18901015_lts003

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Letzte Änderung 02.07.2021, 18:53
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp07,lts1890,lt1890,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 3. Sitzung am 15. Oktober 1890, unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig: 19 Abgeordnete. Abwesend: die Herren Hochwürdigster Bischof Dr. Zobl und Reisch. Regierungsvertreter: Herr Statthaltereirath Graf Clemens St. JulienWallsee. Beginn der Sitzung 10 Uhr 35 Minuten Bormittags. Landeshauptmann: Ich erkläre die Sitzung für eröffnet und bitte das Protokoll der 2. Sitzung zu verlesen. (Sekretär verliest das Protokoll der zweiten Sitzung.) Hat einer der Herren gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung zu erheben? Wenn dies nicht der Fall ist, betrachte ich das Protokoll als genehmiget. Es ist nur Antrag der Fetz, Wolf den ich zu als Einlaufstück ein selbständiger Herren Abgeordneten Dr. Beck, Dr. und Dr. Waibel übergeben worden, verlesen bitte. (Sekretär liest:) Selbständiger Antrag der Abgeordneten Dr. Beck, Dr. Fetz, Bürgermeister Wolf und Dr. Waibel. In Anbetracht der großen Nützlichkeit der gewerblichen Fortbildungsschulen für den Gewerbestand unseres Landes und in Anbetracht des Umstandes, daß aus diesem Grunde der Staat, die Handelskammer, die Gemeinden und selbst auch Gewerbegenossenschaften diese Schulen in wohlwollendster Weise mit namhaften Jahresbeiträgen und auch in anderer Weise unterstützen und erhalten stellen die Gefertigten folgenden Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen, es seien den gewerblichen Fortbildungsschulen 20 III. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. entsprechende Jahresbeiträge aus Landesmitteln zuzuweisen. Bregenz am 15. Oktober 1890. Dr. Geck. Dr. Fetz. Dr. Waibel. Wolf. Ich werde diesen Antrag auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung stellen. Die in der letzten Sitzung gewählten Auschüsse haben sich constituirt und es wählte der Verificanons-Ausschuß zum Obmanne Hrn. Abg. Jodok Fink und zum Berichterstatter Hrn. Abg. Martin Thurnher; der Ausschuß in Rheinschutzangelegenheiten zum Obmanne Hrn. Abg. Johann Thurnher und zum Berichterstatter Hrn. Abg. Engelbert Bösch; der Gemeindeausschuß zum Obmanne Hrn. Abg. Josef Büchele und zum Berichterstatter Hrn. Abg. Martin Thurnher, was die Herren gefälligst zur Kenntnis nehmen wollen. Der Hr. Abg. Reisch hat sich wegen dringender Geschäfte für die heutige Sitzung entschuldiget. Wir kommen nun zur Tagesordnung. Der erste Gegenstand ist der Voranschlag des Vorarlberger Landesfondes pro 1891. Martin Thurnher: Ich möchte beantragen, daß, bevor auf den ersten Gegenstand der Tagesordnung eingegangen wird, zuerst der ad 6 eingeführte Gegenstand, nämlich die Wahl des Finanzausschusses vorgenommen werde. Landeshauptmann: Der Herr Abgeordnete Martin Thurnher stellt den Antrag, Punkt 6 der Tagesordnung zuerst vorzunehmen. Hat Jemand etwas dagegen einzuwenden? Da dies nicht der Fall ist, betrachte ich den Antrag als angenommen. Herr Martin Thurnher hat in der früheren Sitzung den Antrag gestellt es sei ein fünfgliedriger Ausschuß, vormals RechenschaftsberichtsAusschuß zu wählen, dem auch weitere einschlägige Gegenstände zugewiesen werden können. Wünscht Jemand das Wort? Das dies nicht der Fall ist, betrachte ich den Antrag als angenommen und ersuche 7 Namen schreiben zu wollen. (Wahlakt.) Ich ersuche die Herren Wolf und Dekan Berchtold gefälligst das Scrutinium zu übernehmen. (Geschieht.) Wolf: Ich constatire, daß 17 Stimmzettel abgegeben worden sind. Berchtold: Die Herren Reisch, Fritz und Greißing haben je 16, Nägele 15 und Heinzle 13 Stimmen erhalten; die nächsthöchsten sind die Herren Rüf mit 10 und Schapler mit 6 Stimmen. Landeshauptmann: Es sind sonach die Herren Reisch, Fritz, Greußing, Nägele und Heinzle als Ausschußmitglieder und die Herren Rüf und Schapler als Ersatzmänner gewählt. Martin Thurnher: Nachdem der Finanzausschuß gewählt ist, so erlaube ich mir den Vorschlag zu machen, es sei sowohl der ad 1 als auch die ad 2 und 3 angeführten Gegenstände dem soeben gewählten Finanzausschüsse zur Vorberathung und Berichterstattung zuzuweisen. Dr. Waibel: Ich stimme dem Anträge den Herr Martin Thurnher soeben gestellt hat, selbstverständlich bei, weil es angemessen ist, daß diese Gegenstände dem Finanzausschüsse zugewiesen werden, ich muß mir aber bezüglich des Wahlvorganges eine Bemerkung erlauben. In parlamentarischen Körperschaften ersten und zweiten Ranges, in welchen sich die Mitglieder nach Meinungen gruppiren, herrscht die loyale Gepflogenheit, daß jeder Fraction im Ausschüsse eine angemessene Vertretung gewährt werde. Ich habe im Reichsrathe diese Gepflogenheit selbst beobachten können und es ist dieselbe auch vollkommen berechtiget und begründet. Alle Mitglieder einer Vertretung stehen in der Körperschaft in gleichem Rechte, wenn auch nicht in gleicher Macht und es paßt also ganz wohl, daß alle Fractionen dieser Körperschaft angemessen behandelt, d. h. in ihren Rechten nicht gekränkt werden. Letzterer Fall tritt aber ein, wenn eine Gruppe in einem Vertretungskörper vollkommen ausgeschlossen wird. Die Abgeordneten der drei Städte Bludenz, Feldkirch und Bregenz und der Abgeordnete der Handelskammer bilden zusammen 4 Mitglieder III. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. 21 in diesem Hause, sie bilden also den 5. Theil der Gesammt-Vertretung. Es wäre also nach diesem ziffermäßigen Verhältnisse angemessen, so ost ein fünfgliedriger Ausschuß gewählt wird, jedesmal ein Mitglied dieser Gruppe in den Ausschuß zu wählen. Es herrscht in den Vertretungskörpern höheren Ranges auch die Gepflogenheit die Nennung jener Mitglieder, welche man in einen Ausschuß gewählt wünscht, den einzelnen Fractionen anheimzustellen. Man theilt dann diese Nominirung den übrigen Fractionen mit und es wird dann ein Gesammtvorschlag vereinbart. Dieser Vorgang hat das Gute, daß die Vertheilung der Mitglieder des Ausschusses den Verhältnissen entspricht und der Wahlvorgang am besten vereinfacht wird. Der Herr Landeshauptmann-Stellvertreter hat meines Wissens gestern i schon an einzelne Herren unserer Vertretung das | Ansuchen gestellt, es möchte der h. Landtag in dieser Weise vorgehen und uns in der erwähnten Weise berücksichtigen. Bei diesem wichtigen Finanz-Ausschuß ist dies aber gänzlich außer Acht gelassen worden. Ich weiß nicht, ob Herr Dr. Beck jenes Mitglied namhaft gemacht hat, welches von unserer Seite vorgeschlagen wurde, wenn dies aber geschehen ist, dann ist eine derartige Behandlung bedauerlich und ganz entschieden kränkend und wir finden in diesem Hause nicht die gehörige Beachtung. Johannes Thurnher: Mein geehrter Herr Vorredner Dr. Waibel hat unter Anführung der Gepflogenheiten in Körperschaften ersten und zweiten Ranges, womit er wahrscheinlich den Reichsrath und die Landtage meint, auf die Gepflogenheit hingewiesen, daß auch die Minorität entsprechende Berücksichtigung finde. Im Reichsrath speziell findet diese Berücksichtigung, wie allen bekannt ist, statt, wo eine sehr erhebliche nahe an die Majorität grenzende Minorität vorhanden ist. Es findet die Gepflogenheit statt, daß die einzelnen Clubs jene Mitglieder bezeichnen, welche sie in die allgemeinen Wahlzettel ausgenommen wünschen, wodurch die Wahl vereinfacht wird. Bei der Kenntnis aber die Herr Dr. Waibel hat, ist es, glaube ich, nur zu bedauern, daß er diese Gepflogenheit nicht auch in einer Körperschaft dritten Ranges nämlich in der Gemeindevertretung Dornbirn schon seit seiner Amtsperiode eingeführt hat. Dort bildet die Minorität ein Drittel der Gesammtheit des Ausschusses also mehr als ein Fünftel und bei den Ansprüchen, welche er beute an uns gemacht hat und bei der Begründung derselben hätte er mit der Einführung dieser Gepflogenheit bei der Gemeindevertetung in Dornbirn mit gutem Beispiele vorangehen sollen, weil ja, wie bekannt, gute Beispiele mehr anziehen als gute Worte. Ich kann aus der Vergangenheit der verschiedenen Landtagsperioden in Vorarlberg dem Herrn Vorredner bemerken, daß, wenn man es den Herren der Minorität nicht überlassen hat ihre Mitglieder zu nominiren, so beobachtete man von der Majorität doch so viel Rücksichten für dieselben, daß man Diejenigen wählte, die auch den Herren der Minorität entsprochen haben und die entsprechende Eignung und Kenntnis für die verschiedenen Ausschüsse besessen haben. So war Hr. Dr. Fetz ein langjähriges Mitglied des volkswirthschaftlichen Ausschusses, eines sehr wichtigen Ausschusses, Herr Wolf Mitglied des Gemeinde-Comite eines ebenfalls sehr wichtigen Ausschusses und Hr. Dr. Beck Mitglied des SanitätsAusschusses, wenn es sich um Sachen gehandelt hat, wo seine besondere Eignung ihn dazu empfahl. Es ist im Landtage überhaupt immer die Gepflogenheit gewesen, die Herren Ausschußmitglieder so sachlich als möglich zu beschäftigen, und ich erwarte, daß auch weiterhin in gleicher Weise vorgegangen werde. — Weiter habe ich nichts zu bemerken. Dr. Waibel: Ich habe dem Herrn Abgeordneten Johannes Thurnher zu bemerken, daß ich hier in diesem Hause nicht als Bürgermeister von Dornbirn sondern als Vertreter der Handelskammersitze. Die Bemerkung, welche vom Herrn Abgeordneten Thurnher über die Gemeindeangelegenheiten in Dornbirn gemacht worden ist, gehört nicht hieher und ich unterlasse es daher, darauf zu erwidern, obwohl ich es ganz gut thun könnte. Aus seinen letzten Ausführungen geht hervor, daß er doch darauf besteht, daß die Wahl von von Mitgliedern unserer Fraction, oder wenn ich so sagen will, der Minorität nur der Gnade und Ungnade der Majorität anheim gestellt werden soll. Gegen dieses habe ich meine Ausführungen 22 III. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. gerichtet und wenn die Herren der Majorität in dieser Beziehung nicht ein etwas coulanteres Entgegenkommen beobachten, so ist es für uns nicht wohl möglich, wenigstens mir für meine Person mich an den Ausschußwahlen passiv oder activ zu betheiligen. Johannes Thurnher: Ich muß dem Herrn Vorredner nur noch über einen Punkt etwas sagen. Vor allem verwahre ich mich dagegen, daß ich nicht auch jene Redefreiheit haben soll, wie er sie i für sich in Anspruch nimmt den Wahlvorgang zu bekritteln. Wenn er von zwei Körperschaften spricht, erlaube ich mir von einer dritten zu sprechen auf die Gefahr hin, daß er darauf repliziren werde. Wenn der Herr Vorredner bemerkt, daß er auf die Erwiderung des Johannes Thurnher nicht eingehe, so muß ich erklären, daß ich nicht in meinem Namen, sondern im Namen der Majorität gesprochen habe, daß die Sache nicht von mir, sondern von der Majorität abhängt. (Rufe: Richtig.) Landeshauptmann: Wünscht noch Jemand das Wort? Der Herr Abgeordnete Martin Thurnher hat den Antrag gestellt die drei ersten Gegenstände der Tagesordnung nämlich: Voranschlag des Vorarlberger Landesfondes pro 1891, Voranschlag des Vorarlberger Landesculturfondes pro 1891 und Voranschlag des Vorarlberger Grundentlastungsfondes pro 1891 dem neugewählten FinanzAusschusse zu überweisen. Nachdem gegen diesen Antrag meines Erinnerns nichts vorgebracht worden ist, so nehme ich an, wenn Niemand dagegen spricht — es sei dieser Antrag angenommen. Er ist angenommen und es wird die Zuweisung erfolgen. Der vierte Gegenstand der Tagesordnung ist der Gesetzentwurf betreffend die Abänderung einiger Paragrafe der Gemeinde-Ordnung. Ich ersuche um einen formellen Antrag über die geschäftliche Behandlung dieses Gegenstandes. Schapler: Ich stelle den Antrag diesen Gegenstand dem Gemeinde-Ausschusse zu überweisen. Landeshauptmann: Keine Einwendung betrachte ich als Zustimmung. Sie ist gegeben. Der fünfte Gegenstand ist das Gesuch des Gauverbandes der freiwilligen Feuerwehren Vorarlbergs um Abänderung der bestehenden Vorschriften in Feuerwehr- und Unterstützungsangelegenheiten. Fritz: Ich beantrage auch diesen Gegenstand dem schon gewählten Gemeinde-Ausschusse zuzuweisen. Landeshauptmann: Es ist die Zuweisung dieses Gegenstandes an den Gemeindeausschuß beantragt. — Wenn Niemand dagegen eine Einwendung vorbringt, dann betrachte ich diesen Antrag als angenommen. Er ist angenommen. Wir kommen nun zum siebenten Gegenstände nämlich zur mündlichen Berichterstattung, betreffend die Sicherung der Rheingemeinden vor künftiger Überschwemmungsgefahr. Es ist dieser Gegenstand nur eventuell auf die Tagesordnung gesetzt und ich möchte fragen, ob über diesen mündlichen Bericht heute verhandelt werden soll. Johannes Thurnher: Der Ausschuß hat gestern unmittelbar nach der Sitzung des hohen Hauses eine längere Berathung gepflogen und hat sich in einem Anträge geeinigt, den der Herr Berichterstatter in der Lage ist, mündlich in Vortrag zu bringen, wie er beschlossen worden ist. Landeshauptmann: Ich werde also diesen Gegenstand als 7. definitiv auf die heutige Tagesordnung setzen, und bitte daher den Herrn Berichterstatter seinen Bericht vorzutragen. Bösch: Hoher Landtag! Der Ausschuß, welcher in der zweiten diesjährigen Landtagssitzung eingesetzt und welchem das vom hohen Landes-Ausschusse dem hohen Landtage in Vorlage gebrachte Memorandum, betreffend die Sicherung der Rheingemeinden vor künftigen Überschwemmungen als dringlichen Gegenstand zur Berathung und mündlichen Berichterstattung überwiesen wurde, stellt III. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. 23 nach eingehender Prüfung und Berathung dieses Gegenstandes folgenden Antrag: „Der hohe Landtag wolle beschließen, es sei das Memorandum wegen Sicherung der Rheingemeinden gegen künftige Überschwemmungen mit Hinweglassung des Satzes „wofern in dem Kreise der hohen Landesvertretung die aus gesprochene Meinung getheilt wirb11 Seiner Majestät dem Kaiser durch eine Deputation von 3 Mitgliedern zu unterbreiten, und die Wahl dieser Deputation sofort vorzunehmen, wobei das hohe Haus nicht an die Wahl von Mitgliedern aus seiner Mitte gebunden sein soll." Landeshauptmann: Ich eröffne über den vorliegenden Antrag des Ausschusses die Debatte. Nägele: Hohes Haus' Wenn ich mir auch das Wort erlaube, so habe ich weder gegen das Memorandum, wie es vorliegt, noch gegen den Antrag etwas einzuwenden. Ich constatire, daß die Gründe, warum dieser Antrag gestellt ist, und die Gründe welche im Memorandum enthalten sind, nur allzuwahr sind. Wir Rheinbewohner sind von Jahr zu Jahr in schlimmerer Lage, so daß, wenn nicht energische Bauten zur Eindämmung des Rheines gemacht werden, wir diese Calamität in noch größerem Maßstabe erleben werden, daß der Rhein sowohl oben wie unten einbricht. Z. B. was die in den letzten 4 Jahren auf Grund des Landes-Gesetzes ausgeführten Bauten mit einem Geldaufwande von 220, 000 fl. betrifft, mit denen nicht einmal das Nothwendigste hergestellt werden konnte, und wenn auch noch die weitern 20.000 fl. verbaut werden, so stehen wir Rheinbewohner um kein Haar besser da, wie vor 5 Jahren wo das Gesetz beschlossen worden ist trotz der 220.000 fl. Es ist daher dringend nothwendig, daß wir an hohen und höchsten Ortes die Stimme erheben und um Abhilfe ersuchen. Das Rheinthal wird, wenn nicht von allen Seiten energische Hilfe geleistet wird, unfehlbar zu Grunde gehen müssen. Auch soll Niemand glauben, daß, wenn wir auch von der Gnade Seiner Majestät des Kaisers die Gewährung unserer Bitte erhalten, wie sie im Anträge enthalten ist, daß mit dem der Sache vollkommen abzuhelfen sei, denn wenn auch soviel als möglich Schuhbauten zur Sicherung gegen Rheineinbrüche gemacht werden, so sind wir doch nicht sicher, daß der Rhein abermals einbricht, denn das Rheinthal hat Lagen, die weit tiefer liegen als das Rheinbett, denn von Jahr zu Jahr hebt sich die Soole des Rheinbettes und das Land bleibt immer tiefer liegen, auch wenn wir keine Überschwemmung haben, es wird immer mehr versumpfen, so daß wir zuletzt eine verwässerte Öde haben, die weder Gras noch Frucht hervorbringt. Das ist immer das, was uns drückt, und wenn uns nicht außer den Schutzbauten in anderer Weise Hilfe geleistet wird, so müssen wir nach und nach zu Grunde gehen. Das ist namentlich beim unteren Theil des Rheines der Fall, wenn die Bauten oben gemacht werden, dann werden die unteren Gemeinden noch schneller versumpfen, als wie es bisher der Fall war. Speziell das untere Rinnsal, wenn nicht schnelle Hilfe geleistet wird, versandet sich immermehr von Jahr zu Jahr und darum ist es dringend nothwendig, daß wir von jeder Seite die ausgiebigste Hilfe erlangen. (Rufe: bravo!) Landeshauptmann: Wünscht noch Jemand das Wort? Da sich Niemand mehr zum Worte meldet, erkläre ich die Debatte für geschlossen. Haben Herr Berichterstatter etwas zu bemerken? Berichterstatter Bösch: Hoher Landtag! Schon über 100 Jahre sind verflossen, seit die österreichische Regierung wegen der Gefährlichkeit des Rheines es angeregt hat, denselben im unteren Theile Vorarlbergs zu regulären. Schon im Jahre 1797 machten die Dorfgemeinden Höchst und Gaißau und die Ortschaft Brugg an die hohe Regierung Vorstellungen wegen der Regulirung des Rheins, nämlich wegen Ableitung desselben in kürzerem Wege in den Bodensee. Von dort an wurden gewöhnlich nach eingetretenen Hochwasserständen und nach Ausbrüchen des Rheins, welche ungeheure Verwüstungen zur Folge hatten die Verhandlungen zwischen beidseitigen Regierungen wieder ausgenommen, allein diese Verhandlungen blieben immer wieder ohne Erfolg. Endlich im Jahre 1871 kam dann ein Präliminar-Übereinkommen zwischen beiden Regierungen zu Stande, worin dann die hauptsächlichsten Punkte über die Ausführung der beiden Durchstiche Diepoldsau, Höchst und Brugg vereinbart wunden. Seither sind aber bereits 20 Jahre verflossen und wir 24 III. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. Bewohner der Rheingemeinden sind dadurch nur um eine Hoffnung ärmer geworden, nämlich um die, daß es uns scheint, es sei den beidseitigen Regierungen mit der Ausführung der Rheindurchstiche nicht ganz ernst. Diese Hoffnung drängt sich immer mehr auf, wenn wir diese langen und langen Verhandlungen durchgegen, welche in dieser Angelegenheit schon gepflogen worden sind. Kommen wir hinüber in das schweizerische Rheinthal und hören wir dort die Schweizer, so heißt es die österreichische Regierung will nicht, hören wir die österreichischen Experten, so sagen diese, die Schweizer Regierung will nicht. Ich glaube es wird der Fehler nicht blos auf einer Seite liegen, sondern man wird das Einemal da und ein anderes Mal dort gefehlt haben. Man sollte glauben es wäre in diesen langen Jahren, in diesen vielen Berathungen, durch die vielen Aufnahmen, Projekte und Verhandlungen dieser Gegenstand einmal reif geworden, allein die letzten 2 Jahre haben unsere Rheinthalbewohner statt, daß wir unsere erhoffte Hilfe erlangt hätten, durch die zwei auf einander folgenden Rheinkatastrophen furchtbar enttäuscht. Bei diesen Rheinkatastrophen ist der Schaden, welcher in den Schadenerhebungsprotokollen den Behörden mitgetheilt worden ist, nie richtig zum Ausdrucke gekommen, indem einerseits der Verlust an Zeitversäumnis und anderseits der Schaden an den Baulichkeiten nie in dem Maße erhoben worden ist, wie er wirtlich war. Diese Erfahrung konnte man in den letzten zwei Jahren vielfach machen. Dazu kommt aber noch ein anderer Umstand, der noch vielmehr in Betracht zu ziehen ist, nämlich die Entwerthung des Grundes und Bodens, sowie der Gebäude der Rheinthalbewohner. Nach der 2. Rheinkatastrophe wird es unter Umständen sehr traurige Folgen mit sich bringen, da mancher Rheinthalbewohner, der, wie es auf dem Lande vorkommt, noch bedeutende Passiven auf seinem Besitz hat und dem vielleicht einer seiner Gläubiger ein Kapital kündiget und er sich um ein anderes Geld umsehen muß, um dieses Kapital zu zahlen, sehr schwer thun wird, jemand zu finden, der für das gleiche Pfand Geld verabfolgt. Es ist daher gewiß nicht ungerecht, wenn die Rheinthalbewohner mit aller Kraft sich an die h. Landesvertretung sowie an die hohe Regierung wenden, um ausgiebige Unterstützung und Hilfe. Wie kann aber geholfen werden? Geholfen kann momentan dadurch werden, daß in erster Linie die Wuhrungen und Rheinbinnendämme in einem derartigen Maße erhöht und verstärkt werden, daß sie überhaupt dem Zwecke entsprechen und auch den gegenüberliegenden Schweizer-Wuhrungen und Dämmen standhalten, das heißt wenigstens so groß und stark oder noch größer und höher gemacht werden, als diese. Denn gewöhlich bei Hochwasserständen weht der Westwind und zudem haben wir die verschiedenen Curven, wo der Rhein sich auf untere Seite drängt und da gibt es auf unserer Seite immer Erhöhungen des Wasserspiegels; denn wie ich von Sachverständigen gehört habe, können diese Erhöhungen bis auf 30, 40 sogar 50 cm. anwachsen, weshalb unsere Dämme wenigstens in der Höhe, wie die Schweizer Dämme erstellt werden müssen. Aber auch dadurch ist für die Zukunft nicht geholfen. Allerdings kann man durch Erhöhung und Verstärkung der Binnendämme das Rheinbett noch gewissermaßen in die Höhe treiben, aber das kann nur das zur Folge haben, daß dann durch einen später eintretenden Ausbruch nur noch traurigere Folgen an uns herantreten. Es ist eine unbedingte Nothwendigkeit, daß nicht nur die Rheindämme erhöht und verstärkt werden, sondern daß die schon lange projektirten Durchstiche Diepoldsau-Hard-Fußach endlich zur Ausführung gelangen. Bis aber dies zum Abschlüsse kommt, muß in erster Linie auf Erhöhung und Verstärkung unserer Dämme das Augenmerk gerichtet werden. Allein durch die fortwährende Erhöhung der Dämme und den dadurch vergrößerten Druck sind unsere Äcker und Fluren weithin, ost bis in die Gemeinden hinein, unproduktiv geworden, die alten Bäume sind abgestorben und die jungen gedeihen nicht mehr. Durch die fortwährende Erhöhung des Rheinbettes mußten die Wuhrungen und Dämme eben auch erhöht werden und das hat die Steuerkraft der Rheingemeinden so mitgenommen, daß es momentan, nachdem sie durch die Rheinüberschwemmungen dazu noch einen so großen Schaden erlitten haben, ganz und gar unmöglich ist, sich selbst zu helfen. An eine Selbsthilfe ist nicht zu denken. Es kann sich daher nur um die Frage handeln, will man den Rheinthalbewohnern helfen oder aber will man sie zu Grunde gehen lassen. Eine III. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. 25 Selbsthilfe ist nicht zu erwarten und ich glaube dem h. Landtage nichts weiter vorführen zu müssen, denn diese Angelegenheiten sind in diesem Hause schon wiederholt erörtert und besprochen worden und ich hoffe es wird der h. Landtag einstimmig auf die Vorlage dieses Memorandums nach dem Sinne des Ausschusses eintreten, und bei jeder Gelegenheit alles dasjenige thun, was in seiner Competenz und Macht liegt, damit die Rheindurchstiche endlich einmal zur Ausführung gelangen. Mit dieser Hoffnung schließe ich diese meine Worte und gebe mich, wie gesagt der sichern Erwartung hin, das h. Haus werde den Antrag des Comite einstimmig annehmen und bei jeder Gelegenheit das Möglichste thun, um den Rheinthalbewohnern endlich eine bessere und sicherere Lage zu verschaffen. (Bravorufe.) Landeshauptmann: Der Ausschußantrag, wie er vom Hrn. Berichterstatter vorgelesen worden ist, lautet wie folgt: „Der h. Landtag wolle beschließen: es sei das Memorandum wegen Sicherung der Rheingemeinden gegen künftige Überschwemmungen mit Hinweglassung des Satzes „woferne in dem Kreise der h. Landesvertretung die ausgesprochene Meinung getheilt wird" Seiner Majestät dem Kaiser durch eine Deputation von drei Mitglieder zu unterbreiten, und die Wahl dieser Deputation sofort vorzunehmen, wobei das h. Haus nicht an die Wahl von Mitgliedern aus seiner Mitte gebunden sein soll." Ich ersuche nun jene Herren, welche diesem Anträge beistimmen, sich gefälligst zu erheben. Einstimmig angenommen. Wir schreiten nun zur Wahl. Dr. Fetz: Ich bitte um's Wort. Es ist im Anträge erwähnt, daß das h. Haus in Bezug auf die Wahl der Personen nicht gebunden sein soll an die Landtagsabgeordneten. Nun setze ich voraus, daß der Ausschuß selbst sich bereits klar darüber geworden ist, über die Wahl der Persönlichkeiten, welche mit dieser Deputation betraut werden sollen. Ich bin auch weiters der Ansicht, daß diese Persönlichkeiten solche sein werden, daß wir alle geneigt seine können, einem derartigen Vorschläge zuzustimmen und da würde ich es vorziehen, falls ich von der richtigen Voraussetzung ausgehe, wenn die betreffenden Persönlichkeiten namhaft gemacht würden, ich glaube daß wir dann in der Lage wären, acclamando die Wahl vorzunehmen. Joh. Thurnher: Ich möchte dem Hrn. Vorredner bemerken, daß der Ausschuß über die Gesammtheit der Delegirten nicht gesprochen hat, wir haben uns die genaue Feststellung der Personen, welche als Deputation zu entsenden sind, für morgen früh Vorbehalten, jedoch auf eine Person haben wir uns gestern definitiv geeinigt und hat das Comite keinen Anstand genommen, den Mitgliedern des Ausschusses über ihr Befragen die Ansicht der Mehrheit mitzutheilen. Es ist bereits im Landes-Ausschusse die Sache eingehender besprochen und der Berathung unterzogen worden und da ist an den damaligen Hrn. Landeshauptmann die Anfrage gestellt worden, ob er bereit sei — nachdem er ohnehin nach Wien gehen werde — eine etwaige Deputation zu führen und er hat hiezu die Bereitwilligkeit für den Fall seiner Wahl ausgesprochen. Dieser Umstand hat dann im Ausschusse noch die Erweiterung des Antrages zur Folge gehabt, daß das hohe Haus nicht an seine Mitglieder gebunden sein solle bei dieser Wahl. Nun haben wir die Sache heute weiter berathen unter den Mitgliedern der Majorität und sind zu folgender Wahl entschlossen. Wir werden wählen, den Obmann des Landeshilfs-Comite Herrn Grafen Belrupt. Seine Wahl, glaube ich, ist kurz damit begründet, daß er bereits im Jahre 1888 sich große Verdienste um die verunglückten Rheinbewohner erworben hat durch die Führung der Hauptgeschäfte im Landeshilfs-Comite, und daß er nach Ablauf seiner Amtsperiode als Landeshauptmann wieder mit aller Bereitwilligkeit zugesagt hat, die Geschäfte des Hilfs-Comite weiter zu führen. Der zweite Delegirte hat in Rheinangelegenheiten seit einer Reihe von Jahren zu thun gehabt, indem er bei den Begehungen des Rheines als Landes-Ausschuß-Commissär, wie kein anderes Landes-Ausschußmitglied den Rhein von der Landesgrenze von oben bis unten genau kennen gelernt hat. Es ist dies der gegenwärtige Delegirte des Landes-Ausschusses im Hilfs-Comite, der frühere Abgeordnete Herr Johann Kohler. 26 III. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. Ich glaube seine Eignung ist genügend hervorgehoben, um ihn als eine entsprechende Persönlichkeit zu nominiren und ich glaube der h. Landtag kann mit voller Beruhigung auf diese Wahl eingehen. Endlich haben wir geglaubt einen zunächst Betheiligten zu wählen, u. zw. einen Abgeordneten aus der größtgefährdetsten Gemeinde, nämlich den Hrn. Abgeordneten Engelbert Bösch. Ich glaube über diesen Herrn keine weiteren Worte verlieren zu müssen. Ich habe nun dem Wunsche des Herrn Dr. Fetz entsprochen, die Mitglieder bekannt gegeben, und gebe mich der Erwartung hin, daß die Herren hierauf eingehen werden. Dr. Fetz: Nachdem ich die Namen gehört habe, beantrage ich diese drei Herren per Acclamation zu wählen. Landeshauptmann: Herr Dr. Fetz stellt den Antrag, die drei Herren, nämlich den Herrn Grafen Belrupt, Herrn Johann Kohler und den Herrn Abgeordneten Bösch als Deputation zur Überreichung des Memorandums an Allerhöchster Stelle per Acclamation, d. h. mit Umgehung der Stimmzettelwahl zu wählen. Wünscht Jemand das Wort? — Dann bitte ich jene Herren, welche hiermit einverstanden sind, sich zu erheben. (Einstimmig angenommen.) Wir hätten somit unsere heutige Tagesordnung erschöpft. Am morgigen Tage wird keine Sitzung stattfinden, da hier Patroziniumsfest ist. Ich verschiebe daher die Sitzung auf Samstag 10 Uhr Vormittags und bestimme folgende Tagesordnung: 1. Bericht des Ausschusses über den Gesetzentwurf betreffend die Entlohnung des Religionsunterrichtes an den öffentlichen Volksschulen. 2. Selbstständiger Antrag des Hrn. Abg. Fink die Verschleppung von Thierseuchen betreffend. 3. Gesuch des Vereines zur Pflege kranker Studierender in Wien um Unterstützung. 4. Vorlage des Landes-Ausschusses betreffend die Vorbereitung von die Regelung der Ortspolizei bezweckenden Vorlagen. 5. Petition der Gemeindevertretung und des Ortsschulrathes in Dornbirn wegen Votirung des Katechetengesetzes. Den heute neugewählten Finanzausschuß ersuche ich, sich nach der Sitzung zu constituiren und mir das Resultat bekannt zu geben. Die heutige Sitzung ist geschlossen. (Schluß 11 Uhr 35 Minuten Mittags.) Mrarl'ßerger Landtag. 3. Sitzung am 15. Oktober 1890, unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. ----------- ----------------------- Gegenwärtig: 19 Abgeordnete. Abwesend: die Herren Hochwürdigster Bischof Dr. Zobl und Reisch. Rrgikrunssvkrtretkr: Herr Statthaltkrriraih Graf Clemens St. Inlieu-Wallfee. Beginn der Sitzung 10 Uhr 35 Minuten Bormittags. Landeshauptmann: Ich erkläre die Sitzung für eröffnet und bitte das Protokoll der 2. Sitzung zu verlesen. (Sekretär verliest das Protokoll der zweiten Sitzung.) Hat einer der Herren gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung zu erheben? Wenn dies nicht der Fall ist, das Protokoll als genehmiget. betrachte ich Es ist nur als Einlaufstück ein selbständiger Antrag der Herren Abgeordneten Dr. Beck, Dr. Fetz, Wolf und Dr. Waibel übergeben worden, den ich zu verlesen bitte. (Sekretär liest:) Selbständiger Antrag der Abgeordneten Dr. Beck, Dr. Fetz, Bürger­ meister Wolf und Dr. Waibel. In Anbetracht der großen Nützlichkeit der gewerblichen Fortbildungsschulen für den Ge­ werbestand unseres Landes und in Anbetracht des Umstandes, daß aus diesem Grunde der Staat, die Handelskammer, die Gemeinden und selbst auch Gewerbegenossenschaften diese Schulen in wohlwollendster Weise mit namhaften Jahresbei­ trägen und auch in anderer Weise unterstützen und erhalten stellen die Gefertigten folgenden Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen, es seien den gewerblichen Fortbildungsschulen ent- III. Sitzung des Vorarlberger Landtags. 20 sprechende Jahresbeiträge zuzuweisen. aus Landesmitteln Bregenz am 15. Oktober 1890. Dr. Geck. Dr. Fetz. Dr. Waide!. Wolf. Ich werde diesen Antrag auf dik Tagesord­ nung der nächsten Sitzung stellen. Die in der letzten Sitzung gewählten Auschüsse haben sich constituirt und es wählte der Verificanons-Ausschuß zum Obmanne Hrn. Abg. Jodok Fink und zum Berichterstatter Hrn. Abg. Martin Thurnher; der Ausschuß in Rheinschutzangelegen­ heiten zum Obmanne Hrn. Abg. Johann Thurn­ her und zum Berichterstatter Hrn. Abg. Engelbert Bösch; der Gemeindeausschuß zum Obmanne Hrn. Abg. Josef Büchele und zum Berichterstatter Hrn. Abg. Martin Thurnher, was die Herren gefälligst zur Kenntnis nehmen wollen. Der Hr. Abg. Reisch hat sich wegen drin­ gender Geschäfte für die heutige Sitzung ent­ schuldiget. Wir kommen nun zur Tagesordnung. Der erste Gegenstand ist der Vor­ anschlag des Vorarlberger Landesfondes pro 1891. Martin Thurnher: Ich möchte beantragen, daß, bevor auf den ersten Gegenstand der Tages­ ordnung eingegangen wird, zuerst der ad 6 ein­ geführte Gegenstand, nämlich die Wahl des Fi­ nanzausschusses vorgenommen werde. Landeshauptmann: Der Herr Abgeordnete Martin Thurnher stellt den Antrag, Punkt 6 der Tagesordnung zuerst vorzunehmen. Hat Jemand etwas dagegen einzuwenden? Da dies nicht der Fall ist, betrachte ich den Antrag als angenommen. Herr Martin Thurnher hat in der früheren Sitzung den Antrag gestellt es sei ein fünfglie­ driger Ausschuß, vormals Rechenschaftsberichts­ Ausschuß zu wählen, dem auch weitere einschlä­ gige Gegenstände zugewiesen werden können. Wünscht Jemand das Wort? Das dies nicht der Fall ist, betrachte ich den Antrag als angenommen und ersuche 7 Namen schreiben zu wollen. (Wahlakt.) I. Session der 7. Periode 1890. Ich ersuche die Herren Wolf und Dekan Berchtold gefälligst das Scrutinium zu übernehmen. (Geschieht.) Wolf: Ich constatire, abgegeben worden sind. daß 17 Stimmzettel Berchtold: Die Herren Reisch, Fritz und Greißing haben je 16, Nägele 15 und Heinzle 13 Stimmen erhalten; die nächsthöchsten sind die Herren Rüf mit 10 und Schapler mit 6 Stimmen. Landeshauptmann: Es sind sonach die Herren Reisch, Fritz, Greußing, Nägele und Heinzle als Ausschußmitglieder und die Herren Rüf und Schapler als Ersatzmänner gewählt. Martin Thnrnher: Nachdem der Finanzaus­ schuß gewählt ist, so erlaube ich mir den Vor­ schlag zu machen, es sei sowohl der ad 1 als auch die ad 2 und 3 angeführten Gegenstände dem soeben gewählten Finanzausschüsse zur Vorberathung und Berichterstattung zuzuweisen. Dr. Waide!: Ich stimme dem Anträge den Herr Martin Thurnher soeben gestellt hat, selbst­ verständlich bei, weil es angemessen ist, daß diese Gegenstände dem Finanzausschüsse zugewiesen werden, ich muß mir aber bezüglich des Wahl­ vorganges eine Bemerkung erlauben. In parlamentarischen Körperschaften ersten und zweiten Ranges, in welchen sich die Mitglieder nach Meinungen gruppiren, herrscht die loyale Gepflogenheit, daß jeder Fraction im Ausschüsse eine angemessene Vertretung gewährt werde. Ich habe im Reichsrathe diese Gepflogenheit selbst beobachten können und es ist dieselbe auch voll­ kommen berechtiget und begründet. Alle Mit­ glieder einer Vertretung stehen in der Körper­ schaft in gleichem Rechte, wenn auch nicht in gleicher Macht und es paßt also ganz wohl, daß alle Fractionen dieser Körperschaft angemessen behandelt, d. h. in ihren Rechten nicht gekränkt werden. Letzterer Fall tritt aber ein, wenn eine Gruppe in einem Vertretungskörper vollkommen ausgeschlossen wird. Die Abgeordneten der drei Städte Bludenz, Feldkirch und Bregenz und der Abgeordnete der Handelskammer bilden zusammen 4 Mitglieder III. Sitzung des Vorarlberger Landtags. in diesem Hause, sie bilden also den 5. Theil der Gesammt-Vertretung. Es wäre also nach diesem zifsermäßigen Verhältnisse angemessen, so ost ein sünfgliedriger Ausschuß gewählt wird, jedesmal ein Mitglied dieser Gruppe in den Aus­ schuß zu wählen. Es herrscht in den Vertretungskörpern höheren Ranges auch die Gepflogenheit die Nennung jener Mitglieder, welche man in einen Ausschuß ge­ wählt wünscht, den einzelnen Fractionen anheim­ zustellen. Man theilt dann diese Nominirung den übrigen Fractionen mit und es wird dann ein Gesammtvorschlag vereinbart. Dieser Vorgang hat das Gute, daß die Vertheilung der Mitglieder des Ausschusses den Ver­ hältnissen entspricht und der Wahlvorgang am besten vereinfacht wird. Der Herr Landeshauptmann-Stellvertreter hat meines Wissens gestern schon an einzelne Herren unserer Vertretung das Ansuchen gestellt, es möchte der h. Landtag in dieser Weise vorgehen und uns in der erwähnten Weise berücksichtigen. Bei diesem wichtigen Finanz-Ausschuß ist dies aber gänzlich außer Acht gelassen worden. Ich weiß nicht, ob Herr Dr. Beck jenes Mitglied namhaft gemacht hat, welches von unserer Seite vorgeschlagen wurde, wenn dies aber geschehen ist, dann ist eine derartige Behandlung bedauer­ lich und ganz entschieden kränkend und wir finden in diesem Hause nicht die gehörige Beachtung. Johannes Thurnher: Mein geehrter Herr Vorredner Dr. Waibel hat unter Anführung der Gepflogenbeiten in Körperschaften ersten und zweiten Ranges, womit er wahrscheinlich den Reichsrath und die Landtage meint, auf die Ge­ pflogenheit hingewiesen, daß auch die Minorität entsprechende Berücksichtigung finde. Im Reichs­ rath speziell findet diese Berücksichtigung, wie allen bekannt ist, statt, wo eine sehr erhebliche nahe an die Majorität grenzende Minorität vorhanden ist. Es findet die Gepflogenheit statt, daß die ein­ zelnen Clubs jene Mitglieder bezeichnen, welche sie in die allgemeinen Wahlzettel ausgenommen wünschen, wodurch die Wahl vereinfacht wird. Bei der Kenntnis aber die Herr Dr. Waibel hat, ist es, glaube ich, nur zu bedauern, daß er diese Gepflogenheit nicht auch in einer Körper­ schaft dritten Ranges nämlich in der Gemeinde­ j , i | I. Session der 7. Periode 1890. 21 vertretung Dornbirn schon seit seiner Amtsperiode eingeführt hat. Dort bildet die Minorität ein Drittel der Gesammtheit des Ausschusses also mehr als ein Fünftel und bei den Ansprüchen, welche er beute an uns gemacht hat und bei der Begründung derselben hätte er mit der Einführung dieser Gepflogenheit bei der Gemeindevertetung in Dornbirn mit gutem Beispiele vorangehen sollen, weil ja, wie bekannt, gute Beispiele mehr an­ ziehen als gute Worte. Ich kann aus der Vergangenheit der verschie­ denen Landtagsperioden in Vorarlberg dem Herrn Vorredner bemerken, daß, wenn man es den Herren der Minorität nicht überlassen hat ihre Mitglieder zu nominiren, so beobachtete man von der Majorität doch so viel Rücksichten für die­ selben, daß man Diejenigen wählte, die auch den Herren der Minorität entsprochen haben und die entsprechende Eignung und Kenntnis für die ver­ schiedenen Ausschüsse besessen haben. So war Hr. Dr. Fetz ein langjähriges Mitglied des volkswirthschaftlichen Ausschusses, eines sehr wich­ tigen Ausschusses, Herr Wolf Mitglied des Ge­ meinde-Comite eines ebenfalls sehr wichtigen Aus­ schusses und Hr. Dr. Beck Mitglied des Sanitäts­ Ausschusses, wenn es sich um Sachen gehandelt hat, wo seine besondere Eignung ihn dazu empfahl. Es ist im Landtage überhaupt immer die Ge­ pflogenheit gewesen, die Herren Ausschußmitglieder so sachlich als möglich zu beschäftigen, und ich erwarte, daß auch weiterhin in gleicher Weise vorgegangen werde. — Weiter habe ich nichts zu bemerken. Dr. Waibel: Ich habe dem Herrn Abgeordneten Johannes Thurnher zu bemerken, daß ich hier in diesem Hause nicht als Bürgermeister von Dorn­ birn sondern als Vertreter der Handelskammer­ sitze. Die Bemerkung, welche vom Herrn Ab­ geordneten Thurnher über die Gemeindeangelegen­ heiten in Dornbirn gemacht worden ist, gehört nicht hieher und ich unterlasse es daher, darauf zu erwidern, obwohl ich es ganz gut thun könnte. Aus seinen letzten Ausführungen geht hervor, daß er doch darauf besteht, daß die Wahl von von Mitgliedern unserer Fraction, oder wenn ich so sagen will, der Minorität nur der Gnade und Ungnade der Majorität anheim gestellt werden soll. Gegen dieses habe ich meine Ausführungen 22 III. Sitzung des Vorarlberger Landtags. gerichtet und wenn die Herren der Majorität in dieser Beziehung nicht ein etwas coulanteres Ent­ gegenkommen beobachten, so ist es für uns nicht wohl möglich, wenigstens mir für meine Person mich an den Ausschußwahlen passiv oder activ zu betheiligen. I. Session der 7. Periode 1890. Landeshauptmann: Keine Einwendung be­ trachte ich als Zustimmung. Sie ist gegeben. Der fünfte Gegenstand ist das Ge­ such des Gauverbandes der freiwilligen Feuerwehren Vorarlbergs um Ab­ änderung der bestehenden Vorschriften in Feuerwehr- und Un ter stützn n gs an­ gelegenheiten. Johannes Thurnher: Ich muß dem Herrn Vorredner nur noch über einen Punkt etwas sagen. Vor allem verwahre ich mich dagegen, daß ich ; Fritz: Ich beantrage auch diesen Gegenstand nicht auch jene Redefreiheit haben soll, wie er sie i für sich in Anspruch nimmt den Wahlvorgang zu | dem schon gewählten Gemeinde-Ausschusse zuzu­ bekritteln. Wenn er von zwei Körperschaften ! weisen. spricht, erlaube ich mir von einer dritten zu sprechen auf die Gefahr hin, daß er darauf repliziren werde. Wenn der Herr Vorredner bemerkt, daß er auf die Erwiderung des Johannes Thurn­ her nicht eingehe, so muß ich erklären, daß ich nicht in meinem Namen, sondern im Namen der Majorität gesprochen habe, daß die Sache nicht von mir, sondern von der Majorität abhängt. (Rufe: Richtig.) Landeshauptmann: Wünscht noch Jemand das Wort? Der Herr Abgeordnete Martin Thurnher hat den Antrag gestellt die drei ersten Gegenstände der Tagesordnung nämlich: Voranschlag des Vorarlberger Landesfondes pro 1891, Voranschlag des Vorarlberger Landesculturfondes pro 1891 und Voranschlag des Vorarlberger Grundentlastungs ­ fon des pro 1891 dem neugewählten Finanz­ Ausschusse zu überweisen. Nachdem gegen diesen Antrag meines Er­ innerns nichts vorgebracht worden ist, so nehme ich an, wenn Niemand dagegen spricht — es sei dieser Antrag angenommen. Er ist angenommen und es wird die Zu­ weisung erfolgen. Der vierte Gegenstand der Tagesordnungi st derGe setzentwurfbetreffend die Abänderung einiger Paragrafe der Gemeinde-Ordnung. Ich ersuche um einen formellen Antrag über die geschäftliche Behandlung dieses Gegenstandes. Schapler: Ich stelle den Antrag diesen Gegen­ stand dem Gemeinde-Ausschusse zu überweisen. Landeshauptmann: Es ist die Zuweisung dieses Gegenstandes an den Gemeindeausschuß be­ antragt. — Wenn Niemand dagegen eine Ein­ wendung vorbrmgt, dann betrachte ich diesen An­ trag als angenommen. Er ist angenommen. Wir kommen nun zum siebenten Gegenstände nämlich zur mündlichen Berichterstattung, betreffend die Sicherung der Rheinge­ meinden vor künftiger Ueberschwemmungsgefahr. Es ist dieser Gegenstand nur eventuell auf die Tagesordnung gesetzt und ich möchte fragen, ob über dtesen mündlichen Bericht heute verhandelt werden soll. Johannes Thurnher: Der Ausschuß hat gestern unmittelbar nach der Sitzung des hohen Hauses eine längere Berathung gepflogen und hat sich in einem Anträge geeinigt, den der Herr Berichter­ statter in der Lage ist, mündlich in Vortrag zu bringen, wie er beschlossen worden ist. Landeshauptmann: Ich werde also diesen Gegenstand als 7. definitiv auf die heutige Tages­ ordnung setzen, und bitte daher den Herrn Be­ richterstatter seinen Bericht vorzutragen. Bösch: Hoher Landtag! Der Ausschuß, welcher in der zweiten diesjährigen Landtagssitzung ein­ gesetzt und welchem das vom hohen Landes-Ausschusse dem hohen Landtage in Vorlage gebrachte Memorandum, betreffend die Sicherung der Rhein­ gemeinden vor künftigen Überschwemmungen als dringlichen Gegenstand zur Berathung und münd­ lichen Berichterstattung überwiesen wurde, stellt III. Sitzung des Vorarlberger Landtags. nach eingehender Prüfung und Berathung dieses Gegenstandes folgenden Antrag: „Der hohe Landtag wolle beschließen, es sei das Memorandum wegen Sicherung der Nhein­ gemeinden gegen künftige Ueberschwemmungen mit Hinweglassung des Satzes „wofern in dem Kreise der hohen Landesvertretung die aus gesp roch en e Mein iing getheilt wirb11 Seiner Majestät dem Kaiser durch eine Deputation von 3 Mitgliedern zu unterbreiten, und die Wahl dieser Deputation sofort vorzunehmen, wobei das hohe Haus nicht an die Wahl von Mitgliedern aus seiner Mitte gebunden sein soll." Landeshauptmann: Ich eröffne über den vor­ liegenden Antrag des Ausschusses die Debatte. Nägele: Hohes Haus' Wenn ich mir auch das Wort erlaube, so habe ich weder gegen das Memorandum, wie es vorliegt, noch gegen den Antrag etwas einzuwenden. Ich constatire, daß die Gründe, warum dieser Antrag gestellt ist, und die Gründe welche im Memorandum ent­ halten sind, nur allzuwahr sind. Wir Rheinbe­ wohner sind von Jahr zu Jahr in schlimmerer Lage, so daß, wenn nicht energische Bauten zur Eindämmung des Rheines gemacht werden, wir diese Calamität in noch größerem Maßstabe er­ leben werden, daß der Rhein sowohl oben wie unten einbricht. Z. B. was die in den letzten 4 Jahren auf Grund des Landes-Gesetzes aus­ geführten Bauten mit einem Geldaufwande von 220, 000 fl. betrifft, mit denen nicht einmal das Nothwendigste hergestellt werden konnte, und wenn auch noch die weitern 20.000 fl. verbaut werden, so stehen wir Rheinbewohner um kein Haar besser da, wie vor 5 Jahren wo das Gesetz beschlossen worden ist trotz der 220.000 fl. Es ist daher dringend nothwendig, daß wir an hohen und höchsten Ortes die Stimme erheben und um Ab­ hilfe ersuchen. Das Rheinthal wird, wenn nicht von allen Seiten energische Hilfe geleistet wird, unfehlbar zu Grunde gehen müssen. Auch soll Niemand glauben, daß, wenn wir auch von der Gnade Seiner Majestät des Kaisers die Gewährung unserer Bitte erhalten, wie sie im Anträge ent­ halten ist, daß mit dem der Sache vollkommen abzuhelfen sei, denn wenn auch soviel als möglich Schuhbauten zur Sicherung gegen Rheineinbrüche I. Session der 7. Periode 1890. 23 gemacht werden, so sind wir doch nicht sicher, daß der Rhein abermals einbricht, denn das Rheinthal hat Lagen, die weit tiefer liegen als das Rhein­ bett, denn von Jahr zu Jahr hebt sich die Soole des Rheinbettes und das Land bleibt immer tiefer liegen, auch wenn wir keine Ueberschwemmung haben, es wird immer mehr versumpfen, so daß wir zuletzt eine verwässerte Oede haben, die weder Gras noch Frucht hervorbringt. Das ist immer das, was uns drückt, und wenn uns nicht außer den Schutzbauten in anderer Weise Hilfe geleistet wird, so müssen wir nach und nach zu Grunde gehen. Das ist namentlich beim unteren Theil des Rheines der Fall, wenn die Bauten oben gemacht werden, dann werden die unteren Gemeinden noch schneller versumpfen, als wie es bisher der Fall war. Speziell das untere Rinnsal, wenn nicht schnelle Hilfe geleistet wird, versandet sich immermehr von Jahr zu Jahr und darum ist es dringend nothwendig, daß wir von jeder Seite die aus­ giebigste Hilfe erlangen. (Rufe: bravo!) Landeshauptmann: Wünscht noch Jemand das Wort? Da sich Niemand mehr zum Worte meldet, erkläre ich die Debatte für geschlossen. Haben Herr Berichterstatter etwas zu bemerken? Berichterstatter Bösch: Hoher Landtag! Schon über 100 Jahre sind verflossen, seit die österreichische Regierung wegen der Gefährlichkeit des Rheines es angeregt hat, denselben im unteren Theile Vor­ arlbergs zu regulären. Schon im Jahre 1797 machten die Dorfgemeinden Höchst und Gaißau und die Ortschaft Brugg an die hohe Regierung Vorstellungen wegen der Regulirung des Rheins, nämlich wegen Ableitung desselben in kürzerem Wege in den Bodensee. Von dort an wurden gewöhnlich nach eingetretenen Hochwasserständen und nach Ausbrüchen des Rheins, welche unge­ heure Verwüstungen zur Folge hatten die Ver­ handlungen zwischen beidseitigen Regierungen wieder ausgenommen, allein diese Verhandlungen blieben immer wieder ohne Erfolg. Endlich im Jahre 1871 kam dann ein Präliminar-Uebereinkommen zwischen beiden Regierungen zu Stande, worin dann die hauptsächlichsten Punkte über die Aus­ führung der beiden Durchstiche Diepoldsau, Höchst und Brugg vereinbart wunden. Seither sind aber bereits 20 Jahre verflossen und wir Be­ 24 III. Sitzung des Vorarlberger Landtags. wohner der Rheingemeinden sind dadurch nur um eine Hoffnung ärmer geworden, nämlich um die, daß es uns scheint, es sei den beidseitigen Re­ gierungen mit der Ausführung der Rheindurch­ stiche nicht ganz ernst. Diese Hoffnung drängt sich immer mehr auf, wenn wir diese langen und langen Verhandlungen durchgegen, welche in dieser Angelegenheit schon gepflogen worden sind. Kommen wir hinüber in das schweizerische Rheinthal und hören wir dort die Schweizer, so heißt es die österreichische Regierung will nicht, hören wir die österreichischen Experten, so sagen diese, die Schweizer Regierung will nicht. Ich glaube es wird der Fehler nicht blos auf einer Seite liegen, sondern man wird das Einemal da und ein anderes Mal dort gefehlt haben. Man sollte glauben es wäre in diesen langen Jahren, in diesen vielen Berathungen, durch die vielen Auf­ nahmen, Projekte und Verhandlungen dieser Gegen­ stand einmal reif geworden, allein die letzten 2 Jahre haben unsere Rheinthalbewohner statt, daß wir unsere erhoffte Hilfe erlangt hätten, durch die zwei auf einander folgenden Nheinkatastrophen furchtbar enttäuscht. Bei diesen Rheinkatastrophen ist der Schaden, welcher in den Schadenerhebungs­ protokollen den Behörden mitgetheilt worden ist, nie richtig zum Ausdrucke gekommen, indem einer­ seits der Verlust an Zeitversäumnis und ander­ seits der Schaden an den Baulichkeiten nie in dem Maße erhoben worden ist, wie er wirtlich war. Diese Erfahrung konnte man in den letzten zwei Jahren vielfach machen. Dazu kommt aber noch ein anderer Umstand, der noch vielmehr in Be­ tracht zu ziehen ist, nämlich die Entwerthung des Grundes und Bodens, sowie der Gebäude der Rheinthalbewohner. Rach der 2. Nheinkatastrophe wird es unter Umständen sehr traurige Folgen mit sich bringen, da mancher Rheinthalbewohner, der, wie es auf dem Lande vorkommt, noch be­ deutende Passiven auf seinem Besitz hat und dem vielleicht einer seiner Gläubiger ein Kapital kün­ diget und er sich um ein anderes Geld umsehen muß, um dieses Kapital zu zahlen, sehr schwer thun wird, jemand zu finden, der für das gleiche Pfand Geld verabfolgt. Es ist daher gewiß nicht ungerecht, wenn die Rheinthalbewohner mit aller Kraft sich an die h. Landesvertretung sowie an die hohe Regierung wenden, um ausgiebige Unter­ stützung und Hilfe. Wie kann aber geholfen werden? I. Session der 7. Periode 1890. Geholfen kann momentan dadurch werden, daß in erster Linie die Wuhrungen und Rhein­ binnendämme in einem derartigen Maße erhöht und verstärkt werden, daß sie überhaupt dem Zwecke entsprechen und auch den gegenüberliegenden Schweizer-Wuhrungen und Dämmen standhalten, das heißt wenigstens so groß und stark oder noch größer und höher gemacht werden, als diese. Denn gewöhlich bei Hochwafferständen weht der Westwind und zudem haben wir die verschiedenen Curven, wo der Rhein sich auf untere Seite drängt und da gibt es auf unserer Seite immer Erhöhungen des Wasserspiegels; denn wie ich von Sachverständigen gehört habe, können diese Erhöhungen bis auf 30, 40 sogar 50 cm. an­ wachsen, weshalb unsere Dämme wenigstens in der Höhe, wie die Schweizer Dämme erstellt werden müssen. Aber auch dadurch ist für die Zukunft nicht geholfen. Allerdings kann man durch Erhöhung und Verstärkung der Binnendämme das Rhein­ beit noch gewissermaßen in die Höhe treiben, aber das kann nur das zur Folge haben, daß dann durch einen später eintretenden Ausbruch nur noch traurigere Folgen an uns herantreten. Es ist eine unbedingte Nothwendigkeit, daß nicht nur die Rheindämme erhöht und verstärkt werden, sondern daß die schon lange projektirten Durch­ stiche Diepoldsau-Hard-Fußach endlich zur Aus­ führung gelangen. Bis aber dies zum Abschlüsse kommt, muß in erster Linie auf Erhöhung und Verstärkung unserer Dämme das Augenmerk ge­ richtet werden. Allein durch die fortwährende Erhöhung der Dämme und den dadurch ver­ größerten Druck sind unsere Aecker und Fluren weithin, ost bis in die Gemeinden hinein, unpro­ duktiv geworden, die alten Bäume sind abge­ storben und die jungen gedeihen nicht mehr. Durch die fortwährende Erhöhung des Rheinbettes mußten die Wuhrungen und Dämme eben auch erhöht werden und das hat die Steuerkraft der Rhein­ gemeinden so mitgenommen, daß es momentan, nachdem sie durch die Rheinüberschwemmungen dazu noch einen so großen Schaden erlitten haben, ganz und gar unmöglich ist, sich selbst zu helfen. An eine Selbsthilfe ist nicht zu denken. Es kann sich daher nur um die Frage handeln, will man den Rheinthalbewohnern helfen oder aber will man sie zu Grunde gehen lassen. Eine