18700827_lts004

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Letzte Änderung 02.07.2021, 18:27
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp03,lts1870,lt1870,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. IV. SITZUNG am 27 August 1870 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Sebastian v. Froschauer. Gegenwärtig 19 Abgeordnete. Die Virilstimme nicht vertreten. Regierungsvertreter Herr Statthaltereirath Schwertling Beginn der Sitzung um 9 1/2 Uhr Vormittags. Landeshauptmann: Ich eröffne die Sitzung. Der Herr Sekretär wird das Protokoll der vorhergehenden verlesen. (Sekretär verliest dasselbe.) Wird eine Bemerkung gegen die Fassung des Protokolles erhoben? (Keine Bemerkung.) Da dieß nicht der Fall ist, sehe ich es als genehmiget am Johann Thurnherr: Ich bitte um das Wort zu einer Erklärung. Bei der Wahl-Verifizirung in der letzten Landtagssitzung sind von einer Seite dieses hohen Hauses in keiner anständigen Gesellschaft geduldete Schimpfworte und Schmähungen gegen ganze Stände und gegen die konservative Seite dieses hohen Hauses ausgestoßen worden, welche den Anstand und die Würde dieses Hauses tief verletzen. Es ist der konservativen Mehrheit dieses Hauses ausgefallen, daß nach wiederholten und von mehreren Abgeordneten kräftig unterstützten Rufen zur Sache und zur Ordnung der Herr Landeshauptmann von dem ihm zustehenden Rechte, einen Redner zur Ausführung solcher unwürdigen Auslassungen das Wort zu entziehen, nicht Gebrauch gemacht habe. In Zukunft erwartet die Mehrheit dieses Hauses einen besseren Schutz gegen solch' unwürdige Auslastungen, gegen solche Schimpf- und Schmähworte gegen ganze Stände und hat mir den Auftrag gegeben, in ihrem Namen zu erklären, daß sie im Wiederholungsfalle die weitere Ausführung solcher Unwürdigkeiten durch Verlassung der Sitzung verhindern würde. Landeshauptmann: Nachdem Sie Ihre Erklärung gegen mich gerichtet haben, kann ich Ihnen erwidern, daß ich gleich anfänglich — Sie werden vieles wohl vernommen haben — dem Redner jener Seite zurief: Zur Sache! — Sie werden es auch vernommen haben, daß ich, als Ausdrücke fielen, die auch von Ihrer Seite, ich kann nicht sagen mit Unrecht, beanstandet wurden, gesagt habe: Das ist zu viel, halten Sie ein! Sie werden sich auch erinnern, daß ich als die Sache lauter, meine Stimme überhört wurde, zweimal wenigstens zur Glocke gegriffen habe. Leider haben diese Glockenrufe auch dort nicht Anklang gefunden, wie bei vielen Andern, denn es war auch unter Ihnen einige Aufregung entstanden. Ich bin mir bewußt, stets die Rübe und Ordnung und den Anstand in Reden aufrecht erhalten zu haben, ich bin nur auch bewußt, der Redefreiheit so wenig als möglich Schranken zu legen und dieß wird auch in Zukunft meine Verfahrungsnorm sein. Johann Thurnherr. Die conservative Mehrheit dieses Hauses hat sich gerade von der Ansicht leiten lassen, daß die Redefreiheit der in der Minderheit stehenden Partei in diesem Hause vollständig gelassen werden solle und hat deßwegen nickt schon in der letzten Sitzung vom Herrn Landeshauptmann verlangt, daß er von dem ihm zustehenden Rechte, wenn ein Redner mehrmals zur Sache und Ordnung gerufen wird mit Zustimmung des Hauses das Wort zu entziehen, Gebrauch mache; hat aber gefunden, daß Sie zur Hintanhaltung solcher Unwürdigkeiten, welche wirklich die Würde und den Anstand des Hauses tief verletzen würden, für die Zukunft durch eine Erklärung in ihrer Gesammtheit Einhalt thun. Landeshauptmann: Mir ist vor der Sitzung eine Interpellation übergeben worden; ich bringe sie zur Kenntniß der hohen Versammlung. (Sekretär verliest dieselbe wie folgt:) Interpellation. Bei mehreren Wahlvorgängen, insbesondere im Bezirke Feldkirch sind Vollmachten mit Beschränkung, d. h. mit namentlicher Bezeichnung des zu Wählenden, von politischen Comissären als nicht gültig verworfen worden. Das Konnte für Prüfung der Wahlakten hat jedoch solche beschränkte Vollmachten als gültig anerkannt. Es bestehen somit verschiedene Auffassungen über die rechtsgültige Form der Wahlvollmachten, die offenbar zu Konflikten führen müssen. Findet sich die hohe Regierung angesichts der bevorstehenden und im Zuge befindlichen Gemeindewahlen nicht bestimmt, die politische Behörde zu gleichmäßiger Beurtheilung der Wahlvollmachten in diesem Punkte zu verhalten? Bregenz, am 23. August 1870. Johann Kohler, Landtagsabgeordneter. Regierungsvertreter: Ich kann nichts Betreff der letzten Interpellationen zusteht Gesetzes-Interpretationen zu Interpellation der Statthalterei zur anderes bemerken, als was ich in bemerkt habe, daß mir kein Recht erlassen, ich werde auch diese Entscheidung vorlegen. Landeshauptmann: Die in der letzten Sitzung mir übergebenen Gesuche betreffs Einführung eines Amtsblattes nickt politischen Inhaltes werde ich dem Petitions-Ausschusse, soferne die hohe Versammlung damit einverstanden ist, überweisen. (Keine Einwendung.) Ich nehme dies als zugestanden an. Wir kommen nun zur heutigen Tagesordnung. Ich habe mir, wie den Herren bekannt ist mittelst Correnda erlaubt, ebenfalls auf die Tageordnung die Wahl in den Reichsrath in Gemäßheit der an uns ergangenen Allerhöchsten Botschaft 33 zu setzen. Ich werde diese Wahl, nachdem die Debatte über die Adresse beendet sein wird, vornehmen lassen und dann werde ich mit den andern Gegenwänden fortfahren, die früher auf der Tagesordnung waren, nämlich die Wahl des Landesausschusses, die Wahl zur Landesvertheidigungs - Oberbehörde und die Wahl eines Herrn des Landes-Ausschusses in das sogenannte Vorarlberg'sche Landes-Vertheidigungskomite. Der erste Gegenstand der heutigen Tagesordnung ist der Bericht des Komite's zur Berathung der Adresse an Se. Majestät den Kaiser. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter, das Wort zu ergreifen. Dr. Ölz: (Verliest den gedruckten Komitebericht und die Adresse.) Landeshauptmann: Ich eröffne die Generaldebatte, Herr Dr. Jussel hat das Wort. Dr. Jussel: Ich habe gegen den Dringlichkeitsantrag einer Adresse gestimmt, weil ich eine Adresse nicht entsprechend erkannte. Ich habe, als die Majorität des hohen Hauses ein Konnte zur Verfassung und Prüfung einer Adresse ausstellte, mitgewählt; ich habe nun aber, weil die Verhandlung kurz war, ich auch eine nähere Begründung nicht vernommen habe, nicht vermocht, die wahre Bedeutung dieser Adresse anderswo zu hören, als eben nur sie aus mir selbst zu nehmen, so wie ich sie verstehe. Ich erlaube mir daher auf den Inhalt der Adresse und die Bedeutung derselben, die sie nach meiner Überzeugung har, Überzugehen. Vorarlberg stand stets treu zum Reiche und zum Kaiserhause und wir hoffen zuversichtlich, daß das auch immer in Zukunft der Fall sein werde. Die Adresse betont die Einheit des Reiches, die Macht des Reiches und des Ansehens und bethätigt den ernsten Willen und die Begeisterung, für die Einheit, die Macht und das Ansehen des Reiches einzustehen DaS sind auch meine Anschauungen, die ich aus vollem Herzen trage und die auch die Landes-Vertretung von Vorarlberg von her und her getheilt hat. Die Adresse betont die Gewissensfreiheit, das Menschenrecht und die Menschenwürde. Darüber find alle Stimmen im ganzen Lande einig, daß dieses wichtige Güter sind. Andererseits aber glaube ich aus dem Inhalte der Adresse entnehmen zu müssen, daß sie ausspreche, die Verfassung entbehre der rechtlichen Grundlage, sie stehe daher nicht zu Recht, sie sei rechtsungiltig und zwar, weil der alte Boden, die alten Reckte und Freiheiten der Königreiche und Länder der unzertheilbaren Monarchie, obwohl sie im Oktoberdiplom noch die Bestätigung gefunden habe — wenigstens theilweise die Bestätigung gefunden habe — durch das Februarpatent und die Dezemberverfassung entzogen worden seien und weil das Band des Christenthums zum Staate gelockert und das religiöse Bewußtsein und die Gewissensfreiheit durch die Gesetze tief verletzt worden sei. Endlich wird erklärt, daß zur pragmatischen Sanktion übergegangen werden müsse und die Landesvertretung sei nur in der Lage, ihren Patriotismus zu bethätigen und sich an der Lösung der Staatsfrage auf dem Boden der Verfassung dann zu betheiligen, wenn eben die Hebung der gerügten Gebrechen stattgefunden habe. Auch wird noch hervorgehoben, daß die materiellen Interessen des Reiches und insbesondere des Landes Vorarlberg gehoben werden müssen. Was nun die Rechtsgültigkeit der Verfassung anbelangt, so hat Se. Majestät das Oktoberdiplom erlassen und darin erklärt, daß Se. Majestät fürderhin Rechte, die Sie allein ausgeübt habe, nur unter Mitwirkung des Volkes und mit dem Volke ausüben wolle, daher Sie das Volk an dem Rechte der Gesetzgebung mit theilhaftig mache. In Ausführung der Bestimmungen des Oktoberdiplomes ist bann auch das kaiserliche Patent vom 26. Februar erschienen und dieses Patent enthält die Normen und die Formen, in welcher Art und Meise das Volk jene Neckte, welche ihm Se. Majestät der Kaiser überlassen hat, ausüben soll. Se. Majestät hat wichtige Rechte dem Volke und damit auch der Bevölkerung Vorarlbergs hiemit zugewiesen: Nachdem sodann auf Grund dieser Gesetze die Völker aufgefordert worden sind, in die Landtage zu wählen, ist auch in Vorarlberg der Landtag gewählt worden und es hat sich die Bevölkerung, und zwar die ganze Bevölkerung dabei betheiligt. Der Landtag aber hat damals geglaubt, einstimmig den Dank Sr. Majestät dem Kaiser für die Verfassung kundgeben zu müssen. Er 34 Hai diesen seinen Dank in einer Adresse, die ich hier habe und die ich allenfalls auf Wunsch auch vorlesen kann, niedergelegt. Er hat das Oktoberdiplom und die Verfassung, nämlich das Patent vom 26. Februar 1861, in das Landesarchiv niedergelegt, wie sie auch im Staatsarchiv niedergelegt worden sind. Als im Lause der Zeit die Umstände eine Änderung an den Bestimmungen des Februarpatentes zur unausweichlichen Nothwendigkeit gemacht haben, wurde wiederum die Vertretung gerufen, um eben die durch die Zeitverhältnisse gebotenen Änderungen vorzunehmen. Die Bevölkerung von Österreich hat dem Rufe des Kaisers gefolgt, hat abermals die Wahl in den Landtag vorgenommen und die Landtage in den Reichsrath und es wurde das Sraatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 geschaffen. Dieses Staatsgrundgesetz wurde auch von der Landesvertretung von Vorarlberg mit Dank entgegengenommen und dieser Dank ebenfalls durch eine Adresse ausgedrückt Es hat namentlich in Folge dieses Staatsgrundgesetzes die Autonomie des Landes Vorarlberg eine Erweiterung erhalten und über Antrag des LandesAusschusses ist im Landtage vom Jahre 1868 ein Konnte darüber eingesetzt worden, um eben die Frage der Erweiterung der Autonomie in's Auge zu fassen. Nach dieser Bearbeitung im Komite hat der Landtag über Antrag des Komite's gefunden, auch diese erweiterte Autonomie des Landes dankbar anzunehmen. Unter solchen Umständen kann wohl kein Zweifel sein, daß das Oktoberdiplom, das Februarpatent mit den Landesordnungen und die Dezemberverfassung gerechtfertigte Gesetze sind. Der rechtliche Grundsatz fehlt auch dann nicht, wenn wir auf die Betrachtung eingehen, aus welchen Gründen nach und nach diese Gesetze geschaffen und zustande gekommen sind. Dem Oktoberdiplom und dem Februarpatente mit den Landesordnungen ist der unglückselige Krieg vom Jahre 1859 vorausgegangen und Se. Majestät fand sofort nothwendig, im verstärkten Reichsrathe wenigstens sich dahin auszusprechen, einen Theil der Gesetzgebung in Finanzsachen mit dem Volke zu theilen. Am 20. Oktober aber wurde nothwendig erkannt, diese Theilung der Rechte der Krone — der absoluten Krone — noch ausgiebiger zu Gunsten des Volkes zu bemessen und es sagt Se. Majestät unter Anderem im Oktoberdiplom: „In Berücksichtigung, daß die Elemente gemeinsamer organischer Einrichtungen und einträchtigen Zusammenwirkens durch die Gleichheit unserer Unterthanen vor dem Gesetze, die Allen verbürgte freie Religionsausübung, die von Stand und Geburt unabhängige Ämterfähigkeit und die Allen obliegende gemeinsame und gleiche Wehr- und Steuerpflichtigkeit durch die Beseitigung der Frohnen und Aufhebung der Zwischenzoll-Linie in unserer Monarchie, sich erweitert und gekräftig haben — in Erwägung ferner, daß bei der Konzentrirung der Staatsgewalt in allen Ländern des europäischen Festlandes die gemeinsame Behandlung der höchsten Staatsausgaben für die Sicherheit Unserer Monarchie und die Wohlfahrt ihrer einzelnen Länder eine unabweisliche Nothwendigkeit geworden ist, — haben wir zur Ausgleichung der früher zwischen unseren Königreichen und Ländern bestandenen Verschiedenheiten und behufs einer zweckmäßig geregelten Theilnahme Unserer Unterthanen an der Gesetzgebung und Verwaltung auf Grundlage der pragmatischen Sanktion und kraft Unserer Machtvollkommenheit Nachstehendes als ein beständiges und unwiederrufliches Staatsgrundgesetz zu Unserer eigenen, so auch zur Richtschnur Unserer gesetzlichen Nachkommen in der Regierung zu beschließen und zu verordnen befunden: 1. Das Recht, Gesetze zu geben, abzuändern und auszuheben, wird von Uns und Unseren Nachfolgern nur unter Mitwirkung der gesetzlich versammelten Landtage, beziehungsweise des Reichsrathes ausgeübt werden, zu welchem die Landtage die von Uns festgesetzte Zahl Mitglieder zu entsenden haben. — 2. Es sollen alle Gegenstände der Gesetzgebung, welche sich auf Rechte, Pflichten und Interessen beziehen, die allen Unsern Königreichen und Ländern gemeinschaftlich sind, namentlich die Gesetzgebung über das Münz- Geld- und Kreditwesen, über die Zölle und Handelssachen; ferner über die Grundsätze des Zettelbankwesens; die Gesetzgebung in Betreff der Grundsätze des Post-, Telegrafen- und Eisenbahnwesens, über die Art und Weise und die Ordnung der Militärpflichtigkeit in Zukunft in und mit dem Reichsrathe verhandelt und unter seiner Mitwirkung verfassungsmäßig erledigt werden. 35 sowie die Einführung neuer Steuern und Auflagen, dann die Erhöhung der bestehenden Steuern und Gebührensätze, insbesondere die Erhöhung des Salzpreises und die Aufnahme neuer Anlehen, gemäß Unserer Entschließung vom 17. Juli 1860; desgleichen die Konvertirung bestehender Staatsschulden und die Veräußerung, Umwandlung oder Belastung bei unbeweglichen Staatseigenthumes, nur mit Zustimmung des Reichsrathes angeordnet werden soll; — endlich die Prüfung und Feststellung der Voranschläge der Staatsauslagen für das zukünftige Jahr, sowie die Prüfung der Staatsrechnungs-Abschlüsse und der Resultate der jährlichen Finanzgebahrung unter Mitwirkung des Reichsrathes zu erfolgen hat. 3. Alle anderen Gegenstände der Gesetzgebung, welche in den vorhergehenden Punkten nicht enthalten sind, werden in und mit den betreffenden Landtagen und zwar in den zur ungarischen Krone gehörigen Königreichen und Ländern im Sinne ihrer früheren Verfassungen, in Unseren übrigen Königreichen und Ländern aber im Sinne und in Gemäßheit ihrer Landesordnungen verfassungsmäßig erledigt werden. Nachdem jedoch, mit Ausnahme der Länder der ungarischen Krone, auch in Betreff solcher Gegenstände der Gesetzgebung, welche nicht der ausschließlichen Kompetenz des gejammten Reichsrathes zukommen, seit einer langen Reihe von Jahren für Unsere übrigen Länder eine gemeinsame Behandlung und Entscheidung stallgefunden hat, behalten Wir Uns vor, auch solche Gegenstände mit verfassungsmäßiger Mitwirkung des Reichsrathes unter Zuziehung der Reichsräthe dieser Länder behandeln zu lassen. Eine gemeinsame Behandlung kann auch stattfinden, wenn eine solche in Betreff der der Kompetenz des Reichsrathes nicht vorbehaltenen Gegenstände von dem betreffenden Landtage gewünscht und beantragt werden sollte. 4. Dieses kaiserliche Diplom soll sofort in den Landesarchiven Unterer Königreiche und Länder ausbewahrt, seiner Zeil in die Landesgesetze im authentischen Texte und in den Landessprachen eingetragen werden. Unsere Nachfolger haben dasselbe Diplom sogleich bei Ihrer Thronbesteigung in gleicher Weise mit Ihrer kaiserlichen Unterschrift versehen, an die einzelnen Königreiche und Länder auszufertigen, so dasselbe in die Landesgesetze einzutragen ist. Wer also die Einheit Österreichs, wer die Macht und das Ansehen Österreichs ernstlich will und dafür begeistert ist, der muß auch die Mittel wollen, welche zur Schaffung der Einheit der Macht und Größe Österreichs nothwendig sind. Diese Mittel hat Se. Majestät der Kaiser doch gewiß bei der steten Liebe für seine Bevölkerung, bei der Einsicht in alle Verhältnisse bester gewußt als es gewöhnliche Laien können. (Beifalls-Rufe.) Der Geist der Zeiten, die Änderungen der Verhältnisse haben in ganz Europa, in allen Staaten Änderungen nothwendig gemacht und der Patriot muß auch im Stande seyn, allenfalls Rechte aufzuopfern. Se. Majestät der Kaiser hat aber diese Opfer von uns nicht verlangt im Gegentheile er hat sich selbst geopfert; er hat von seinen bisher bewahrten Rechten, welche auszugeben und sie dem Volke übertragen. Ich sage der Gang der Zeit, die Änderungen der Verhältnisse haben sich noch allenthalben geltend gemacht. Ich glaube mit Recht auch auf die ewige Institution der katholischen Kirche Hinweisen zu können. Auch sie hat in ihrem Gange Wandlungen bestanden. Die Lehre Christi ist gewiß ihres Inhaltes nach geeignet für die demokratische Verfassung. In der ersten Zeit war die Kirche auch wirklich demokratisch verwaltet. Die leitende Kirche, die Priester und die Laien, versammelten sich und beschlossen in Kirchenangelegenheiten. Der Lauf der Zeit hat es gebracht, daß die Verfassung, um mich eines Bildes vom Staate zu bedienen, mehr aristokratischer Natur geworden ist, und der Lauf der Zeit hat eine höhere Centraltfirung erforderlich gemacht und warum sollten bann wir nicht auch eben für die Macht und Einheit und Größe Österreichs eine größere Centralisirung angemessen und anpassend finden, wie sie Se. Majestät der Kaiser durch die eben besprochenen Gesetze zu schaffen gesucht Hai. 36 Die Lehre entspricht der Würde und den Rechten bei Menschheit, wie sie sich aus der Natur der Person ergeben. Jeder Mensch hat den freien Willen gewahrt, womit er das Gute wollen und das Böse vermeiden kann ohne Scheu. Es ist auch gesagt, daß das Band des Staates zum Christenthume gelockert sei. Ich habe diese Anschauung durchaus nicht Es ist eine allbekannte Sache, daß Österreich sich von jeher bewahrt hat, in die Religion, respektive in das Dogma einen Übergriff zu machen. Es ist das selbst zu den Zeiten des Kaisers Josef des Großen nie geschehen. Die Verfassung vom 26. Februar 1861 und vom 21. Dezember 1867 nimmt der katholischen Kirche kein Jota an ihren Rechten; ihr ist die freie Ausübung, die freie Verwaltung ihrer Güler, ihr ist alles gestaltet, was sie nur bisher baden konnte und gehabt hat- Was Die Verfassung geändert Hal ist nur das: sie setzt auch andere Religionen, sie setzt auch die protestantische, die jüdische, die griechische unirte und nicht unirte, sie setzt alle diese Religionen, welche geduldet werden, weil sie gegen die Sittengesetze und die sittliche Wellordnung nicht verstoßen, alle setzt sie in die gleichen Rechte ein. Die Verfassung hat der katholischen Kirche keine Rechte genommen, sondern nur nach dem Grundsatze der Gleichheit und des Rechtes hat sie auch anderen Religionen gleiche Rechte ertheilt. Ich glaube auch, daß jeder sagen muß, der Staat von seinem Standpunkte aus hat nur dem Rechte begegnet. Ich erlaube mir zu bemerken als Katholik, daß, wie ich ein katholisches Bewußtsein habe, auch der Andersgläubige es hat, der die Grundsätze seiner Religion ebenso, wie ich, mit der Muttermilch eingesogen hat, sowie ich die Grundsätze des Katholizismus. Den Andersgläubigen würde ein staatlicher Eingriff in seinen Glauben, in seine Glaubensrechte eben so empören und entrüsten, wie es mich empören würde, wenn der Staat mir einen Glauben vorschreiben und mir aufzwingen wollte. Es ist also gerecht, es ist menschlich und der Staat ist um so mehr dazu verpflichtet gewesen, weil er den Protestanten, den Juden und den Griechen, gleichwie den Katholiken mit Lasten belegt. Es muß der Anders staubige gleich Dem Katholiken die Blut- und die Geldsteuer bezahlen; soll er nun also nicht auch die gleichen Recht haben? (Rute: Bravo!) Soll er nicht auch den gleichen Schutz für das Höchste seines innern Lebens für seine Religion haben? — Ich muß auch behaupten, daß durchaus kein Gesetz besteht, welches der katholischen Religion zu nahe tritt, welches sie verletzt oder welches das katholische Bewußtsein verletzen könnte. Dieses Gesetz, das Oktoberdiplom, die Februarverfassung und das Patent vom 21. Dezember 1807 bestehen jetzt doch schon durch einige Jahre und ich habe nirgends erfahren, daß irgendwo Proselytenmacherei versucht und gemacht worden wäre. Ich habe noch nirgends erfahren, daß ein Katholik in Dir freien Ausübung seiner Religion irgendwie beirrt oder gestört worden wäre. Es wird, wie früher, auch jetzt noch freier Gottesdienst gehalten, frei besucht und ein Eingriff, woher er immer käme, würde von der Staatsbehörde auch jetzt, wie noch zur Zeit der pragmatischen Sanktion sicher mit aller Strenge hintangewiesen werden und zwar aus Pflicht des Staates, weil die Gesetze selbst, um die es sich hier handelt, diesen Schutz garantiren. Ich glaube daher um so weniger, daß wir von einer Rückkehr zur pragmatischen Sanktion Reden führen sollen; daß wäre eine Rückkehr in eine Zeit vor 200 Jahren. Ich glaube die Bevölkerung von Vorarlberg würde sich wenig behaglich finden, wenn sie 200 Jahre zurückschreiten müßte Die Verhältnisse haben sich unendlich anders gestaltet und zwar nicht nur in Österreich allein, sondern auch in ganz Europa; deßwegen haben auch alle Staaten, die doch für das Wohl der Bevölkerung zu sorgen verpflichtet sind, Änderungen eintreten lassen müssen, wie sie dem Verhältnisse, dem Interesse und dem Wohle der Völker entsprochen haben. Und wo gegen solche Änderungen, gegen, solche Verbesserungen gestrebt worden ist, hat das Volk leider sich selbst öfters das Recht verschafft, sein Recht geholt und gewahrt. Aber auch eine Rückkehr zur pragmatischen Sanktion ist nicht nöthig. Das Oktoberpatent ist ja auf Grundlage der pragmatischen Sanktion erfloßen. Ebenso ruht die Februarverfassung, die Dezemberverfassung auf der Grundlage dieser; denn die pragmatische Sanktion spricht, daß der Länderkomplex des jetzigen Staatsgebäudes der habsburgischen Dynastie ungetheilt zugehören und daß es ein einheitliches Reich sein soll. Soweit ist mit der pragmatischen Sanktion die Grundlage für die Einheit 37 ohnehin gelegt worden und Alles, was nachgefolgt ist, ist nur auf Grundlage der pragmatischen Sanktion zur Erreichung des Zweckes der Einheit des Staates geschaffen und in Geltung gesetzt worden. Ich möchte wissen, welche alten Rechte allenfalls Borarlberg eingebüßt haben sollte, weil man nicht aus den Standpunkt der pragmatischen Sanktion zurückgegangen ist? worin haben diese Rechte bestanden? es sind eben nur ständische Rechte gewesen. In Vorarlberg hatte es eigene Stände, Vorarlberg hatte seine Stände aus Bürgern und Bauern, aus Städten und Landgemeinden. Worin bestanden diese? Vorsitzender der Landstände war ein angestellter kaiserlicher Beamter und der jeweilige funktionirende k. k. Kreishauptmann. Was waren die Befugnisse der Stände? Die Stände durften nur über Gegenstände des Landes berathen und Bitten und Vorstellungen bei der hohen Regierung vortragen — ein Recht der Beschlußfassung oder Forderung hatten sie nicht. Als das Land Vorarlberg wieder von der Herrschaft Baierns zu Österreich zurückgekehrt war, ist auch wiederum die Vertretung Vorarlbergs einberufen worden. Ich erlaube mir nur, den diesbezüglichen Erlaß vorzulesen. Er lautet: Nach der Wiedervereinigung Vorarlbergs mit dem Kaiserreiche geruhten Se. Majestät Kaiser Franz I. mit Allerhöchstem Handschreiben vom 16. Mai 1816 zu bestimmen: Es ist Mein Wille, die ständische Verfassung in Vorarlbeg der Form nach, so wie sie im Jahre 1805 bestand, mit der einzigen Abänderung herzustellen, daß die zu der ständischen Versammlung damalen üblich gewesene Beiziehung der Sindici der Städte und der Landschreiber als Konsulente ganz zu unterbleiben hat und folglich den städtischen Versammlungen nur die eigentlichen Deputirten beizuwohnen haben werden. Nach diesem Meinen Willen hat die ständische Repräsentation, von Vorarlberg künftig unter dem Präsidio des jeweiligen Kreishauptmannes aus 19 Virilstimmen zu bestehen, und zwar aus den Deputirten der Städte Feldkirch, Bregenz und Bludenz, die ihren Bürgermeistern, dann den Deputirten der ehemaligen Gerichte oder Landschaften Sonnenberg, Rankweil, Sulz, Innerbregenzerwald, Montafon, Neuburg, Hofsteig, Dornbirn, Jagdberg, Sulzberg, Lingenau, Hofrieden, Höchst und Fußach, Alberschwende, Mittelberg, endlich Dammberg und Damüls." Nun, wir treffen das Nämliche in unserer Landesordnung; da sind auch Bürger und Bauersleute aus Städten und Landgemeinden, welche die Vertretungen zu wählen haben. Also ist unsere Verfassung so, wie die ständische Verfassung zur Zeil Karl VI., nämlich zur Zeit, als die Erfließung der pragmatischen Sanktion erfolgte. Nun, im Jahre 1816, was haben dann unsere Stände befunden? Unsere Stände haben sich im Jahre 1861 auf diesen Ruf versammelt, und haben erklärt, daß sie, weil ihre Rechte blos in Bitten und Vorstellungen an die hohe Regierung bestanden, dieselben ohne Versammlung, durch die Kreisämter zur Kenntnis der hohen Regierung bestanden, dieselben ohne Versammlung durch die Kreisämter zur Kenntnis der hohen Regierung bringen können und haben sich deshalb nicht mehr versammelt. Es sind zwar noch einige Nachwahlen erfolgt, aber auch in späterer Zeit, als die gewählten Mitglieder theilweise weggekommen waren, wurden diese Wahlen nicht mehr vorgenommen. Die Stände haben keine anderen Rechte ausgeübt, als daß sie in Folge des Rufes vom Jahre 1816 und dann im Jahre 1838 anläßlich der Veränderung des Thrones zur Huldigung nach Innsbruck gereist sind. Nun haben wir auch einen Landtag; er ruht auf der pragmatischen Sanktion, aber wir haben einen ganz anderen Landtag, der viel ergiebigere Rechte hat, Rechte, wie sie wohl bisher keinem anderen Landtage in ganz Europa zustehen. Diese Rechte hat die Krone ihren Völkern gegeben. Ich kann daher nur sagen, wir haben keine Rechte eingebüßt; wir haben einen großen Zuwachs von Rechten erhalten und die abgetretenen Landesvertretungen von den drei ersten Wahlperioden hatten alle Gründe und alles Recht, ihren tiefen Dank dafür Sr. Majestät auszusprechen. Wie ich die Adresse aufzufassen mich in der Lage gesehen habe, nach wiederholtem Durchlesen kann ich in derselben wohl nur die Stellung einer Bedingung finden, unter welcher die Landesvertretung geneigt wäre, ihren Patriotismus zu bethätigen und zur Lösung der Staatsfrage auf dem 38 Boden der Verfassung mitzuwirken. Anders kann ich es nicht verstehen; ich glaube aber vorerst, daß eine solche Bedingung dem Konstitutionalismus entschieden widerspricht, denn et, kann wohl nichts Anderes heißen, als, wir bethätigen uns, wenn man das Februarpatent und die Dezemberverfassung abschafft, oder wenn wir zur Majorität gelangen, um sie abschaffen zu können. Bleiben wir aber in der Minorität, oder findet die Krone keinen anderen Ausweg, diele Gesetze zu beseitigen, so können wir einfach nicht mitthun. Ich glaube aber, das widerstrebt offenbar dem Begriffe von Konstitution; denn die Konstitution besteht wesentlich darin, daß die Minorität sich der Majorität fügen muß. Es widerspricht nach meiner Anschauung die Stellung eines solchen Bedingnisses dem eidesstättigen Gelöbnisse, wodurch die h. Landesvertretung Sr. Majestät dem Kaiser Treue und Gehorsam, Beobachtung der bestehenden Gesetze und Erfüllung der Pflichten zugesagt hat. Es widerstrebt eine solche Bedingung auch der Verfassung, welche wohl berechnet und ausdrücklich bestimmt, daß jeder Vertreter, sei er Landtagsabgeordneter oder Reichsrath, keine Instruktionen annehmen dürfe, sondern nur nach eigener Überzeugung, nach bestem Wissen und Gewissen, seinen Verbindlichkeiten nach diesen Richtungen nachkomme. Es wird auch betont, daß die materiellen Interessen des Reiches und des Landes gehoben werden müssen. Nun, wer sollte mit diesem Ausspruche nicht einverstanden sein? Eine gerechtere Steuergesetzgebung; ja die ist nothwendig, sehr nothwendig. Allein es ist auch eine bekannte Thatsache, daß diese Nothwendigkeit schon früher erkannt wurde, daß die Landes- und Reichsvertretung, welche seit dem Bestehen der konstitutionellen Gesetze getagt hat, auch diese Frage jedesmal, so oft sich die Gelegenheit erbot, zur Sprache gebracht hat und daß Einfluß genommen wurde, um eine gerechtere Steuergesetzgebung zu Stande zu bringen. Es sind dießfalls Schritte geschehen. Daß bei der Complizirtheit unserer Verhältnisse, diese bessere und gerechtere Steuerbemessung noch nicht zur Wahrheit geworden ist, ist zu bedauern. Aber ich glaube solange eine konstitutionelle Regierung für die Interessen Österreichs sorgt, wird sie auch fortfahren an dem nämlichen Gegenstande zu arbeiten. Eine minder kostbilligere Verwaltung. Auch diese Frage ist nicht weniger oft erörtert worden, es sind viele Versuche gemacht worden und wir wissen, daß eine außerordentliche Sparsamkeit in Staatsauslagen zum Hauptmaxime gemocht worden ist. Die Wehrlast. Ich will in dieser Beziehung nur sagen, daß in Betreff unseres Militärbudgets, die Reichsvertretung bei jedem Zusammentritte auf Herabminderung dieses Budgets hingearbeitet hat, und daß es ihr endlich gelungen ist, dasselbe bis auf 80 Millionen herabzubringen. Man war bestrebt dasselbe bis auf 70 Millionen herabzumindern; daß es die Umstände nicht erlaubt halten, das ist auch bekannt und daß man sich mit 80 Millionen zufrieden stellen mußte. Aber immer ist ausgesprochen worden, daß man noch weiter herabgehe. Also auch damit war die frühere Reichsvertretung einverstanden, wie es die Adresse ist. Was speziell Vorarlberg betrifft, so glaube ich, der ich in Sachen der Rheinkorrektion sehr viel gearbeitet habe, die hohe Versammlung aufmerksam machen zu sollen, daß die österr. Staatsregierung in dieser Beziehung für das Land Vorarlberg sehr viel gethan hat. — Ein armer Bauersmann, ein sehr ehrlicher Vorsteher von Mäder, hat persönlich die Sache bei Se. Majestät dem Kaiser Franz betrieben und mit grobem Erfolg. Früher lief der Rhein wie er wollte, rechts oder links: die Verwurung desselben war lediglich, sowohl schweizerischer als österreichischerseits, den Gemeinden überstellt und bei der regellosen Linie konnte es eben nicht anders kommen, als daß man vielfältig Trutzbauten machte. Die österreichische Regierung hat dann später diese Rheinverbauung als eine Staatsangelegenheit erklärt und hat schon im Jahr 1825 ausgesprochen, sie beabsichtige eine gründliche Regulirung und lasse vorerst nur Palliativmaßregeln zu. Die Landesvertretung ist zuerst auf einen Staatsvertrag gedrungen, um eine geregelte Linie zu bekommen, sie ist aber auch eingeschritten um eine gründliche Korrektion. Die Hindernisse, meine Herren, sind anderswo gelegen, die gewesen sind; namentlich in der Schweiz. Die Schweiz hat lange nichts wissen wollen von einer Rheinkorrektion bis endlich die Noth sie har anders rechnen gelehrt. 39 Der österr. Staat hat seit 1825 wenigstens 800, 000 fl. bis 1 Million für den Rhein spendirt, und die Rheinkorrektionsfrage ist, wenn nicht in jeder Session, so doch seit dem Jahre 1861, seitdem die Landtage getagt haben, verhandelt worden. Die Rheinkorrektionsfrage ist nicht blos spruchreif, sie ist zum Theil schon entschieden, und insoweit sie noch nicht entschieden, ist ein Experte — ein unpartheiischer Experte, welcher weder Österreich noch der Schweiz angehört — beauftragt, die Punkte zu prüfen und mit seinem Gutachten den hohen Regierungen zur endlichen Beschlußfassung vorzulegen. Was die Interessen der Industrie und die Interessen des Landes durch eine Eisenbahn anbelangt, muß ich auch daraus Hinweisen, daß die Landesvertretung von Vorarlberg, seitdem sie auf Grund des Februarpatentes getagt Hal, auch jedesmal diese Frage ernstlich zu fördern suchte. Daß die Erfolge nicht ausgeblieben sind, weise ich nur darauf hin, daß der Bau bereits begonnen hat und in den nächsten Tagen in größerer Ausdehnung vor sich gehen wird. Was dann die Arlbergerbahn-Frage betrifft, so ist diese Frage vereint mit der Vorarlberger Bahn behandelt worden. Im Gegentheil man wollte Alles als eine Sache behandeln; und nur die Schwierigkeiten haben verursacht, daß man vorerst bedacht sein mußte, die Bahn von Vorarlberg dem Vollzüge zuzuführen. Aber auch die Arlbergerbahn ist auf gutem Wege. Es ist das ganze Operat spruchreif zu Handen des Ministeriums; dort liegt es für eine Gesetzesvorlage an den hohen Reichsrath und es ist umsomehr zu erwarten, daß der hohe Reichsrath daraus eingehen werde, weil mit dem Gesetze, in welchem die Vorarlberger Bahn gewährt wurde, ausdrücklich auch durch eine Resolution ausgesprochen worden ist, es werde für die Vorarlberger Bahn gestimmt, nur in der Voraussetzung, daß auch die Arlbergbahn zu Stande komme, und es soll bei der nächsten Zusammenkunft die Regierung eine Regierungsvorlage vorlegen. Mit Rücksicht auf diese Umstände, kann ich nicht annehmen, daß Vorarlberg zurückgesetzt erscheine und daß es angemessen sei diese Frage noch in Anregung za bringen durch eine Adresse. Aus allen diesen Gründen, weil ich die Verfassung für vollständig gerechtfertiget und für jeden Staatsbürger von Österreich, ausnahmslos rechtsverbindlich halte, weil ein Ankämpfen gegen diese Verfassung ich nicht paffend erachte, und weil ich überhaupt glaube, daß die Fassung dieser Adresse anstößig und hohen Orts verletzend sein dürfte, kann ich und werde ich nicht dafür, sondern dagegen stimmen. Meine Gesinnungsgenossen im Landtage sind mit dem, was ich jetzt gesprochen habe, einverstanden, und wie ich, gedenken auch sie, über diese Erörterung hin, sich nicht weiter an einer Generaldebatte über diese Adresse zu befassen. (Lebhafter Beifall im Zuhörerraum.) Dr. Ölz: Ich bitte um das Wort. Herr Dr. Jussel hat bemerkt, daß Se. Majestät der Kaiser im Oktoberdiplom ausdrücklich versprochen haben, nur unter Mitwirkung seiner Völker fürderhin Gesetze zu geben. Diese Bedingung ist in der Februarverfassung nicht erfüllt worden, denn ein sehr wichtiger Faktor, nämlich Ungarn, hat nicht daran Theil genommen. Es fehlt also die Rechtgrundlage des Februarpatentes. Das Februarpatent ist nur ein Gesetz geblieben, ist aber nicht zum Rechte erwachsen, denn der Kaiser hat ausdrücklich versprochen: nur unter Mitwirkung seiner Völker Gesetze zu geben. Nun hat aber bei der Gesetzgebung des Februarpatentes ein Hauptfaktor nicht mitgewirkt. Herr Dr. Jussel hat ferner bemerkt, Alles, was in der Gesetzgebung geschehen sei, sei nur geschehen, um den Zweck der pragmatischen Sanktion zu erfüllen. Was seither in Ungarn geschehen ist, geht weit über die pragmatische Sanktion hinaus, und in dem, was bei UNS geschehen, ist auch viel, was über die pragmatische Sanktion hinausgeht. Ich werde das Weitere in meiner Schlußrede erwähnen. Pfarrer Knecht: Der Herr Vorredner Dr. Jussel findet, daß in Österreich gegenwärtig Alles im rosigsten Lichte stehe; er findet sehr wenig, was zu ändern und zu verbessern wäre. Mir kommt dies ganz kurios vor, da doch an allen Ecken und Enden Österreichs Jammer und Klage ist und man vielfältig sprechen hört, daß Österreich wahrscheinlich bald aus den Fugen gehe. 40 Ich sehe in Österreich nicht Alles so rosig und so gut (Ruf v. Baron: schwarz) und trotz der Auseinandersetzungen des Herrn Dr. Jussel erlaube ich mir, M Adresse an Se. Majestät zu besprechen und dem hohen Landtage zur Annahme zu empfehlen. In der Adresse sind vorzüglich drei Gesichtspunkte betont. Die Adresse bespricht den staatsrechtlichen, den religiösen und den materiellen Standpunkt. Von diesen drei Standpunkten aus will ich die Adresse beleuchten. Unsere Adresse erkennt es mit Sr. Majestät vollkommen, wie dringend nothwendig und unerläßlich es sei, jene hohen Interessen unmittelbar wahrzunehmen, deren Gemeinsamkeit eine glorreiche Geschichte geheiliget hat und deren einheitliche Förderung die Macht und das Ansehen des Reiches bedingt. Aber von dem richtigen Grundsatze ausgehend, daß ein Reich nur mit jenen Mitteln erhalten werden kann, denen es seine Entstehung verdankt, betont die Adresse ganz vorzüglich den Boden, aus dem diese glorreiche Geschichte emporgewachsen, sich fortentwickelt hat und fortbestehen kann. Der Boden aber, aus dem die österreichische Geschichte emporgewachsen ist, sind Verträge Durch Verträge sind die Länder Österreichs allmählig zusammengekommen. Die Verträge, welche Österreich allmählig zu einem Konglomerat von Staaten gemacht, beruhen aus Gegenseitigkeit, nach dem richtigen Grundsätze: do ut des; die Länder und Königreiche begaben sich freiwillig unter Habsburgs Szepter mit der Bedingung, daß die Rechte und Freiheiten dieser Länder garantirt werden. Diese sämmtlichen Rechte und Freiheiten der Königreiche und Länder wurden durch jenen berühmten Staatsvertrag Kaiser Karl des VI. am 6. Dezember 1724, durch die pragmatische Sanktion neuerdings garantirt. Das Oktoberdiplom, welches sich auf die pragmatische Sanktion stützt, ist die Zurückgabe der Rechte und Freiheiten, welche den Völkern vom Anbeginn gehörten. Aas Oktoberdiplom ist die Restitution des früher ihnen Genommenen; denn durch das Oktoberdiplom wurde der Boden, auf dem die österreichische Geschichte erwachsen ist, wieder geebnet; aber das Oktoberdiplom ist nicht der Boden, wie mein Herr Vorredner betont hat, auf dem das Februarpatent und die Dezemberverfassung erwachsen sind, sondern das Februarpatent und die Dezemberverfassung sind eben wieder dre Riederdrückung der Rechte und Freiheiten, welche den Ländern und Königreichen im Oktoberdiplom gegeben wurden. (Ruf: nicht wahr!) Somit ist das Oktoberdiplom, insofern es sich auf die pragmatische Sanktion beruft, die Grundlage, aus der die inneren Wirren und Meinungsverschiedenheiten ausgeglichen werden müssen. Eben aus diesem Grunde perhorreszirt die Adresse das Februarpatent und die Dezemberverfassung und wir vermögen in Dem Februarpatente und in der Dezemberverfassung eben nichts Anderes zu schauen, als die Niedertretung der den Königreichen und Ländern gegebenen Rechte und Freiheiten und darum erkennen wir auch im Februarpatente und in der Dezemberverfassung den Grund und Anfang der unheilvollen Wirren, welche in Österreich in gefahrdrohender Weise auftreten. Will Österreich stark und mächtig gegen äußere Feinde auftreten, dann einige es sich vorerst im Innern; denn die äußeren Gefahren sind nicht so groß als die inneren Gefahren, und die äußeren Gefahren, die Österreich bevorstehen, lassen bei Weitem nicht so schnell den Untergang der Monarchie befürchten, als die inneren Wirren. Deshalb also betont die Adresse, daß diese inneren Wirren und Meinungsverschiedenheiten aus« getragen werden sollen durch einen großmüthigen Akt der Gerechtigkeit, durch das Zurückkommen auf die pragmatische Sanktion und das Oktoberdiplom, durch das Zurückgehen auf den Weg des Rechtes und auf den Weg, der Freiheiten und Rechte der Völker. Der zweite Gesichtspunkt, von dem die Adreße ausgeht, ist das religiöse Moment. Ein heidnischer Philosoph sagte schon: eher könne die Welt ohne Sonne, als ohne Religion bestehen. — Österreich, dieser Staat von Staaten von so verschiedenen Nationalitäten, mit so verschiedenen Interessen und Culturstufen, hat als das vorzüglichste Land nebst dem Rechte die Religion und zwar die katholische Religion. Wer darum in Österreich die religiöse Überzeugung der katholischen Völker mißachtet und zu zerstören sucht, der löst das Band, welches die Staaten und Völker miteinander verbindet. Im Geiste 4l der Religion und auf dem Wege des Rechtes schaaren sich die Völker Österreichs um den Thron. Reibt dieses Band entzwei und ihr habt Österreich in Trümmer geschlagen. (Rufe: Oho!) Deßhalb beklagt die Adresse jene, das religiöse Bewußtsein beleidigende und die allgemeine Gewissensfreiheit überhaut verletzenden Gesetze der neuen Ära. Wird vielleicht das hohe Haus nicht den Schmerzensruf des katholischen Volkes, das hinter uns steht, ertönen gehört haben, mit dem es seine Vertreter um Abhilfe ruft! Wir kennen unsere Volksschulgesetze, — ja auch wir wollen den Fortschritt, eine Verbesserung, aber das Fundament der Erziehung muß sein und ewig bleiben, die christliche Wahrheit. Wir kennen unsere Volksschulgesetze, welche die Konfessionslosigkeit anstreben. Wir kennen die interkonfessionellen Gesetze und wissen, daß sie dem Indifferentismus die Bahn brechen, wir kennen das Noth Civilehegesetz das keinem Bedürfniß ist und war, aber vielleicht den Katholiken zum Hohn aufoktroirt wurde. (Rufe: Oho!) Wir als Katholiken müssen darum die Revision dieser Gesetze beantragen, um dadurch dem Überhandnehmen des religiösen Verderbens, und um dadurch dem Untergange Österreichs zu steuern und entgegenzutreten. Ja, die Liebe zum Vaterland, zu Österreich und zu Vorarlberg, die Liebe zu unserm erhabenen Kaiser und Monarchen veranlaßt uns, die Wahrung der religiösen Interessen zu betonen und sie die Religion als conditio sine qua non des österreichischen Bestandes hinzustellen. Der dritte Punkt, den die Adresse ins Auge faßt, ist der materielle Standpunkt. Zur Hebung des materiellen Volkswohles glauben wir, daß vor Allem eine bessere Steuergesetzgebung nothwendig sei. Es wurde uns zwar gesagt, daß hierin schon viel geschehen sei, doch bis jetzt hat das Volk noch keine Früchte von diesen Arbeiten und Bemühungen und darum flehen wir wieder zu Sr. Majestät, Höchstdieselbe möge dahin zu wirken, daß eben eine gerechtere Steuergesetzgebung sobald möglich eingeführt werde. Wir für unser Land Vorarlberg aber wünschen vor Allem eine Vermögenssteuer; diese ist der Wunsch des Volkes überall im ganzen Lande und wir erwarten darum auch, daß die hohe Regierung wenigstens in der nächsten Landtags-Session oder Landtagsperiode eine diesbezügliche Vorlage zur Durchberathung übergeben werde. Aber um das materielle Wohl des Landes zu heben, ist nicht bloß nothwendig, daß die Einnahmen geregelt werden, auch die Ausgaben müssen geregelt werden. Daß bei uns noch vielfältig eine schleppende und kostspielige Maschinerie bestehe, wird wohl Niemand leugnen und daß somit die Abschaffung derselben ein dringendes Bedürfniß sei zur Hebung des Volkswohles muß Jedermann zugestehen. Österreich ist vor Allem ein Land, das feine ergiebigsten Quellen des Reichthums in Grund und Boden hat, darum ist es nothwendig, daß Österreich auf dem Felde der Boden und Landeskultur vorwärtsschreite. Wir erkennen eben in der Adresse mit großem Danke an, die vielfältigen Erfolge und Bemühungen des früheren Ackerbauministers, Sr. Exzellenz Grafen Potocki. Aber wir betonen in der Adresse, daß hiemit noch lange nicht genug geschehen sei. Vorarlberg konnte wohl schon lange genannt werden das Stiefkind der österreichischen Monarchie, weil für Vorarlberg im Verhältniß gegenüber den andern Kronländern viel weniger geschehen ist. Wir erkennen mit Dank an, was uns Herr Dr. Jussel gesagt hat über die Bemühungen der Regierung und des abgetretenen Landtages bezüglich der Rheinkorrektion; aber wenn wir auch diese wieder betonen, so wollen wir eben dieselbe dadurch betreiben, denn die Rheinkorrektion ist für die am Rhein Wohnenden zur Lebensfrage geworden. Daß bezüglich der Eisenbahnen für Handel und Verkehr viel geschehen ist für Vorarlberg, kann gewiß nicht mit Ernst behauptet werden, (Ruf: Oho!) denn bis jetzt haben wir einmal nichts anderes, als die Strecke von Bregenz bis Bludenz. Wir nehmen das gewiß mit großem Danke an und wollen auch öffentlich Jenen, welche sich hiefür verdient gemacht haben, unsern Dank aussprechen. Aber wir müssen es aussprechen, daß wir wünschen, daß die Fortsetzung Über den Arlberg sobald möglich auch in Angriff genommen werde, weil diese unumgänglich nothwendig ist für unser eigenes Land, sowie für Österreich überhaupt. 42 Damit aber die religiösen und materiellen Interessen gewahrt und in dieser Beziehung ein wahrer Ausschwung sei, ist nothwendig — die Freiheit. — Die Freiheit aber des Volkes besteht nur dann, wenn ein gerechteres Gemeindewahl-Gesetz und ein gerechteres, ausgedehntes Landtagswahl- Gesetz besteht: Es wird mir doch Niemand widersprechen können, wenn ich behaupte, daß der größte Theil des Volkes auch nicht ein Wort zu sprechen habe zu den Landtagswahlen und somit auch nicht zu den Reichsrathswahlen. Und somit ist es nicht aus Wahrheit ruhend, wenn man sagt: wir besitzen jetzt eine Volksregierung — nein, die große Masse des Volkes hat einfach zu schweigen und zu zahlen, aber weiter hat sie auch gar keinen Einfluß. Die Grundlage und der Maßstab auf dem das Recht bei den Gemeinde- und Landtagswahlen basirt sein soll, soll nicht nur im Reichthum und Besitz allein bestehen, sondern auch in der Anerkennung der Würde des Menschen; denn der Mensch als Mensch hat ein Recht, in der menschlichen Gesellschaft bei allen jenen Geschäften, die auch ihn als Kette in der Gesellschaft interessiren, mit* zureden. Der hohe Landtag wird aus diesem ersehen, daß das Adressekomite nur. ausgegangen ist, von dem Standpunkte des Rechtes und der Gerechtigkeit, und daß es die Stärke und Größe Österreichs und den Bestand desselben nur darin zu erkennen vermag, wenn den Ländern und Königreichen die ihnen schon längst garantirten Rechte und Freiheiten zurückgegeben werden. Die Größe und Stärke Österreichs und auch unseres Landes Vorarlberg, wird aher besonders darin bestehen, wenn die materiellen und geistigen Interessen auf allen Gebieten des Lebens gewahrt werden. Mit diesem empfehle ich dem hohen Landtage die Adresse zur unveränderten Annahme. Landeshauptmann: Wünscht Niemand mehr das Wort zu ergreifen? v. Gilm: Sr. Majestät der Kaiser hat in seiner Botschaft an das Land selbst ausgesprochen die Wichtigkeit der Lösung der inneren Fragen und dadurch ist es gegeben, daß auch wir uns darüber aussprechen. Wenn wir die Verhältnisse in ganz Österreich überblicken, so werden wir der Wirren genug finden. Wir dürfen nicht weit gehen um sie selbst im öffentlichen Leben, in den letzten Tagen auch in unserem Lande zu sehen, wenn wir betrachten, was selbst in diesem Saale vorgegangen ist, wie vielfältig sich allerorts Anstände bei den Gemeindewahlen ergeben haben. Ich glaube nun schon diese öffentlichen Verhältnisse allein werden uns überzeugen und uns den Ausdruck aufdrängen, daß die Zustände in Österreich, die inneren Zustände Österreichs gewiß keine gefunden sind. Ja, wir dürfen mit Recht sagen, Österreich ist krank, schwer krank. Wenn nun ein Körper krank ist, so muß man vor allem andern sehen, daß er gesund werde. Erst durch die Gesundheit erlangt er Kraft, Stärke und Macht. Soll also Österreich nach Außen Kraft, Stärke und Macht erlangen, so muß es vor allem andern im Innern gesund werden. Nun meine Verehrten, draußen wüthet ein blutiger Kampf, Österreich ist zum Glücke und Gott sei Dank an diesem Drama nicht betheiliget. Hoffen wir auch, daß es nicht betheiligt werden wird. Aber Österreich, das arme Österreich hat keinen inneren Frieden! Friede ist das gesegnete Wort Sr. Majestät des Kaisers, aber ohne Versöhnung gibt es keinen Frieden und ohne Beachtung berechtigter Interessen gibt es auch keine Versöhnung. — Auch Vorarlberg, dieses Land ist leider zu unserm Schmerz und Bedauern in Parteien gespalten und der Friede, den wir immer hatten, ist schon längst gestört. Wir haben zwei Partheien, eine liberale und dieser gegenüber eine katholische Parthei. In Vorarlberg muß vor allem Andern die katholische Parthei betont werden. Die katholische Parthei in Vorarlberg ist, das kann ich behaupten, die Volksparthei und darum ist die Opposition im Lande eine katholische Volksopposition (Sternbach: Nicht wahr!) und nun, meine Herren, diese Opposition muß beachtet werden. Warum muß diese Opposition beachtet werden? Ich sage, diese Opposition gründet sich vor allem Andern auf den Glauben in einer Kirche, die Gottes und nicht Menschenwerk ist, und das ist genug begründet, und wird diese Opposition nicht beachtet, so muß sie auf dem gegebenen Boden und allen gesetzlichen Mitteln das erringen und erkämpfen, was ihr gebührt. Sehen Sie, meine Herren, das ist, von unserer Seite aus, der katholische Standpunkt; das ist der katholische 43 Standpunkt des ganzen Landes und der Standpunkt, den wir in der Adresse betonen und den wir Sr. Majestät untertänigst zu Füßen legen. In der Adresse wird auch der staatsrechtliche Standpunkt betont, und in der Betonung dieses staatsrechtlichen Standpunktes machen wir vor allem Andern die Bemerkung, daß wir nie und nimmer eine Verfassung nicht wollen. Wir wollen eine Verfassung, wir erkennen sie, wie schon einmal ausgesprochen worden ist, mir vollem Danke als ein schönes Geschenk Sr. Majestät des Kaisers an, das wir mit Freuden ausgenommen haben, so denken wir Alle, so denkt das Volk, das hinter uns steht. Wir wollen eine Verfassung, gehen aber hiebei auf den Ursprung derselben zurück. Es ist schon betont worden, daß die pragmatische Sanktion, das von Sr Majestät hocherhabenen Ahnen gegebene Staatsgrundgesetz eine Grundlage ist für das Oktoberdiplom, das uns Se. Majestät gegeben hat. Es ist unrichtig, wie schon einmal hier gesagt worden ist, daß das Februarpatent in Übereinstimmung mit dem Oktoberdiplom sei. Was liegt denn zwischen dem Oktoberdiplom und dem Februarpatent, ich weiß von keiner anderen Aktion in dieser Zeit, ich weiß nur von einem ungestümen Drängen einer durch die Presse verfälschten öffentlichen Meinung, die hat das Februarpatent zu Stande gebracht. Und nun, meine Herren, wir sind nahe Alle und ich glaube bereits vielseitig zur Einsicht gekommen, daß es auf dem Wege, welcher durch das Februarpatent und sohin durch die Dezemberverfassung eingeschlagen worden ist, nicht geht. (Rufe: O ja, es geht schon!) Und ich kann bei Allen dem nur nicht begreifen, wie man gegen unsere Seite einen Widerstand erheben will, wenn wir für das Land nur größere Rechte und erweiterte Freiheiten wünschen und uns nicht unter den zentralisirenden Despotismus des Reichsrathes fügen wollen. Ja, es ist wahr, dieses Land und andere Länder haben stets auf Grund des Februarpatentes die Landtage und den Reichsrath berufen und den Reichsrath beschickt; wir zweifeln nicht daran, auch dieser Landtag wird dem Ruse Sr. Majestät folgen; aber meine Herren, das haben wir deshalb gethan, weil wir, wenn wir die Verfassung nicht preisgeben wollen, den Weg betreten müssen, der uns gegeben ist, und weil wir dem Rufe Sr. Majestät des Kaisers folgen. Bezüglich der materiellen Interessen, welche in der Adresse angeführt sind, berufe ich mich tut Ganzen auf die schon von den Herrn Vorrednern gemachten Vorstellungen; ich möchte nur noch diesfalls erwähnen, daß es wohl an uns liegt, alle diese auch von der andern Seite anerkannten hochwichtigen Interessen in einer Adresse zu betonen, weil gerade diesem Landtage keine Zeit gegeben mit diesen materiellen Fragen sich zu beschäftigen. Landeshauptmann: Wünscht Niemand mehr das Wort zu ergreifen? (Niemand.) Da sich Niemand zum Worte meldet, schließe ich die Debatte. Herr Berichterstatter haben das Wort. Dr. Ölz. Ich werde meine Bemerkungen gegen Dr. Jussel fortsetzen. Herr Dr. Jussel hat bemerkt, daß die Autonomie des Landes Vorarlberg durch das Oktobersdiplom und Februarpatent sehr erweitert worden sei und daß der Landtag diese Erweiterung mit Dank angenommen habe. Ich aber kann das nicht erkennen, denn im Oktoberdiplom hat der Landtag von Vorarlberg noch gar nicht bestanden, d. h. im Diplom, es kommt nichts davon vor. Die Rechte aber, die Vorarlberg vorher gehabt hat durch die pragmatische Sanktion und auch schon vorher sehe ich dadurch nicht erweitert, denn vorher haben wir die Rechte mit dem Kaiser allem getheilt und jetzt müssen wir sie auch mit dem Reichsrathe theilen, und wenn drei miteinander theilen, bekommt man gewöhnlich einen kleinern Theil, als wenn nur zwei theilen." (Rufe Bravo! Heiterkeit.). Herr Dr. Jussel bemerkte, daß Se. Majestät der Kaiser durch das Oktoberdiplom eine weitere Theilung seiner Rechte mit dem Volke vorgenommen hat. Ich glaube aber, daß das nicht sowohl eine Theilung der Rechte der Krone mit dem Volke, als eine Rückerstattung der Rechte war, welche das Volk schon vor der pragmatischen Sanktion gehabt hat. (Baron v. Sternbach: Wo sind aber diese Rechte zu finden?) 44 Diese Rechte unseres Landes sind in der Geschichte und in Archiven zu finden. Ich bitte nur die Geschichte zu lesen. (Sich an den Nachbar zur Rechten wendend:) Herr Baron sind dazu eingeladen. Herr Dr. Jussel bemerkt ferners, daß der freie Wille durch die Verfassung gewährt sei. Der freie Wille ist dem Menschen auch ohne Verfassung gewährt, denn frei ist der Mensch geboren, ob aber die Ausübung des freien Willens Jedermann durch die Verfassung gewährt sei, darauf kommt es an, und das ist noch nicht bewiesen. Es hätte Mancher den freien Willen zu reden und vielleicht auch das Recht dazu, namentlich z. B. zu den Wahlen, aber durch das Gesetz ist ihm die Ausübung des freien Willens deßwegen oft noch nicht gegeben. Herr Dr. Jussel bemerkt ferner, daß man in Österreich durch die Verfassung niemals Angriffe auf das Christenthum gemacht und kein Jota weggenommen habe von den Rechten und Freiheiten der Kirche, daß man der Religion alle Rechte lasse. Woher kommt denn aber die Aufregung und Empörung des Volkes gegen manche Gesetze? Das Volk wird doch nicht so dumm sein und glauben, daß Man ihm keine Rechte genommen habe, wenn man ihm keine genommen hätte, das Volk wird gewiß nicht gegen ein leeres Nichts sich aufregen. (Karl Ganahl: Weil man es gehetzt hat. Heiterkeit.) Ich glaube aber wirklich, ich kann es beweisen, daß ihr Rechte genommen worden sind; denn unsere Gesetzgebung ist in großer Verwirrung und im großen Widerspruch. Es heißt z. B. in den Grundgesetzen vom Li. Dezember 1867, daß die Wissenschaft und ihre Lehre frei sei, d. h. Lehr- und Lernfreiheit ist gewahrt (Art. 17, Alinea 1) aber in Alinea 5 wird dieses Recht vollkommen wieder aufgehoben, dort heißt es: Dem Staate steht rücksichtlich des gesammten Unterrichts- und Erziehungswesen das Recht der obersten Leitung und Aufsicht zu, " damit also auch über den Religionsunterricht. Wenn aber der Religionsunterricht von Jemanden Andern außer der Kirche geleitet wird, so wird er nicht mehr von der Kirche geleitet, dadurch komm: er außerhalb der Kirche und was außerhalb der Kirche ist, ist nicht mehr Kirche und darin liegt eine Aushebung der Lehr- und Lernfreiheit und zugleich eine Gewissensverletzung Und wie kommt denn damit die freie Ausübung der inneren Angelegenheiten, welche jeder Religion oder jeder Confession gewährleistet ist, zusammen. Der Unterricht und die Erziehung in der Religion gehören doch gewiß zu den innern Angelegenheiten einer Religion. Wenn aber der Staat die oberste Leitung über sich nimmt, so weiß ich nicht wo der Kirche das in den Grundgesetzen gewährleistete Recht der selbständigen Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten bleibt, Sicherheit des Rechtes hat man keine mehr. Herr Dr. Jussel betont, daß alle Confessionen gleiche Lasten tragen. Das ist wahr, jedenfalls hat man sich sehr beeilt, nur hierin Rücksicht auf die gleichen Lasten zu nehmen, in vielen andern Sachen wo Rücksichten auf gleiche Lasten zu nehmen gewesen wären, hat man es bisher unterlassen. Herr Dr. Jussel findet die Rückkehr zur pragmatischen Sanktion unbehaglich, das kann sein, aber deßwegen ist sie nicht zu verlassen. Ein Volk, welches in der Gesetzgebung vielleicht ein Muster ist für alle Völker der Erde hat feit Jahrhunderten gar kein Gesetz aufgehoben, es verändert daran nur dasjenige, was nothwendig ist. (Gelächter.) Ja, ja, das sind Thatsachen. (Landeshauptmann ermahnt zur Ordnung.) Man wird den Engländern doch nicht den Sinn für Gerechtigkeit absprechen können. (Ganahl: Ganz gewiß nicht.) Dr Jussel sagt ferner, die pragmatische Sanktion sei nicht nothwendig, das Oktoberdiplom gewähre uns vollkommen unsere Rechte. Ich glaube das Fundament von einem Hause ist nothwendig, wenn man will, daß das Dach stehen bleibt. (Dr. Jussel: Das habe ich nicht gesagt.) Ja wohl, dieser Ausdruck, es sei die Rückkehr zur pragmatischen Sanktion nicht nothwendig, wir seien schon durch das Oktoberdiplom vollkommen gesichert, sagt dieß. 45 Ich betrachte das Oktoberdiplom nur als eine Deckung gegen die Angriffe, welche auf uns von liberaler Seite gemacht worden sind. Ferner was die Rechte unseres Landes betrifft, wüßte ich nicht, daß es einen Kreishauptmann vor der pragmatischen Sanktion gehabt hat, dessen könnte ich mich nicht erinnern. Damals gab es Landpfleger und Landvögte, so ist in der Geschichte zu lesen. Daß die Rechte des Landtages jetzt größer seien als früher, kann ich nicht begreifen, denn das Oktoberdiplom hat dem Landtage größere Rechte zugesichert als das Februarpatent und das Februarpatent hat größere Rechte zugesichert als die Dezemberverfassung, folglich ist da eine beständige Verminderung der Rechte vorgenommen worden. Daß wir in unserer Adresse eine Bedingung für die Beschickung Reichsrathes angeführt haben, das heißt eben nur so viel, als der in den Landtag oder Reichsrath berufen ist, hat Ansichten irgend ein Gesetz zu ändern Diesen Wunsch haben auch wir, wir des Jedermann, und Wünsche wollen sie aber auf dem konstitutionellen Wege ändern. Aber daß darin eine Verletzung des Gelöbnisses sei, das kann ich nicht begreifen, sonst wäre alles Reden gegen Gesetze eine Widersetzlichkeit, und unsere Einwendungen gegen die Gesetze eine Verletzung des Gelöbnisses. Es ist eben im Wortlaut des Gelöbnisses verstanden, nicht daß wir die Gesetze nicht besprechen dürfen oder verändern, sondern nur, daß wir speziell die für den Landtag geltenden Gesetze halten müssen; das glaube ich, so ist meine Auffassung. Übrigens bemerkt Herr Dr. Jussel und spricht von den Wundern, die der Reichsrath zur Linderung der Lasten des Volkes gethan habe, das kann sein, er hat etwas gethan; es ist aber nicht viel Nennenswerthes geschehen und es bleibt noch Vieles zu thun übrig. Was die Rheinkorrektion anbelangt, so genügt eine einfache Bereisung des Rheines, um zu wissen, daß einige Stellen sehr nothwendig eines Schutzes und der Correktion bedürfen Was die Eisenbahn anbelangt, so erkennen wir es wirklich mit Dank an, das was geschehen ist, aber man hat uns wenigstens sehr lange darauf warten lassen. (Heiterkeit.) Jetzt habe ich noch besonders zu sprechen über das, was die Adresse betrifft. Wir sind bekanntlich in Österreich in einem sehr großen Zwiespalt, in einer immer wachsenden Zwietracht und gewiß wünscht Jedermann, sowohl die Liberalen als die Katholischen, wieder herauszukommen. Die Frage ist nur wie? Die Liberalen glauben auf diese Weise es zu können und die Katholiken auf eine andere Weise (Ganahl: Sind die Liberalen keine Katholiken?) Ich bitte um Entschuldigung, man gebraucht nun einmal im öffentlichen Leben diesen Ausdruck, in Zukunft werde ich sagen die liberalen Katholiken. (Ganahl: Ich nehme die Korrektion an. Heiterkeit.) Die liberalen Katholiken haben auch ihre Mittel zur Herstellung der Eintracht und eines von ihren Mitteln, ein wahres Wundermittel, das überall auf ihrer Fahne steht, heißt: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Das sind wirklich echt christliche Prinzipien und sie verdanken ihre Geltung dem Christenthume, eine Geltung, welche die Menschheit von namenlosem Elend erlöst hat. Aber seitdem am Ende des letzten Jahrhunderts die große Revolution in Frankreich und später ihr schmutziger Affe die Revolution vom Jahre 1848 in Wien „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" auf ihre Blutfahne geschrieben hat, sind diese heiligen Prinzipien gefälscht und zur Maske geworden, um die häßlichen Gesichter der drei größten Ungeheuer unseres Jahrhunderts zu decken. Diese Ungeheuer sind: der Radikalismus, der Materialismus und der Industrialismus. Unter der Maske der Freiheit reißt der Radikalismus, nach seiner Maske Liberalismus genannt, Alles nieder, nichts ist ihm heilig. Unter der Maske der Gleichheit macht der Materialismus Alles gleich, er macht sogar den Menschen dem Thiere, dem Affen gleich, nur nicht dem Geiste, denn für Geist und Gott hat er keinen Platz mehr. Was der Industrialismus unter der Maske Brüderlichkeit thut, das weiß die Welt wohl. Unter der Maske „Brüderlichkeit" beutet er den Bruder aus. (Bewegung.) Unter diesem Industrialismus versteht wohl Niemand die Industrie, den Stolz unseres Jahrhunderts, deren Förderung Jedermann wünscht, aber einen großartigen Schwindel, der sich überall breit macht und wuchert, nicht blos auf der Börse, im Verwaltungsrathe, in Eisenbahnkonsortien, sondern auch in der Schule, in der Wissenschaft und selbst in der Staatsverwaltung, wie leider nur zu häufige Beispiele bewiesen haben. 46 Dieser Schwindel ist die Hauptursache der bodenlosen Staatswirthschaft, der zunehmenden Staatsschuld und der immer wachsenden Verarmung des Volkes. Dieser Schwindel ist auch in Frankreich als das „Enrichissezvous" Napoleons, dasjenige, was die siegreiche Kraft seiner Heere, wie der jetzige Krieg zeigt, gebrochen hat. Wo diese drei Mächte des modernen Fortschrittes einkehren, da ist es aus mit dem Frieden und der Wohlfahrt des Volkes und die Zwietracht kehrt ein. Auch in Österreich sind sie eingekehrt und man steht die Folgen davon; es sehen die Völker nicht mehr nach dem Mittelpunkt des Reiches, nicht nach der Einheit und Macht wenden die Partheien und Nationalitäten ihre buhlenden Blicke. Die eine schaut nach Italien, eine andere schaut nach Serbien, eine schaut wieder nach Rumänien; eine schaut buhlend nach Rußland, eine andere nach Preußen und eine nicht kleine Parthei und daneben Rationalitäten von nicht unbedeutender Macht im Osten des Reiches schauen nach Frankreich. Wenn unter solch' traurigen Verhältnissen irgend ein Volk, gestützt aus seine Kultur, es unternehmen würde, durch oktroyrte Gesetzgebungen diese widerstrebenden Nationen wieder zur Einheit und Macht zusammenzuschmelzen, so wäre das, gelinde gesagt, eine riesige Unternehmung, ohne vernünftige Hoffnung aus Erfolg. Wenn aber eine Parthei von diesen Völkern, blos eine Partei, die noch dazu in der Minorität ist, wie z. B. die deutsch-liberale, es unternimmt, mit einer oktroyrten Gesetzgebung so gewaltig wiederstrebenden Völkern die Einheit und Macht des Reiches aufzuzwingen, so ist das jedenfalls ein gutmüthiges Beginnen, das wohl an den edlen Ritter Don Quixotte della Mancha erinnert, aber von einem vernünftigen Menschen kann man nicht verlangen, daß er daran Antheil nehme. (Bravorufe.) Aber dessen ungeachtet verzagen wir nicht an der Einheit und Macht des Reiches, wir verzagen nicht daran, unsere Rechte und Freiheiten und die Autonomie unseres Landes zu wahren. Das offene, gerade und aufrichtige Vertrauen, womit Se. Majestät unser Kaiser uns die Hand bietet, fein Ruf, das wir die Einheit des Reiches, die Rechte der Länder schützen, seine warnende Stimme, daß wir die innere Zwietracht verlassen, welche ein Solferino und Königgrätz möglich machte, erhebt uns und gibt uns wieder Muth; denn die Zwietracht, von der ich gesprochen habe, ist Schuld oder Mitschuld an allem Blute, das seit zwanzig Jahren in Europa vergossen wurde; und der jetzige furchtbare Krieg, der zwischen zwei gewaltigen Nationen wüthet, wäre nicht möglich gewesen, wenn Österreich vereint, ohne Zwietracht und mächtig dastünde. Se. Majestät der Kaiser ruft uns also, die innere Zwietracht zu verlassen und die Völker, die Nationalitäten und Partheien Österreichs mögen wohl bedenken, welches Loos sie sich bereiten, sich und ihrer Selbständigkeit, welch schwere Verantwortung sie auf sich laden, wenn sie durch hartnäckige Opposition gegen die Einheit und Macht des Reiches die innere Zwietracht unterhalten und fördern. Wir Vertreter des Landes Vorarlberg