18920407_lts019

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Letzte Änderung 03.07.2021, 10:21
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp07,lts1892,lt1892,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Vorarlberger Landtag 19. Sitzung am 7. April 1892. unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 17 Abgeordnete. Abwesend die Herren: Hochwürdigster Bischof Dr. Zobl, Dr. Beck, Dekan Berchtold und Reisch. Negierungsvertreter: Herr Statthaltereirath Graf St. Julien-Wallsee. Beginn der Sitzung um 10 Uhr 10 Min. Vormittags. Landeshauptmann: Die Sitzung ist eröffnet. Ich bitte um Verlesung des Protokolles der letzten Sitzung. (Secretär verliest dasselbe.) Hat einer der Herren gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung zu erheben? — Es ist dies nicht der Fall, somit betrachte ich dasselbe als genehmigt. Es ist mir von Seite des Herrn Abgeordneten Johann Thurnher eine Erklärung übergeben worden, die ich zu verlesen bitte. Secretär: (liest:) Hoher Landtag! In der 14. Sitzung vom 30. v. Mts. warf der Abgeordnete der Handels- und Gewerbekammer mit Vorwürfen von Lüge, Verläumdung, Heuchelei etc, derart um sich, beziehungsweise auf die Mitglieder des Landesausschusses, daß es so zu sagen in allen Fugen des hohen Hauses krachte und selbst diejenigen bei diesem Steinregen sich ungemüthlich fühlten, die in keiner Weise damit betroffen wurden. Die schwersten Bomben aber fielen zu meinen Füßen nieder. Sie wurden geholt aus einem Gerichtsacte vom 5. September 1883, in welchem mir Meineid und Fälschung vorgeworfen und die Forderung der Verläumdungsklage gestellt wurde. Dasselbe sei mir in öffentlicher Gesellschaft vorgeworfen worden, ohne daß ich geklagt hätte. Es ist wahr, diese Vorwürfe wurden erhoben und es ist ebenso wahr, daß ich nicht geklagt habe. Meine Gegner hätten es gar zu gerne gehabt, wenn ich mich durch ihre zwar unberechtigten aber thatsächlich erhobenen Vorwürfen hätte verleiten lassen, neben den verschiedenen Prozessen, welche 226 XIX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session, 7. Periode 1891/92. ich damals gegen einzelne von gegnerischer Seite gegen mich aufgehetzte Erben des Hrn. Matthäus Thurnher sel. führen mußte, noch einen Prozeß anhängig zu machen. Ich habe mich daher darauf beschränkt, in der darauffolgenden Prozeßgegenschrift durch meinen Advokaten die erhobenen Vorwürfe zurückzuweisen und es den Gegnern zu überlassen, ihrem Gerechtigkeitsdrange bei der k. k. Staatsanwaltschaft Ausdruck zu geben. Man hat mir damals auf das Bestimmteste gesagt, es sei dies geschehen; es ist mir aber darüber weder eine Zuschrift behändigt, noch bin ich ins Verhör gezogen worden, was ich in meiner Entgegnung in der Sitzung vom 30. März beizufügen übersehen habe. Nun ist es aber schade, daß es meinen damaligen Gegnern entweder nicht gelungen ist, mich durch den Staatsanwalt politisch todt schlagen zu lassen, oder daß sie unterließen, den Versuch dazu zu machen; denn damals hatte ich noch zwei Reichsraths- und Delegationsperioden vor mir, während ich bei der jüngsten Wahl in den Reichsrath aus familiären — geschäftlichen und Altersrücksichten den Vorschlag des Landeswahlcomite auf Wiederwahl entschieden und beharrlich ablehnte. Es ist jedenfalls merkwürdig, daß der Chef und Löwe der liberalen Partei die vor 8 Jahren von seinem damaligen rechtskundigen Berather in jenen Civilprozeßacten niedergelegte Streitaxt erst jetzt hervorholt, um gegen mich nun höchst eigenhändig mit derselben zum tödtlichen Hiebe auszuholen, jetzt in einem Momente, wo ich nur noch auf kurze unbestimmte Zeit im Landtage eine ganz bescheidene Rolle spiele. Allerdings weiß Herr Dr. Waibel vielleicht nicht, daß ich nur unter gewissen Voraussetzungen in den jetzigen Landtag eingetreten bin, bei deren Hinwegfall ich zurücktrete und daß ich dem nicht mehr in den neuen Landtag eingetretenen früheren Landtags-Collegen Johann Kohler schon mehrmals angetragen habe, mein Mandat zu seinen Gunsten niederzulegen. Nun da es aber einmal dem Abgeordneten der Handelskammer gefallen hat, die längst im Actenstaube begrabenen Vorwürfe nicht blos etwa in liberalen Gesellschaftskreisen, in denen ich ohnehin schon schwarz genug angeschrieben bin, sondern in öffentlicher Sitzung des Landtages aufzuwärmen, so möge mir gestattet sein, den geehrten Herren Abgeordneten-Collegen, in deren Gegenwart dieselben | erhoben wurden, zu den erwähnten Vorwürfen einige aufklärende Bemerkungen zu machen. Ich sehe mich genöthiget hiezu den Weg dieser Zuschrift zu betreten, da in den seither verhandelten Gegenständen keine Gelegenheit war, mich hierüber näher zu äußern und zugleich zum betreffenden Verhandlungs-Gegenstand zu sprechen, der Inhalt jener Landtagsrede von Dr. Waibel aber im Landtage nicht wohl zu einem eigenen Verhandlungsgegenstande gemacht werden kann. Also zur Sache. Es liegen die Vorwürfe der Fälschung und des Meineides vor. Die angebliche Fälschung betrifft die Ableugnung einer Miterbin in dem Lohnübereinkommen vom 2. September 1878, welches zwischen ihr und neun anderen Erben mit mir abgeschlossen und unterfertiget wurde. Bei der Ableugnung befragte mich mein Rechtsfreund, ob das Beweisverfahren für die Echtheit der Unterschrift durch Sachverständige oder durch einen Eid geliefert werden soll. Da ich es für unmöglich hielt, daß sie ihre Unterschrift eidlich ableugnen werde, so wählte ich unglücklicherweise den letzteren Weg. Sie beschwor die bezügliche Urkunde nicht unterfertiget zu haben; es geschah dies längere Zeit nach Fertigung der Urkunde und unter Umständen, die ich leider zu spät und zu wenig gewürdiget habe. Da nach der Erklärung meines Rechtsfreundes in jenem Prozesse nach Ablegung des Eides das andere Beweismittel mit der fachmännischen Beurtheilung des Unterschriftenvergleiches nicht mehr zulässig war, konnte ich weiter nichts mehr machen. Einmal hatte ich im Laufe des bezüglichen Prozesses für einen Moment allerdings Angst, die betreffende Person könnte unter den Umständen, unter welchen sie sich befand, am Ende doch durch Eid ihre Unterschrift im bezüglichen Übereinkommen abschwören und ich gab dieser Stimmung durch die nachfolgenden Stellen in einem Briefe an Herrn Dr. Schmadl, der in dem mit folgenden Copier-Buchfolio 3148 bis 3150 und noch drei Zeilen auf 3151 abgedruckt erscheint, nachverzeichneten Ausdruck: Wohlgeb. Hrn. Dr. Schmadl in Bezau! Dornbirn, 21. April 1881. In den mit zweien meiner Miterben obschwebenden von Ihnen in meinem Namen geführten Prozessen haben mich folgende Momente besonders alteriert: XIX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session, 7. Periode 1891/92. 227 Die beharrliche Leugnung der Anastasia Schwendinger, daß sie durch ihre Unterschrift auf der Nachtragsurkunde vom 2. September 1878 ihre Zustimmung zu der Lohnvereinbarung gegeben habe; die Behauptung, die heute von meiner Hand vorliegenden Geschäftsbücher des Herrn Onkels Matthäus Thurnher sei. seien nicht zu dessen Lebzeiten angefertigt worden; die Anschuldigung der Gegner, daß ich es mit Ablegung von Eiden nicht streng nehme, indem ich den Manifestationseid mit Rücksicht auf das von mir angemeldete Vermögen „mit wahrhaft staunenswerthem Muthe" abgelegt habe; und endlich die mir zuletzt von Ihnen in voriger Woche vorgezeigte Abschrift einer von Anastasia Schwendinger unterfertigten Ermächtigung ihres Vertreters, den Eid darüber anzutragen, daß sie die Nachtragsurkunde vom 2. September 1878, welche die Lohnvereinbarung enthält, nicht unterschrieben habe. Seit der Kenntnisnahme dieses letztangeführten Schriftstückes, von welchem Sie bemerkten, daß dasselbe im Falle, als Annastasia Schwendinger vor der factischen Eidesablegung sterben würde, die gleichen Folgen, wie der abgelegte Eid nach sich ziehen, also den Eid unter Umständen ersetzen könnte, bin ich bei dem Umstande, als ich es sowohl für mich, als für meine Verwandte Anastasia Schwendinger mit Ablegung von Eiden nicht leicht nehme, zu folgenden Entschlüssen gekommen, zu Entschlüssen, über welche Sie vielleicht vom juristischen Standpunkte den Stab brechen werden, da ich mich damit einfacher und vollgültiger Beweismittel begebe und an deren Stelle complicirtere und vielleicht weniger zureichende setze, sowie in einzelnen Punkten auf Beweise verzichte, wo deren Beibringung mit zu vieler Mühe und Umständlichkeit verbunden sein würde. Ich bin also mit Rücksicht auf die mir letzthin vorgezeichnete species facti der Anastasia Schwendinger und mit Rücksicht auf die meinen Eiden von den Gegnern gemachten verdächtigenden Vorwürfe zu folgenden Entschlüssen gekommen, welche Sie in den Anhang der von Ihnen beim Empfange dieser Zeilen wohl schon fertigen Schlußreden aufnehmen oder denselben beilegen wollen. 1. Erkläre ich der Anastasia Schwendinger gegenüber in Anbetracht ihrer schriftlichen Erklärung schon jetzt, daß ich sie den ihr ausgetragenen Eid, daß sie ihre Unterschrift auf die Lohnvereinbarungsurkunde nicht gesetzt habe, nicht abschwören lasse, da mir abgesehen von materiellen Folgen nicht recht wäre, wenn dieselbe einen Eid ablegen würde, der nach meiner Überzeugung nicht der Wahrheit entsprechend abgelegt werden kann; dagegen erkläre ich mich gegen die Anastasia Schwendinger bereit, um zu überzeugen, daß doch niemand Anderer als sie ihre Unterschrift auf jene Urkunde gesetzt habe, zu schwören: Daß weder ich noch jemand Anderer mit meinen: Wissen und Willen ihren Namen in die Reihe der Unterschriften der Nachtragsurkunde vom 2. September 1878 gesetzt habe, wenn nicht sie, die Anastasia Schwendinger selbst. Ich erkläre mich zu diesem Eide bereit, abgesehen davon, ob derselbe als Beweismittel in meiner Lohnforderungsangelegenheit dienen könne oder nicht, um mich vor dem Verdachte zu schützen, als wenn ich oder jemand Anderer mit meinen Wissen und Willen zu meinen Gunsten eine falsche Unterschrift auf jene Urkunde gesetzt hätte. Die Unterschrift der Anastasia Schwendinger ist einmal dort, wahr oder falsch, ein Drittes gibt es nicht. Die gleiche eidliche Erklärung wird mein Schwager Anton Kopf, in dessen Verwahrung ich die gedachte Urkunde in Folge meiner häufigen Abwesenheit gegeben habe, ablegen, so daß nur noch die Annahme übrig bleibt, es wäre die gedachte Unterschrift durch ein Wunder auf jene Urkunde gekommen, woran hier weder die Anastasia Schwendinger noch jemand Anderer glauben wird. Der Inhalt weiterer 6 Seiten dieses Briefes betrifft informative Bemerkungen in anderer Richtung. Derselbe schließt dann mit folgendem: Das sind nun meine aus dem am Eingange zu diesem Schreiben erwähnten Momente über reifliches Nachdenken gefaßten Entschlüsse, von denen ich nur das Eine 228 XIX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session, 7. Periode 1891/92. bedaure, daß ich zu denselben wegen Zeitmangel nicht früher gekommen bin, so daß Sie jetzt gegen Ende der schon einmal erstreckten Frist zur Legung der Schlußrede kaum mehr im Stande sein werden, diese neue Situation in derselben genügend zu würdigen, so daß Ihnen wegen Kürze der Zeit zur Wahrung Ihrer juristischen Reputation nichts anderes übrig bleiben wird, als diese meine Entschlüsse, wie ich schon weiter oben erwähnte, der wahrscheinlich bei Einlangen dieser Zeilen bereits fertigen Schlußrede einfach anzuhängen oder beizulegen und damit Sie im letzteren Falle diese meine Zuschrift sowohl der Schlußrede gegen Anastasia Schwendinger als gegen Ignaz Thurnher beigeben können, so sende ich Ihnen dieselbe in doppelter Ausfertigung und ich bemerke nur noch, daß ich Sie jeder Verantwortlichkeit meiner ohne irgend welchen juristischen Beirath gefaßten Beschlüsse entbinde, falls dieselben den weitern Verlauf oder Erfolg der Prozesse irgendwie zu meinen Ungunsten alterieren sollten. Mit vorzüglicher Hochachtung Euer Wohlgeboren ergebenster Joh. Thurnher, Erklärung: Ich erkläre mich bereit unter Eid zu bekräftigen, daß weder ich noch jemand Anderer mit meinem Wissen und Willen den Namen der Anastasia Schwendinger in die Reihe der Unterschriften der Urkunde vom 2. September 1878 gesetzt habe. Dornbirn den 21. April 1881. Anton Kopf. Ich lege dieses Copierbuch zur Einsicht für die Herren Abgeordneten-Collegen für die Zeitdauer von ein paar Tagen auf den Tisch des Hrn. Landeshauptmannes. Die Herren werden sich an den Spuren des Einbandes dieses vom 6. Jänner 1881 — 25. Juni 1882 in Verwendung gestandenen Copierbuches, sowie an den eingedruckten Jahrzahlen der Briefe, auf 500 Folien unschwer überzeugen, daß dieses Buch nicht seit dem 30. v. Mts. angelegt und mit Hunderten von verschiedener Briefen bedruckt werden konnte. Wie ich nach Inhalt dieses Briefes, der nur für eine vertrauliche Information meines Rechtsfreundes und allenfallsige Beilage für den Gerichtsact bestimmt war, über die Heiligkeit des Eides denke, überlasse ich der Beurteilung des hohen Landtages. Gleichzeitig stelle ich dem Herrn Landeshauptmanne das Original der hier in Frage stehenden Nachtragsurkunde vom 2. September 1878 mit der bestrittenen Unterschrift, sowie ein Übereinkommen vom 21. Juli 1878, in welchem deren nichtbestrittene Unterschrift vorkommt, zur Einsicht und Vergleichung der Unterschriften für die Herren Abgeordneten zur Verfügung. Ich verbinde damit die Bitte, wirkliche genaue Einsicht nehmen zu wollen und schließe damit meine Bemerkungen über den erhobenen Vorwurf der Fälschung. Der Abgeordnete der Handelskammer Hr. Dr. Waibel hat in der vorigen Woche in der 14. Sitzung vom 30. März gegen mich auch den Vorwurf erhoben, daß ich im Verdachte des Meineides stehe. Dieser Vorwurf ist ein so schwerer, daß mir die geehrten Mitglieder des hohen Landtages, in deren Gegenwart er erhoben wurde, wohl erlauben müssen, sie auf Grund zweier seither bei Gericht erhobener Actenstücke in Kenntnis zu setzen: 1. von wem und unter welchen Umständen von mir vor 9 Jahren der Eid verlangt wurde, daß ich in dem Nachlasse meines Onkels Herrn Matthäus Thurnher sel. nichts veruntreut habe; 2. und welchen Wortlaut der abgelegte Eid enthalte, 3. ob der Wortlaut dieses Eides für mich als Massaverwalter als Hindernis gelten konnte, Forderungen an die Massa, die in ihrer ziffernmäßigen Höhe noch nicht festgestellt und nicht im Inventar waren, anzuerkennen oder selbst solche zu erheben, ohne mit dem abgelegten Eide in Conflikt zu kommen, beziehungsweise meineidig zu werden. — Um zwei solche Forderungen, die dann den Gegenstand von Processen bildeten, in deren Satzschriften mir der gegnerische Advokat den Meineid vorgeworfen hat, und aus deren einer Herr Dr. Waibel eine den Vorwurf der Fälschung und des Meineides enthaltende Stelle im Landtag vorgelesen hat, handelt es sich. XIX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 7. Periode 1891/92. 229 Ich schreite nun zunächst zur Beantwortung der Ersten Frage, „von wem und unter welchen Umständen von mir der Offenbarungseid verlangt wurde." Laut der auf den Tisch des Landeshauptmannes zur Einsicht aufgelegten gerichtl. bestätigten Abschrift des Protokolls vom 25. Nov. 1878 war es unter den 10 Erben nur ein Einziger, welcher das Bedürfnis fühlte, von mir den Eid zu verlangen, daß ich die Nachlaßmasse redlich verwalte, den Namen desselben können die Herren in diesem Protokolle ersehen, — und dieser Eine ist, wie ich glaube, nicht aus eigener Initiative, sondern durch seine Berather zuerst überhaupt zu Mißtrauen und schließlich durch seinen Bertreter auch zu der Forderung gelangt, von mir diesen Eid zu verlangen. Wer waren nun diese Berather und wie ist derselbe dazu gekommen, zuerst überhaupt und dann auch in diesem Punkte eine von den übrigen Erben abweichende Rolle zu spielen? Ich weiß es nicht genau und kann daher nur sagen, was ich aus bald 14jähriger Erinnerung noch weiß, was er und Andere darüber sagten. Von verschiedener Seite wurde mir alsbald nach dem Tode des Herrn Matthäus Thurnher fei. gesagt, daß in seiner Umgebung, d. h. in den Kreisen, wo er arbeite und sich bewege, die zu meinen politischen Gegnern und vielleicht auch zu Geschäfts-Concurrenten gehörten, sehr stark auf ihn Einfluß genommen werde, mir alle möglichen Schwierigkeiten zu machen. Zu mir sagte er im Anfänge, daß er hierauf nicht hören und sich überhaupt dem anschließen werde, was die anderen Erben mit mir vereinbaren werden. Die wichtigste Vereinbarung war dann der Entschluß der Erben, die Realitäten und Waarenvorräthe nicht zu versteigern, sondern an mich unter der Hand zu verkaufen, wenn sie mit mir vorher über meine Lohnansprüche für meine 20jährige Dienstleistung im Geschäfte des Erblassers Hrn. Matthäus Thurnher sel. einig würden. Dazwischen hinein muß hier bemerkt werden, daß mich der Herr Onkel sel. in meinen Jugendjahren mit der Angabe, er sei mein Vormund nach dem Tode meiner Mutter sel., ohne mit mir einen bestimmten Lohn auszumachen, aber mit der Versicherung, daß er mich gewiß so zufrieden stelle, daß ich es nie bereuen werde, Geschäft zog, und daß ich darin bis zu seinem Tode verblieb. Als dann nach seinem Ableben kein Testament vorlag, welches eine solche Befriedigung enthielt, fühlten die Miterben das Bedürfnis, mit mir zuerst über diesen Punkt einig zu werden und wenn dieses geschehen, mir die Realitäten und Waarenvorräthe zu einem bestimmten Preise zu übergeben. Ich stellte meine Entschädigungs-Ansprüche, die bewilligt wurden, und die Erben machten ihr Verkaufs-Angebot, das allerdings hoch genug taxiert war, das ich aber acceptierte, weil für mich das Haus und die Waaren zur Fortführung des Geschäftes ohne Unterbrechung desselben einen höheren Werth hatten, als vielleicht bei der Versteigerung erzielt worden wäre. Kurz und gut, wir wurden einig; nur ein Erbe erklärte mir, daß er noch weitere Erkundigungen einziehen und sich noch mit Anderen berathschlagen müsse. Und wo wurden nun von ihm diese Rathschläge in erster Linie geholt? Seine Geschwister sagten mir, daß er dieselben bei einem Manne geholt habe, der als ein halber Advokat gelte und von dem mir bekannt war, daß er es sich zur Ehre anrechnete, zu den liberalsten und radicalsten Bürgern der Gemeinde zu gehören, er war also ein entschiedener politischer Gegner. Aber noch etwas anderes war mir auch bekannt, und das war noch kritischer, nämlich ein Vorfall von einer Wahl her. Es ließ mich während eines Wahlvorganges eine kranke, conservative Frauensperson rufen, sagte, es werde für sie liberal gestimmt, sie habe keine Vollmacht hergegeben, ich solle für sie mit Vollmacht stimmen. Bei Aufrufung des Namens der bezüglichen Wählerin erschien mit mir an der Wahlurne ebenfalls mit einer Vollmacht ausgerüstet, die aber nicht von der betreffenden Frauensperson unterschrieben war, der erwähnte liberale Halbadvokat zur Stimmabgabe und wurde zurückgewiesen. Wenn nun dieser Mann von dorther noch einen Pick auf mich hatte, so kann ich es ihm nicht verargen; aber ich konnte mir auch erklären, warum der von ihm berathene einzelne Erbe von dem Momente seiner Rathschläge an, die von anderen auch liberalen Gegnern unterstützt wurden, nicht mehr that, wie die übrigen Erben. Ich komme nun zur Beantwortung der Zweiten Frage: Welchen Wortlaut der abgelegte Eid enthalten hat. Dieser ist laut der am 230 XIX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session, 7. Periode 1891/92. 4. April 1892 Z. 3231 gerichtlich bestätigten Protokollsabschrift am 7. Dezember 1878, von welcher ebenfalls auf dem Tisch des Herrn Landeshauptmannes Einsicht genommen werden kann, abgelegt worden und hat folgenden Wortlaut: „Ich, Johannes Thurnher, schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden einen reinen Eid, daß ich keine Gegenstände, oder Werthe der Verlaßmasse meines Onkels Matthäus Thurnher beseitigt oder verheimlicht, keine Forderungen verschwiegen und keine Passiven fingiert habe; ich schwöre, daß ich überhaupt keine Unredlichkeit gegen die Masse begangen habe. So wahr mir Gott helfe!" Lassen sie mich nun den Wortlaut dieses Eides in seine einzelnen Bestandtheile zergliedern und mit den dazu gehörigen Bemerkungen begleiten, um daraus den Schluß zu ziehen, in welchem Punkte ich mich vergangen habe, als ich die von mir bis zum Tode meines Onkels Herrn Matthäus Thurnher sel. weder bücherlich noch vereinbarlich festgestellten Lohnansprüche für meine 20jährige Dienstleistung erhob, und als ich im Vereine mit meiner Schwester M. Anna Thurnher, geehl. Ant. Kopf den Anspruch machte, daß nachdem uns der Herr Onkel sel. bei Lebzeiten keine Rechnung über seine Vormundschaftsgebahrung legte, nun aus der Massa jene Einzüge und verrechneten Gelder, die wir nicht directe von den Schuldnern bekommen haben, durch Rechnungslegung der Massa vergütet werden. Das war der Sinn des Prozesses über unsere Vermögens- beziehungsweise Rechnungslegungs-Ansprüche an die Erben unseres Vormundes Hrn. Matthäus Thurnher sel. unter dem selbstverständlichen, vielleicht im Prozeßacte nicht ausgedrückten Vorbehalte, davon dann jene Summe abzuziehen, welche uns directe von einem Theil der Schuldner abgeführt wurde. Ich bitte also die geehrten Herren AbgeordnetenCollegen bei der folgenden Ausführung über die einzelnen Punkte des abgelegten Eides zu prüfen: 1. Ob ich mit meinen Lohnansprüchen für 20jährige Dienstleistung und 2. ob ich durch das in Gemeinschaft mit meiner Schwester erhobene Verlangen nach Rechnungslegung durch die Erben unseres Vormundes Herr Matthias Thurnher sel. in Widerspruch mit dem abgelegten Eide gekommen sei, da mir namentlich in diesem letzteren Prozesse der Vorwurf des Meineides in den Satzschriften des gegnerischen Advokaten gemacht wurde. Von diesem Gesichtspunkte aus bitte ich also die geehrten Abgeordneten die zunächst folgenden Ausführungen über den Wortlaut des Eides zu prüfen. Wie oben angeführt, habe ich im Manifestationseide geschworen: 1. „Daß ich keine Gegenstände oder Werthe der Verlaßmassa meines Onkels Matthäus Thurnher sel. beseitigt oder verheimlicht habe. Ein Vorwurf ist mir von den Erben in diesem Punkte nicht gemacht worden, wohl aber wurden nach Aufnahme der von der gerichtl. bestellten Commission vorgenommenen Inventur nachträglich von meinen Leuten und von mir kleinere Gegenstände in und außer dem Hause gefunden, die nicht mit einer Inventars-Nummer versehen und nicht im Inventar enthalten waren, die dann in einem besonderen Verzeichnisse ausgewiesen und unter den Erben zu Gunsten der Massa versteigert wurden. 2. Habe ich geschworen, „keine Forderungen verschwiegen und keine Passiven fingirt zu haben." Ein spezieller Vorwurf, daß ich eine bestimmte Forderung verschwiegen, oder eine bestimmte Passivpost fingiert habe, wurde von keinem Erben gemacht, wohl aber war in einer Satzschrift des gegnerischen Advokaten die oberwähnte Behauptung aufgestellt, „die heute von meiner Hand vorliegenden Geschäftsbücher des Herrn Onkel Matthäus Thurnher sel. seien nicht zu dessen Lebzeiten angefertiget worden." Diese ungeheuerliche Behauptung hat der Gegner wohl selber unmöglich glauben können, da man an den Geschäftsbüchern, welche man durch viele Jahre lang täglich mehrmals in die Hand nimmt, doch auf den ersten Blick ersehen muß, ob sie abgegriffen und alt oder neu seien, abgesehen von den Jahrzahlen der steueramtlich aufgeklebten Stempelmarken. 3. habe ich geschworen, „daß ich überhaupt keine Unredlichkeiten gegen die Massa begangen habe." XIX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session, 7. Periode 1891 /92. 231 Ich erinnere mich an keinen solchen Vorwurf seitens der Erben. Das sind nun die drei Punkte des mehrerwähnten Offenbarungseides und sie können nun daraus einen Schluß ziehen über die oben gestellte Dritte Frage, ob der Wortlaut dieses Eides des Massaverwalters ein Hindernis bilden konnte, seine und seiner Schwester Forderungen an Sie Massa zu erheben, ohne meineidig zu werden. Ich glaube nein, denn es sind das „keine Gegenstände oder Werthe der Verlaßmasse die beseitigt oder verheimlicht, keine Forderungen, die verschwiegen und keine Passiven, die fingiert" worden wären, sondern wirkliche thatsächliche Forderungen, mag nun die Sache in den Satzschriften des Gegners dargestellt sein, wie immer. Allerdings war der gegnerische Advokat in seinen Schriften in Bezug auf Darstellung von thatsächlichen Vorgängen, sowie von fantastischen Gebilden ein wahrer Meister, so daß mir einmal bei der Lektüre seiner Schriften unwillkürlich die Zeichnungen in den Modejournalen in den Sinn kamen, in welchen des Künstlers Stift manchmal in seiner bildlichen Darstellung irgend einen Körpertheil künstlich vergrößert oder verkleinert, je nachdem es seinen Zwecken dient und damit einen solchen Zauber auf die Beschauerinnen ausübt, daß sie selbst daran glauben, daß sie in solcher Gestalt sich schöner, als bisher ausnehmen und sich willig dazu hergeben, bald auf den Achseln, bald an einer anderen Körperstelle sich einen Buckel wachsen zu lassen, von dem man wissen kann, daß er nicht der von Gott geschaffenen Natur entspricht, sondern aus Luft oder Baumwolle besteht, die von keiner Lebensader durchdrungen ist. In ähnlicher Weist packend und sinnberückend mußten in der That manche Stellen der Satzschriften des gegnerischen Advokaten wirken und sie haben ihre Wirkung in der Phantasie einzelner von allen Seiten gegen mich aufgehetzten Miterben in der That nicht verfehlt, sodaß gar nicht zu verwundern war, wenn einzelne von den gleichen Leuten, welche mir früher Vertrauen schenkten, wenn sie wieder etwas Neues von den „vorzüglichen" Einwendungen des gegnerischen Advokaten zu hören bekamen und wenn dann hiezu von Zwischenträgern noch eine entsprechende Portion Paprika beigegeben wurde, mit der Zeit wirklich | zu dem Glauben kommen mußten, daß es halt doch gut gewesen sei, daß der Bestberathene aus ihnen von mir den Manifestationseid verlangt habe, denn der Masseverwalter durfte nach solchen Darstellungen von denselben mit Recht nicht blos als unredlich, sondern als der größte Spitzbube auf Gottes Erdboden angesehen werden. Man denke sich nur, welche Eindrücke auf die schon einmal verhetzten Miterben die einzige Behauptung des gegnerischen Advokaten machen mußte, „die heute von meiner Handschrift vorliegenden Geschäftsbücher des Herrn Onkel Matthäus Thurnher sel. seien nicht zu dessen Lebzeiten angefertiget worden" und wenn dann etwa noch beigefügt wurde, wie es Herr Dr. Waibel im Landtage that, daß die Satzschrift, in welcher eine solche Behauptung vorkommt, von den Bezirksrichter Leeb, Dr. Margreiter und Dr. Kemter gefertiget worden sei, wenn also der Name des Chefs des Bezirksgerichtes und zweier rechtskundiger Herren schwarz auf weiß darunter stehe. Was mußte man sich also vorstellen, was ich in den ganzen 20 Jahren meiner Thätigkeit in dem Geschäfte des Herrn Matthäus Thurnher alles verübt haben mochte, wenn ich mir nach gerichtl. vorgenommener Inventur noch herausnehme, unter der Controlle der gerichtl. bestellten ErbsstämmeVertretung, aber natürlich hinter deren Rücken, — denn mit ihrem Vorwissen ist nicht anzunehmen, — die ganzen im Laufe von 20 Jahren zu stände gekommenen Geschäftsbücher im Zeitraume von etwa 2 Jahren nicht bloß zu beseitigen, sondern neu so anzufertigen, daß sich dieselben für das nicht geschäfts- und buchhaltungskundige Auge gewöhnlicher Menschenkinder, wie in 10—20jähr. mühseliger Arbeit entstanden darstellen. Mußte ich da in den Augen der in solcher Art verhetzten und bethörten Leute nicht als ein wahrer Zauberer, als ein Mensch, welchem man in gar nichts trauen kann, erscheinen? Mußte da nicht die Forderung eines einzigen besser berathenen Erben auf Ablegung des Manifestationseides wegen redlicher Verwaltung des Massanachlasses als die größte Errungenschaft und Wohlthat angesehen werden. Wäre ich aber nun wirklich jener unredliche Mensch, jener raffinierte Spitzbube gewesen, als den man mich nach solchen Behauptungen und den entsprechenden Schlußfolgerungen ansehen 232 XIX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session, 7. Periode 1891/92. durfte, wahrhaftig, die Erben meines Onkels Matthäus Thurnher sel. hätten sich in einen sehr mageren Nachlaß theilen müssen, und sie hätten nicht schon vor dessen Ableben über meinen Vorschlag eine nicht unbedeutende Vermögenszuwendung, die wochenlange Arbeit verursachte, bekommen, da es mir ein Leichtes gewesen wäre, im Lauf von 20 Jahren einzig an Baarschaft gülden- und fünfer- oder zehnerweise, täglich soviel zu beseitigen, ohne daß es Herr Matthäus Thurnher sel. gemerkt hätte, daß der Kapitalszuwachs neben den vielen Tausenden, die er für 6 Kapellen bauen und diversen anderen öffentlichen und Privatwohlthätigkeits-Acten verwendete, ein sehr kleiner geblieben wäre; denn der Herr Onkel sel. duldete absolut nicht die von mir oft für die Controlle der sonstigen Verbuchungen verlangte Kassabuchführung. Er wollte sich selber nicht an die damit nothwendig verbundene Controlle seiner Einnahmen bei den Kunden binden und noch viel weniger die ziffermäßige Höhe seiner Wohlthätigkeitsacte in einem Kassabuche einschreiben lassen. Da halfen alle Vorstellungen, daß dies ein nothwendiges Zubehör für eine geordnete Buchhaltung bilde, daß er daneben einen Dispositionsfond für seine uncontrolliert gewünschten Wohlthaten und Haushaltungsauslagen schaffen könne, nichts, und hätte ich in dem Punkte nicht nachgegeben und die übrigen Bücher sonst so gut als möglich geführt, so hätte er mich einfach gejagt. Er hat sich in Bezug auf die Kassagebahrung einzig damit begnügt, wenn er von einer Kundschaftsreise kam, das Geld in den unter meiner Obhut befindlichen Geldschrank ungezählt zu legen, und mir die einzelnen Einnahmeposten direct in die verschiedenen Folien der Hauptbücher zu dictiren und die der Kasse wieder entnommenen Gelder nur in jenen Fällen aufschreiben zu lassen, wo damit bestimmte in den Büchern eingetragene Schuldposten getilgt oder Abschlagszahlungen gemacht wurden. So war die Kassagebahrung beschaffen und so und nicht anders mußte ich während seiner öfteren Wochen und Monate andauernden Abwesenheit nach seinem ausgesprochenen Willen vorgehen. Aus dieser Darstellung des Verhältnisses meiner Person zur Kassaverwaltung meines Onkels Herrn Matthäus Thurnher sel. und seinem unbedingten Vertrauen in meine Redlichkeit — so unzufrieden er daneben dann auch mit mir wieder sein konnte, wenn ich, ohne jedesmal zuvor zu fragen, bessere Arbeitsgeräthe im Keller und Werkstätte oder andere Einrichtungen im Geschäfte, oder auch einen besseren Rock anschaffte, als ihm bei seinem eigenthümlichen, einfachen und sparsamen Wesen nöthig erschien — leicht möglich gewesen wäre, unvermerkt so viel bei Seite zu bringen, daß ich mich nachher nicht mehr um meinen Lohn und um die Erstattung der von ihm mit meinem Stiefvater verrechneten theils mangelhaft und theils gar nicht verbuchten Einnahmen aus meinem väterlichen Vermögen hätte kümmern müssen. Ich schließe und stelle an die Mitglieder des hohen Landtages nur noch die Bitte, die in dieser Zuschrift gegebene Darstellung im Entgegenhalte zu dem mir in der Sitzung des hohen Hauses am 30. v. M. vom Abgeordneten der Handels- und Gewerbekammer Herrn Dr. Waibel vorgeworfenen Verdachtes wegen Fälschung und Meineid zur Kenntnis zu nehmen und einer geneigten Würdigung unterziehen zu wollen, sowie insbesondere die darin bezeichneten auf dem Tische des Herrn Landeshauptmannes deponierten Actenstücke einer genauern Durchsicht und Vergleichung zu unterziehen. Bregenz, den 6. April 1872. Johannes Thurnher Landtagsabgeordneter. Verzeichnis der auf dem Tisch des Herrn Landeshauptmannes deponierten Actenstücke: 1. Copirbuch aus dem Chef-Comptoir von Johannes Thurnher in Dornbirn enthaltend 500 Seiten Abdrücke von Original-Briefen Folio 3001 bis 3500, darunten den Abdruck eines Briefes an Herrn Dr. Schmadl in Bezau Folio 3148—3158. 2. Eine Urkunde vom 2. Sept. 1878 mit bestrittener Unterschrift (darunter auch die Unterschrift des Reichsraths- und Landtagsabgeordneten Martin Thurnher als Bevollmächtiger der Anna Maria Schwendinger in Innsbruck). 3. Ein Übereinkommen vom 21. Juli 1878 mit nicht bestrittener Unterschrift (darunter auch die Unterschrift des Reichsraths- und XIX. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 7. Periode 1891/92. 233 Landtagsabgeordneten Martin Thurnher als Bevollmächtigter). 4. Eine gerichtlich vidimierte Abschrift eines Verlassenschafts-Prorokolles vom 7. Dez. 1878. 5. Eine ebenfalls gerichtlich vidimierte Abschrift eines Verlassenschafts-Protokolles vom 25. November 1878. 6. Eine in dieser Zuschrift nicht besonders erwähnte briefl. Empfangsbestätigung über 1649 fl. 40 kr. zu. Cassa Folio 356 und Hauptbuch-Folio 289. Dr. Waibel: Die geehrte Versammlung wird sich erinnern, das stenografische Protokoll wird es auch beweisen, daß der Kern meiner Erklärungen, welche damals in der betreffenden Sitzung abgegeben worden sind, dahin geht, es sei im bürgerlichen Leben gebräuchlich, daß ein Ehrenmann einen so schweren Vorwurf, wie er gegen den Herrn Johann Thurnher erhoben worden ist, nicht auf sich sitzen lasse, sondern alle Mittel anwende, um denselben von sich abzuwenden. Aus dem Umstande, daß in einem ganz eclatanten Falle, in einer ganz eclatanten Form, in welchem der Vorwurf des Meineides erhoben worden ist, Herr Johann Thurnher es unterlassen hat, diese Mittel zu ergreifen, hat er den Vorwurf auf sich gezogen, daß vielleicht doch etwas geschehen sei, und hat hiezu begründeten Verdacht gegeben. Die lange und stellenweise nicht uninteressante Erklärung und Darstellung enthält keine solche Momente, die mich veranlassen würden von der Erklärung, welche ich in der betreffenden Sitzung abgegeben habe, hier in irgend einem Punkte abzugehen und ich halte dieselben aufrecht. Landeshauptmann: Ich kann es nicht mehr gestatten, daß neuerlich gegen Mitglieder des hohen Hauses solche ehrenrührige Behauptungen ausgesprochen werden. Es wird dem hohen Hause jetzt Gelegenheit gegeben, die Sache genau zu studieren, und ich glaube, es sollte daher die Debatte über diesen Gegenstand nicht weiter fortgesetzt werden. Johann Thurnher: Ich möchte den Herrn Landeshauptmann bitten, sämmtliche Herren Abgeordnete in offener Sitzung eine Stunde bekannt zu geben, von welcher an dieselben die auf sein Tisch gelegten Actenstücke einsehen können. Ich mache den Herrn Landeshauptmann für die Actenstücke ausdrücklich verantwortlich, weil es Acten sind, die mir in keiner Weise ersetzt werden könnten. Ich bitte eine bestimmte Stunde anzusetzen, von welcher an durch einen halben oder ganzen Tag jeder einzelne Abgeordnete Gelegenheit hat Einsicht zu nehmen, und ich möchte an alle Herren des hohen Hauses die Bitte stellen, davon entsprechenden Gebrauch zu machen. Landeshauptmann: Dem Wunsche des Herrn Vorredners entsprechend, möchte ich die Stunde auf 10 Uhr bestimmen, so daß morgen von 10 Uhr an bis zum Abende jedem einzelnen Herrn in meiner Kanzlei die volle Einsicht in diese Acten offen steht. Der Herr Abg. Reisch hat sich für die heutige Sitzung wegen Unwohlsein entschuldigt. Wir kommen nun zur Tagesordnung. Der erste Gegenstand ist der Bericht des Gemeindeausschusses über die Vorlage des Landesausschusses, betreffend Abänderung der Landtagsbeziehungsweise Gemeindewahlordnung. Ich ersuche den Herrn Martin Thurnher gefälligst den Bericht vorzutragen. Martin Thurnher: Die Ursachen, warum die gegenwärtige Gesetzesvorlage vor den Landtag gekommen ist, sind noch allseitig in Erinnerung. Es wurde, wie aus dem Berichte des Legitimationsausschusses im Jahre 1890 hervorgeht, damals in den Bezirken Feldkirch und Dornbirn zum ersten Male nach einer 30jährigen anderweitigen Gepflogenheit die Vermögenssteuer den Wahlberechtigten nicht mehr eingerechnet zur Ausübung des Landtagswahlrechtes, nämlich jenen Vermögenssteuerpflichtigen, welche sich im III. Wahlkörper der betreffenden Orte oder Städte befanden, dagegen den besser Situierten, welche im I. und II. Wahlkörper waren, wurde die Vermögenssteuer nach wie vor eingerechnet. Dieses Abgehen von einem 30jährigen Usus war nun eine große Ungerechtigkeit und ein solches Unrecht konnte der Landtag nicht dulden. Deshalb hat damals auch der Landtag den Landesausschuß beauftragt, entsprechende Gesetzentwürfe vorzubereiten, die solchen Vorkommnissen ein für alle Male ein Ziel setzen. Der vorliegende Bericht, resp, der Eingang desselben Seite 1 bis zur Hälfte der 2. Seite enthält eine Darstellung dieser Vorgänge, wie sie sich damals im Legitimationsausschusse und im hohen Landtage abspielten und ich kann daher 234 XIX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session, 7. Periode 1891/92. von der Verlesung der bezüglichen Stellen Umgang nehmen. (Liest den übrigen Theil des Berichtes, Beilage LXIII.) Landeshauptmann: Ich eröffne über den Bericht und den Gesetzentwurf die Generaldebatte. Dr. Schmid: Wie aus diesem Berichte zu ersehen ist, scheint man mit schwerem Herzen da den Antrag gestellt zu haben, die Gemeindewahlordnung abzuändern. Es heißt zwar der Bericht werde sich aussprechen über die Vorlage des Laudesausschusses über die Abänderung auch der Landtagswahlordnung. Aber darüber wird kurz hinweggegangen, indem es einfach heißt, wir machen es so, wir ändern die Gemeindewahlordnung ab und dann braucht man die Landtagswahlordnung nicht zu ändern; und es ist damit dem von der Regierung gewünschten Principe der Basierung der Landtagswahlordnung auf die Gemeindewahlordnung entsprochen. Diesen Standpunkt hat die Berichterstattung hier eingenommen. Sie sagt auch, es sei der Regierung nichts daran gelegen, daß bei der Gemeindewahlordnung allenfalls die Vermögenssteuer eliminiert werde; die hohe Regierung werde einem derartigen Anträge nicht entgegentreten und darum, weil Sie das Versprechen bekommen haben, daß die hohe Regierung demselben nicht entgegentritt, treten Sie eben dafür ein, daß die Vermögenssteuer aus der Gemeindewahlordnung eliminiert werde. Meine Herren, das ist etwas, was mir nicht so ganz logisch erscheint und es scheint auch bis dato noch nirgends das Bedürfnis gefühlt worden zu sein, Derartiges auszusprechen und zu wünschen. Wenigstens in den Städten, welche eine Abänderung der Gemeindewahlordnung in dieser Hinsicht am meisten trifft, ist meines Wissens, ich habe mich erkundigt, nirgends das Bedürfnis gewesen, eine solche Abänderung anzustreben. Das Bedürfnis also danach fehlt und es kann wieder der Fall eintreten, daß eine neue, den Gemeinden größtentheils unnothwendig scheinende Änderung in der Gemeinde-Wahlordnung eine gewisse Aufregung und Aufruhr in den Gemeinden hervorruft, welche nicht zu deren Besten sein wird. Man hat schon das letzte Mal gesagt, eine Sünde gebührt die andere. Ich will das zwar nicht als Sünde bezeichnen, was Sie da anstreben, aber jedenfalls hat man nicht das Bedürfnis empfunden, daß es als nothwendig erklärt werden könnte. Also ein Bedürfnis liegt nach unserer Anschauung in den Gemeinden nicht vor. Es ist aber noch ein Weiteres: die Änderung, wie sie hier angestrebt wird involviert auch eine entschiedene Ungerechtigkeit gegen steuerzahlende Mitglieder der Gemeinden, welche bis dato an den Gemeindewahlen sich zu betheiligen berechtigt waren, nämlich gegen die Vermögenssteuerpflichtigen, welche außer der Vermögenssteuer keine andere directe Staatssteuer zahlen. Sie werden zugeben, meine Herren, daß es doch geradezu ein Unding ist, wenn Sie sich vorstellen, Sie leben in einer Gemeinde, in welcher z. B. wie bei uns 1044 Wähler sind und unter diesen 1044 Wählern sind vielleicht solche, die schon 10, 20 Jahre in der Gemeindevertretung, im Stadtrathe ihre Thätigkeit ausgeübt haben. Sie sind wohlhabende Geschäftsleute geworden, haben ein gewisses Lebensalter erreicht, indem sie berechtigt sind, zu sagen: Ich spanne aus. Sie übergeben ihr Geschäft ihren Söhnen und leben als Privatmann in der Stadt weiter und zahlen in derselben Stadt, wie bisher seit 30 bis 40 Jahren, nur in noch erhöhtem Grade, weil das Vermögen sich gehoben hat, eine Vermögenssteuer von 100—150 fl. in jedem Jahre. Auf einmal kommt ein neues Landesgesetz und sagt: Du, Mann, der du dich durch so und soviel Jahrzehnte um die Stadt verdient gemacht hast, hast nicht mehr das Recht zu wählen, du wirst eine Null in dieser Stadt, aber an deine Stelle setzen wir einen vor 14 Tagen oder vor 4 Wochen hergekommenen Citronenhändler; der zahlt so und soviel Steuern, hat von der ganzen Stadt keine Kenntnis, hat nie hier gelebt, der darf aber in die Gemeindevertretung wählen, der ist wahlberechtigt. (Dr. Waibel: Sehr gut.) Da muß ich schon sagen, das ist etwas, was jedem logisch richtigen Denken widerspricht. Ich gebe gerne zu, daß Sie Rücksicht nehmen wollen auf den Wunsch der hohen Regierung, daß die Gemeindewählerliste die Basis bilde für die Landtags- und Reichsrathswählerliste. Wenn aber diese Forderung eine geradezu crasse Ungerechtigkeit gegen die Gemeindemitglieder ist, welche in der Gemeinde zu wählen haben, so ist diese Forderung, XIX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session, 7. Periode 1891/92. 235 die gestellt wurde, daß die Wählerliste für den Landtag und den Reichsrath auf die Gemeindewählerliste zu basieren sei, entschieden nicht mehr berechtigt und nicht mehr zu beachten. Denn ein so großes Unrecht, wie es da den Gemeindemitgliedern angethan wird, das verbietet eine einfache Rücksichtnahme, eine Rücksicht, welche vielleicht nur Bequemlichkeit zu fein scheint. Ich habe gesagt, wir haben in diesem Gesetze eine Ungerechtigkeit gegen diejenigen Vermögenssteuerpflichtigen erblickt, welche nur als Vermögenssteuerpflichtige in der Wählerliste erscheinen und ich habe dies durch ein einzelnes Beispiel illustriert. Ich muß Ihnen aber noch sagen, es enthält diese Änderung, wie sie beabsichtigt ist, eine zweite Ungerechtigkeit in einer anderen Richtung; sie wirft nämlich einen ganz großen, nicht einen kleinen Theil, wie es im Berichte heißt, aus der Wählerliste hinaus. In Bregenz z. B. sind 1044 Wähler. Wenn Sie die heutige Gesetzes-Vorlage als Gesetz erscheinen lassen, so fallen von diesen 1044 schon 290 weg. Meine Herren, das ist nicht eine kleine Zahl, wenn bereits der vierte Theil im Vorhinein vom Wahlrechte ausgeschlossen wird. (Dr. Waibel: Wahlrechtverkürzung sagt der Bericht.) Das ist also auch wieder eine Ungerechtigkeit. Wie kommen diese 290 Wähler, welche hier bis dato redlich zum Wohle der Stadt mitgewirkt haben, und ihre Steuern auch fortan zahlen, dazu, einfach mundtodt gemacht zu werden, ohne daß hiezu ein wesentlicher, stichhaltiger Grund vorliegt, sie ihres Wahlrechtes zu berauben? Sie haben es immer ausgesprochen und als Ihr Progamm dargethan: Die Erweiterung des Wahlrechtes. Wir haben hier augenscheinlich eine ganz grundlose Verkürzung des Wahlrechtes und dieses Gesetz ist nicht dazu angethan, glauben zu machen, daß Ihnen mit der Erweiterung des Wahlrechtes Ernst fei. (Dr. Waibel: Sehr richtig.) Sie haben den Weg, der hier auch schon angedeutet wurde, nämlich die Landtagswahlordnung zu ändern, den haben Sie verlassen und haben gesagt: Wir wollen die Gemeindewahlordnung ändern. Meine Herren! Sie rufen damit in allen Gemeinden eine gewaltige Aufregung hervor, während die Sanierung der betreffenden Paragraphe der Landtagswahlordnung ganz leicht wäre und gewiß nirgends eine Störung Hervorrufen würde. Es würde nirgends eine so er affe Ungerechtigkeit zu Tage treten, wie durch die beabsichtigte Änderung der Gemeindewahlordnung. Stellen Siesich auf den Standpunkt, dem ich auch beistimme, nämlich der Erweiterung des Wahlrechtes und beseitigen Sie die hindernden Paragraphe der Landtagswahlordnung und erweitern Sie ad infinitum das Wahlrecht, aber nur mit dem, was Sie theilweise selbst auch zugeben, daß Sie das Ungesunde, das darin liegt, hinauswerfen: nämlich mit Abschaffung der Wahlvollmachten und der öffentlichen Stimmabgabe, mit Einführung der geheimen Abstimmung. Dann haben Sie gethan, wofür einzutreten Sie immer vorgegeben haben, Sie haben das Wahlrecht erweitert und haben zugleich das vermieden, von dem ich vorher sagte, daß es bei dieser Änderung der Gemeindewahlordnung gewiß in vielen Gemeinden eintreten werde, nämlich eine Aufregung der Bevölkerung und eine Veränderung der Gemeindevertretungskörper selbst. Das wie Sie es jetzt machen, wird Ihnen gewiß nicht den Dank der Gemeinden einbringen! Z. B. in der Landeshauptstadt Bregenz haben wir eine Gemeindevertretung, da wir über 1000 Wähler haben, von 30 Mitgliedern. Bei dieser Abänderung sinken wir sofort wieder auf 24 herab, weil wir um 290 Wähler zu kurz find und kommen daher auf die alte Zahl der Gemeindevertretung zurück. Daß das in einer Stadt gewiß nicht ruhig hingenommen wird und eine Aufregung hervorruft, wenn die Gemeindevertretung, die bei einem wachsenden und emporblühenden Gemeinwesen von selbst und naturgemäß größer werden soll, auf einmal wieder gewaltsam auf eine kleine Zahl zurückgedrängt wird, das werden Sie auch zugeben. Ich bitte Sie also noch einmal, wollen Sie von diesem Gedanken abgehen, wollen Sie bei Ihrem Principe bleiben, dem auch wir beistimmen, der Erweiterung des Wahlrechtes! Sanieren Sie die Landtagswahlordnung, lassen Sie aber unberührt die Gemeindewahlordnung, an der wahrlich in den letzten Jahren schon genug herumgedoctert worden ist. Welte: Ich habe eigentlich nur eine Bemerkung zu machen. Ich glaube nämlich, diese Änderung sei denn doch nicht so allgemein eingreifend in den Gemeinden. Es giebt wieder viele Gemeinden, die dadurch in ihren Rechten mehr geschützt werden. 236 XIX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session, 7. Periode 1891/92. Steht ja im Berichte selbst, daß 27 Gemeinden schon bisher die directen Steuern als Grundlage für die Wahlen gehabt haben. In diesen Gemeinden dürfen nämlich bei den Gemeindewahlen die Zuschläge bei Verfassung der Wählerlisten nicht mitgerechnet werden. Man kann da auch von einer Ungerechtigkeit sagen, was es auch thatsächlich ist, warum sollen da die Gemeindezuschläge nicht eingerechnet werden. Zn anderen Gemeinden, in denen zufällig die Vermögenssteuer eingehoben wird, soll diese eingerechnet werden, deshalb glaube ich, ist der Gesetzentwurf, wie er uns vorliegt, einerseits wieder vollkommen gerechtfertigt. Ich glaube