18950214_lts016

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Letzte Änderung 03.07.2021, 09:53
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp07,lts1895,lt1895,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 16. Sitzung am 14. Februar 1895 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg Gegenwärtig 19 Abgeordnete. Abwesend der hochwürdigste Bischof Regierungsvertreter: Herr k. k. Hofrath Graf St. Julien-Wallsee. Beginn der Sitzung 10 Uhr 20 Min. Vormittags. Landeshauptmann: Die heutige Sitzung ist ist eröffnet. Ich bitte um Verlesung des Protokolles der vorgestrigen Sitzung. (Sekretär verliest dasselbe.) Landeshauptmann: Hat Einer der Herren zur Fassung des Protokolles eine Bemerkung zu zu machen? Johann Thurnher: Ich bitte um das Wort. Ich glaube, daß im Protokolle eine einzige, obzwar nicht belangreiche Correctur nothwendig ist. Es ist nämlich im Protokolle davon die Rede, wer den Antrag auf namentliche Abstimmung über den Majoritätsantrag gestellt hat. Wenn ich richtig gehört habe, so ist im Protokolle erwähnt, dass die namentliche Abstimmung vom Herrn Berichterstatter gewünscht worden sei. Dies wäre dahin abzuändern, dass der Wunsch der namentlichen Abstimmung nicht vom Berichterstatter, sondern vom Obmanne des Wehr-Ausschusses ausgesprochen worden ist. Landeshauptmann: Ich „bemerke, dass dies ganz richtig ist, es war ein Übersehen von mir. Ich werde die bezügliche Correctur vornehmen lassen und erkläre das Protokoll mit dieser Abänderung für genehmigt. 256 XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtags, V. Session Der 7. Periode 1895. Dr. Waibel: Wir haben bereits wiederholt in dieser Session und namentlich in der letzten Sitzung die Wahrnehmung gemacht, daß wir den Stenographen eine Leistung aufladen, der sie kaum gewachsen sein können, oder dass sie, wenn sie dieselbe erfüllen, davon gewiss für ihre Gesundheit nachtheilige Folgen haben. Es ist eine große Aufgabe, den Verhandlungen mit jener Aufmerksamkeit zu folgen, dass die Niederschreibungen auch correct ausfallen. In Rücksicht darauf habe ich bereits in einer der vorigen Sessionen den Antrag gestellt, Lass die Zahl der Stenographen vermehrt, mindestens verdoppelt werde. Nach meinem Dafürhalten wäre das keine Vergrößerung der Ausgaben, denn der Abschluß der Arbeiten wird sich, wenn dieselben von vier Stenographen übernommen werden, in kürzerer Zeit vollziehen, und dabei werden die Stenographen correcter und ohne Nachtheil für ihre Gesundheit zu arbeiten in der Lage sein. So würden wir humaner vorgehen, und auch finanziell ist die Sache belanglos, da ja die beiden Stenographen doch beisammen bleiben müssen, bis die Arbeit fertig ist. Die Herren haben sich wiederholt selbst überzeugt, dass vielfach auf die Stenographen Rücksicht genommen werden mußte, indem man von Zeit zu Zeit während der langen Verhandlungen kurze Pausen eintreten ließ, um ihnen etwas Gelegenheit zur Erholung zu bieten. Es ist ja nicht sicher, aber doch denkbar, dass wir vielleicht noch einmal zusammenkommen, und auch wenn das nicht geschehen sollte, so halte ich es doch für meine Pflicht, die künftige Leitung der Landesversammlung schon jetzt darauf aufmerksam zu machen, dass in dieser Beziehung Abhilfe getroffen werden sollte. Hiemit glaube ich gewiss im Sinne aller Herren gesprochen zu haben. Landeshauptmann: Zur Anregung des Herrn Abgeordneten Dr. Waibel bemerke ich, dass ich diesen Mißstand selbst schon empfunden habe, indem die Sitzungen wiederholt von langer Dauer waren und viel gesprochen wurde, so dass die Stenographen fast erlegen sind. Ich habe mir fest vorgenommen, wenn ich nächstes Jahr noch im Amte bin, es so einzurichten, dass wenigstens für die zweite Hälfte der Session eine größere Anzahl von Stenographen zur Verfügung steht. Zu Beginn der Session ist dies bei der kurzen Dauer der ersten Sitzungen nicht so nothwendig. Ich habe mich aber auch unmittelbar vor der vorgestrigen Sitzung, weil ich geahnt habe, dass in derselben viel gesprochen werden würde, bemüht, für eine Verstärkung des Stenographenpersonales zu sorgen, aber dies war wegen der Kürze der Zeit unmöglich, indem in Bregenz Niemand zu finden war, der diese Arbeit hätte übernehmen können. Ich werde mir jedenfalls die gemachte Anregung für nächstes Jahr merken und für eine Verstärkung der Stenographenzahl sorgen. Wir kommen nun zur Tagesordnung. Auf derselben steht als erster Gegenstand der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über die Petition der Gemeinden des Bezirkes Feldkirch wegen Einführung von Zuchtkälbern aus der Schweiz. Es ist früher beschlossen worden, dass über diesen Gegenstand gegen nachträgliche Drucklegung mündlich berichtet werden kann. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, Abgeordneten Welte, den Bericht vorzutragen. Welte: Der volkswirthschaftliche Ausschuß hat in seiner Sitzung, wo er über diesen Gegenstand berathen hat, die schriftliche Erledigung beschlossen, es ist aber die Drucklegung übersehen worden, deshalb wird der Bericht mündlich erstattet. (Liest den Bericht und Antrag aus Beilage XLV11I). Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag die Debatte. Bosch: Ich habe zum Berichte nur noch Einiges zu bemerken. Es scheint mir nämlich darin zu wenig hervorgehoben, dass es zur Förderung der Viehzucht des Landes Vorarlberg sehr nothwendig erscheint, dass wir, wenigstens noch durch manche Jahre hindurch, einen Zuschuß an Zuchtkälbern heranziehen. Denn in Vorarlberg ist man manchen Orts noch sehr weit zurück mit wirklich zuchtwürdigen Nutzthieren und wenn nach dieser Richtung nicht Erleichterungen eintreten, so ist dies sehr erschwerend für die weiter im Lande gelegenen kleineren Gemeinden, weil die Kosten zu hoch sind. Für größere Gemeinden, die nahe an der Grenze liegen, ist der Bezug im Verhältnisse weniger erschwerend, weil in größeren Gemeinden mehrere Parteien sich zusammenthun und so die mit der XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7. Periode 1895. 257 Untersuchung verbundenen Kosten leichter tragen können. Immerhin sind aber die angestrebten Erleichterungen, die in dieser Beziehung möglich sind, umsomehr zu empfehlen, weil sie nach meiner Auffassung zur Förderung der Viehzucht, im Allgemeinen, da ja auch das Land in den letzten Jahren sehr viel geleistet bat und auch in Zukunft leisten will, unumgänglich nothwendig sind, besonders für kleine und von der Grenze entlegenen Gemeinden. Landeshauptmann: Wer wünscht weiter das Wort? — Da sich Niemand meldet, so ist die Debatte geschlossen. Hat der Herr Berichterstatter noch etwas beizufügen? Welte: Nein. Landeshauptmann: Dann schreite ich zur Abstimmung und ersuche diejenigen Herren, welche dem Anträge des volkswirtschaftlichen Ausschusses, wie er verlesen worden ist, ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Der weitere Gegenstand unserer heutigen Tagesordnung ist der Bericht des Wahlreform-Ausschusses über die Grundzüge zum Entwürfe einer neuen Landtags-Wahl-Ordnung. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, Abgeordneten Welte, darüber zu referieren. Welte: In der achten Sitzung der vorigjährigen Session, am 26. Jänner, hat der hohe Landtag den Beschluß gefaßt, den Landes-Ausschuß zu beauftragen, in eine Revision der LandtagsWahlordnung einzutreten und eine diesbezügliche Vorlage in der nächsten Session zu unterbreiten. Der Landes-Ausschuß hat diese Agende an ein Sub-Comite überwiesen. Dieses Subcomite hat sich nun nicht in der Lage gesehen, einen Entwurf nach diesem Auftrage auszuarbeiten, und zwar mit der Begründung, dass es nothwendig erscheine, dass der hohe Landtag zuerst selbst gewisse Grundzüge hiezu bestimme. Dagegen hat es einen Antrag aus bestimmte Grundzüge dem Landes-Ausschüsse unterbreitet und der Landes-Ausschuß hat denselben beigestimmt. In dieser Weise wurde dieser Act dem hohen Landtage in Vorlage gebracht. Der Wahlreform-Ausschuß, welchem dieser Gegenstand in der heurigen Session zur Vorberathung und Berichterstattung überwiesen worden ist, hat zuerst diese vom Subcomite aufgestellten Grundzüge geprüft und als die seinigen acceptiert. Diese Grundzüge sind nun in dem vorliegendem Bericht eingetragen und bestehen aus 5 Punkten. Nach denselben soll das Wahlrecht jedem männlichen, 24 Jahre alten österreichischen Staatsbürger, welcher in einer Gemeinde des Landes an directen Staatssteuern mindestens 2 Kronen zahlt und im Vollgenusse der bürgerlichen Rechte ist, in der Gemeinde seines ordentlichen Wohnsitzes zustehen. Desgleichen sollen Personen, denen vermöge ihrer Bildung und Stellung das Wahlrecht bisher schon zugestanden war, das Wahlrecht auch künftighin, haben, welches aber auch auf die provisorisch angestellten Geistlichen und Lehrer gesetzlich auszudehnen ist. Vom Wahlrechte sind auszuschließen r Frauenspersonen, Minderjährige, Curanden und juristische Personen. Die Stimmabgabe soll eine geheime sein. In allen drei Wahlgruppen soll der bisherige Wahlmodus unverändert bleiben. Über eine eventuelle Änderung der Wahlbezirke in den Landgemeinden oder Beibehaltung nach der gegenwärtigen Eintheilung wird sich nicht principiell ausgesprochen. Auf Grundlage dieser festgestellten Grundzüge stellt nun der Wahlreform-Ausschuß folgenden Antrag, den ich namens desselben vorbringe. Der hohe Landtag wolle beschließen: (Liest den Antrag aus Beilage XLVI.) Nachdem gegenwärtig auch eine Reform des Reichsraths-Wahlgesetzes in Aussicht steht, hielten es mehrere Mitglieder des Landtages, mit denen ich in letzterer Zeit Rücksprache genommen habe, sowie auch mehrerer Mitglieder des WahlreformAusschusses für gut, dass auch der Landtag eine Stellungnahme gegenüber dieser Wahlreform documentiere, und erlaube ich mir deshalb diesbezüglich den weiteren Antrag zu stellen: „Der hohe Landtag spricht sich dafür aus, dass die Reichsrathswahlen im Sinne des October-Diploms und der in Kraft stehenden Landesordnungen durch die Landtage erfolgen sollen." 1258 XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7, Periode 1895. Landeshauptmann: Ich eröffne nun über Bericht und Antrag des Wahlreform-Ausschusses, sowie über den vom Herrn Berichterstatter für seine eigene Person soeben gestellten zweiten Antrag die Debatte und ertheile das Work zunächst dem Herrn Abgeordneten Martin Thurnher, welcher sich vorher dazu gemeldet hat. Martin Thurnher: Ich werde nur Weniges zu dem in Verhandlung stehenden Gegenstände sprechen. Die Grundlage, die nach dem vorliegenden Anträge des Wahlreform-Ausschusses bei Reform der Landtags-Wahlordnung zur Geltung gelangen soll, entspricht nicht vollkommen meinem Ideale. Ich würde wünschen, daß etwa im Geiste der Taaffe'schen Vorlage für die Reichsraths-WahlReform, selbstverständlich mit Ausschluß der GroßGrundbesitzer« Curie, die zum Glücke in Vorarlberg bisher nicht vorhanden war, jeder 24 Jahre alte, unbescholtene Staatsbürger, der entweder eine Steuer entrichtet, oder der Militärpflicht Genüge geleistet, oder mindestens des Lesens und Schreibens kundig ist, dabei seinen Pflichten gegen Familie und Gesellschaft nachkommt, nicht der öffentlichen Wohlthätigkeit zur Last fällt und eine gewisse Aufenthaltszeit am Wahlorte nachweisen kann, mit dem Wahlrechte ausgestattet werde. Dabei hätte ich die Ansicht, es sollte mit der Reform des Wahlrechtes von Unten angefangen werden. In Österreich macht man es gewöhnlich umgekehrt; man baut zuerst das Dach und die oberen Stockwerke und dann denkt man endlich daran, dass man auch ein Fundament machen muß. In erster Reihe soll das ungerechte WahlkörperSystem in den Gemeinden beseitigt und an dessen Stelle das allgemeine Wahlrecht gesetzt werden. Nicht das Geld, wie es jetzt der Fall ist, sondern die Würde und der innere Werth des Menschen sollte die Grundlage des Wahlrechtes bilden. Für die Landtage würde ich, wie bereits erwähnt, ein Wahlrecht beiläufig im Sinne der Taaffe'schen Vorlage wünschen, was nicht ausschließen würde, einige Vertreter beruflicher Genossenschaften in die Landesvertretung einzuberufen. Wenn nun von Unten an das Wahlrecht auf die breiteste Basis gestellt wäre, könnten hinsichtlich des Wahlrechtes für den Reichsrath nur noch . zwei Wege gedacht werden, entweder das weitausgedehnte Wahlrecht, wie es für den Landtag und die Gemeinden bestimmt wäre, oder das Wahlrecht durch die Landtage selbst. Principell bin ich für letzteren Vorgang und stimme daher dem vom Herrn Berichterstatter nachträglich gestellten Anträge zu. Abgesehen davon, dass dieses Wahlrecht den Landtagen nach allen Landesordnungen zusteht und noch keine einzige Vertretung eines Landes darauf Verzicht geleistet hat, abgesehen davon, dass durch die Wiedergewinnung dieser Befugnis die Kraft der Landtage gegenüber der Regierung sich bedeutend erhöhen und stärken würde, und abgesehen davon, dass die Reichsvertretung durch die seitens der Landtage erfolgte Wahl gewiss nur gewinnen könnte und es nicht abgeläugnet werden kann, dass eine bessere Sichtung der zu Wählenden zu erwarten wäre, so wäre eine solche Vertretung doch eine wahre Volksvertretung, da seine Wähler, nämlich die Landtage selbst aus den allgemeinen Wahlen hervorgehen würden. Aber ich hege gegründete Zweifel, dass dieses Ziel in absehbarer Zeit erreicht werden könne. Die Minoritäten in allen Ländern, die dadurch in Gefahr kämen, keine Vertreter mehr in den Reichsrath entsenden zu können, würden sich mit aller Entschiedenheit und Kraft gegen solche Versuche wehren. Außerdem tritt, zwar noch nicht gerade bei uns in Vorarlberg, aber sonst vielfach das Verlangen nach directen Wahlen in den Vordergrund, und diesem Verlangen würden die Reichsrathswahlen durch die Landtage wohl diametral entgegenstehen. Kommt es also nun, wie voraus zu sehen ist, nicht zu dieser Reform, so habe ich im Allgemeinen gegen die Taaffe'sche Vorlage und Verschiebung des Großgrundbesitzes in das Herrenhaus, dagegen Heranziehung berufsgenossenschaftlicher Vertreter in das Abgeordnetenhaus kaum etwas einzuwenden und müßte mich dieser Grundlage anschliessen. Das ist mein principieller Standpunkt hinsichtlich der Gemeinde-, Landtags- und ReichsrathsWahlreform. Hinsichtlich der Reform der Landtags-Wahlordnung habe ich aber die Ansicht und die Befürchtung, dass im jetzigen Momente die von mir aufgeführten Grundsätze wohl noch keine Aussicht auf Realisierung haben dürften, da die jetzige Regierung sicher nicht darauf eingehen würde. Es empfiehlt sich daher, unter möglichster Einhaltung des Rahmens der bisherigen Landtags-Wahl-Ordnung XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7. Periode 1395. 259 auf die thunlichste Erweiterung des Wahlrechtes Bedacht zu nehmen und diese thunlichste Erweiterung anzustreben. Es wird heute sicher von Seite der Minorität eine Lanze eingelegt werden für das directe Wahlrecht und für die Feststellung eigener Wahlkreise für jeden Abgeordneten. Ich, meine Herren, bin kein Gegner des direkten Wahlrechtes und glaube auch, dass dasselbe früher oder später bei uns zur Durchführung gelangen wird. Ich habe aber bei meinen Unterredungen mit den Herren Abgeordneten der Landgemeinden und bei anderen Gelegenheiten die Wahrnehmung gemacht, dass dermalen von Seite der Landgemeinden nur ganz vereinzelnt die Wünsche des direkten Wahlrechtes auftreten nnd dass man das jetzige System als das einfachste und für die Bevölkerung weniger drückende anerkennt, und darum habe ich dermalen auch keine Ursache, mich für dasselbe besonders zu erwärmen und dafür zu stimmen. Aus allen diesen vorgebrachten Gründen stimme id? dem vorliegenden Anträge des WahlreformAusschusses, sowie dem sich daran reihenden weiteren Anträge des Herrn Berichterstatters zu. Dr. Waibel: Ich halte es für überflüssig, mich in eine Reichsraths-Wahldebatte einzulassen. Ich kann nur versichern, dass ich nach meinen Persönlichen Gefühlen und Meinungen in dieser Richtung auch den ausgedehntesten idealen Anschauungen huldige, weil sie mit den Traditionen unserer eigenen Vergangenheit am besten übereinstimmen. Wir haben bislang immer die Einrichtung besessen, welche in unserer schweizerischen Nachbarschaft noch herrscht, und dieser entsprechend auch gelebt und gehandelt. Allem, was zur Zurückführung nach diesem demokratischen Prinzipe führen kann, werde ich mit Vergnügen meine Unterstützung, soweit sie gegeben werden kann, angedeihen lassen. Aber wenn man, wie man sagt, dem Ideale näher treten und zur Erfüllung desselben beitragen will, giebt es wohl den einzigen Weg, praktisch vorzugehen und jede Gelegenheit, welche sich darbietet, dem Ideale näher zu kommen, aufrichtig #1 ergreifen. Ich setze voraus, dass über die einzelnen Punkte, welche dem Anträge vorausgehen, gesprochen werden kann, und behalte mir vor, bei den einzelnen Punkten der Reihe nach meine Bemerkungen zu machen. Bei Punkt eins und zwei werde ich eine Kleinigkeit zu bemerken haben, bei Punkt vier und fünf behalte ich mir längere Bemerkungen vor -4. Alles in Übereinstimmung mit meinen Gesinnungsgenossen. Wenn ich die Zusicherung erhalte, über die einzelnen Punkte sprechen zu können, behalte ich mir dies für die Special-Debatte vor, denn ich glaube, es ist zweckmäßiger, wenn ich meine Bemerkungen an die Special-Debatte knüpfe, weil dann die Diskussion eine klarere werden wird. Johann Thurnher: Ich wäre mit dem Vorschlage des geehrten Herrn Vorredners ganz einverstanden, wenn sich der Antrag in ebenso viele Punkte gliedern würde; aber die Punkte 1—5 sind eigentlich nur eine Reassumierung der Gründe des Berichtes, und wir kämen dann eigentlich auf eine Specialdebatte über den Bericht zurück. Das scheint mir doch nicht recht zulässig, denn sonst würde man konsequenter maßen auch in anderen Fällen auf die punktweise angeführten Gründe eines Berichtes zurückkommen. Sachlich hielte ich es allerdings für zweckmäßig. Landeshauptmann: Ich habe mir gedacht, dass, nachdem der Landes-Ausschuß beauftragt wird, einen Entwurf über eine neue Landtags-WahlOrdnung auf Grund obiger Grundsätze auszuarbeiten, es zweckmäßig wäre, wenn die in diesen 5 Punkten aufgestellten Grundsätze, welche dem Entwürfe des Landes-Ausschusses als Basis dienen sollen, einzeln besprochen würden. Es wird wohl Niemand dagegen etwas einzuwenden haben. Martin Thurnher: Aus diesem Grunde könnte man nach den einzelnen Punkten vorgehen, weil dieselben in den Antrag selbst eigentlich hätten Aufnahme finden sollen. Landeshauptmann: Wünscht noch Jemand in der Generaldebatte das Wort? Fink: Ich habe nur meine persönliche Anschauung kurz bekannt zu geben, und diese deckt sich mit Thurnher Ich habe Gründen, den vom Herrn Abgeordneten Martin eingehend auseinandergesetzten Grundsätzen. mich aber auch aus den gleichen wie sie der Herr Abgeordnete Martin 260 XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7. Periode 1895. Thurnher vorgebracht hat, bereit erklärt, dermalen für die in Aussicht genommene Abänderung der Landtags-Wahlordnung zu stimmen, und glaube es wird sich mir noch bei einem oder dem anderen der einzelnen Punkte die Gelegenheit darbieten, mich noch specieller darüber auszusprechen, warum ich dermalen gerade für diese Abänderung stimmen werde. Landeshauptmann: Wenn der Herr Berichterstatter nichts mehr beizufügen hat, so werden wir zur Specialberathung der einzelnen Punkte übergehen, welche gewissermaßen, wie der Herr Abgeordnete Martin Thurnher bemerkt hat, ein Bestandtheil des vorliegenden Antrages sind. Zu Punkt 1 hat sich, wenn ich mich nicht täusche, der Herr Abgeordnete Dr. Waibel zum Worte gemeldet. Dr. Waibel: Ich kann es im Ganzen begrüßen, dass man auf die wesentlichsten Forderungen, die ich bereits in der Discussion, welche diese Vorlage veranlaßt hat, aufgestellt habe, eingegangen ist. Insbesondere begrüße ich es, daß man auf die Forderung eingegangen ist, welche im Punkte 1 enthalten ist, nämlich dass nur männlichen Wählern das Wahlrecht zustehen sott. Ich glaube aber, nachdem es im ersten Punkte hinreichend ausgesprochen ist, daß das Wahlrecht jedem männlichen, 24 Jahre alten österreichischen Staatsbürger zustehen soll, hätte der zweite Punkt entfallen können, indem er mir nur eine Wiederholung zu sein scheint. (Martin Thurnher: Schadet aber nichts.) Er schadet nichts, damit bin ich ganz einverstanden. Nur ein einziges Wort ist darin für mich unannehmbar, wie ich glaube. Es heißt im Punkte 1: „Desgleichen sollen Personen, denen vermöge ihrer Bildung und Stellung das Wahlrecht bisher schon zugestanden war, das Wahlrecht haben, welches aber auch auf die provisorisch angestellten Geistlichen und Lehrer gesetzlich auszudehnen ist". Das scheint mir doch nicht ganz richtig zu sein. Ich glaube doch, dass nur die definitive Anstellung in einem Amte, sei es ein geistliches oder weltliches, ein unerlässliches Charakteristicum und Erfordernis des Wahlrechtes sein soll. Es mag einem solchen Provisorium was immer für eine Ursache zu Grunde liegen, es ist doch immer eine Art Beweis, dass man den Betreffenden dermalen noch nicht für fähig hält, eine eigentliche Amtsstellung einzunehmen. Sei dem wie ihm wolle; beim Lehrer kommt allerdings die gesetzliche Vorschrift in Betracht, dass er erst nach zweijähriger, provisorischer Dienstzeit definitiv angestellt werden kann. Diese definitive Anstellung kann erfolgen, wenn er die Bedingung erfüllt, dass er die Lehrbefähigung sich verschafft, die definitive Anstellung kann aber auch ausbleiben, weil die Lehrbefähigung ausbleibt. Im letzeren Falle liegt dann ein Rechtserfolg vor, der dem Lehrer nicht zukommt, wenn er provisorisch angestellt ist. Es giebt, glaube ich auch Beamte, welche eine definitive Anstellung noch nicht genießen, sondern nur eine provisorische-, warum sollten denselben dann nicht die gleichen Rechte gewährt werden? Richtiger und entsprechender ist es, wenn man schon das persönliche Wahlrecht statuiert, wie es auch im Reichsrathe besteht, die persönliche Stellung der Einzelnen, hinsichtlich der Anstellung nur dann zu berücksichtigen, wenn die letztere eine definitive ist. Ich glaube meine Herren, dies ist eine Forderung der Billigkeit. Ich würde dem Punkte 1 nur unter der Bedingung meine Zustimmung geben, wenn getrennt darüber abgestimmt wird, ob das Wort „provisorisch" oder „definitiv" gesetzt werden soll. Vielleicht könnte über den Punkt 1 so abgestimmt werden, dass man das Wort „provisorisch" vorläufig gänzlich wegläßt. Ich überlasse es übrigens dem Herrn Landeshauptmann, die Abstimmung in der geeigneten Weise einzuleiten. Das wären die Bemerkungen, die ich zu Punkt 1 zu machen habe. Martin Thurnher: Ich möchte nur ganz kurz auf das, was der geehrte Herr Vorredner gesagt hat, entgegnen. Es ist doch nicht ganz gleichgiltig, ob dieser Passus darin bleiben oder ob er entfallen soll. Es kommen doch bei der jetzigen Auslegung der Gemeinde-Wahlordnung hinsichtlich des Wahlrechtes der Geistlichen Ungerechtigkeiten vor. Nach dem Wortlaute der Gemeinde-WahlOrdnung sollte man zwar meinen, daß die Sache geordnet sei, da das Wahlrecht ja den bleibend in der Seelsorge Angestellten zugesichert ist. Dem ist aber doch nicht so. Manche derartig angestellte XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7. Periode 1895. Geistliche besitzen noch nicht die definitive Ernennung für jenen Posten, den sie bekleiden. Es sind Fälle vorgekommen, daß ein solcher Herr nach dem Zeugnisse des Bischofs bleibend angestellt war, sonach hätte man annehmen sollen und müssen, er hätte das Wahlrecht. Es ist ihm aber das Wahlrecht inhibiert worden, und die erhobenen Beschwerden sind durch Entscheidungen dahin beschieden worden, daß nach § 1 der Gemeinde - Wahlordnung diese Personen nur dann das Wahlrecht haben, wenn sie in der betreffenden Gemeinde Bürger oder heimatberechtigt seien. Nun ist es aber besonders beim LandtagsWahlrechte doch nicht in der Ordnung, wenn ein Sohn des Landes, weil er in einer anderen Gemeinde ein Amt ausübt, das eine bleibende Anstellung begründet, nur aus dem Grunde, weil er nicht Angehöriger der bezüglichen Gemeinde ist, das Wahlrecht verlieren soll. Dieses Moment kann vielleicht bei einer Gemeinde-Wahlordnung irgend einen Sinn haben, nach meiner Ansicht und Überzeugung aber nicht bei der Landtags-Wahlordnung. Daher begrüße ich es, daß eine bezügliche Anregung vom Wahlreform-Ausschusse gegeben worden ist, damit der Landes-Ausschuß weiß, wie er diesbezüglich vorzugehen hat. Rudigier: Ich habe nur in einem Punkte die Ausführungen des Herrn Vorredners Dr. Waibel zu berichtigen. Er stellt in seiner Auseinandersetzung den Geistlichen in Parallele mit dem Lehrer, und dieser Vergleich trifft gar nicht zu. (Dr. Waibel: Es steht aber hier.) Ich sage, die Auseinandersetzungen des Herrn Dr. Waibel, in welchen er den Geistlichen mit dem Lehrer auf eine Stufe stellt, trifft nicht zu, und war warum? Das Gesetz macht es unmöglich, daß ein Lehrer, welcher erst die Maturitätsprüfung gemacht hat, definitiv angestellt werden kann. Dieser Umstand trifft aber beim Geistlichen nicht zu. Sobald der Priester am Schlusse seiner theologischen Studien die sogenannte Cura gemacht hat, ja nach dem canonischen Rechte sogar bevor er noch die Priesterweihe empfangen hat, kann er ein geistliches Amt definitiv verliehen bekommen. Somit hinkt Lieser Vergleich gänzlich. Warum waren wir veranlaßt, diesen Punkt in Las Gesetz aufzunehmen? Den Hauptgrund hat bereits der unmittelbare Vorredner, Herr Martin Thurnher, angeführt, nämlich um endlich einmal diese Ungleichheit des Vorgehens seitens der Gemeinde-Vorstehungen zu beheben. In einem großen Theile der vorarlbergischen Gemeinden werden auch provisorisch angestellte Geistliche in die Wählerlisten ausgenommen, und zwar in richtiger Auffassung des Gesetzes, weil das Gesetz nicht sagt „definitiv angestellte Geistliche", sondern „bleibend in der Seelsorge verwendete Geistliche". Als die GemeindeWahlordnung in den sechziger Jahren beschlossen wurde, waren im hohen Landtage auch Juristen, es saß auch der hochwürdigste Bischof darin, und alle diese Herren kannten ganz wohl den Unterschied zwischen definitiv und provisorisch; sie wollten aber nicht den Ausdruck „definitiv" statuieren, sondern den Ausdruck „bleibend in der Seelsorge verwendet". Das bitte ich wohl zu bemerken. Durch diese Ungleichheit seitens der verschiedenen Gemeinde-Vorstehungen des Landes kommen thatsächlich manche Geistliche um ihr Wahlrecht, und diesem Unrechte soll gesteuert werden. Landeshauptmann: Es hat sich zwar der Herr Abgeordnete Fink zum Worte gemeldet, aber damit eine Abwechslung in der Reihenfolge der pro- und contra-Redner eintritt, ertheile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Waibel. Dr. Waibel: Ich habe hauptsächlich den Auseinandersetzungen des Herrn Vorredners gegenüber Stellung zu nehmen. Bei den Lehrern ist, wie der Herr Vorredner betont hat, die definitive Anstellung ein ganz legaler, im Gesetze vorgebildeter Vorgang, welcher es den Lehrern innerhalb der kürzesten Zeit möglich macht, die Eigenschaft eines definitiven Lehrers zu erwerben. Daß bei den Geistlichen aber ein solches Hindernis bestehe, definitiv zu werden, ist mir nicht bekannt; Gründe hiefür können die anstellenden Behörden ja haben, worin sie bestehen, weiß ich nicht, aber die Praxis ist einmal so. Es sind doch alle Seelsorger-Stellen, in Vorarlberg wenigstens, so beschaffen, daß sie vermöge ihrer Eigenschaft jedesmal definitiv besetzt werden können. Für einen großen Theil dieser Stellungen besteht ein Recht der Gemeinden, die Wahl eines Geistlichen für diese Stelle vorzunehmen. Das ist das sogenannte Patronatsrecht. Nun wird aber durch 262 XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7. Periode 1895. diese provisorischen Anstellungen bewirkt, daß in einer ganzen Reihe von Fällen die Patrone um die Ausübung ihres Rechtes kommen, und ich glaube, wenn wir darauf bestehen, dass das Wort „definitiv" auch auf die Geistlichen angewendet werde, so kann das nur die gute Wirkung haben, daß die geistliche Behörde, welche die Ernennung vollzieht, indem für die Anstellung vorgeschriebenen Vorgänge mit etwas mehr Rücksicht auf die Rechte der Patrone vorgeht. Ich könnte Fälle namhaft machen, wo sich durch Jahre und Jahre Vorgänge vollzogen, welche die Ausübung des PatronatsRechtes unmöglich machten. Also, wie gesagt, nur um die Rechte der Gemeinden, der Patrone, in dieser Beziehung etwas mehr in Wirksamkeit zu bringen, würde ich darauf bestehen, daß das Wort „definitiv" statt des Wortes „provisorisch" eingefügt werde. Wenn meinen Intentionen entsprochen wird, so werden wir mehr definitiv angestellte Geistliche haben, und das Provisorium, das immermehr einreißt, wird enger eingeschränkt werden. Fink: Ich wundere mich wirklich, dass meine beiden unmittelbaren Herren Vorredner immer nur von Geistlichen und Lehrern reden und zwar von definitiv angestellten Geistlichen und Lehrern und von provisorisch angestellten Geistlichen und Lehrern. Es bringt mich zu der Auffassung, dass ich dem Punkte 1 nur mit einer Erklärung beistimmen kann. Ich hätte es nämlich lieber gehabt, wenn es da ähnlich geheißen hätte, wie im Landes-Ausschußberichte, bezw. Anträge, wo die Ausdehnung des Wahlrechtes auch auf die provisorisch angestellten Lehrer, Beamten, Geistlichen u.s.w. nur beispielsweise angeführt wird. Wir haben es hier ja nur mit Grundzügen zu thun. Ich fasse nämlich die Sache so auf. Wir kommen mit der Feststellung dieses Grundsatzes unserem vom Herrn Abgeordneten Martin Thurnher und auch von Herrn Dr. Waibel ausgesprochenen Ideale etwas näher, wenn wir feststellen, dass auch solche Personen, welche schon eine gewisse Vorbildung haben, das Wahlrecht haben sollen, auch wenn sie. keine Steuern bezahlen. Ich fasse die Sache so auf: Wir sollen nicht die Begriffe „definitiv" oder „provisorisch" hereinziehen, sondern in diesem Punkte den Anfang machen und bei Vorhandensein eines gewissen Bildungsgrades ein persönliches, von Steuerleistung unabhängendes Wahlrecht einräumen. Selbstverständlich muß der Grundsatz gelten, dass nur mindestens 24jährige Personen in Betracht kommen; damit entfällt ohnehin für manchen jungen Lehrer die Ausübung des Wahlrechtes. Von diesem Standpunkte fasse ich die Sache auf, und ich erkläre daher ausdrücklich, dass ich dem Punkte 1 nur deshalb zustimme, weil ich ber meiner Auffassung der Sache nicht von der definitiven Anstellung das Wahlrecht abhängig machen möchte, sondern der Ansicht bin, dass Beamte^ Geistliche und Lehrer, wenn sie nur einen gewissen Bildungsgrad erlangt haben und wenigstens 24 Jahre alt sind, das Wahlrecht ausüben können sollen. In diesem Sinne stimme ich dem Punkte 1 zu. Martin Thurnher: Ich beantrage für Punkt 1 Schluß der Debatte. Landeshauptmann: Es ist Schluß der Debatte über Punkt 1 beantragt worden und ich werde zunächst über diesen Antrag abstimmen lassen. Sollte derselbe angenommen werden, so erhält der Herr Abgeordnete Decan Berchtold, welcher sich zum Worte gemeldet hat, dasselbe nachträglich. Ich ersuche also jene Herren, welche dem Anträge auf Schluß der Debatte über Punkt 1 beistimmen, sich von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Das Wort hat nun der Herr Abgeordnete Decan Berchtold. Decan Berchtold: Ich habe nur eine kurze Bemerkung zu machen, betreffend die in neuerer Zeit häufig vorkommenden Fälle bloß provisorischer Besetzung von Seelsorgerstellen, welche der Herr Abgeordnete Dr. Waibel berührt hat. Es ist dies lediglich eine Folge des in den letzten Dezennien eingetretenen Priestermangels. Die Sache darf nicht so aufgefasst werden, als ob die geistliche Behörde in ein Recht eingegriffen hätte oder hätte eingreifen wollen, welches die Patrone besitzen. Das Allernothwendigste für die geistliche Behörde ist doch, dass sie die vacanten Seelsorgerstellen zn besetzen sucht, und wenn sie in der Lage ist, irr der Auswahl so beschränkt zu sein, wie in ben letzten Decennien, so muß sie bedenken, dass nach ein bis zwei Jahren Umstände eintreten könnten, die es erforderlich machen, eine Neubesetzung, die noch nothwendiger ist, zu veranlassen. XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7. Periode 1895. 263 Das möchte ich als Aufklärung über die nicht jedes Plal eingehaltene Ausschreibung zum Zwecke der definitiven Besetzung von Beneficien angeführt haben. — Landeshauptmann: Die Debatte über Punkt 1 ist somit geschlossen. Wünscht der Herr Berichterstatter noch etwas beizufügen? Welte: Der Herr Abgeordnete Dr. Waibel stellt den Antrag, daß nur den definitiv, nicht aber auch den provisorisch angestellten Geistlichen und Lehrern das Wahlrecht zuerkannt werden soll. Wenn dem entsprochen würde, so würde der Absatz, welcher von der Ausdehnung des Wahlrechtes auf die provisorisch angestellten Geistlichen und Lehrer handelt, entfallen, weil schon nach der jetzigen Wahlordnung in dieser Beziehung vorgesehen ist. Es haben schon mehrere Abgeordnete gegen diesen Zusatzantrag sich ausgesprochen und ich kann mich den Ausführungen derselben nur anschließen. Mir kommt vor, daß den provisorisch angestellten Geistlichen und Lehrern, welche das 24. Lebensjahr überschritten haben, jedenfalls eben so sicher das Wahlrecht in den Landtag zustehen soll, wie anderen Bürgern, welche nur 2 Kronen Steuer zu entrichten haben. Es ist kaum zu zweifeln , daß solchen Herren, wenn sie auch nur provisorisch angestellt sind, gewiß ebenso viel Interesse am Wohle des Landes somit an der Landesvertretung haben, wie Diejenigen, welche nur 2 Kronen Steuer bezahlen. Deshalb glaube ich, daß dem Anträge des Wahlreform-Ausschusses, resp, den Grundsätzen, welche derselbe zum Ausdrucke gebracht hat, die Zustimmung des hohen Hauses zu Theil werden soll. Was die Anregung des Herrn Abgeordneten Fink betrifft, nämlich daß auch anderen provisorisch Angestellten das Wahlrecht zukommen soll, so habe ich dagegen nichts einzuwenden. Nach meiner Ansicht ist diesbezüglich kein Antrag gestellt, sondern nur eine Anregung gemacht worden, und es dürfte sich vielleicht empfehlen, daß der Landes-Ausschuß, welchem die Ausarbeitung der Landtags-Wahlordnung überwiesen wird, diese Anregung in Erwägung ziehe. — (Fink: Ich habe das so gemeint.) Ich habe, wie gesagt, dagegen nichts einzuwenden und ich glaube, es dürfte dem Punkte 1, wie derselbe vom Wahlreform-Ausschusse aufgestellt wurde, die Zustimmung zu Theil werden. Landeshauptmann: Ich werde also über Punkt 1 die Abstimmung vornehmen. Punkt 1 lautet: „Das Wahlrecht soll jedem männlichen, 24 Jahre alten österreichischen Staatsbürger, welcher in einer Gemeinde des Landes an directen Staatssteuern mindestens 2 Kronen zahlt und im Vollgenusse der bürgerlichen Rechte ist, in der Gemeinde seines ordentlichen Wohnsitzes zustehen. Desgleichen sollen Personen, denen vermöge ihrer Bildung und Stellung das Wahlrecht bisher schon zugestanderi war, das Wahlrecht haben, welches aber auch auf die provisorisch angestellten Geistlichen und Lehrer gesetzlich auszudehnen ist." Nägele: Ich bitte um das Wort zur Geschäftsordnung. Ich glaube, daß der WahlreformAusschuß mit diesem Punkte nur die Ansicht der Mitglieder ausdrücken wollte und daß daher eine Abstimmung über denselben nicht stattfinden soll, weil sonst der Landes-Ausschuß, welchem die Abfassung des Entwurfes einer neuen LandtagsWahlordnung übertragen wird, eine gebundene Marschroute erhält, was ich nicht für angezeigt erachte. Johannes Thurnher: In gewisser Beziehung will der Wahlreform-Ausschuß dem Landes-Ausschufst allerdings eine gebundene Marschroute geben, indem der Ausschuß in seinem Anträge sagt, der Landes-Ausschuß soll die Wahlordnung nach vorstehenden Grundsätzen ausarbeiten; aber ich glaube, es würde genügen, wenn die Debatte über diesen Punkt zur Kenntnis genommen wird. Sollte aber darüber abgestimmt werden, so könnte dies nach meiner Meinung am einfachsten dadurch geschehen, dass das hohe Haus gefragt wird, ob das Wort „provisorisch" ausgeschieden werden soll oder nicht. Diejenigen Herren, welche für die Ausscheidung sind, werden für dieselbe stimmen, wenn sich aber die Majorität für das Gegentheil entscheidet, so gilt der jetzige Inhalt. Übrigens wird sich der Landes-Ausschuß diese Debatte vor Augen halten. a 264 XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7. Periode 1895. Dr. Schmid: In Betreff der Frage, ob das Wort „provisorisch" ausgeschieden oder' beibehalten wird, stimme ich der Anschauung des Herrn Johann Thurnher bei, vorausgesetzt, dass der Intention des Herrn Abgeordneten Fink entsprochen und dasselbe auf alle Angestellten ausgedehnt wird. Im anderen Falle würde ich nicht zustimmen. Landeshauptmann: Nachdem die Bemerkung gemacht worden ist, es möchte die Abstimmung nur auf den Antrag selbst beschränkt werden, so muß ich die formelle Abstimmung einleiten. Ich ersuche also jene Herren, welche wünschen, dass die Punkte 1 bis 5 separat zur Abstimmung gebracht werden, sich von den Sitzen zu erheben. Majorität. Fink: Ich bin damit einverstanden, weil ich glaube, dass es den Landes-Ausschuß doch interessieren wird, die Haltung der einzelnen Herren kennen zu lernen. Landeshauptmann: Nachdem die Debatte über Punkt 1 bereits geschlossen ist, so bringe ich den Punkt 1 und zwar mit Weglassung des ganzen Nebensatzes: „welches aber auch auf die provisorisch angestellten Geistlichen und Lehrer gesetzlich auszudehnen ist" zur Abstimmung. Ich ersuche jene Herren, welche diesem Punkte mit Weglassung des letzten Satzes die Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. Majorität. Jetzt kommt der weggelassene Nachsatz separat .zur Abstimmung und ich bemerke hiebei, dass dieser Satz nach der Intention des Herrn Fink nur als Beispiel zu betrachten ist, indem auch die Beamten einzubeziehen sind. Dr. Schmid: Da kann ich nicht mitstimmen, weil ich gesagt habe, dass sich das Wort „provisorisch" überhaupt auf alle Angestellten beziehen soll. Landeshauptmann: Dann müßte ich diesen Punkt so, wie er hier vorliegt, zur Abstimmung bringen. Ich ersuche also jene Herren, welche diesem Nebensätze die Zustimmung geben, sich von »den Sitzen zu erheben. Majorität. Wim kommt Punkt 2. — Wenn zu Punkt 2 Niemand das Wort wünscht, so betrachte ich ihn als angenommen. Punkt 3.— Wünscht Jemand das Wort? Es ist nicht der Fall, somit nehme ich an, dass das hohe Haus demselben zustimmt. Punkt 4. Dr. Waibel: Dieser Punkt sagt, dass in der Städtegruppe der bisherige Wahlmodus unverändert bleiben soll. Demgegenüber hätten wir die Meinung, dass denn doch um dem Ideale des Herrn Martin Thurnher näher zu kommen und den Wünschen der Bevölkerung — wenn sie auch nicht ausgesprochen sind, so liegen sie doch in der Tradition des Volkes — zu entsprechen, dass auch für die Landgemeinden das directe Wahlrecht angestrebt werden soll. Bei den Gemeindewahlen hat es gar keinen Anstand, jeder stimmberechtigte Bürger gibt dort seine Stimme direct ab. Im Reichsrathe ist das bei der ersten Curie auch der Fall. Die Bürger von Feldkirch, die Bürger von Bludenz, von Bregenz und von Dornbirn wählen die Abgeordneten direct und es wird Niemand behaupten wollen, dass die Bürger von Lustenau, die Bürger von Hohenems, die Bürger von Nenzing, u.s.w. weniger interessiert und weniger fähig wären, das Wahlrecht direct auszuüben. Wenn wir also beantragen, es soll auch für die Landgemeinden die directe Wahl angestrebt werden, so glaube ich nur im Sinne unseres Volkes zu handeln und im Sinne des Bestrebens, welches sich überhaupt bezüglich der Wahlreform geltend macht, nämlich das Volk thunlich selbstständig zu stellen. Wenn dem entgegengehalten werden sollte, es stehen seitens der Regierung technische Schwierigkeiten entgegen, so kann ich das auch nicht zugeben. Wir haben von der Regierung selbst einen Entwurf einer neuen Landtags-Wahlordnung aus dem Jahre 1871 und der erste Paragraph derselben sagt ausdrücklich, im Jahre 1871 habe die Regierung es für möglich gehalten, die Wahlen in den Landgemeinden ebenfalls direct vorgehen zu lassen. Man sollte glauben, daß das, was man im Jahre 1871 für möglich gehalten hat, auch vom Jahre 1895 an möglich wäre. Die Menschheit, die Intelligenz der Beamten u.s.w hat die nöthige Entwickelung genommen und Fortschritte gemacht; es sollte daher jetzt noch weit eher möglich sein, wie XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7. Periode 1895. 265damals, wo man in den Jugendjahren des constitutionellen Gebens gestanden ist. Daß es kein schweres Hindernis für die praktische Durchführung geben kann, das glaube ich, können wir aus dem entnehmen, daß im deutschen Reiche, wo das allgemeine Stimmrecht besteht, die Wahl der Reichsraths-Abgeordneten durch directe Wahl vor sich geht, obwohl die Wahlkreise für die einzelnen Abgeordneten mitunter sehr groß sind. In unserem kleinen Lande ist das gewiß auch leicht durchführbar, wenn man will. Nun will ich aber annehmen, daß die Regierung dermalen auf das noch nicht eingehen will, daß sie vielleicht ein Sanctionshindernis darin erblicken würde, wenn eine so verfaßte Wahlordnung vorgelegt wird, darum würden wir vorsichtshalber sagen: „In den Landgemeinden ist, wenn thunlich die directe Wahl einzusühren, wie sie in der Curie der Stadtgemeinden bereits besteht." Das ist der Antrag, welchen wir uns zu Punct 4 zu stellen erlauben. Ich glaube nichts weiter beifügen zu sollen, es ist genügend darüber gesprochen worden und die Sache ist so klar, daß es unnöthig ist, viele Worte darüber zu verlieren. Landeshauptmann: Wer wünscht weiter das Wort zu Punkt 4. Fink: Ich habe nur zu bemerken, dass schon ausgesprochen worden ist, dass die vorgeschlagenen Änderungen nicht das Ideal einer Wahlreform seien, aber weil wir wirklich eine Verbesserung und Erweiterung des Wahlrechtes bald herbeizuführen wünschen — wenigstens mein Wunsch ist es, und ich glaube, cs haben auch andere die gleiche Absicht — so glaube ich, dass das dann am besten erreicht werden kann, wenn man vom Bestehenden möglichst wenig abweicht. Ich stimme daher dem Punkte 4 in der beantragten Fassung zu. Landeshauptmann: Wenn Niemand mehr das Wort wünscht, so ist die Debatte geschlossen und ich ertheile das Wort dem Herrn Berichterstatter. Welte: machen Waibel in den Ich habe nur einige Bemerkungen zu gegenüber dem Anträge des Herrn Dr. auf Einführung des directen Wahlrechtes Landgemeinden. Es ist schon im Berichte hervorgehoben, daß die Einführung des directen Wahlrechtes in den Landgemeinden viele Schwierigkeiten mit sich bringen würde. (Dr. Waibel: Zum Beispiele?) Zum Beispiele bezüglich der Ausübung des Wahlrechtes. Allerdings hat da der Herr Antragsteller gemeint, es könnte jede Gemeinde den Wahlort bestimmen. Der Herr Regierungsvertreter hat aber betont, daß dies sehr schwer gehen würde und zwar schon wegen des Commissärs, welcher von der politischen Behörde hiezu zu delegieren wäre. Den Gemeinden die Vornahme der Wahl allein zu überlassen, würde kaum zulässig sein. Bezüglich der Wähler selbst aber wäre es dann eine bedeutende Erschwerung, wenn sie an einen weiter entlegenen Wahlort gehen mußten. Es würde das zur Folge haben, daß das Wahlrecht noch schwächer, wie jetzt, ausgeübt und daher der Tendenz auf Erweiterung des Wahlrechtes entgegengearbeitet würde. Das ist gewiß ein Grund, warum man in den Landgemeinden das indirecte Wahlrecht noch beibehalten will. Auch offenbart sich gar vereinzelt der Wunsch der Landbevölkerung auf Einführung des directen Wahlrechtes in den Landgemeinden. Allgemein ist dieser Wunsch durchaus nickt, und solange sich diese Ansicht nicht kundgiebt, stehen wir, wie ich glaube, auf ganz richtigem Boden, wenn wir den bisherigen Modus beibehalten. In Zukunft kann da vielleicht schon Wandel geschaffen werden, wenn andere Verhältnisse eintreten und dann kann die Landesvertretung das Gesetz wieder dahin abändern. Aus diesen Gründen bitte ich das hohe Haus, dem vom Wahlreform-Ausschusse ausgestellten 4. Punkte die Zustimmung zu geben. Landeshauptmann: Ich schreite nun zur Abstimmung über Punkt 4. Hier liegt ein Abänderungs-Antrag des Herrn Dr. Waibel vor, welcher lautet: „In den Landgemeinden ist, wenn thunlich die directe Wahl einzuführen, wie sie in der Curie der Stadtgemeinden bereits besteht." Ich werde diesen Antrag als Abänderungs-Antrag zuerst zur Abstimmung bringen und ersuche jene Herren, welche demselben die Zustimmung geben, sich von den Sitzen zu erheben. Minorität. Nun bringe ich den Ausschuß-Antrag zur Abstimmung. — Jene Herren, welche demselben 266 XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session der 7. Periode 1895. beistimmen, wollen sich gefälligst von den Sitzen erheben. Angenommen. Zu Punkt 5 hat sich der Herr Dr. Waibel zum Worte gemeldet. Dr. Waibel: Der Herr Abgeordnete Martin Thurnher liebt die Gepflogenheit, seine Ideale nur mit Worten zu schützen und zu verfolgen. Wenn es zur Abstimmung kommt, hält er zu Denjenigen, welche bei Einschränkungen und dergl. stehen bleiben. Dasselbe Schauspiel werden wir voraussichtlich bei Punkt 5 erleben. Nach der Fassung, die vorliegt, sagt Punkt 5: „Über eine eventuelle Änderung der Wahlbezirke in den LandGemeinden oder Beibehaltung nach der gegenwärtigen Eintheilung wird sich nicht principiell ausgesprochen." Das will sagen, es soll bei den bisherigen Anordnungen bleiben, daß die Landgemeinden nach politischen Bezirken wählen und zwar cumulativ. Der Bezirk Bregenz wählt 5, Dornbirn und Feldkirch 5, und Bludenz 4 Abgeordnete. Ich kann da im Wesentlichen nicht mehr sagen, als ich bereits damals gesagt habe, als über diesen Gegenstand gesprochen und Anlaß gegeben wurde zu dieser heutigen Verhandlung. Ich habe gesagt, wenn man redlich und aufrichtig sein will gegenüber der Bevölkerung, so muß man auch in dieser Action trachten, die Wahrheit zu erfahren und der Wahrheit die Ehre zu geben. Wann wir hier der richtige Ausdruck unserer Wähler, sein wollen, so gelingt es mit meiner vollen Überzeugung — und mit dieser Überzeugung stehe ich nicht allein, meine Gesinnungsgenossen theilen dieselbe auch — auf diesem Wege nicht den wahren Ausdruck des Willens der Bevölkerung zu erreichen. Wenn Cumulativ - Wahlen unternommen werden, so stehen dieselben jedenfalls unter dem Commando der herrschenden Partei. Gegenwärtig stehen sie unter dem Commando der clericalen Machthaber; hätte aber eine andere Partei, die socialistische z.B.