18920409_lts020

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Letzte Änderung 03.07.2021, 10:21
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp07,lts1892,lt1892,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 20. Sitzung am 9. April 1892, unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 19 Abgeordnete. Abwesend die Herren: Kochwürdigster Bischof Dr. Zobl und Decan Berchtold. Regierungsvertreter: Derr Statthaltereirath Graf St. Julien-Wallsee. Beginn der Sitzung um 9 Uhr 50 Min. Vormittags. Landeshauptmann: Die Sitzung ist eröffnet; ich ersuche um Verlesung des Protocolles der letzten Sitzung. (Secretär verliest das Protocoll der XIX. Sitzung.) Hat einer der Herren gegen die Fassung des Protocolles eine Bemerkung zu machen? — Es ist dies nicht der Fall, somit betrachte ich dasselbe als genehmiget. Es sind mir heute noch verschiedene Einlaufstücke zugekommen. Das erste ist eine Interpellation des Herrn Abgeordneten Dr. Waibel an den Landeshauptmann Adolf Rhomberg. Ich bitte dieselbe zu verlesen. (Secretär liest:) Interpellation des Landtagsabgeordneten Dr. Waibel an den Herrn Landeshauptmann Adolf Rhomberg. Das „Vorarlberger Volksblatt" vom 27. Oct. v. I. (Zl. 245) bringt aus Dornbirn unterm 21. October die Mittheilung, der Herr Landeshauptmann Adolf Rhomberg habe in der in Dornbirn abgehaltenen Generalversammlung des katholischen Erziehungsvereines unter Anderem Folgendes gesagt: „ .... Im Hinweise auf die bekannte, vortrefflich geschriebene Broschüre: „Zehn Jahre unter der rothen Flagge" zeigt Redner die destructiven Tendenzen der liberalen Landes-Lehrervereine Tirols und Vorarlbergs und 254 XX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. H. Session der 7. Periode 1891/92. drückt die Hoffnung aus, die Zeit werde nicht so fern sein, in welcher diesem der Religion und ihren Dienern hohnsprechenden Treiben Einhalt geboten werde." Die Richtigkeit dieser Mittheilung des „Vorarlberger Volksblattes" vorausgesetzt, erlaubt sich der Gefertigte an den Herrn Landeshauptmann folgende Anfragen zu stellen: 1. Sind dem Herrn Landeshauptmanne bestimmte Thatsachen aus der Thätigkeit des Lehrer-Vereines von Vorarlberg bekannt, welche ihn zu dem Vorwurfe berechtiget haben, dieser Verein verfolge destructive Tendenzen? 2. Sind dem Herrn Landeshauptmanne bestimmte Thatsachen aus der Thätigkeit des Lehrer-Vereines von Vorarlberg bekannt, welche ihn zu dem Ausspruche berechtigten, dieser Verein übe ein der Religion und ihren Dienern hohnsprechendes Treiben? Bregenz, am 8. April 1892. Dr. G. Waibel, Landtagsabgeordneter. Landeshauptmann: Ich werde diese Interpellation, weil heute Schlußsitzung ist, sofort beantworten, obwohl dieselbe mir erst kurz vor der Sitzung übergeben wurde. Es ist sonst nicht üblich, daß Mitglieder dieses hohen Hauses über Reden, welche dieselben auswärts gehalten haben, hier verantwortlich gemacht werden ; aber in diesem speciellen Falle gereicht es mir doch zum Vergnügen, diese Interpellation zu beantworten, und zwar kann ich einerseits constatieren, daß für jenen Bericht, welchen das „Volksblatt" damals über die Lehrervereinsversammlung gebracht hat, weder ich verantwortlich bin, noch darauf Einfluß genommen habe. Andererseits ist es nicht richtig, daß ich von einem „destructiven, der Religion und ihren Dienern hohnsprechenden Treiben des Lehrervereines" gesprochen habe; ich habe nur an der Hand jener Broschüre „Zehn Jahre unter der rothen Flagge" das Bestreben einzelner Mitglieder dieses Lehrervereines nach obiger Richtung gekennzeichnet. Im Übrigen möchte ich dem Herrn Interpellanten empfehlen, zur Prüfung der Richtigkeit dieser meiner damaligen Behauptung recht eingehend die Broschüre „Zehn Jahre unter der rothen Flagge" zu studieren. (Bravorufe.) Ferner ist mir von Herrn Dr. Waibel folgendes Schriftstück zugekommen. (Secretär liest:) Ew. Hochwohlgeboren Herr Landeshauptmann! Auf die von mir in der 14. Sitzung der gegenwärtigen Landtags-Session gegen Sie erhobene Beschuldigung wegen fälschlicher Denunciation eines Schulmannes haben Sie erklärt, das so lange für eine infame Verleumdung zu erklären, bis ich für diese Beschuldigung den Beweis erbracht haben werde. Ich erkläre mich zu dieser Beweisführung in folgender Weise bereit: In Anbetracht der durch die Natur des Gegenstandes gebotenen Discretion und in Anbetracht der ganz eigenartigen Stellung, welche die Landeshauptmänner und die Landmarschälle in unserem Staatsorganismus einnehmen, lade ich Ew. Hochwohlgeboren ein den Herrn Ministerpräsidenten zu ersuchen, derselbe wolle mich zur Beibringung des Beweises für die gedachte Beschuldigung auffordern. Einer solchen Aufforderung werde ich ungesäumt entsprechen. Ew. Hochwohlgeboren Ergebener Dr. G. Waibel, Landtagsabgeordneter. Bregenz, am 8. April 1892. Landeshauptmann: Ich erlaube mir zu diesem Schriftstück Folgendes zu bemerken: Fürs Erste weiß der Herr Abgeordnete Dr. Waibel ganz gut, daß die Stellung eines Landeshauptmannes, was Ehrensachen anbelangt, keine andere ist, als die eines gewöhnlichen Menschenkindes, und zweitens hat der Herr Abgeordnete Dr. Waibel seine Beschuldigungen gegen meine Person hier in öffentlicher Sitzung vorgebracht und er wäre auch berufen gewesen, wiederum hier die Beweise für diese Beschuldigungen öffentlich vorzubringen, wozu ich ihn damals aufgefordert habe. — Ferner ist mir zugekommen eine Erklärung der Herren Abgeordneten Jodok Fink und Genossen. Ich bitte dieselbe zu verlesen. (Secretär liest:) XX. Sitzung des Vorarlberger Landtags, u. Session der 7. Periode 1891/92. 255 Hoher Landtag! Der Abgeordnete Herr Dr. Waibel hat in der 14. Sitzung des hohen Landtages vom 30. v. M. gegen mehrere Mitglieder dieses hohen Hauses ehrenrührige Behauptungen und insbesonders gegenüber dem Abgeordneten Herrn Johann Thurnher den Vorwurf erhoben, er stehe im Verdachte der Fälschung und des Meineides. Aus den in der Sitzung vom 7. d. M. von Herrn Johann Thurnher dem Landtage zur Einsichtnahme vorgelegten Acten haben sich die Gefertigten die Überzeugung verschafft, daß diese Vorwürfe jeder Begründung entbehren. Der Vorwurf des Meineides bezieht sich auf den Umstand, daß Herr Johann Thurnher an die Nachlaßmasse für mehr als 20jährige Dienste eine Lohnforderung, sowie für sich und seine Schwester Ersatzansprüche für theilweise durch den Erblasser eingehobenes väterliches Vermögen stellte, wobei in Frage kam, ob dieselben als „verschwiegene Forderungen" oder als „fingierte Passiven" zu betrachten kommen. In Wirklichkeit können aber solche Forderungen sicher nicht als fingiert oder verschwiegen angesehen und behandelt werden, und zwar auch dann nicht, wenn selbst derartige Forderungen im Proceßwege nicht realisiert werden könnten. Der Vorwurf der Fälschung bezieht sich auf ein Übereinkommen der Erben nach Mathäus Thurnher mit Herrn Johann Thurnher vom 2. September 1878. Die in dieser Urkunde unterfertigte Erbin Anastasia Schwendinger bestritt nämlich später ihre Unterschrift und beeidete auch ihre Behauptung. Die Unterzeichneten haben nun die Unterschrift dieser Erbin in genannter Urkunde mit anderen von Herrn Johann Thurnher beigebrachten Urkunden, auf denen deren Unterschrift ebenfalls vorkommt und die von ihr nie angestritten wurden, darunter einer Quittung von 1649 fl. 40 fr., in Vergleich gezogen und gefunden, daß die angestrittene Unterschrift mit den übrigen nicht angestrittenen Unterschriften dieser Erbin identisch ist, daß sie ganz die gleichen charakteristischen Merkmale und Züge trägt, wie jene und daher eine Fälschung ausgeschlossen erscheint. Die erstgefertigten Landtagsmitglieder, die zugleich Mitglieder des Landesausschusses sind, als: Jodok Fink, Jakob Nägele und Martin Thurnher, haben außerdem mehrere durch den Landesausschuß vom k. k. Bezirksgerichte in Dornbirn requirierte Urkunden über die betreffende Erbsabhandlung, welche ebenfalls die Unterschrift der genannten Erbin tragen — Unterschriften, die unter den Augen des Gerichtes erfolgten und mit dessen Mitfertigung versehen sind — in der heutigen Landesausschuß-Sitzung eingesehen und gefunden, daß auch diese Unterschriften mit der in der Urkunde vom 2. September 1878 enthaltenen vollkommen identisch sind. Bei diesem Sachverhalte finden die Gefertigten sich veranlaßt, ihre volle Mißbilligung über die Anschuldigungen des Herrn Abgeordneten Dr. Waibel auszusprechen, indem derartige unwahre Anschuldigungen nicht nur die Ehre einzelner Mitglieder des hohen Hauses, sondern auch die Würde der Landesvertretung und die Ehre des Landes auf das Tiefste verletzen. Sollten sich derartige oder ähnliche Verdächtigungen und Angriffe wiederholen, so würden sich die Gefertigten genöthiget sehen, eine Abänderung der Geschäftsordnung nach der Richtung in Antrag zu bringen, daß über Mitglieder des hohen Hauses, die sich solche Ausschreitungen erlauben, die zeitweise Ausschließung durch Beschluß des Landtages verfügt werden könnte. Bregenz, den 8. April 1892. Jodok Fink. Jakob Nägele. Martin Thurnher. Peter Paul Welte. Jod. Ant. Fritz. Josef Heinzle. Gottfr. Schapler. Ferd. Rüf. M. Reisch. Ignaz Dietrich. Josef Büchele. I. G. Greißing. Engelbert Bösch. Landeshauptmann: Bevor wir zur Tagesordnung übergehen, ertheile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Waibel, der zur Geschäftsordnung | zu sprechen wünscht, das Wort. 256 XX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session der 7. Periode 1891/92. Dr. Marbel: Es ist wohl nicht am Platze, heute nochmals auf das Vorgefallene zurückzukommen, die Sache wird ihre weitere Entwicklung gewiß finden. Ich habe mir das Wort erbeten zu folgenden Anfragen an den Herrn Landeshauptmann: Es ist den Mitgliedern des Landtages schon eine geraume Zeit vor der Einberufung des Landtages die Beilage Nr. 1 zu den stenographischen Protocollen, nämlich der Bericht des Landesausschusses über die Ausführung des Landtagsbeschlusses betreffend die Erhebungen in Angelegenheit der Regelung der Lehrergehalte zugekommen. Im Landtage selbst ist diese Vorlage an den durch die Herren Abgeordneten Johann und Martin Thurnher verstärkten Schulausschuß überwiesen worden. Dieser Ausschuß hat über diese Vorlage Sitzung gehalten und zwar eine sehr kurze, weil der Bericht schon fix und fertig von Herrn Martin Thurnher vorgebracht worden war und es wurde meines Erinnerns beschlossen, diesen Bericht zu verificieren und dann zur Drucklegung zu bringen. Seit dieser Zeit ist der Schulausschuß niemals mehr einberufen worden und ist auch der Bericht diesem hohen Hause in Druckschrift nicht zugekommen. Überhaupt ist darüber, wie dieser Gegenstand der Erledigung zugeführt werden soll, wenigstens uns nichts mitgetheilt worden. Ich glaube deshalb vollkommen berechtiget zu sein, weil es sich hier um eine ganz eminent wichtige Angelegenheit handelt und dieser Gegenstand sich schon lange Zeit in den Händen der Mitglieder dieses hohen Hauses befindet, die Anfrage zu stellen, was für Gründe vorhanden sind, daß dieser Gegenstand bisher der Erledigung nicht zugeführt worden ist und weiter zu fragen, ob dieser Bericht vielleicht doch noch — ich täusche mich vielleicht — auf die Tagesordnung gesetzt werden wird. Landeshauptmann: Ich kann als Vorsitzender auf die Bemerkungen des Herrn Dr. Waibel nur erwidern, daß ein verificierter Bericht über diesen Gegenstand mir nicht zugekommen ist, und nachdem allseitig gewünscht wurde, daß mit dem heutigen Tage der Schluß der Session erfolgen sollte, so konnte ich nicht mehr länger zuwarten und mußte auch in Ermangelung dieses Berichtes die heutige Sitzung als Schlußsitzung anberaumen. Übrigens kann vielleicht der Herr Berichterstatter hierüber näheren Aufschluß geben. Martin Thurnher: In Abwesenheit des Herrn Obmannes des Schulausschusses habe ich bezüglich der Anfragen des Herrn Dr. Waibel Folgendes zu erklären: Es i st eine Sitzung des Schulausschusses abgehalten worden, bei welcher der Herr Abgeordnete Dr. Waibel aber nicht zugegen war. In dieser Sitzung habe ich den betreffenden Bericht vorgelegt, der Schulausschuß hat aber aus Gründen, die sich heute der Öffentlichkeit entziehen, meinen Bericht der Verification nicht unterzogen, die Verhandlung über diesen Gegenstand selbst aber als vertraulich erklärt. Dr. Waibel: Diese Erklärung befremdet mich. Ich bin Mitglied des Schulausschusses und habe allen Sitzungen desselben beigewohnt mit Ausnahme einer einzigen, bei welcher es sich lediglich um die Verification des Berichtes bezüglich der Intercalarien gehandelt hat. Der verstärkte Ausschuß ist ein einziges Mal einberufen worden und dieser Sitzung habe ich beigewohnt. Wenn also eine geheime Sitzung abgehalten wurde, ohne mich beizuziehen, so ist dies jedenfalls geschäftsordnungswidrig gewesen. Martin Thurnher: Der Herr Dr. Waibel war damals in Bregenz nicht anwesend, wenigstens sind die Diener, welche ausgesendet wurden, ihn zu verständigen, unverrichteter Sache zurückgekehrt. Man kann dem Herrn Obmanne des Schulausschusses denn doch nicht zumuthen, daß er eine Ausschuß-Sitzung so lange hinausschiebt und zuwartet, bis es den Mitgliedern gefällig ist, sich hieher zu bemühen, um hier verständiget werden zu können. Die Herren Abgeordneten haben eben die Pflicht, sich hier in Bregenz aufzuhalten, damit man sie findet, wenn eine Ausschuß-Sitzung nothwendig ist. Johann Thurnher: Es ist nur schade, daß der Herr Obmann des Schulausschusses nicht da ist, damit er sagen könnte, wann jene Sitzung stattgefunden hat, von welcher der Herr Dr. Waibel meint, daß sie geheim gehalten worden sei. Ich kann nur constatieren, daß der Landtagsdiener den Herrn Dr. Waibel gesucht, aber nicht gefunden hat. XX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session der 7. Periode 1891/92. 257 Gegenüber der Bemerkung, daß jene Sitzung geheim gehalten worden sei, muß ich erwidern, daß sie keine geheime war. Wenn der Herr Dr. Waibel in Bregenz gewesen und seine Verständigung möglich gewesen wäre, so hätte er ja beikommen können. Auch der Herr Regierungsvertreter war bei jener Sitzung anwesend; geheime Sitzungen pflegen wir nicht in Anwesenheit des Herrn Regierungsvertreters abzuhalten. Dr. Waibel: Ich muß doch bei meiner Vermuthung bleiben, daß es sich hier darum gehandelt hat, mich bei jener Sitzung nicht dabei zu haben. Die Herren wissen, daß ich jeder Landtagssitzung, die abgehalten wurde, beigewohnt habe; die Herren wissen aber auch, daß ich mich wegen meiner Berufsgeschäfte gerade so, wie die anderen Herren, an jenen Tagen, an welchen weder eine Haussitzung ist, noch eine Ausschußsitzung stattfindet, an der ich Theil zu nehmen habe, natürlich nicht in Bregenz aufhalte und unnützer Weise die Zeit versäume. Was soll unser einer 24 Stunden hindurch, Tag und Nacht hier in solchen Fällen thun? Der Herr Obmann des Schulausschusses hat es ganz gut gewußt, daß er, wenn er einen solchen Tag für eine Ausschußsitzung auswählt, mich hier in Bregenz nicht finden wird; er hat aber auch ganz gut gewußt, daß ich an jedem andern Tag oder wenn er mich rechtzeitig verständigt, „morgen oder übermorgen ist Sitzung", pünktlich zu haben bin. Wir sitzen jetzt seit 3. März hier beisammen und, meine Herren, diese Ausrede, daß man mich nicht habe finden können, lasse ich nicht gelten. Man hat hier mit Absicht die Sitzung in einer solchen Weise anberaumt, um mich von derselben ferne hallen zu können. Johann Thurnher: Mir kommt das wie ein Vorwurf vor gegen einen Abwesenden der sich nicht wehren kann. Der Herr Dekan Berchtold ist Obmann des Schulausschusses und hat bereits vor einigen Tagen nach Hause gehen müssen, wei er früher eine Mission auf diese Zeit anberaumt hatte und konnte deshalb der heutigen Sitzung nicht beiwohnen. Der erhobene Vorwurf trifft den Herrn Dekan Berchtold und ich muß deshalb diesen eigenthümlichen Vorwurf, welcher gegenüber einer Person erhoben wird, die sich hier gar nicht wehren kann, entgegentreten. Die Geschäftsordnung verpflichtet die Herren Abgeordneten nicht zur ununterbrochenen Anwesenheit in Bregenz, sondern nur insoweit, daß sie jeden Augenblick, wenn Sitzung abgehalten wird, hievon verständigt werden können. Es pflegt wohl vorzukommen, um dem Landtagsdiener die Arbeit zu ersparen, die Herren Abgeordneten in ihren Wohnungen aufzusuchen, daß man schon bei Beginn oder Schluß einer öffentlichen Haussitzung sich einfach der Verständigung durch den Herrn Landeshauptmann bedient, wann und welche Ausschußsitzungen stattfinden. Nun kommt es aber oft vor, daß zwei oder drei Tage lang keine Haus-Sitzung stattfindet, und in einem solchen Falle benützt der Obmann des betreffenden Ausschusses, was dem Herrn Dr. Waibel gewiß genau bekannt ist, den Landtagsdiener Redler die Herren dort aufsuchen und verständigen zu lassen, wo sie sich gewöhnlich aufhalten, nämlich in ihren Wohnungen. Dr. Waibel: Es kann mir nicht im Entferntesten einfallen, dem Herrn Obmanne oder eigentlich dem Herrn Obmannstellvertreter — Obmann im Schulausschusse ist der Hochwürdigste Bischof und Obmannstellvertreter der Herr Decan Berchtold — bezüglich dieses Vorgehens einen Vorwurf zu machen. Ich achte den Herrn Decan Berchtold persönlich zu hoch, als daß ich ihm ein solches Vorgehen zutrauen würde. Wer den parlamentarischen Trick kennt, weiß nur zu gut, daß hier andere Einflüsse maßgebend gewesen sind, um die Sache so einzurichten. Alles Übrige sind Ausflüchte und bei dieser Auffassung verharre ich, ich kann nicht anders. Martin Thurnher: Bezüglich der Verification der Berichte geht es bei den betreffenden Ausschüssen sehr einfach zu. Der Herr Berichterstatter sagt dem Herrn Obmanne des betreffenden Ausschusses ein paar Stunden bevor die Abhaltung der Sitzung in Aussicht genommen werden kann, daß der Bericht fertig sei und die Sitzung veranstaltet werden könne. Der Obmann beraumt dann ohne Weiteres Sitzung an und läßt durch den Landtagsdiener jene Herren, welche nicht gerade zur Hand sind, hievon verständigen; wenn also einer oder der andere der Herren nicht in Bregenz anwesend ist, so kann man nicht helfen, 258 XX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session der 7. Periode 1891/92. man kann nicht deswegen die Sitzung auf unbestimmte Zeit hinausschieben. Nägele: Ich beantrage Schluß der Debatte. Landeshauptmann: Der Herr Abgeordnete Nägele hat Schluß der Debatte beantragt; es hat sich übrigens Niemand mehr zum Worte gemeldet. (Dr. Waibel: Der Worte sind genug gewesen. ) Wir kommen nun zur Tagesordnung. Der erste Gegenstand derselben ist der Nachtragsbericht des Wehrausschusses zu dem in der Landtagssitzung vom 18. März d. J. angenommenen Gesetzentwurfe betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen des Gesetzes vom 25. Sännet 1887 (Landesvertheidigungs-Gesetz). Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Martin Thurnher gefälligst den Bericht vorzutragen. Martin Thurnher: Wir haben in der Sitzung vom 18. März ds. Js. eine Regierungsvorlage betreffend einige Ergänzungen zum Wehrgesetze vom 23. Jänner 1887 in unveränderter Fassung angenommen. Der Tiroler Landtag hat aber einige kleine Änderungen an diesem Gesetzentwürfe vorgenommen. Nachdem nun dieses Gesetz für beide Länder, also nicht nur für das Land Vorarlberg sondern auch für die gefürstete Grafschaft Tirol Geltung haben soll, so ergibt sich die Nothwendigkeit, daß in beiden Landesvertretungen der gleiche Wortlaut angenommen wird. Die Änderungen, welche der Tiroler Landtag an diesem Gesetzentwürfe vorgenommen hat, sind streng genommen eigentlich keine sachlichen Änderungen der von uns beschlossenen gesetzlichen Bestimmungen, sondern sind nur dazu angethan, um größere Klarheit in das Gesetz zu bringen, Mißverständnissen vorzubeugen und können daher nur begrüßt werden. Namens des Wehrausschusses habe ich daher den Antrag zu erheben, der hohe Landtag wolle beschließen: (liest den Antrag aus Beilage LXIX.) Landeshauptmann: Ich eröffne über diesen Bericht und Antrag, sowie über den Gesetzentwurf selbst die Generaldebatte. — Es meldet sich hiebei Niemand zum Worte, somit ist die Generaldebatte geschlossen, und nachdem der Herr Berichterstatter die nöthigen Aufklärungen bereits gegeben hat, so gehen wir zur Specialdebatte über. Martin Thurnher: Ich stelle den Antrag auf en bloe-Annahme dieses Gesetzentwurfes. Landeshauptmann: Der Herr Berichterstatter beantragt die en die Annahme dieses Gesetzentwurfes. Wird gegen diesen formellen Antrag eine Einwendung erhoben? — Es ist dies nicht der Fall; somit ersuche ich jene Herren, welche diesem Gesetzentwürfe in zweiter Lesung die Zustimmung geben wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Martin Thurnher: Nun beantrage ich die Vornahme der dritten Lesung. Landeshauptmann: Der Herr Berichterstatter beantragt die Vornahme der dritten Lesung. Wenn gegen diesen Antrag nichts eingewendet wird, so ersuche ich nochmals die Herren, welche diesen Gesetzentwurf auch in dritter Lesung annehmen wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen. Dieser Gegenstand ist somit erlediget, und wir kommen nun zum Berichte des landtäglichen Rhein-Ausschusses wegen Abänderung des Gesetzentwurfes betreffend den Ausbau an den Rheinbinnendämmen. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Reisch gefälligst den Bericht vorzutragen. Reisch: Es ist in letzterer Zeit in diesem hohen Hause praktiziert worden, von der Verlesung längerer Berichte Umgang zu nehmen und besonders dann, wenn dieselben schon längere Zeit in Händen der Herren Abgeordneten sich befinden. Ich stelle daher an das hohe Haus die Anfrage, ob von der Verlesung dieses Berichtes auch Umgang genommen werden soll oder, nachdem dieser Gegenstand eine wichtige Landesangelegenheit betrifft, die Verlesung gewünscht wird. Nägele: Ich beantrage die Verlesung. Landeshauptmann: Der Herr Abgeordnete Nägele beantragt die Verlesung dieses Berichtes. Ich glaube, daß die Sache von solcher Wichtigkeit XX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session der 7. Periode 1891/92. 259 ist, daß die Verlesung wünschenswerth wäre; der Herr Abgeordnete Reisch kann sich ja zeitweilig substituieren lassen. Reisch: (Liest den Bericht, Beilage LXX.) (Der Herr Landeshauptmann tritt dem Herrn Landeshauptmann - Stellvertreter Dr. Beck den Vorsitz ab.) Landeshauptmann-Stellvertreter: Ich eröffne über diesen Bericht die Generaldebatte. Der Herr Abgeordnete Heinzle hat sich bereits zum Worte gemeldet, ich ertheile ihm nun dasselbe. Heinzle: Ich habe mich schon in der letzten Session in diesem hohen Hause dahin ausgesprochen, daß die Rheinangelegenheit eine der wichtigsten Angelegenheiten ist, die wir hier im Landtage zn verhandeln haben, und ich glaube auch, daß alle jene Herren Abgeordneten, welche am letzten Dienstag die Rheinbegehung vom Koblacher Bezirke bis nach Lustenau mitgemacht und die Rheingegend, sowie die Damm- und Wuhrarbeiten angesehen haben, mit mir einig sind, daß bis jetzt für die Rheinwuhrbauten, wie wir gesehen haben, enorm große Summen Geldes verwendet wurden. Es sind somit die Rheingemeinden dem Staate und dem Lande gewiß zu sehr großem Danke verpflichtet und wir hoffen, daß durch diese Bauten wenigstens auf einige Jahre Sicherheit geschaffen wird. Bei der Rheinbegehung sind wir aber auch zur Überzeugung gekommen, daß durch die fortwährende Erhöhung des Rheinbettes an gewissen Stellen seit 27 Jahren eine Binnendammerhöhung von circa 3 Meter erforderlich war. Wenn die Steigung des Rheinbettes nur noch 10 Jahre so vorwärts schreitet, wie in letzter Zeit, dann möchte ich fragen, wohin wir schließlich kommen werden. Wenn auch von Staat und Land in Zukunft für die Schutzbauten am Rhein keine Kosten gespart werden, so ist den Rheingemeinden damit doch nicht geholfen, denn die Versumpfung des Bodens schreitet durch die Erhöhung des Rheinbettes unaufhaltbar vorwärts. Die Rheingemeinden können vor ihrem gänzlichen Ruine nur durch das einzige radicale Mittel, nämlich durch die zwei schon längst projectierten Rheindurchstiche, gerettet werden. In diesem Sinne sprechen sich auch die WasserbauTechniker sowohl dies- als auch jenseits des Rheines aus. Wenn wir bedenken, daß durch die zwei Rheinkatastrophen in den Jahren 1888 und 1890 circa 21, 000 Menschen in Vorarlberg in so großen Schaden, Noth und Elend gekommen sind und noch fortwährend um Schutz und Hilfe rufen gegen weiteres derartiges Unglück, so ist es gewiß Pflicht des hohen Landtages und der hohen Regierung, diesen strebsamen Gemeinden nach Kräften Rechnung zu tragen, um sie vor dem gänzlichen Ruine zu schützen. Es ist aber auch im Interesse des Landes und insbesondere im Interesse der armen Rheinbewohner Pflicht des hohen Landtages den Wunsch auszusprechen, daß endlich einmal die Rheindurchstichfrage gelöst und der bezügliche internationale Vertrag abgeschlossen werde, wovon die ganze Zukunft der Rheingemeinden abhängt. Die bisher erstellten Damm- und Wuhrbauten waren unbedingt nothwendig zum Schutze der Rheingemeinden, sie waren aber auch nothwendig, um den Schweizern einmal mit Ernst zu zeigen, daß wir in Österreich an Damm- und Wuhrbauten ihnen gegenüber nicht zurückstehen und daß man sich mit gewissen Bedingungen nicht mehr zufrieden gibt, sondern bereits zwangsweise bezüglich der Rheindurchstiche vorgehen kann. Nägele: Hoher Landtag! Mein geehrter Herr Vorredner hat diese Angelegenheit ziemlich ausführlich besprochen, ich kann mich daher ganz kurz fassen. Wenn ich zu diesem Gegenstände das Wort ergreife, so geschieht es natürlich nicht, um gegen den Bericht oder gegen die Gesetzesvorlage Einwendungen zu erheben, oder dagegen Stellung zu nehmen, im Gegentheil, ich muß diese Gesetzesvorlage nur begrüßen, wenn ich auch ganz gut einsehe, daß es nicht anders geht, als daß das Land und die Gemeinden noch einmal zu den Kosten, welche sehr bedeutend sind, herangezogen werden. Für manche Gemeinden wird es äußerst schwierig sein, die 10%, die ihnen auferlegt werden, beizutragen, für manche wird dies sogar unerschwinglich sein. Ich bin der Überzeugung, daß der Rheinausschuß bei Festsetzung des 10%igen Kostenantheiles für die Gemeinden, wie dies in dem uns vorliegenden Gesetzentwürfe der 260 XX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session der 7. Periode 1891/92. Fall ist, eingesehen hat, daß es nicht anders geht. Es läßt sich einmal nichts anderes machen, als in den sauren Apfel beißen, und deshalb werde ich auch nicht weiter darüber sprechen, daß dieser Prozentantheil herabgesetzt werden möge. Der Dammbau ist unumgänglich nothwendig, nnd wenn er nicht stattfinden würde, so würde jedes Jahr, vielleicht sogar mehrere Male in einem Jahre eine Überschwemmung oder ein Dammbruch zu gewärtigen sein. Im Übrigen, meine Herren, muß ich sagen, so erwünscht uns die Dammerei auch ist, und so nothwendig sie ist, daß uns eine gewisse Wehmuth beschleicht bei dem Gedanken, daß der Ausbau der Dämme, wie er jetzt in Aussicht genommen ist, den Rheingemeinden eine volle Sicherheit für die Dauer durchaus nicht bietet. Täusche man sich nicht, meine Herren, wenn auch jetzt diese Dämme erstellt werden, daß sie auf die Dauer absolute Sicherheit bieten; die Sicherheit ist nur eine relative, das gebe ich zu, aber für die Zukunft ist nach den Erfahrungen, die man bis jetzt mit der Erhöhung der Rheinsohle gemacht hat, welche vielleicht nicht in dem Maße vorwärts schreiten wird, wie es in der letzten Zeit gesehen ist, abererhöhen wird sie sich fortwährend, ein dauernder Erfolg ist aus den Dammbauten nicht zu erwarten. Wenn auch durch längere Zeit, vielleicht viele Jahre hindurch ein Dammbruch nicht mehr stattfinden wird, so werden doch die Gründe am Rhein immer mehr und mehr versumpfen, denn bei dem Umstande, daß die Rheinsohle jetzt schon höher ist, als die hinter den Dämmen liegenden Gründe, und fortwährend noch höher wird, muß nothgedrungen eine vollständige Versumpfung derselben eintreten, so daß die jetzt noch üppigen, zweimähdigen Wiesen zu schlechten Weide- und Streuegründen herabsinken. Wenn man also die Rheingemeinden nicht nur für die nächste Zeit, sondern für alle Zukunft sicher stellen will, gibt es nur ein einziges Mittel und das ist die Rhein-Correction. Ich wünsche es von Herzen, daß die hohe Regierung Alles aufbieten möge, um endlich einmal die RheinCorrection zu einem sowohl für die Rheingemeinden als auch für das Land günstigen Abschluß zu bringen, und so empfehle ich dem hohen Hause die einstimmige Annahme dieser Gesetzesvorlage. Bösch: Hoher Landtag! Es ist bereits von meinen beiden Herren Vorrednern fast in gleichem Sinne gesprochen worden, wie ich es eben thun wollte, es läßt sich aber immer noch einiges beifügen und nachdem bis dato keiner der Herren Vorredner sich über den Gesetzentwurf selbst weiter ausgesprochen hat, so muß ich ein paar Worte über einige Bestimmungen desselben sagen. Es ist Ihnen bereits durch den Herrn Berichterstatter mitgetheilt worden, wie viel die verschiedenen Concurrenzfonde, die Rheingemeinden und das Land an den Kosten beizutragen haben, wenn diese Gesetzesvorlage angenommen wird und die allerhöchste Sanction erlangt. Ich habe anfänglich geglaubt, es sollten die Rheingemeinden, nachdem sie zweimal nacheinander so furchtbare Katastrophen erlebt haben, nicht mehr in diesem Maße zu den Kosten der Erstellung der nöthigen Schutzbauten herangezogen werden. Es obliegt den Rheingemeinden nicht nur die Pflicht, jetzt diese 10%, früher 2O�% von den Kosten der Bauten am Rhein zu bezahlen, sondern es obliegt ihnen weiter die noch größere Pflicht, nämlich die Kosten der Erhaltung der Uferschutzbauten am Rhein zu tragen. Wenn diese Uferschutzbauten nicht gleich den Binnendämmen einem entsprechenden Ausbaue zugeführt werden, so ist es selbstverständlich, da�� in Zukunft die Binnendämme eine ganz andere, weit höhere Bestimmung erhalten, als dies bis dato der Fall war, wo der eigentliche Hauptstrom sich innerhalb der Uferschutzbauteu oder Wuhrbauten bewegt. Ich habe da eine kleine Lücke — ich kann mich momentan nicht erinnern in welchem Paragraphe gefunden. Es war nämlich nach dem Gesetze vom Jahre 1886 ein Normalprofil bestimmt, nach welchem die Dämme ausgeführt werden sollen. In diesem Gesetze heißt es wohl im § 4, daß die Dämme nach einem von der Regierung genehmigten Projecte ausgeführt werden sollen, aber von einem Normalprofil oder von einer Kronenbreite ist nichts gesagt. Ich betrachte das als einen bedeutenden Mangel, denn ich habe die Erfahrung gemacht, daß man nach dem Gesetze vom Jahre 1886, in welchem die Kronenbreite der Dämme mit 5 Meter bestimmt war, diese Breite bei Aufführung der Dämme zwar beibehalten hat, aber nur so lange als noch die nöthigen Mittel vorhanden waren und ich befürchte XX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session der 7. Periode 1891/92. 261 auch heute, daß die hohe Regierung selbst Furcht gehabt hat, es könnten allenfalls, wenn ein bestimmtes Profil im Gesetze ausgenommen würde, die Mittel nicht ausreichen, und sie wird sich da — so denke ich mir — wie man zu sagen pflegt, eine Hinterthüre offen gelassen haben. Eine weitere Bestimmung in diesem Gesetze ist die, daß den Gemeinden in Zukunft die Instandhaltung dieser Dämme überbunden wird. Das ist eine Bestimmung die in diesem Gesetze nach meiner Ansicht keinen Werth hat und zwar aus dem einfachen Grunde, weil es sich in Zukunft zeigen wird, daß die Gemeinden doch nicht in der Lage sind diese Bestimmungen zu erfüllen. Nachdem einmal die Situation sich derart gestaltet hat, wie sie jetzt thatsächlich ist, so wären die 'Rheingemeinden auch dann wenn sie nicht durch die wiederholten Rheinkatastrophen fast bis zum gänzlichen Ruine herabgekommen wären, nicht im Stande diese Dämme einer bedeutenden Erhöhung und Verstärkung zu unterziehen, denn jemehr diese Dämme sich über das Binnenland erheben, um so größer wird die Cubatur, die es benöthiget, wenn auch nur eine geringe Erhöhung und Verstärkung vorgenommen wird. Die Dämme, wie sie jetzt erstellt sind, bleiben aber nicht in dieser Höhe, denn sie sinken durch ihre eigene Schwere in den weichen Untergrund ein. Ich will nicht weiter als 30 Jahre, seit welcher Zeit ich die Dämme selbst kenne, zurückgehen; wenn die Dämme seit dieser Zeit nicht tiefer eingesunken wären, so müßten sie, nach dem, was daran gebaut worden ist, bedeutend höher sein. Wenn sich das Rheinbett in der gleichen Weise, wie es in den letzten Jahren der Fall war, erhöht, so wird es nicht lange dauern, daß auch die Dämme wieder erhöht und verstärkt werden müssen. Ich muß zu diesem Gesetze noch weiter bemerken, daß in demselben kein Normalprofil angegeben ist. Wir haben gesehen, daß jetzt schon die früher erwähnte Hinterthüre benützt wird. Die Rhein-Bauleitung hat bereits angeordnet, daß an solchen Stellen, welche man für weniger gefährlich erachtet, die Kronenbreite der Dämme von drei Meter auf zwei Meter reduciert werde. Die Dämme nach diesem Profile gewähren nicht genügende Sicherheit und ich bedauere es sehr, daß man zu dem gekommen ist. Ich bin aber auch überzeugt, daß es an dem Willen der k. k. Rheinbauleitung und der k. k. Statthalterei nicht fehlt, die Rheingemeinden vor künftigen Überschwemmungen zu sichern; wenn aber die Mittel dazu fehlen, so sind ihnen die Hände gebunden und sie sind gezwungen, die vorhandenen Mittel so zu verwenden, daß überall wenigstens das Allernothwendigste geschehen kann. Betrachten wir weiter, daß seit dem Jahre 1885 die Rheinbinnendümme durchschnittlich um 2 Meter, in den unteren Gemeinden aber noch mehr, erhöht werden mußten; betrachten wir, daß die zum Schutze der Binnendämme erstellten Bauten, die sogenannten Stein-Wuhren, nicht dem Steigen der Hochwasser und der Binnendämme entsprechend erhöht wurden, sondern nur einigermaßen eine Ausbesserung erhalten haben, so wird man zur Überzeugung kommen, daß die Binnendämme eine ganz andere Bestimmung bekommen, wie ich bereits früher bemerkt habe, als sie bis jetzt hatten. Wenn man noch weiter in Betracht zieht, daß die Rheinsohle und die Hochwasserstände sich von Jahr zu Jahr mehr erhöhen, das zu schützende Binnenland aber zurückbleibt, so wird Jeder, der die Verhältnisse am Rheine nur einigermaßen kennt, gewiß überzeugt sein müssen, daß die Lage der Rheinbewohner fortwährend unheimlicher und untröstlicher wird. Wer sich heute auf den Rheindamm stellt und erwägt, was da kommen kann, wenn sich dieses Bett mit Wasser füllt, den wird gewiß ein Gruseln und Frösteln durchgehen; wer bei finsterer Nacht Wache hält, wie dies bei Hochwasser geschieht, und denkt, daß hinter diesen Erdwällen, welche dieses gefährliche Element in Schranken halten sollen, circa 20, 000 Menschen wohnen, die all ihr Hab und Gut dort haben und daß bei einem allfälligen Rheineinbruche sogar Menschenleben zum Opfer fallen würden, der wird von der großen Wichtigkeit dieser Dämme gewiß überzeugt sein. Es ist wohl selbstverständlich, daß man vom Lande nicht verlangen kann, daß es alle Kosten für die Rheinbauten übernimmt, wohl aber glaube ich, daß es Sache der hohen Regierung wäre, auf die bezüglichen Vorschläge des Landesausschusses einzugehen, zumal der Rhein ein Grenzfluß ist. Wenn etwa aus der Schweiz ein Feind ins Land kommt, so kann man die Rheinthalbewohner wohl nicht verpflichten, denselben allein aufzuhalten, 262 XX. Sitzung des Vorarlberger Landtags, n. Session der 7. Periode 1891/92. und ebenso kann man von den Rheinthalbewohnern nicht verlangen, daß sie diesen gefährlichen Feind allein bekämpfen. Ich glaube, die hohe Regierung sollte diese Angelegenheit anders ins Auge fassen und wie schon der Herr Vorredner bemerkt hat, dem einzigen Mittel zur Rettung der RheinGemeinden, nämlich den projectierten Rheindurchstichen, die größte Aufmerksamkeit schenken, was zwar, wie ich im Jahre 1890 von Seite Sr. Excellenz dem Herrn Ministerpräsidenten und von Sr. Majestät dem Kaiser selbst vernommen habe, geschieht, jedoch konnten die Verhandlungen mit der Schweiz bis dahin nicht zum Abschlüsse gebracht werden. Ich hoffe daher, daß die hohe Regierung diese wichtige Angelegenheit im Auge behalten wird und sobald nur möglich die noch im Zuge befindlichen Verhandlungen mit der Schweiz ihrem Ende zuführt. Ferner muß ich noch darauf aufmerksam machen, daß von Seite der hohen Regierung auch eine Telephon-Einrichtung am Rhein in Aussicht genommen werde. Man hat schon im vorigen Jahre am Rheine bange und qualvolle Stunden genug gehabt, weil man von nirgends her sichere Berichte über den Hochwasserstand sowohl des Hinterrheines bei Reichenau als auch der Zuflüsse des Rheines erfahren konnte. Das beunruhiget furchtbar und rechtzeitig von der Gefahr verständiget zu werden, ist von unberechenbarem Werthe. Ich bin überzeugt, daß, wenn man nicht mit voller Aufmerksamkeit bei Hochwasser den Rhein beobachtet hätte und auch in Zukunft beobachten wird, vielleicht noch viele und größere Unglücksfälle eintreffen, wie bisher. Ich glaube, daß es sich ja doch nur um eine Bagatell gehandelt hätte, xueiui eine solche Telephon-Einrichtung erstellt worden wäre. Es ist sehr wichtig, daß die Rheinthalbewohner vom Hochwasserstande im oberen Rheingebiete rechtzeitig verständiget werden, damit sie sich in dieser oder jener Beziehung vorbereiten, die Dämme überwachen, an gefahrdrohenden Stellen rechtzeitig Schutzvorkehrungen treffen. Auf diese Weise könnte ein anderes Mal ein Ausbruch vielleicht verhindert werden, wie dies verschiedene Male schon geschehen ist. Wenn man auch die Dämme jetzt ziemlich stark erstellt hat und auch von besserem Material, so legt man darauf viel zu viel Gewicht, und es wäre sehr wünschenswerth gewesen, wenn man das Normalprofil, wie es im Jahre 1886 gesetzlich bestimmt gewesen ist, auch durchweg beibehalten hätte. Ich glaube kaum, daß das jetzige Material, welches als viel günstiger bezeichnet wird und es thatsächlich auch ist, den Widerstand, den es bei der Höhe der nun bestehenden Dämme zu leisten hat, auch leisten wird. Die hohe k. k. Regierung, die hohe k. k. Statthalterei und die k. k. Rheinbauleitung ist aber von der Ansicht ausgegangen, man müsse sparen und hätte man das Normalprofil beibehalten wollen, so würde man nicht mit 400, 000 fl., sondern zum allerwenigsten mit 800, 000 sl. zu rechnen haben. Ich muß noch bemerken, daß ich diesem Gesetze zwar die Zustimmung geben werde, aber ich muß sagen gewissermaßen mit schwerem Herzen, denn es gibt Rheingemeinden, die bei den letzten Katastrophen außerordentlich stark mitgenommen worden sind; es gibt Rheingemeinden, die verhältnismäßig früher schon viel mehr geleistet haben als andere, weil in Folge ihrer Ausdehnung dem Rheine entlang natürlich bedeutendere Kosten auf sie fielen; es gibt auch Rheingemeinden, die aus dem Nothstandsfonde zur Erstellung der Rheinbinnendämme schon im vorigen Jahre Bedeutendes geleistet haben, und da Hütte ich geglaubt, es wäre eine diesen Verhältnissen einigermaßen entsprechende Procentuierung das Richtige gewesen. Ich will mich aber darüber nicht weiter aussprechen, weil ich überzeugt bin, daß die meisten der Herren Mitglieder dieses hohen Hauses darauf nicht eingehen würden. Wenn daher sowohl die Landesfinanzen als auch die Staatsfinanzen für die Zukunft geschont werden sollen; wenn die hohe Regierung und die hohe Landesvertretung wirklich den ernstlichen Willen haben, die Rheinthalbewohner aus ihrer Calamität, aus ihren höchst unglücklichen Verhältnissen herauszubringen, so glaube ich wird die hohe Regierung unaufhaltsam das Möglichste thun müssen, um die Rheincorrection als das einzige schützende Mittel für die Rheingemeinden in Ausführung zu bringen, und ich erachte es auch als eine Pflicht des hohen Landtages, daß er keine Schritte versäume, dieses Unternehmen zu fördern. Es ist allerdings richtig, daß der hohe Landtag XX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session der 7. Periode 1891/92. 263 nicht die Competenz hat, in dieser Angelegenheit bestimmte Beschlüsse zu fassen; aber wenigstens das Recht steht ihm verfassungsmäßig zu, seine Wünsche in dieser Richtung auszusprechen. Ich habe mir daher vorgenommen, dem hohen Landtage eine Resolution vorzulegen und zur Annahme zu empfehlen, und werde mir erlauben, dieselbe zu verlesen. (Liest:) Resolution: In Anbetracht, daß durch die furchtbaren Wasserkatastrophen der Jahre 1888 und 1890 die betroffenen Rheingemeinden sehr geschädiget und einzelne in finanzieller Beziehung fast gänzlich ruiniert wurden; in Erwägung, daß die fortwährende Erhöhung des Rheinbettes auch die Erhöhung der Binnendämme zur Folge hat, und dadurch die Lage der Rheinbewohner immer trostloser und gefährlicher wird; in Erwägung, daß die Rheinbinnendämme seit dem Jahre 1885 mehr als 2 Meter, und seit ca. 20 Jahren bis zu 3 Meter erhöht werden mußten; in Erwägung, daß durch bie rapide Erhöhung des Rheinbettes und dessen Wasserspiegels die Rheinebene immer mehr und mehr dem Krebsschaden der Versumpfung zum Opfer fällt; in Erwägung, daß man auf Grund gemachter Erfahrungen allgemein zur Überzeugung gelangt ist, daß auch die Rheinbinnendämme, wenn sie nach dem jetzt geschaffenen Gesetze hergestellt sind, nicht für längere Zeitdauer Schutz zu bieten vermögen; in Erwägung, daß nach dem jetzt zu schaffenden Concurrenzgesetze die fernere Erhaltung der Binnendämme den Rheingemeinden überbunden wird, welch' letztere aber nicht in der Lage sein werden, die zum Zwecke, der entsprechenden Instandsetzung nöthigen Mittel aufzubringen; in Erwägung, daß unter den obwaltenden Umständen die Befürchtung platzgreifen muß, daß in wenigen Jahren die Rheingemeinden und zwar in weit größerem Maßstabe den Überschwemmungen des Rheines ausgesetzt werden, was ihren gänzlichen Ruin zur Folge haben würde; spricht der hohe Landtag die zuversichtliche Hoffnung aus: Die hohe k. k. Regierung wolle die im Zuge befindlichen Verhandlungen mit der Schweizerischen Regierung betreffend die Ausführung der Rheinregulierung einer möglichst baldigen Erledigung zuführen. Bregenz, am 9. April 1892. Engelbert Bösch. Josef Heinzle. Jakob Nägele. Ich empfehle also nochmals dem hohen Landtage die Annahme dieser Resolution. Landeshauptmann: (Wieder den Vorsitz übernehmend. ) Der Herr Abgeordnete Fink hat das Wort. Fink: Ich werde selbstverständlich nicht gegen den Bericht und die Anträge, welche der Rheinausschuß gestellt hat, stimmen, im Gegentheil ich werde auch für die von dem Herrn Abgeordneten Bösch verlesenen Resolution stimmen, doch gefällt mir ein Passus in derselben nicht recht, nämlich der, daß vom Landtage ausgesprochen werden soll, daß die Rheingemeinden in Zukunft nicht in der Lage sein werden, die zum Zwecke der entsprechenden Erhaltung der Binnendämme nöthigen Mittel aufzubringen. Ich glaube, daß dieser Passus mit der Annahme des Gesetzes im Widerspruch steht, beziehungsweise mit einzelnen Bestimmungen desselben. Ich bin auch einverstanden, daß die Rheingemeinden sich in einer sehr trostlosen Lage befinden und ich sage auch mit dem Herr Vorredner, daß wir dieses Gesetz nur mit schwerem Herzen annehmen können, weil es auch dem Lande große Opfer auferlegt aber wir sehen ein, daß es in Anbetracht der wirklich mißlichen Lage der Rheinthalbewohner nothwendig ist, daß auch das Land so große Opfer bringt. Ganz besonders möchte ich aber noch auf einen Einwurf erwidern, den der Herr Vorredner vorgebracht hat nämlich, daß die Bestimmung im Gesetze, wornach die Rheingemeinden in Zukunft die Erhaltung der Rheinbinnendämme zu übernehmen haben, keinen Werth habe, womit gesagt ist, daß der § 8, der diese Bestimmung enthält, entfallen könnte. Der Herr Vorredner hat dies damit begründet, daß die Rheingemeinden für diese Kosten nicht aufkommen können. Ich glaube aber, daß dieser Paragraph für die Landesvertretung einen sehr hohen Werth hat, denn wenn wir tm § 1 dieses Unternehmen als ein Landesunternehmen bezeichnen, so 264 XX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. H. Session der 7. Periode 1891/92. ist es gewiß auch gerechtfertiget zu sagen: das thun wir für dieses Mal. Ich glaube, es wäre zu weit gegangen, wenn wir schon von vornherein sagen würden, das ist für alle Zukunft ein Landesunternehmen und die Rheingemeinden haben von jetzt an nicht mitzuparticipieren. Ich glaube es dem Herrn Abgeordneten Bösch ganz gerne, daß manche von den Rheingemeinden diese 10 % sehr schwer, ja fast gar nicht werden aufbringen können, einzelne derselben werden in dieser Beziehung aber etwas leichter thun und zudem wird die weniger bemittelte Bevölkerung der Rheingemeinden durch den Ausbau der Rheinbinnen-