18920402_lts016

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Letzte Änderung 02.07.2021, 18:44
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp07,lts1892,lt1892,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 16. Sitzung am 2. April 1892. unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 19 Abgeordnete. Abwesend die Herren: Kochwürdigster Bischof Dr. Zobl und Wolf. Regierungsvertreter: Herr Statthaltereirath Graf St. Julien-Wallsee. Beginn der Sitzung um 9 Uhr 10 Min. Vormittags. Landeshauptmann: Die Sitzung ist eröffnet, ich ersuche um die Verlesung des Protocolles der letzten Sitzung. (Sekretär verliest dasselbe.) Wird von irgend einer Seite gegen die Fassung des Protocolles eine Einwendung erhoben? — Es ist dies nicht der Fall, somit betrachte ich dasselbe als mit Ihrer Zustimmung versehen. Ich ertheile nun das Wort dem Herrn Regierungsvertreter. Regierungsvertreter: In der 10. Sitzung des Vorarlberger Landtages wurde einer Regierungsvorlage über ein Gesetz, womit einige Bestimmungen des Gesetzes vom 23. Jänner 1887 betreffend das Institut der Landesvertheidigung für die gefürstete Grafschaft Tirol und das Land Vorarlberg abgeändert wurden, die Zustimmung ertheilt. Dieselbe Vorlage kam in der vorgestrigen Sitzung auch im Tiroler Landtage in Verhandlung und es wurden einige Amendement beschlossen, welche übrigens nur geringfügige Modificationen des Gesetzes involvieren. Da aber zum Zustandekommen dieses Gesetzes eine gleichartige Votierung seitens beider Landtage unerläßlich ist, so wurde ich von Sr. Excellenz dem Herrn Statthalter für Tirol und Vorarlberg beauftragt diese Beschlüsse dem hohen Hause mitzutheilen und dasselbe zu ersuchen diese veränderte Textierung auch seinerseits anzunehmen. Ich übergebe diesen Beschluß des Innsbrucker Wehrausschusses dem Herrn Landeshauptmanne, beziehungsweise lege ihn auf den Tisch des hohen Hauses nieder und füge noch bei, daß die im Berichte roth eingesetzten Druckfehler182 XVI. Sitzung des vorarlberger Landtags II. Session, 7. Periode 1891/92. Correcturen, nämlich, daß auf Seite 2, 8. Zeile von unten anstatt „Kriegszustand" — „Kriegsstand", und auf Seite 5 im letzten Absätze zu § 26 letzte Zeile statt „einer genügenden Ersatzreserve" — genügender Ersatzreserven" zu setzen ist, authentische sind. Landeshauptmann: Ich glaube, daß es bei der Kürze der Zeit, welche wir noch zur Verfügung haben, angezeigt sein dürfte, diese Angelegenheit sofort dem Wehrausschusse zur weiteren Berathung zuzuweisen. Wenn gegen dieses Vorgehen keine Einwendung erfolgt, so würde ich in diesem Sinne vorgehen. — Es erfolgt keine Einwendung, ich nehme daher an, daß die Herren einverstanden sind. Wir kommen nun zur Tagesordnung. Der erste Punkt derselben ist der Bericht des Gemeinde-Ausschusses über den Antrag des Herrn Abgeordneten Martin Thurnher in Angelegenheit der letzten Dornbirner Gemeindewahlen. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Martin Thurnher gefälligst den Bericht vorzutragen. Martin Thurnher: Ich bin kein Freund vom Vorlesen der Berichte, aber bei der Wichtigkeit der Sache, und um einen allgemeinen Überblick über dieselbe zu geben, glaube ich, daß diesmal von der Verlesung des Berichtes nicht Umgang genommen werden soll. Die Antragsteller begründen den Antrag wie folgt. (Liest den Bericht, Beilage XLVI.) Landeshauptmann: Ich eröffne über den Bericht und Antrag die Debatte. Dr. Waibel: Meine Herren! Wir befinden uns wieder einmal auf dem Schauplatze von Dornbirn. Die Hauptrollen fallen begreiflicher Weise wieder Angehörigen der Gemeinde Dornbirn zu, nämlich dem Herrn Berichterstatter und mir. Ich bin über den ganzen Sachverhalt, der zu dem vorliegenden Anträge Anlaß gegeben hat, in der Lage eingehend sprechen zu müssen und ich gewärtige, daß am Schlusse der Herr Berichterstatter uns dann mit einer rührenden Rede über politische Moral belehren wird. Ich erkläre von Vornherein, daß ich persönlich auf dem Standpunkte stehe, welcher im Antrage enthalten ist. Es ist gewiß jedem ehrlichen Politiker daran gelegen, daß das Wahlverfahren nach sittlich unanfechtbaren Grundsätzen vor sich gehe. Ich vermisse jedoch in diesem Berichte etwas, was denn doch auch hieher gehören würde. Es wird hier eine Anzahl schwerer Anschuldigungen erhoben, für welche kein Beweis erbracht wird und es hat auch der Ausschuß von diesen Beweisen, welche für so schwere Anklagen unbedingt nothwendig sind, keine Kenntnis erhalten. Ich bin in der Lage nachzuweisen, daß gerade der Antragsteller derjenige war, welcher gleich von Vornherein im Reclamationsverfahren mit schweren Verdächtigungen gegen die Gemeindevorstehung ausgetreten ist, und daß durch die compeienten Erhebungen der Nachweis geliefert wurde, daß diese Anschuldigungen vollends grundlos waren Die Wahlen haben sich im October vollzogen und im Verlaufe des Reclamationsversahrens ist nämlich der Herr Antragsteller und Berichterstatter mit einer Reclamation aufgetreten, laut welcher acht namentlich aufgeführte Posten, sowie eine Reihe anderer Personen im zweiten Wahlkörper aufgeführt seien, welche bisher nicht in einem solchen Maße Vermögenssteuer bezahlt hätten, daß dieselben hienach Aufnahme in diesen Wahlkörper gefunden hätten. Auch har der Steuerrath eine Änderung in der Vermögenssteuerbemessung bei diesen Personen nicht vorgenommen. Diese �nderungen müssen also in gleicher Weise durch andere hiezu nicht berufene Organe erfolgt sein. Nach dem Wahlgesetze ist für die Verfassung der Wählerlisten zunächst der Gemeindevorsteher, der Bürgermeister verantwortlich, es kann also dieser Vorwurf begreiflicher Weise nur auf die Person des Bürgermeisters von Dornbirn gerichtet sein.ß Unter den namentlich angeführten Posten befinden sich acht von denen behauptet, aber mcht bewiesen ist, daß etwas geschehen sei. Im Eingänge der Reclamation befinden sich andere 6 Posten, welche bezüglich der Auffassung streitig waren, und nicht blos vom Herrn Mart. Thurnher, sondern auch noch von anderer Seite reclamiert wurden und welche auch in ordentlicher Weise ihre Erledigung gefunden haben. Es sind nämlich Streitigkeiten entstanden zwischen dem Steuerrathe und den Parteien selbst bezüglich der Trennung oder Cummulierung von XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session, 7. Periode 1891/92. 183 Vermögenschaften, welche jedoch, wie ich glaube durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner in gewisser Hinsicht ihre Erledigung gefunden haben, indem durch diese Entscheidung dem Steuerrathe die Befugnis abgesprochen wurde über dergleichen Dinge zu verfügen. Ich wende mich natürlich nur zu dem Vorwurfe, daß auch solche Personen in die Listen ausgenommen wurden, welchen mehr Vermögensteuer angerechnet worden sein soll, als ihnen vom Steuerrathe auferlegt wurde. Diese Reclamationen wurden aber von der Reclamationscommission per majora abgewiesen mit der Begründung, daß die Reclamations-Commission nach dem Ausspruche des Verwaltungsgerichtshofes nicht berufen sei, die Steueransätze, welche zur Grundlage der Wählerlisten dienen, zu prüfen. Es sind das Entscheidungen, welche in den Jahren 1883 und 1886 erflossen sind. Der Reclamant hat, wie es wohl auch zu erwarten war, die Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft angerufen, und die Bezirkshauptmannschaft hat dem Reclamanten insoferne Folge gegeben, als der Herr Bezirkshauptmann nach Dornbirn kam, und eine Untersuchung anstellte, welche einen vollen Tag dauerte, um sich persönlich über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit und über die Stichhaltigkeit dieses Vorwurfes zu überzeugen. (Martin Thurnher: Es sind aber Viele herabgekommen. ) Es wurde der Steuerrath und der Gemeindecassier zusammen berufen und laut des mir im Original vorliegenden Berichtes vom 18. September 1891 hat der Steuerrath bezüglich dieser Vorwürfe, welche der Herr Martin Thurnher als Reclamant erhoben hat, folgendes gefunden: „Im Auftrage der wohllöblichen k. k. Bezirkshauptmannschaft Feldkirch hat der Steuerrath unter Mitwirkung des Gemeindekassiers die Vermögenssteuervorschreibung der aufgeführten Wähler im II. Wahlkörper mit der Liste überprüft und richtig gefunden bis auf folgende Fälle." (Mart. Thurnher: Da kommen sie eben.) Ich werde sie der Vollständigkeit halber anführen, es sind das nicht solche Fälle, welche die Vermögensteuer-Ziffer betreffen. Da ist ein Fall bezüglich minderjähriger Kinder, den wir bis zum Verwaltungsgerichtshofe gebracht haben. Es hat sich nicht um die Höhe der Steuer gehandelt, denn das Vermögen dieser Partei war gerichtlich erhoben, sondern es hat sich darum gehandelt, ob Minderjährigen, welche ein eigenes Vermögen besitzen, das gerichtlich nachgewiesen ist, eine selbstständige Steuer auferlegt werden kann oder nicht. Der Steuerrath hat natürlich aus politischen Rücksichten den Grundsatz verfolgt, daß das nicht statthaft sei, der Verwaltungsgerichtshof war aber anderer Ansicht. Der zweite Fall betrifft die Ehegatten Hämmerle, Herburger und Johann Rhomberg. Bei diesen Ehepaaren sind die Vermögenschaften vollständig getrennt und deshalb sind auch getrennte Bekenntnisse gemacht worden, der Steuerrath hat aber diese getrennten Bekenntnisse von Mann und Frau einfach zusammengeklebt, das Vermögen der Frau zu jenem des Mannes addiert, weiter aber nichts geändert. Die Trennung des Vermögens der Ehegatten ist nach den Vorgängen, welche man auch schon früher beobachtet hat, nicht unerlaubt, und die Sache wird in vielen Gemeinden so gehandhabt. Daß Gattinen, welche ein selbstständiges Vermögen haben, dasselbe auch selbstständig zur Vermögenssteuer bringen, das liegt im Sinne des Vermögenssteuergesetzes, denn die Vermögenssteuer ist keine Rentensteuer, sondern eine Kapitalsteuer. Ferner ist bei Joh. Georg Sohnes Kindern ein ähnlicher Fall vorgekommen, wie bei den früher erwähnten minderjährigen Kindern. Die Ziffern sind da in keiner Weise angefochten worden, weil sie gerichtlich festgestellt waren, aber eine Verschiebung innerhalb des Wahlkörpers wurde verursacht. Die allgemeine Anschuldigung, daß, wie Reclamant sagt, eine ganze Reihe von Personen in den zweiten Wahlkörper ausgenommen worden seien, welche bisher nicht so viel Vermögenssteuer gezahlt haben, hat sich durch die Untersuchung als vollkommen grundlos herausgestellt; aus dem kann man schließen — ich will den Ausdruck nicht gebrauchen, der hier am Platze wäre — (Martin Thurnher: Nur heraus damit.) wie sonderbar es ist, daß der gleiche Mann hier im Landtage einen solchen Antrag bringt. Dieser Mann war am wenigsten dazu berechtiget. Ich gehe nun weiter; auf das was die Anschuldigung selbst betrifft, werde ich im Verlaufe meiner Ausführungen noch zurückkommen. Nach der Wahl, welche leider für die Partei 184 XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session, 7. Periode 1891/92. des Herrn Thurnher einen ungünstigen Ausgang hatte, blieb nichts anderes übrig als die vollzogene Wahl anzufechten. Es wurde die hohe Statthalterei angegangen die Wahl des ersten und zweiten Wahlkörpers zu annullieren, oder wenigstens zuzuwarten bis eine gewisse Anklage, welche erhoben worden war, im Sinne der Ankläger ihre Erledigung gefunden haben werde. Diese Anklage lautet: (liest) „Löbliche k. k. Staatsanwaltschaft in Feldkirch! Seitens der sogenannten liberalen Partei wurde zur Erzielung eines für sie günstigen Resultates der diesjährigen Gemeindewahlen der Marktgemeinde Dornbirn künstliche Stimmen für den II. Wahlkörper gemacht, indem für eine größere Anzahl Personen bei der Steuerbehörde Einkommen in solcher Höhe fatiert wurden, welche der Wirklichkeit durchaus nicht entsprachen, sondern nur fingiert wurden um die rechtmäßigen Wähler aus dem II. Wahlkörper zu verdrängen und dagegen gefügige und abhängige Personen in diesen Wahlkörper zu bringen. So wurden mitunter für Schreiber, Ladendiener und dergleichen Einkommen von ca. 1800 st. fatiert, von denen bekannt ist, daß sie einen Taglohn von 1 fl. 20 kr. oder Monatsgehalte von 40, 45, 50 oder höchstens 60 fl. beziehen. Für verschuldete Personen wurden Rentenbezüge fatiert, nur um für dieselben die nöthige Steuersumme zur Einrechnung in den II. Wahlkörper zu erzielen. Wir Gefertigte erblicken in diesem Vorgehen eine Irreführung der Behörden, eine Fälschung oder im dermaligen Stadium mindestens den Versuch der Fälschung des Wahlresultates und in so ferne viele der auf diese Weise in den II. Wahlkörper gelangten Personen die auf das fingierte Einkommen entfallende Steuer nicht selbst zahlen, geradezu einen Stimmenkauf. Indem die Gefertigten diese Vorkommnisse der löblichen k. k. Staatsanwaltschaft zur Amtshandlung und strafrechtlichen Verfolgung zur Kenntnis bringen, legen sie zugleich zur Erleichterung der Einleitung der Voruntersuchung eine Liste jener Wähler des II. Wahlkörpers bei, von denen sie entweder wissen oder mindestens mit Grund vermuthen, daß eine unrichtige Fatierung hinsichtlich ihres Einkommens erfolgt sei. Dornbirn, am 4. Oktober 1891." Es wäre gut gewesen, wenn an der Hand dieser Anklage oder Liste, welche beigelegen ist, vielleicht der Gemeinde-Ausschuß in die Lage gebracht worden wäre, wenigstens die Ziffer von den Verbrechen, welche hier gemacht worden sind, zu erfahren. Aber auch das ist unterlassen worden; man begnügte sich einfach mit ganz allgemeinen Anschuldigungen. Dies ist aber bei so wichtigen Angelegenheiten nicht das richtige Verfahren. Diese Anklageschrift ist unterfertiget von den Herren Adolf Rhomberg, Landeshauptmann; Martin Thurnher, Johann Thurnher; ferner Johann Bobleter, Martin Rienzler, auf die ich gelegentlich auch noch zu sprechen kommen werde, nicht ihrer Person wegen, sondern weil es zur Sache gehört. Wie ein Herr Landeshauptmann dazu kommt, sich in solche Gemeindewahl-Angelegenheiten hineinzudrängen, das ist nicht recht erfindlich. (Johann Thurnher: Als Bürger von Dornbirn. ) Als Bürger von Dornbirn ja, aber nicht als Landeshauptmann. Der Herr Adolf Rhomberg ist Landeshauptmann und hat sich seine Stellung stets in allen seinen Amtshandlungen zu vergegenwärtigen. Weiter erscheinen auf dieser Anklageschrift gefertiget die beiden Kirchenvorsteher von Dornbirn Gebhard Fink und Franz Joseph Steinhäuser. Wie diese Herren daher kommen ist mir auch nicht recht erfindlich. Ist denn die GemeindeWahl eine kirchliche Angelegenheit? (Johann Thurnher: Sie find auch politische Personen.) Auch diese Herren haben sich zu vergegenwärtigen, daß sie nicht blos politische Personen sind, sondern, daß sie eine ganz besondere, eminent sociale Stellung in der Gemeinde zu erfüllen haben und daß sie durch ihre Betheiligung am Parteiwesen, und zwar durch eine so eminente Betheiligung ihrer autoritativen Stellung einen Dienst nicht erweisen. Sie fallen aus der Rolle als Seelsorger und sinken herab zu Parteipersonen und haben sich also alle Unannehmlichkeiten und Widerwärtigkeiten zuzuschreiben und gefallen zu lassen, welche mit dem politischen Leben und solcher Stellungnahme verbunden sind. Ich komme nun zur Wählerliste. (Ruf: Das ist die Hauptsache.) XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 7. Periode 189192. 185 Jawohl, die Hauptsache — die Wählerliste des II. Wahlkörpers. Es wird in der Anklage unter Anderem behauptet, daß langjährige Steuerträger aus diesem Wahlkörper verdrängt worden seien. Nun es ist dies vielleicht richtig — ich will vorsichtig sein — es ist eine Reihe von langjährigen Steuerträgern aus dem II. Wahlkörper verdrängt worden, welche bisher regelmäßig daselbst mitgewirkt haben, das sind Gemeindemitglieder nach § 1 Punkt 2 der Gemeinde-Wahlordnung, siehe § 14 der GemeindeWahlordnung. Die Beamten, Lehrer u.s.w. sind bis dahin im II. Wahlkörper gewesen, sind aber aus demselben nicht durch die Gemeindevorstehung, sondern durch das neue Gesetz verdrängt worden. (Martin Thurnher: Es ist verbessert worden.) Ich komme darauf auch noch zu sprechen. Wie es übrigens mit den Wählern des II. Wahlkörpers nach ihren Eigenschaften steht, das können die Herren aus folgenden Ziffern entnehmen. Ich habe mir die Mühe genommen vom Jahre 1888 und 1891 einen Vergleich anzustellen der ungefähr so lautet. Beiläufig 47 Wähler, welche vermöge ihrer persönlichen Eigenschaften das Wahlrecht besitzen, diese sind im Jahre 1891 verschwunden, diese sind aus dem II. Wahlkörper, dem sie als langjährige Wähler angehört haben, verdrängt worden, das ist richtig. Was die Landwirthe anbelangt oder wollen wir beim alten ehrbaren Namen „Bauern" bleiben — so ist da keine Benachteiligung eingetreten — es mögen höchstens einige andere Namen vorkommen. Bauersleute waren im Jahre 1888 112 in der Wählerliste, im Jahre 1891 waren 135, folglich hat sich die Ziffer um 23 erhöht. Was die Gewerbsleute anbelangt, so steht die Sache so: Gewerbsleute waren im Jahre 1888 125, im Jahre 1891 146, es hat also ein Zuwachs von 21 Stimmen stattgefunden. Private, also Leute welche nicht unter die Gewerbetreibenden und auch nicht unter die Bauernschaft gehören, waren im Jahre 1888 55, in der Liste von 1891 sind 51; diese Categorie hat also um 4 Stimmen abgenommen. Nun kommt der Hauptpunkt „Angestellte aller Art." Solche waren im Jahre 1888 28, im Jahre 1891 52, also eine Zunahme von 24 Stimmen. Angenommen also, aber nicht zugegeben — ich muß es widerhohlen, nicht zugegeben, weil ein Beweis dafür nicht vorgebracht worden ist weder im Gemeindeausschusse noch im hohen Hause; es ist lediglich eine Behauptung aufgestellt worden, und was die Behauptungen des Herrn Thurnher werth sind, das habe ich bereits im Eingange meiner Rede gezeigt. (Martin Thurnher: So viel als die Ihrigen immer.) Also angenommen, daß diese 24 Personen sämmtliche durch Machinationen in die Liste hinein gekommen sind, so ist zu berücksichtigen, daß das Wahlergebnis ein derartiges war, daß selbst auch diese 24 Stimmen eine Änderung im Ergebnisse hervorzubringen nicht im Stande gewesen wären. Die Differenz zwischen der Stimmenzahl der clerikalen und der andern Partei war 110—118 also würden diese 24 Stimmen gar keinen Ausschlag gegeben haben. Um aber die Sache hier im hohen Hause ganz klar darzustellen, kann ich Ihnen zeigen, daß auch die Partei des Anklägers nicht ganz engelrein ist. Es sind zwar nicht viele Fälle vorgekommen, aber Fälle sind doch da, und ein Fall ist, was das anbelangt, gerade so gut, wie 10 Fälle. Die Partei des Anklägers ist in dieser Beziehung der andern ganz gleich. Ich kann Ihnen das zeigen — ich will besser keine Namen nennen, oder wenn sie wollen, so will ich sie auch nennen. — (Martin Thurnher: Sie dürfen die Namen schon nennen.) Gut dann will ich es thun. Zur Zeit vor der Anfertigung der Wählerlisten wurde von der Gemeindevorstehung die Kundmachung erlassen, daß alle diejenigen, welche eine Vermögensveränderung nach unten oder oben erlitten haben, sich melden sollen. Da hat sich dann auch richtig ein gewisser Kassian Schwendinger mit einer Vermögenszunahme von 2500 fl. gemeldet. Ich kann nicht untersuchen, ob diese Vermögenszunahme auf einer thatsächlichen Vermehrung des Vermögens beruht, aber in Dornbirn, wo man die Vermögensverhältnisse von einander so ziemlich kennt, hat Jedermann an dieser Vermögenszunahme gezweifelt. Ein weiterer Fall: Johann Thurnher in der Mitteldorfgasse ist auch auf einmal um 2000 st. reicher geworden, und von einer Steuer von 25 fl. auf 37 fl. gewachsen. 186 XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 7. Periode 1891/92. Herr Johann Bobleter Sticker ist ebenfalls auf einmal um 4000 fl. reicher geworden. Noch wunderbarer sind aber zwei andere Posten. Ein gewisser Alois Mäser, Procurist, der im Jahre 1888 eine Steuer von 1 fl. 4 kr. bezahlte ist plötzlich um 30 fl. in der Steuer gestiegen, und um nicht weniger als um 6000 fl. für diese Wahl reicher geworden. Weiters befindet sich in der Wählerliste eine Persönlichkeit, die dem Herrn Johann Thurnher sehr gut bekannt ist, weil sie bei demselben beiläufig seit zwei Jahren im Dienste steht, welche plötzlich von einer Steuer von 84 kr. auf eine solche von 30 fl. 90 kr. gestiegen ist. Es ist also auch diese Persönlichkeit um 6000 fl. seit dem Jahre 1888 reicher geworden. Das sind fünf Posten, welche der Partei des Anklägers angehören; es soll also auch dieser in seinen Busen greifen und sich ebenfalls unter diese Anklage mit inbegriffen erachten, dann sind wir Alle zufrieden. Ich habe nun diesen Theil des Berichtes besprochen, werde aber, wenn es nothwendig fein sollte, noch weitere Aufklärungen geben. Ich gehe nun über zu der andern Sache. Wenn ein Arzt zu einem Patienten gerufen wird, so untersucht er ihn zunächst dahin, von was für einer Krankheit derselbe befallen worden ist und die nächste Frage wird dann sein, wie kommt der Mann zu dieser Krankheit? Der Arzt wird also auch die Krankheitsursache zu erforschen suchen. Wir sind hier in der gleichen Lage. Es ist gewiß eine Krankheit, wenn man im Wahlgeschäfte zu solchen Mitteln greift. Wenn wir redlich verfahren wollen, so ist es geboten nach den Ursachen dieser Krankheit zu forschen und ich glaube, wir sind auch in der Lage den Herren diese Ursachen aufzudecken. Ich habe hier ein Schema, welches den Gang der Wahlgesetzgebung in Vorarlberg darstellt. Im Jahre 1864 ist die Wahlordnung gegeben worden und die neueste Schöpfung in dieser Beziehung ist die Wahlordnung vom Jahre 1889 bezw. 1890. Vom Jahre 1864 bis 1877 finden Sie in der Provinzialgesetzsammlung keine Änderung der Wahlordnung. Nur im Jahre 1867, da wurde die öffentliche Stimmenabgabe in eine geheime umgewandelt, ein Vorgang der von allen Seiten begrüßt wurde und der bei allen Wahloperationen, wo immer möglich beobachtet wird. Wo eine neue Wahlordnung gemacht wird, wird niemehr die öffentliche Stimmenabgabe eingeführt, sondern stets die geheime, weil diese eben die unbefangenste ist. Ich muß hier auf das Einzelne der Sache eingehen, und etwas vorausschicken, meine Herren, was zur Beurtheilung dieser Wahlreformbestrebungen der clerikalen Majorität des Landtages nothwendig ist. Das ist nämlich folgendes: Ich habe mir die Mühe genommen die Wahlordnungen sämtlicher Kronländer anzusehen und habe da folgendes gefunden. Im I. Wahlkörper sind überall in diesen Kronländern nach Vorschrift ihrer Wahlordnungen nur wenigstens zweimal so viele Wähler aufzuführen, als jeder Wahlkörper Ausschuß- und Ersatzmänner zu wählen hat. Das ist durchweg so. Bei uns hat man gleich von Anfang an die Sache etwas erweitert und die Ziffer auf das dreifache gestellt. Bei dem ist es auch geblieben bis — ich werde darauf später zu sprechen kommen. Das ist eine Cardinal-Thatsache, meine Herren, die nicht zu übersehen ist. (Martin Thurnher: Das wissen wir schon.) Ein zweiter Cardinalpunkt, den die Gemeindeordnung und in weiterer Consequenz die Gemeindewahlordnung überall enthält, ist der, daß die Zahl der Ersatzmänner nur die Hälfte der zu wählenden Ausschußmänner in Niederösterreich gar nur ein Drittel beträgt. In keinem der Kronländer, wo doch auch Leute sind, die etwas verstehen und allerlei Wünsche haben, ist es Jemanden eingefallen an diesen zwei Grundsätzen eine Änderung vorzunehmen. Es wäre auch gewiß dem Landtage von Vorarlberg nicht eingefallen an diesem Gesetze in dieser Beziehung eine Änderung vorzunehmen, wenn nicht die Wahlen von Dornbirn immer und immer wieder den Anlaß hiezu gegeben hätten, und Dornbirner, welche Mitglieder des Landtages sind und auch andere Dornbirner dies angeregt hätten. Meine Herren 1 Zu Ende der 60er Jahre ist in Tirol eine politische Compagnie aufgetreten — Greuter, Moriggl und Comp. — die hat das Bedürfnis empfunden im Lande Tirol eine clerikale Partei ins Leben zu rufen. Meine Herren! Zu „Gog" gehört „Magog". Die Schaffung einer clerikalen Partei hatte nichts natürlicheres zur Folge, als daß auch eine anticlerikale Partei auftrat. Sie ist auch bei uns XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session, 7. Periode 1891/92. 187 ausgetreten und besteht seit dieser Zeit. Und wie das Parteileben im allgemeinen in Dornbirn am meisten und am lebhaftesten Ausdruck findet und zu den lebhaftesten Kämpfen Anlaß giebt, so hat sich auch in Dorbirn in dem Momente, in welchem das Parteileben entstand, eine clerikale und eine liberale Partei herausgebildet. Ich glaube es war im Jahre 1870, in welchem in Dornbirn ganz besonders lebhaft gekämpft wurde und wer diese Kämpfe mitgemacht hat, dem werden sie noch in unangenehmer Erinnerung sein. Die Wahlen vom Jahre 1870 haben begreiflicherweise jene Herren, welche Ihrer Partei in Dornbirn angehörten und auch im Landtage einen Sitz einnahmen, veranlaßt sofort im Landtage auf eine Abänderung der Wahlordnung hinzuwirken. Das war der Herr Dr. Ölz; eine Petition des Casino in Höchst hat dazu die scheinbare Anregung geben müssen. (Mart. Thurnher: Höchst ist nicht Dornbirn.) Es kommt später auch noch Gaißau. (Nägele: Da kann man sich noch etwas einbilden. ) — (Heiterkeit.) Diese Wahlordnung, welche unter der Führung des Herrn Dr. Ölz verfaßt und vom Landtage angenommen, aber nicht sanctioniert wurde, hat sehr einschneidende Grundsätze beobachtet. (Martin Thurnher: Diese Wahlordnung wäre schon recht gewesen.) Ja ich bin zum Theil auch damit einverstanden. Die Grundsätze dieser Wahlordnung wären sehr einschneidend gewesen: z. B. die Aufhebung des Wahlkörpersystems. (Bravorufe.) Das ist anderswo auch schon angeregt worden; bei dem gegenwärtigen Bestände der Reichsgesetzgebung ist dies aber einfach unthunlich. (Martin Thurnher: Man kann nicht anders, machen Sie es anders.) Die Herren von der Majorität haben im Reichsrathe durch lange Zeit die Macht gehabt, warum haben Sie diese Grundsätze nicht abgeändert? (Johann Thurnher: Wir haben die Macht gehabt, nein!) Ja, Sie haben die Macht gehabt vom Jahre 1879 bis zum Jahre 1890, warum haben Sie dieselbe nicht benützt? (Johann Thurnher: Das war immer nur eine falsche Meinung.) Gehen wir nun auf die Hauptsache über. Es ist nothwendig, meine Herren, auf die Einzelnheiten etwas näher einzugehen um ein richtiges Bild über die Machinationen der clerikalen Partei zu bekommen, welche sich hier in diesem Hause abgespielt haben. Im Jahre 1873 hatten wir wieder Gemeindewahlen; ebenso in den Jahren 1876, 1879, 1882, 1885 und 1889; im Jahre 1876 kam eine Petition des Dornbirner Casino zum Landtage; 1877 kam ein Antrag des Herrn Johann Thurnher betreffend die Gemeindewahlordnung; 1878 ist wieder ein Antrag Ölz gekommen; 1879 das Dornbirner Casino wegen Revision der Gemeindewahlordnung; 1881 kam dann wieder eine Vorlage des Landesausschusses, es wurde aber nichts ausgeführt; 1882 endlich bekam die Sache einen andern Lauf. (Martin Thurnher: Jetzt wird es besser.) Von diesem Moment an tritt Herr Martin Thurnher auf den Schauplatz, (Martin Thurnher: Sehr richtig.) und greift in die Sache sofort ein. Herr Mart. Thurnher hat es zuerst in dieser Action so gemacht, wie er es in gewisser Hinsicht bei der Reclamation gemacht hat. Am 10. Mai des Jahres 1882 kam ein interessanter Gesetzentwurf, der nur den § 15 im Auge hatte. Da wird von Hrn. Mart. Thurnher und Genossen beantragt: der I. Wahlkörper soll den zehnten Theil sämmtlicher Wahlberechtigter enthalten. (Martin Thurnher: Das wäre nicht zu viel.) Herr Martin Thurnher sagt in seinem Berichte, daß das eine ganz unwesentliche Änderung sei. (Martin Thurnher: Er begründet es auch.) Die Regierung ist aber anderer Ansicht gewesen; ich werde auch zeigen, daß es nicht so unwesentlich gewesen ist. Es hat schon Herr Karl Ganahl, der damals Mitglied des Landtages war, diese Kühnheit muß ich sagen — ich will mich eines parlamentarischen Ausdruckes bedienen — diese Kühnheit gebrandmarkt. „Eine unwesentliche Änderung" nennt das der Berichterstatter!, sagt Karl Ganahl. Ist das eine unwesentliche Änderung — wir wollen nicht weiter ausgreifen und zunächst nur bei Dornbirn bleiben, es handelt sich ja immer nur um Dornbirn — wenn die Ziffer der Wähler sich von 45 auf 249 erhöht? Das nennt Herr Martin Thurnher für den I. Wahlkörper eine unwesentliche Änderung. 188 XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. H. Session, 7. Periode 1891 /92. (Martin Thurnher: Ich hatte das ganze Land im Auge.) Dornbirn hatten Sie im Auge, das Land hat nichts gefordert, das Land hat kein Bedürfnis gehabt nach einer neuen Wahlordnung — Gaißau allerdings auch. (Heiterkeit.) Von dieser Änderung hätten allerdings auch andere Gemeinden etwas empfunden z. B. Hohenems wäre von 45 Wählern auf 119, Feldkirch von 36 auf 62, Rankweil von 36 auf 72 gestiegen, nun das ist aber alles nur Nebensache, man hatte immer nur Dornbirn im Auge. Die Regierung hat diesen Gesetzentwurf nicht sanctioniert und sagt — es ist dies in den Beilagen des bezüglichen Berichtes des Landesausschusses zu lesen — unter anderem folgendes: „Aus diesen Daten glaubte die Regierung annehmen zu müssen, daß durch den in Vorschlag gebrachten Modus ein Mißverhältnis in der bisherigen Vertheilung der Gesammtsteuer auf die einzelnen Wahlkörper der betreffenden Gemeinden herbeigeführt würde und zwar vorzüglich bei der Gemeinde Dornbirn. Dies sei mit dem Prinzipe, daß die Gemeindevertretung mit gebührender Rücksicht auf die Sicherung der Interessen der Höherbesteuerten zu bilden und die thunlichst gleichmäßige Vertheilung der durch die Wahlberechtigten representierten Steuersumme auf die einzelnen Wahlkörper anzustreben sei, unvereinbar." So sagt die Regierung. Sie hat offenbar die Pläne durchschaut und gefunden, daß das Mißverhältnis ein ganz enormes ist. Nach dem Grundsätze, welcher im Artikel XI des Reichgesetzes vom März 1862 betreffend die Regelung des Gemeindewesens ausgesprochen ist, muß dahin getrachtet werden — wie die Regierung eben andeutet — daß die Steuersumme in den einzelnen Wahlkörpern nicht gar zu weit von einander absteht. Durch die von Herrn Martin Thurnher beantragte „unwesentliche" Änderung würde aber in Dornbirn die Steuersumme des I. Wahlkörpers auf 73 1/2% steigen, wäürend sie für den II. und III. Wahlkörper auf nur 13% zu stehen gekommen wäre. Das soll also eine „unwesentliche" Änderung sein, die der Herr Martin Thurnher da im Auge hat? (Martin Thurnher: Verhältnismäßig schon.) Gegenüber der Ablehnung der Regierung ließ man sich erweichen und hat im nächsten Jahre den § 15 etwas modifiziert, man ist von 10 auf 20 heruntergestiegen und hat gesagt, wenn der I. Wahlkörper nicht wenigstens den 20. Theil sämmtlicher Wähler enthält u.s.w. Man hat also mit sich markten lassen. Aber auch da hat die Regierung noch nicht einsehen können, daß das richtig ist. In andern Dingen sind die Herren doch geneigt der Regierung eine gewisse Einsicht zuzugestehen. Die Änderung, die Herr Mart. Thurnher im Jahre 1883 vorgeschlagen hat, nämlich mit dem 20. Theile, hätte den Effect gehabt, daß in Dornbirn die Wählerzahl von 45 auf 125 gestiegen wäre. Nun das ist schon etwas weniger. Er sagt in seinem Berichte wieder, das sei eine „unbedeutende" Änderung und ein billiges Verlangen. Nun bei der clerikalen Partei ist das natürlich ein billiges Verlangen — Andere haben aber auch noch dazu etwas zu reden. Er sagt weiter noch „ein praktisches Bedürfnis". Das ist doch eine Heuchelei. Von keiner Seite ist so etwas im Lande ausgesprochen worden, sondern das war lediglich eine Entdeckung des Dornbirner Casino und seiner Protectoren. Die Regierung hat dies aber auch nicht sanctioniert, sondern hat ausdrücklich erklärt, daß sie ein praktisches Bedürfnis zu dieser Änderung nicht erkenne und weist dann auch auf Artikel 11 des Grundgesetzes vom 2. März 1862 hin. Vom Jahre 1883 auf das Jahr 1884 hat sich dann eine Änderung vollzogen, die allerdings für diese Wahlbestrebungen günstiger gewesen ist. Der Herr Karl Ganahl ist vom Schauplatze dieses Hauses, in welchem er mit Ehren vom ersten bis zum letzten Tage mitgewirkt hat, abgetreten und auch der Herr von Tschavoll. Auch den Herrn Notar Gilm und den Herrn Dr. Schmadl, welche, wie aus den betreffenden Berichten mit Grund zu entnehmen ist, den Reformbestrebungen, die in den Jahren 1882 und 1883 stattgefunden haben, nicht günstig gestimmt waren, hat man beseitiget und dafür gesorgt, daß folgsamere Herren in diesem Hause Platz nehmen, damit diese Dinge einen besseren Fortgang bekommen, als es bis dahin der Fall war. Ich muß leider zugeben, die Herren, welche an Stelle der Herren Ganahl und Tschavoll auf dieser Seite des Hauses Platz nahmen, haben ihre Stellung nicht mit jener Aufmerksamkeit vertreten, welche diese Angelegenheit verdient hätte, und welche von XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session, 7. Periode 1891/92. 189 Seite dieser Herren in Vertretung eines großen Theiles des Landes Vorarlberg und einer großen Anzahl von Gesinnungsgenossen hätte beobachtet werden sollen. Im Jahre 1884 tritt die Gemeinde Gaißau aus den Schauplatz. Es ist nämlich diesmal von Gaißau aus die Abänderung der §§13 und 15 beantragt worden; in diesem Gaißau müssen furchtbare Zustände gewesen sein, daß man sich selbst dort bewogen gefunden hat, für die Abänderung dieses Paragrafen einzutreten. (Nägele: So schlimm, wie in Dornbirn wars bei uns nicht.) — (Heiterkeit.) — Mit dem Eintritt von Gaißau in die Schlachtlinie ist die Sache zu Gunsten dieser Herren entschieden worden. Ich muß noch bemerken, daß in allen Berichten, welche für diese Reformvorlage in den betreffenden Protokollen enthalten sind stets der Herr Martin Thurnher aus Dornbirn als Berichterstatter functioniert, ein einzigesmal — ich erinnere mich daran — war nicht der Herr Martin Thurnher Berichterstatter, sondern der sel. Herr Schneider, Martin Thurnher war aber Obmann. (Martin Thurnher: Auch etwas!) Ja, auch etwas. Der Antrag des Herrn Nägele wurde berathen und es sind dann auch die §§ 13 und 15, womit die Anzahl der Wahlberechtigten des ersten Wahlkörpers bis auf das sechsfache gesteigert wurde, in ihrer jetzigen Fassung im Landtage angenommen worden. Der Herr Dr. Fetz hat gegen die Annahme dieser beiden Paragrafen allerdings einiges vorgebracht, er schließt aber mit den Worten, daß das was er gesagt habe nichts weniger als eine Polemik gegen das Gesetz sein soll. Nun sanfter als es mit diesen Worten der Fall war, kann man wohl nicht Opposition treiben. (Martin Thurnher: Gewiß.) Diesen beiden Paragrafen ist dann auch die Sanction ertheilt worden. Die Regierung hat auf einmal ihre bisherige Auffassung verlassen und ist der des Herrn Martin Thurnher beigetreten. Ich halte das nicht für recht. Man hat aber das Bedürfnis empfunden noch weiter zu gehen. Man hat gefunden, daß sich die Ziffer im I. Wahlkörper noch etwas verstärken ließe, wenn man die Zahl der Ersatzmänner vermehren würde. Matematisch ist das vollkommen richtig, selbst Adam Riese hätte das herausgefunden. Die Zahl der Ersatzmänner war bis dorthin für jede Gemeinde vollkommen ausreichend — wir haben halbsoviel Ersatzmänner gehabt als Ausschußmänner — aber um dieses Zweckes willen, nicht um einen praktisch vorliegenden Bedürfnisse zu entsprechen ist beschlossen worden die Ersatzmännerzahl zu verdoppeln. Damit aber nicht genug hat man noch ein drittes Mittel erfunden, ein hübsches Mittel, man hat beschlossen den § 14 der Gemeindewahlordnung dahin abzuändern, daß sämmtliche Wähler, welche im § 1 Zl. 2 a-F ausgeführt sind in beii I. Wahlkörper kommen. Nun das wäre an sich grundsätzlich nicht so sehr anzufechten. Einerseits hat ja, wie im Berichte erwähnt ist und wie alle, welche den alten Bericht eingesehen haben, wissen werden, auch die Regierungsvorlage vom Jahre 1863 diesen Standpunkt eingenommen. (Martin Thurnher: Was wollen sie also noch mehr.) Lassen sie mich ausreden — warten sie bis ich fertig bin. Ich habe mich überzeugt, daß auch in den meisten übrigen Kronländern ähnliche Einrichtungen sind. Das ist also weniger heftig anzufechten, aber anzufechten ist es doch und zwar aus folgendem Grunde. Man hat — es ist dies wohl absichtlich geschehen — sich die Consequenzen dieser Einrichtung nicht gezogen, man hat im Berichte eine Menge kleiner Gemeinden aufgeführt, das macht ja nichts, man hat aber — ich weiß nicht ist es absichtlich oder unabsichtlich geschehen; ist es absichtlich geschehen, so ist es verwerflich, ist es unabsichtlich geschehen so ist es eine unverantwortliche Nachlässigkeit — übersehen, daß dieser § 14 in der neuen Fassung zur Folge hat, daß in Feldkirch, also in einer Vorarlbergischen Gemeinde der I. Wahlkörper, geradezu zur Karikatur entstellt wird. Der I. Wahlkörper dort hat zufolge dieser Änderungen doppelt so viele Wähler bekommen als der II. und bei der großen Anzahl der persönlich Wahlberechtigten in Feldkirch ist noch der weitere Erfolg erzielt worden, daß ihre Ziffer jene der eigentlichen Steuerranten überwiegt. Das ist geradezu ein Verstoß gegen das Reichsgesetz und es ist vollständig unbegreiflich wie das Ministerium einen solchen Gesetzentwurf so leichthin 190 XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session, 7. Periode 1891/92. hat annehmen und zur Sanction empfehlen können. Wenn man auf das Bedacht genommen hätte, meine Herren, so hätte man eine Correctur machen können. In der Gemeinde-Wahlordnung von Mähren z. B. ist die Vorsorge getroffen, daß die Zahl der persönlich Wahlberechtigten, die Zahl der Höchstbesteuerten nicht übersteigt. Es ist dort gesagt, daß, wenn die Zahl der persönlich Wahlberechtigten die Zahl der Höchstbesteuerten übersteigen sollte, so wird die Überzahl aus dieser Kategorie herausgeschoben und in den II. Wahlkörper versetzt. Wenn diese Correctur angebracht worden wäre, so hätte sich dieses Gesetz für das hohe Haus und für die Regierung noch rechtfertigen lassen, so aber muß man sagen, daß beide Theile ganz entschieden gesetzwidrig vorgegangen sind. Nach allen diesen Vorkommnissen ist es ja begreiflich, daß die Gegenpartei, welche da beobachtet haben muß, daß diese Stelle fortwährend jahraus jahrein dazu benützt und mißbraucht wird um in Dornbirn im II. Wahlkörper eine Änderung hervorzubringen, auf Gegenwehr denkt und so ist es auch erklärlich, daß diejenigen, welche glauben, daß sie durch solche Machinationen in ihren Wahlinteressen geschädiget werden, auch zu Mitteln greifen, die nicht in der Ordnung sind. Eine Sünde ruft die andere hervor. Aus diesen Gründen muß ich meine Parteigenossen in ihrem Vorgehen, wenn es so stattgefunden haben sollte, wie der Herr Martin Thurnher behauptet, bewiesen hat er nichts, behauptet aber sehr viel — in dieser Richtung in Schutz nehmen. Meine Herrn! Eine Partei, welche mit vollem Bewußtsein, ich sage mit vollem Bewußtsein unter allerlei Angaben die eigenen Machinationen hier im Hause und vor der Regierung verdeckt, diese hat am allerwenigsten Ursache hier als Klägerin aufzutreten. Die Regierung ist ganz entschieden in dieser Angelegenheit fortwährend falsch unterrichtet worden, schriftlich und wahrscheinlich auch mündlich. Daran zweifle ich nicht. Ich will vorläufig schließen und wie ich schon am Eingänge meiner Rede gesagt habe, werde ich den Anträgen zustimmen, weil ich, begreiflicherweise auch bereit bin dahin mitzuwirken, daß die Moralität des Wahlwesens nicht bemackelt, nicht corrumpiert werde. Bieten Sie uns die Hand, meine Herrn, es sind noch andere Fehler in der Wahlordnung die zu corrigieren wären, da sie fortwährend zu schweren Schädigungen des moralischen Theiles des Wahlrechtes führen. Ich habe davon schon vor zwei Jahren gesprochen. Wenn Sie hier Moral machen wollen, so machen Sie sie auch dort. Wir haben vor zwei Jahren davon gesprochen, daß es im Wahlwesen nichts corrumpierenderes gibt, als das Vollmachtensystem, welches dasselbe beherrscht, wobei es sich um hunderte von Stimmen handelt und mit dem ein Unwesen getrieben wird, gegen welches diese in Verhandlung stehenden Machinationen eine wahre Kinderei sind. Was da geschieht, wissen die Herren aus allen Gemeinden selbst. Jetzt ist der Anlaß die Anregung gegeben, benützen Sie dieselbe um auch da die Immoralität aus dem Wahlwesen hinaus zu schaffen, dann haben sie richtig gehandelt, dann haben Sie ihre Schuldigkeit gethan und wir werden mit Vergnügen mit Ihnen gehen. Johann Thurnher: Ich kann gegenüber den Ausführungen des Herrn Vertreters der Handels- und Gewerbekammer mich ziemlich kurz halten, weil er hauptsächlich sich mit dem Herrn Antragsteller zu schaffen machte und weil ihm dieser nach meinem Dafürhalten die nöthige Antwort nicht schuldig bleiben wird. Ich komme daher nur auf ein paar Sachen zurück. Der Herr Vertreter der Handels- und Gewerbekammer hat auf unsere Macht, nämlich die Macht der Vorarlberger Abgeordneten im Reichsrathe hingewiesen, (Dr. Waibel: Auf die Macht Ihrer Partei.) und damit selbstverständlich nichts anderes meinen können als, daß die Partei, der wir uns in einzelnen Fragen angeschlossen haben, mächtig genug gewesen wäre, um die entsprechenden Änderungen im Gesetze vorzubringen. Der geehrte Herr Abgeordnete der Handels- und Gewerbekammer sollte aber wissen, daß es nicht immer auf die Macht einer Partei ankommt, sondern ganz wesentlich zuletzt auf die Anschauung der hohen Regierung. (Dr. Waibel: Sehr richtig.) Ich glaube, der Herr Dr. Waibel hat das selbst erfahren. In der Gemeindestube von Dornbirn hat er bei verschiedenen Gelegenheiten fortwährend Beschuldigungen gegen den Landtag XVI. Sitzung des Vorarlberger Landtages. II. Session, 7. Periode 1891/92. 191 erhoben, daß derselbe die Polizeistunde nicht ordne, daß er nicht ein Gesetz schasse, welches zu handhaben möglich sei. Als dann die Handelskammer von Feldkirch den Herrn Bürgermeister von Dornbirn in die Gemeindestube sandte, (Dr. Waibel: Das gehört nicht hierher.) so war es begreiflich, daß er einen diesbezüglichen Antrag stellen werde. Das hohe Haus ist darauf eingegangen und hat die Polizeistunde d. h. statt einer Verordnung ein Gesetz geschaffen, die Regierung hat aber dieses Gesetz nicht angenommen und hat gesagt, die Polizeistunde sei ihre Sache. �hnlich verhält es sich mit der hier gemachten Anregung. Der Landtag von Vorarlberg und der Reichsrath können wollen, wenn aber die Regieruug nicht will, so geht es nicht. Eine merkwürdige Anforderung stellt der Herr Abgeordnete der Handels- und Gewerbekammer von Feldkirch an die Herren Pfarrer von Dornbirn und an den Herrn Landeshauptmann: Die geistlichen Herren sollen hübsch fein in der Kirche bleiben oder wenigstens sich nicht in politische Angelegenheiten mischen. (Dr. Waibel: Ganz richtig.) Ich finde es sehr begreiflich für die liberale Partei, daß kaum ein Factor der conservativen Partei ihr so sehr im Wege steht, als der hochwürdige Clerus. (Dr. Waibel: Das ist nicht wahr, nur wenn er Politik treibt.) Ich spreche ja von Politik. (Dr. Waibel: Das ist nicht seine Sache.) Die geistlichen Herren sollen aber nicht blos für ihre Seelsorge da sein, sondern sie sind nach dem Gesetze auch mit politischen Rechten ausgestattet und müssen der Bevölkerung in der Ausübung der politischen Rechte ein gutes Beispiel geben und derselben auch belehrend uud rathend zur Seite stehen. (Martin Thurnher: So ist es.) Nun soll auch der Herr Landeshauptmann, denn man nicht Hochwürden tituliert, (Dr. Waibel: Volksblatt!) seine Stellung als Landeshauptmann fortwährend im Auge haben, und soll auch dann, wenn er in Dornbirn ist, den Landeshauptmann nicht ausziehen dürfen, soll als Bürger von Dornbirn auf die Ausübung von politischen Rechten verzichten, nur weil er jetzt zufällig einige Jahre Landeshauptmann ist. Diese Zumuthung finde ich in beiden Fällen stark, ich finde sie so stark, als wenn wir dem Hrn. Abgeordneten der Handels- und Gewerbekammer zumuthen wollten, daß er in der Landtagsstube gar nie den Bürgermeister von Dornbirn vertreten soll. Das wäre denn doch eine starke Zumuthung, wenn wir ihm gegenüber, das Ansinnen stellen würden, er dürfe über Dornbirn hier nicht reden, weil er Abgeordneter der Handels- und Gewerbekammer ist. Ob aber die Handels- und Gewerbekammer ihn gerade zu dem Zweck gewählt hat um die Interessen der liberalen Partei in Dornbirn zu vertreten und seinen persönlichen Schmerzen rc. hier Ausdruck zu geben, das weiß ich nicht und geht mich auch nichts an. Das werden die 12 Herren der Handelskammer, die ihn gewählt haben, ausgemacht haben. Ich will mich in diese Sache nicht weiter einmischen. Ich komme nun noch auf einen andern Punkt zurück, den uns der Herr Abgeordnete der Handels- und Gewerbekammer als gegen das Gesetz verstoßend bezeichnet hat. Wenn der Landtag von Vorarlberg in § 14, und die Regierung durch die Sanction desselben, einen Zustand geschaffen hat, welcher in Feldkirch bewirkt, daß der erste Wahlkörper mehr Mitglieder hat, als der zweite, so glaube ich, daß er die Prüfung, ob der betreffende Paragraph mit den