18950124_lts007

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Letzte Änderung 03.07.2021, 09:56
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp07,lts1895,lt1895,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 7. Sitzung am 24. Januar 1895, unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 20 Abgeordnete. Regierungsvertreter: Herr Hofrath Graf St. Julien-Wallsee. Beginn der Sitzung um 10 Uhr 5 Min. Vormittags. Landeshauptmann: Die Sitzung ist eröffnet und ersuche ich um Verlesung des Protokolles der letzten Sitzung. (Secretär verliest dasselbe.) Landeshauptmann: Hat Einer der Herren gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung zu machen? — Da dies nicht der Fall ist, so betrachte ich dasselbe als genehmigt. Es sind mir mehrere Einlaufstücke zugekommen. Das erste derselben ist ein selbstständiger Antrag des Herrn Abg. Nägele und Genossen in Angelegenheit der Gebührenbemessung bei Besitzübertragungen. Ich bitte den Antrag zu verlesen. (Secretär verliest denselben.) Martin Thurnher: Dürste ich um das Wort bitten. Es ist dies ein Gegenstand, der uns auch schon in der früheren Session beschäftigt hat und der nun wohl von allen Seiten insoferne eine Unterstützung erfahren wird, dass man derartigen Ausschreitungen der Finanzbehörden, wie sie im Anträge geschildert werden, sicher entgegentreten wird. Ich glaube, ich werde gewiss auf keinen Widerspruch stoßen, wenn ich den Antrag stelle, dass dieser Gegenstand dringlich zu behandeln und zur Vorberathung dem volkswirtschaftlichen Ausschüsse zuzuweisen sei. Landeshauptmann: Der Herr Abg. Martin Thurnher beantragt für diesen Gegenstand die 52 VII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session, 7. Periode 1895. dringliche Behandlung mit Umgehung des § 24 der Geschäftsordnung und in formeller Beziehung die Überweisung desselben an den volkswirtschaftlichen Ausschuss. Wird gegen diesen Antrag eine Einwendung erhoben? — Es ist nicht der Fall, somit betrachte ich den Antrag als genehmigt und wird die Zuweisung in diesem Sinne erfolgen. Ferner ist eingelaufen ein Gesuch des katholischen Schulvereines für Österreich um Subvention — überreicht durch den Herrn Abg. Martin Thurnher. Martin Thurnher: Ich beantrage die Zuweisung dieses Gesuches an den Finanz-Ausschuss. Landeshauptmann: Auch für diesen Gegenstand ist die Dringlichkeit und die Zuweisung an den Finanz-Ausschuss beantragt. Wenn gegen diesen formellen Antrag eine Einwendung nicht erfolgt, — so betrachte ich den Antrag als genehmigt. Endlich habe ich dem hohen Hause noch mitzutheilen, dass der Landes-Ausschuss den Beschluss gefasst hat, ein an denselben gerichtetes Gesuch der Parzelle Beschling, Gemeinde Nenzing, um Bewilligung eines Landesbeitrages zur Vollendung der Illwuhrbauten dem hohen Landtage in Vorlage zu bringen. Ich möchte um einen Antrag aus der Mitte des hohen Hauses bitten, ob vielleicht gewünscht wird, dass auch dieser Gegenstand dringlich behandelt wird. Martin Thurnher: Ich möchte auch für diesen Gegenstand den Antrag auf Dringlichkeit stellen und zugleich auf Verweisung desselben an den volkswirtschaftlichen Ausschuss. Landeshauptmann: Es ist auch Gegenstand die Dringlichkeit an den volkswirtschaftlichen Wird dagegen eine Einwendung für diesen und die Verweisung Ausschuss beantragt. erhoben? — Es ist nicht der Fall, somit ist der Antrag genehmigt und der Gegenstand an den volkswirtschaftlichen Ausschuss verwiesen. Endlich habe ich dem hohen Hause die Mittheilung zu machen, dass laut Zuschrift der k. k. Post- und Telegraphen-Direction in Innsbruck vom 21. d. M. dieselbe dahin sich ausgesprochen hat, dass sie unter Einem die Vermischung der vom Landes-Ausschusse gewünschten Localitäten im neuen | Post- und Telegraphengebäude in Bregenz unter den in der h. ä. Note vom 30. December 1894 bekannt gegebenen Bedingungen, jedoch gegen Entrichtung eines jährlichen Miethzinses von nur 1600 fl., beim k. k. Handelsministerium in Antrag bringen werde. Wir kommen nun zur Tagesordnung. Auf derselben steht als erster Gegenstand der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über die Petition der Gemeinde Damüls um einen Landesbeitrag zum Straßenbau nach Au. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Abg. Welte darüber zu referieren. Welte: Ich stelle namens des volkswirtschaftlichen Ausschusses folgende Anträge: (Liest die Anträge aus Beilage XVI.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Anträge des volkswirtschaftlichen Ausschusses die Debatte. — Es meldet sich Niemand zum Worte, und wenn der Herr Berichterstatter nichts beizufügen hat — Welte: Nein. Landeshauptmann: so ist die Debatte geschlossen und ich schreite zur Abstimmung. Wenn keine Einwendung erfolgt, bringe ich beide Anträge unter Einem zur Abstimmung und ersuche diejenigen Herren, welche mit diesen beiden Anträgen einverstanden sind, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Einstimmig angenommen. Der zweite Gegenstand unserer heutigen Tagesordnung ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses, betreffend die Herstellung des Flexenweges. Ich ersuche den Herrn Abgeordneten Martin Thurnher die Berichterstattung zu übernehmen. Martin Thurnher: Wie allseitig anerkannt und auch im vorliegenden Berichte eingehend dargelegt ist, ist der Bau einer Straße von Stuben nach Lech äußerst nothwendig. Der jetzige Weg ist sehr schlecht, steil, und, was das Schlimmste ist, für den Wanderer lebensgefährlich. Die zahlreichen Menschenopfer, die dieser Weg in den letzten VII. Sitzung des Vorarlberger Landtags, v. Session, 7. Periode 18^5. 53 Jahren gefordert hat, sind ein lauter Mahnruf, von jeder Verzögerung abzusehen und den Bau eines neues Weges dort so rasch, wie möglich, in die Hand zu nehmen. Wohl ist der vom volkswirtschaftlichen Ausschüsse in Aussicht genommene Betrag ein hoher; wenn es aber gilt, für die Sicherheit der Bewohner und für die Verbindung zweier Gemeinden mit dem Lande und dadurch mit der übrigen Außenwelt einzutreten, und zwar für Gemeinden, die nie und nimmer in der Lage wären, selbst und aus eigenen Mitteln Abhilfe zu schaffen, darf uns die Höhe des Betrages nicht abschrecken, man darf in solchen Fällen vor keinem Opfer zurückscheuen. Wir dürfen auch sicher sein, dass der Staat seine Mithilfe nicht versagen wird und so die rasche Erstellung dieses Verkehrsweges gesichert sein wird. Zeigen wir, dass wir ein warmes Herz haben, gerade für die ärmeren Bewohner und Gemeinden unseres Landes, die ohnedies mit Lasten aller Art überbürdet sind und einen schweren Kampf um ihre Existenz führen müffen. Ich empfehle daher dem hohen Hause unter Bezugnahme auf die im vorliegenden Berichte dargestellte Begründung den Antrag des volkswirtschaftlichen Ausschusses zur einstimmigen Annahme. Der Antrag lautet: (Liest den Antrag aus Beil. XIV.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag des volkswirtschaftlichen Ausschusses die Debatte. Fink: Ich habe Gelegenheit gehabt, im letzten Jahre und auch schon früher mir die Situation des Flexenweges persönlich anzusehen und habe dabei die Überzeugung gewonnen, dass es wirklich ein Existenz-und Lebensbedürfnis für die Bewohner von Lech und Warth ist, dass dort einmal Bahn gebrochen werde. Jeder, der dort an Ort und Stelle sich selbst überzeugt, kann die vom Herrn Berichterstatter hervorgehobene vielfache Gelegenheit zu Unglücksfällen sehen, und es muss dies Jedem einleuchtend sein, wenn er auch nicht Ingenieur oder Fachmann ist. Daher möchte ich den vom Ausschusse gestellten Antrag wärmstens zur Annahme empfehlen. Rudigier: Auch ich war in früheren Jahren, als ich im Klosterthale als Pfarrer fungierte. öfter in der Lage, diesen wirklich lamentablen Weg gehen zu müssen. Jeder, der verurtheilt ist, solche Wege zu benützen, muss von aufrichtigem Mitleide mit den armen Bewohnern beseelt sein, welche den Tannberg bewohnen. Groß ist die Zahl der Unglücksfälle, welche dort Menschen betrafen, ebenso groß — was allerdings nicht so sehr in die Wagschale fällt, die Zahl der Verunglückungen von Thieren. Der Viehtransport über diesen traurigen alten Weg ist ein sehr großer; was aber besonders in Anschlag kommt, sind zwei Umstände: erstens die geradezu unbeschreibliche Situation, in welcher die beiden Gemeinden Lech und Warth manchmal in den Wintermonaten sich befinden, wo sie von der übrigen Welt gänzlich abgeschlossen sind. Versetzen wir uns in ihre Lage, und nehmen wir an, dass z. V. augenblickliche ärztliche Hilfe nöthig ist. Diesen armen Bewohnern ist jede Möglichkeit abgeschnitten, ärztliche Hilfe erlangen zu können, und das oft durch Wochen, ja sogar Monate hindurch. Was ferner den hohen Landtag besonders bestimmen muss, in dieser Richtung helfend beizuspringen, ist der Umstand, dass die Straße für die Zukunft große Bedeutung zu erlangen verspricht. Die Verhältnisse stehen derart, dass der Verbindungsweg über den Flexen die nächste Straße nach dem angrenzenden tirolischen Lechthale werden könnte, ich kann den Antrag des volkswirtschaftlichen Ausschusses daher nur wärmstens unterstützen. Dr. Waibel: Ich habe schon in den ersten Verhandlungen, denen ich im Landtage beizuwohnen Gelegenheit hatte, bemerkt, dass ich es für eine wesentliche Pflicht des Landtages halte, der Verbesserung der Verkehrswege seine Aufmerksamkeit zuzuwenden und Opfer für die Erreichung dieses Zweckes zu bringen. Ich habe die Herren aufmerksam gemacht, dass es in einzelnen Landtagen zu einer ständigen Einrichtung geworden ist, jährlich bestimmte Summen Geldes für Verbesserungen von Fahr- und Gehwegen auszuwerfen. Wir sind nicht gedrängt, solche Grundsätze zu handhaben, es genügt, wenn man Bedürfnissen gegenüber, soweit sie wahrnehmbar werden und eine Abhilfe für nothwendig ersannt wird, von Fall zu Fall nach den gegebenen Verhältnissen helfend beispringt. Die Höhe des hier geforderten 54 VII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session, 7. Periode 1895. Betrages kann uns nicht abschrecken, und er ist auch nicht so namhaft, für diesen wichtigen Weg eine Auslage von 15.000 fl. zu machen. Es kann uns nicht zweifelhaft sein, dass wir dem vorliegenden Anträge die Zustimmung zu geben haben, und ich glaube im Sinne meiner Herren Nachbarn zu sprechen, wenn ich erkläre, dass wir für diese Post mit größtem Vergnügen stimmen. Fritz: -Ich kann bezüglich dieses Gegenstandes nur wiederholen, was ich im vorigen Jahre gesagt habe. Man hat es hier mit einer Nothlage zu thun, und es wird nur billig und gerecht sein, derselben abzuhelfen. Deshalb empfehle ich dem hohen Hause die Annahme des vorliegenden Antrages. Landeshauptmann: Wer wünscht noch das Wort? — Es meldet sich Niemand, daher ist die Debatte geschlossen. Wünscht der Herr Berichterstatter noch etwas beizufügen? Martin Thurnher: Nachdem sich nur Stimmen für den Antrag des Landes-Ausschusses .erhoben haben, habe ich keine Veranlassung mehr weiter auf den Gegenstand einzugehen, und möchte dem hohen Hause nochmals die einstimmige Annahme dieses Antrages empfehlen. Landeshauptmann: Ich schreite nun zur Abstimmung und ersuche diejenigen Herren, welche dem Anträge, wie er vom Herrn Berichterstatter verlesen worden ist, beizustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. Einstimmig angenommen. Ich kann nicht umhin, nachdem ich in der Eigenschaft als Vorsitzender nicht in der Lage war, an der Debatte theilzunehmen, meiner aufrichtigen Freude über diesen einhelligen Beschluss Ausdruck zu geben, und gleichzeitig die Erwartung auszusprechen, dass der erbetene Staatsbeitrag für dieses Unternehmen von der Regierung recht bald zugesichert werde. Der dritte Gegenstand unserer heutigen Tagesordnung ist der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses betr. die Errichtung von Schutzbauten an der Ill im Gemeindegebiete von Lorüns. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Herrn Martin Thurnher hierüber zu referieren. Martin Thurnher: Durch den Ausbruch des Venserlobels und später durch den infolge dieses Ausbruches gebildeten und nachher wieder zum Ausbruch gekommenen Stausee's wurde das Illbett im Gemeindegebiete von Lorüns außerordentlich erhöht, so dass jetzt die Gefahr vorhanden ist, dass bei jedem eintretenden größeren Wasserstande, insbesondere bei den im Frühjahr zu befürchtenden Hochwässern eine Überschwemmung von Lorüns stattfinden dürfte. Eine solche Überschwemmung hat auch, im Laufe des Sommers, wie im Berichte dargethan ist, stattgefunden und nur den außerordentlichen Anstrengungen der Bewohner von Lorüns und der auswärtigen Hilfe war es zuzuschreiben, dass die Gemeinde von größeren Verwüstungen verschont blieb. Wenn man aber gründlich abhelfen will, bedarf es größerer Schutzbauten, und die arme Gemeinde ist nicht im Stande, solche selbst auszuführen; sondern bedarf hierzu dringend der Beihilfe des Staates und des Landes. Von diesen Erwägungen geleitet erhebe ich namens des volkswirtschaftlichen Ausschusses folgende Anträge: (Liest die Anträge aus Beil. XV.) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Anträge die Debatte. Dr. Waibel: Ich möchte nur eine unbedeutende Bemerkung machen. Es ist im Texte des zweiten Antrages von „Verhandlungen mit der Regierung der Gemeinde und der Concurrenzstraße" die Rede. Ich weiß nicht, ob das absichtlich gesagt wurde oder ein Übersehen ist, aber mit einer Straße wird man wohl nicht leicht amtlich verkehren können. (Lebhafte Heiterkeit.) Es hätte vielleicht richtiger heißen sollen: „ Straßenconcurrenz." Landeshauptmann: Wünscht noch Jemand das Wort? — Es ist nicht der Fall, somit ist die Debatte geschlossen. Wünscht der Herr Berichterstatter noch eine Bemerkung zu machen? Martin Thurnher: Nein. VII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session, 7. Periode 1894'.! 55 Landeshauptmann: Dann schreite ich zur Abstimmung. Wenn das hohe Haus dagegen nichts einzuwenden findet, so bringe ich wieder beide Anträge unter Einem zur Abstimmung und ersuche jene Herren, welche beiden Anträgen ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. Einstimmig angenommen. Bevor ich zum vierten Gegenstände unserer heutigen Tagesordnung übergehe, ertheile ich dem Herrn Landeshauptmannstellvertreter das Wort. Dr. Geck: Diese Vorlage betrifft die Hebung der Rindviehzucht. Da das Gesetz von großer Bedeutung ist und wohl überlegt und studiert werden will, beantrage ich mit Rücksicht darauf, dass die Vorlage erst gestern in die Hände der Mitglieder des hohen Hauses gelangt ist, die Vertagung derselben um einen oder zwei Tage. Landeshauptmann: Auch der Herr Abgeordnete Fink hat sich als Berichterstatter zum Worte gemeldet. Fink: Ich hätte zwar geglaubt, dass mit Rücksicht darauf, dass die Anträge des volkswirtschaftlichen Ausschusses über diesen wichtigen Gegenstand von den Anträgen desselben Ausschusses aus dem Jahre 1894 nur unwesentlich abweichen, die Herren Abgeordneten über diesen Gegenstand schon hinreichend informiert wären, weil sie die betreffenden Anträge sowie den Gesetzentwurf schon ein ganzes Jahr in Händen haben. Wenn nun aber von der Minorität des hohen Hauses der Wunsch geäußert wird, dass dieser Gegenstand heute nicht zur Verhandlung komme, so trete ich in Rücksicht auf die Wichtigkeit und den Umfang dieses Gegenstandes diesem Wunsche nicht entgegen und stimme dem Vertagungs-Antrage zu. Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit noch auf ein Versehen aufmerksam machen, das mir zur Last fällt. Es sind nämlich bei der Drucklegung des Zuchtstier-Gesetzentwurfes zwei Beilagen ausgeblieben, nämlich Formulare 1 und 2. Ich mache deshalb schon heute darauf aufmerksam, weil diese Beilagen vollkommen übereinstimmen mit denjenigen, welche im Vorjahre dem Gesetzentwürfe beilagen, nämlich Nr. 35 II und C der stenogr. Prot. ex 1894. Es können. sich die Herren Abgeordneten daher bei der Verhandlung über diesen Gegenstand diese Beilagen aus den vorjährigen stenographischen Protokollen leicht selbst ergänzen. Die Richtigstellung und Ergänzung wird sich schon ergeben für den Fall, als das Zuchtstiergesetz in irgend einer Weise abgeändert würde. Dann müßten die Beilagen ja doch wieder gedruckt werden und würden dem Gesetzentwürfe beigefügt. Im andern Falle, wenn sich keine Änderungen ergeben, könnte man etwa am Schlusse der Beilagen der heurigen Session jene beiden Beilagen anfügen und darauf verweisen, dass sie zum Zuchtstiergesetze gehören. Landeshauptmann: Wenn Niemand mehr das Wort wünscht, so bringe ich den Antrag des Herrn Abg. Dr. Beck, dass dieser Gegenstand von der heutigen Tagesordnung abgesetzt werde, zur Abstimmung und ersuche, diejenigen Herren, welche diesem Anträge beipflichten, sich von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Im Anschluss an diesen Antrag möchte ich mir selbst eine Anregung erlauben und das hohe Haus befragen, ob es mit derselben einverstanden ist. Es liegen seit gestern zwei Berichte des FinanzAusschusses vor, welche den Herren allerdings meines Wissens erst unmittelbar vor der Sitzung übereicht worden sind. Der erste ist der Bericht des Finanz-Ausschusses, betreffend das Gesuch der Bezirkskrankenkasse in Dornbirn um Zuerkennung einer Subvention, der zweite ist der Bericht des Finanz-Ausschusses über die zwei Gesuche des Fischereivereines für Vorarlberg um Gewährung einer Subvention und um Zuerkennung einer Belohnung für Erlegung einer Fischotter aus Landesmitteln. Ich möchte mir nun die Anregung erlauben, nachdem der Gegenstand, betreffend die Hebung der Rindviehzucht, von der Tagesordnung abgesetzt wurde, an Stelle desselben nachträglich diese beiden genannten Gegenstände auf die Tagesordnung zu setzen. Wird dagegen eine Einwendung erhoben? Es ist nicht der Fall, somit nehme ich an, dass das hohe Haus zustimmt. Ich- werde zunächst den Bericht des Finanz-Ausschusses, betreffend das Gesuch der Bezirkskrankenkasse in Dornbirn, .in Verhandlung ziehen, und ersuche den Herrn Abgeordneten Pfarrer Rudigier, darüber zu referieren. 56 VII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session, 7. Periode 1895. Rudigier: Die Gebarung mehrerer Bezirkskrankenkassen in Vorarlberg war in den Jahren 1893, respective 1894, eine unglückliche, insofern als das materielle Facit dieses Jahresabschlusses mit einem bedeutenden Deficit endet. So war es auch der Fall bei der Bezirkskrankenkasse in Dornbirn, welche ein Deficit von bedeutend über 2000 fl. ausweist. Dieses Deficit besteht hauptsächlich aus Ärzte- und Apothekerforderungen. Da tritt nun die Bezirkskrankenkasse an den Landtag mit einem Gesuche um Subvention zur Deckung dieses Deficits heran. Der landtägliche Finanz-Ausschuss sah sich jedoch nicht in der Lage, auf dieses Gesuch einzugehen, und zwar aus folgenden Gründen. Die Gesetzgebung über Bezirkskrankenkassen fällt allein und ausschließlich in die Competenz der Reichsgesetzgebung, respective des Reichsrathes. Infolge dessen hat der Landtag gar keine Ingerenz auf die Errichtung und Verwaltung der Bezirkskrankenkassen, somit konnte aus diesem Grunde auf das Gesuch principiell nicht eingegangen werden. Dann sind auch die Missstände, welche sogar in der Eingabe der Vorstehung der Bezirkskrankenkasse dargelegt wurden, derart, dass der hohe Landtag aus diesem Grunde schon nicht gern auf die Gewährung des Gesuches eingehen könnte. Es sind Missstände, gegenüber denen wir ohnmächtig dastehen und welche wenigstens theilweise den Charakter einer Ausbeutung der Krankenkasse zeigen. Wie es sich mit den Forderungen der Herren Ärzte und Apotheker verhält, kann ich natürlich des Genaueren nicht angeben. Der landtägliche Finanz-Ausschuss stellt darum an den hohen Landtag folgenden Antrag: (Liest den Antrag aus Beil. XXL) Landeshauptmann: Ich eröffne über Bericht und Antrag des Finanz-Ausschusses die Debatte. Dr. Waibel: Ich will auf die Lage der Bezirkskrankenkassen nicht eingehen. Ich theile nur ganz kurz mit, dass die Angelegenheit der Bezirkskrankenkasse auch den Gemeindeausschuss von Dornbirn beschäftigt hat, indem die Krankenkasse über Anrathen der Bezirkshauptmannschaft und unter Beischluss eines Schreibens derselben sich an die Gemeinde Dornbirn gewendet hat um einen Beitrag für diese Kasse. Die Gemeindevertretung hat diese Angelegenheit zwei Comites zur Berichterstattung, nämlich dem Armenrathe und dem Finanz-Ausschusse, überwiesen, und hat, nachdem die Anträge vorgelegen sind, darüber selbst einen Beschluss gefasst. Diese beiden Körperschaften, Finanz-Ausschuss und Armenrath haben erklärt, in eine Subventionierung der Kaffe nicht einzutreten, weil es Sache des Staates sei, der Kasse, welche vermöge eines Reichsgesetzes besteht, beizuspringen. Im GemeindeAusschusse hat man ein anderes Motiv der ablehnenden Beschlussfaffung gegeben, welches darin besteht, dass man erklärt hat, man gehe deshalb jetzt auf das Gesuch nicht ein, weil gegenwärtig eine Revision des Krankenkassengesetzes im Zuge sei. Dies ist auch thatsächlich der Fall. Es ist vielleicht mehreren Herren bekannt, dass die Handelskammern veranlasst worden sind in dieser Angelegenheit zu Rathe zu sitzen, Anträge zu stellen und Berichte zu erstatten, und ebenso ist die Angelegenheit zur Begutachtung an die Ärztekammer gelangt, so dass anzunehmen ist, dass, nachdem diese beiden Körperschaften sich am meisten mit dieser Angelegenheit zu befassen haben, die Regierung in die Lage kommen wird, eine Sanierung dieses Theiles des Krankenkassengesetzes vorzunehmen. Thatsächlich ist die Kasse wenigstens für den Augenblick soweit wieder besser gestellt, dass sie gegenüber den Ärzten von Dornbirn und wahrscheinlich auch gegenüber den Ärzten der übrigen Gemeinden, welche dazu gehören, erklärt hat, dass sie auf Honorierung derselben dermalen wieder eingehen könne. Rach diesem Stande der Sache bin ich auch dafür, dass der hohe Landtag auf das Gesuch der Bezirkskrankenkasse von Dornbirn um Subvention nicht eingehe. Den Ausdruck „aus principiellen Gründen" halte ich nicht für so ganz glücklich und würde es lieber gesehen haben, wenn man das Motiv angeführt hätte, welches die Gemeinde Dornbirn zu ihrer Beschlussfassung bewogen hat, nämlich die Erwägung, dass gegenwärtig eine Revision des Krankenkassen-Unterstützungsgesetzes im Zuge sei und auf diesem Wege eine Abhilfe für die Kaffe erwartet werden dürfe. Landeshauptmann: Wer wünscht weiter das Wort? Martin Thurnher: Ich bitte um das Wort. Es sind jedenfalls die Mängel und Gebrechen des Gesetzes daran schuld, dass diese Kassen in eine ■{ VlLSi^unfl des vorarlberqer Landtags. V. Session, 7. Periode 1895. L7 solche financielle Krisis hineingekommen sind. Nach meiner Ansicht sind die Krankenkassen mehr Assecuranzen für Arzte und Apotheker, um ihre Gebühren leichter bekommen zu können, als Versorgungsanstalten für die Kranken. Ich glaube, es dürfte Has richtigere Princip sein, wenn umgekehrt vorgegangen würde, wenn gesorgt würde, dass die Kranken zuerst die nöthigen Mittel zu ihrer Ernährung und Verpflegung erhalten würden, und das Übrige könnte dann ja, wie es früher der Fall war, wo noch keine solche Institute bestanden haben, nach und nach einzuheben gesucht werden, und zwar von denjenigen, welche die Beträge schuldig sind. Ich glaube, dass wir schon aus dem Grunde auf bas vorliegende Gesuch der Bezirkskrankenkassa in Dornbirn nicht eingehen können, weil die geltenden Bestimmungen des Gesetzes wohl kaum die richtigen sind und, und weil wir gar keine Ingerenz nehmen können, eine Verbesserung anzustreben, da dieses nicht in unsere Competenz fällt, und dann auch können wir nicht darauf eingehen, weil in diesem Falle die anderen Kassen des Landes in gleicher Weise auch mit Petitionen an uns herantreten würden, wozu sie das gleiche Recht hätten, wie diese, und wir uns für die Zukunft sonach ein Präjudiz schaffen würden. Dr. Waibel: Einer Bemerkung des Herrn Vorredners gegenüber muss ich eine Gegenbemerkung machen. Er hat sich gewissermaßen dahin ausgesprochen, dass die Bezirkskrankenkassen AssecuranzAnstalten für Arzte und Apotheker seien. Nun glaube ich, dass darin ein Vorwurf gegenüber den Ärzten und Apothekern zu erblicken ist, und diesen Vorwurf muss ich zurückweisen. Die Krankenkassen sind dazu bestimmt, zuerst den Kranken in's Auge zu fassen und ihm beizustehen, die Ärzte und Apotheker kommen erst in zweiter Linie. Das zeigt die Bezirkskrankenkassa in Dornbirn selbst. Diese Kassa hat nicht aufgehört, Zahlungen zu leisten, und hat auch fortwährend Unterstützungsgelder an die Kranken verabfolgt, die Arzte und Apotheker aber unbezahlt gelassen. Es sind also diese Kassen nicht Assecuranz-Anstalten für Ärzte und Apotheker, sondern thatsächlich der Kranken. Dr. Schmid: Dieser Bemerkung des Herrn Martin Thurnher in Bezug auf die Krankenkassen muss ich auch entgegentreten, weil nicht nur das/ was der Herr Vorredner gesprochen hat, vollkommen wahr ist, dass nämlich die Bezirkskrankenkassen in erster Linie die Unterstützung der Kranken im Auge behalten, und wie es auch jetzt noch thatsächlich der Fall ist, die Arzte und Apotheker nicht mehr bezahlt wurden, sondern auch aus einem zweiten Grunde, der sich thatsächlich constatieren läßt, dass bei den meisten Krankenkassen, bei denen ein Defizit entstanden ist — es sind auch noch andere Bezirkskrankenkassen in ähnliche Lage gekommen, wie die von Dornbirn — man erkannt hat, dass die Auslagen für die Unterstützung der krank gewordenen Mitglieder bei weitem den größten Theilbetrag des Defizit ausmachen, welches der Kassa erwachsen ist und nicht die Auslagen für Ärzte und Apotheker. So ist es auch bei anderen Krankenkassen, welche nicht bittend an den h. Landtag gekommen sind, thatsächlich der Fall gewesen, dass die bedeutend größeren Auslagen, welche die Kassen jährlich zu bestreiten hatten, Auslagen für kranke Mitglieder der betreffenden Kassen waren und nicht Auslagen für die Ärzte und Apotheker. Damit möchte ich die Bemerkung, welche der Herr Abgeordnete Martin Thurnher gemacht hat, richtig gestellt haben. Fink: Ich glaube die Mißstände, welche in den Bezirkskrankenkassen vorkommen, sind verschiedener Natur, und es haben verschiedene Einflüsse zusammengewirkt, dass diese Calamttät entstanden ist. (Rufe: Gewiß!) Für's erste halte ich es nicht für gut, dass so große Bezirke zusammengenommen wurden, um eine solche Kaffe zu bilden, ich hätte es für viel vortheilhafter gehalten, wenn jede dieser Kassen auf einen kleineren Kreis beschränkt worden wäre. Wenn man in einem kleineren Kreise beisammen ist, so ist die Beaufsichtigung eine viel leichtere und würde eine viel intensivere sein. Ich bin fest überzeugt, dass die Controls, wie sie das Gesetz geschaffen hat, nämlich durch Vertrauensmänner und in weiterer Instanz durch den Obmann der Kasse vielfach eine sehr mangelhafte war und dazu beigetragen hat, dass diese Kassen — ich weiß nicht, wie ich sagen soll — geplündert wurden, dass also auch von Mitglieder mehr verlangt worden ist von diesen Kassen, mehr als nach dem Sinne des Gesetzes hätte verlangt werden können und sollen. Dabei habe ich auch die Anschauung, dass auch Ärzte mitgewirkt haben — ich bitte dies aber nicht auf die anwesenden Ärzte persönlich zu beziehen, sondern 58 VII. Sitzung des Vorarlberger Landtages. V. Session. 7. Periode 1895. ich habe da die Ärzte im Allgemeinen im- Auge. Ich meine nämlich so: Wenn Einer erkrankt ist, wurde der Arzt gerufen und wenn die Krankheit auf dem Wege der Besserung war, so ist der Arzt vielleicht nicht mehr jeden Tag zu diesem Kranken gegangen, der Betreffende hat sich noch als krank betrachtet, der Vertrauensmann hat auch nicht seine Pflicht gethan und nachgeschaut, und so ist es gekommen, dass sowohl der Arzt länger seine Gebühr gefordert hat, als auch dass der betreffende „Kranke" länger unterstützt wurde, weil der Vertrauensmann und der Arzt dem nicht entgegengetreten sind. Man hat also da nicht recht dazu geschaut. Weil es also nothwendig ist, dass in solchen Sachen eine recht genaue Beaufsichtigung stattfindet, namentlich im Winter, wo viele Arbeiter arbeitslos sind, und es für sie ein verlockendes Mittel ist, wenn sie täglich 60 kr. einnehmen können, ohne dass sie arbeiten müssen und dabei keinen Arzt zu bezahlen haben; daher glaube ich, dass es wünschenswerth wäre, diese Kassen bei der Revision, die in Aussicht steht, auf einen kleineren Umfang zu beschränken. Es ist aber auch der Betrag erhöht worden, wenigstens bei unserer Bezirkskrankenkasse ist dies geschehen und zwar von 3 auf 4 1/2 kr. Mit Rücksicht auf diesen Betrag sollte man doch glauben, dass bei ordentlicher Handhabung des Gesetzes, wenn alle Factoren, die zur Durchführung berufen sind, Vertrauensmänner, Ärzte u.s.w. Zusammenwirken, ein solches Institut prosperieren könne. Dr. Schmid: Ich bin mit den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Fink vollkommen einverstanden, dass eine Controls dieser Kassen leichter möglich ist und durchgeführt werden kann, wenn sie einen kleineren Bezirk umfassen, ich möchte mir aber auch erlauben, meine Anerkennung für die Aufrichtigkeit und Klarheit, mit welcher er die Arzte in dieser Frage beurtheilt hat, auszusprechen. Es mag ganz richtig sein, und ist erwiesenermassen auch vorgekommen, dass Kranke länger im Krankenstand geblieben sind, als sie hätten bleiben sollen, und zwar deshalb, weil die Arzte im Falle einer Besserung ihre Besuche reduciert haben und nicht alle Tage nachschauen gegangen sind. Thun die Ärzte aber letzteres, so werden die Krankenkassen noch mehr belastet, der Arzt rechnet dann jeden Tag seinen Besuch auf, und die Krankenkaffa wird dadurch wieder missbraucht. Es ist da wirklich sehr schwer für den betreffenden Arzt, wenn er auch noch so gewissenhaft vorgehen will, das Richtige zu treffen. Die Bemerkung des Herrn Fink ist aber vollständig richtig, und anderwärts auch erhärtet worden. Aber meine Herren, wenn ein neues Krankenkassengesetz geschaffen wird — wir haben heute darüber nicht zu verhandeln und wird ein solches in dieser Session nicht mehr zur Verhandlung kommen — so sind wir gewiß Alle einverstanden, daß, wenn kleinere Bezirke geschaffen werden, für diese Kassen auch eine genauere Controle erzielt werden kann. Nach meiner Anschauung wäre ferner zu wünschen, dass auch ähnlich, wie die Ärzte im ganzen Lande für die Behandlung der den Krankenkassen Angehörigen die niedrigsten Taxen angenommen haben, so auch die Verwaltung dieser Kassen etwas niedrigere Taxen annehmen könnte, die großen Regieauslagen sind auch ein Grund, welcher vielleicht nicht zur Prosperierung dieser Kassen beizutragen im Stande ist. Johann Thurnher: Als die Worte „Assecuranz für die Ärzte" von Seite meines Herrn Nachbars Martin Thurnher mir an das Ohr geklungen waren, so habe ich mir gleich gedacht, dass er damit in ein Wespennest gestochen habe und wirklich haben sich gleich zwei summende Wespen von ihren Sitzen erhoben — Dr. Waibel: Das ist nicht mehr parlamentarisch, ich bitte uns anders zu behandeln, wir sind keine Wespen! Dr. Schmid: Wenn man ruhig spricht, soll man nicht schimpfen! Landeshauptmann»: Ich glaube der Herr Redner wollte einen Scherz machen, derselbe war aber beleidigend für' die Herren. Dr. Waibel: Das war eine absichtliche Beleidigung, ich kenne den Herrn! Dr. Schmid: Der Herr Abgeordnete Fink hat ruhig gesprochen! Johannes Thurnher: Wenn die Gemüther der Herren sich wieder ein bischen beruhigt haben, dann werde ich noch ein paar Worte sprechen. VII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session, 7. Periode 1895. 59 Dass dieser Ausdruck, „in ein Wespennest stechen" häufig angewendet wird, ohne dass man Jemanden beleidigen will, werden die Herren wohl zugeben, jedenfalls war es nicht meine Absicht Jemanden dadurch in Aufregung zu bringen, wie es geschehen ist. Dr. Schmid: Wir sind gar nicht aufgeregt! Landeshauptmann: Ich bitte den Herrn Redner nicht zu unterbrechen. Johann Thurnher: Im gewissen Sinne hat der Herr Abgeordnete Martin Thurnher doch Recht gehabt, wenn er sagt, dass die Bezirkskrankenkassen als Assecurranz für das richtige Eingehen der Gebühren an die Ärzte und Apotheker gelten können. Ich glaube, — ich bin zwar kein Arzt — dass jeder Arzt lieber Krankenbesuche macht, dort, wo er weiß, dass er auch richtig bezahlt wird, das ist so rein menschlich. Dr. Schmid: Sie werden den Wein auch nicht verschenken! Dr. Waibel. Sie werden die Kundschaften, welche zahlen, auch lieber mögen! Johann Thurnher: Ich sehe, dass die Herren noch immer in großer Aufregung sind, ich weiß nicht, warum hier ein reines Privatgeschäft hereingezogen wird, das gar nicht zur Tagesordnung gehört. Dr. Schmid & Dr. Waibel: Ihre Bemerkungen über die Ärzte gehören auch nicht zur Sache. Landeshauptmann: Ich bitte den Redner nicht zu unterbrechen. Johann Thurnher: Es ist hier von Ärzten und Apothekern und von einem Deficit von 2150 fl. die Rede und da glaube ich doch, dass eine Angelegenheit der Ärzte und der Kranken auf der Tagesordnung steht. Wenn ich diesen Bericht mit dem vergleiche, was der Herr Abgeordnete Martin Thurnher gesagt hat, dass die Bezirkskrankenkaffen in einem gewissen Sinne Assieuranzen für Ärzte und Apotheker seien und dem die Worte beigefügt hat, dass die Kranken auch essen und verpflegt . werden müssen, so fällt mir im Berichte auf, dass dort nur von Ärzten- und Apotheker-Conto's, nicht aber auch von Conto's der Victualienhändler die Rede ist. Die Bictualienhändler verabfolgen nächst den Apothekern für das Bargeld, das die Kranken etwa bekommen, wohl auch noch andere Sachen, und es ist von den Krankheiten mancher Familie in einem Victualienladen oft ein großer, durch Jahre hindurch nicht mehr bezahlbarer Rückstand vorhanden, der hier nicht in Betracht gezogen ist, weil diese Forderung nicht angemeldet wurde, der betreffende Victualienhändler auch keinen Grund hatte zur Anmeldung, indem bei den Krankenkassen keine Bestimmung existiert, dass aus derselben auch die Lebensmittel für die Kranken zu bezahlen sind. Die Worte, welche der Herr Abgeordnete Martin Thurnher über Affecuranzen gesprochen hat, halte ich daher nicht für so ganz unberechtigt, so sehr sich auch die Herren auf der anderen Seite aufregen. Was den Wunsch des Herrn Dr. Waibel betrifft, es möchte im Anträge als Grund der Ablehnung des Ansuchens statt „aus prinzipiellen Gründen" ein anderes Motiv angeführt werden, nämlich, dass die Krankenkaffen-Gesetzgebung gegenwärtig in einer Revision begriffen sei, so glaube ich, dass das für den Landtag kein Motiv sein kann, denn über die Krankenkassen wird im Wiener Reichsrathe verhandelt werden und der Vorarlberger Landtag hat dazu nichts zu sagen, und weil er eben nichts zu sagen hat, so ist gerade das für ihn ein prinzipieller Grund, auf eine Unterstützung nothleidender Kaffen nicht einzugehen. Dr. Waibel: Wenn ich zu dem, was der Herr Abgeordnete Johann Thurnher gesagt hat, noch eine Bemerkung machen will, so muss ich darauf entgegnen, dass ich meine Meinung aufrecht halte. Ich glaube, man ist bei uns von der Erwägung ausgegangen, dass wenn eine gründliche und zweckentsprechende Revision der Krankenkassen vorgenommen wird, die Nothlage derselben sich voraussichtlich bessern und auch die Bezirkskrankenkasse in Dornbirn einer Besserung zugeführt wird. Warum ich mir eigentlich das Wort erbeten habe, ist Folgendes. Ich erinnere mich aus der Eingabe, welche die Kassa an die Gemeinde Dornbirn gemacht hat, und aus einer mündlichen Besprechung mit dem Obmanne der Kassa, dass eine wesentliche Ursache, ein wesentlicher Umstand, warum die missliche Lage dieser Kassa entstanden ist, der ist, dass von den Mit60 VH. Sitzung des Vorarlberger Landtages» V. Session, 7. Periode 1895. gliedern der Kassa selbst ein ganz übertriebener Missbrauch der Kassa begangen worden ist. Was da gesagt wird, ist schlimmer, als die ärztlichen Conti. Diese hat man einfach liegen gelassen, man hat sie nicht bezahlt. Darin besteht also die Assecuranz für die Ärzte, dass man nicht bezahlt hat, aber die Unterstützungen haben gewährt werden müssen. Die Kranken haben darauf einen gesetzlichen Anspruch und haben denselben auch erwirken können, wenn er verweigert worden ist. Um diesen Missständen zu begegnen, ist eines der Mittel das, dass die Kreise der Versicherung verkleinert werden. Es wird dadurch die Controle des ganzen Gebahrens entschieden erleichtert und mehr gesichert. Dass einer Bildung von kleineren Versicherungskreisen ein gesetzliches Hindernis nicht entgegensteht, kann ich an dem Beispiele des politischen Bezirkes Feldkirch--Dornbirn beweisen. Im Gerichtsbezirke Dornbirn besteht eine eigene solche Kassa, und der Gerichtsbezirk Feldkirch hat ebenfalls eine eigene. Mein Herr Collega sagt mir eben, dass in Bregenz eine solche Abtheilung nach Gerichtsbezirken nicht bestehe. (Wolf: Auch in Bludenz nicht.) Ich wollte nur beweisen, dass ein gesetzliches Hindernis für die Bildung solcher Kassen nach Gerichtsbezirken nicht obwaltet, sonst würden die zwei Bezirkskrankenkassen in Dornbirn und Feldkirch nicht gestattet worden sein. Es kann also von Seite der Interessenten durch Einschreiten bei der polit. Behörde erwirkt werden, dass eine solche Abscheidung stattfindet, dass der Gerichtsbezirk Bezau eine eigene Krankenkassa bekommt und ebenso auch der Gerichtsbezirk Bregenz, der Gerichtsbezirk Bludenz und der Gerichtsbezirk Montavon. Damit schließe ich meine Bemerkungen. Nagele: Die Nothwendigkeit, dass die Bezirkskrankenkassen unterstützt werden sollen, liegt auch vielfach in der Gewissenlosigkeit derjenigen, die daraus Nutzen ziehen. Je größer der Verband oder die Kasia ist, desto unverschämter sind die Leute und desto weniger kann man für die Aufrechterhaltung der Ordnung sorgen. (Rufe: Sehr wahr.) Da wird nicht gespart. Ich kann zwar keine Beweise erbringen, dass selbst auch von Gemeindevorstehern Missbräuche getrieben worden sind; kann aber sagen, dass es vorgekommen ist, dass Armenhäusler zu öffentlichen Arbeiten verwendet wurden, nach einem, zwei oder drei Tagen sind sie erkrankt und dann hat sie nicht mehr die Gemeinde, sondern die Krankenkassa erhalten müffen. Wenn so liederliche Leute krank werden, dann nehmen sie lieber das Wenige, was sie aus der Krankenkassa bekommen, wenn sie nur nicht mehr arbeiten müssen. Sie stellen sich nämlich so lange krank, bis es endlich auch dem Arzt gar zu arg wird, sie sagen, es fehlt mir noch das, es fehlt noch jenes, bis die Doctorei endlich aufhört. Wenn Mitglieder in Bauernfamilien erkranken hören dieselben viel bälder auf zu Doctoren zu gehen und werden doch auch wieder gesund. Johannes Thurnher: Ich glaube, dass der Herr Abgeordnete Nägele wohl einen der wundesten Punkte in der Krankenkassen-Geschichte getroffen hat. Er hat einen Fall angeführt, der Gemeindearbeiter betrifft, und als Vorsteher wird er gewiß die nothwendigen Erfahrungen darin haben. Es gibt aber auch noch andere, welche allerlei Zustände simulieren und so lange krank sind, bis das schöne Wetter wieder kommt. Das ist allerdings ein Umstand, der für die Verkleinerung der Bezirke, wofür der Herr Abgeordnete Fink eingetreten ist, sprechen würde, und zwar namentlich wegen der Aufsicht über diese Kassen und wegen der besseren Personen- und Localkenntnis. Jede Gemeinde kennt ihre Leute und da wäre in größeren Gemeinden wohl eine Gemeindekassa vielmehr am Platze, als eine Kassa nach Gerichtsbezirken. Sobald sich eine größere Anzahl von Gemeinden, namentlich größere Gemeinden an einer und derselben Kassa betheiligen, ist es unmöglich, ein Aufsichtsorgan zu finden, welches im ganzen Bezirke die nothwendige Einsicht hat, und welches sich der Mühe unterzieht, alle die Kranken zu besuchen und darauf zu sehen, dass die Kassa nicht ungerechtfertigt in Anspruch genommen wird. Dass die Bezirke kleiner gemacht werden können, nämlich dass statt in jeder Bezirkshauptmannschaft, in jedem Gerichtsbezirke eine solche Krankenkassa errichtet werden könnte, das unterliegt keinem Zweifel, das hat schon der Herr Dr. Waibel nachgewiesen, aber selbst eine Eintheilung nach Gerichtsbezirken würde nicht immer genügen, dafür haben wir einen Beweis in der Eingabe der Krankenkassa in DornVII. Sitzung des Vorarlberger Landtags, v. Session, 7. Periode 1895. 61 Hirn. Trotzdem dass dort schon eine Unterabtheilung im Gerichtsbezirk stattgefunden hat, indem in der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch zwei solche Kassen existieren und zwar eine in Feldkirch und eine in Dornbirn, so zeigt das, dass auch diese Eintheilung noch nicht genügend, das Gebiet noch ein zu großes ist. Ich werde diesbezüglich keinen Antrag stellen, weil wir überhaupt schon auf dem principiellen Standpunkt stehen, da^s wir da nicht eingreifen. Deshalb glaube ich auch, dass über diesen Punkt bald genug geredet worden ist. Bösch: Man hat sich in dieser Sache schon ziemlich ausgesprochen, aber ich muss doch auch noch eine Bemerkung machen. Ein diesbezügliches Gesuch von der Bezirkskrankenkassa ist auch an die Gemeindevertretung in Lustenau gelangt, dasselbe würde aber abweislich beschieden und zwar aus den Gründen, die auch hier mehrfach genannt worden sind. Ich bin auch der Ansicht, dass, wie bereits mein Herr Vorredner hingewiesen hat, selbst die Gerichtsbezirke für die Krankenkassen zu groß sind. Wir haben in Lustenau zwei Krankenkassen, eine Sticker-Krankenkassa und eine Handwerker-KrankenKasse und dann ist noch eine Filiale der allgemeinen Krankenkassa. Alle drei Kassen können ganz gut bestehen, die Sticker-Krankenkassa hat es im Laufe mehrerer Jahre sogar zu einem Fond von circa 2000 fl. gebracht, trotzdem sie durch die bei uns stark aufgetretene Influenza sehr in Anspruch genommen worden ist. Ich bin auch der Meinung, dass in größeren Gemeinden eigene Kassen bestehen sollen, weil nur dann eine richtige und billigere Controle möglich ist, was bei größeren Bezirken nicht zutrifft, wo es eine Obmannschaft braucht, welche die Aufsicht in den verschiedenen Gemeinden und auch die Buchhaltung führt, und einen großen Gehalt bezieht. Unser Kassier und Verwalter bezieht einen ganz geringfügigen Gehalt und infolge dessen kann die Kassa bester existieren. Somit habe ich gesprochen. Fink: In der heutigen Debatte, die sich so in die Länge gezogen hat, sehe ich einen gegenseitigen Meinungsaustausch der hier anwesenden Herren, darüber wie man bei diesem an und für sich wohlthätigen Institute in der Zukunft nützlich mitwirken könnte. Selbst wenn auf dem Wege der Reichsgesetzgebung in dieser Sache gehandelt werden muss und gehandelt werden wird, so sind doch immer wieder die Factoren in den Bezirken und Gemeinden bei der Durchführung maßgebend und berufen, mitzuwirken. Daher betrachte ich diesen Meinungsaustausch als nützlich, wenn er auch ziemlich lange ausfiel. Ich habe schon von allem Anfang an gewußt, dass es gesetzlich zulässig war, diese Krankenkassen auf kleine Kreise zu vertheilen. Ich habe nämlich bei der Entstehung unserer Bezirkskrankenkassen selbst an den bezüglichen Verhandlungen theilgenommen, ob die Eintheilung derselben nach Gerichtsbezirken oder nach Bezirkshauptmannschaften erfolgen solle. Aber ich habe mit dein, was ich ausgesprochen habe, darauf hindeuten wollen, ob es nicht am Platze wäre, dass von Gesetzeswegen bestimmt würde, dass der Kreis der einzelnen Kassen nicht ein so großer ist. Dabei aber möchte ich gleich auf den Umstand aufmerksam machen, dass nmn es sich wohl überlegen soll, diesen Kreis gar zu klein zu machen. Ich bin mit der Anschauung der Herren Vorredner nur bedingungsweise einverstanden, was die Gemeindekrankenkassen betrifft. Dort nämlich mögen dieselben gut und am Platze sein, wo große Gemeinden mit viel Industrie bestehen; aber wo dies nicht der Fall ist, kann nach meiner eigenen Anschauung und Erfahrung eine solche kleine Krankenkasse, die sich nur über eine kleine Gemeinde mit kleinerem Mitgliederstand erstreckt, in manchen Fällen nicht mehr aufkommen. Wenn nur zwei oder drei Mitglieder — sagen wir, es habe Einer den Fuß gebrochen — durch die ganze Zeit hindurch die täglichen 60 Kreuzer sowohl, wie auch Arzt und Apotheker in Anspruch nehmen, so gibt dies schon allein bei einem Einzigen, um wie viel mehr bei Zweien oder Dreien, eine so hohe Summe, dass dieselbe vielleicht für ein ganzes Jahr sämmtliche Eingänge einer solchen kleinen Kasse aufzehren würde. Ich glaube daher, dass es ganz gut und nützlich sei, darüber nachzudenken, wie die Sache am besten zu machen sei, und darüber zu reden, aber man soll sich dabei hüten, nicht von einem Extrem in das andere zu fallen. Dies wollte ich noch vorbringen, im Übrigen halte ich und wohl wir Alle diese Einrichtung der Krankenkassen für eine sehr gute, nur müssen wir 62 VII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. V. Session, 7. Periode 1895. wünschen, dass sie auch zweckentsprechend gehandhabt und durchgeführt werde. Martin Thurnher: Ich beantrage Schluss der Debatte. Landeshauptmann: Es ist Schluss der Debatte beantragt worden uno ich bringe diesen Antrag zur Abstimmung. Ich ersuche diejenigen Herren, welche diesem Anträge beizustimmen gedenken, sich von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Die Debatte ist somit geschlossen. Ich ertheile nun das Wort dem Herrn Berichterstatter, wenn er etwas beizufügen finden sollte. Rudigier: Ich möchte an das Gesagte noch ein paar Bemerkungen anknüpfen. Es lag dieser Eingabe der Bezirkskrankenkasse in Dornbirn eine Empfehlung seitens der hohen k. k. Statthalterei bei. Wir konnten aber, eben weil wir im vorliegenden Anträge principiell für die Ablehnung waren, auch auf diese Empfehlung der k. k. Statthalterei nicht eingehen. Ein anderer Grund für die Ablehnung war, wie es auch heute schon von den Herren Vorredner betont wurde, der, dass wir keinen Präcedenzfall schaffen wollten. Wir wissen ganz bestimmt, dass, wenn wir das Gesuch der Bezirkskrankenkasse von Dornbirn nicht abschlägig beschieden hätten, schon heuer und auch in den folgenden Jahren alle mit Deficit arbeitenden Krankenkasseninstitute an den hohen Landtag mit der gleichen Bitte herantreten würden. Die nämlichen Missstände aber, wie sie im Berichte aufgeführt wurden, werden jedenfalls auch in Zukunft nicht behoben werden, sondern wiederkehren, und diesen Missständen steht der. hohe Landtag ganz ohnmächtig gegenüber, so dass wir nicht in der Lage sind, auf eine Sanierung derselben hinzuwirken. Diesen Missständen ist auch hauptsächlich das vielseitige Missbrauchen der Bezirkskrankenkassen zuzuschreiben. Mir selbst ist es sehr gut bekannt, mit welcher Antipathie ein großer Theil der Bevölkerung diesem Institute gegenübersteht, wahrscheinlich in Anbetracht dessen, dass die Bezirkskrankenkassen an solchen Schäden und Mängeln leiden, denen man kaum oder nur sehr schwer beikommen kann. Es wurde vorhin ausgesprochen, die Abgrenzung der Bezirke sollte eine kleinere sein. Dieser Ansicht trete ich vollkommen bei. In größeren Gemeinden, glaube ich, würde es keiner Schwierigkeit begegnen, wenn man in denselben ähnliche Institute ins Leben riefe. In der Gemeinde Götzis z. B. besteht eine solche Privatkrankenkaffe, und trotzdem in Götzis die Menschen nicht gesunder sind als an anderen Orten, prosperiert diese Kasse immerhin recht gut. Der wichtigste Grund aber, warum die Krankenkassen, wie wir sie haben, insbesondere Bezirkskrankenkassen nicht prosperieren können, liegt eben in der Gewiffenlosigkeit vieler Pariticipanten. So lange wir nicht irgend ein Medicament aus irgend einer Apotheke erhalten können, welches die Leute wieder gewissenhaft macht, welches es den Leuten wieder in das Gedächtnis zurückruft, dass sie für ihre Simulation verantwortlich gemacht werden können, so lange werden wir vergeblich gegen diese Missstände ankämpfen. Ich kann daher nur den Antrag des Finanz-Ausschusses zur Annahme emvfehlen. Landeshauptmann: Ich schreite nun zur Abstimmung und ersuche diejenigen Herren, welche dem Anträge des Finanz-Ausschusses ihre Zustimmung geben wollen, sich von den Sitzen zu erheben. Angenommen.