18840910_lts012

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Letzte Änderung 02.07.2021, 19:00
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp06,lts1884,lt1884,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag 12. Sitzung am 10. September 1884 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Karl Graf Belrupt. Gegenwärtig sämmtliche Abgeordnete. Regierungsvertreter: Herr Statthaltereirath Seine Durchlaucht Prinz Gustav v. Thurn und Taxis und Herr Landesgerichtsrath Dr. Bruno Lecher. Beginn der Sitzung 3 Uhr 5 Mm. Nachm. Landeshauptmann: Die Sitzung ist eröffnet, (Sekretär verliest das Protokoll.) Wird zur Fassung des Protokolles etwas bemerkt? Wenn nicht, — so ist dasselbe im Wortlaute, wie es verlesen worden ist, genehmigt. Ich erlaube mir eine kleine Bemerkung noch zu diesem Protokolle zu machen, welche sich auf einen Umstand basirt, der erst nach der Abfassung aufgekommen ist. Ad Punkt 11 „Viehseuchenfond" käme zur Richtigstellung nachzutragen, daß das schließliche Vermögen des Fondes für Rinder pro 1883 sich auf 4645 fl. 91 kr. — soweit der Wortlaut — und jener für Einhufer auf 843 fl. 78 kr. S.-W. beläuft. Wenn die hohe Versammlung nichts dagegen einzuwenden hätte, so würde ich diesen hier soeben verlesenen Zusatz dem Protokolle anschließen, weil es sich um die Richtigstellung des Viehseuchenfondes in beiden Theilen, nämlich im Theile der Rinder und im Theile der Einhufer handelt. Wenn keine Bemerkung dagegen erfolgt, so nehme ich an, daß die hohe Versammlung ihre Zustimmung hiezu gibt. Die Zustimmung ist gegeben und ich werde diesen Zusatz dem Protokolle der letzten Sitzung beifügen. Ich habe der hohen Versammlung ferner die Mittheilung zu machen, daß für den auf der heutigen Tagesordnung befindlichen Gegenstand, nämlich für die Hypothekenerneuerung der Herr Landesgerichtsrath Dr. Bruno Lecher als Regierungsvertreter 100 XII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 6. Periode. hieher gekommen ist, welchen ich hiemit der hohen Versammlung vorstelle. Regierungsvertreter Prinz Taxis: Ich bitte um das Wort. Landeshauptmann: Der Herr Negierungsvertreter hat das Wort. Regierungsvertreter: Es wurde in einer der letzten Sitzungen eine Interpellation der Negierung übergeben seitens des Herrn Abgeordneten Schneider und Genossen und zwar eine Interpellation über den Stand der Verhandlungen über die Rheinkorrektion, welche mit der Frage schließt: „Ist die hohe Regierung geneigt, über den dermaligen Stand der Verhandlungen in Betreff der vorarlbergisch-schweizerischen Rheinkorrektion zur Beruhigung der betheiligten Rheingemeinden Vorarlbergs Eröffnungen zu machen?" Ich erlaube mir mit Bezugnahme auf diese Interpellation Folgendes zur Kenntniß des hohen Hauses zu bringen. In Folge der am 22. Oktober 1881 in der 0. Landtags-Sitzung diesfalls gefaßten Beschlüsse wurde über Antrag der hohen k. k. Statthalterei mit dem Erlasse des hohen k. k. Ministeriums des Innern vom 31. März 1882 Z. 2885 genehmigt, daß das Rheinkorrektions-Projekt vom kulturtechnischen Gesichtspunkte und mit Rücksicht auf die Gutachten Elmenreich und Mehele durch eine interne Expertise einer nochmaligen Prüfung unterzogen werde. Zur Lösung der Aufgabe in kulturtechnischer Beziehung wurde über Anregung in den Ausschußberichten des Vorarlberger Landtages der k. k. Professor an der Hochschule für Bodenkultur in Wien Dr. Emil Perels berufen; außerdem wurden von Seite der Negierung der k. k. Oberbaurath v. Feder und Baurath Mehele als Mitglieder der Kommission bestimmt. Die Ergebnisse dieser Expertise sind in dem bezüglichen Protokolle d. dto. Feldkirch am 7. Juni 1882 enthalten. Auf Grund der bezüglichen Beschlüsse wurde mit dem Erlasse des hohen k. k. Ministeriums des Innern vom 15. September 1882 Z. 13, 040 die Umarbeitung des Rheindurchstich-Projektes angeordnet und diese Umarbeitung mit hohem Statthaltereierlaffe vom 22. September 1882 Z. 16, 811 dem k. k. Bezirks-Ingenieur übertragen. Nachdem der Personalstand der k. k. Bauabtheilung von den kurrenten Dienstesgeschäften vollends in Anspruch genommen war, so wurde um die sehr umfangreiche Arbeit an dem Rheinkorrektionsprojekte ohne allzugroßen Zeitaufwand zu bewältigen, um die Zutheilung eines eigens hiezu zu verwendenden Technikers nachgesucht, welchem Ansuchen jedoch mit Rücksicht auf die Aufliegenheit an technischem Personale in Folge der großartigen Elementarbauten in Südtirol und Pusterthal nicht entsprochen werden konnte. Da somit die Umarbeitung des Rheinkorrektions-Projektes von den diesseitigen Baubeamten neben den currenten Geschäften erfolgen mußte, so war der k. k. Bezirks-Ingenieur erst im November 1883 in der Lage, das umgearbeitete Projekt in Vorlage zu bringen. Als wesentlichste Modificationen sind in dem umgearbeiteten Rheinkorrektions-Projekte folgende enthalten: 1. Die drei Wasserläufe: Rhein, Binnenwasserkanal und Dornbirner Ache werden nicht mehr unmittelbar nebeneinander in den See geleitet, sondern es wurde nach dem Beschlusse der Expertise unter Beibehaltung der im Jahre 1875 projektirten Ausmündung der Dornbirner Ache die Durchstichs-Trutze des Rheins gegen Westen bis zum Fußacher Seedamme vorgerückt, so, daß dieser Damm mit dem linkseiligen Ufer des Rheins zusammenfällt; die Einmündung des Durchstiches bei Brugg dagegen wurde unverändert beibehalten. Durch die erwähnte Verrückung der Rheinausmündung wird im Vergleiche zum 1875ger Projekte die Entfernung der Achse des Rheins von jener der Dornbirner Ache von 170 auf 380 Meter vergrößert und in dieser Zwischenstrecke, 80 m. von der Achse der Dornbirner Ache und 300 m. von der Achse des Rheindurchstichs entfernt, wurde die Ausmündung des Binnenwasserkanals projektirt. Die Tiefen Verhältnisse des Sees zeigen sich der Rheinausleitung an dieser Stelle günstig, da, wie sich aus der Messung der Seetiefen in der Achse des Durchstichs ergab, unweit der projektirten Rheinmündung die größere Seetiefe beginnt, welche bei 200 m. Entfernung vom Seeufer bereits 16 m. und bei 400 m. Entfernung 41 'm. XII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 6. Periode. 101 unter dem Niederwasserspiegel des Sees beträgt. In weiterer Fortsetzung von 400 m. bis 2300 m. Entfernung vom Seeufer wechselt die Seetiefe zwischen 40 und 60 Metern. 2. Nachdem sich aus der Sondierung des Durstichterrains ergab, daß sich nur in der oberen circa 1300 m. langen Strecke der Korrektion bei Brugg leicht verflößbares Geschiebe vorfinde, in der Fortsetzung nach abwärts dagegen der Grund größerentheils aus Lehm und Torf bestehe, daher durch den Strom selbst schwer angreifbar sei, so wurde in der betreffenden Strecke und zwar bis zur Ausmündung des Rheins der Vollaushub des Durchstiches bis zum künftigen Niederwasserspiegel in Antrag gebracht. Dadurch wurde das Quantum des auszuhebenden Grundes ungleich größer und ein Theil desselben dazu bestimmt, die Kronbreite der Binnendämme von 6 auf 10 m. zu vergrößern. 3. Die Öffnungen der beiden eisernen Rheinbrücken wurden von 9 auf 5 reduzirt. 4. Da sich in Folge Beseitigung der Gysischen Stauwehre eine sehr wesentliche Eintiefung der Dornbirner Ache ergeben wird, so wurde die Korrektion dieser Ache auf 600 m. Länge von der Eisenbahnbrücke aufwärts in das umgearbeitete Projekt mit ausgenommen. Die Gesammtkosten der Bauausführung einschließlich der Grund- und Gebäude-Einlösung und der Wiederherstellung der Kommunikationen wurden in dem umgearbeiteten Brugg-FußacherRheindurchstichs-Projekte auf 3, 622, 000 fl. Ö.-W. in Silber berechnet. Die definitive Beschlußfassung über diese Modifikationen wird in einer noch abzuhaltenden Schlußkonferenz unter Beiziehung der schweizerischen Techniker erfolgen. Weiters wurde in der Sitzung vom 5. September ebenfalls von Herren Schneider und Genossen eine Interpellation an die Negierung gerichtet, dahin gehend: „Hat die hohe Regierung Kenntniß, daß der nach den Bestimmungen des Landesgesetzes vom 7. Jänner 1883 betreffend die öffentliche Armenpflege der Gemeinden als Armenbehörde erster Instanz bestimmte Armenrath in einer großen Zahl von Ortsgemeinden des Landes noch nicht eingesetzt ist, und gedenkt dieselbe die nöthigen Schritte zur Durchführung des erwähnten Landesgesetzes einzuleiten?" Diese Interpellation erlaube ich mir folgendermaßen zu beantworten: Das Gesetz über die Armenpflege in Vorarlberg berührt den selbstständigen Wirkungskreis der Gemeinden, welche nach § 63 und § 65 dieses Gesetzes bezüglich der 1 Armenpflege dem Landesausschusse untergeordnet sind, der auch die Aufsicht über die Armenpflege in den Gemeinden zu führen und dafür zu sorgen hat, daß der Armenrath in jeder Gemeinde gebildet werde. Die Vollzugsklausel in § 70 des Gesetzes ändert nichts in der Kompetenz. Die politischen Behörden sind nur in den von diesem Gesetze und der Gemeindeordnung bezeichneten Fällen zum Einschreiten berufen, und werden, falls der Landesausschuß um deren Intervention ansucht, jedenfalls nach Maßgabe ihres Wirkungskreises im Einvernehmen mit dem Landesausschusse zur Durchführung des Gesetzes bereitwilligst mitwirken. Landeshauptmann: Wir kommen nun zur Tagesordnung, meine Herren! Der erste Gegenstand unserer heutigen Tagesordnung ist der Ausschußbericht über die Reorganisation des Forstschutzdienstes. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter den Bericht gefälligst vorzutragen. Kohler: (verliest den Comitöbericht; siehe separat gedruckte Beilage XVIII.) Landeshauptmann: Wünscht Jemand zu diesen Anträgen das Wort? Herr Wirth! Wirth: Hohes Haus! Die dem gestellten Antrag vorhergehende Begründung gefällt mir sehr gut und werde ich deshalb auch gerne dem diesbezüglichen Antrag, obwohl mir derselbe eigentlich zu wenige weit geht, zustimmen, aber ich fühle mich andererseits doch verpflichtet, mir in dieser Sache noch kurz ein paar Bemerkungen zu erlauben. Ich stimme diesem Antrage besonders aus dem Grunde bei, weil ich die bestimmte Hoffnung hege, daß die meisten Gemeinden Vorarlbergs 102 XII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session den 6. Periode. sick in dieser Angelegenheit gewiß abfällig äußern, und ich dann in nächster Session das Vergnügen erleben könnte, einen diesbezüglichen Antrag fallen zu sehen. Ich möchte mich heute schon hiezu als Todtengräber empfehlen und ich glaube auch, daß ich mich unter den Gemeinden meines Wahlbezirkes nicht lange um Gehilfen umsehen müßte, denn nie werden wir uns an der Schaffung einer wie immer Namen habenden neuen Beamtenkategorie betheiligen. Es liegen ja eigentlich keine Klagen vor und bewährt sich das Institut der Gemeindewaldaufseher ganz gut; warum dann eine Änderung? Mit Freuden hat man den Waldwärterkurs begrüßt; dieses hat die eifrige Theilnahme an demselben zur Genüge bewiesen. Aber jetzt die ganze Institution reorganisiren, kurz den Forstwagen noch ungelenkiger und schwerfälliger zu machen und so, ich möchte sagen, zum Annas und Kaiphas noch einen Herodes und Pilatus schaffen, dazu können sich doch die Privatwaldbesitzer unmöglich einverstanden erklären. Bei der vorgeschlagenen Reform würde manches Bäuerlein mit jenen Opfern an Geld und Zeit, wo es jetzt eine Tanne vor seine Thüre bekommen kann, kaum die Bewilligung zur Schlagung derselben erhalten können. Ob dann, wenn die Forstwirthschaftsorgane Forstwarte I. und II. Klasse und Waldaufseher I. und II. Klaffe hießen, in diesem Verwaltungszweige alles am Schnürl gehen würde, steht sehr in Frage; ich wenigstens könnte sie nicht bejahen. Wir haben Beispiele, daß Leute mit großen Gehalten noch Böcke schießen können. Ich schließe deshalb mit dem Wunsche, daß man an unserer jetzigen Forstorganisation nicht rütteln, sondern vielleicht nur noch etwas feilen, dabei aber ja unsern Landes-, Gemeinde- oder Privatgeldbeutel nicht weiter mehr belästigen und in Anspruch nehmen solle. Landeshauptmann: Wünscht noch Jemand das Wort? Wenn das nicht der Fall ist, ist die Debatte geschloffen und ich ersuche um die Abstimmung. Ich ersuche jene Herren, welche für den Antrag, wie er eben vom Herrn Berichterstatter vorgelesen wurde, ihre Annahme ausdrücken wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Einstimmig angenommen. Der zweite Gegenstand ist der Ausschußbericht über das Referat des Subcomité in volkswirtschaftlichen Angelegenheiten. Ich ersuche den Herrn Schneider, den Bericht gütigst vorzutragen. Schneider (liest): „Bericht des volkswirthschaftlichen Landtagsausschusses über den Bericht des vom Landesausschusse für volkswirthschaftliche Angelegenheiten eingesetzten Comité vom 29. Anglist 1884. Hoher Landtag! Die dem genannten Landesausschuß-Comite auf Grund des Laudtagsbeschlusses vom 17. Sept. 1883 zur Behandlung zugewiesenen Gegenstände sind: 1. Die Forderung gemeinde- oder bezirksweiser Schiedsgerichte, welche Grundstreitigkeiten ohne Zulassung von Advokaten endgültig zu entscheiden haben. 2. Die Forderung um strengere Anwendung des § 273 des a. b. G. B., betreffs KuratelVerhängung über offenbare Verschwender. 3. Die Forderung entsprechender Einrichtungen in der Großindustrie, um die einzelnen Gemeinden vor schweren Nachtheilen durch den Zuzug fremder Arbeitskräfte zu schützen. 4. Die Prüfung des Systems des Bodenscheine oder Antheilscheine aus Grundbesitz. 5. Die Vorarbeiten zur Gründung eines Landesinstitutes, behufs Einführung landschaftlicher Pfandbriefe. 6. Die Vorarbeiten zu einer im Wege der Landesgesetzgebung einzuführenden MaximalGrenze für die Verschuldbarkeit des Grundbesitzes. Der in Rede stehende Bericht des Subcomites des Landesausschusses sagt: „In Betreff der Punkte 1, 2, 3 und 4 ergab sich seit der letzten Landtagssession kein besonderer Anlaß, die Verhandlungen hierüber aufzunehmen. Bezüglich der Punkte 5 und 6 sind die bezüglichen Vorarbeiten, nämlich die XII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 6. Periode. 103 Angelegenheit der Hypothekenerneuerung, welche von der h. Negierung bereits eingeleitet waren, im Laufe des Jahres mit anerkennenswerther Energie weilergeführt morden, und der Ausschuß hat nicht ermangelt, dadurch auf den Gang dieser Verhandlungen fördernd einzuwirken, daß er durch wiederholte vertrauliche Besprechungen mit dem seitens der h. Negierung mit den bezüglichen Vorarbeiten betrauten Herrn Landesgerichtsrath Dr. Brunno Lecher die Grundzüge für die projektirte Hypothekar-Erneurung und Reform des Verfachbuches eingehend erörtert, und damit das rechtzeitige Zustandekommen der von Seite der h. Regierung dem h. Landtage in dieser Frage gemachten Vorlagen nach Kräften angestrebt hat." Hiernach wären also bezüglich der Punkte ö und 6 die Vorarbeiten um einen wesentlichen Schritt vorwärts gediehen, indem bereits die, eine Hypotheken-Erneuerung mit gleichzeitiger zwangs weiser Identifizirung der Pfandobjekte bezweckenden Gesetzentwürfe, der verfassungsmäßigen Behandlung zugeführt werden. Von diesem Schritte aus bis zur Realisirung der in den Punkten 5 und 6 in Aussicht genommenen Gründung eines Landesinstitutes behufs Einführung landschaftlicher Pfandbriefe und Einschränkung der Verschuldbarkeit des Grundbesitzes, ist jedoch noch ein weiter Weg, welcher langsam und bedächtig gemacht werden muß, wenn der endliche Erfolg erreicht werden soll, weßhalb eine h. Landesvertretung diesen für die Verbesserung der wirthschaftlichen Lage des Grundbesitzes so wichtigen Gegenstände stets ihre volle Aufmerksamkeit zu widmen hat. Aber auch die aus den seinerzeitigen Versammlungen bäuerlicher Sachverständiger hervorgegangenen Forderungen in den Punkten 1, 2 und 3, dann die im Punkte 4 beantragte Prüfung des Systems der Bodenscheine oder Antheilscheine auf Grundbesitz, dürfen wegen ihrer Bedeutung und Tragweite nicht fallen gelassen werden. Alle in den 6 Punkten aufgeführten Gegenstände sind sammt und sonders von so einschneidender Wichtigkeit, daß wenn anders der gegenwärtige Landtag die von seinem Vorgänger eingenommene Haltung in volkswirthschaftlicher Hinsicht bewahren will, er den in obigen Punkten berührten Angelegenheiten seine Fürsorge nicht entziehen darf, ohne Rücksicht darauf, ob der Erfolg seiner Bestrebungen in naher oder ferner Aussicht liege. Mit Rücksicht auf das Gesagte stellt daher der volkswirthschaftliche Ausschuß den Antrag: „Es sei der Landesausschuß zu beauftragen, die in den Punkten 1—6 dieses Berichtes aufgeführten volkswirthschaftlichen Angelegenheiten im Auge zu behalten, nach Thunlichkeit entweder selbst oder durch einen Ausschuß aus seiner Mitte weiter zu verfolgen und das Resultat mit allfälligen Anträgen in einer der künftigen Sessionen in Vorlage zu bringen. Bregenz, den 5. September 1884. Joh. Thurnher, F. J. Schneider, Obmann. Berichterstatter." Landeshauptmann: Wünscht Jemand zu diesem Anträge das Wort? Wenn dies nicht der Fall ist, so schreite ich zur Abstimmung und ersuche jene Herren, welche dem so eben verlesenen Anträge ihre Zustimmung geben wollen, sich gefälligst von den Sitzen zu erheben. Angenommen mit 18 gegen 2 Stimmen. Wir kommen nun zum 3. Gegenstand und das ist der Ausschußbericht betreffend die Hypothekenerneuerung. Ich ersuche den Herren Dr. Fetz Bericht zu erstatten. Dr. Fetz (verliest den Comitebericht; siehe separat gedruckte Beilage XIII. bis einschließlich der Anträge I, 1 und 2, II 1.) Ich glaube hiemit schließen zu sollen, weil die Beschlußfassung über die nachfolgenden die Annahme der ersteren voraussetzt. Regierungsvertreter Dr. Lecher: Ich bitte um das Wort. Landeshauptmann: Der Herr Regierungsvertreter hat das Wort. Regierungsvertreter Dr. Lecher: Hoher Landtag! Gestatten Sie mir, meine Herren! daß ich einen flüchtigen Rückblick auf die Verhandlungen 104 XII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 6. Periode. werfe, die bisher in diesem hohen Hause über das Grund- beziehungsweise Verfachbuch gepflogen wurden. In der 8. Sitzung der ersten Landtagsperiode am 16. April 1861 stellte der Abgeordnete Wohlwend den Antrag auf Einführung des Grundbuches im Lande Vorarlberg. Dieser Antrag wurde in der darauffolgenden Sitzung vom Landtage auch acceptirt. In den nächsten Jahren, und zwar in den Perioden der Jahre 1863, 1866, 1868, 1869 und 1870 wurden gleiche Anträge gestellt, dieselben auch angenommen und wurde die Negierung um die Vorlage eines bezüglichen Gesetzentwurfes ersucht. Mangels der Einbringung einer solchen Vorlage hat der Landtag in der Periode des Jahres 1871 die Sache selbst in die Hand genommen, und zwei Gesetzentwürfe ausgearbeitet, nämlich das „Gesetz über die Anlegung von Grundbüchern im Lande Vorarlberg" und das „Gesetz über die Einführung des allgemeinen Grundbuchgesetzes in Vorarlberg". Diese beiden Gesetze wurden auch in der Sitzung vom 10. Oktober 1871 angenommen. Im Wesentlichen entsprach der Inhalt den Gesetzentwürfen, welche ein Jahr vorher eine Enquete-Kommission in Feldkirch unter dem Vorsitze des Herrn Kreisgerichtspräsidenten Mages über Aufforderung der Negierung entworfen hatte. Die vom Landtage im Jahre 1871 angenommenen Gesetzentwürfe wurden aber zur Sanktion nicht empfohlen, und zwar hauptsächlich aus dem Grunde, weil die Kosten der Anlegung des Grundbuches dem Staate aufgebürdet waren. Dagegen brachte die Negierung selbst im Jahre 1872, und zwar am 14. November, eine Negierungsvorlage über die Anlegung von Grundbüchern ein, und dieselbe wurde auch nach eingehender Debatte am 26. Dezember 1872 angenommen, jedoch wurde die Bedingung beigefügt, daß der Legalisirungszwang in Vorarlberg nicht in Wirksamkeit trete, d. h. daß vor der Kundmachung des Gesetzes, die Bestimmungen des § 31 des Grundbuchgesetzes entweder überhaupt oder wenigstens in Vorarlberg auf gesetzlichem Wege beseitigt werden. Mangels unbedingter Annahme wurde dieses Gesetz nicht sanktionirt, und in der nächsten Landtagsperiode im Jahre 1873, und zwar am 23. Dezember, wurde vom Landtage beschlossen, es sei der Landesausschuß zu beauftragen, Erhebungen zu pflegen, über die inzwischen in Tirol durchgeführte Hypothekenerneuerung, und insbesondere über deren allfällige Wirkungen auf das Land Vorarlberg. Der Landesausschuß hat diese Erhebungen auch gepflogen und dem nächsten Landtage im Jahre 1874 vorgelegt. Dieselben waren im Allgemeinen nicht günstiger Natur, und in Folge dessen wurde am 8. Oktober 1874 beschlossen, einstweilen von einer weitern Berathung über die Einführung des Grundbuches Umgang zu nehmen. — Der gleiche Beschluß wurde in der nächsten Periode am 24. April 1875 wiederholt. Am 8. April 1876 nahm der Landtag die frühere Negierungsvorlage wieder auf, jedoch mit dem Zusatze, „daß Unterschriften auf Urkunden am Sitze der Notare oder Gerichtsbehörden legalisirt werden sollen, daß aber in andern Gemeinden diese Legalisirungen auch durch eine amtliche Bestätigung der Gemeindevorsteher mit gleicher Gültigkeit erfolgen können". Da eine Sanktion nicht erfolgte, beschloß der Landtag im nächsten Jahre am 17. April 1877, die Regierung an zu gehen, sie möchte auf eine Änderung des bereits citirten § 31 des Grundbuchgesetzes in dem Sinne hinwirken, daß unter gewissen Cautelen auch die Gemeindevorstehungen zur Legalisirung berechtigt sein sollen. Ein gleicher Beschluß wurde am 19. Oktober 1878 wiederholt. In den letzten Jahren des früheren Dezeniums und Anfangs der achtziger Jahre hat sich der Landtag, wie Sie wissen, wiederholt mit Reformen auf volkswirthschaftlichem Gebiete befaßt, insbesondere auch mit der Idee der Umwandlung der Hypothekarschulden in unaufkündbare, und amortisirbare Rentenschulden, mit der Gründung einer Landes-Rentenbank u. s. w. Die Grundlage der möglichen Realisirung dieser Ideen schien dem Landtage immer wieder die Reform der öffentlichen Bücher und insbesondere in nächster Linie, des Verfachbuches. Darum ist auch am 19. Oktober 1882 der Beschluß gefaßt worden, eine Hypotheken-Erneuerung einzuleiten, das Verfachbuchwesen zu reformiren und gemeindeweise Realregister einzuführen. Der Landesausschuß wurde, wie Sie wissen, beauftragt, die nothwendigen Entwürfe vorzubereiten. XII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 6. Periode. 105 Die Regierung hat sich diesem Streben des Landtages, das Verfachbuchwesen zu reformiren, nicht entgegengesetzt, sondern sie hat so bald als möglich den Zusammentritt einer Enquete-Kommission veranlaßt, die auch im April v Js. unter dem Vorsitze des Oberlandesgerichtspräsidenten Baron Mages in Innsbruck tagte und nach langen Berathungen einen Gesetzentwurf über die Hypotheken-Erneuerung in Vorarlberg, dann ein bezügliches Reichsgesetz und eine Verfachbuchordnung ausarbeitete. Diese Entwürfe wurden dem Ministerium vorgelegt, und dasselbe hat insbesondere die erstem, nachdem es das Gutachten des obersten Gerichtshofes darüber eingeholt hatte, in wiederholten Berathungen der reiflichen Prüfung unterzogen und das Ergebniß dieser Berathungen sind nun die in Ihren Händen befindlichen Gesetzentwürfe, nämlich das Gesetz über die Hypothekenerneuerung in Vorarlberg, dann das bezügliche entsprechende Landesgesetz und das Gesetz über die Aufnahme der Parzellennummern des neuen Steueroparates in die verfachbücherlichen Urkunden. Diese Gesetzentwürfe oder Vorarbeiten, wie wir sie nennen wollen, entsprechen im Wesentlichen den Beschlüssen der Innsbrucker Enquete-Kommission. Ich habe Ihnen meine Herren! nun die Gründe darzulegen, warum die Negierung diese Entwürfe Ihnen nicht als Gesetzesvorlagen unterbreitet, sondern Sie nur um die Begutachtung derselben angegangen hat. Wie schon erwähnt, hat der Landtag am 19. Oktober 1882 einfach beschlossen, die Hypothekenerneuerung einzuleiten, das Verfachbuch zu reformiren und Realregister einzuführen. Aus den damaligen stenografischen Berichten ist aber nicht ersichtlich und auch später der Regierung nie offiziell bekannt geworden, wie der Landtag die Hypothekenerneuerung sich vorstellt, insbesondere ob er mit einem Gesetze, wie das tyrolische war, sich zufrieden gibt, oder weitere Anforderungen macht, wie er das Verfachbuchwesen ohne Schädigung des Prinzipes desselben reformirt wissen will, und endlich wie er sich das Realregister eigentlich eingerichtet denkt. Die Regierung mußte sich unbedingt vorher klar darüber werden, was der Landtag eigentlich will. Sie muß speziell wissen, was die Hypothekenerneuerung anbelangt, ob der Landtag auf den Gedanken, den die Innsbrucker Enquete-Kommission ersonnen hat, nämlich die Hereinbeziehung der Zwangsidentifizirung, eingeht, ob er glaubt, daß diese Zwangsidentifizirung durchführbar ist, und zwar mit gutem Resultate, ob er weiter glaubt, daß die geplanten Gemeinde-Kommissionen die richtigen Organe zur Durchführung dieses Operates sind, ob genügend befähigtes und williges Materiale für diese Kommissionen vorhanden ist, und ob die Gemeinden beziehungsweise das Land die nöthigen Kosten dieserhalb übernehmen wolle. Erst wenn die Regierung sich hierüber klar ist, kann sie daran denken, bei Seiner Majestät um die Genehmigung zur Einbringung der bezüglichen Gesetzesvorlage an den Reichsrath einzuschreiten. Wie Sie wohl wissen, erfordert auch die Hypothekenerneuerung ein Reichsgesetz. Die Nöthigung der Gläubiger nämlich zur zwangsweisen Anmeldung bei Vermeidung des Pfandrechtsverlustes, ferner die den Anmeldungen eingeräumte Gebühren- und Portofreiheit, berühren Gegenstände der Civil-, der Handels- und der Finanzgesetzgebung und erfordern ein Reichsgesetz. Die Regierung wußte ferner nicht, ob vielleicht der heurige Landtag, der eben ein ganz neugewählter ist, die Beschlüsse des letzten beziehungsweise der frühern acceptiren, oder ob er neue und andere Beschlüsse fassen werde. Dieses waren in kurzem die wesentlichen Motive, welche die Regierung veranlaßten, vorerst Sie um die Begutachtung dieser Arbeiten anzugehen. Daraus aber, daß die Regierung Ihnen diese Arbeiten über die Hypothekenerneuerung vorgelegt hat, dürfen Sie nicht schließen, daß die Regierung jetzt andern Sinnes geworden ist, daß sie vielleicht das Verfachbuch für besser hält als das Grundbuch, daß sie sich besonders für das Verfachbuch begeistert! das ist nicht der Fall. Ich will ganz kurz die Vorzüge des Grundbuches gegenüber dem Verfachbuche erwähnen. Von einem guten öffentlichen Buche verlangt man im Allgemeinen Allgemeinheit, Öffentlichkeit, Spezialität und Dauerhaftigkeit. Man verlangt Allgemeinheit! Es müssen alle Liegenschaften eines Bezirkes im Buche eingetragen sein, mit Ausnahme des öffentlichen Gutes natürlich. Das ist beim Grundbuch der Fall. Die Grundstücke, die einer Eisenbahnunternehmung gehören und zum Betriebe einer 106 XII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 6. Periode. Eisenbahn dienen, oder die einen Gegenstand des Bergbuches bilden, kommen allerdings nicht im Grundbuche vor, das thut aber dem allgemeinen Prinzipe keinen Eintrag, weil eben für diese Liegenschaften besondere spezielle Bücher, nämlich Eisenbahnbücher und Bergbücher vorhanden sind, aus denen man ebenso klar, wie aus dem Grundbuche den vollen Besitz- und Lastenstand erheben kann. In dem Verfachbuche dagegen fehlen alle jene Liegenschaften, die von Gemeinden oder gemeinnützigen Korporationen im vorigen Jahrhundert erworben und inzwischen nicht mehr veräußert wurden, weil nämlich der Gegenstand zu einer Eintragung bisher fehlte. Es fehlen aber auch Liegenschaften von Privaten, wenn dieselben und deren Rechtsvorfahren vielleicht aus Nachlässigkeit, wie das oft geschieht, oder aus andern Gründen die Eintragung in das Verfachbuch zu veranlassen vernachlässigt haben. Im Verfachbuche fehlt weiters die Evidenz über eine Menge von ältern Pfandforderungen, die im vorigen Jahrhunderte resp, bis zur Einführung des Verfachbuchinstitutes, begründet, über welche zwar öffentliche Urkunden ausgestellt, die aber in den Vormerkbüchern einzutragen übersehen wurden, oder bezüglich welcher diese Vormerkbücher, wie es auch der Fall ist, im Laufe der Zeit verloren gegangen sind. Es sind insbesondere jene Pfandforderungen nicht ersichtlich, die in den Rodelbüchern und Kirchen-Urbarien eingetragen sind, weil nämlich diese Bücher nicht im Besitze der Gerichte, sondern in dem der Kirchenverwaltungen sich befinden. Im Verfachbuche fehlt ferner fast durchwegs die Evidenz über die Servitutsrechte, da dieselben gewöhnlich durch Ersitzung erworben und bisher so weiter besessen wurden, ohne daß je eine Eintragung im Verfachbuche vorkam; Servitutsrechte die, wie Sie wohl wissen, oft eine einschneidende Bedeutung auf den Werth der Güter äußern. Von einem öffentlichen Buche verlangt man weiters die Publizität, die Öffentlichkeit — das Buch soll Jedermann zur Einsicht offen stehen. Nun das ist beim Grundbuche und beim Verfachbuche der Fall, aber während beim Grundbuche der Laie durch einfaches Nachschlagen in einigen Blättern sich klar überzeugen kann, was auf einer bestimmten Realität haftet, muß derjenige, der aus dem Verfachbuche sich die gleiche Einsicht verschaffen will, an der Hand von Namensregistern oft Hunderte von Bänden nachschlagen, die einzelnen Eintragungen, die er gefunden hat, zusammenstellen, um schließlich nur zu wissen, daß das und jenes eingetragen, nicht aber auch ob es richtig und rechtsbeständig ist. Fehlt aber in der Reihe der Rechtserwerber der eine oder andere, so entsteht eine Lücke, über die man oft gar nicht mehr weiter kann. Gleichen Schwierigkeiten begegnet derjenige, der zurück in den Wust der alten Kopeibücher greifen muß. Wenn es aber doch gelingt, sämmtliche Eintragungen mit Bezug auf eine bestimmte Realität zu finden, so muß die Partei, wie schon erwähnt, diese Eintragung erst auf den Rechtsbestand prüfen, denn nicht die Eintragung im Verfachbuche gibt das Recht, sondern sie verdinglicht es nur; das Recht kann erst unter der Voraussetzung eines gültigen Titels erworben werden. Ferner hat der Betreffende nie die Garantie der Echtheit der bezüglichen Urkunden, deren Abschriften im Verfachbuche einverleibt sind. Gewöhnlich gelingt es aber überhaupt dem Laien nicht, eine Zusammenstellung selbst zu machen, er muß sich an den Verfachbuchführer beziehungsweise an das Gericht um die Ausstellung eines Hypotheken-Certifikates wenden. Die meisten der Herren Abgeordneten wissen selbst, wie schwer es ist, in manchen Fällen ein Hypotheken-Certifikat anzufertigen, aber wenn auch wirklich ein vollständiges derartiges Certifikat fertiggestellt wird, dann hat die Partei damit nur ein Verzeichniß aller auf den Namen des Besitzers einer bestimmten Liegenschaft und seiner Rechtsvorfahren vorgefundenen Eintragung, es fällt ihr dann immer noch die Aufgabe zu, sie in Bezug auf den Rechtsbestand zu prüfen. Ganz anders ist es beim Grundbuche; beim Grundbuche wird die Urkunde, deren Echtheit durch die Legalisirung garantirt ist, vom Richter geprüft, der Richter bestimmt die Formalien zur Eintragung und das, was eingetragen wird, wird Recht. Allerdings wird das formelle Recht über das materielle gestellt, das bewirkt aber auch, daß der gutgläubige Dritte sich auf das, was im Grundbuche enthalten ist, verlassen kann und das ist eben ein Hauptvorzug des Grundbuches. Von einem öffentlichen Buche verlangt man weiters noch die Spezialität; es müssen Realitäten, die den Gegenstand der Erwerbung oder Belastung bilden, spezialisirt, sie müssen so genau bezeichnet XII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 6. Periode. 107 sein, daß kein Zweifel an der Identität dieser Objekte aufkommen kann und das ist beim Grundbuche auch der Fall. Der Kataster ist ein integrirender Bestandtheil des Grundbuches; die Grundbuchskörper sind genau abgegränzt und deren Bestand kann nicht so leicht geändert werden; beim Verfachbuche dagegen, das wissen Sie wohl selbst, haben wir noch die Vorschriften des Hofdekretes vom 7. März 1805, welches zwar bestimmt, daß die Realitäten genau und deutlich bezeichnet werden. Aber wie geschah das vor Zeiten? bald nur mit den Namen der Angrenzer, bald mit den Besitznummern, in letzter Zeit mit den Parzellennummern, aber ein bestimmtes positives Gesetz haben wir nicht. Das Grundbuch ist ferner dauerhaft, wenn es einmal angelegt ist, während man beim Verfachbuche nach einer gewissen Zeit immer wieder zu einer Hypothekenerneuerung greifen nmß. Wenn Sie nun diese Momente zusammenfassen, müssen Sie ganz gewiß mit mir zu dem Schlüsse kommen, daß im Prinzipe das Grundbuch dem Verfachbuche weit vorzuziehen ist. Aber meine Herren! Die Einführung, beziehungsweise die Evidenzhaltung des Grundbuches in Vorarlberg hat denn doch einige Schattenseiten, und der Negierung liegt nichts ferner als dem Laude Vorarlberg ein Gesetz aufzudrängen, mit dem es nicht einverstanden ist. Es ist schon an und für sich schwer, ein öffentliches Buch, in das sich das Volk, wie man zu sagen pflegt, hineingelebt, das Wurzel in ihm gefaßt hat, wie das Verfachbuch, abzuschaffen, noch viel schwerer aber wird es sein, ein anderes Buch, das nicht mit Svmpathie begrüßt wird, einzubürgern, wenn es auch viel Gutes mit sich bringt; aber es sind selbstverständlich auch Härten damit verbunden. Da ist vor allem der Legalisirungszwang, an dem sich die Leute gewöhnlich stoßen. — Nun die Negierung verkennt nicht, daß der Legalisirungszwang manche Unbequemlichkeiten mit sich bringt und auch den Leuten Kosten verursacht, wenn auch letztere ganz gewiß nicht so bedeutend sind, wie man sich allgemein vorstellt, insbesondere nachdem durch das Gesetz vom 4. Juni 1882 in Betreff der Legalisirung manche Erleichterungen geschaffen wurden, und die Entbehrlichkeit der Legalisirung gewisser Partheiunterschriften ausgesprochen wurde. Die Negierung muß aber an diesem Erforderniß der Legalisirung festhalten, sie muß die Echtheit der Urkunde garantirt haben, widrigenfalls sie sonst in die Vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit des ganzen GrundbuchsInstitutes eine Bresche schießen würde. Durch Artikel II des Einführungsgesetzes zum Grundbuchsgesetze ist ausgesprochen, daß das Grundbuchsgesetz für alle Grundbücher vom Tage der Führung derselben in Wirksamkeit zu treten hat. Für die meisten Provinzen ist, wie Sie wissen, dieses Grundbuchgesetz schon in Wirksamkeit, und es kann doch nicht angehen, daß die Negierung für eine Provinz Normen, die von den grundsätzlichen Bestimmungen eines allgemeinen Gesetzes total abweichen, zuläßt. Der Verkehr mit Liegenschaften in Vorarlberg ist, wie Sie wissen, ein sehr reger. Aus einer Zusammenstellung, die ich im vorigen Jahre vorbereitet habe, ist zu entnehmen, daß z. B. in den Bezirken Feldkirch und Dornbirn im Jahre je 6 bis 700 Kaufurkunden verfocht werden. Dieser rege und leichte Verkehr mit Liegenschaften, der theilweise in diesen Bezirken zur Norhwendigkeit geworden ist, wird bei Anlage des Grundbuches einige Hemmung erleiden, insbesondere dann, wenn es sich um die Abstücklung von Grundstücken handelt, welche bisher nur die Genehmigung des Gemeindeausschusses erforderten. Nach dem Gesetze vom 6. Februar 1869 über die Abtrennung ist ein ziemlich weitwendiges Aufgebotsverfahren in solchen Fällen beim Grundbuche nothwendig, weil die Grundbuchskörper streng abgegränzte sind, und deren Bestand beliebig nicht geändert werden darf. In vielen Fällen ist es nur dann möglich zur Abtrennung zu schreiten, resp, sie zu bewirken, wenn eine ganz neue Grundbuchseinlage eröffnet und die sämmtlichen Eintragungen der alten Einlage auch auf diese neue Einlage wieder übertragen werden. Die Regierung verkennt auch nicht, daß die stete Evidenzhaltung des Katasters mit dem Grundbuche, die eben zur Rechtssicherung des letzteren unbedingt nothwendig ist, oft Schwierigkeiten macht und Verzögerungen im Verkehre bewirkt. Unser Land ist, wie Sie wissen, ungeheuer parzellirt, es gibt nur in wenig Gemeinden geschlossene Höfe; durchschnittlich ist der Grundbesitz so zersplittert, wie in wenig anderen Provinzen. Wir haben nach dem mir vorliegenden Summarium 2 108 XII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 6. Periode. der Parzellenprotokolle 308, 507 Parzellen in Vorarlberg. Diese starke Zersplitterung würde einen bedeutenden Umfang des Grundbuches verursachen, insbesondere schon aus dem Grunde, weil durchschnittlich die Parzellen der einzelnen Grundbesitzer örtlich von einander geschieden und vielfältig verschieden belastet sind, und es daher in manchen Fällen sehr schwer gehen würde und oft gar nicht möglich wäre, daß mehrere Parzellen zu Einem Grundbuchskörper vereint werden könnten. Durch eine so umfangreiche Anlage des Grundbuches würde aber selbstverständlich die Übersicht leiden. Mehr als ein Dritttheil von Vorarlberg ist Alpenland. Wir haben nach einer Zusammenstellung, die hier vorliegt in Vorarlberg 813 Alpen und darunter 353 sogenannte Gemeinschafts- oder Interessentschaftsalpen und zwar sind dies durchschnittlich die größern. Sie wissen selbst, meine Herren! diese Genossenschaftsalpen sind in ideelle Theile, in Weiderechte oder Alprechte getheilt, diese Alprechte sind wieder in Füße, die Füße wieder in Bruchtheile getheilt, und mit diesen einzelnen Minimalbruchtheilen wird im Lande ein sehr lebhafter Verkehr getrieben. Es kommt selten vor, daß eine Urkunde über die Erwerbung eines solchen Theiles errichtet, noch seltener aber, daß eine solche verfocht wird. Dieser Handel geht gewissermassen von Hand zu Hand und das Einschreiben in die Alptafel oder das Alpbuch schützt den redlichen Besitzer. Die Einbeziehung dieser Genossenschaftsalpen in das Grundbuch würde ganz gewiß den bisher leichten Verkehr namhaft hemmen, oder aber es würde sich die Anlage des Grundbuches noch bedeutend umfangreicher gestalten. Das Grundbuch würde endlich bis zu seiner Fertigstellung einen bedeutenden Zeitraum erfordern. Für die andern Provinzen sind in den Jahren 1873 und 1874 Gesetze zur Neuanlage der Grundbücher geschaffen worden. Im Jahre 1875 wurden fast durchaus die Arbeiten dieser Neuanlage begonnen. Nach offiziellen Ausweisen sind mit Schluß des 4. Quartals 1883 von 29, 550 Gemeinden 22, 244 mit der Arbeit fertig, es sind daher noch 7000 Gemeinden im Ausstaude; also nach acht Jahren angestrengter Arbeit sind die Grundbücher noch nicht fertig! Nun können Sie sich ausrechnen, meine Herren! wie viel Zeit wir in Vorarlberg voraussichtlich nothwendig hätten, um das Grundbuch fertigzustellen, insbesondere wenn Sie bedenken, daß hier in Vorarlberg die Arbeit entschieden schwieriger ist, als in den übrigen Provinzen, wo früher schon theils Grundbücher theils wenigstens den Grundbüchern ähnliche Bücher bestanden haben. Nach der Anlegung des Grundbuches würde erst das Richtigstellungsverfahren kommen, welches ebenfalls einige Jahre in Anspruch nimmt. Als im Jahre 1872 Berathungen über die Regierungsvorlage wegen Einführung des Grundbuches in diesem hohen Hause gepflogen wurden, hat der damalige Regierungsvertreter Oberlandesgerichtsrath Hämmerle auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die insbesondere der Evidenzhaltung des Grundbuches hier im Lande entgegen stehen. Diese Schwierigkeiten dürften jetzt nach 12 Jahren wahrscheinlich nicht kleiner geworden sein. Die Regierung stellt sich, obschon sie trotz aller dieser Schwierigkeiten die Einführung des Grundbuches im Lande Vorarlberg für möglich und ersprießlich hält, doch dem Wunsche des Landes auf Beibehaltung des Verfachbuches und Einführung der Hypothekenerneuerung nicht entgegen; sie hat ja durch die Vorlage dieser Arbeiten bewiesen, daß sie bestrebt ist, den Landtag thatkräftig zu unterstützen. Wenn wir uns fragen, was die Hypothekarerneuerung eigentlich bezweckt, so müssen wir antworten: der Hauptzweck der Hypothekarerneuerung ist der, daß durch die Nöthigung der einzelnen Pfandgläubiger zur Anmeldung ihrer noch bestehenden Forderungen, das Verfachbuch von einer Menge anderer in ihm noch befindlicher aber thatsächlich nicht mehr bestehender Pfandforderungen befreit werde, daß dadurch die Übersicht leichter und klarer wird, daß man bessere und verläßlichere Hypotheken-Certifikate ausstellen kann und daß überhaupt das ganze Verfachbuch-Institut mehr Rechtssicherheit erhält. Bei uns in Vorarlberg würde aber die Hypothekenerneuerung auch noch einen zweiten Zweck erfüllen, den sie in Tirol nicht nothwendig gehabt hat. Dieser zweite Zweck wäre der der Vervollständigung des Verfachbuches. Das Verfachbuch-Institut ist mit Circular vom 2. April 1817 bei uns eingeführt worden. Es sind mit diesem Gubernial-Circulare die früher bereits in Tirol bestandenen Hofdekrete vom 12. März 1792, XII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 6. Periode. 109 vom 10. Juni 1793, vom 16. März 1803 und vom 7. März 1805 auch für Vorarlberg in Wirksamkeit erklär: worden. Früher haben ganz andere Normen und Gewohnheiten bestanden. Die Urkunden wurden meistens von den Behörden ausgefertigt und besiegelt, ein kurzer Inhalt derselben wurde in die Vormerkbücher, die sogenannten Kopeibücher eingetragen. Die Führung dieser Vormerkbücher oblag gewöhnlich den Ortsräthen, den Gemeindevorstehern und Gemeinderäthen. Nun ist es ganz gewiß nicht selten vorgekommen, daß die Eintragung von behördlich ausgefertigten alten Briefen in die Vormerkbücher nicht erfolgt ist. Manche dieser Vormerkbücher sind derart geführt, daß sie geradezu unverständlich sind, sie sind theilweise nicht mehr zu entziffern, es sind mehr Hieroglyphen als Schriftzeichen. Manche von diesen Vormerkbüchern sind im Laufe der Zeit total verloren gegangen, überhaupt reichen dieselben durchschnittlich nicht weiter als in die Mitte des vorigen Jahrhunderts zurück. Alle Pfandurkunden respektive alle Pfandforderungen, welche in diese Kopeibücher nicht eingetragen wurden — ich spreche selbstverständlich von alten Pfandforderungen — dann alle jene, die in einem derartigen unverständlichen oder in einem in Verlust gerathenen Kopeibuche eingetragen worden sind, sind thatsächlich aus der Evidenz gekommen und das Gericht kann dieselben nicht kennen, außer wenn der betreffende Gläubiger mit der Originalurkunde auftritt. Ähnlich steht es mit jenen Pfandforderungen oder Urkunden, welche in die Rodelbücher oder Kirchen-Urbarien eingetragen worden sind. Diese Bücher, die den Charakter von öffentlichen Büchern hatten und noch haben, befinden sich im Besitze der Kirchenverwaltungen, das Gericht hat thatsächlich von denselben keine Kenntniß; es kann bei Ausstellungen von Hypotheken-Certifikaten auf die Eintragung in den Rodelbüchern keine Rücksicht nehmen, außer es wäre der Fall, daß, wie es hie und da in manchen Gemeinden geschah, Eintragungen von Kapitalien in die Rodelbücher auch nachträglich in die Kopeibücher ausgenommen worden sind; wo aber das nicht geschehen ist, dort sind die Kirchenforderungen für das Gericht außer Evidenz. Bei der Hypothekenerneuerung würde Jeder aufgefordert, seine Forderung anzumelden. Es wird dadurch das Verfachbuch vervollständigt und gerade auch dieser Zweck ist für Vorarlberg keineswegs zu unterschätzen. Die beiden genannten Zwecke, nämlich die Reinigung des Verfachbuches von in demselben befindlichen, aber nicht mehr bestehenden Hypotheken einerseits, und tue Vervollständigung desselben mit bestehenden, aber in ihm bisher nicht eingetragenen Hypotheken anderseits, würde durch eine Hypothekarerneuerung nach dem Muster des tirolischen Gesetzes vom 15. Mai 1869 vollkommen erfüllt werden; und thatsächlich sind auch die Entwürfe, die in Ihren Händen sich befinden, im Wesentlichen dem tirolischen Gesetze anschließend. Man hat jedoch hiebei die Erfahrungen, die bei Durchführung der Hypothekarerneuerung in Tirol gemacht wurden, verwerthet und selbstverständlich auch auf die eigenthümlichen Verhältnisse des Landes gebührende Rücksicht genommen. Die Innsbrucker Enquete-Kommission ist noch ein Stück weitergegangen. Dieselbe verlangt nämlich die Zwangsidentifizirung. Wenn Sie in den Verfachbüchern, besonders der früheren Jahre nachschlagen, so finden Sie eine ganz merkwürdige Mannigfaltigkeit in der Bezeichnung der Liegenschaften. Zuerst sind die Realitäten bezeichnet mit den Namen der Anrainer oder Angrenzer, oft ohne Angabe irgend eines Flächenmaßes, oft überhaupt nur unter einer ganz allgemeinen Ortsbezeichnung. Etwas besser ging die Sache unter dem bayerischen Steuerprovisorium im Jahre 1807; dort kamen zuerst die Besitznummern; es wurden die Besitzer auf gerufen, ihre Realitäten zu fatiren; die Realitäten, infoferne sie zur Besteuerung einbezogen wurden, wurden der Reihe nach nummerirt, erhielten fortlaufende Besitznummern. So kam es, daß z. B. das Haus und die Bündt, sagen wir des Grundbesitzers A, die Besitznummer 1 erhielt; die demselben Grundbesitzer gehörige vielleicht V* Stunde weit entfernte Wiese erhielt die Besitznummer 2, der Wald in einer ganz andern Richtung noch weiter entfernt die Besitznummer 3 u. s. f. Es wurde gar keine Rücksicht genommen auf die Ähnlichkeit der Kultur, auf die entferntere oder nähere Lage u. dgl. Eine Mappirung fehlte und so ist es gekommen, daß diese Besitznummern jetzt oft eine ganz andere Gestalt und Größe haben als sie im Jahre 1807 hatten; durch Arrondirung, durch Abstückung u. s. w. hat die Gestalt sich merklich oder unmerklich geändert, aber die 110 XII. Sitzung des Vorarlberger Landtags. L Session der 6 Periode. Bezeichnung ist dieselbe geblieben. Später kamen noch die Novalien-Nummern für nachträglich kultivirte nnd in die Steuer eingezogene Grundstücke hinzu. Eine präzise Bezeichnung für die Realitäten fehlte leider, und das ist eben auch ein Hauptgebrechen unseres Verfachbuches. In den 50er Jahren wurde, wie Sie wissen, unser Land vermessen und die Katastralaufnahme im Jahre 1857 beendet. In den letzten Jahren wurden die Reambulirungen vorgenommen, und am Sitze der Bezirkshauptmannschaften Geometer zur Evidenzhaltung der Besitzveränderungen bestellt. Die Parzellennummer wäre die richtige Bezeichnung für die Realität, weil die Parzelle eben auf der Mappirung beruht, und weil aus der Mappe deutlich und präcise die Lage, Gestalt, Kulturart lind Größe der bezüglichen Liegenschaft entnommen werden kann. Run herrscht allerdings seit den letzten paar Jahren in Vorarlberg durchschnittlich bei Verfachsbuchurkunden die Sitte, daß die Besitznummern und Parzellennummern ausgenommen werden, aber wir haben hiefür kein Gesetz, denn noch immer ist das Hofdekret vom 5. März 1805 maßgebend, welches lediglich vorschreibt, daß die Realität klar und deutlich bezeichnet werden soll; wie diese Bezeichnung aber geschehen soll, sagt das Hofdekret nicht und ich glaube ein Gericht wäre kaum berechtigt, wenn wir die Sache streng nehmen wollen, eine Verfachungsurkunde, in der die Realität genau und präcise bezeichnet, aber nicht mit der Parzellnummer versehen ist, zurückzuweisen. Dieser Mangel wird durch das Ihnen vorliegende Gesetz über die Aufnahme der Parzellennummer