18920316_lts009

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Letzte Änderung 03.07.2021, 10:52
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp07,lts1892,lt1892,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

9. Sitzung am 16. März 1892, unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig 19 Abgeordnete. Abwesend die Herren: Kochwürdigster Bischof Dr. Zobl und Dr. Weck. Regierungsvertreter: Derr Statthaltereirath Gras St. Julien-Wallsee. Beginn der Sitzung um 10 Uhr 5 Min. Vormittags. Landeshauptmann: Die Sitzung ist eröffnet. Ich bitte um die Verlesung des Protokolles der letzten Sitzung. (Secretär verliest dasselbe.) Wird von irgend einer Seite gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung erhoben? — " Da dies nicht der Fall ist, betrachte ich dasselbe als angenommen. Es sind mir eine Reihe Einlausstücke zugekommen und zwar: Drei Gesuche der Gemeindevertretungen von Bludesch, Thüringen und Ludesch um Gestattung des Ziegenauftriebes auf Waldweiden — eingebracht durch den Herrn Abgeordneten Rüf. Nachdem alle drei Gesuche ziemlich denselben Inhalt haben, so dürste sich das hohe Haus mit der Verlesung eines dieser Gesuche vielleicht zufrieden geben. (Secretär verliest das Gesuch der Gemeindevertretung von Bludesch.) Ich werde diese drei Gesuche auf die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen stellen. Ferner ist eingelaufen eine Petition der Gemeindevorsteher des Bezirkes Feldkirch um Erwirkung einer Steuerermäßigung für Sticker. (Secretär verliest dieselbe.) Welte: Nachdem in dieser Angelegenheit schon früher an den Landtag eine Eingabe gelangt ist und zur Berathung und Berichterstattung über dieselbe ein specieller Ausschuß gewühlt wurde, und diese Petition nahezu den gleichen Gegenstand betrifft, so beantrage ich die dringliche Behandlung dieses Gegenstandes. 64 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session, 7. Periode 1891/92. Landeshauptmann: Es ist für diesen Gegen* stand die Dringlichkeit beantragt. Wenn keine Einwendung dagegen erfolgt, so betrachte ich diesen Antrag als angenommen. — Er ist angenommen und ich werde am Schlusse der Tagesordnung diese Petition zur formellen Behandlung bringen. Ferner ist eingelaufen eine Petition derselben Gesuchsteller, wegen Bildung eines eigenen Veterinär-Bezirkes für Vorarlberg und Kündigung der Viehseuchen-Convention mit der Schweiz — eingebracht durch den Herrn Abgeordneten Welte. (Secretär verliest dieselbe.) Welte: Es ist dem hohen Landtage bereits eine anderweitige Eingabe, welche denselben Gegenstand betrifft, zugekommen und an einen Ausschuß verwiesen worden; ich beantrage daher auch für diesen Gegenstand die dringliche Behandlung. Landeshauptmann: Der Herr Abgeordnete Welte hat auch für diese Petition den Dringlichkeits-Antrag gestellt. Wünscht Jemand das Wort? — Da dies nicht der Fall ist, nehme ich an, daß das hohe Haus diesem Anträge zustimmt und ich werde auch diese Petition am Schlusse der heutigen Sitzung zur formellen Behandlung bringen. Endlich ist noch eingelaufen eine Petition derselben Gesuchsteller um Erleichterungen im steuerfreien Branntweinverfahren. (Secretär verliest dieselbe.) Ich werde diese Petition auf die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen stellen. Weiters sind mir vor der Sitzung zwei selbstständige Anträge und zwar der Herren Abgeordneten Berchtold und Genossen in Sachen des Projectes einer Localbahn in den Bregenzerwald, und des Herrn Abgeordneten Martin Thurnher und Genossen in Angelegenheit der letzten Dornbirner Gemeindewahlen zugekommen. Martin Thurnher: Ich glaube, man könnte von der Verlesung dieser beiden Anträge Umgang nehmen, da dieselben doch gedruckt den Herren Abgeordneten vorgelegt werden. Dr. Marbel: Ich bitte, doch wenigstens den wesentlichen Inhalt zu verlesen. Landeshauptmann: Die Anträge sind nicht lang, ich ersuche daher um die Verlesung. (Secretär liest den ersteren der Anträge.) Ich werde diesen Antrag in Druck legen lassen und seinerzeit auf die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen stellen. (Secretär verliest den zweiten Antrag.) Ich werde auch diesen Antrag, nachdem er gedruckt sein wird, auf die Tagesordnung einer späteren Sitzung stellen. Der Herr Landeshauptmann-Stellvertreter hat sich telegraphisch wegen dringender Berufsgeschäfte für die heutige Sitzung entschuldigt. Wir kommen nun zur Tagesordnung. Auf derselben steht als erster Gegenstand der Voranschlag der Landes-Irrenanstalt Valdun a pro 1892. Dietrich: Ich beantrage die Zuweisung dieses Gegenstandes an den Finanzausschuß. Landeshauptmann: Der Herr Abgeordnete Dietrich beantragt, diesen Voranschlag dem Finanzausschüsse zuzuweisen. Wenn keine Einwendung dagegen erhoben wird, so betrachte ich den Antrag als angenommen. — Er ist angenommen und es wird die Zuweisung an den Finanzausschuß erfolgen. Der zweite Gegenstand ist das Gesuch der kaufmännischen Genossenschaften in Bregenz, Dornbirn, Feldkirch, Hohenems, Götzis, Schlins und Bludenz wegen Beschränkung des Hausierhandels. Nägele: Ich glaube, daß dieser Antrag sich am besten für den volkswirthschaftlichen Ausschuß zur Berathung und Berichterstattung eignet. Ich stelle daher den Antrag auf Zuweisung desselben an diesen Ausschuß. Landeshauptmann: Es ist seitens des Herrn Abgeordneten Nägele der Antrag auf Zuweisung dieses Gegenstandes an den volkswirthschaftlichen Ausschuß gestellt. Keine Einwendung dagegen betrachte ich als Zustimmung. Sie ist gegeben und ich werde im Sinne des Antrages vorgehen. Der dritte Gegenstand ist das Gesuch des Asyl-Vereins der Wiener Universität um Subvention. Ruf: Ich stelle den Antrag, dieses Gesuch dem Finanzausschusse zur Berathung und Berichterstattung zu überweisen. IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session der 7. Periode 1891/92. 65 Landeshauptmann: Es ist für dieses Gesuch die Zuweisung an den Finanzausschuß beantragt. Wenn Niemand dagegen zu sprechen wünscht, so betrachte ich diesen Antrag als mit Ihrer Zustimmung versehen. Der vierte Gegenstand ist der Act, betreffend den Gesetzentwurf wegen Einführung der Polizeistunde. Fritz: Ich stelle den Antrag auf Überweisung dieses Gegenstandes an den Gemeindeausschuß. Landeshauptmann: Es ist für diesen Gegenstand seitens des Herrn Abgeordneten Fritz die Zuweisung an den Gemeindeausschuß beantragt. Wenn keine Einwendung dagegen erfolgt, so nehme ich an, daß das hohe Haus mit dem gestellten Anträge einverstanden ist. Der fünfte Gegenstand ist das Promemoria des Herrn k. k. Bezirksarztes Dr. Baer, betreffs Ergänzung einiger Bestimmungen der Bauordnung. Welte: Ich glaube, daß dieser Gegenstand zur Vorberathung und Berichterstattung dem Gemeindeausschuß zuzuweisen sei und stelle daher den bezüglichen Antrag. Landeshauptmann: Der Herr Abgeordnete Welte beantragt die Überweisung dieses Gegenstandes an den Gemeindeausschuß. Wünscht hiezu Jemand das Wort? — Da dies nicht der Fall ist, so betrachte ich den Antrag als angenommen und es wird die Zuweisung an den Gemeindeausschuß erfolgen. Der sechste Gegenstand ist der Voranschlag des k. k. Landesschulrathes pro 1892. Wenn das hohe Haus einverstanden ist, so werde ich auch den siebenten Gegenstand dazunehmen, nämlich die Note desselben, betreffs der Rückzahlung, eventuell Verwendung des dem Lehrerpensionsfonde gewährten Vorschusses aus Land es Mitteln. Reisch: Ich glaube, es könnten diese beiden Gegenstände am füglichsten dem landtäglichen Finanzausschüsse zugewiesen werden. Ich stelle daher den bezüglichen Antrag. Landeshauptmann: Der Herr Abgeordnete Reisch beantragt die Zuweisung des sechsten und siebenten Gegenstandes der Tagesordnung an den Finanzausschuß. Keine Einwendung dagegen betrachte ich als Zustimmung. — Sie ist gegeben und es wird die Zuweisung in diesem Sinne erfolgen. Der achte Gegenstand ist der Bericht über die Landesausschußvorlage, betreffend die Förderung des sonntäglichen Fortbildungsunterrichtes durch Verabfolgung von Remunerationen an Lehrpersonen. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Jodok Fink, gefälligst den Bericht vorzutragen. (Fink liest den Bericht, Beilage XIX.) Ich eröffne über diesen Bericht und die am Schlüsse desselben gestellten Anträge die Debatte. Regierungsvertreter: Wenn auch der didaktische und vor Allem der pädagogische Werth der Sonntagsschulen nicht geläugnet werden kann und das Bestreben, die Schulerziehung noch über das schulpflichtige Alter hinaus fortzusetzen, um die in der Volksschule gewonnenen Kenntnisse zu erhalten und zu befestigen, vollster Anerkennung würdig erscheint, so fordern doch einige der Grundsätze, welche im Berichte erwähnt und welche dem Landesausschusse eine gewisse Richtschnur für die Vertheilung der Remunerationen zu geben bestimmt sind, zu einigen Bemerkungen heraus. Diese Grundsätze haben nämlich eine gewisse principielle Bedeutung, indem sie feste Normen für die innere Organisation der Sonntagsschulen vorschreiben und durch die bei Erfüllung gewisser Bedingungen in Aussicht gestellten Remunerationen zur Errichtung solcher Schulen nach diesen Normen gewissermaßen aufmuntern sollen. Vor allem vermisse ich in diesen Grundsätzen ein Moment, welches bei der Berathung im Schulausschusse allseitig ausdrücklich hervorgehoben wurde, nämlich das Moment der Freiwilligkeit mit Ausschluß jedes Zwanges, sowohl bei Errichtung dieser Schulen, als auch bezüglich des Schulbesuches selbst. Noch bedenklicher erscheint die Fassung des Punkt I der Grundsätze, der einfach so lautet: „Die sonntägliche Fortbildungsschule ist im Einverständnisse mit dem Ortsseelsorger zu führen und steht unter dessen Aufsicht." Denn in dieser Fassung wird ausgesprochen, daß die Oberaufsicht der Staatsschulbehörde von Vornherein gänzlich ausgeschlossen sei. Ich wenigstens verstehe es so. Da nun das neue Reichsgesetz vom 25. Mai 1868, Nr. 48 Reichsgesetzblatt, die Competenz der Schulbehörden in allen Fragen des 66 VIII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session der 7. Periode 1891/92. Unterrichts- und des Erziehungswesens normiert und Sonntagsschulen als öffentliche Institutionen zu betrachten sind, so kann die Schulbehörde von dem Rechte der Oberaufsicht auch über diese Schulen nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Weiter entsteht noch die Frage, ob die aufgestellten Grundsätze mit der Bestimmung des § 10 des Gesetzes vom 2. Mai 1883 R.-G.-B. Nr. 53 im Einklang stehen, wornach specielle Lehr- und Fortbildungskurse für die der Schulpflicht nicht mehr unterliegenden Personen mit der Volksschule zu verbinden sind, während hier die Sonntagsschulen von der Volksschule gänzlich getrennt erscheinen. Nachdem nun die mehrerwähnten Grundsätze Bestimmungen enthalten, welche mit der bestehenden Schulgesetzgebung nicht im Einklänge sind und in dem Rahmen derselben nicht wohl eingefügt werden können, wegen welcher auch einem diesbezüglichen, im Jahre 1887 eingebrachten Gesetzentwürfe die allerhöchste Sanction verweigert werden mußte, so halte ich es für meine Pflicht, gegen die, wenn auch nicht directe, so doch indirecte Aufstellung dieser Normen Einsprache zu erheben. Fritz: Bezüglich der Sonntagsschulen möchte ich mir auch einige Bemerkungen erlauben. Die Sonntagsschulen haben im Allgemeinen und von jeher einen wohlthätigen Einfluß auf die der Volksschule entwachsene Jugend ausgeübt. Die Sonntagsschule muß und kann in den meisten Landgemeinden den Fortbildungs-Unterricht ersetzen. Es ist nur schade, daß den Sonntagsschulen der obligatorische Character abgeht und es ist für Manche schwer einzusehen, welche Gründe bestehen, daß den Sonntagsschulen der obligatorische Character verweigert wird. Trotzdem gibt es manche Eltern, welche den Nutzen und die Nothwendigkeit dieses Sonntagsunterrichtes aus eigener Erfahrung kennen und daher ihre der Volksschule entwachsene Jugend recht gerne in die Sonntagsschule schicken, wo sie außer Religion auch noch manch es andere Nützliche lernen, was sie dann im späteren Leben recht wohl brauchen können In der Schule sind die jungen Leute gut aufgehoben, sie stehen dort unter Aufsicht und es unterbleibt auf diese Weise manches Bubenstückchen. Ich begrüße also diese Vorlage und hoffe, daß dieselbe für Viele eine Anregung sein wird, die Sonntagsschulen zu fördern und zu unterstützen und auch dort einzuführen, wo solche noch nicht bestehen. Dr. Waibel: Geehrte Herren! Sie werden sich erinnern, daß ich in der zweiten Sitzung in Rücksicht auf die Unfreundlichkeit, welche Sie bezüglich der Wahl der Ausschüsse uns gegenüber bewiesen haben, die Erklärung abgegeben habe, daß ich mich, was die Wahlen betrifft, an Ausschüssen weder activ noch passiv betheiligen werde. Dessenungeachtet hat die Majorität des Landtages es für gut befunden, mich in den Schulausschuß zu berufen. Ich würde der Erklärung gemäß an den Ausschußberathungen nicht Theil genommen haben, aber auf den ausdrücklichen Wunsch meiner Gesinnungsgenossen bin ich in die Sitzungen des Ausschusses eingetreten und habe mich an den Berathungen desselben betheiliget. (Martin Thurnher ruft: Bravo!) Ich habe diese Erklärung den Herren im Ausschüsse gegenüber abgegeben. Bei Berathung des ersten Theiles dieser Anträge bezüglich der Sonntagsschulen habe ich auch die Erklärung abgegeben, und gewiß sind auch meine Gesinnungsgenossen mit mir darin eins, daß wir jederzeit das Bestreben, die Heranwachsende Jugend, auch nachdem sie aus der Volksschule ausgetreten ist, noch weiter pädagogisch und sittlich zu heben, unterstützen — soweit sind wir ja die engsten Freunde und gute Bürger. Ich habe darum, gewiß auch im Einverständnisse mit meinen Collegen gerne dem zugestimmt, daß für diesen Zweck im laufenden Jahre 1000 fl. bewilliget werden. Ich habe aber auch — die Herren, welche sich im Ausschüsse befinden, werden sich daran erinnern — gleich bei Beginn der Berathung gesagt, es wäre zu wünschen, daß die hohe Regierung sich aussprechen möge, was für eine Stellung sie zu diesem Anträge einnimmt. Nun die Stellung, welche die h, Regierung einnimmt, haben sie heute vernommen. Es ist eine Bestimmung des Staatsgrundgesetzes, daß das ganze Unterrichtswesen der Staatsaufsicht untersteht und ein Bestreben, wie es hier vorliegt, sich von der Staatsschulaufsicht vollständig zu emancipieren, scheint mir doch etwas bedenklich. Es freut mich, daß die h. Regierung das Erklären abgegeben hat, wie sie zu der Sache stehe und daß sie nicht geneigt ist, das Aufsichtsrecht des Staates gegenüber den Sonntagsschulen preiszugeben. Gerade dieser Umstand allein bestimmt mich, und ich glaube auch meine Gesinnungsgenossen, dem Anträge auf Errichtung von Sonntagsschulen unter Voraussetzung der Grundsätze, welche in Punkt 1—5 des Berichtes aufgeführt sind, die Zustimmung nicht zu geben. IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session der 7. Periode 1891/92. 67 Ich kann nicht umhin, noch zu bemerken, daß ich auch aus einem anderen Grunde mit Berechtigung gegen diesen Antrag Stellung nehme. Es handelt sich hier gewiß vorwiegend um ein Institut, welches den Landgemeinden zu Gute kommt. Nachdem die Herren aber auf dem gewiß sehr berechtigten Wunsche der Stadtgemeinden und der Gemeinde Dornbirn um Förderung ihrer im gleichen oder noch weiteren Sinne gerichteten Bestrebungen — ich möchte fast sagen, feindselig entgegengetreten sind — so hätte ich gewiß die Berechtigung auch hier den Landgemeinden gegenüber zu sagen: Nehmt aus der Landeskasse Geld, so viel Ihr wollt, Ihr habt die Macht dazu, aber wir machen nicht mit. Soweit wollen wir aber nicht gehen, obwohl wir andererseits auch ganz wohl wissen — ich will mich darüber weiter nicht aussprechen — daß hier politische Nebenabsichten nicht zu verkennen sind. Die Herren wissen ganz gut, was ich meine und es freut mich, daß die Erklärung der h. Regierung dies mit in Betracht zieht, wenn auch nicht ausdrücklich, so doch indirect. Große Hoffnungen macht man sich von den Sonntagsschulen, wie aus dem Berichte hervorgeht, überhaupt nicht; es ist ausdrücklich im Berichte gesagt, daß der Ertheilung des Unterrichtes so viele Hindernisse entgegenstehen, daß große Erfolge nicht zu erwarten sind. — Wenn auch kein großer Erfolg zu erwarten ist, so ist das noch kein Grund, nicht wenigstens das Kleine anzustreben. Es wäre dies für mich kein Hindernis, diesem Bestreben die Unterstützung zu geben. Ich finde hier noch einen andern Punkt, über den ich mich auch aussprechen will. Es heißt hier: „Durch diesen am Sonntag Nachmittag stattfindenden Unterricht werden die der Volksschule Entwachsenen vom allzufrühen Besuche des Wirthshauses und von mancherlei anderen, ihrer sittlichen und religiösen Entwicklung drohenden Gefahren abgehalten." Ich weiß nicht, ob das erreicht wird; daß es angestrebt wird, ist gut und ich bin damit einverstanden, aber dann sollte auch von gewisser Seite fernerhin etwas vermieden werden, was wir sehr oft zu beobachten Gelegenheit haben, nämlich, daß gerade jene Partie, welche diese Anträge stellt, durch ihre Familienabende, Kasinos und Feste die Jugend frühzeitig lehrt, Gasthäuser zu besuchen. (Heiterkeit rechts.) Das stimmt nicht gut überein. Ich gehe nun zum zweiten Theile des Antrages über, zu den landwirthschaftlichen Fortbildungsschulen. Ich begrüße es, daß die Anregung, die ich vor zwei Jahren gegeben habe und die ich in der ersten Sitzung des Schulausschusses wieder gebracht habe, Gehör gefunden hat und daß man geneigt ist, diese Schulen aus Landesmitteln zu unterstützen mit einem Gesammtbetrage von 200 fl. Ich mache auch darauf aufmerksam, daß die Unterrichtsverwaltung diese Schulen ebenfalls mit namhaften Beiträgen unterstützt. Wie der Herr Regierungsvertreter die Güte hatte, im Ausschüsse uns mitzutheilen, ist im letzten Jahre die Summe von 300 fl. von Seite des Staates für diese Schulen bewilligt worden. Wir haben nun zwei Quellen, aus welchen die Unterstützung für diese gewiß sehr nützlichen und alle Förderung verdienenden Unternehmungen fließt. Nun muß man sich aber doch fragen, in welcher Weise die Vertheilung dieser Beiträge zweckmäßig zu veranstalten ist. Der Landesausschuß nimmt für seine 200 fl. die Disposition ganz für sich allein in Anspruch. Der Landesschulrath begreiflicher Weise auch. Es wäre aber doch zweckmäßig, wenn in irgend einer Weise bei Vertheilung der Subventionen eine gemeinsame Action ermöglicht werden könnte. Ich habe deshalb einen entsprechenden Antrag gestellt. Wenn ich diesen Antrag aber näher ansehe, so will er mir in dieser Form doch nicht ganz convenieren und ich habe es rathsam gefunden, denselben einigermaßen abzuändern. Es ist im Schulausschusse betont worden, daß mein Antrag einseitig sei, indem er blos den Landesausschuß auffordere, sich bei Vertheilung der Subventionen an den Landesschulrath zu wenden, eine Reciprocität bei der Vertheilung sei damit nicht gegeben. Ich glaube, wenn ich diesen Antrag fallen lasse — und ich lasse ihn fallen — und ihn anders stilisiere, so würde diesem Bedenken entsprochen werden. Mein Antrag würde nunmehr so lauten: „In Rücksicht auf den Umstand, daß die landwirthschaftlichen Fortbildungsschulen auch vom Staate jährliche Unterstützungen im Betrage von mehreren Hundert Gulden genießen, soll Veranstaltung getroffen werden, daß die Staats- und Landes-Unterstützung der gewerblichen Fortbildungsschulen im gemeinsamen Einvernehmen zwischen dem k. k. Landesschulrathe und dem Landesausschusse zur Vertheilung gelangt." 68 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session der 7. Periode 1891/92. Ich empfehle den Herren die Annahme dieses Antrages und ich bin überzeugt, daß der Landesschulrath demselben nicht feindselig entgegentreten, sondern es zweckmäßig finden wird, im Sinne dieses Antrages zu verfahren. Hiemit schließe ich. Landeshauptmann: Wenn ich den Herrn Vorredner richtig verstanden habe, so zieht er den Minoritätsantrag zu Gunsten dieses Antrages zurück. Dr. Waibel: Ich habe schon erklärt, daß ich den einen Antrag fallen lasse und ich bitte, diesen Antrag zur Abstimmung zu bringen. Johann Thurnher: Ich wende mich zunächst gegen ein paar Ausführungen des Herrn Regierungsvertreters. Derselbe vermißt in dem gegenwärtigen Berichte und Anträge die deutliche Hervorhebung der Freiwilligkeit der sonntäglichen Fortbildungsschulen, welche da vom Lande remuneriert und unterstützt werden sollen. Es ist richtig, daß, wenn man blos die 4—5 Grundsätze, nach welchen die sonntäglichen Fortbildungsschulen unterstützt werden sollen, an und für sich liest, dieselben einem etwas apodiktisch vorkommen, und es mag bei der Lectüre dieser fünf Punkte erscheinen, als wäre der Besuch dieser Fortbildungsschulen nicht ein freiwilliger wäre. Die ganze übrige Textierung des Berichtes aber läßt nicht undeutlich erkennen, daß man es hier mit der Unterstützung freiwilliger Fortbildungsschulen zu thun hat und daß auch der Besuch dieser Schulen nur ein freiwilliger sein kann. Den Bedenken des Herrn Regierungsvertreters in dieser Beziehung wäre vielleicht vollkommen abgeholfen, wenn auch die Grundsätze mit einem „wenn" oder im Fall, daß das und das geschieht, eingeleitet worden wären. Der Antrag des Landesausschusses bezweckt eine Förderung der sonntäglichen Fortbildungsschulen, er nimmt also den Bestand solcher Fortbildungsschulen als gegeben und zur Förderung des Unterrichtes an solchen Fortbildungsschulen soll ein Gesammtbetrag von 1000 fl. aus Landesmitteln verwendet werden. Also mehr, als eine bloße Förderung des schon bestehenden Zustandes ist im Anträge selbst nicht ausgesprochen, und was die Aufstellung der Grundsätze anbetrifft, so ist nur für die Vertheilung solcher Remunerationen eine grundsätzliche Norm für den Landtag vorgeschrieben worden. Es hätte anstatt der apodiktischen Textierung: „1. Die sonntägliche Fortbildungsschule ist im Einverständnisse mit dem Ortsseelsorger zu führen und steht unter dessen Aufsicht" — ebenso gut auch heißen können: 1. Die Unterstützung an sonntägliche Fortbildungsschulen ist zu verabfolgen, wenn dieselben im Einverständnisse mit dem Ortsseelsorger geführt werden und unter dessen Aufsicht stehen; 2. wenn der Unterricht durch den Ortsseelsorger und eine andere hiezu geeignete Lehrperson besorgt wird. Falls sich hierzu eine Lehrperson nicht finden sollte, so kann der Unterricht auch vom Ortsseelsorger (Katechet) allein ertheilt werden. 3. Die sonntäglichen Fortbildungsschulen werden unterstützt, wenn die Unterrichtsstunden sich an den nachmittägigen Gottesdienst anschließen. 4. Die sonntäglichen Fortbildungsschulen werden unterstützt, wenn der Unterricht nur an solche, die aus der Volksschule entlassen wurden, getrennt nach Geschlechtern ertheilt wird. 5. Die sonntäglichen Fortbildungsschulen werden unterstützt, wenn dem Landesausschusse die Verzeichnisse der Schüler, der Nachweis über die Unterrichtsstunden, deren Frequenz und der behandelte Lehrstoff, sowie etwaige besondere Wahrnehmungen bei Vorlage der Remunerationsgesuche bekannt gegeben werden. Nachdem hier aber nur Grundsätze für den Landesausschuß gegeben worden sind, unter welchen Bedingungen er solchen Schulen Unterstützungen gewähren könne, so ist dem Charakter der Freiwilligkeit des Besuches solcher sonntäglicher Fortbildungsschulen nicht der geringste Eintrag gethan. Was die Oberaufsicht des Staates über diese Schulen betrifft, welche der geehrte Herr Regierungsvertreter hier nicht ausdrücklich angeführt findet, so ist zu bemerken, daß bisher die Behörden des Landes, weder die Schulbehörde noch die politische Behörde, an dem Bestände der sonntäglichen Fortbildungsschulen etwas gefunden haben, was zu einem Einschreiten der bezüglichen Behörden Anlaß gegeben hätte. Es ist die allgemeine Aufsicht dieser Behörden in den Staatsgesetzen den Sonntagsschulen gleich anderen Dingen gegenüber vollständig gewahrt und auch hier in dieser Förderung der sonntäglichen Fortbildungsschulen keineswegs beabsichtiget, n. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session der 7. Periode 1891/92. 69 etwas anderes zu verlangen. Also fallen auch diese beiden Bedenken des Herrn Regierungsvertreters nach meiner Ansicht vollständig weg. Wenn ich mich zu den Ausführungen meines geehrten, unmittelbaren Vorredners, des Herrn Abgeordneten der Handels- und Gewerbekammer wende, so ist mir vor allem das Schwanken seiner Haltung auffällig, welche er heute diesem Anträge gegenüber einnimmt, im Vergleiche zu der Haltung, welche er anfangs im Schulausschusse zu demselben eingenommen hat. Ich bin nicht Mitglied dieses Ausschusses, ich war aber so frei, von der Geschäftsordnung Gebrauch machend, als Zuhörer diesen Verhandlungen beizuwohnen und habe mich gefreut, daß der Herr Dr. Waibel ausdrücklich erklärt hat, er werde, wenn es nothwendig fallen sollte, diesen Antrag auch im hohen Landtage vertreten, freilich unter den Voraussetzungen, die er jetzt selbst berührt hat. Aus den Sitzungen des Schulausschusses will ich aber weiter nichts berühren, weil dies Aufgabe derjenigen sein wird, welche Mitglieder desselben waren, nur auf eine Erscheinung im Landtage selbst möchte ich noch reagieren, nämlich darauf, daß dem geehrten Herren Abgeordneten der Handels- und Gewerbekammer die Kasino und die Familienabende so furchtbar im Magen liegen, (Heiterkeit) daß er, nachdem er letzthin schon reichlich Gelegenheit fand, sich gewisser seinen Magen verderbender Stoffe zu entledigen, heute noch immer den Magen derart verdorben hat, daß er immer und immer wieder auf dieselben zurückkommt. Den Ausführungen des Herrn Vorredners über die sachliche Seite dieser beiden Anträge, daß nämlich, weil aus zwei Quellen Unterstützungen für diese Fortbildungsschulen fließen, auch beide betheiligten Behörden bezüglich der Vertheilung dieser Unterstützungen in Contact treten sollen, erlaube ich mir zu bemerken, daß an und für sich dieser Antrag sich gar nicht so übel anhört, aber ich mnß dem Herrn Vorredner doch aufmerksam machen, daß wir zum voraus noch nicht wissen können, welche Grundsätze der Landesausschuß für die Vertheilung der ihm bewilligten Summe von 200 fl. an die landwirthschaftlichen Fortbildungsschulen aufstellt. Es könnte ja sein, daß die von ihm aufzustellenden Grundsätze mit jenen des Landesschulrathes im Widerspruch stehen nnd wäre das der Fall, dann würde man sich wahrscheinlich unnothwendig bemühen, sich zu einigen; ist das aber nicht der Fall, dann ist es dem Landesausschusse möglich, beim Landesschulrathe sich auch ohne Auftrag des hohen Landtages zu erkundigen, welche Fortbildungsschulen dort bedacht werden, damit man nicht allenfalls unnothwendiger Weise die eine doppelt und die andern gar nicht unterstützt. Ich glaube, ein diesbezüglicher Auftrag an den Landesausschuß ist nicht nothwendig und ich werde daher diesen Abänderungsantrag, wie er heute vorgebracht worden ist, bei der Abstimmung meine Zustimmung nicht ertheilen. Berchtold: Ich habe zu diesem Gegenstand eigentlich nur mehr sehr wenig zu bemerken, nachdem bereits mein unmittelbarer Herr Vorredner deutlich und klar sich ausgesprochen hat, wenn es etwa den einen oder anderen Anstand geben sollte. Ich möchte nur noch darauf aufmerksam machen gegenüber den Erklärungen des Herrn Regierungsvertreters, daß diese sonntäglichen Fortbildungsschulen nicht außerhalb des Rahmens der allgemeinen Schulgesetze gestellt werden. Das wollen wir mit den Grundsätzen, die im verlesenen Berichte enthalten sind, durchaus nicht. Diese Grundsätze haben nicht die Bedeutung eines Gesetzes, sie sind nur Andeutungen, wie schon der Herr Vorredner gesagt hat, an die sich der Landesausschuß bei Verabfolgung der etwa votierten Summe zu halten hätte. Im Übrigen ist dasjenige, was wir hier fördern und unterstützen wollen, gar nichts Weiteres, als was bisher in Vorarlberg in sehr vielen Gemeinden thatsächlich schon besteht. Wie schon der Herr Vorredner gesagt hat, ist der Unterricht ein freiwilliger und so lange nicht ein Gesetz die sonntäglichen Fortbildungsschulen für obligatorisch erklärt, bleibt der Unterricht ein freiwilliger. Was das Aufsichtsrecht des Staates über die Schulen anbelangt, so kann ich mir nicht vorstellen, daß dasselbe hiedurch gefährdet sein sollte. In diesen Grundsätzen sind ja nur gewisse Gesichtspunkte betont, an welche sich der Landesausschuß bei Vertheilung der Beiträge halten wird. Ich sehe nicht ein, warum auch in diesen Grundsätzen ausgesprochen sein soll, daß auch hier das allgemeine Aufsichtsrecht der Regierung gewahrt wird. Das allgemeine Aufsichtsrecht der 70 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session der 7. Periode 1891/92. Regierung ist am Ende überall gewahrt, so lange die Anwendung desselben nicht bestritten wird. Die Anwendung ist aber nicht in der Weise zu verstehen, daß z. B. ein Hausvater, der seine halberwachsenen Söhne versammelt, um ihnen in diesen oder jenen Gegenständen Unterricht zu ertheilen, verhalten wird, dies der Regierung anzuzeigen, damit dieselbe ihr Aufsichtsrecht ausüben könne. Übrigens ist schon im Berichte ausgesprochen, daß diese Schulen nicht so sehr einen didaktischen, als vielmehr einen pädagogischen Zweck erfüllen. Ich kann mir, wie gesagt, nicht vorstellen, daß dadurch, daß in einer Gemeinde der Seelsorger die der Schule entwachsene Jugend auch noch nach dem Austritte aus derselben einigermaßen in moralischer Beziehung überwacht, das allgemeine Aufsichtsrecht des Staates über die Schulen verletzt wird. Das, was wir hier nicht so fast neu anstreben als vielmehr befördern und unterstützen wollen, ist in vielen Gemeinden heute thatsächlich schon bestehend und darum möchte ich die Herren dringend ersuchen, die vom Schulausschusse gestellten Anträge anzunehmen. Dr. Waibel: Ich möchte nur noch eine kurze Bemerkung machen. Herr Johann Thurnher ist außerordentlich erregt darüber, daß ich heute wieder, wie bei Berathung des Jagdgesetzes, den Besuch der KasinoWirthschaften hereingezogen habe. Damit steht es so. Ich huldige im Wesentlichen dem Grundsätze Friedrich II. des Großen, der gesagt hat: In meinen Staaten soll Jeder nach seiner Fa^on selig werden. Ich habe den Grundsatz: In meiner Gemeinde soll sich am Sonntage Jeder unterhalten, wie er anständiger Weise nach seiner Facon sich zu unterhalten wünscht. Ich habe dagegen absolut nichts einzuwenden. Aber es scheint mir doch als eine politische Heuchelei, muß ich sagen, wenn man in einem Athem fortwährend von Sonntagsheiligung und Sonntagsruhe spricht bei Berathung des Jagdgesetzes und bei vielen anderen Angelegenheiten, und gewissen Dingen entgegentreten will, während man den Balken im eigenen Auge nicht sieht. Es ist doch nicht zu verkennen, daß das Beispiel der Kasinos nicht ein ganz gutes ist. Die Leute können von mir aus machen, was sie wollen; aber es paßt für die Herren nicht, daß sie in einem Act so sprechen, und im andern Falle anders handeln; das ist nicht lobenswerth, und gegen das werde ich mich jedes Mal aussprechen. Nägele: Ich beantrage Schluß der Debatte. Landeshauptmann: Herr Nägele beantragt Schluß der Debatte. Ich muß bemerken, daß zwei Herren Redner sich vorher noch zum Worte gemeldet haben. Ich werde zunächst über diesen Antrag abstimmen lassen und ersuche jene Herren, welche dem Anträge auf Schluß der Debatte beistimmen, sich gefälligst zu erheben. Angenommen. Es haben sich noch die Herren Abgeordneten Dr. Schmid und Johann Thurnher zum Worte gemeldet. Dr. Schmid: Der Herr Abgeordnete Dr. Waibel hat den Standpunkt der Minorität diesem Berichte gegenüber bereits präcisiert, und ich erlaube mir nur noch über den zweiten Punkt des Antrages des Schulausschusses einige Bemerkungen zu machen. Derselbe lautet: „Der Landesausschuß wird ermächtigt, nach von ihm selbst noch aufzustellenden Grundsätzen landwirthschaftliche Fortbildungsschulen bis zum Gesammtbetrage von 200 fl. aus Landesmitteln zu unterstützen." Nachdem wir heute nach den Worten des Herrn Abgeordneten Martin Thurnher die Grundsätze, nach welchen der Landesausschuß die landwirthschaftlichen Fortbildungsschulen unterstützen soll, noch nicht kennen lernen, so scheint es mir nicht ganz richtig zu sein, vorher die Unterstützung an Institute auszusprechen, für deren Vertheilung die leitenden Grundsätze noch nicht bekannt gegeben sind, zumal die landwirthschaftlichen Fortbildungsschulen und ihre Lehrkräfte wirklich den k. k. Bezirksschulbehörden unterstehen und sie daher auch diesen ihre Berichte abzuliefern haben. Es wäre daher eine Modificierung dieses Antrages nach der von Herrn Dr. Waibel vorgeschlagenen Form gerechtfertigt; ich muß daher von meinem Standpunkte aus dieser Anschauung beitreten und dem Anträge des Herrn Dr. Waibel meine Zustimmung geben. Johann Thurnher: Ich habe den Ausführungen meines unmittelbaren Herrn Vorredners gar nichts entgegen zu setzen; ich habe nur zu constatieren, daß er aus demselben Grunde nicht bewilligt, aus welchem ich bewillige, und daß sich diese beiden Standpunkte so gegenseitig glatt ausschließen; und da derselbe keine sonstigen Ausfälle IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session der 7. Periode 1891/92. 71 gemacht hat, so habe ich mich nur kurz der abermaligen Expectoration des geehrten Herrn Abgeordneten der Handels- und Gewerbekammer über die Casinos und Familien-Abende zuzuwenden, von deren Citierung er geglaubt hat, daß sie mich in Erregung gebracht habe. Das ist keineswegs der Fall. ' ' Es hat mich das mehr erheitert als erregt, (Martin Thurnher: Sehr richtig) umsomehr, weil ich sehe, daß Herr Dr. Waibel seine sämmtlichen Schmerzen gegen die Casino- und FamilienAbende auch im Landtage angebracht und sich auch vor diesem Forum erschöpft haben wird; wie solche Ausfälle, „von gewissen Herren nota bene", in den Blättern ja auch schon in einer solchen Weise erschöpft sind, daß sie sich nur noch in Wiederholungen und Wiederkäuungen ergehen können. Was aber den Tadel betrifft, daß Casinos und Familien-Abende an Sonntag-Nachmittagen abgehalten werden, wovon der Herr Vorredner geglaubt hat, wir gehen nicht recht consequent vor, wenn wir nicht auch dort gewisse Normen verlangen, so muß ich bemerken, daß die hauptsächlichste Norm, welche da in Bezug auf die Zeit solcher Unterhaltungen und in Bezug auf die Zeit des nachmittägigen Unterrichtes in den Fortbildungsschulen verlangt wird, vollkommen die gleiche ist. Die sonntäglichen Casinoversammlungen und Familienabende beginnen erst nach Vollendung des nachmittägigen Gottesdienstes und wir verlangen ganz consequent auch von den Fortbildungsschulen, daß dieselben entweder vor dem nachmittägigen Gottesdienste oder nach demselben abgehalten werden. Wenn Herr Dr. Waibel in der Lage ist, nachzuweisen, daß Familien Abende und Casinoversammlungen während des Gottesdienstes abgehalten werden und wo sie abgehalten werden und er das tadelt, so bin ich damit vollständig einverstanden; und sollte es vorkommen, daß in Dornbirn ein solcher Mißbrauch damit getrieben würde, so würde ich es begrüßen, wenn er als Oberhaupt der Gemeinde und als Polizeiorgan einem solchen etwaigen Unfug entgegentritt. (Heiterkeit.) Landeshauptmann: Die Debatte ist nun geschlossen und ich ertheile dem Herrn Berichterstatter das Wort. Fink: Ich muß vor Allem meiner Verwunderung darüber Ausdruck geben, daß der Herr Vertreter der Handels- und Gewerbekammer gar so veränderlich ist. Ich hätte geglaubt, es wäre das bei einem älteren Manne, der schon in verschiedenen Parlamenten u.s.w. gesessen ist, der schon viele Jahre Bürgermeister ist, gar nicht möglich, daß er so veränderlich sei. Bei uns gilt: „ Ein Mann ein Wort." Hier aber, scheint es, sei das nicht der Fall. Es ist das schon von einem meiner Herren Vorredner angedeutet worden, nämlich von dem Herrn Abgeordneten Johann Thurnher, daß die heutige Haltung des Vertreters der Handels- und Gewerbekammer ganz verschieden sei von der Haltung, die er im Schulausschusse in Betreff Förderung der sonntäglichen Fortbildungsschulen eingenommen hat. Ich möchte daher den geehrten Herren gleich aus den Protokollen über die Schulausschuß-Sitzungen — sie sind natürlich möglichst kurz gefaßt — mittheilen, welche Haltung der Herr Vertreter der Handels- und Gewerbekammer dort eingenommen habe. (Dr. Waibel ruft: Das Protocoll ist nicht vorgelesen worden.) In der 3. Sitzung sind beide Protocolle verificiert worden, sowohl das Protocoll der ersten als auch das der zweiten Sitzung. Ich möchte daher den Herrn Landeshauptmann bitten, daß er mir gestatte, einige Stellen aus dem Protocolle vorzulesen, soweit-es nämlich zur Begründung meiner Behauptung bezüglich der Veränderlichkeit nothwendig ist. Im ersten Protocolle kommt zuerst die Erklärung des Herrn Dr. Waibel vor, die er heute am Eingang der Debatte über diesen Gegenstand abgegeben hat. Dann heißt es (liest): „Die Landesausschuß-Vorlage betreffend die Förderung sonntäglicher Fortbildungsschulen wurde zur Berichterstattung Fink überwiesen. Nach einiger Debatte wurde einstimmig der von Fink gestellte Antrag angenommen, nämlich: „Der Schulausschuß macht den Antrag des Landesausschusses, sowie die von demselben aufgestellten Grundsätze zu den seinigen und beschließt daher, den Landesausschußantrag sammt den aufgestellten Grundsätzen dem Landtag unverändert zur Annahme zu empfehlen. Bericht und Antrag soll in dem Sinne verfaßt werden." 72 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session der 7. Periode 1891/92. Herr Dr. Waibel fügt bei, er werde auch im Hause dafür stimmen und den Antrag, wenn nöthig, dort befürworten." (Dr. Waibel ruft: Ganz richtig.) Er erwarte auch, daß man seinem Anträge betreffend Förderung landwirthschaftlicher Fortbildungsschulen nicht hinderlich sein werde. Ich könnte da noch beifügen, daß ich dann als Berichterstatter erklärt habe, eine bindende Erklärung über diese zuletzt ausgesprochene Erwartung könne ich, wenigstens bevor ein bestimmter Antrag vorliege, nicht abgeben. In dem Protocolle über die zweite SchulAusschuß-Sitzung kommt folgender Passus vor (liest): „In der zweiten Sitzung wurde der Bericht über den Gegenstand betreffend Förderung der sonntäglichen Fortbildungsschulen von Fink verlesen. Dr. Waibel wendet zwar gegen den Berich: nichts ein, erklärt aber, er wolle jetzt einen Zusatz bezw. Abänderungsantrag vorbringen, indem er mit den vom Landesausschuß aufgestellten Grundsätzen nicht einverstanden sei. Fink verweist auf die Abstimmung über diesen Gegenstand bei der ersten Sitzung und meint, Dr. Waibel könne heute seine letzte Abstimmung nicht mehr widerrufen. Diese Sache sei abgethan." So heißt es im Protocoll über die Sitzung des Schulausschusses. Nun wäre es vielleicht noch möglich, daß Herr Dr. Waibel seine heutige Haltung damit entschuldigen wollte, daß er, nachdem er seine Erklärung abgegeben hat, er werde auch im Hause für die Förderung der sonntäglichen Fortbildungsschulen stimmen, nachher noch gesagt hat, er erwarte auch, daß man ihn unterstütze in der Förderung landwirthschaftlicher Fortbildungsschulen. Dieser Erwartung ist aber der Schulausschuß in sehr zuvorkommender Weise nachgekommen, denn er hat, wie aus Punkt II des Berichtes hervorgeht, gleich selbst diesen Antrag ausgenommen. Es ist also nach dieser Richtung kein Grund vorhanden, daß der Herr Vertreter der Handels- und Gewerbekammer heute eine grundverschiedene Stellung zu derjenigen einnimmt, welche er im Ausschüsse eingenommen hat. Auf die Bemerkungen von Seite des Herrn Regierungsvertreters will ich nichts mehr vorbringen, weil dieselben schon von zwei meiner Herren Vorredner beleuchtet worden sind. Ich schließe mich diesen Ausführungen an. Der Herr Vertreter der Handels- und Gewerbekammer hat unter anderem gesagt, man sehe schon aus dem Berichte, daß man keine großen Hoffnungen auf diese Schulen habe. Nun wenn man den Bericht genau anschaut, glaube ich, kann man das nicht sagen. Es heißt nur, auf dem Gebiete des schulmäßigen Unterrichtes hat man nicht so große Hoffnungen; aber am Schlusse dieses Absatzes heißt es: von einzelnen Fällen, die auch darin noch namhaftes leisten, abgesehen. Weiter ist im Berichte hervorgehoben: Die wesentlichen Vortheile liegen auf dem pädagogischen und moralischen Gebiete; und die Majorität des Schulausschusses war der Anschauung, daß das bei jungen Leuten, die aus der Volksschule entlassen sind, gerade das Wichtigste sei und daß die Erfolge, welche durch die Sonntagsschule auf diesem Gebiete erzielt werden, von durchschlagender Wichtigkeit seien. Man hat auch daran Anstoß genommen, daß unter den Grundsätzen die Bestimmung vorkommt, die Unterrichtsstunden haben sick an den nachmittägigen Gottesdienst anzuschließen. Nun ich weiß, es hat dies schon einer meiner Herren Vorredner hervorgehoben, daß man sich daran nicht zu stoßen braucht. Man braucht sich überhaupt darüber nicht zu ärgern, daß der Landesausschuß, bevor er Gelder zur Förderung von Fortbildungsschulen gibt, hiefür feste Grundsätze aufstellt. Ich glaube, der Landesausschuß ist hiezu nicht bloß berechtigt, sondern sogar verpflichtet und diesbezüglich möchte ich nur daraus Hinweisen, daß es, wie allgemein bekannt, im Lande Vorarlberg Vorkommen kann, daß Fortbildungsschulen schon während des vormittägigen und auch während des nachmittägigen Gottesdienstes abgehalten werden, allerdings nicht die von uns gemeinten sonntäglichen Fortbildungsschulen; aber dennoch Fortbildungsunterricht wird während des Gottesdienstes abgehalten. Ich glaube daher, es sei sehr wohl am Platze und Pflicht, gegen eine solche Sonntagsentheiligung aufzutreten; wenigstens zu bestimmen, daß der Landesausschuß nicht etwa Gelder zur Unterstützung solcher Schulen gebe, welche eine derartige Sonntagsentheiligung wenigstens im Gefolge haben, um nicht zu sagen anstreben. IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. II. Session der 7. Periode 1891/92. 73 Wenn man gar keine Grundsätze aufstellen würde, könnte das vielleicht auch bei anderen Schulen Vorkommen. Der Herr Vertreter der Handels- und Gewerbekammer hat rann noch gesagt, es sei diese Einrichtung nur für die Landgemeinden geeignet. Ich sehe nicht ein, daß, wenn die Herren in den Städten und in den Märkten finden würden, daß es besser wäre, es würden im Anschlüsse an den nachmittägigen Gottesdienst die jungen Leute noch in der Religion und in anderen nothwendigen und nützlichen Kenntnissen unterrichtet, als daß sie das Wirthshaus besuchen oder anderen ihren Sitten vielleicht schädlichen Genüssen nachgehen, der hohe Landtag, beziehungsweise der Landesansschuß nicht auch diesen Städten etwas geben würde. Nachdem schon bereits verschiedenes hervorgehoben wurde, was im Schulausschusse gesprochen worden ist und nachdem man dort auch die Behauptung hat fallen lassen, die Majorität des Schulausschusses finde sich diesbezüglich nicht in Übereinstimmung mit der Geistlichkeit, man gehe sogar weiter, als die Geistlichkeit, muß ich auch diesfalls noch eine kurze Bemerkung machen. Daß der Schulausschuß sich in Übereinstimmung mit den Pfarrern von Dornbirn, Feldkirch und Bludenz befinde, ist in der bekannten Interpellation des Schulausschusses hervorgehoben und ich wiederhole es daher nicht mehr. Ich anerkenne aber, daß auch von Seite des Herrn Vertreters der Handels- und Gewerbekammer die Geistlichkeit als der diesbezüglich in erster Linie berufene Factor anerkannt worden ist. Ich anerkenne nämlich das Gute, komme es von welcher Seite es sei. Es ist dort hervorgehoben worden — ich möchte das nämlich auch den Mitgliedern des Landesausschusses sagen, damit sie besorgt seien, daß nicht solche Mißstände aus Landesmitteln unterstützt werden — ich sage, es ist dort hervorgehoben worden, es sei der Sonntagsheilignng nicht so hinderlich, wenn die Leute in größeren Orten zur Zeit des vormittägigen Gottesdienstes die Schule besuchen, weil dort auch morgens mehrere hl. Messen gelesen werden; sie können doch einer Messe beiwohnen und es könne sich nur um die Predigt handeln, — thatsächlich handelt es sich aber in Bludenz auch um den nachmittägigen Gottesdienst, also um die Christenlehre, und dem Ausspruche, daß in dieser Beziehung die Geistlichkeit der berufene Factor sei, pflichtet, wie gesagt auch der Herr Vertreter der Handels- und Gewerbekammer volle Anerkennung. Um die von gewisser Seite bestrittene Anschauung des Schulausschusses zu rechtfertigen, möchte ich mir erlauben mitzutheilen, was der oberste Priester in unserer Diözese, der hochwürdigste Bischof, von dem Anhören des Wortes Gottes hält, und zu diesem Zwecke mit der Erlaubnis des Herrn Landeshauptmannes ein paar kurze Stellen aus dem letzten Hirtenbriefe vorlesen. Es geht daraus hervor, daß wir uns mit unseren Bestrebungen nicht im Widersprüche mit der Geistlichkeit befinden. Der hochwürdigste Fürstbischof sagt also (liest): „Das Wort Gottes ist vor Allem die Quelle des Glaubens. Woher kommt der Glaube? Wodurch wird er den Menschen vermittelt? Der Apostel antwortet: Fides ex auditu — „der Glaube kommt vom Anhören." „Das Anhören aber, " sagt er weiter, „kommt vom Worte Gottes." Also die Predigt ist das Erste, und aus dem Anhören derselben stammt der Glaube. „Wie werden sie glauben, " frägt abermals der Apostel, „wenn sie nicht gehört haben? Wie aber werden sie hören ohne Prediger?" Seht, vom ersten Pfingstfeste an bis zur Stunde war es die Predigt, das Wort Gottes, welches den Glauben in der Welt begründet und erhalten hat." — Damit spricht also der hochwürdigste Fürstbischof unzweideutig aus, daß die Predigt mit der Erhaltung des Glaubens in innigstem Zusammenhänge steht.