18901020_lts005

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Letzte Änderung 02.07.2021, 18:53
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp07,lts1890,lt1890,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Landtag. 5. Sitzung am 20 Oktober 1890, unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig: 19 Abgeordnete. Abwesend: die Herren Wolf und Bösch. Regierungsvertreter: Herr Statthaltereirath Graf Clemens St. JulienWallsee. Beginn der Sitzung 11 Uhr 5 Minuten Vormittags. Landeshauptmann: Die Sitzung ist eröffnet, ich ersuche um Verlesung des Protokolles der vorigen Sitzung. (Sekretär verliest dasselbe.) Hat Jemand gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung zu machen? Wenn dies nicht der Fall ist, betrachte ich das Protokoll als genehmiget. Der Herr Abgeordnete Wolf hat sich brieflich für die heutige Sitzung entschuldiget, da er geschäftlich verhindert ist beizukommen. Die in der letzten Sitzung gewählten Ausschüsse haben sich constituirt und zwar wählte der Schulausschuß zum Obmann den Hochwürdigsten Bischof und zum Berichterstatter den Herrn Dekan Berchtold; der volkswirthschaftliche Ausschuß zum Obmann den Herrn Johannes Thurnher und zum Berichterstatter den Herrn Abg. Fink, was ich zur Kenntnis zu nehmen bitte. Es ist mir nachstehende Interpellation der Herren Abgeordneten Martin Thurnher und Genossen überreicht worden, die ich zu verlesen bitte. „Interpellation. Mit Beschluß des hohen Landtages vom 15. Dezember 1885 wurde die hohe k. k. Regierung aufgefordert, die Ministerial-Verordnungen vom 27. Mai 1885, R.-G.-Bl. Nr. 83 und vom 21. September 1885, R.-G.-Bl. Nr. 143, betreffend die Ausführung des Gesetzes vom 8. März 1885, R.-G.-Bl. Nr. 22 (Arbeiter-Ordnung) nach der Richtung einer eingehenden Revision zu unterziehen, daß die in § 75 genannten Gesetzes enthaltene Bestimmung, wonach an Sonntagen alle 36 V. Sitzung des Vorarlberger Landtags. 1. Session der 7. Periode 1890. gewerbliche Arbeit ruhen sollte, auch zur That werde, ferner daß Hochdieselbe im legislatorischen Wege Maßnahmen treffe, die landwirthschaftlichen Arbeiten an Sonntagen aus das Nothwendige zu beschränken, den Hausirhandel au diesem Tage aber ganz zu verbieten. Die hohe Regierung entsprach der damals an sie ergangenen Aufforderung nickt und ließ die in Ausführung des Landtagsbeschlusses vom Landesausschuß diesbezüglich vorgelegten Eingabe ohne Erwiderung. In Folge dessen wurde mit Beschluß des hohen Landtages vom 26. Oktober v. Zs. die Aufforderung au die hohe k. k. Regierung im Sinne des Eingangs citirten Landtagsbeschlusses erneuert. Auf dieses abermalige Einschreiten des hoheu Landtages hat gemäß Note der hohen k. k. Statthalterei vom 2. Jänner 1890 Nr. 30073 das hohe k. k. Ministerium des Innern mit Erlaß vom 24. Dezember 1889 Zl. 5190 nur mitgetheilt, daß der bezügliche Beschluß dem hohen k. k. Handels-Ministerium zur kompetenten weiteren Verfügung abgetreten worden sei. Von diesem ist bisher eine Entscheidung nicht erfolgt, auch keine Maßnahmen im Sinne der Landtagsbeschlüsse getroffen worden. In Erwägung, daß die in den erwähnten Beschlüssen des hohen Landtages geschilderien Übelstände in Handhabung des § 75 der Arbeiterordnung nach wie vor fortbestehen; in Erwägung, daß die strenge Einhaltung der Sonntagsruhe die erste Bedingung zur Hebung und Forderung der Sonntagsheiligung bildet; in Erwägung endlich, daß die Sonntagsheiligung auf göttlicher Anordnung beruhend, in hervorragender Weise dazu beiträgt, die Religiosität zu heben, das Volkswohl zu fördern, das Familienleben zu stärken und zu veredeln, überhaupt den Menschen fortwährend auf seine höhere Bestimmung aufmerksam zu machen und derselben zuzuführen, erlauben sich die Gefertigten an die hohe k. k. Regierung zu stellen folgende Anfrage: „Ist die hohe k. k. Regierung geneigt, im Sinne der Landtagsbeschlüsse vom 15. Dezember 1885 und vom 26. Oktober 1889 ehethunlichst in eine Revision der Ausführungs-Verordnungen zum Gesetze vom 8. März 1885 (Arbeiter-Ordnung) einzugehen, sowie weitere die Einhaltung der Sonntagsruhe und mit ihr die Sonntagsheiligung fördernde legislative Maßnahmen zu treffen?" Bregenz, am 20. Oktober 1890. Martin Thurnher Johannes Thurnher Berchtold J.G. Greißing Ferd. Rüf Schapler Martin Reisch Ignaz Dietrich Jodok Fink Jodok Anton Fritz Josef Heinzle Jakob Nägele Josef Büchele Peter Welte. Ich werde mir erlauben, diese Interpellation dem Herrn Regierungsvertreter zu übergeben. Ferner ist eingelaufen ein selbstständiger Antrag der Herren Abgeordneten Welte, Heinzle Nägele und Büchele, den ich ebenfalls zu verlesen bitte. (Sekretär liest: Beil. IX.) Ich werde diesen Antrag, wie auch den selbstständigen Antrag der Herren Abgeordneten Dr. Beck und Genossen, der in der letzten Sitzung im Einkauf vorgekommen ist und bereits in Druck gelegt wurde und den die Herren vielleicht schon in Händen haben, aus die nächste Tagesordnung setzen. Es ist mir ferner zugekommen eine Petition der Wirthe Vorarlbergs, eingebracht durch den Hrn. Abg. Heinzle, betreffend Ertheilung aller im § 16 der Gew.-Ges.-Nov. vom 15. März 1883 bezeichneten Befugnisse. (Sekretär verliest dieselbe.) Ich werde diese Petition auf die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen zur formellen Behandlung bringen. Wir kommen nun zur Tagesordnung. Auf derselben steht als erster Gegenstand der selbstständige Antrag des Herrn Abgeordneten V. Sitzung des Vorarlberger Landtags. L Session der 7. Periode 1890. 37 Dr. Beck und Genossen betreffend die Subventionirung der gewerblichen Fortbildungsschulen aus Landesmitteln. Ich erwarte aus der Mitte der hohen Versammlung einen Antrag über die formelle Behandlung dieses Gegenstandes. Nägele: Nach meiner unmaßgeblichen Ansicht würde dieser Gegenstand am ehesten für den Schulausschuß passen, nachdem aber aus den Äußerungen des Herrn Dr. Waibel hervorgeht, daß er sich an den Berathungen des Schulausschusses nicht betheiligen werde, so stelle ich den Antrag, daß dieser Gegenstand dem volkswirthschaftlichen Ausschüsse zugewiesen werde. Landeshauptmann: Es ist der Antrag gestellt worden, es möchte dieser selbstständige Antrag des Herrn Dr. Beck und Genossen dem volkswirthschaftlichen Ausschüsse zugewiesen werden. Wünscht Jemand zu diesem Antrage das Wort? — Da dies nicht der Fall ist, so nehme ich an, daß Niemand dagegen Widerspruch erhebt und der Antrag als angenommen zu betrachten ist. Es wird die Zuweisung in diesem Sinne erfolgen. Der zweite Gegenstand ist die Vorlage des Landesausschusses betreffend die behördliche Aufforderung zur Fatirung des Landesvermögens für das Gebührenäquivalent. Ich erwarte auch hierüber einen Antrag. Fritz: Ich beantrage diesen Gegenstand zur Vorberathung und Berichterstattug dem volkswirthschaftlichen Ausschüsse zuzuweisen. Landeshauptmann: Es ist beantragt auch diesen Gegenstand dem volkswirthschaftlichen Ausschusse zuzuweisen. Wünscht Jemand das Wort? — Da keine Einwendung erfolgt, nehme ich an, daß das h. Haus dem gestellten Antrage zustimmt. Die Zustimmung ist gegeben. Der dritte Gegenstand ist der Act betreffend das Gesuch des Vorarlberger Lehrervereines zur Regelung der Lehrergehalte. Wünscht Jemand das Wort? — Fink: Ich beantrage sowohl diesen als auch den nächsten Gegenstand, welcher auf der heutigen Tagesordnung steht, dem schon gewählten Schulausschusse zur Vorberathung und Berichterstattung zu übergeben. Landeshauptmann: Es ist der Antrag gestellt worden sowohl den dritten Gegenstand als auch den vierten nämlich: Act betreffend das Gesuch der Gemeinde Fontenella um einen Landesbeitrag zur Deckung der Lehrergehalte dem bereits bestehenden Schulausschusse zur Vorberathung und Berichterstattung zu übergeben. Wünscht Jemand das Wort? — Da dies nicht der Fall ist, so nehme ich an, daß die Herren dem gestellten Antrage beipflichten. Die Zustimmung ist gegeben, und es wird die Zuweisung dieser beiden Gegenstände an den Schulausschuß erfolgen. Der letzte Gegenstand ist der Bericht des Verifications -Ausschusses über die Landtagswahlen. Ich ersuche den Herrn Martin Thurnher gefälligst den Bericht vorzutragen. Berichterstatter Martin Thurnher: (liest den Bericht, Beil. V.) Landeshauptmann: Ich eröffne über diesen Bericht die Debatte. Dr. Waibel: Ich fühle mich veranlaßt zu diesem Bericht einige Bemerkungen zu machen und zwar einerseits gegen den Bericht selbst und andererseits in Bezug auf die Wahlvorgänge. Ich will zunächst von letzterem Punkte sprechen. Daß in Gemeinden, in welchen politische Gefühle und politische Bethätigung bestehen, alle Erscheinungen, welche mit den Wahlen verbunden sind, am markantesten und mannigfachsten zu Tage treten, ist wohl ganz natürlich. Die Wahlagitationen, die Wahlvorbereitungen sind in allen Formen dahin gerichtet zu bewirken, daß die Wahlberechtigten jeder Parthei bei der Wahl so viel als möglich Stimmen für sich gewinnen, um dadurch das Wahlergebnis so viel als möglich aus ihre Seite zu lenken. Es ist auch nicht verboten, daß die Kandidaten sich alle Mühe geben für sich Stimmen zu machen, daß sie von Straße zu Straße, von Haus zu Haus, von Bergparzelle 38 V. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. zu Bergparzelle, von Bauernhof zu Bauernhof gehen, um für sich Stimmen zu sammeln. Das ist, wie gesagt, nicht verboten, aber es ist Geschmacksache. Weniger gleichgiltig ist es, wenn die Priesterschaft sich an solchen Wahlen, die lediglich eine weltliche Angelegenheit ist, vordringlich betheiligen und sich in ungebührlicher Weise in dieselben einmischen; wenn die Priester selbst in die Häuser laufen und namentlich bei den Frauen sich eindrängen und Verstimmungen zwischen den Ehegatten hervorrufen, wenn sie sogar die Kanzel für diese Zwecke benutzen. In anderen Staaten ist eine solche Einflußnahme von der Kanzel aus verpönt, bei uns jedoch zugelassen. Eine derartige Betheiligung der Priesterschaft bei den Wahlen halte ich für ein Unglück; der Priesterstand, der doch einen hohen Beruf in dem gesellschaftlichen Leben zu erfüllen hat, bringt sich durch ein solches Gebühren um sein Ansehen, welches er doch für seine Aufgabe gewiß sehr benöthiget. Was er gewinnt bei dieser Action ist höchstens das, daß er einer gewissen Parthei einige Stimmen zuwendet; das ist das ganze. Mehr will ich über diesen Punkt nicht sprechen. Eine andere Erscheinung bei den Wahlen ist das Vollmachtwesen oder wenn ich mich richtiger aussprechen soll, das Vollmachtunwesen. Das Vollmachtwesen entwickelte sich nach und nach zu einer argen unnwralischen Action. Es ist das eine Erscheinung, die man in der Gemeinde Dornbirn beobachten konnte, und die man auch in anderen Gemeinden Vorarlbergs zu beobachten Gelegenheit hatte, eine Erscheinung, die übrigens auch in anderen Kronländern wahrgenommen wurde und Gegenstand ernster Verhandlungen war. Ich erinnere mich ganz wohl, daß diese Erscheinung im niederösterreichischen Landtage den Herren ernstlich zu schassen gemacht hat, und daß sie sich veranlaßt gefühlt haben eine diesbezügliche Änderung der Landtagswahlordnung anzustreben. Ob dieselbe auch erreicht wurde, ist mir momentan nicht bekannt; ich erinnere mich nur, daß bei diesem Anlasse auch gesprochen worden ist, daß man dieses Vollmachtunwesen, wie bei uns nicht blos bei den Landtagswahlen in unmoralischer; Weise zur Geltung bringt, sondern auch bei den Gemeindewahlen, und daß der niederösterreichische Landtag den Landesausschuß beauftragt hat darüber Erhebungen zu pflegen und auf eine Abhilfe anzutragen. Ich komme nun zur Besprechung des Berichtes selbst. Dies ist der erste Bericht über einen Gegenstand, über den wir zu verhandeln und Beschluß zu fassen haben und ich muß gestehen, auf mich hat derselbe einen sehr heiteren Eindruck gemacht. (Martin Thurnher ruft: Desto besser.) Im vierten Alinea dieses Berichtes heißt es: „Die Eliminirung der Vermögenssteuer aus den zur Erlangung des Wahlrechtes anrechenbaren Steuern entspricht nicht dem Gesetze, nicht der Logik und auch nicht der bisherigen Gepflogenheit." (Martin Thurnher ruft: Sehr richtig. Ich bin der Ansicht, daß bezüglich der Gesetzmäßigkeit der Wahl, wie sie in Feldkirch und Bludenz stattgefunden hat, gerade das Gegentheil von dem der Fall ist, was der Bericht hierüber sagt. Ich werde dies näher beleuchten. Was die Gepflogenheit anbelangt, so bin ich in der Lage zu constatiren, daß dieselbe nicht immer eine solche war, wie sie der Herr Berichterstatter hier vorzubringen sich bemüht. Was die Logik anbelangt, so bin ich vollkommen mit dem Berichterstatter damit einverstanden, daß im § 6 Abs, a dieselbe fehlt, im Abs. b besteht sie. Wenn aber dieser § 6 im Abs. a unlogisch ist, so trifft der Vorwurf, daß eben etwas Unlogisches darin vorkommt, Diejenigen, welche im Jahre 1884 das Gesetz reparirt haben. Um aber zu einem Verständnis dieses Gesetzes u. speciell des § 6 Abs. a zu kommen, ist es am besten auf die Genesis desselben zurück zu gehen. Das Landtagswahlgesetz, welches im Jahre 1861 mit der Februarverfassung erflossen ist, enthält die noch heute bestehende Bestimmung, daß in Gemeinden mit drei Wahlkörpern die Wähler des ersten und zweiten Wahlkörpers und aus dem dritten nur jene, welche mindestens 5 fl. an directen Steuern zahlen, zum Landtage wahlberechtiget seien. Ich muß nun auf einen Punkt aufmerksam machender im ersten Absätze des § 6 ursprünglich enthalten war. Es wurde dort bezüglich Statuirung des Wahlrechtes Beziehung genommen auf das Gemeinde-Gesetz vom 17. März 1849. Ich erinnere die Herren daran, daß dieses Gesetz nicht ein Landesgesetz war, sondern ein Gesetz, welches für alle zisleithanischen V. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. 39 Provinzen der damaligen Zeit erlassen wurde, und natürlich von der Vermögenssteuer nichts wußte, denn die Vermögenssteuer besteht ja nur in Vorarlberg. Ich möchte nebenbei bemerken, daß auch das Gemeinde-Gesetz vom Jahre 1859 ebenfalls nicht blos für einzelne Provinzen, sondern für das ganze Reich mit Ausnahme von LombardoVenetien erlassen wurde. Dieses Gesetz ist jedoch bekanntlich niemals in Wirksamkeit getreten. Nun entstand im Jahre 1863 beziehungsweise im April 1864 unser Gemeinde-Gesetz und die dazu gehörige Gemeindewahlordnung. In der Gemeindewahlordnung, welche die Regierung dem Landtage im Jahre 1863 zur Berathung vorgelegt hat, war von der Vermögenssteuer gar keine Rede und erst während der Verhandlungen im Landtage ist die Vermögenssteuer im § 12 der Gemeinde-Wahlordnung ausgenommen worden. Die damaligen Mitglieder des Landtages und insbesondere Herr Baron Seyffertitz, ein Mann, dem Gefühl für Gesetzes-Logik und Kongruenz der Gesetze innewohnt, hat es in Folge dessen für nothwendig und zweckmäßig gefunden den Eingang des § 6 dahin abzuändern, daß er sagte für die Statuirung des Wahlrechtes gilt nunmehr das Gesetz vom Jahre 1864. Es war damit nur eine nothwendig gewordene stilistische Abänderung beabsichtiget, aber wegen eines Formfehlers nahm die Regierung diesen Antrag nicht an, und machte im folgenden Jahre selbst eine Vorlage, wodurch die ß ß 6 und 8 der Landtagswahlordnung abgeändert und nach welcher an Stelle des Gemeindegesetzes vom Jahre 1849 das Gesetz vom Jähre 1864 im § 6 eingeführt wurde. Nun ist es aber schon damals bei Beschließung dieser Novelle nicht aufgefallen, daß durch diese Hereinziehung der Vermögenssteuer in die Gemeinde-Wahlordnung ganz bedeutende Inkonsequenzen für die Landtagswahlordnung entstanden. Es ist im Landtagswahlgesetze stehen gelassen worden, daß im dritten Wahlkörper die direkten Steuern schlechtweg zu gelten haben, während für den ersten und zweiten Wahlkörper unbeabsichtigter Weise auch die Vermögenssteuer zur Geltung gelangte. In der Praxis d. h. bei Anfertigung von Landtagswählerlisten scheint aber doch dieser oder jener von den Gemeindevorständen diese Inkonsequenz empfunden zu haben. Ich erinnere da speziell an meinen nicht gerade unmittelbaren Amtsvorgänger Herrn Wilhelm Rhomberg, der im Jahre 1867, also bereits unter der Wirkung des 1864er Gemeindegesetzes, eine Wählerliste für die Landtagswahlen anqefertigt hat, welche noch bei den Gemeinde-Acten liegt. Ich habe diese Wählerliste dem Hrn. Bezirks-Hauptmann und derselbe der Statthalterei vorgelegt und die Herren haben sich überzeugen können, daß Herr Wilhelm Rhomberg bei Anlage der Wählerliste nur die direkten Steuern berücksichtiget hat, er hat die Total-Anwendung der Vorschrift des § 6 a nicht vollzogen, er hat eine Scheidung vorgenommen und nur die directen Steuern angeführt. Ich habe im Jahre 1870 zum ersten Male eine Landtags-Wählerliste anzufertigen gehabt und gerieth angesichts des Wortlautes des � 6 Abs. a in Zweifel und Bedenken und wußte nicht recht, wie ich die Sache machen soll. In dieser Lage wendete ich mich an den Hrn. Bezirkshauptmann und dieser wahrscheinlich an die Statthaltern, und erhielt die Belehrung, man soll die Vermögenssteuer einbeziehen. (Martin Thurnher ruft: Das ist auch das Richtige.) Das ist noch die Frage. — Dann habe ich das so fernerhin vollgezogen. Merkwürdigerweise wurde im Jahre 1885 durch die Bezirkshauptmanschaft Feldkirch anläßlich der Reichsrathswahlen an die Gemeinden des Bezirkes eine förmliche Weisung zur Anfertigung der Wählerlisten an die Gemeindevorstehungen erlassen, welche die bestimmte Aufforderung enthielt, es sei die Vermögenssteuer einzubeziehen. Nun kann aber bezweifelt werden, ob die politische Behörde berechtiget war, eine solche imperative Weisung zu geben. Die Wählerlisten sind von den Gemeindevorstehern nach Vorschrift des Gesetzes anzufertigen, und wenn sie Unrichtigkeiten enthalten, so steht den Wählern die Reclamation offen und dann erst ist die politische Behörde berufen als Reclamationsinstanz einzuschreiten. Wenn die politische Behörde vertraulich um eine Aufklärung angegangen wird und dieselbe ertheilt und noch weitere Bemerkungen macht, so wird dies natürlich dankbar entgegen genommen. Aber durch förmliche Dictate sich in die vom Gesetze vorgeschriebene Aufgabe des Gemeindevorstehers einzumischen, dazu ist sie nach meiner Ansicht nicht berechtiget. Ich spreche zunächst von' dem, was ich persönlich 40 V. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. mitgemacht habe, das Vorgehen anderer Herren kenne ich im Allgemeinen nicht. Im Jahre 1884 ist dieses Landtagswahlgesetz theilweise neu gemacht worden u. einzelne Herren, welche bei dieser Gesetzesänderung mitgewirkt haben, sind noch hier. Man hätte nun da erwarten sollen, daß diese wahrgenommenen Widersprüche des § 6 endlich beseitigt würden, es ist dies aber nicht geschehen, man hat diesen kritischen Punkt der Landtagswahlordnung ganz unberührt gelassen. Wenn ich von der Einbeziehung der Vermögenssteuer bei Verfassung der Landtags-Wählerlisten sprechen soll, so steht nach meiner Aufassuug die Sache folgendermaßen. Die Vermögenssteuer ist lediglich eine Gemeindesteuer. Nachdem bei uns noch nicht das allgemeine Stimmrecht, sondern der Wahlcensus besteht, so ist es nur logisch und billig, die Vermögenssteuer, welche eine reine Gemeindesteuer ist und von welcher nicht ein Kreuzer an das Land oder an den Staat entrichtet wird, nur für das Gemeindewahlrecht anzunehmen, aber bei Statuirung des Wahlrechtes zum Landtage und zum Reichsrathe gänzlich außer Betracht zu lassen. Wie kommen z. B. Leute, die nur Vermögenssteuer, und keinen Kreuzer an directer Steuer weder an das Land noch an den Staat bezahlen, dazu ein Wahlrecht für das Land und für den Staat in Anspruch zu nehmen? Und solche Steueranten gibt es ja bekanntermaßen. Ich bitte weiter zu bedenken, meine Herren, daß es sehr ungerecht ist, wenn die Vermögenssteuer, die doch nur in einzelnen Gemeinden besteht, zur Ausübung des höheren Wahlrechtes Giltigkeit hat. Es haben sich auf diese Weise jene Gemeinden, in welchen die Vermögenssteuer besteht, gegenüber den anderen einen Vorzug angemaßt, was nicht sein soll. Nach meiner Ansicht ist daher der Vorgang, wie er bei Anlage der Wählerliste in den Bezirken Feldkirch und Bludenz beobachtet wurde, vollkommen dem Gesetze entsprechend und maßgebend ist auch nach meiner Ansiche der Wortlaut des Gesetzes. Ich stehe auf dem Standpunkt des ehemaligen Präsidenten von Amerika, des General Grant, der beim Antritte seines Amtes erklärt hat „ich werde die Gesetze so ausführen, wie sie vor mir liegen. Die correcte Ausführung des Gesetzes ist die beste Probe des Gesetzes." Diese Kalfakterei von Gesetzen, welche nicht conveniren, beliebige Anwendungen zu machen, heißt die Gesetze nicht beachten und das ist nicht nach meinem Geschmack. Gesetze sollen stricte gehandhabt werden: jede Willkür ist vom Übel. Ich komme nun auf einen Punkt des Berichtes zu sprechen der wirklich interessant ist. (Liest:) „Der Wahlprüfungsausschuß ist aus den vorangeführten Gründen der Ansicht, es seien die Wählerlisten in den Bezirken Feldkirch und Bludenz nicht nach gesetzlicher Vorschrift versaßt." — Nach den Ausführungen, die der Berichterstatter diesem Satze vorangeschickt hat — ich muß doch annehmen, daß er von der Nichtigkeit, dessen was er geschrieben hat, vollkommen überzeugt ist — ist es nur zu wundern, daß die beiden Hrn. Abgeordneten von Dornbirn hier sitzen. Nach ihrem eigenen Ausspruche sitzen sie hier auf Grund einer ungesetzlichen Wahl. Dazu gehört ein starkes Gewissen. Es ist daher unmöglich, diesen Satz des Berichtes so einfach ohne Heiterkeit hinzunehmen. Ich gelange nun zum letzten Punkt des Berichtes nämlich zu den Vorschlägen, welche der Landesversammlung zur Sanirung der Übelstände des § 6 der L.-W.-O. unterbreitet werden. Es wird hier gesagt: (liest) „für die Zukunft soll aber derartigen Verhältnissen und Vorgängen vorgebeugt werden. Es stehen in dieser Hinsicht drei Wege offen und zwar entweder Ergänzung des § 6 Punkt a. L.-W.-O. dahingehend, daß ausdrücklich hervorgehoben wird, die Vermögenssteuer habe gleich den directen ärarischen Steuern eingerechnet zu werden." — Ich bin der Ansicht, das der Landes-Ausschuß sich diesen Versuch ersparen kann. Ich kann mir keine Regierung denken die einen solchen Unsinn, ich muß sagen Unsinn, eine so unlogische und unbillige Bestimmung sanctioniren könnte. Der zweite Vorschlag geht dahin den § 6 L.-W.-O. in der Weise zu ändern, daß die Vermögenssteuer überhaupt nicht, also auch nicht den Wählern des I. und II. Wahlkörpers angerechnet werden darf. Ich habe bereits angedeutet, daß im § 6 Abs. b. die Logik vollkommen vorhanden ist, indem dort ausdrücklich gesagt ist, daß auch die Wähler des 1. Wahlkörpers nur nach Maßgabe ihrer directen Steuerleistung zur Wahl berechtiget sind. Nach meiner Meinung könnte im § 6 die nothwendige Sanirung am einfachsten in der Weise eintreten, daß man sagt: Jeder, der V. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. 41 mindestens 5 fl. an directen Steuern bezahlt, ist zum Landtage wahlberechtiget, und weiter sind wahlberechtiget die Personen, die nach § 1. Abs. 2 der G.-W.-O. das persönliche Wahlrecht besitzen. Damit wäre der ganze Paragraph vollkommen kurirt. Der dritte Vorschlag des Herrn Berichterstatters geht dahin die G.-W.-O. in der Richtung abzuändern, das die Vermögenssteuer überhaupt gleich anderen Gemeinde- und Landeszuschlägen fortan nicht mehr in die für die Wahlbefähigung anrechenbare Steuerschuldigkeit einbezogen werde. Gegen diesen Vorschlag müßte ich mich mit Entschiedenheit aussprechen. Die Vermögenssteuer ist ein so wichtiger Bestandtheil der Gemeindeleistungen, daß denjenigen, welche diese Leistung auf sich zu nehmen haben, auch das Recht gewahrt werden muß in Gemeindeangelegenheiten mitzusprechen d. h. mitzuwählen. Der gemachte Vorschlag wäre daher gewiß ein unbilliger und ich kann mir nicht vorstellen, daß die Landesversammlung je einem solchen Anträge die Zustimmung geben wird. Mein Vorschlag zur Sanirung der Landtagswahlordnung gierige weiter. Ich bin der Ansicht, daß die Landtagswahlordnung nicht blos den Schaden des § 6 Abs. a hat, sondern, daß sie auch noch andere und tiefere Schäden enthält und daß diese flickweise Kurirerei am Gesetze ohnehin eine unwürdige Arbeit ist. Meine Herren! Flickereien dürfen nur dann gemacht werden, wenn sie unumgänglich, wenn sie eine Lebensbedingung geworden sind, aber blos so gewissermaßen muthwillig und um gewisse Partheizwecke zu erreichen, wie das hier wiederholt geschah, an den Gesetzen herumzukuriren, das ist einer Versammlung, die das Land zu vertreten hat, unwürdig. Wir sind berufen das ganze Land zu vertreten und nicht blos eine Parthei. Mit dieser Gesinnung bin ich in dieses hohe Haus gekommen, und ich hoffe von jedem redlich denkenden Mitgliede der Versammlung, daß es auch von diesem Grundsätze geleitet werde. Meine Ansicht geht dahin, es sei die ganze Landtags-Wahlordnung einer Reform zu unterziehen. Es sind verschiedene Schäden da. Ein Schaden der Landtagswahlordnung ist der, daß in den Landgemeinden nach Gruppen gewählt wird; daß 5 Abgeordnete zusammen gewählt werden für den großen Bezirk Bregenz und Bregenzer-Wald, fünf für Feldkirch-Dornbirn und vier für BludenzMontavon. Es werden Voucher herrschenden Parthei Listen hinausgegeben und nach diesen muß gewählt werden. Das ist aber eine Einrichtung, die nicht in Ordnung ist und zu solchen Wahlresultaten führt. Es wäre richtiger, das Gesetz dahin abzuändern, daß diese Gruppenwahlen aufhörten und für jeden Abgeordneten der Landgemeinden ein besonderer Wahlbezirk geschaffen würde; dann wäre man viel sicherer, daß aus diesen kleinen Bezirken Männer des Vertrauens hervorgehen würden und nicht octroirte Persönlichkeiten. Ich empfehle den Herren diesen Vorschlag zu erwägen und bin überzeugt, daß sie bei der Landbevölkerung durch die Annahme eines solchen Vorschlages nur großen Beifall und Dank ernten. Weiter bin ich der Ansicht, daß auch für die Landtagswahlen die geheime Stimmenabgabe eingeführt werden soll. Bei den Gemeindewahlen und Reichsrathswahlen besteht sie und allenthalben, wo man die Unabhängigkeit der Wähler schützen will, hat man die geheime Stimmenabgabe eingeführt. Ich will darüber nicht weiter sprechen. Wer aber mit Wahlen zu thun hat, der weiß, wie wertvoll die geheime Stimmenabgabe ist und wie schön die Abstimmung verläuft, wo diese Einrichtung eingeführt ist. Die Gehässigkeiten, wie sie nach Wahlen mit offener Abstimmung Vorkommen, würden ganz verschwinden, jeder wählt nach seiner Überzeugung und damit ist die Sache für ihn abgethan. Ferner glaube ich, es sollte auch der Grundsatz in die Wahlordnung aufgenommen werden, daß nur männlichen Personen das Wahlrecht zustehe, wie dies in der Reichsrathswahlordnung festgesetzt ist. Es würde dann dieser unmoralische Schwindel mit den Vollmachten endlich aufhören. Unterschätzen sie nicht, meine Herren, die unmoralische Wirkung, welche der Vollmachtschwindel im Gefolge hat; es ist nicht gut, wenn die Menschen im Agitationseifer zu Unredlichkeiten aller Art verleitet werden, und daß mit diesem Vollmachtschwindel die Stimmabgabe zur Karicatur wird. Ich will von einzelnen häßlichen Erscheinungen dieser Wahlcalamität nicht weiter reden, jeder von uns kennt sie ja. Nach meiner Ansicht wäre also die Landtags- Wahlordnung nach diesen drei Grundsätzen einzurichten und auszuführen. Einen bestimmten Antrag stelle ich nicht, ich verzichte darauf. Ich will nur noch eh' ich schließe Eines erwähnen. Es ist nämlich außerdem, daß die Hereinziehung der 42 V Sitzung der Vorarlberg« Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. Vermögenssteuer bei Abfassung der Wählerlisten ungleich behandelt worden ist, im Lande noch eine andere Ungleichheit in der Anwendung der Landtagswahlordnung zu Tage getreten und zwar bezüglich der directen Steuern und das ist auch ein Punkt, über welchen Klarheit geschaffen werden muß. Bei Anrechnung der directen Steuern zur Anfertigung der Wählerlisten ist in früherer Zeit, wo noch für alle directen Steuergattungen die außerordentlichen Zuschläge bestanden, nur die einfache Steuer, das sogenannte Ordinarium in Anrechnung gekommen und die Staats-Zuschläge wurden bei Anlage der Wählerlisten nicht berücksichtiget. Nach dem gegenwärtigen Stand der Gesetzgebung bestehen Staatszuschläge nur noch für die Erwerbs- und Einkommensteuer. Bezüglich dieser Zuschläge nun ist auch diesmal in Vorarlberg nicht gleichmäßig vorgegangen worden. Es sind Wählerlisten gemacht worden, in welchen diese Zuschläge nicht eingerechnet wurden und andere Wählerlisten sind gemacht worden, in welchen dieselben eingerechnet wurden. Der erstere Fall hat, wie ich bestimmt weiß, in Bregenz stattgefunden. Die Vermögenssteuer haben sie dort contra legem hereingezogen und die Zuschläge zu den ärarischen Steuern ausgelassen. Bei uns in Feldkirch und Bludenz ist der ärarische Zuschlag der Einkommen- und Gewerbesteuer herangezogen worden und man ist dabei von der Erwägung ausgegangen, daß es billig sei einen Zuschlag, der regelmäßig eingehoben wird, der so eingehoben wird wie das Ordinarium, auch einzurechnen. Es ist nun fraglich, welches von beiden das richtige ist. Wenn es auch nach unserer Auffassung billig war, daß diese Zuschläge einbezogen wurden, so glaube ich doch, daß diese Einbeziehung nicht richtig war. Wenigstens müssen wir zu dieser Anschauung gelangen angesichts einer vorliegender Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes. In Mähren ist nämlich im Jahre 1882, wenn ich mich recht erinnere, ein Streit im administrativen Instanzenzuge darüber geführt worden, ob diese Zuschläge einzubeziehen seien oder nicht, und der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Streit dahin entschieden, daß sie nicht einzubeziehen seien. Nach dieser Entscheidung müßte also auch die Anrechnung der Zuschläge zur Erwerbs- und Einkommensteuer nach dem gegenwärtigen Stand der Gesetzinterpretation als ungesetzlich betrachtet werden. Ich wollte auch diesen Punkt nicht unberührt lassen u. damit schließe ich. Nägele: Es ist nicht meine Aufgabe dem geehrten Herrn Vorredner Punkt für Punkt zu erwidern, weil dies in erster Linie schwer ist, da er so leise spricht, daß man ihn kaum versteht und andererseits ich es nicht verantworten könnte so viel leeres Stroh zu dreschen auf Kosten des Landes. Wahrscheinlich ist das, was er als unmoralisch bezeichnet hat, in Dornbirn geschehen. Wenn es gestattet ist, [wie er jagt] für sich Stimmen zu sammeln, und thut es immer gern, so kann er es ja thun, andere thun es ja auch. Der Herr Vorredner hat auch über die Einmischung der Priester in die Wahlangelegenheiten gesprochen. Der Priester ist ebenso Staatsbürger, wie der Laie, es stehen ihm daher auch dieselben Rechte zu wie diesen. Ferner hat der Herr Vorredner über das Vollmachtwesen oder wie er es genannt hat, Vollmachtunwesen gesprochen. Ob dies gut oder schlecht sei, darüber will ich kein Urteil fällen. Die Vollmachten hat nicht unsere Parthei erfunden, sondern unsere politischen Gegner und so lange sie denselben genützt haben, haben sie dagegen nichts einzuwenden gehabt. Was weiter die Einbeziehung der Vermögenssteuer zur Landtagswahl anbelangt, so bin ich theilweise mit den Ausführungen meines Hrn. Vorredners einverstanden. Die Vermögenssteuer ist keine directe Steuer und daher bezüglich des Wahlrechtes kaum in Anrechnung zu bringen. Wenn aber die Vermögenssteuer im dritten Wahlkörper nicht angerechnet wird, so sollte sie auch im ersten und zweiten Wahlkörper nicht in Anrechnung kommen. Weiter spricht der geehrte Herr Vorredner, daß es nicht immer so gewesen ist, wie bisher. Wenn ich mich recht erinnere, so hat Herr Dr. Waibel drei- oder viermal die Wählerlisten gemacht, und das eine Mal ist die Vermögenssteuer einbezogen worden und das andere Mal nicht. (Dr. Waibel ruft: Das habe ich nicht gesagt.) Was das Auslassen der Vermögenssteuer aus den Landtags-Wählerlisten betrifft, so hätte ich dagegen nicht viel einzuwenden, denn in anderen Gemeinden, die keine Vermögenssteuer haben, wird gewählt nach den directen Staatssteuern. Im Übrigen weiß ich speziell über die Dornbirner Gemeinde-V. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. 43 Wahlen nicht, wie es kommt, daß gegen 400, die in dem 3ten Wahlkörper noch hätten hereingezogen werden können, gestrichen worden sind. So heißt es im Dornbirner Gemeinde-Blatt. Die Wählerlisten wurden so angefertiget, wie im Jahre 1878 und 1884, wo man im 3ten Wahlkörper die Vermögenssteuer noch einbezogen hat. Was das übrige anbelangt, so habe ich bereits anfangs gesagt, daß mit dem vielen Reden nur die Landtags-Session verzögert und auch die Druckkosten viel höher werden. Wenn übrigens die Sache so fortgeht, wie bisher, so stellen sich durch Verzögerung der Landtags-Arbeiten die Druckkosten vieleicht um zirka 2000 fl. höher als sonst. Überhaupt scheint es Herr Dr. Waibel darauf abgesehen zu haben an Allem herumzunergeln. Johannes Thurnher: Mein unmittelbarer Herr Vorredner hat sich darüber aufgehalten, daß sein Vorredner, Herr Bürgermeister Dr. Waibel, oder um nicht wieder berichtiget zu werden, der Herr Abgeordnete der Handelskammer durch seine Reden das h. Haus aufhalte. Ich mache ihm diesen Vorwurf nicht. Ich kann es mir ganz gut denken, daß, nachdem der Herr Abgeordnete der Handelskammer als Bürgermeister von Dornbirn in den 20 Jahren in welchen er so viele Wählerlisten abgefaßt hat, so viel mit Recursen zu thun hatte, daß er sich dadurch einen derartigen Schatz von Kenntnissen über Wahlangelegenheiten gesammelt hat, daß es ihm bei seinem Eintritte in den Landtag ein Bedürfnis war aus dem reichen Schatze seiner Gesetzeskenntnis und seiner Erfahrungen im Landtage das Geeignete in einem Vortrage mitzutheilen. Ich war deshalb wegen seiner langen Auseinandersetzungen über seine Gesetzeskenntnis und Erfahrungen durchaus nicht überrascht. Einige Schlagworte habe ich mir aber notirt. Auf das, was Herr Dr. Waibel über die Wahlvorgänge vorgebracht hat, hat ihm bereits der Herr Abg. Nägele geantwortet und ich möchte mir nur noch erlauben über den zweiten Punkt ein paar Worte zu sprechen. Wenn man sich über die ungebührliche Einflußnahme der Geistlichen bei den Wahlvorgängen beklagt, so haben wir das, wie Herr Dr. Waibel selbst zugibt, nach dem Standpunkte unserer Gesetzgebung zu beurtheilen, und was von anderen Staatsgebieten, von Deutschland, erwähnt wurde, gehört in das Gebiet der frommen Wünsche. Bezüglich der Wahl-Agitation seitens der geistlichen Herren muß ich mir zu bemerken erlauben, daß, wenn sie die gesetzlichen Schranken irgendwie überschritten hätten, so würde es dem Hrn. Abg. Dr. Waibel oder seinen Gesinnungsgenossen gewiß nicht schwer fallen bei der competenten Behörde die Klage wegen ungesetzlichen Vorganges einzureichen. Nachdem aber solche Klagen nicht eingebracht worden sind, so muß man annehmen, daß zwar die Agitation der geistlichen Herren unseren politischen Gegnern sehr unangenehm war, was wohl zu begreifen ist, daß sie aber die gesetzlichen Schranken nicht überschritten haben, da das Gegentheil nicht nachweisbar war. Über das Vollmachtwesen und Vollmachtunwesen kann man verschiedene Meinungen haben. Man kann das, was Hr. Dr. Waibel vorgebracht hat, theilweise acceptiren und theilweise auch nicht, aber das ist gewiß, so lange das Vollmachtwesen den Herren Gegnern reichliche Früchte in den Schooß geworfen hat, waren sie für das Vollmachtwesen ganz eingenommen, nachdem sich aber das Blättchen gewendet hatte, mußte es ihnen natürlich unangenehm werden und ich kann mich über ihre Beschwerden gar nicht wundern. Der Herr Vorredner — wenn ich jetzt vom Vorredner spreche, meine ich den Herrn Abgeordneten der Handels- und Gewerbekammer, um nicht immer Vorvorredner sagen zu müssen — hat es als eine Kalfakterei bezeichnet, wenn bei verschiedenen Wahlgelegenheiten das Gesetz verschiedene Anwendung findet. Habe ich recht verstanden? (Dr. Waibel: Willkürliche Anwendung.) Also willkürliche Anwendung finde, das Wort „verschieden" ist auch gefallen. Nun kommt mir fast vor, daß das Gesetz in Dornbirn zu verschiedenen Zeiten, u. z. gerade unter dem Regimente des Hrn. Vorredners auch eine sehr verschiedene Auslegung und eine sehr verschiedene Anwendung gefunden hat. (Rufe: Sehr richtig!) So kann ich mich erinnern, daß er im Gegensatze zu dem von ihm erwähnten Vorgänger Herrn Wilhelm Rhomberg, dem liberalen Grundsätze folgend „Wer zahlt, der hat auch mitzureden, " daß er sämmtliche Steuern in die Wählerliste ausgenommen hat. Es wurde in die Wählerlisten in Dornbirn auch die Gemeindewustungssteuer, der Familiengulden und die Vermögenssteuer ausgenommen und 44 V. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. wir Konservative waren liberal genug, diesen Grundsatz nicht anzufechten. Es ist dann unter seiner Leitung zuerst die Gemeindewerksteuer und der Familiengulden im Laufe der Jahre aus der Gemeindewählerliste verschwunden und in Folge dessen auch nicht in die Landtagswählerliste ausgenommen worden, und er hat merkwürdiger Weise bei den verschiedenen Behörden erster und zweiter Instanz, also bis zur Statthalterei hinaus, wo man seine Anschauungen und Gesinnungen zu theilen scheint, in der Regel Recht bekommen und merkwürdiger Weise hat er auch das letzte Mal Recht bekommen, wo es sich darum gehandelt hat, die Vermögenssteuer für die Wählerliste des dritten Wahlkörpers für die Landtagswahl nichts gelten zu lassen. Der Herr Berichterstatter, der den Bericht vertheidigen wird, wird darüber das Nothwendige selbst anführen. Weiters will ich noch sagen, daß mir nicht ganz am Platze zu sein scheint hier den General Grant von Amerika auf den Schauplatz dieses kleinen Hauses zu rufen. Wenn er aus dem Umstande, daß vom Verificationsausschusse der Vorgang bei den Wahlen in Dornbirn, Feldkirch und Bludenz nicht für gerechtfernget erachtet worden ist, wegen Beschneidung der Wählerliste durch Weglassung der Vermögenssteuer den Schluß zieht, daß die Wahl der beiden Herrn Abgeordneten aus Dornbirn formell nicht verifizirt werden sollte, oder wenn ich den Herrn Vorredner richtig verstanden habe, dieselben ein Mandat gar nicht hätten annehmen sollen, so muß ich daran erinnern, daß diese beiden Herrn trotz der Beschneidung der Wählerliste und nicht wegen Verkürzung derselben gewählt wurden. — (Dr. Waibel ruft: aber ungesetzlich!) Wenn mit Einbeziehung der Vermögenssteuer und nach dem durch 20 Jahre in Dornbirn als gesetzlich erachteten Vorgänge gewählt worden wäre, so hätten sie jetzt nur eine um so größere Anzahl von Stimmen erhalten, der Fall, daß sie nicht gewählt worden wären, wäre ja überhaupt ausgeschlossen. (Dr. Waibel ruft: Dann hätten sie alle Stimmen bekommen.) Ob sie alle Stimmen bekommen hätten das ist eine Frage, welche sich von selbst beantwortet, wir kennen uns ja. (Heiterkeit.) Von Dornbirn aus würden dieselben, wie ich glaube und auch Herr Dr. Waibel nicht in Abrede stellen kann, nicht weniger Stimmen bekommen haben, ich behaupte sogar steif und fest, daß sie mehr Stimmen bekommen hätten und zwar um ein paar Hundert mehr. Es ist diesen Wahlbeschneidern nicht gelungen die conservativen Vertreter aus diesem Hause zu verbannen. Dann möchte ich noch, damit die Debatte nicht lediglich nur über die Dornbirner geführt wird, auf eine Bemerkung des Herrn Vorredners zurückkommen, nämlich auf die Bemerkung, daß er die fortwährende Flickerei an den Gesetzen für unwürdig erachte und lieber eine radikale Änderung der Wahlordnung nach seinem Sinne möchte. Über die Würdigkeit oder Unwürdigkeit kann man verschiedene Meinungen haben. Die Engländer, welche bekanntlich ein in constitutioneller Beziehung weit vorgeschrittenes, vielleicht das fortgeschrittenste Volk der Welt sind, haben diese Art von Gesetzesänderungen angebahnt und sie müssen es praktisch gefunden haben nicht auf einmal mit den eingelebten Gewohnheiten der Bevölkerung zu brechen, sondern allmählig je nach Bedürfnis zu ändern. (Dr. Waibel ruft: Nach ihrem Bedürfnisse.) Gewiß, denn die Engländer werden sich nicht das kleine Land Vorarlberg zum Muster genommen haben. Zeigt sich nun bei uns in der Gesetzgebung ein Mangel, so ist es gewiß am besten, man verstopft das Loch sofort, bevor die Verheerung größer wird. In dieser Art von Gesetzesänderungen liegt aber noch ein anderer praktischer Vortheil. Wie schon einmal auseinandergesetzt worden ist, ist es nach den im Laufe der Zeit vom Vorarlberger Landtage gemachten Erfahrungen leichter zum Ziele zu gelangen, wenn man ein Gesetz nach und nach ändert, als wenn man auf einmal mit der ganzen Gesetzesänderung an die Regierung herantritt. Es hat sich nämlich gezeigt, daß die Regierung ganz kleine Absätze, oft nicht einmal einen ganzen Paragraf beanständet hat, und obwohl die Regierung alles Übrige für gut erachtet hat, wurde das Gesetz eben wegen dieser Kleinigkeiten nicht sanctionirt. Nach den gemachten Erfahrungen hat man es also, wie gesagt, für besser erachtet in einer Session mehrere Gesetze vorzulegen, von denen man erwarten konnte, daß sie sanctionirt werden, während man im anderen Falle Jahre lang verbessern mußte, bis derlei Vorlagen endlich Gesetzeskraft erhalten haben. Ich glaube daher, daß der hohe Landtag nach den V. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. 45 Erfahrungen, die er seit 20 Jahren gemacht hat, sich nicht auf einmal in eine große Gesetzesreform, rote sie der Herr Vorredner im Auge hat, stürzen wird. Ich schließe mit den Worten: wir kennen uns ja! Dr. Waibel: Ich hätte dem Herrit Abgeordneten Nägele nur zu bemerken, daß ich nicht hieher gekommen bin uni herumzunergeln, sondern ich bin gekommen um meine Ansicht über die Verhandlungsgegenstände auszusprechen und dazu habe ich auch das Recht. Ob dieß nun lang oder kurz ausfällt, das genirt mich gar nicht, das wird dem Lande keine großen Kosten machen und wenn man das Geld in anderer Weise hinauszuwerfen hat, dann wird man wohl diese paar Gulden hier auch noch spendiren können. Die Dinge, die persönlich gegen mich vorgebracht worden sind, will ich nicht weiter berühren, weil sie zur Aufklärung des Verhandlungs-Gegenstandes nicht dienlich sind. Ich habe nur zu bemerken, daß ich die mir vorgeworfenen Willkürlichkeiten bei Verfassung der Wählerlisten nicht begangen habe. Ich bin nach einer Gesetzes-Austastung vorgegangen, die ich nicht allein gehabt habe, sondern auch vom Herrn Bezirkshauptmann getheilt wurde, und wenn ich vielleicht nicht immer das richtige getroffen habe, so ist das nicht meine Schuld, sondern die Schuld liegt darin, daß die gesetzlichen Bestimmungen häufig sehr unklar sind. Was einige Bemerkungen des Herrn Abgeordneten Martin Thurnher anbelangt, muß ich entgegnen, daß ich ausdrücklich erklärt habe, ich kann eine Ungesetzlichkeit, nach welcher der geistliche Stand vorgegangen wäre, nicht vorbringen. Wir haben nichts dagegen einzuwenden, wenn die Priester ihre staatsbürgerlichen Rechte ausüben, so lange dies in anständiger und loyaler Weise geschieht, und nicht ein gewisses Vorrecht damit in Anspruch genommen wird. Auf der einen Seite wird immer gegenüber den bevorzugten Reichen betont, daß sie mit ihrem Vermögen einen ungebührlichen Einfluß nehmen, ohne Unterschied der Partei, es ist aber auch andererseits ebenso illoyal, wenn die Priesterschaft ihre Rechte in der Weise ausübt, daß dieselben zu einem Ausnahmsrecht, zu einem Privilegium werden. Dr. Fetz: Ich sehe mich zu einigen Bemerkungen veranlaßt, werde mich aber ganz kurz fassen. Es ist wiederholt hervorgehoben worden, daß bezüglich der Einrechnung der Vermögenssteuer bei der Bestimmung des Wahlrechtes im Bezirke speziell in der Gemeinde Bregenz selbst eine andere Gepflogenheit beobachtet worden ist, als das in den Bezirken Feldkirch und Bludenz der Fall war. Ich will nur sagen, daß ich die alte Gepflogenheit in dieser Beziehung mit dem vollsten Bewusstem in Ausübung gebracht habe, daß sie nicht blos den Directiven entsprechend, die uns von der k. k. Bezirkshauptmannschaft geworden sind, sondern auch richtig sei. Die Landtags-Wahlordnung vom Jahre 1861 hat allerdings im Jahre 1885 einige Abänderungen erfahren, aber gerade bei dem hier in Frage stehenden Punkte dem Wesen nach keine. Das ist auch vom ersten Herrn Redner in dieser Debatte hervorgehoben worden. In der Landtagswahlordnung vom Jahre 1861 ist ausdrücklich verfügt, daß in den Gemeinden mit drei Wahlkörpern Diejenigen activ zum Landtage wahlberechtiget seien, welche im ersten und zweiten Wahlkörper für die Gemeinde-Wahlen erscheinen und im dritten Diejenigen, welche 5 fl. an direkten Steuern zahlen. Es unterliegt nun keinem Zweifel, daß bezüglich Derjenigen die im ersten und zweiten Wahlkörper für die Gemeindewahlen wählen und aus diesem Grunde auch zum Landtage wahlberechtiget sind, die Vermögenssteuer mit in Anrechnung gebracht wird, weil sie sonst in den ersten oder zweiten Wahlkörper gar nicht gehören würden, weil es oft vorkommt, daß solche Personen weniger als 5 fl. an direkten ärarischen Steuern oder vielleicht gar keine solchen Steuern zahlen. Wenn nun die Steuerleistung von 5 fl. im dritten Wahlkörper in der Art aufgefaßt würde, daß man hier nur die direkten ärarischen Steuern zu beachten hätte, so würde sich da nicht blos eine Ungerechtigkeit ergeben, sondern es würde stante lege bei dieser Auffassung der Sache in der Gesetzgebung ein innerer Widerspruch liegen, denn wie könnte man die Vermögenssteuer in dem einem Falle berücksichtigten, im anderen Falle aber nicht. In soweit muß ich also allerdings auch dem Wortlaute des Berichtes Recht geben, daß das nicht als logisch angesehen werden kann. Es handelt sich nach meiner Auffassung nicht darum, wie anderwärts die Gesetze sich in dieser Beziehung verhalten und auch nicht darum, wie unser Gesetz 46 V. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. diesen gegenüber sich verhält, sondern, wie unser eigenes Gesetz ist und es würde unser Gesetz zu einem Widerspruch führen und unlogisch sein, wenn man im ersten und zweiten Wahlkörper die Vermögenssteuer berücksichtigen würde, im dritten aber nicht. Nun ist mir und vielleicht auch Anderen weiters ausgefallen, daß es schwer sein würde, wenigstens nach meiner Ansicht, von einer alten eingebürgerten Gepflogenheit des Gesetzes in der Weise abzugehen, daß man einer Reihe von Persönlichkeiten, die früher wahlberechtiget waren, im Wege der Interpretation des Gesetzes das Wahlrecht nun auf einmal absprechen würde ohne äußeren Grund. (Rufe: Sehr richtig.) Ein derartiges Vorgehen würde meinem Billigkeitsgefühl und auch meinem Gerechtigkeitsgefühl widersprechen. (Rufe: Bravo!) Wenn man eine alte eingebürgerte Gepflogenheit, die man Jahrzehnte hindurch als richtig angesehen hat, auf einmal im Wege der Interpretation oder in Folge behördlicher Verfügung ändern würde, so müßte dies bei den Leuten sehr übel ausgenommen werden, die Leute sind schon einmal so. Eine Änderung müßte allerdings eintreten, wenn ein zwingender Grund vorhanden wäre, wenn in die Landtagswahlordnung durch die Änderung, die im Jahre 1885 theilweise stattgehabt hat, solche Bestimmungen ausgenommen worden wären, daß man sehen würde, es geht so nicht mehr, dann müßte allerdings eine Änderung vorgenommen werden. Wenn das Gesetz ausdrücklich verfügen würde, daß die Vermögenssteuer nicht einzubeziehen sei, dann dürfte man sie natürlich nicht einbeziehen, ob es auch dem Einen und Anderen recht wäre oder nicht. Eine derartige Bestimmung