18950207_lts013

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Letzte Änderung 03.07.2021, 09:56
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp07,lts1895,lt1895,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 13. Sitzung am 7. Februar 1895 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig alle Abgeordneten. Regierungsvertreter: Herr Hofrath Graf St. Julien-Wallsee. Beginn der Sitzung 10 Uhr 5 Min. Vormittags. Landeshauptmann: Die Sitzung ist eröffnet. Ich ersuche, das Protokoll der letzten Sitzung zu verlesen. (Sekretär verliest dasselbe.) Landeshauptmann: Hat Einer der Herren gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung zu erheben? — Es ist nicht der Fall, somit betrachte ich dasselbe als genehmigt. Der in der letzten Sitzung gewählte WahlReform-Ausschuß hat sich constituiert, den Herrn Dekan Berchtold zum Obmanne und den Herrn Abgeordneten Welte zu Berichterstatter gewählt. Es sind mir zwei Einlaufstücke zugekommen, beide überreicht durch den Herrn Abgeordneten Welte. Das erste ist eine Petition der GemeindeVorstehungen des Bezirkes Feldkirch !in Sachen der Thierschauen seitens des landwirtschaftlichen Vereines im dortigen Bezirke. Dieser Gegenstand ist mittlerweile bereits einer Erledigung zugeführt worden durch den Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses in Angelegenheit der Maßnahmen zur Hebung der Rindviehzucht. Im bezüglichen Berichte ist der dringende Wunsch zum Ausdrucke gebracht worden, der Landwirtschafts-Verein möchte eine Teilung der Ausstellung im politischen Bezirke Feldkirch und zwar nach Gerichtsbezirken vornehmen. Ich glaube daher, daß diese Petition dadurch die Erledigung schon gefunden hat, und wir können 152 XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session der 7. Periode 1895. von einer weiteren geschäftlichen Behandlung dieses Gegenstandes Umgang nehmen. — Wenn kein weiterer Antrag gestellt wird, so betrachte ich meine Anregung als mit Ihrer Zustimmung versehen. Das zweite Einlaufstück ist eine Petition derselben Gemeinde-Vorstehungen um Erwirkung der Bewilligung zur Einfuhr von Zuchtkälbern aus der Schweiz über die Einfuhrstelle OberrietMeiningen und Abminderung des Einfuhrzolles. Welte: Mit Rücksicht auf die sehr vorgeschrittene Session beantrage ich für diesen Gegenstand die Dringlichkeit und zugleich die Verweisung desselben an den volkswirtschaftlichen Ausschuß. Martin Thurnher: Dieser Antrag könnte noch dahin erweitert werden, daß der volkswirtschaftliche Ausschuß, bezw. der Berichterstatter desselben, ermächtiget würde, mündlich zu referieren. Landeshauptmann: Der Herr Abgeordnete Welte beantragt für diesen Gegenstand die Dringlichkeit und der Herr Abgeordnete Martin Turnher stellt den Zusatzantrag, daß der Berichterstatter des volkswirtschaftlichen Ausschusses ermächtiget werde, mit Umgehung der Drucklegung über diesen Gegenstand mündlich zu referieren. Wird gegen diese drei Anregungen, nämlich 1. gegen die dringliche Behandlung, 2. gegen die Zuweisung dieses Gegenstandes an den volkswirtschaftlichen Ausschuß und 3. gegen die mündliche Berichterstattung eine Einwendung erhoben? — Es ist dies nicht der Fall, somit betrachte ich die Angelegenheit in diesem Sinne für erlediget. Wir kommen nun zur Tagesordnung. Auf derselben steht als erster Gegenstand der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses, betreffend die Wahlen in die Grundsteuer-Landes-Commission. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Abgeordneten Welte darüber zu referieren. Welte: Auf Grund des Reichsgesetzes vom 1. Jänner d. I., R.-G.-Bl. Nr. 3, ist die Bestellung einer Landes-Commission zum Zwecke der Revision des Grundsteuer-Katasters im Sinne des § 41 des Gesetzes vom 24. Mai 1869, R.-G.-Bl. Nr. 88, notwendig. In diese Landes-Commission hat das h. Haus drei Mitglieder und drei Ersatzmänner zu wählen, die anderen Mitglieder^ welche nicht ex lege dazu berufen sind, werden vom h. Finanz-Ministerium ernannt. Der volkswirtschaftliche Ausschuß stellt daher folgende Anträge. (Liest die Anträge aus Beilage XXXVII.) Landeshauptmann: Ich eröffne über diesen Bericht und die Anträge die Debatte. — Es meldet sich Niemand zum Worte, daher ist die Debatte geschlossen und wir schreiten zur Abstimmung über den ersten Punkt der Anträge, welcher den Modus der Wahl festzusetzen hat, nämlich, daß diese drei Mitglieder, resp, deren Ersatzmänner durch das Plenum zu wählen seien. Ich ersuche jene Herren, welche diesem Anträge die Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. . Angenommen. Nun handelt es sich um die Wahl der hier in Betracht kommenden drei Mitgliedes und drei Ersatzmänner. Der volkswirtschaftliche Ausschuß hat für die drei Bezirke Bregenz, Feldkirch und Bludenz bestimmte Persönlichkeiten vorgeschlagen. Wünscht das h. Haus, daß über diesen zweiten Punkt der Anträge abgestimmt werden soll, oder soll eine schriftliche Wahl Platz greifen bezüglich der gemachten Vorschläge? Ich bitte, diesbezüglich einen Vorschlag zu machen. Martin Thurnher: Nach der Landesordnung wäre eigentlich eine schriftliche Wahl vorgeschrieben, wenn aber kein Widerspruch erfolgt, so könnte die Wahl auch per acclamationem vorgenommen werden. Landeshauptmann: Ich möchte mir die Frage erlauben, ob gegen die mündliche Wahl ein Widerspruch erhoben wird? — Nachdem keine Einwendung dagegen erhoben wird, so ersuche ich jene Herren, welche den vorgeschlagenen Mitgliedern, resp. Ersatzmännern für die Grundsteuer - Landes - Commission die Zustimmung geben wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7. Periode 1895. 153 Der zweite Gegenstand der Tagesordnung ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses, betreffend die Verbauung des Klaus- und Frutzbaches. Ich ersuche den Herrn Abgeordneten Reisch darüber zu referieren. Reisch: Ich möchte vorerst auf Seite 2, alinea 5, auf einen Druckfehler aufmerksam machen. Es heißt dort „Kosten-Aufschlag", es sollte aber richtiger heißen: „Kosten-Anschlag". Der hohe Landtag hat schon im Jahre 1894 für die Regulierungsarbeiten an der KlausbachMündung 500 fl. gewährt unter der Bedingung, daß die hohe Regierung diesem Unternehmen eine ebenso hohe Summe zuwende, und hat die betr. Project-Aufnahmen zur Verbauung des Klaus- und Frutzbaches zur Kenntnis genommen und dem Landes-Ausschusse anheimgestellt, in dieser Angelegenheit nach eigenem Ermessen vorzugehen. Die Ausführung dieser Beschlüsse wurde vorläufig sistiert, weil über diese Angelegenheit zwischen der hohen Regierung und dem Landes-Ausschusse Verhandlungen im Zuge waren. Das h. k. k. AckerbauMinisterium hat dann ein von der Direction Villach ausgearbeitetes Project, betreffend die KlausbachVerbauung mit beigelegtem Kosten-Voranschlage von 10.000 fl. anher übermittelt und erklärt, daß die Einbeziehung der Klausbach - Verbauung in die allgemeine Wildbach-Verbauung nicht stattfinden könne, und hat gleichzeitig ersucht, es wolle der Betrag bekannt gegeben werden, mit welchem das Land an den Kosten der Verbauung des Klausbaches participiere. Der Klausbach entspringt am Südwest-Abhange der hohen Kugel und nimmt in seinem Laufe durch den Plattenwald eine große Masse von Geschiebe mit sich und führt dasselbe in der Nähe der Parzelle Au bei Koblach in die Frutz, welch' letztere bereits in die Wildbach-Verbauung ausgenommen worden ist. Somit ist der Klausbach ein integrierender Bestandteil der Frutz, welcher, wie gesagt, eine Masse von Geschiebe in die Frutz und von da in den Rhein abführt. Es darf hiebei nicht unberücksichtigt bleiben, daß in Zukunft der Klausbach mit der Frutz noch weit mehr Geschiebe in den Rhein führen wird, weil nach dem vorliegendem Projecte die Frutz in ihrem nördlichen Laufe abgeleitet und in einer ganz westlichen Richtung in den Rhein geleitet wird, wodurch der Lauf der Frutz sich wenigstens um einen Kilometer verkürzt. Wenn nun einmal die Rhein-Regulierung durchgeführt und die Sohle des Rheins vertieft sein wird, so wird ganz naturgemäß von der Frutz noch mehr Geschiebe in den Rhein geführt. Der volkswirtschaftliche Ausschuß ist nun der Ansicht, daß der Klausbach nach der vorhin geschilderten Sachlage naturgemäß auch in die Wildbach-Verbauung einbezogen werden müsse, das um so eher, weil derselbe einen integrierenden Bestandteil der Frutz bildet, welche in die WildbachVerbauung bereits einbezogen ist, und stellt daher folgende Anträge: (Liest die Anträge aus Beilage XXXVI.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Anträge die Debatte. — Da sich Niemand zum Worte meldet, so ist die Debatte geschlossen und wir schreiten zur Ahstimmung. Ich werde über beide Anträge unter Einem abstimmen lassen und ersuche jene Herren, welche denselben die Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Als dritter Gegenstand erscheint auf der heutigen Tagesordnung der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses, betreffend den selbständigen Antrag der Abgeordneten Nägele und Genossen, betreffend die Gebühren-Bemessung bei Übertragungen von bäuerlichen Besitzungen. Ich ersuche den Herrn Abgeordneten Fink zu referieren. Fink: Die Herren Abgeordneten Nägele und Genossen führen in ihrem selbständigen Antrage aus, daß hauptsächlich die Allerhöchste Entschließung vom 11. Jänner 1860 bezüglich der BesitzÜbertragungen von bäuerlichen Grundstücken von den Finanz-Organen sehr häufig unrichtig angewendet wird und es hat sich auch der volkswirtschaftliche Ausschuß dieser Anschauung angeschlossen. Der volkswirtschaftliche Ausschuß ist aber noch etwas weiter gegangen und hat gemeint, daß das Gebührengesetz und die häufigen Nachtragsverordnungen, welche erlassen worden sind, sehr unklar und unverständlich seien, vielfach sogar so, daß sie die Beamten selbst nicht verstehen. Das Gebühren-Gesetz an und für sich sei unbillig und zum Teile auch ungerecht und 154 XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7. Periode 1895. Hauptsächlich dahin gerichtet, den ärmeren, schwächeren Theil der Bevölkerung schwer zu belasten, besonders aber den Bauernstand. Der volkswirtschaftliche Ausschuß hat daher einen noch weiteren Antrag beschlossen und ich werde mir erlauben, denselben zu verlesen: (Liest die Anträge aus Beilage XXXIX.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Anträge die Debatte. Nägele: Es ist wohl selbstverständlich, daß ich gegen den Bericht und die Anträge nichts einzuwenden habe. Wenn so ein alter Vorsteher, wie ich einer bin, dem die Zahlungsaufträge über Gebührenbemessungen durch die Hände gehen, 20 Jahre oder noch länger zurückschaut, so muß es Einem sehr auffallen, wie man auf Grund eines und desselben Gesetzes bezw. einer und derselben Verordnung eine solche Änderung in der Art der Gebührenbemessung eintreten lassen kann. Früher war ausschließlich der bäuerliche Besitz maßgebend. Ob der neue Besitzer oder der alte ein Bauer war, wenn er auch nebenbei irgend ein Handwerk betrieb, ein Professionist oder Gewerbetreibender war, war ganz gleich, das Bemessungsobject wurde rein nach der Gattung, in die es gehörte, bemessen. Heute nach mehr als 30jährigem Bestände der betreffenden Gesetze und Verordnungen ist es -anders geworden. Heute kümmern sich die Bemessungsbeamten absolut nicht mehr darum, ob derjenige, der kauft oder verkauft, das betreffende Bemessungsobject selbst benützt oder einem Anderen Lur Benützung überläßt. Darum kümmern sie sich und fragen sie nicht. Ich bin der Ansicht, daß es nicht darauf ankommt, wer das Grundstück benützt, sondern ich glaube, daß es darauf ankommt bei der Bemessung der Gebühren, nach welcher Culturgattung das Bemessungsobject im Kataster eingetragen ist. Ich bin vollständig überzeugt, daß das Volk schon viele hundert, vielleicht viele tausend Gulden zuviel an Besitz-Übertragungsgebühren gezahlt hat. In einer großen Gemeinde ist es nicht wohl möglich, daß der Gemeindevorsteher alle Zahlungsaufträge, die ihm von der Bemessungsbehörde zur Zustellung an die Parteien eingehändigt werden, einsieht und durchstudiert, ob die Berechnung eine richtige oder eine zu starke sei. Bei uns in Gaißau, wo die Sache nicht gar großartig ist, wird von mir selten ein Zahlungsauftrag hinausgegeben, ohne daß ich den Bemessungsmodus mir genau ansehe. Ich erlaube mir zu sagen, daß ich, so oft ich Unrichtigkeiten oder vielmehr Ungerechtigkeiten in den Zahlungs-Aufträgen finde, die Parteien darauf aufmerksam mache und ihnen sage, daß sie Grund haben zu recurrieren. Das kann freilich in einer großen Gemeinde nicht geschehen. Bosch: Solche ungebührliche Gebührenbemessungen sind in den letzten Jahren auch in meiner Heimat-Gemeinde öfters vorgekommen. Es sind z. B. bäuerliche Anwesen, ein ganz primitives Wohnhaus mit einem Obstgarten an einen Sticker verkauft worden. Derselbe hat noch einen Zubau gemacht, wenn die bereits vorhandenen Baulichkeiten es nicht ermöglichten, eine Plattstichmaschine unterzubringen. Dann war er aber vor der Finanz nicht mehr Bauer, sondern Sticker, und wenn er sein Anwesen verkaufte, so werden dem Käufer die Gebühren voll bemessen. Es kam vor, daß ein Sticker ein HauS gekauft hat mit einem größeren Obstgarten dabei, er hat dieses Anwesen ein Jahr oder zwei Jahre gehabt, und dann ist es wieder an einen Bauer übergegangen. Dieser hat es wieder als Bauer benützt, aber von einem Sticker gekauft, deßwegen muß zweimal die hohe Übertragungsgebühr bezahlt werden. Das finde ich ganz und gar nicht recht. In kleineren Gemeinden ist es allerdings möglich, daß der Gemeindevorsteher die Parteien aufmerksam macht, in größeren Gemeinden kann man aber nicht Alles so genau anschauen, man giebt die Zahlungsaufträge allenfalls dem Communalverwalter, derselbe giebt sie dem Gemeindediener und dieser stellt sie den Parteien zu. Es ist wiederholt vorgekommen, daß die Gebühren ganz unrichtig bemessen wurden, zwar auch in solchen Fällen, in welchen es nicht zutrifft, daß ein Object an einen Sticker, Schuster, Schneider u.s.w. übergegangen ist, sondern wieder an einen Bauern, der denn doch die volle Übertragungsgebühr zahlen mußte. Ich glaube, es würde im allgemeinen Interesse gelegen sein, daß jene Factoren, welche Kaufverträge abschließen oder schreiben, das Wort „Bauer" nie vergessen, denn sobald ein anderer Titel oder Spitzname, wie es in größeren Gemeinden, wo viele gleichnamige Leute sind, notwendig ist, angegeben wird, dann ist die Finanz sofort da XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7. Periode 1895. 155 und sagt, du bist kein Bauer. Das sind unrichtige Vorgänge, welchen abgeholfen werden soll. Welte: Ich fühle mich auch bewogen, Einiges über diesen Punkt zu sagen. Unser GebührenGesetz kommt mir als etwas Unendliches in der Welt vor, hoffentlich aber nicht der Zeit, sondern der Tiefe (Unergründlichkeit) nach. Wenn ich ein Vierteljahrhundert zurückdenke, an jene Zeit, als mein Vater fei. noch Rechtsanwalt in der Gemeinde war, so kann ich mich erinnern, daß die Handhabung des gleichen Gebühren-Gesetzes eine ganz - andere war. Z. B. für Abtretungen, bezw. für die Übertragung einzelner Rechte in derselben Urkunde mußte keine besondere Gebühr entrichtet werden. Was die in der Allerhöchsten Entschließung vom 11. Januar 1860 gewährte Begünstigung anbelangt, so wurde damals gar keine Ausnahme gemacht. Jedem ländlichen Besitze wurde, wenn der Wert desselben nicht über 4000 fl. war, diese Begünstigung ohne weiters zuerkannt und ohne daß es notwendig war, dieselbe im Recurswege anzustreben. Ich bin auch der Ansicht, daß es dabei durchaus nicht angeht, auf die Person zu sehen, sondern es auf das Object ankommt. Wenn man den Wortlaut der bezüglichen Allerhöchsten Entschließung, verbunden mit den erflossenen Verordnungen, anschaut, so kann man nicht ersehen, daß auf den Charakter der Person Rücksicht zu nehmen ist, sondern vielmehr auf das Object. Es heißt ausdrücklich „bäuerlicher und ländlicher Besitz", und es kommt mithin nicht darauf an, daß Derjenige, welcher einen solchen Besitz hat, auch ein Bauer sein müsse. Ich muß schon sagen, es dünkt Einen fast, als ob diese damals auf Grund besonderer Verhältnisse zugestandene Begünstigung auf den AussterbeEtat gesetzt worden ist, so wird diese Begünstigung immer mehr und mehr zugeschnitten. Ich erachte dies als einen Eingriff in die alten Allerhöchsterseits gewährten Völker-Rechte und hoffe deshalb, daß den Anträgen, wie sie vom volkswirtschaftlichen Ausschüsse gestellt werden, vom hohen Hause die Zustimmung gegeben werde, und ich hoffe ferner, daß demnächst ein billiges und gerechtes GebührenGesetz zu Stande kommen und das bisherige verdrängen wird, welches mir vorkommt wie ein Sack ohne Boden. Rudigier: Es ist bereits von Kritikern, von alten Gemeindevorstehern auf die schweren Härten, welche in unserem Gebühren-Gesetze vorkommen, hingewiesen worden. Ich möchte nicht von concreten Fällen sprechen, sondern mich auf den principiellen Standpunkt stellen, und habe noch ein paar Momente anzuführen. Nach meiner Ansicht ist das Volk, die große Masse des Volkes nicht verpflichtet, alle erfließenden Gesetze zu studieren und dieselben vollständig inne zu haben und anzuwenden; dazu sind die Behörden aller Kategorien verpflichtet. Wenn aber die Behörden verpflichtet sind, die Gesetze zu studieren und zu handhaben, so ist es auch notwendig, daß die Gesetze so gemacht werden, daß sie den Behörden auch wirklich verständlich sind. Es ist doch sehr auffallend, daß ein und dasselbe Gesetz, wie einige meiner Herren Vorredner auseinandergesetzt haben, zu verschiedenen Zeiten verschiedene Anwendung finden kann. Das Volk hat weder die Zeit noch den Beruf in das Studium der Gesetze einzugehen. Daß ihm die Zeit fehlt, das wird allen Mitgliedern dieses hohen Hauses einleuchten, es fehlt ihm aber auch der Beruf und die Freude, sich mit dem Studium der Gesetze zu befassen. Eine schlechte oder unrichtige Anwendung des Gebührengesetzes hat sehr schlimme Folgen für die Öffentlichkeit, äußerst schlimme und betrübende Folgen, deren Wirkungen nicht ausbleiben können. Wir leben heute, wie vielseitig behauptet wird, und nicht ohne Grund behauptet wird, auf einem Vulkan, in einer Zeit, in welcher die Umsturzmächte immer offener hervortreten. Es ist sehr gefährlich, gerade heutzutage, wenn jene Mächte, welche es auf den Umsturz aller Autoritäten abgesehen haben, auch nur eine kleine Handhabe finden, um sich auch in den bäuerlichen Stand einzudrängen und den Bauern sagen zu können, ihr werdet von den Behörden ungerecht behandelt; ich sage, es ist schlimm, wenn die Umsturzmänner sich auch nur mit einer einzigen Gesetzesübertretung seitens der Behörden in den Bauernstand einnisten können. Man hört zuweilen von Seite der BemessungsBehörde die Äußerung: „Ja, wenn Sie glauben, daß die Gebührenbemessung nicht richtig war, dann können Sie ja recurrieren." Das ist ein Wort, das ich aus dem Munde eines Beamten nie zu 156 XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V Session der 7. Periode 1895. hören wünsche. Dies hat unabsehbar schlimme Folgen für die Ordnung im Staate. Es muß nicht blos der Bauer recurrieren können, sondern die Gesetze sind dazu gegeben, um gehandhabt zu werden, und zwar gehandhabt zu werden nach der Allerhöchsten Intention. Tirol und Vorarlberg verdankt es einer speciellen Gnade Sr. Majestät, daß für die Besitz - Übertragungen von kleinen bäuerlichen Anwesen die Gebühren nur zur Hälfte bemessen werden. Nägele: Wenn ich mich noch einmal zum Worte melde, so geschieht dies darum, weil ich früher etwas zu sagen vergessen habe. Ich komme denn auch noch auf den zweiten Punkt der Anträge zu sprechen. Im Berichte ist ein specieller Fall einer Gebührenbemessung, welche einen gewissen Johann Sylvester fcufc von Gaißau betrifft, angeführt. Dieser Mann betreibt allerdings ein Gewerbe, er ist Bauunternehmer und führt die Wuhrbauten auf von Brugg bis zum Bodensee; er hat auch eine Baggermaschine, die er aber nur in der Schweiz verwendet. Für dieses Gewerbe zahlt er, wenn ich mich recht erinnere, gegen 50 fl. Gewerbe- und Einkommensteuer. Er hat auch zehn Kinder, von denen die meisten fähig sind in seiner Ökonomie zu arbeiten. Daß ein Mann mit einer so zahlreichen Familie sich nicht lediglich der Ökonomie widmen kann, ist wohl selbstverständlich. Für das nun, daß er ein anderes Gewerbe nebenbei treibt und dem Staate jährlich 50 fl. Steuern bezahlt, wird er noch mit 30 fl. bestraft. Für seinen Grundbesitz soll er so hohe Taxen zahlen. Wo ist da die Gerechtigkeit? Was den zweiten Fall anbelangt, so handelt es sich da nickt speciell um Besitz-Übertragungen, sondern um Taxen und Stempel, welche bei Schuld-Verschreibungen und Cessionen bezahlt werden müssen. Was speciell Käufe anbelangt, so ist es da wieder der arme Mann, der mehr bezahlt, als der Reiche. Wenn z. B. ein Grundstück um baares Geld verkauft wird, so giebt man es deshalb nicht billiger, sondern es kommt darauf an, daß Derjenige, der kauft, Geld hat Dann geht man hin, man hat dies selbst bei Gericht gelernt, und giebt nicht den vollen Werth an. Wenn der arme Teufel um 2000 fl. ein Anwesen kaufen will und vielleicht nur 200 fl. anzahlen kann, so überläßt es ihm der frühere Besitzer. Nun kann er aber nicht hingehen und die 200 fl. auch noch vertuschen, denn das glaubt die Steuerbehörde nicht, daß er das Haus ohne Abschlagszahlung bekommen hat. Was speciell die Ausstellung von Pfand- und Schuld-Urkunden anbelangt, so sollte da zur Bezahlung der Gebühren auch der Gläubiger herangezogen werden. Einmal ist der Stempel für das Verfachgesuch von 1 fl. 50 fr. zu bezahlen, dann kommen noch dazu die Übertragungsgebühren, welche von 100 fl., soviel ich mich erinnere, 621/2 fr. betragen — 50 fr. ist die Gebühr und 121/2 fr. macht der Zuschlag aus — und dies Alles bezahlt wieder nicht der Gläubiger, der das Geld hat, sondern muß wieder vom armen Teufel, vom Schuldner, bezahlt werden. Man ist sogar soweit gekommen, daß der Gläubiger in die PfandUrkunde einschreiben ließ, daß der Schuldner, wenn er das Capital zurückzahlt, auch noch den Quittungs-Stempel zu bezahlen habe. Ich frage, ob ein Gesetz, das so etwas gestattet, gerecht ist, oder ob es nicht dringend zu Gunsten des armen Volkes einer Abänderung bedarf. Landeshauptmann: Wer wünscht noch weiter das Wort? — Da sich Niemand mehr zum Worte meldet, ist die Debatte geschlossen. Fink: Ich möchte auf ein paar Worte, welche der geehrte Herr Vorredner bezüglich des Vertuschens von Angaben in Käufen und Verträgen u.s.w. gebraucht hat, zurückkommen. Ich möchte nicht, daß dies so aufgefaßt würde, als ob wir hier im hohen Hause derartigen Vertuschungen das Wort reden würden. Ich glaube auch, und der Herr Vorredner hat das nicht so gemeint, sondern ich meine, er hat damit nur beweisen wollen, wie ungerecht das Gesetz an und für sich ist. Er hat zwar nicht mit den gleichen Worten, aber doch im gleichen Sinne bezüglich des GebührenGesetzes sich ausgesprochen, wie seinerzeit Einer unserer Minister, nämlich der Finanzminister v. Steinbach von der Einkommensteuer gesprochen hat. Der Minister hat selbst gesagt, das Gesetz, ist eigentlich so ungerecht, daß man dasselbe hab umgehen müssen. Das liegt im Gesetze selbst, XIII. Sitzunq des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7. Periode 1895. • 157 daß man dasselbe mißbraucht. Ich glaube also, daß wir gestützt auf das Gesetz selbst und in diesem Sinne es auffassen müssen, wenn von Vertuschungen beim Gebührengesetze gesprochen wird. Ich stimme dem Herrn Abgeordneten Nägele und den übrigen Herren Abgeordneten, welche zu diesem Gegenstände gesprochen haben» vollständig bei, wenn sie sagen, die Vorsteher, die länger in ihrem Amte sind, kommen alle Jahre aufs Neue zur Überzeugung, daß das gleiche Gebühren-Gesetz immer strenger zu Ungunsten der Parteien angewendet wird. Immer finden die Finanzbehörden wieder neue Anhaltspunkte, das gleiche Gesetz zu Ungunsten der Parteien strenger anzuwenden. In dieser Beziehung ist ihre Findigkeit, ich weiß keinen anderen Ausdruck, ganz unergründlich. Bezüglich der Anwendung der Allerhöchsten Entschließung, die doch lehr gut gemeint war von Seiner Majestät, die dem Bauernstande von Tirol und Vorarlberg ein bene einräumen sollte, ist schon sehr viel gesprochen worden. Ich bin auch der innigsten Überzeugung, daß da von den Finanz-Behörden am meisten gesündigt wird. Es ist ganz ausfallend, wie da die Finanz-Behörden oft vorgehen. Es kam der Fall vor — ich will ganz kurz sein, — ich könnte viele Fälle anziehen, ich will aber nur einen erwähnen, daß eine Alpe, welche einem Bauern gehörte, von der Finanzbehörde nicht als bäuerlicher Grundbesitz angesehen wurde, und trotzdem sie unter 4000 fl. wert war, wurde die Gebühr vom vollen Betrage bemessen und man mußte bis zum Ministerium recurrieren, bis anerkannt wurde, daß dies doch bäuerlicher und nicht städtischer Grundbesitz sei. Ich will, um das h. Haus nicht zu lange hinzuhalten, über das hinausgehen And komme auf einen anderen Punkt zu sprechen. Im Berichte des volkswirtschaftlichen Ausschusses wird gesagt, das Gebühren-Gesetz sei unverständlich. Ich muß sagen, daß mich dies an -eine vielfach bekannte Anekdote erinnert. In irgend einem Staate sei der FinanzMinister angegangen worden, ein neues Gebühren«Gesetz herauszugeben. Derselbe habe Einen seiner besten jüngeren Beamten im Ministerium mit der Ausarbeitung eines solchen Gesetzes beauftragt. Der Beamte habe möglichst seine Pflicht gethan und dem Minister einen ausgearbeiteten Gesetzentwurf vorgelegt. Der Minister habe den Beamten zwar belobt und gesagt, das Gesetz sei gut, aber es habe einen. Fehler, nämlich jeder Bauer verstehe dasselbe, er müsse es umarbeiten. Der Beamte habe das Gesetz umgearbeitet und es wieder dem Minister vorgelegt. Der Minister habe dann gesagt, das Gesetz sei jetzt zwar etwas besser, aber die Advokaten und Juristen verstehen es doch noch, er müsse es noch einmal umarbeiten. Bei der dritten Vorlage habe der Minister gesagt: so, jetzt ist das Gesetz recht, jetzt verstehe ich es selber nicht mehr. (Heiterkeit.) Zu dieser Überzeugung kommen Diejenigen, welche mit dem Gebühren-Gesetze zu thun haben, vielfach auch. Ich gehe noch etwas weiter, wie Herr Nägele und Herr Pfarrer Rudigier. Dieser hat gesagt, die Bevölkerung müsse es nicht verstehen, und Herr Nägele hat gesagt, daß ein Vorsteher in einer größeren Gemeinde nicht alle Zahlungsaufträge prüfen könne, ich möchte sagen, in den meisten Fällen versteht auch der beste Vorsteher das Gesetz nicht, wenn er auch noch so sehr seine Pflicht thun will und alle möglichen Kräfte aufwendet, daß der Bevölkerung nicht ungerechte Vasten aufgeladen werden. Es ist ihm auch nicht zuzumuten, daß er das Gebührengesetz in allen Fällen verstehe, wir wissen, daß thatsächlich in vielen Fällen die Juristen dasselbe nicht einmal verstehen. (Martin Thurnher: Nicht einmal der Planer selbst.) Ich bin überzeugt, daß gerade weil es so unverständlich ist, von der Bevölkerung in sehr vielen Fällen zu viel an Gebühren bezahlt wird. Sollte einmal die Gebühr aber zu niedrig bemessen worden sein, eben weil der Beamte das Gesetz nicht verstanden hat, so kommt die Finanzbehörde nach 3, 4 oder 5 Jahren mit einem Zahlungsnachtrage an die Parteien heran und fordert die erhöhte Gebühr noch ein. Dagegen glaube ich, daß es unerhört ist, daß je einmal von der Finanzbehörde selbst, ohne daß recurriert worden ist, etwas rückvergütet wurde. Ich glaube, die Beamten würden bei ihren Nachrevisionen in sehr vielen Fällen auch daraufkommen, daß zu viel bezahlt worden ist, und es würde nur der Gerechtigkeit entsprechen, wenn das, was zu viel bezahlt wurde, rückvergütet würde. Dies geschieht aber nie, ich frage, ob ein einziger Fall bekannt ist, in dem dies geschehen ist. Am meisten ärgert Einen aber das, daß den Parteien zur Einbringung des Rekurses eine Präclusivfrist 158 XITI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7. Periode 1895 von 30 Tagen gegeben ist, bei der Behörde aber tritt eine Verjährung erst nach 4 bis 5 Jahren ein, und manche Zahlungsverpflichtungen verjähren auch gar nicht. Wenn die Parteien das GebührenGesetz nicht verstehen und sie recurrieren innerhalb der 30tägigen Frist nicht, wenn die Gebühren nicht richtig bemessen worden sind, so ist jeder weitere Rechtsweg abgeschnitten. Wenn man erst später daraufkommt, daß eine unrichtige Gebührenbemessung vorgekommen ist, so heißt es im Beschwerdefalle bei der Behörde einfach, der Recurs ist nicht innerhalb der nach dem Gesetze vom 18. März 1876 festgesetzten Frist von 30 Tagen eingebracht worden, und wird mit dieser lakonischen Begründung einfach abgewiesen. Das widerstreitet dem Gerechtigkeitsgefühle des Einzelnen am allermeisten, wenn man sieht, daß wegen der Versäumnis der 30tägigen Recursfrist alle Rechtsmittel hinfällig sind. Das Gesetz ist auch in der Richtung sehr unbillig, daß es nicht alle Staatsbürger in der gleichen Weise trifft. Die bäuerliche Bevölkerung, der finanziell schwächere Theil kommt da wieder am schlimmsten weg. Wenn wir bei einer Besitzübertragung eines bäuerlichen Grundstückes den Wert mit 5000 fl. annehmen und dabei bedenken, daß ein solches Object auch noch mit Passiven von vielleicht mehr als der Hälfte des Wertes belastet ist, so hat der betreffende Käufer, wenn seit der letzten Besitzübertragung mehr als 10 Jahre verflossen sind, 3 ½% also 175 fl, an Übertragungsgebühren zu bezahlen Wenn aber an der Börse in Wien so ein leichter Handel mit Papieren abgeschlossen wird bis zum Werthe von 5000 fl., so bezahlt der Betreffende nicht 175 fl., auch nicht 100 fl., nicht 50 fl, nicht 25 fl., nicht einmal 1 fl., sondern nur 10 kr. Das soll Gerechtigkeit sein und gleiches Recht für Alle! Man wird mir da entgegnen, die bäuerlichen Anwesen und Grundstücke werden nicht so häufig verhandelt, wie die Papiere an der Börse. Darauf muß ich erwidern, wenn sie auch so häufig verhandelt würden, so wäre doch kein gleiches Ausmaß; nehmen wir an, ich kaufe heute ein Grundstück um 5000 fl. und morgen verkaufe ich es weiter, so muß ich immerhin eine Gebühr von 1%, d. i. 50 fl. zahlen; in Wien an der Börse nur 10 kr. Ich erinnere Sie daran, daß es Sache des Vorstehers in den Landgemeinden ist, ob dies auch in den Städten der Fall ist, weiß ich nicht, daß derselbe von den Bezirksgerichten den Auftrag hat, drei Tage nach dem Todfalle die Todfallsaufnahme einzusenden. Der Vorsteher muß also in das betreffende Haus gehen und die Todfall-Aufnahme machen. Das ist wenigstens mir eine sehr unliebsame Agende. Man kommt da oft so in ein Haus hinein, wo Armut herrscht, es ist eine Witwe da, die weint, es sind kleine Kinder da, und meistentheils ist der Grundbesitz sehr verschuldet. Sie werden es mir zugeben, daß dies sehr häufig vorkommt: Die Witwe weint über den herben Verlust, aber eine der ersten Fragen ist regelmäßig die: Vorsteher, jetzt muß ich gewiß noch eine ganze Menge Gebühren an das Gericht zahlen — die Leute meinen eben, sie müssen das an das Gericht zahlen. Der Vorsteher ist dann in die Lage versetzt, daß er sagen muß, trotzdem ein Grundbesitz da ist, der vielleicht bis auf den letzten Kreuzer verschuldet: Du mußt 175 fl. an den Staat zahlen. Ich setze wieder voraus, daß der Grundbesitz 5000 fl. werth ist. Da muß Einem unwillkürlich der Gedanke kommen, an der Börse würde man nur 10 kr. zahlen. Ich könnte diese Betrachtungen noch viel weiter ausdehnen, ich will aber nur noch auf ein Moment aufmerksam machen. Ich will die Gebührenbemessung bei kirchlichen Stiftungen übergehen und zwar aus dem Grunde, damit nicht von einer gewissen Seite wieder gesagt wird, man ziehe das religiöse Moment herein, aber auf eine andere Art Stiftungen möchte ich Hinweisen, nämlich auf die humanen und Wohlthätigkeits-Stiftungen, das könnte bei allen Herren Abgeordneten Anklang finden. Sagen wir, es besteht in einer Gemeinde eine Stiftung für arme Schulkinder — ich kenne eine solche. Nach dem ausgesprochenen Willen des Stifters sollen aus den Interessen der betreffenden Stiftung alljährlich zu Anfang der Winterszeit für arme Schulkinder Kleidungsstücke angekauft werden, so daß diese armen Kleinen, die man oft vom Froste ganz blau einherschreiten sieht, wärmere Kleider bekommen. Nehmen wir an, es hat ein einfacher Bauer, der vielleicht keine eigenen Kinder hat, durch Sparsamkeit sich ein kleines Vermögen erworben, hat auch die Wohlthätigkeit einer solchen schon bestehenden Stiftung eingesehen und denkt, ich könnte zu dieser Stiftung etwa 1000 fl. dazu geben, damit mehr Kinder mit Kleidern bedacht werden. • In vielen Fällen wird eine solche Zustiftung XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7. Periode 1895. 159 gerade aus dem Grunde unterbleiben, weil Derjenige, der die Stiftung machen will, weiß, daß den zehnten Theil davon der Staat nimmt. Was geschieht aber, wenn eine solche Stiftung wirklich gemacht wird? Bevor dieselbe den armen Schulkindern übergeben wird, kommt der Staat, der Fiscus und sagt: Ihr lieben armen Schulkinder, es ist alles recht und schön, aber bevor ihr das in die Hand bekommt, muß ich selbst auch noch dazu schauen, denn ich bin auch arm, ich muß auch etwas haben und zwar deshalb bin ich arm, weil ich, um die Millionen der oberen Zehntausend zu schützen, sehr viel Militär brauche und dafür unerschwingliche Ausgaben habe; ich bin arm, weil ich eine große Polizei brauche u.s.w. Ich muß selbst 10% zuerst abzwicken und dann könnt ihr armen Schulkinder den Rest, bezw. die Zinsen vertheilen. So wird das gemacht. Vielleicht sagt der Staat auch noch: Ich komme alljährlich wegen des Gebühren-Äquivalentes auch noch, damit ihr ja nicht ganz allein zu dieser Wohlthätigkeit kommt. So sieht in Wirklichkeit unser Gebühren-Gesetz auf einen concreten Fall angewendet aus. Ich glaube daher, der volkswirtschaftliche Ausschuß hat ganz recht, wenn er am Schlüsse seiner Ausführungen sagt, das Gebühren-Gesetz sollte notwendig im Sinne einer progressiven Einkommensteuer umgeändert werden, so daß nach Progression Diejenigen die Gebühren zu zahlen hätten, welche auch das Vermögen haben, nicht daß es immer in erster Linie bloß die armen Teufel trifft. Diesbezüglich sind auch schon Stimmen laut geworden und ich weiß auch ganz gut, daß der Herr Abgeordnete Martin Thurnher im Reichsrate diesbezüglich gesprochen hat. Ich glaube, daß die bäuerliche Bevölkerung so sehr davon überzeugt ist, daß da Wandel geschaffen werden sollte, daß alle Parteien, seien sie liberal oder wie ein Herr Vorredner gemeint hat, clerical, zusammen helfen sollten. Auch der Herr Dr. Waibel würde der Bevölkerung gewiß einen größeren Dienst erweisen, wenn er dazu helfen würde, daß da Wandel geschaffen wird, als wenn er an die hohe Regierung einen Appell gegen das Landesbudget richtet. Ich will das hohe Haus nicht länger hinhalten und bitte, die Anträge des volkswirtschaftlichen Ausschusses zum Beschlusse zu erheben. Landeshauptmann: Ich schreite nun zur Abstimmung und zwar zunächst zu Punkt 1 der Ausschuß-Anträge. Ich ersuche jene Herren, welche diesem Punkte die Zustimmung geben, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Einstimmig angenommen. Nun kommt Punkt 2 zur Abstimmung, welcher lautet: (Liest denselben.) Ich ersuche jene Herren, welche auch diesem Punkte die Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. Einstimmig angenommen. Der nächste Gegenstand der heutigen Tagesordnung ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses, betreffend die Wildbachverbauungen im österr. Rheingebiete. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Abgeordneten Martin Thurnher zu referieren. Martin Thurnher: Als vor nahezu zwei Jahren der elektrische Draht von Wien die Nachricht brachte, der Reichsrat habe dem Vertrage zwischen Österreich und der Schweiz, betreffend die Durchführung der Rhein-Regulierung, die Zustimmung gegeben, war große Freude sowohl im österreichischen als im schweizerischen RheinThale. Das Geläute der Glocken und Krachen der Pöller vermischte sich mit dem Jubel der Bevölkerung. Es wurden auch Häuser beflaggt und Festlichkeiten veranstaltet, und in einzelnen Gemeinden auch Dank-Gottesdienste gehalten, bei welchen sich mit dem Danke wohl auch Bitten und Wünsche nach glücklicher Durchführung des Werkes vereinten. Der Jubel der Rheinthal-Bewohner war wohl gerechtfertiget. Soll doch durch das Werk der Rhein-Regulierung den so häufig die Existenz von Leben, Hab und Gut vieler Tausender von Menschen bedrohenden Überschwemmungen Einhalt gethan, die weite, jetzt vielfach versumpfte Rhein-Ebene entwässert, der Muth und das Vertrauen der Rheinthal-Bewohner gehoben und ihnen nach menschlicher Voraussicht ein besseres und erträglicheres Schicksal in der Zukunft bereitet werden. Eine äußerst wertvolle und die dauernde Erhaltung des großen. Werkes, ich möchte fast sagen, verbürgende Bestimmung enthält der § 17 2 160 XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7. Periode 1895. dieses Vertrages. Nach diesem Paragraphen verpflichten sich die beiden Contrahenten unter Heranziehung der localen Factoren zur Verbauung der in ihren Gebieten befindlichen Zuflüsse des Rheins, um dadurch die Geschiebe-Abfuhr dieser Seitenflüsse in den Rhein möglichst hintanzuhalten. Wie aus dem vorliegenden Berichte zu entnehmen ist, wird von Seite Österreichs dieser hochwichtigen Action bereits die größte Aufmerksamkeit zugewendet. Die Projecte liegen vor und das veranschlagte Erfordernis beziffert sich auf mehr als eine Million, welche sich noch erhöhen dürfte, weil noch einige andere als die im bezüglichen Kostenvoranschlage bezeichneten Flüsse in die Verbauung einbezogen werden dürften. Wir haben alle Ursache, der Wildbachverbauung unsere volle Sympathie und, soweit es unsere schwachen Kräfte vermögen, unsere werkthätige Mitwirkung zuzuwenden. Nebst der besseren Sicherung des Erfolges der RheinRegulierung wird dieselbe für die Sicherung der Illbauten von großem Werthe sein und zudem noch nach mancher anderen Richtung für ganze Gemeinden und Thäler gewiß großen und bleibenden Nutzen bringen. Das J&inb würde sich gewiß, wenn es seine Kräfte gestatten würden, mit einem weitergehenden Betrage als dem vom volkswirtschaftlichen Ausschüsse beantragten an der Wildbachverbauung beiheiligen, aber es harren in den nächsten Jahren so viele und große Ausgaben ihrer Lösung, daß eine höhere Betheiligung seitens des Landes nicht möglich erscheint, und dies um so weniger, als die Regierung auch auf den Vorschlag des LandesAusschusses sich in eine Verhandlung betreffend Abschreibung der Rheindamm-Bauschuld an den Meliorationsfond per 75.500 fl. einzutreten, nicht einließ. Es ist aber immerhin eine hohe Summe, die wir nach den uns vorliegenden Anträgen der Wildbachverbauung widmen wollen, da schon die erste Serie der durchzuführenden Bauten eine Summe von über 550.000 fl. erfordert, somit auf das Land eine Tangente von mehr als 55.000 fl. entfällt. Die Betheiligung des Landes an den weiteren Bauserien bleibt späteren Beschlüssen der Landesvertretung vorbehalten. Unter Verweisung auf die detaillierten Ausführungen des umfangreichen Berichtes kann ich nur empfehlen, die vorliegenden, Anträge einstimmig anzunehmen. Bevor ich zur Verlesung derselben schreite, möchte ich darauf aufmerksam machen, daß in einem der letzten Absätze des Berichtes und zwar dort, wo es heißt: „Bei den Verhandlungen des volkswirtschaftlichen Ausschusses machte sich die Ansicht geltend u.s.w." der Schlußsatz ausgeblieben ist, indem es zuletzt noch heißen soll: „in die Wilbdachverbauung einbezogen werden. Die Anträge lauten: (Liest die Anträge aus Beilage XXXV.) Landeshauptmann: Ich eröffne über den Bericht und die gestellten Anträge die Debatte. Bösch: Ich kann mich selbstverständlich den Aussüdrungen meines geehrten Herrn Vorredners und den in dem Berichte gemachten Angaben nur anschließen, denn es muß gewiß anerkannt werden, daß die Wildbachverbauungen, wie sie in Aussicht genommen finb, die wohlwollende und nützliche Unternehmung der Rhein-Regulierung nur nachhaltig und gut beeinflussen können. Ein weiterer Umstand, der mich veranlaßt, heute das Wort zu ergreifen, ist der Koblacher Canal oder der sogen, vorarlbergische Binnenentwässerungs-Canal. Dieser Canal wurde nicht wegen der Rhein-Correction, sondern zur Entwässerung des Rheinthales gemacht, um hauptsächlich die Gegend von der oberen Lustenauer Grenze aufwärts der Versumpfung zu entreißen. Dieser Canal wird mit großen Kosten erstellt, das Thal ist sehr flach, und kann der Canal deshalb ein Gefälle nicht bekommen, deswegen wird er doch zweckentsprechend und die gute Wirkung wird nicht unterbleiben; aber die Stabilität dieses Canals ist, wie schon im Antrage 5 hervorgehoben ist, durch die Zufuhr von Geschiebe etwas gefährdet. In erster Linie ist der Emsbach hervorzuheben, der diesen matten Fluß beeinträchtigen wird. Weiter herunten aber ist noch ein solcher Bach, welcher dem Koblacher Canal gefährlich wird, weil er auch viel Geschiebe mit sich führt, welches der Koblacher Canal wegen seines schwachen Gefälles und der geringen Stoßkraft nicht weiter zu schieben vermag. Es wird daher bald nach Erstellung des Koblacher Canales der Umstand eintreten, daß das von der Seelache eingeschobene Kies gleich unter der Einmündung liegen bleibt und eine Rückstauung bewirkt, die besonders für Hohenems, weil das am nächsten liegt, einen ziemlich schädlichen XTIT. Sitzung des Vorarlberger Landtags, v. Session der 7. Periode 1895. 161 Einfluß bringt. Es wäre deshalb sehr notwendig, daß, wie ich mir mitteilen ließ, Verbauungen hauptsächlich in der Alpe Schutdannen, wo eben die wunde Stelle ist, vorgenommen würden. Diese Verbauungen würden nicht viel kosten. Wenn da vorgesehen würde, so könnte diesen nachteiligen Folgen vorgebeugt werden. Ich habe dies bereits bei der Veristcation des Berichtes im volkswirtschaftlichen Ausschüsse und auch schon früher angeregt, und es ist mir bedeutet worden, weil der Bericht bereits vollständig niedergeschrieben war, ich möchte einen bezüglichen Antrag im h. Hause einbringen. Ich stelle also folgenden Antrag: „Der hohe Landtag wolle beschließen, der hohen Regierung sei auch nahe zu legen, daß der Fallen- oder Seelachenbach durch seine Geschiebe-Zufuhr auf die Stabilität des Koblacher Canales ungünstig einwirken werde und, daß zur Rückhaltung des Geschiebes Wildbachverbauungen notwendig sein werden." Ich bitte das hohe Haus, diesen gestellten Antrag aus den soeben ausgeführten Gründen der Prüfung zu unterziehen und denselben bei der Abstimmung eventuell zu unterstützen. Landeshauptmann: Dieser Antrag würde dann einen sechsten Punkt bilden. Bösch: Er könnte auch als zweites Alinea zu Punkt 5 genommen werden. Martin Thurnher: Ich möchte in formeller Beziehung eine Bemerkung machen. Ich kenne die Verhältnisse dort zu wenig, aber ich glaube doch, daß die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Bösch einigermaßen Berechtigung haben. Wenn das hohe Haus nichts gegen den von ihm gestellten Antrag einwendet, so könnte dadurch eine Vereinfachung erfolgen, wenn man den Punkt 5 folgendermaßen stilisieren würde: „Die Regierung wird ersucht, auch der Einbeziehung des Klaus- sowie des Emserbaches und endlich des Fallbaches in die Wildbach-Verbauung ihre wohlwollende Aufmerksamkeit zuzuwenden." Landeshauptmann: Zieht der Herr Antragsteller seinen Antrag vielleicht zu Gunsten dieses Vorschlages zurück? Bösch: Ja. Landeshauptmann: Wer wünscht noch weiter das Wort? Es meldet sich Niemand mehr, somit ist die Debatte geschlossen, wenn der Herr Berichterstatter nichts weiter beizufügen hat. Martin Thurnher: Nein. Landeshauptmann: Dann schreiten wir zur Abstimmung. Ich glaube, es wird keine Einwendung erhoben werden, wenn ich sämtliche 5 Anträge unter Einem zur Abstimmung bringe, damit ich die Herren nicht so oft bemühen muß. Ich ersuche also jene Herren, welche sämtlichen 5 Anträgen, wie sie der volkswirtschaftliche Ausschuß stellt, die Zustimmung geben, sich gefälligst vom den Sitzen zu erheben. Angenommen. Als weiterer Gegenstand steht auf der heutigen Tagesordnung der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über die Mitteilung des k. k. Handels-Ministeriums in Angelegenheit des Baues der Bregenzerwälderbahn. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Martin Thurnher, darüber zu referieren. Martin Thurnher: Eine wichtige, unser Land betreffende Frage bildet unstreitig die Erbauung der Bregenzerwälderbahn. Der hohe Landtag hat sich in der vorigen Session eingehend mit dieser Frage befaßt und suchte dieselbe mit den Beschlüssen vom 27. Januar v. I , wonach sich das Land verpflichtete, 110.000 fl. in Stamm - Actien zu zeichnen, einer glücklichen Lösung zuzuführen. Consortium und Landtag waren dabei nach den Ratschlägen vorgegangen, die sie von maßgebender Seite erhalten hatten. Sie hatten eine Form der Beteiligung der maßgebenden Factoren am Zustandekommen der Bahn gewählt, wie sie einerseits den thatsächlichen Verhältnissen angemessen war, und nach welcher andererseits in den letzten Jahren verschiedene Bahnen, wie z. B. die Ybbsthalbahn, die Valsuganabahn u.s.w. der Erbauung zugeführt wurden. Durch das neue Localbahngesetz hat sich 162 XIII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7. Periode 1895. die Situation aber etwas geändert. Durch dasselbe sollen zwar den zu erbauenden Localbahnen weitgehende Begünstigungen gewährt und soweit solche Bahnen geeignet sind, durch Anschluß an Staatseisenbahnen, Beförderung der Post u. dgl. die allgemeinen Staatsinteressen zu fördern, ihnen Staatsbeiträge zugewendet werden. Die Übernahme der Garantie, dann soweit es thunlich erscheint, auch die Erbauung, die Verwaltung und der Betrieb, soll von den Ländern, Bezirken, Gemeinden u.s.w. erfolgen. Nur für solche Fälle, in denen dargethan wird, daß Bahnen, deren Erstellung aus wirtschaftlichen oder militärischen Gründen wünschenswert erscheint, die Interessenten aber nachgewiesenermaßen nicht in der Lage sind, die Mittel selbst aufzubringen, ist die Garantie des Staates, die Zuwendung höherer Staatsbeiträge und andere Begünstigungen im Wege der Specialgesetzgebung durch dieses Gesetz vorgesehen. Die k. k. Regierung ist aber in Rücksicht auf diese Bestimmungen des Localbahngesetzes, auf die Beschlüsse des Vorarlberger Landtages, bezw. auf die Vorschläge des Consortiums vorläufig nicht eingegangen, sondern wünscht, daß das Land oder die betreffenden Gemeinden die Garantie für das bevorzugte Anlagekapital übernehmen. Nun fällt aber sicher die Bregenzerwälderbahn unter jene Bahnen, denen im Wege der Specialgesetzgebung außerordentliche Begünstigungen zugewendet werden können und sollen. Daß die Erbauung aus wirtschaftlichen Gründen notwendig ist, braucht nicht mehr weiter hervorgehoben zu werden, daran zweifelt Niemand, und es wird dies auch von der Regierung ausdrücklich anerkannt. Somit erscheint die eine Bedingung für außerordentliche Staatshilfe schon als gegeben. Jeder Kenner der Verhältnisse ist aber auch überzeugt, daß die Interessenten aus eigener Kraft nicht im Stande sind, die Bahn zu erstellen. In dieser Beziehung weist der vorliegende Bericht klar nach, daß die Bahn nur dann erbaut werden kann, wenn der Staat die Garantie übernimmt, jeder andere Weg ist wohl ausgeschlossen. Dieser Erkenntnis wird sich sicher auch die hohe Regierung nicht verschließen, und nachdem sie der Angelegenheit bisher ihre wohlwollende Beurteilung und Aufmerksamkeit angedeihen ließ, so darf erwartet werden, daß sie ihre Hand von dem Unternehmen nicht zurückziehen, sondern dasselbe rascher Realisierung entgegenführen werde. Es hieße Wasser in den