18901029_lts009

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Letzte Änderung 02.07.2021, 18:57
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp07,lts1890,lt1890,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 9. Sitzung am 29. Oktober 1890, unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig: Sämmtliche Abgeordnete. Regierungsvertreter: Herr Statthaltereirath Graf Clemens St. JulienWallsee. Beginn der Sitzung 1/2 11 Uhr Vormittags. Landeshauptmann: Die Sitzung ist eröffnet. Ich ersuche das Protokoll der letzten Sitzung zu verlesen. (Sekretär verliest dasselbe.) Wird gegen die Fassung desselben eine Einwendung erhoben? — Da dies nicht der Fall ist, betrachte ich dasselbe als angenommen. Ich habe den Herren verschiedene Einläufe bekannt zu geben. Zunächst, liegt hier eine Bitte der Fischereipächter von Gaißau und Höchst. Eingebracht vom Herrn Abgeordneten Nägele. Ich ersuche den Herrn Sekretär dieselbe zu verlesen. (Sekretär verliest wie folgt:) „Hoher Landtag! Die unterzeichneten Fischereipächter von Gaißau und Höchst erlauben sich mit einer Bitte an die hohe Landesvertretung heranzutreten und über einen Hauptpunkt, welcher unsere, sowie auch die Interessen der gesummten Fischer Vorarlbergs schädiget, und zwar in Betreff der Schonzeit. Wir sind allerdings nicht gegen zweckmäßige und die Hebung der Fischzucht fördernde Schonzeiten, wenn dieselben korrekt und allgemein eingeführt sind und auch gehandhabt werden. Nun aber beginnt (um nur von einer oder zwei Fischgattungen zu reden) bei uns die Schonzeit der Forellen und Rheinlanken auf dem Bodensee und Rhein schon am 1. Oktober jeden Jahres und dauert bis 31. Dezember, während die Schon91 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. zeit schweizerischerseirs erst am 10. Oktober beginnt, daher die Schweizerfischer auf ein und demselben Gewässer um 10 Tage länger die Fischerei ausüben können als wir. Noch schlimmer steht es diesbezüglich mit der Schonzeit in Baden, wo eine Schonzeit gar nicht besteht, wie die Beilage beweist. Es können daher die Fischer anderer Bodenseeuferstaaten den Fischfang zum Theil länger, zürn Theil ganz ohne Beschränkung ausüben, als es bei uns der Fall ist. Wenn nun aber die Fischzucht gehoben und i eine Schonzeit gehandhabt werden soll, ist es nicht nur billig, sondern sogar nothwendig, daß auf ein und demselben Gewässer die Schonzeit zur gleichen Zeit eingeführt und überall ausgedehnt werde, als sonst die Einen zum Nachtheil der Andern und des Ganzen die Fische fangen können. Die ergebens: Gefertigten stellen daher an den hohen Landtag die ergebene Bitte, hochderselbe wolle auf geeignetem Wege dahin wirken, daß die Schonzeiten hinsichtlich des Fischfanges möglichst zweckmäßig, den Interessen der Fischer und der Hebung der Fischzucht entsprechend und auf ein und demselben Gewässer gleichmäßig eingeführt werde Gaißau und Höchst, am 26. Okt. 1890. Joses Nägele, Fischer. Hieronimus Nagel." Ich werde diese Petion s. Z. zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung auf die Tagesordnung setzen. Ferner ist eingelaufen ein selbstständiger Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Beck und Genossen, betreffend die Abänderung des § 13 der ! Landes-Ordnung. Ich bitte denselben zur Verlesung zu bringen. (Sekretär verliest denselben:) „Selbstständiger Antrag der Abgeordneten Dr. Beck, Dr. Fetz, Dr. Waibel und Josef Wols. In der Erwägung, daß es als zweckmäßig erscheint, daß die Zuziehung der nach § 13 der Landesordnung gewählten Ersatzmänner der Mitglieder des Landesausschusses zu den Sitzungen des letzteren und ihre Verwendung im Landesausschusse überhaupt für die Zukunft gesetzlich in analoger Weise so geregelt werde, wie dies von dem hohen Landtage durch den in seiner Sitzung vom 22. ds. Mts. beschlossenen § 22 der Gemeinde-Wahl-Ordnung bezüglich der Ersatzmänner der Mitglieder der Gemeindevertretung geschehen ist, unterbreiten die Gefertigten dem hohen Landtage folgenden Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: Der § 13 der Landesordnung tritt in seiner gegenwärtigen Fassung außer Kraft und hat zu lauten wie folgt: § 13. Für jedes Ausschußmitglied wird nach dem Wahlvorgange des vorigen Paragrafen ein Ersatzmann gewählt. Wenn ein Ausschußmitglied während der Landtag nicht versammelt ist, mit Tod abgeht, austritt, oder auf längere Zeit an der Besorgung der Ausschußgeschäfte verhindert ist, tritt der Ersatzmann ein, welcher zur Stellvertretung des Ausschußmitgliedes gewählt worden ist. Das Gleiche hat jedesmal zu geschehen, wenn ein Ausschußmitglied vorübergehend verhindert ist, an den Sitzungen des Landesausschusses theilzunehmen. Ist der Landtag versammelt, so wird für das bleibend abgängige Mitglied eine neue Wahl vorgenommen. Bregenz, am 29. Oktober 1890. Dr. Beck. Josef Wolf. Dr. Waibel. Dr. Fetz." Ich werde diesen Antrag auf eine der nächsten Tagesordnungen setzen. Es ist weiter eingelaufen ein selbstständiger Antrag der Herren Abgeordneten Bösch und Genossen betreffend eine Vorstellung an die Regierung über die Nothwendigkeit der Rheincorrection und Beseitigung der schädlichen Objecte aus dem Inudations - Gebiete. Ich bitte denselben zu verlesen. (Sekretär v. Ratz verliest wie folgt:) IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890 95 „Hoher Landtag! In Anbetracht der großen Nothlage, in welche die Rheinthalbewohner durch die wiederholten Rhein- ausbrüche versetzt wurden: in Anbetracht, daß der große Schaden, den die Rheinthalbewohner an Culturen, Häusern, Gewerbe und Industrie erlitten haben, nur ein Bruchtheil jenes Schadens ausmacht, der durch die Entwerthung des Besitzes ihnen erwachsen ist: in Erwägung, daß durch die Entwerthung des Besitzes ein großer Theil des Stammvermögens verloren ist und auf immer verloren bleibt, wenn die Rheinregulierung, d. i. die Ausführung der geplanten Durchstiche: „Diepoldsau, Brugg, Fußach, noch länger verschoben wird: in Erwägung, daß die Hochwasserstände vom 28. September 1885, vom 11. September 1888 und vom 29. auf 30. August 1890 den unwiderlegbaren Beweis liefern, daß für die Rheinthalebene nur durch die Rheinregulierung Sicherheit geschaffen werden kann, weil die Erhöhung des Rheinbettes in den letzten Jahren geradezu in erschreckender Weise fortgeschritten ist, so daß der am 28. September 1885 bis dorthin höchste Wasserstand binnen fünf Jahren mehr als um einen Meter überstiegen wurde, obwohl bei der letzten Überschwemmung am 29. auf 30. August 1890 die Ill und andere nähergelegene Nebenflüsse des Rheines nur ganz normalen Wasserstand hatten; in Erwägung endlich, daß bis zur Ausführung der projectirten Rheindurchstiche, worin das einzige wirksame Mittel zur Rettung der Rheinthalbewohner aus so großer Gefahr erblickt werden kann, im günstigsten Falle noch mehrere Jahre verstreichen dürften: so wird es, wie der hohe Landes-Ausschuß in seinem Memorandum vom 10. Oktober d. I. mit Nachdruck hervorhebt, zur unbedingten Nothwendigkeit, daß nicht nur die Steinwuhren und Binnendämme in ausgiebiger und schutzbietender Weise erhöht und verstärkt werden, sondern es sollen auch die den Wasserabfluß hemmenden Objecte beseitigt werden als: a. Die Zufahrtsstraßen (Rampen) zu den vielen Rheinbrücken, die durch Verlängerung der vorhandenen oder Erstellung neuer Vorbrücken ersetzt werden müßten, b. die verschiedenen Holzpflanzungen im Inundationsgebiete; denn bei einigen Rheinbrücken ist das ganze, bei andern aber wenigstens der größere Theil des Inundationsgebietes durch die Zufahrtsstraßen abgeschlossen, was bei allen Brücken eine große Stauung des Wassers bewirkt. Dem Wasserabflüsse sehr hinderlich sind auch gewisse Holzpflanzungen auf dem Inudationsgebiete als Erlen, Weiden und überhaupt alles Gebüsche, dagegen dürften vereinzelt stehende Bäume weniger schaden. Dieses Buschholz wird gewöhnlich alle 5—6 Jahre ausgehauen, wächst dann besonders auf den höheren Stellen des Inudationsgebietes in den ersten 2—3 Jahren ganz üppig und geschlossen auf, hemmt bei Hochwasserständen den Abfluß des Wassers bedeutend und bewirkt, weil das Laub bis zur Erde niederragt, eine geradezu riesenhafte Schlammablagerung und infolge dessen eine ungleichmäßige, dem Wasserabfluß schädliche Erhöhung des Inudationsgebietes. Die Pflanzung vorgenannter Holzgattung ist auf dem Inudationsgebiete nur dort zu empfehlen, wo zwischen Steinwuhr und Binnendamm noch größere Tiefen sind, ferner in Gruben, welche durch Aushebung von Material zur Erstellung der Binnendämme entstanden sind und endlich in schmalen Streifen den Binnendämmen entlang, durch welch' letztere gegen den Anprall der Strömung mehr geschützt würden. Zur weiteren Hintanhaltung der Schlammablagerung würde sich nach Beseitigung des Gebüsches empfehlen, daß das Inudationsgebiet von Ziegen und Rindvieh betrieben und abgeweidet und so für den Wasserabfluß rein erhalten würde. Auf diese Weise würde dem Rheine das ihm meistens innerhalb 20 Jahren durch Erstellung vieler Brücken und Zufahrstraßen entrissene Terrain zurückgegeben und das beschränkte Abflußgebiet wieder erweitert und die Gefahr neuer Ausbrüche mehr verhindert werden. Um aber diesen Zweck nicht nur halb, sondern ganz zu erreichen, wird eine hohe k. k. Regierung dringend gebeten werden müssen, mit der schweizerischen Regierung in Unterhandlung zu treten und dieselbe zu veranlassen, ihrerseits ähnliche Vorkehrungen zur Erweiterung des Abflußgebietes des Rheines zu treffen. Die Gefertigten stellen hiemit in Anbetracht der großen Nothlage der Rheinbewohner und deren 96 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. Unvermögenheit in Bezug auf Selbsthilfe den Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen, ihre in kurzen Zügen zusammengefaßte Vorstellung einer hohen k. k. Regierung zur hochgeneigten Würdigung zu unterbreiten. Bregenz, den 28. October 1890. Engelbert Bösch. Landtagsabg. Jacob Nägele, Landtagsabg. Josef Heinzle, Landtagsabg." Ich werde auch diesen Antrag in Druck legen lassen und ihn auf eine der nächsten Tagesordnungen setzen. Ich muß mir nun an das hohe Haus die Anfrage erlauben, ob es nicht unbeschadet dessen, daß die Druckerei mit dem Setzen der beiden Anträge nicht fertig wird, möglich wäre, diese beiden Gegenstände behufs formeller Behandlung auf die morgige Tagesordnung zu setzen, damit wir in Rücksicht auf die bevorstehenden Feiertage in der Arbeit nicht gehemmt werden. Ich muß diese Frage stellen, denn wenn auch nur ein einzelnes Mitglied dieses hohen Hauses einen Widerspruch erheben würde, könnte ich diese Gegenstände nicht zur ersten Lesung bringen. Dr. Waibel: Bezüglich des Antrages den wir Dr. Beck und Genossen gestellt haben können wir auf die Drucklegung verzichten. Bösch: Ich glaube, daß auch wir das thun können. Landeshauptmann: Wenn kein Gegenantrag gestellt wird, werde ich daher obige Einlaufstücke zur formellen Behandlung auf die morgige Tagesordnung setzen. — Es erfolgt keine Einsprache, und somit nehme ich an, daß das hohe Haus meinem Vorschläge zustimmt. Wir gehen nun zur Tagesordnung über. Der erste Gegenstand ist der Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Waibel in Betreff Abänderung des Armengesetzes. Ich erwarte einen Antrag über die formelle Behandlung. Dr. Waibel: Nachdem diesem Anträge eine Begründung nicht beigegeben war, so ist es von meinem Standpunkte aus unerläßlich dieselbe heute zu geben, und zwar bin ich dazu durch die Situation, die die Minorität hier einnimmt, genöthiget. Dieser Antrag kann zwei Schicksale haben, entweder kann der Landtag auf eine Zuweisung desselben gar nicht eingehen; in diesem Falle würde jede Verhandlung über denselben ausgeschlossen sein; oder er wird einem Ausschüsse zugewiesen, dann habe ich Gelegenheit später denselben zu begründen, zwar nicht im Ausschüsse selbst, weil ich nicht Mitglied desselben bin, aber ich kann das in diesem hohen Hause thun. Was ich aber jetzt anführen möchte, ist ungefähr Folgendes, und ich brauche hiezu nur wenige Worte. Aus diesem Paragraphen, den man recht eigentlich einen Vorsteher-Paragraphen nennen könnte, ist zu entnehmen, daß in diesem hohen Hause gegen die Gemeinde-Vorsteher ein etwas ungünstiger wenn nicht geradezu feindseliger Wind weht. Wenigstens die Beschlußfassungen vom letzten Mittwoch sind ein eclatanter Beweis dafür, denn die Beschlußfassungen über die §§. 90 und 96 sind für die Gemeindevorsteher beschämend, wenigstens fasse ich es so auf, und sie sind auch beschämend für das ganze Land. Im Jahre 1882 ist ein Gesetzgebungs-Akt vollzogen worden, der nicht von ähnlichen Motiven ausgegangen ist, wie die Beschlußfassung vom letzten Mittwoch. Ich habe Gründe zu vermuthen, daß dort andere Motive geherrscht haben. Das Gesetz um welches sich hier handelt, und, welches im Jahre 1882 beschlossen wurde, ist das Armen-Gesetz, zu welchen man das Armengesetz von Oberösterreich als Vorbild genommen hatte. Was hat nun die Landesverhandlung mit diesem sehr guten Gesetzesmuster gemacht? Sie hat, ich gebe das zu, einige Bestimmungen, die für unser Land nicht nothwendig waren, ausgelassen, sie hat aber andererseits im § 49 Änderungen vorgenommen, die nach meiner Überzeugung und Erfahrung nicht zweckmäßig waren. Man hat bei der Abänderung dieses Paragraphen Folgendes gemacht: Der § 61 des Landesgesetzes von Oberösterreich, welcher ursprünglich zum Muster vorgelegen ist, lautet folgendermassen: „Mitglieder des Armenrathes sind: a. der Gemeindevorsteher, IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. 97 b. die katholischen und akatholischen Pfarrvorstände (in deren Verhinderung die von ihnen delegirren Seelsorge-Stellvertreter) derjenigen Pfarrsprengel, zu welchen die Ortsgemeinde mindestens mit einem Drittheil ihrer Bewohner gehört, oder deren Pfarrkirche im Gebiete der Ortsgemeinde gelegen ist, wie auch der Vorstand der etwa an dem Orte der befindlichen israelitischen Cultusgemeinde, falls Angehörige derselben an den Armenfond dieser Ortsgemeinde einen Anspruch machen; 6. die Armenväter." Unser jetziges Gesetz lautet: „§ 49. Mitglieder des Armenrathes sind: a. die Armenfondsvervalter. b. die katholischen Pfarrvorstände re. 6. die Armenväter." Unser Landtag hat also im Jahre 1882 den Gemeindevorsteher, der in Oberösterreich an der Spitze des Armenrathes steht, aus dem Armenrathe hinausgeworfen und hat an Stelle desselben einen Funktionär zweiten Ranges gestellt. Das ist wohl nur geschehen um die Dreiheit, wie sie im § 48 aufgeführt ist nicht zu stören. Der Armenfondsverwalter ist entweder als Armenvater Mitglied des Armenrathes, oder er ist eine von der Gemeinde angestellte Persönlichkeit; in letzterem Falle kann er aber zugleich wie das bei anderen Gemeindebeamten üblich ist, nur zur Information beigezogen werden; eine mitstimmende Stellung könnte ich wenigstens demselben nicht einräumen. Was nun die Gemeindevorsteher anbelangt, so muß ich bezüglich der Stellung derselben auf den Bericht vom Jahre 1882 Hinweisen. Da sagt der Berichterstatter, und das war der Herr Abgeordnete Schneider, der in der Gemeindeverwaltung gewiß eine Erfahrung gehabt hat. (Johann Thurnher ruft: „Gewiß eine Erfahrung gehabt hat.") Gewiß hat er Erfahrung gehabt, und er hat sie auch bewiesen, aber er besaß ein nachgiebiges Gemüt; seine Überzeugung war bei dieser Sache gewiß eine andere. In diesem Motivenberichte steht Folgendes: „Nach § 48 ist der Armenrath die erste, der Gemeinde-Vorsteher die zweite Armenbehörde und im § 58 wird der Armenrath ausdrücklich dem Gemeindevorsteher unterstellt. Es ist daher wohl nicht angezeigt, daß der Gemeindevorsteher als zweite Behörde schon ex lege zugleich Mitglied und Vorsitzender der ihm untergeordneten ersten Behörde sei, zumal ihm in der durch die genannten Paragrafe angewiesenen Stellung im Hinblicke auf die im § 60 gegründeten Befugnisse die nach der Armen- und Gemeindegesetzgebung zustehende Ingerenz in der öffentlichen Armenpflege ausreichend gewahrt ist überdies muß auch darauf gesehen werden, den ohnehin, namentlich in größeren Gemeinden, mit Geschäften des selbstständigen und übertragenen Wirkungskreises überladenen Gemeindevorsteher möglichst zu entlasten anstatt noch mehr zu belasten. Für solche Gemeinden aber, in denen die Berufung des Gemeindevorstehers in den Armenrath wünschenswerth erscheint, ist immer noch durch die freie Wahl das Mittel geboten, denselben zum Mitgliede und beziehungsweise Vorsitzenden des Armenrathes zu bestimmen." (Johann Thurnher ruft: „Das ist auch richtig.") Landeshauptmann: Ich bitte den Herrn Redner nicht zu unterbrechen. Dr. Waibel (fortfahrend:) Ist das eine Gesetzgebung? Im ersten Theile dieser Begründung heißt es: „Der Gemeindevorsteher kann nicht im Armenrathe sein, weil er nach § 58 dem Armenrathe übergeordnet ist." Das heißt also er gehört nicht hinein, dann heißt es aber wieder einige Zeilen weiter: „man kann ihn hineinnehmen." Es heißt im § 58: „Der Armenrath untersteht dem Gemeindevorsteher. Run ist aber das im Armengesetze, welches man zum Muster genommen hat, nicht enthalten. Dort heißt es: „Der Armenrath untersteht der Gemeindevertretung und ist derselben verantwortlich;" das ist consequent und logisch. Wenn es aber im § 58 heißt: „Der Armenrath untersteht dem Gemeindevorsteher, " dann muß es im Gesetze auch ausgesprochen sein, wie untersteht er dem Gemeindevorsteher? Wenn das nicht ein Mangel im Gesetze ist, wenn gar keine näheren Bestimmungen über den Wirkungskreis des Gemeindevorstehers in demselben enthalten sind, dann weiß ich nicht, was Gesetz ist. Rach der vorliegenden Bestimmung im § 58 hat der Gemeindevorsteher in Armensachen eigentlich gar nichts darein zu reden. 98 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. Wie nun dieses Gesetz gehandhabt wird, davon kann ich ein paar Exempel geben. Ein Exempel ist das — wovon vielleicht der hohe Landes-Ausschuß näheren Aufschluß geben kann — es ist vorgekommen, daß in einer Gemeinde der Herr Pfarrer den gesammten Armenrath dargestellt hat, er ist Armenfondsverwalter und alles miteinander. Es gibt aber auch eine andere, und zwar ansehnliche Gemeinde, in welcher vollkommen anders Verfahren wird. In dieser Gemeinde, die ich meine, hat man sich um das Gesetz vom Jahre 1882 ein Pfifferling gekümmert, inan hat es mit Zulassung des Landesausschusses gemacht, wie die Sache sich bis dorthin bewährt hatte, und ich kann diesen Herren nicht Unrecht geben, wenn sie vom praktischen Standpunkte ausgegangen sind. In Bregenz ist nämlich kein Armenrath nach Vorschrift des § 50 gewählt worden, sondern da bildet wie vorher der gesammte Stadtrath und der Herr Pfarrer den Armenrath und der Bürgermeister Vorsitzender des Armenrathes. Stimmt das mit dem Gesetze überein? Ist das Gesetz nicht für Bregenz so gut wie für die andern Gemeinden Vorarlbergs gemacht worden? Heißt es im Titel des Gesetzes, wie bei Reichsgesetzen: „Dieses Gesetz besteht für alle Kronländer, mit Ausnahme von Galizien und Lodomerien." Armen-Gesetz, giltig für das Land Vorarlberg, mit Ausnahme der Landeshauptstadt Bregenz? Also hat dieses Gesetz nur für Bregenz nicht zu gelten und hat der Landes-Auschuß das Recht, für Bregenz eine Ausnahme vom Gesetze zu machen? Er hat da seine Befugnis ganz entschieden überschritten. Ich glaube ich habe nun die Mängel dieses Gesetzes zur Genüge hervorgehoben. Ich glaube, daß den Herrn Abgeordneten bei Verfassung dieses Gesetzes noch ein anderer Gedanke vorgeschwebt hat, besonders dem Herrn Abgeordneten Johann Kohler, es ist das seine Idee und seine Urheberschaft, die er damals in einer langen Rede entwickelt hat. Der damalige Landeshauptmann-Stellvertreter Herr von Gilm hat diese Rede als eine überflüssige Ideologie bezeichnet. Ich stimme mit diesem Urtheil nicht überein. Diese Beurtheilung ist etwas leicht. Es ist aus den Gründen, die der Herr Kohler damals in diesem hohen Hause vorgebracht hat zu entnehmen, daß sein Gedanke nicht der war, die Gemeindevorsteher von der Verwaltung des Armenvermögens zu entlasten, sondern es ist dies aus ganz anderen Gründen geschehen. Er hat sich von der Armenverwaltung eine ganz andere Idee gemacht, nämlich die, die gesammte Armenverwaltung der Kirche zu übertragen, überhaupt in dieser Beziehung eine grundsätzliche Reform anzubahnen. Nun die Mitwirkung der Kirchenvorstehung halte ich als sehr willkommen in dieser Beziehung, die Seelsorger sind vermöge ihrer Stellung in der Gemeinde berufen, mitzurathen, wie bei Armenangelegenheiten vorgegangen werden soll. Ich glaube aber, daß es nicht zeitgemäß wäre, dies dieser Behörde ganz allein zu übertragen, denn dazu ist sie allein nicht berufen. Wir müssen trachten, die Sache so zu behandeln, wie sie den factischen Verhältnissen entspricht und nach meiner Überzeugung hätte man daher im Jahre 1882 besser gethan, wenn man den Gesetzesabschnitt von § 48 bis 62 so angenommen hätte, wie er im Gesetze von Oberösterreich steht. Ich glaube nun die Gesichtspunkte die mich bei der Einbringung des Antrages geleitet haben, Ausdruck gegeben zu haben und damit schließe ich. Dr. Fetz: Da der Herr Vorredner die Stadt Bregenz zu einen speziellen Gegenstände seiner Erörterung gemacht hat, so bin ich genöthiget, auf die bezüglichen Bemerkungen zurück zu kommen. Der Landesausschuß hat seinerzeit, soweit es mir erinnerlich ist, an die Stadtvertretung von Bregenz und wahrscheinlich auch an alle anderen Gemeinden, die Aufforderung ergehen lassen zu berichten, in welcher Art das Armengesetz in Anwendung gebracht werde. Wir haben dieser Aufforderung auch entsprochen, und haben dem Landesausschusse mitgetheilt, und zwar haben wir das hinreichend begründet, daß wir über den Namen des Gesetzes nicht hinausgegangen sind, sondern daß wir nur bemüht waren dasselbe in richtiger Weise zur Anwendung zu bringen, und zwar in der Weise, wie es den hierortigen Verhältnissen am besten entspricht. Es ist allerdings richtig, daß ich als Bürgermeister im Armenrathe sitze, d. h. daß ich mich an den Arbeiten des Armenrathes betheilige, als Vorsitzender desselben, und zwar auf Grund der Wahl der Gemeindevertretung und das entspricht auch vollständig dem Wortlaute des Armengesetzes. Die Armenväter, IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. 99 welche von der Gemeindevertretung gewählt sind, erscheinen regelmäßig zu den betreffenden Sitzungen, und wenn das eine oder andere Mitglied des Stadtrathes es für angezeigt findet, diesen Sitzungen anzuwohnen, so glaube ich, daß dies im Sinne des Gesetzes gelegen ist, und daß das keine Mißachtung desselben ist, denn das ist den Stadtrathsmitgliedern nicht verboten, sondern ich glaube vielmehr, daß es Wünschenswerth ist, wenn dieselben, die die Verhältnisse der Gemeinde kennen, sich an den Berathungen betheiligen, und es ist auch nie ein Beschluß im Armenrathe gefaßt worden, der angefochten worden wäre. Es ist immer der katholische Pfarrer, wenn nothwendig auch der protestantische den Berathungen beigezogen worden, wie es dem Gesetze entspricht, und ich wüßte auch nicht, warum die Verrechnung des Armenvermögens nicht von der städtischen Administration besorgt werden könnte. Es ist dies die beste und sicherste Garantie, denn den Verwalter, welcher auch als Armenfondsverwalter bestellt ist, steht ein Controlor zur Seite und überdies ist auch ein aus der Gemeindevertretung gewählter Referent da, und das ist glaube ich die sicherste Gewähr für eine genaue Verwaltung. Ich wollte dies nur darum bemerken, daß man überzeugt sein kann, daß wir nicht über den Namen des Gesetzes hinausgegangen sind, und ich füge nur noch hinzu, daß bei uns in der Weise vorgegangen wird, wie es dem Gesetze entspricht. Dr. Waibel: Ich habe den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Fetz nur noch beizufügen, daß bezüglich der Armen-Administration die gleichen Verhältnisse auch in Feldkirch, Bludenz und Dornbirn bestehen wie in Bregenz und ebenso wird das auch in anderen Gemeinden des Landes der Fall sein, und darum sehe ich auch nicht ein, warum gerade der Stadt Bregenz eine besondere Begünstigung eingeräumt werden sollte. Dieses Verhältnis besteht schon seit dem Jahre 1882 und ich glaube man hätte das Gesetz derart verfassen sollen, daß es auch für alle Gemeinden gleich entsprechend gewesen wäre, oder man hätte die der Stadt Bregenz gewährte Ausnahme auch den andern im gleichen Verhältnis stehenden Gemeinden zugestehen sollen. Johannes Thurnher: Ich glaube zunächst nur den Landes-Ausschuß gegen die Vorwürfe in Schutz nehmen zu müssen, welche ihm hier gemacht worden sind. Einerseits hat zwar der zweite Redner Herr Dr. Fetz die Gesetzesmäßigkeit der Bregenzerverhältnisse bereits nachzuweisen gesucht, jedoch auf der andern Seite muß ich bemerken, daß es wohl schwer ist, ohne Studium der Aktenlage im speziellen Falle genau und bestimmt auszusprechen, wer recht hat oder nicht. Nur Eines möchte ich dem Herrn Dr. Waibel gegenüber bemerken, daß der Landesausschuß in der Regel nur dann einschreitet, wenn die Gesetze verletzt werden, wenn Klagen einlaufen und zwar dann im Entscheidungswege. Solche sind meines Wissens nicht eingelaufen, im Gegentheil scheint der Herr Bürgermeister von Bregenz sich an den Landes-Ausschuß gewendet zu haben, und es ist anzunehmen, daß der Landesausschuß seinem Vorgehen die Zustimmung nur in der Überzeugung gegeben hat, daß dasselbe mit Bestimmungen des Gesetzes nicht im Widerspruche stehe. Herr Dr. Waibel hat dann auch zwei Herrn kritisirt die an diesem Berichte betheiligt waren, welche aber heute nicht mehr im Landtage sind und die sich daher heute hier nicht mehr vertheidigen können. Der eine davon ist überdies mit Tod abgegangen, so daß es ihm auch sonst nicht möglich wäre, sich überhaupt noch in irgend einer Weise zu vertheidigen. Ich muß das mit Tod Heimgegangene ehemalige Mitglied dieses Landtages nur vor dem einen Vorwurf schützen, daß es, obwohl es Berichterstatter war, die Gedanken seines Berichtes nicht vom Herrn Abgeordneten Kohler entlehnt hat, denn sogut der Herr Abgeordnete Kohler seine eigenen Gedanken hatte, eben so hat aber auch der Abgeordnete Schneider seine eigenen Gedanken gehabt und es war daher für keinen von beiden nothwendig, daß sie die Gedanken von einander entlehnten. Ich muß zur Klarstellung jedoch weiter bemerken, daß sich diese zwei Herren in manchen Fällen in Übereinstimmung gefunden haben. Fink: Nachdem ich in einer früheren Sitzung gegen den Herrn Dr. Waibel gesprochen habe, so muß ich, um gerecht zu sein, heute in einer Beziehung für denselben einstehen, nämlich in so weit, daß ich meiner Freude Ausdruck geben und constatiren muß, Herr Dr. Waibel fange doch an, sich dem Usus, der hier im Landtage seit 100 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. L Session der 7. Periode 1890. Jahren besteht, nämlich einzelne Gesetzesparagraphen zu ändern, zu acomodiren. Es scheint mir, er hat auch das Gute für sich, daß er leicht bekehrt werden kann. (Heiterkeit.) Es scheint mir ferner, daß er sich nun selbst zur Gesetzesstickerei herbeilasse und ich möchte ihm sogar noch verzeihen, wenn er früher immer von Gesetzesflickerei gesprochen hat, besonders wenn er die Gesetzesflickerei so versteht, daß man die Paragraphe in der Weise abändern würde, wie er es uns heute vorschlägt. Wenn ich den Herrn Dr. Waibel recht verstanden habe, sagt er selbst, daß der § 58 des für die öffentliche Armenpflege bestehenden Gesetzes, wornach der Gemeindevorsteher das Aufsichtsrecht über den Armenrath hat, im Widerspruche zu demjenigen Passus des ehemaligen Berichtes stehe, nach welchem der Gemeindevorsteher in den Armenrath gewählt werden könne. (Dr. Waibel ruft: Das habe ich nicht gesagt.) So habe ich es aufgefaßt, und in diesem Falle würde dann nach Aczeptirung des Antrages, dieser Widerspruch um so deutlicher hervortreten, wenn der Gemeindevorsteher wirklich Mitglied des Armenrathes sein müßte. Ich habe noch auf ein anderes Wort, das Herr Dr. Waibel fallen gelassen hat, zurückzukommen, nämlich es sei beschämend für die Gemeindevorsteher, daß man in der letzten Sitzung dem § 96 der G.-O. zugestimmt habe. Ich hätte, wie ich das schon früher bemerkt habe, solche Ausdrücke von einem gebildeten Herrn nicht erwartet, der Ausdruck, „daß es beschämend sei", ist ein sehr abträglicher. Diese Bemerkung des Herrn Dr. Waibel macht den Vorstehern die größten Vorwürfe. Wir haben die Sache wohl überlegt und nach jeder Richtung in Erwägung gezogen. Es könnte mit der Zeit ja vielleicht kommen, daß die Majorität des Landes-Ausschusses liberal wäre, wir haben aber nicht das geringste Bedenken gehabt, daß eine solche Landes-Ausschuß-Majorität die Gemeindevorsteher „mißhandeln" würde, wie das von Seite des Herrn Dr. Waibel befürchtet wird. Um mich nun aber über diesen Antrag des Herrn Dr. Waibel besser orientiren zu können, hielt ich es für gut, wenn ein Mitglied des letzten Landes-Ausschusses uns die Mittheilung machen könnte, in wie weit seit dem Bestehen des Gesetzes sich ein Bedürfniß gezeigt hat, Abänderungen an demselben vorzunehmen, ich hielte es für gut, wenn man uns mittheilen könnte, ob diesbezüglich Klagen beim Landes-Ausschusse eingelaufen feien. Dr. Waibel: Ich will nur eine kurze Bemerkung auf die humane Behandlung des Herrn Vorredners machen. Ich war schon gefaßt darauf, daß solche Vorwürfe nicht ausbleiben werden. Ich habe meinen Antrag auch nicht in der Hoffnung eingebracht, daß er durchgehen werde, und dadurch, glaube ich, entfällt für den Landtag jede Gesetzesflickerei und zwar in diesem Falle ganz gewiß. Meine Absicht ging dahin, auf Grund wenigstens meiner Erfahrungen nachzuweisen, daß hier ein Widerspruch vorliegt. Ich habe ausdrücklich gesagt, daß dieser Widerspruch darin liegt, daß es heißt: der Armenrath untersteht dem Gemeindevorsteher, also deshalb glaube ich, kann ein Gemeindevorsteher nicht Mitglied des Armenrathes sein; das ist ein Widerspruch und damit schließe ich. Johannes Thurnher: Ich kann dem Herrn Abgeordneten Fink auf seine Anfrage, ob beim Landes-Ausschusse Beschwerden über die Unzweckmäßigkeit des Armengesetzes eingelaufen feien, nur bemerken, daß meines Wissens, wenigstens in jenen Sitzungen, welchen ich beigewohnt habe, solche Beschwerden nicht eingelaufen sind, also kann daraus der Schluß gezogen werden, daß in den meisten Gemeinden dieses Bedürfniß nicht empfunden wird, welches Herr Dr. Waibel nach seinem Antrage zu haben scheint. Nägele: Wenn man auf die Reden des geehrten Herrn Dr. Waibel aufpaßt und auf die Bemängelung, die er dem Armengesetze ausstellt, so könnte man schließlich zur Ansicht kommen, daß wir eine Regierung hätten, die nicht fähig wäre, ein Gesetz, welches der Sanction vorzulegen ist, zu prüfen. Ich glaube aber, daß die Regierung klug genug war, dieses Gesetz zu kennen; ich glaube daher, daß diesem Gesetze nicht so viele Mängel anhaften, wie Herr Dr. Waibel sie anführt. Martin Thurnher: Wenn es sich nur um diese Änderung im Armengesetze handelt, die Herr Dr. Waibel hier beantragt, dann glaube ich, ist es nicht eine unbedingte Nothwendigkeit, auf eine solche Abänderung einzugehen. Wie von einem der Herren Vorredner hervorgehoben wurde, hat sich im Laufe von acht Jahren keine Nothwendigkeit IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. 101 gezeigt, dieses Gesetz zu ändern. Es sind dem Landes-Ausschusse auch Seites jener Gemeinden, in welchen sich die Vorsteher nicht in den Armenrath wählen ließen, wie dies in Dornbirn der Fall war, keine Klagen eingelaufen und die Armenräthe haben ohne Anstand durch die ganze Zeit ihres Amtes gewaltet ohne daß, wie gesagt, diesbezugs die geringsten Beschwerden laut geworden wären. Übrigens ist der Antrag selbst lückenhaft, denn wenn man auf denselben eingehen wollte, müßte man mehrere Paragraphe, z. B. § 48 und 58 abändern, (Dr. Waibel ruft: Ganz richtig!) und dann dürfte zudem der Antragsteller vielleicht auch noch die Abänderung anderer Paragraphe wünschen oder für nothwendig halten. Ich glaube, man sollte warten, bis eine allgemeine Abänderung des Gesetzes beantragt wird, bis alle diesbezüglichen Wünsche klar gestellt werden, denn diese beantragte Änderung wäre nur eine flickweise, die ja nach frühern Ausführungen Dr. Waibels nicht vorgenommen werden soll. Wenn aber dem Antragsteller alles Übrige im Gesetze gefällt, nur der § 49 nicht, dann ist es mit der Gesetzgebung in diesem hohen Hause nicht so schlimm bestellt, wie es Dr. Waibel hier und anderswo der erstaunten Welt weiß machen wollte und will. — Es hat der Antragsteller gesagt, die Negierung habe damals den Wunsch geäußert, daß die Gemeindevorsteher im Armenrathe Aufnahme finden; nun das ist wahr; er hat uns aber auch die bezügliche Begründung bereits mitgetheilt, die damals der landtägliche Ausschuß zur Fassung diess Paragraphen vorlegte, welche Begründung keines weiteren Comentars bedarf. Es ist nicht nothwendig, daß ich diese Begründung vorlese, es ist dies bereits vom Herrn Antragsteller geschehen. Aus all den dort vorgebrachten Gründen und den übrigen von mir erwähnten, kann ich für meine Person die Zuweisung dieses Antrages an einen Ausschuß nicht empfehlen. Dr. Waibel: Die Lückenhaftigkeit meines Antrages habe ich im Eingange meiner Begründung angedeutet und zu verstehen gegeben, daß auch eine Abänderung anderer Paragraphe des IV. Abschnittes eintreten müßte. Soweit habe ich das Gesetz schon studirt. Aber das ist nicht in der Ordnung, daß in diesem Gesetze in keiner Weise vom Wirkungskreise des Gemeindevorstehers gegenüber dem Armenrathe die Rede ist, das ist eine empfindliche Lücke, das wird mir jeder zugestehen, der das Gesetz genau kennt und zu handhaben hat. Das hat man in Bregenz auch sofort empfunden, da hat der Bürgermeister auch den Sitz im Armenrathe eingenommen, man hat sich durch diese Bestimmungen nicht beirren lassen, aber dort, wo man nach dem Gesetze vorgeht, wird man diese Lücke desselben sehr empfinden. Ich habe das dem Landes-Ausschusse nicht mitgetheilt, das hätte keinen Erfolg gehabt, ich habe nur die Gelegenheit benutzt, dies hier zur Sprache zu bringen, ich habe keine Gesetzesflickerei machen wollen; ich weiß, daß dieser mein Antrag nicht die Annahme finden wird, darüber täusche ich mich nicht, aber das Bedürfniß habe ich empfunden, auf diesen wichtigen Punkt aufmerksam zu machen und das kann mir Niemand wegstreiten, daß diese Lücke besteht. Fink: Der Herr Abgeordnete der Handelskammer hebt mit Nachdruck hervor, daß ein von ihm gestellter Antrag überhaupt nicht zur Geltung kommen könne. Das ist ein ziemlich schwerer Vorwurf für die Majorität des Landtages. Ich glaube aber, wenn der Herr Abgeordnete der Handelskammer dieser Ansicht huldigt, so ist er selbst am meisten Schuld daran, er schneidet sich, obwohl er Doctor ist, die Adern selber ab. Er hat im Anfange der heutigen Debatte bemerkt, daß es ihm nirgends als im hohen Haufe gegönnt sei, seine Ansichten auszusprechen, weil er, wenn ich recht gehört habe, keinem Ausschüsse angehöre, und er deshalb seinen Antrag nicht vertheidigeil könne. Nun ist es aber bekannt, daß Herr Dr. Waibel selbst Schuld daran ist, daß er keinem Ausschüsse angehört, und voraussichtlich in keinen sobald mehr kommen wird; er hat die Wahl in Schulausschuß nicht angenommen, und erklärt, daß er sich auch bei andern Ausschüssen nicht betheiligen werde. Es wäre durchaus nicht ausgeschlossen gewesen, daß für diesen speziellen Antrag ein eigener Ausschuß bestellt und der Antragsteller in denselben gewählt worden wäre, wenn er nicht im Vornhinein erklärt hätte, er werde sich künftig an den Arbeiten der Ausschüsse activ nicht betheiligen. Landeshauptmann: Wünscht noch Jemand das Wort? 102 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. Martin Thurnher: Ich muß dem Herrn Dr. Waibel erwiedern, daß es keiner Gemeinde benommen ist, ihren Vorsteher als Mitglied des Armenrathes zu wählen, ja sogar zum Vorsitzenden desselben zu machen. (Dr. Waibel ruft: Aber gesetzlich ist es nicht.) (Johann Thurnher ruft: Aber die Möglichkeit hierzu ist gegeben.) (Dr. Waibel ruft: Dann kann man thun wie man will.) Landeshauptmann: Wünscht noch Jemand das Wort? Nachdem ein Antrag behufs formeller Behandlung des Gegenstandes bisher nicht gestellt ist, so bitte ich es zu thun. — Es erfolgt kein solcher Antrag, somit ist nach § 25 der Geschäftsordnung der Antrag des Herrn Dr. Waibel ohne Abstimmung als abgelehnt betrachtet, und wir können zum zweiten Gegenstände der Tagesordnung übergehen; das ist der selbstständige Antrag des Herrn Abgeordneten Welte- und Genossen betreffs der Waffenübungen der Reservisten und Landwehrmänner. Dieser Antrag ist den Herren gedruckt zugekommen. Ich erwarte über die formelle Behandlung dieses Gegenstandes einen Antrag. Welte: Ich beantrage die Zuweisung dieses Gegenstandes an den Gemeindeausschuß. Landeshauptmann: Es ist die Zuweisung an den Gemeindeausschuß beantragt. Wünscht Jemand das Wort? — Es ist dies nicht der Fall, somit nehme ich an, daß der gestellte Antrag die Zustimmung des hohen Hauses hat. — Sie ist gegeben und es wird die Zuweisung in dieser Weise erfolgen. Der dritte Gegenstand ist der selbstständige Antrag des Herrn Abgeordneten Nägele betreff end. die Forderung des Landes an das hohe k. k. Aerar. Ich erwarte auch hierüber einen Antrag über die formelle Behandlung dieses Gegenstandes. Fritz: Ich beantrage, daß dieser Gegenstand dem volkswirthschaftlichen Ausschüsse zugewiesen werde. Landeshauptmann: Der Herr Abgeordnete Fritz beantragt die Zuweisung dieses Gegenstandes an den volkswirthschaftlichen Ausschuß. Wünscht Jemand das Wort? — Da dies nicht der Fall ist, so nehme ich an, daß das hohe Haus mit diesem gestellten Antrage einverstanden ist. —Die Zustimmung ist gegeben. Der vierte Gegenstand ist die Petition des Fischereivereines um Unterstützung aus Landes Mitteln. Schappler: Ich beantrage, daß dieser Gegenstand dem Finanz-Ausschusse zur Berathung und Berichterstattung zugewiesen werde. Landeshauptmann: Herr Schappler beantragt die Zuweisung dieses Gegenstandes an den Finanzausschuß. Erfolgt eine Bemerkung? — Da dies nicht der Fall ist, nehme ich an, daß das hohe Haus hiemit einverstanden ist. Der fünfte Gegenstand ist der Bericht des volkswirthschaftlichen Ausschusses über den selbstständigen Antrag der Herren Abg. Dr. Beck und Genossen auf Subventionirung landwirtschaftlicher Fortbildungsschulen. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Johann Thurnher gefälligst den Bericht vorzutragen. Johann Thurnher: (Verliest Beilage XVI.) Landeshauptmann: Wünscht Jemand das Wort? Dr. Waibel: Ich glaube, daß das Comite, das diese Sache behandelt hat, gut gethan hätte, wenn es bemüht gewesen wäre, über die Frequenz dieser Schulen nähere Daten zu sammeln. Diese landwirtschaftlichen Fortbildungsschulen haben für das Laich eine große Bedeutung. Ich niu§ hier aufmerksam machen, daß in den letzten paar Jahren die Honorirung der Lehrer eine bedeutend magerere war, als wie früher, und daß diese Honorirung Schuld daran ist, daß diese Schulen, die im Lande beliebt waren, vielfach eingegangen sind. Diese Wahrnehmung hat uns veranlaßt, den Antrag zu stellen, daß der Landes-Ausschuß diese Schulen wieder in's Leben rufe. Ich könnte durch Beispiele zeigen, uud zwar gerade seitens IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. 103 dieser Schulen in Dornbirn, daß sie eine lebhafte Betheiligung fanden, und das war in anderen Gemeinden auch der Fall. Eine Ausnahme hiervon war bei uns die Schule in Haselstauden, aber an den übrigen Schulen Dornbirns war die Betheiligung eine sehr lebhafte. Es liegen diesbezugs Berichte vor, aus denen zu entnehmen ist, daß die Lehrer bemüht waren, nach Kräften das ihrige für diese Schulen beantragen. Es sind in diesen Schulen nicht nur landwirthschaftliche Gegenstände vorgetragen worden, die Lehrer haben sich auch bemüht, junge Männer, oft im Alter von über 20 Jahren, im Rechnen, Lesen u.s.w. zu unterweisen. Auch bei unserem Heere besteht die wohlthätige Übung, daß in den Wintermonaten mit der jungen Mannschaft Schule gehalten, und die Gegenstände der der Volksschule, Schreiben, Rechnen und Lesen betrieben werden. Ich habe die Wahrnehmung machen können, daß auf diese Weise recht tüchtige, beim Militär, in Geschäften und Ämtern recht verwendbare Männer herangezogen wurden, und sich gute Stellungen erwarben. Die Unterrichtsverwaltung, resp, das Ackerbauministerium ist bei Gründung dieser landwirthschaftlichen Fortbildungsschulen ostenbar von dem Gedanken ausgegangen, daß sie für die Bevölkerung nützlich und zweckmäßig sein, daß diese Fortbildungsschulen zur Hebung der Landwirthschaft beitragen. In den letzten Jahren sind diese Schulen in die Agende des Unterrichts-Ministeriums übergegangen; allein seitens des Unterrichts-Ministeriums wird hierfür ein sehr geringer Beitrag geleistet, meines Erinnerns ist für dieses Jahr für ganz Cisleitanien nur ein Betrag von 7000 fl. aus gewiesen worden, und da ist dann natürlicher Weise auf Vorarlberg ein ganz geringer Betrag entfallen, und das ist eben die Schuld daran, daß diese Schulen nicht mehr gehalten werden. Es kann den Lehrern doch nicht zugemuthet werden, daß sie umsonst diesen Unterricht ertheilen. Diese Schulen sind für die Bevölkerung ein großes Bedürfnis und es hätte darin kein Unterbrechen stattfinden sollen. Die Sonntagsschule, die man in verschiedenen Gemeinden wieder einführen wollte, hat sich als lebensunfähig erwiesen, man hat wohl Versuche gemacht sie einzuführen aber sie sind eingeschlafen. Die Sonntagsschulen werden meist nur im Winter besucht, im Sommer ist es schwer junge Leute dazu zu verhalten. Die Sonntagsschulen werden auch erst nach dem nachmittägigen Gottesdienst abgehalten, der oft über drei Uhr hinaus dauert und um 5 Uhr ist es schon Nacht. Es müßen diese Schulen so eingerichtet werden, daß sie 3 bis 4 Stunden dauern, nur dann richtet man etwas aus. Ich glaube also nicht mehr länger beweisen zu müssen, daß die landwirthschaftlichen Fortbildungsschulen ein Bedürfnis für unser Land sind, und daß wir alle dazu berufen sind, daß unsere Jugend immer mehr ausgebildet werde. Ich bin mit dem Antrage der hier am Schlüsse gestellt wird einverstanden. Ich bin dafür, daß aus Landesmitteln eine gewisse Summe ausgewiesen werde für solche Leute die sich zu diesem Lehrfache ausbilden wollen. Solange wir die Lehrerbildungsanstalt hatten, war den Lehrern Gelegenheit geboten, sich daselbst an solchen Cursen zu betheiligen, sie konnten sich für dieses Fach heranbilden. Diese Gelegenheit ist nun nicht mehr vorhanden, wenigstens ich kann mir nicht vorstellen, wo in unserem Lande hiezu noch die Gelegenheit wäre. Es steht auch hierüber im Berichte nichts. Es gibt aber bei uns noch eine sehr große Anzahl von Lehrern, welche diese Vorbildung genossen haben, welche vollkommen fähig sind, diesen Unterricht zu ertheilen. Diese Wiedereinführung landwirthschaftlichen Schulen ist im besonderen Interesse des Landes. Aber wenn nur eine so kleine Subvention gegeben wird, so ist der Sache wenig geholfen. Es ist wohl unerläßlich, daß unser Antrag mit in Beschlußfassung ausgenommen wird, nämlich der Antrag: „Der Landesausschuß .... (Verliest denselben.) Es ist unerläßlich, daß zwölf oder dreizehn hundert Gulden und wenn es auch vierzehn sind, zu diesem Zwecke gewidmet werden. Es wird eine geringere Summe nicht ausreichen die Lehrerschaft entsprechend zu betheilen und zum Unterrichte heran zu ziehen. Ich kenne die Verhältnisse der Lehrer, sie haben in einer großen Anzahl von Gemeinden ein so geringes Einkommendaß ihnen nicht zugemuthet werden kann, daß sie die Zeit auch noch einer solchen Aufgabe unentgeltlich widmen. 104 IX. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. Wenn aber der Landtag sich finanziell an diesem Unternehmen in der Weise betheiliget, wie wir es beantragen, so bin ich überzeugt, daß auch die Unterrichtsverwaltung durch den guten Willen des Landes aufgemuntert zu bewegen sein wird mitzuhelfen. Ich stelle mir die Mittel, welche durch die Annahme dieses Antrages in Anspruch genommen werden nicht so hoch vor. Wenn es 1000 oder 1500 fl. sind, so ist das alles, und wenn dem Land dadurch eine große bleibende Wohlthat erwiesen wird, so ist diese Ausgabe doch nicht hoch. Ich bitte Sie daher nehmen Sie den Antrag den das Comite vorgelegt hat und auch den Antrag, den wir gestellt haben an. Landeshauptmann: Wünscht noch Jemand das Wort? — Da dieses nicht der Fall ist, so erkläre ich die Debatte für geschlossen. Hat der Herr Berichterstatter etwas zu bemerken. Johann Thurnher: Ich muß mir erlauben noch eine Bemerkung zu machen, kann mich aber kurz fassen, weil der Herr Vorredner am Berichte selbst, den ich zu vertreten habe, nur das eine ausgesetzt hat, daß die Minorität sehr dankbar gewesen wäre, wenn noch weitere Mittheilungen gemacht worden wären. Dazu muß ich bemerken, daß der Ausschuß allerdings nicht alles