Absicht bestehe, die Wirksamkeit eines Abgeordneten unmöglich zu machen, indem im gegebenen Momente die Anklage gegen ihn erhoben wird. Das zu verhüten, ist allein die Aufgabe der Gesetze, welche den verschiedenen Volksvertretungen das Recht einräumen, die strafgerichtliche Verfolgung ihrer Mitglieder zu gestatten oder zu verweigern. Darüber hinausgehen, hieße in das Amt der Justiz eingreifen, darüber hinausgehen, hieße die politische Körperschaft in die Domäne der Rechtspflege eindringen lassen, hieße ihr das Recht geben, den Gang der Justiz aufzuhalten. Niemals hat man das einem Abgeordnetenhause eingeräumte Recht, eventuell die Verfolgung von Abgeordneten zu verhüten, in diesem Sinne aufgefaßt, weil eine ungeheure Gefahr darin läge, wenn eine politische Körperschaft plötzlich die Befugnis hätte, in die selbstständige Action der Gerichte einzugreifen. Deßhalb, glaube ich, muß bei der Erörterung solcher Fragen Alles vermieden werden, was irgendwie mit Parteiangelegenheiten zusammenhängt, und weiters — hier stimme ich, wie gesagt, mit dem principiellen Grundsätze, den der verehrte Herr Abgeordnete aus Oberösterreich zwar ausgesprochen, aber nur nicht eingehalten hat, überein — soll Alles vermieden werden, was sich mit der meritorischen Prüfung des Werthes irgend einer Anklage beschäftigt. Das liegt ganz außer unserem Bereiche, und ebensowenig als es zulässig ist, dass das Abgeordnetenhaus jemals in die Sphäre der Executive eingreife, ebensowenig ist 98 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags» V. Session, 7. Periode 1895. es zulässig und darf es zulässig sein, dass es jemals in die Sphäre der Rechtspflege eingreife. Seine Selbstständigkeit will das Haus wahren, es will und muß sich dagegen schützen, dass durch Einwirkung seitens der Regierung oder auch seitens einer Partei einem Abgeordneten plötzlich durch muthwillige und grundlose Anklagen seine Wirksamkeit unmöglich gemacht werde. Hat man aber die volle Beruhigung, dass es sich um einen Tendenzprozeß nicht handeln kann, dann hat man weiter nichts zu thun, als die Zulässigkeit der Verfolgung auszusprechen." Er spricht dann noch von England und sagt: „Sie werden mir gestatten, in dieser Beziehung auf das Land hinzuweisen, welches wohl der Musterstaat in Bezug auf den Schutz des Abgeordneten ist, auf England. Dort gilt der Grundsatz, dass beispielsweise dort, wo es sich um Privatconflicte, um den Schutz des Friedens handelt — man begreift unter dem öffentlichen Frieden dort auch den Schutz der Ehre des Einzelnen — das Privilegium der Immunität der Abgeordneten nicht gilt." Dr. Jaques erwähnt dann noch, dass das Abgeordnetenhaus in solchen Fällen stets in dieser Weise vorgegangen ist. Er mußte dies als älterer Abgeordneter wissen, ich bin erst im selben Jahre in das Abgeordnetenhaus eingetreten. Der Fall des Herrn Abgeordneten Fritz liegt nach meiner Anschauung ebenso. Wir haben es nicht mit einem allgemein tendenziösen Prozesse zu thun, wegen dessen der Herr Abgeordnete Fritz verfolgt werden soll, sondern einfach mit einer Klage eines Privaten, der sich durch den Herrn Abgeordneten Fritz in seiner Ehre gekränkt glaubt.. Das sollen diese beiden Herren vor Gericht mitsammen austragen, wir haben kein Recht den Gang des Gerichtes in dieser Frage irgendwie aufzuhalten. Das ist die grundsätzliche Seite der Sache. Was die Verjährungsfrage, welche berührt worden ist, anbelangt, so liegt die Sache so: Man könnte wohl nach der Lage der Dinge annehmen, dass wir in nächster Zeit mit den Verhandlungen fertig werden. Die Procedur bei Gericht wird ohnedem auch nicht in so raschem Tempo vor sich gehen und die Sache kann immer noch vom Gerichte rechtzeitig in Angriff genommen werden. Gleichwohl ist diese Anschauung nicht ganz zutreffend. Ich könnte einen Fall namhaft machen, der sich beim Gerichte von Dornbirn ergeben hat, dass durch die Vertagung des Landtages eine gegen einen Landtags-Abgeordneten von hier bereits eingeleitete gerichtliche Verfolgung zu nichte geworden ist. .Die letztere hat sich verjährt, weil wegen des Delictes der Landtag hätte befragt werden müssen, der aber während der Vertagung sich nicht versammelt hat. Der Schluss des Landtages, welcher die Immunität erst aufhebt, ist erfolgt erst unmittelbar bevor wir zusammengetreten sind. Es ist ein bestimmtes Delict eines Abgeordneten; ein bestimmter Fall, dass ein Abgeordneter nicht mehr hat verfolgt werden können, liegt vor, und wer garantiert uns dann, dass dem Vorarlberger Landtage, der jetzt versammelt ist, nicht dasselbe wieder begegne, was ihm im Februar des vorigen Jahres begegnet ist? Dafür kann uns Niemand eine Bürgschaft geben und ferner weiß auch Niemand, wann dann der Landtag wieder zusammenberufen werden wird. Wir stehen ja meines Wissens vor dem Zeitpunkte, wo unser Mandat zu Ende ist und die Neuwahlen eingeleitet werden müssen. Also auch nach dieser praktischen Seite hin scheint mir der Fall so beschaffen, dass wir moralisch verpflichtet wären, auf das Begehren des Gerichtes einzugehen, und darum habe ich auch den Antrag gestellt, dass darauf eingegangen werde. Ich habe die Überzeugung, dass meine Stellung zur Sache die richtige ist und werde daher an meinem Anträge festhalten. Decan Berchtold: Ich hoffe mich jedenfalls etwas kürzer fassen zu können als mein geehrter Herr Vorredner, umsomehr, als er ja selbst eingestanden hat, dass es der Discretion der betreffenden parlamentarischen Körperschaft, beziehungsweise des Landtages anheimgestellt sei, ob derselbe die Auslieferung votiere oder nicht. Wie der geehrte Herr Vorredner selbst eingestanden hat, macht das Gesetz hier gar keinen Unterschied zwischen Privatdelicten, Privatklagen, die infolge einer privaten Beleidigung entstanden sind, und zwischen politischen Mieten. Folglich ist es ganz richtig, wenn der Herr Abgeordnete Dr. Waibel sagt, die Auslieferung ist der Discretion der parlamentarischen Körperschaft anheimgestellt. Aber die Consequenz, die er daraus zieht, kommt mir sonderbar vor. Er sagt, es sei naturgemäß, dass diese Körperschaft den IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags, v. Session, 7. Periode 1895. 99 Angeklagten bei Privatdelicten nicht schützen sollte. Dass sie sich in ihrer Anschauung irren kann, ist ganz richtig, sie ist auch kein Gerichtshof. Aber sie könnte sich auch nach der anderen Seite hin irren, falls sie den Abgeordneten ausliefern würde. Wenn die Auslieferung überhaupt der Discretion der parlamentarischen Körperschaft anheimgestellt ist, so hat dieselbe volle Freiheit, nach dieser Richtung vorzugehen. Sie hat nicht zu untersuchen, inwieweit die Anklage begründet sei. Dessen ungeachtet aber hat sich der Herr Abgeordnete Dr. Waibel erlaubt, aus der damaligen Debatte in Wien hervorzuheben, dass man dort gesagt hat, es soll diese Körperschaft in der Lage sein, gegen grundlose Behauptungen oder Anklagen sich zu wehren. Das steht im Gesetze nicht; das Gesetz macht da keinen Unterschied zwischen begründeten und grundlosen Anklagen. Wenn man sagt, die Körperschaft habe nur dann das Recht, einen Abgeordneten nicht auszuliefern, wenn eine grundlose Anklage vorliegt, dann hätte man das in das Gesetz aufnehmen sollen. Nach meiner Meinung wäre es übrigens am einfachsten und besten gewesen, wenn man nach der Anschauung des geehrten Herrn Vorredners diesen Paragraphen gar nicht gemacht hätte. Wenn man darüber gar nichts gesagt hätte, dann wüsste man, dass dem gemeinen Rechte ein Abgeordneter ebenso unterliegt wie andere Leute. Wenn man aber eine Ausnahme gemacht und den Paragraphen geschaffen hat, dass die Abgeordneten die Immunität genießen, dann wird es auch erlaubt sein, von diesem Rechte Gebrauch zu machen und auszusprechen, ob der Abgeordnete auszuliefern sei oder nicht, es ist das Eine wie das Andere gleichermaßen begründet. Wenn übrigens die Auslegung dieses Paragraphen im Wiener Abgeordnetenhause von einem tüchtigen Juristen klargestellt wurde, so meine ich andererseits doch, dass man diesen Paragraphen nicht blos für Juristen, sondern auch für gewöhnliche Leute geschaffen hat; man hat ihn so gefasst, dass ihn gewöhnliche Leute auch verstehen können. Ich bin kein Jurist und muthe mir nicht zu, dass ich in juristischen Fragen irgendwelche Autorität hätte, aber ich bin ein einfacher Mann, der den Paragraphen wörtlich gelesen hat, und nach dem strengen Wortlaute des Paragraphen kann ich sagen, ich finde keinen Grund, diesen Herrn Abgeordneten auszuliefern. Namentlich muss ich mich gegen die Auffassung verwahren, dass dadurch, ob man den Herrn Abgeordneten ausliefert oder nicht, der Gerichtsverhandlung präjudiciert würde. Wenn dies der Fall wäre, dann wäre es freilich ein großer Fehler, wenn man einen solchen Paragraphen in das Gesetz ausgenommen hätte. Ich glaube nicht, dass diejenigen, die diesen Paragraphen geschaffen haben, das Bedenken hatten, dass durch ihn die Gerichtsverhandlung beeinflusst werden könnte. Ich muss mich darum auf jeden Fall dagegen aussprechen, dass für die Auslieferung des Herrn Abgeordneten Fritz eine moralische Verpflichtung bestehe. Wenn dies der Fall wäre, so würde man in allen Fällen zur Auslieferung moralisch verpflichtet sein. Ich kann mir gar keinen Fall denken, wo nicht gleiche Bedenken geltend gemacht werden könnten, insbesondere in Betreff der Verjährung, wie in unserem Falle. Bei jedem solchen Falle kann es sich ja ereignen, dass der Reichsrath oder Landtag vertagt wird. Dann wäre es aber gar nie möglich, dass man einen Abgeordneten auf Grund der Immunität schützen könnte. Was der geehrte Herr Vorredner noch betreffs seiner eigenen Person vorgebracht hat, nämlich dass man ihn seinerzeit im Abgeordnetenhause nicht geschützt hat, so hat derselbe, ich müsste es ganz falsch verstanden haben, selbst versichert, er habe es selbst verlangt, dass man ihn nicht schütze. Nun wenn ich es selbst verlange, ausgeliefert zu werden, so mache ich damit nur von meiner persönlichen Freiheit Gebrauch; aber wenn ich für meine Person die Liebhaberei habe, mich nicht schützen zu lassen, und daraufhin einen Anderen nicht schütze, so ist das nicht consequent. Übrigens ist der Fall ein solcher, dass er eigentlich wirklich die stenographische Fixierung nicht einmal werth ist. (Rufe: Sehr richtig!) Ich habe keine Sorge, dass die Fundamente des öffentlichen Wohles erschüttert werden, wenn der Herr Abgeordnete Fritz bis zum Schlusse des hohen Landtages in demselben mit uns mitarbeitet. Er sieht doch nicht einem Menschen gleich, der fast zu fürchten ist, wenn man ihn noch einige Zeit freilässt, und ich überlasse es deshalb getrost dem Urtheile des hohen Hauses, was in diesem Falle zu thun sein wird. Johann Thurnher: Ich glaubte in dieser Angelegenheit nicht das Wort ergreifen zu müssen. 100 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session, 7. Periode 1895. aber der Herr Abgeordnete der Handels- und Gewerbekammer hat einen Gerichtsfall, der sich in Dornbirn ereignet hat, sehr zart gestreift, von dem ich die Vermuthung habe, dass er meine Person betrifft, und ich glaube, er befindet sich einem Punkte im Irrthume darüber. Es kann sein, dass ich ihn ob seines schwachen Organes nicht hinlänglich verstanden habe; in diesem Falle bitte ich mich zu corrigieren. War doch auch das Stenographenbureau genöthigt, für den zu erwartenden Fall, dass der Herr Abgeordnete Dr. Waibel heute mehrere längere Reden halten werde, seinen Sitz in dessen unmittelbare Nähe zu verlegen. So wird es mir Klso wohl nicht übel vermerkt werden, wenn ich ihn vielleicht nicht richtig verstanden haben sollte. Wenn ich aber richtig gehört habe, so hat er gemeint, es wäre der betreffende Abgeordnete im letzten Jahre deshalb nicht mehr verfolgbar gewesen, weil der Landtag vertagt worden sei und weil ein Abgeordneter während der Vertagung des Landtages nicht verfolgt werden kann. Ich möchte dem Herrn Abgeordneten Dr. Waibel die Frage vorlegen, ob ich da richtig verstanden habe. Wenn ja, so habe ich eine Bemerkung zu machen, wenn nicht, so kann ich sitzen bleiben. Nägele: Ich beantrage Schluss der Debatte. Landeshauptmann: Der Herr Abgeordnete Nägele hat Schluss der Debatte beantragt. Ich werde zuerst über diesen Antrag zur Abstimmung schreiten. Ich bemerke noch, dass der Herr Abgeordnete Fink zum Worte vorgemerkt ist, also kommt er nach Schluss der Debatte noch zum Worte. Ich ersuche nun diejenigen Herren, welche für den Schluss der Debatte sind, sich von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Das Wort hat nun der Herr Abgeordnete Fink. Fink: Der Herr Abgeordnete Dr. Waibel hat sehr eingehend über die Verhältnisse, welche die Immunität und Auslieferung der Abgeordneten betreffen, gesprochen. Es hat auf einen Nichtjuristen, wie ich bin, den Eindmck gemacht, als ob eine große Berechtigung und Billigkeit in seinen Ausführungen liege. Er hätte vielleicht Einen oder den Ackeren der Herren, auch mich, durch seine Ausführungen bewegen können, für seinen Antrag zu stimmen, wenn mir nicht eingefallen wäre, dass seine heutigen Ausführungen mit anderen Vorkommnissen bezüglich der Verwerthung der Immunität der Abgeordneten gegen Privatpersonen, die sich ereignet haben, seit ich dem hohen Hause anzugehören die Ehre habe, gar nicht überein stimmen. Er hat gesagt, man solle die Immunität der Abgeordneten wahren, wenn es sich um öffentliche Angelegenheiten oder tendenziöse Parteisachen