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Letzte Änderung 02.07.2021, 19:31
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp02,lts1869,lt1869,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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345 Vorarlberger Landtag. XIII. Landtag Am 28. Oktober 1869 unter dem Vorsitze des Henn Landeshauptmannes Sebastian von Froschauer. Im Beisein des Herrn Regierungsvertreters, k. k. Stalthaltereirath Karl Schwertling. Gegenwärtig sämmtliche Abgeordnete. Hochw. Bischof Amberg abwesend. Beginn der Sitzung um 8 Uhr Abends. Landeshauptmann: Ich eröffne die Sitzung. Das Protokoll der vorhergehenden wird Ihnen verlesen. (Sekretär verliest dasselbe.) Ich erkläre das Protokoll für genehmiget. Wir kommen zur heutigen Tagesordnung zur Berathung des Gesetzentwurfes, betreffend das Institut der Landesvertheidigung. Ich ersuche den Herr Berichterstatter das Wort zu nehmen. Dr. Fetz: (Verliest den Comitebericht.) Bericht des Comites zur Berathung dos Gesetz-Entwurfes betreffend das Institut der Landes-Vertheidigung. Der vorliegende Gesetzes-Entwurf hat zum Zwecke in Gemäßheit des Artikels in des Wehrgesetzes die näheren Bestimmungen über die Organisirung und Verwendung der wehrpflichtigen Mannschaft, 346 welche zur Ergänzung des Jäger-Regiments nicht benöthiget wird, so wie über die Erfüllung der Wehrpflicht in der Landwehr festzusetzen. Die wesentlichen Bestimmungen des Entwurfes sind daher theils dem Wehrgesetze, theils dem Landwehrgesetze entnommen. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Einberufung und Mobilmachung der Landesschützen, über die ausnahmsweise Verwendung derselben auch außerhalb der Grenzen Tirols und Vorarlbergs, über die Dauer der Dienstpflicht, die Ernennung der Officiere u. s. w. Das Comite glaubte in allen diesen Richtungen insofern einer vollendeten Thatsache gegenüber zu stehen, als nach § 11 b des Grundgesetzes über die Reichsvertretung die Angelegenheiten, welche sich auf die Art und Weise sowie auf die Ordnung und Dauer der Militärpflicht beziehe» :.t das Gebiet der Reichsgesetzgebung gehören und daher die grundsätzlichen Bestimmungen jener beiden Gesetze auch als für unser Land maßgebend angesehen werden müßen. Dagegen machten sich im Comite verschiedene Ansichten bezüglich der §§ 1 und 2 des Regierungsentwurfes und speziell bezüglich des in diesen Paragraphen erwähnten Institutes des Landsturmes gellend. Die Majorität ist der Ansicht, daß nach dem Wehrgesetze vom 5 Dezember 1869 § 5 der Landsturm nur durch ein besonderes Reichsgesetz beschlossen werden und nur aus Freiwilligen, die weder dem stehenden Heere, noch der Kriegsmarine, noch der Landwehr angehören dürfen, bestehen könne, daß also ein zwangsweiser Landsturm im Widersprüche mit dem Wehrgesetze stehen und dem Lande Verpflichtungen auferlegen würde, zu denen es gesetzlich nicht verhalten werden kann. Die Majorität beschloß daher: „es habe § 1 des Entwurfes mit dem Beisatze bei Punkt 2 (§ 5 des 23. G. vom Dezember 1868) zu lauten." Im Z 2 habe nach dem Antrage der Majorität der Absatz 3 zu entfallen. Die Minorität des Ausschusses dagegen beantragt auch in diesen 2 Paragraphen die Regierungsvorlage anzunehmen. Im Übrigen beantragt das Comite einstimmig die Annahme des Regierungsentwurfes mi einigen unwesentlichen Abänderungen. Bregenz, 27. Oktober 1869. Carl Ganahl, Obmann. Dr. Andr. Fetz, Berichterstatter. Landeshauptmann: Ich eröffne die Generaldebatte. Wünscht jemand das Wort zu nehmen? Regierungsvertreter: Es ist Ihnen meine Herrn gewiß bekannt, daß in der letzten Reichstagsession, in der die Wehrverfassung in Österreich zur Berathung kam, sich eine entschiedene Majorität gegen jede Ausnahmsstellung aussprach, nur eine geringe Minorität war dafür. 347 Die Regierung von der wohlwollenden Absicht geleitet, dem Lande Tirol und Vorarlberg, diese Ausnahmsstellung zu erhalten, ist mit ihrer ganzen Kraft dafür eingetreten. Nach langer Debatte, nach mühsamen Kampfe, hat sie diesen Zweck erreicht. Diese Ausnahmsstellung hat für Tiro! und Vorarlberg eine doppelte Begünstigung. Während in andern Provinzen die auf die Gesummt - Starke des Heeres entfallende Quote zur activen Armee abgestellt werden muß und nur der Nest, der nicht mehr benöthiget wird, zur Landwehr abgestellt wird, darf das Land Tirol und Vorarlberg nur die Hälfte zur activen Armee «b stell en und den übrigen Theil, den man nicht mehr benöthigt, zu den Landesschützen. Diese Begünstigung meine Herrn, ist gewiß eine sehr weittragende. Der Familie werden die Söhne erhalten, dem Lande tausende und tausende von Arbeitskräften. Die Pflicht, alle Jahre einmal durch U Tage zu einer Waffenübung zu erscheinen, ist gewiß kein Equivalent dafür, denn es ist eine kaum nennenswerthe Pflicht. Eine weiters Begünstigung ist die, daß, während in anderen Provinzen die Landwehr beinahe ausnahmslos außerhalb des Landes verwendet werden kann, die Landesschützen von Tirol und Vorarlberg nur innerhalb der Grenzen des Landes und nur unter sehr beschränkten Bedingungen auch außerhalb desselben verwendet werden dürfen Ich habe aus dem eben verlesenen Comiteberichte ersehen, daß, die Majorität des Comites Ihnen den Antrag stellen wird, den Regierungsentwurf nur mit Hinweglassung des Landsturmes anzunehmen. Ich halte mich verpflichtet meine Herrn, Sie auf die nachteiligen Folgen eines allfällig hierauf abzielenden Beschlusses aufmerksam zu machen. Sie werden nicht verkennen, daß die Regierung von der wohlwollendsten Absicht gegen die Lander Tirol und Vorarlberg geleitet ist; Sie werden nicht verkennen, daß die Regierung dem Lande Zugeständnisse gemacht hat, wie vielleicht keine andere Regierung je mehr in der Lage sein wird, sie Ihnen machen zu können. Wenn Sis diese Zugeständnisse jedoch ablehnen, wenn Sie die wohlwollende Absicht der Regierung zurückweisen, dann meine Herrn entziehen Sie der Regierung die Mittel, daß, wenn im Reichsrathe ein Antrag eingebracht wird, diese Ausnahmsbegünstigung, die ohnehin von allen Seiten mit scheelen Augen angesehen wird, aufzuheben, ein Antrag der jedenfalls eingebracht werden wird, dann meine Herrn entziehen Sie der Regierung die Mittel, einem solchen Anträge mit Grund entgegen treten zu können; dann wird die Regierung es für ihre Pflicht halten, ohne Rücksicht auf eine Ausnahmsstellung, so zu handeln, wie es das Interesse des Reiche«, wie es die Rücksicht auf die andern Länder fordert, die Rücksicht auf andere Länder, dis an Steuern gewiß die gleichen, wo nicht höhern Lasten tragen als Tirol und Vorarlberg, dis ganz gewiß im gleichen Maße das Blut ihrer Söhne für das Vaterland geopfert haben, die daher das Recht haben zu fordern, daß Tirol und Vorarlberg die Wehrpflicht im gleichen Maße erfülle, wie sie es thun müßen. Ich kann Ihnen daher meine Herrn, nur empfehlen, sich durch Annahme der Regierungsvorlage diese Ausnahmsstellung zu erhalten. Ich kann Ihnen daher nur im Interesse der Familien, die ihre Söhne zu Hause behalten gönnen, im Interesse des Landes, das gerade jetzt, wo durch den Bau der Eisenbahn ein Aufschwung 318 der Landwirthschaft, der Gewerbe und Industrie des Landes einen Abgang an Arbeitskräften sehr schwer empfinden würde, die Annahme des Gesetzes auf das wärmste empfehlen. Landeshauptmann: Da Niemand mehr das Wort zu ergreifen wünscht erkläre ich die Generaldebatte für geschlossen und ersuche den Herrn Berichterstatter, zur Spezialdebatte überzugehen. Dr. Fetz: Nach dem Majoritätsantrag des Comites Hai § 1 zu lauten: „das auf diesem Gesetze beruhende Institut der tirol-vorarlbergischen Landesvertheidigung bildet einen integrirenden Theil der betreffenden Macht und theilt sich: „1. in die Landesschützen und „2 in den Landsturm (§ 5 des W. G. vom S. Dezember 1868 ) Nach dem Antrage der Minorität, der auch ich angehöre hat der § 1 zu lauten: „Das auf diesem Gesetze beruhende Institut der tirol-vorarlbergischen Landesvertheidigung bildet einen integrirenden Theil der bewaffneten Macht und theilt sich: „I. in die Landesschützen und 2. in den Landsturm." O. L. G. R. Hämmerle: Ich bitte ums Wort. Der Herr Regierungsvertreter hat soeben ganz bestimmt lautende Erklärungen abgegeben, die über die Absicht der Regierung uns keinen Zweifel mehr übrig lassen. Die Regierung erklärt einfach, wenn ich recht verstanden habe, daß, wenn die Landsturmpflicht vom Landtag abgelehnt wird, wir so ziemlich die sichere Aussicht haben, rücksichtlich der Wehrpflicht mit den andern Provinzen auf gleichen Fuß versetzt zu werden. Diesen sehr bündigen Erklärungen des Herrn Regierungsvertreters gegenüber befinden wir uns wenigstens nach meiner Anschauung, gewissermaßen in einer Zwangslage. Die Regierung übt durch diese Erklärung auf unsere Entschließung jedenfalls einen Druck aus. Ich habe daher nur zu untersuchen, ob bestimmende Gründe vorliegen, einem solchen Drücke seitens der Regierung nachzugeben oder nicht. Wenn ich die Rechtsseite der Frage erwäge, so glaube ich allerdings, daß sich für den Beschluß der Majorität Gründe anführen lassen, dafür nämlich, daß rechtlich eine Verbindlichkeit für das Land Vorarlberg, einen obligaten Landsturm zu haben, nicht vor, liegt. Das Wehrgesetz vom S. Dez. 1868. wirksam für alle im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder, erklärt im § 5 ausdrücklich, daß der Landsturm nur durch ein besonderes Gesetz beschlossen werden könne und daß er auch in diesem Falle nur aus Freiwilligen zu bestehen habe. In der Einleitung zu dem bezogenen Gesetze, in welchem eben der Artikel 111 eine Ausnahmsstellung für das Land Tirol und Vorarlberg in Aussicht nimmt und zum Gesetze erhoben Hal, wird aber von einem Landsturm kein Wort gesprochen; sondern es heißt einfach: es wird sich vorbehalten, durch ein Landesgesetz die Art und Weise zu regeln, in welcher in Tirol u. Vorarlberg jene wehrpflichtige Mannschaft, die zur Ergänzung des Kaiser-Jäger-Regiments nicht benöthiget wird, ihre Wehrpflicht zu erfüllen hat. Diese allgemeine Wehrpflicht geht nach der Bestimmung vom zwanzigsten bis zum zwei und dreißigsten Jahre und wird erfüllt im stehenden Heere und in der Landwehr. Also was die rechtliche Anschauung der Sache anbelangt, so könnten wir in Berufung auf dieses Gesetz ganz gut behaupten: wir sind nicht verpflichtet, uns der Pflicht eines Landsturmes zu unterziehen. Es handelt sich aber nicht einfach darum, ob die Rechtsanschauung der Majorität des Ausschusses sich begründen lasse oder nicht. Es ist ganz 349 unzweifelhaft, daß dasjenige, was der Regierungsvertreter uns vorgeführt Hal, sich vollkommen erwähn, daß wir nämlich durch die im Artikel 111 der Einleitung zum Wehrgesetze bedungene Ausnahmsstellung einen großen Vortheil für unser Land gewonnen haben. Die Stellung der wehrpflichtigen Mannschaft ist überhaupt schon eine geringere als in andern Provinzen; dann insbesondere ist der Vonheil ein ganz gewiß bedeutender, daß in unsere Landwehr verhältnismäßig viel mehr Leute eingereiht werden, als zum stehenden Heere, daß also das Verhältniß zu andern Provinzen da ein ganz besonderes sür uns günstiges ist. Ich habe eine Berechnung eines Fachmannes vor mir liegen, welcher ziffermäßig nachweist, daß in andern Provinzen zum Waffendienst 32 Mann per Mille abgestellt werden, während auf Tirol und Vorarlberg nur 27 Mann treffen. Es ist möglich, daß diese Berechnung nicht ganz genau ist. Jedenfalls aber ist es nachweisbar, daß wir im Ganzen zur Erfüllung der Heerespflicht 28, 000 Mann zu stellen hätten, wovon 10, 630 Mann für das Kaiser-Jäger-Regiment entfallen, der übrige Theil käme in die Landwehr. In andern Provinzen ist das Verhältniß ein ganz verschiedene». Da werden viel mehr Leute in das stehende Heer gestellt und viel weniger in dir Landwehr Die Folgen dieses Unterschiedes sind Jedermann begreiflich, der auch nur einen Blick auf das Wehrgesetz und Landwehrgesetz geworfen hat. Die Berechnung, die mir vorliegt, käme zum Resultate, daß wir in zwölf Jahren durch die verschiedene Abstellung zum stehenden Heere 4400 Mann ersparen und daß wir Jahr für Jahr durch die verschiedene Abstellung zur Landwehr ungefähr 4600 Mann ebenfalls dem Lande erhalten Wenn wir berücksichtigen, daß die Einwohnerzahl von Tirol und Vorarlberg im Verhältniß von 880, 000 Einwohner angenommen wurde, also ungefähr der neunte Theil auf Vorarlberg entfällt, so können wir da klar werden, daß wir jedenfalls Jahr für Jahr wenigstens 400 Arbeitskräfte ersparen. Bei dieser Rechnung ist noch nicht in Betracht gezogen worden, was die Leute nebenher dem Staate kosten. Es ist lediglich die Ersparung an Arbeitskräften im Auge behalten Die Vortheile sind augenscheinlich. Ebenso augenscheinlich ist auch jener Vortheil, auf den der Herr Regierungsvertreter sich bezogen hat, daß die Landesschützen von Tirol und Vorarlberg nur ausnahmsweise im Kriegsfälle außer Land gezogen werden, um den Feind zu bekämpfen, während das Landwehrgesetz in den übrigen Provinzen ganz andere und weitergehende Bestimmungen enthält. Nun frägt es sich, warum wurde dieser Vortheil dem Lande Tirol und Vorarlberg gewährt? Die Verhandlungen, die darüber im Reichsrathe stattgefunden haben, sind wohl so ziemlich allgemein bekannt. Es ist ganz richtig, was der Herr Regierungsvertreter hierüber bemerkte, daß die Regierung gegenüber den Vertretern anderer Provinzen harte Kämpfe zu bestehen hatte und daß sie endlich aus diesem harten Kampfe siegreich hervorgegangen ist, insbesondere Dank dem Entgegenhalte der für Tirol uno Vorarlberg bestehenden Landesvertheidigungsgesetze, nach welchen eben Tirol und Vorarlberg nicht nur Landesschützen, sondern auch obligat den Landsturm zu stellen hatte. Es handelt sich, wie ich bereits bemerkte, um ein ziemlich notorisches Factum und ich muß annehmen, daß, wenn hievon, nämlich von den bestimmenden Gründen, welche die Regierung hiebei leiteten, im Wehrgesetz» nichts erscheint, wenn da vom Landsturme geschwiegen wird, dies nur auf ein 350 Versehen zurückzuführen sei. Wenn daher, obwohl es allbekannt ist, daß nur im Hinblick auf den obligaten Landsturm in Tirol und Vorarlberg, auf das Landesvertheidigungsgesetz vom Jahre 186t dieser übergroße Vortheil uns bewilligt wurde, wenn sage ich, dieses Faktum kein Geheimniß ist, da Jedermann hievon zu erzählen weiß, so glaube ich, würde es beinahe Seitens des Landtages als eine, — ich möchte sagen fast undelikate Handlungsweise angesehen werden können, wenn wir uns lediglich auf das Wehrgesetz berufen, wenn wir heute sagen: wir sind durch dieses Wehrgesetz nicht verpflichtet, den Landsturm zu stellen, obwohl wir recht gut wissen, daß uns dieser Vortheil, um den es sich handelt, nur wegen des bestehenden Landesvertheidigungsgesetzes, welches auch den obligaten Landsturm ausgenommen hatte, bewilligt wurde. Ich glaube daher, daß der Druck, den die Regierung ausübt, in dieser Hinsicht als ein gerechtfertigter erscheint und daß wir es ganz als sicher in Aussicht stehend annehmen dürfen, daß die Regierung, wenn wir ihr in Zukunft bin Boden, auf dem sie eben unser Landrecht zu vertheidigen im Stande war, entziehen, ganz gewiß, sobald Jemand einen Antrag einbringen würde, der auf die Beseitigung des Privilegiums abzielt, nicht mehr im Stande wäre, in so ausgiebiger und siegreicher Weise unser Recht zu vertheidigen, wie dieß früher der Fall war. Den andern Provinzen gegenüber muß das Privilegium, das wir genießen, ganz sicherlich aus den Gründen, welche der Herr Regierungsvertreter angedeutet hat, als ein odioses Privilegium erscheinen. Ich gestehe wirklich, wenn man uns dieselbe Wehrpflicht aufgebürdet härte, wie den andern Provinzen, so hätte ich wahrlich vom konstitutionellen Standpunkte aus keinen Grund gefunden, mich gegen dasselbe wehren zu können, ich hätte gestehen müssen, es ist dem Grundsätze: „Gleichheit vor dem Gesetze" Rechnung getragen. Jetzt haben wir die Vortheile erlangt und besitzen sie auf Grund eines Gesetzes. Ich glaube, daß diese Vortheile so bedeutend sind, daß sie auch gegenüber der etwaigen Last des Landsturmes als überwiegend erscheinen muffen. Ich bin prinzipiellen Gegner des Landsturmes und glaube, daß in dieser Versammlung sehr wenige sitzen, welche eine besondere Vorliebe für dieses Institut zeigen. Der Landsturm erscheint uns, wenn ich so sagen darf — es wird mich kein schwärmerischer Sachverständiger anhören — als eine ziemlich vorrottete Geschichte, die in die moderne Kriegsführung nicht mehr hineingehört. Allein der Landsturm, wie <r künftig in Tirol und Vorarlberg sein wird, dürfte wohl auch nicht mehr auf der Grundlage errichtet werden, wie wir uns vielleicht dieselbe denken, wenn wir das Wort Landsturm höre». Es wird nicht mehr der Landsturm von anno 1809 oder von einer noch früheren Zeit fein; auch nicht jener von 1866 sein. Ich habe eben einen Gesetzentwurf eingesehen, welchen die Landesvertheidigungsoberhörde ausgearbeitet hat, einen Gesetzentwurf, der offenbar ans dem Landsturm ganz etwas anderes zu machen beabsichtigt, als er bis jetzt gewesen ist. Man bezweckt offenbar einen Übergang zum Milizsistem, ein regelmäßiges letztes Aufgebot, wie es z. V. in der Schweiz besteht oder allenfalls in Preußen oder anderswo vorkömmt. Dann aber dürfte von dem Landsturm von dazumal fast nichts mehr übrig geblieben fein als fein Name. Wir dürfen uns daher unter diesem Begriffe nicht mehr einen solchen Landsturm vorstellen, wie er landesüblich war und wie er noch in manchen Köpfen vielleicht spucken dürfte. Der Landsturm, wie er künftighin bestehen wird, ist ein geregeltes Institut, ein auf ein Gesetz basirtes 351 Institut, das jedenfalls vom Feinde respektirt werden würde, wenn auch in das Gesetz nicht ausgenommen würde, daß dasselbe unter das Völkerrecht gestellt ist, eine Phrase, die vielleicht einen Nutzen, vielleicht auch gar keinen Nutzen bringt. Deßhalb dürfen wir uns vor der Annahme des Gesetzes nicht so sehr scheuen, weil die Begriffe von jetzt und ehemals nicht mehr dieselben sind. Das bringt mich auch von meiner prinzipielle» Abneigung gegen den Landsturm zurück, obwohl das Wort, ich gestehe es, hier zu Lande nicht gerne gehört wird und ich es so ziemlich einer Liebhaberei unserer Nachbarn der Tiroler zuschreiben muß, daß sie aus historischer Erinnerung dieses Wort, im Gesetze haben wollen; nun ich sage, wir können ihnen das an und für sich unschuldige Vergnügen belasten, die Sache bleibt sich immer dieselbe, ob sie nun Landsturm oder letztes Aufgebot sagen. Meine Anschauung geht also dahin, daß der Druck, de« die Regierung durch den Regierungsvertreter auf uns ausübt, in diesem Fall ein ganz berechtigter ist, daß wir uns der Regierung gegenüber, die viele Mühe aufgewendet hat, uns diese Erleichterung der Wehrpflicht zu verschaffen, nicht undankbar bezeigen sollen, daß wir da nicht etwa durch advokatische Auslegung eines vielleicht nicht sehr glücklich stylisirten Gesetzes, ich bitte die Herren, die dem Advokatenstande angehören um Vergebung, wenn ich diese Worte gebraucht habe, — uns mit Berufung auf das Wehrgesetz dieser Verpflichtung entziehen sollten. Ich glaube, das Gesetz sollte wie es von der Regierung beantragt wurde, ohne Weiteres angenommen werden. Gsteu: Die Sache scheint mir so wichtig, daß auch ich mich verpflichtet fühle, dieselbe näher noch zu untersuchen Vorerst ist zu untersuchen, war die Begünstigung in sich schließt, in was sie besteht, die man uns zugewendet hat; sie besteht darin: daß ein Theil der Wehrpflichtigen ihre Wehrpflicht in der Landwehr abdienen könne. Die Wehrverfassung hat die Bestimmung, die jungen Leute abzurichten, daß sie geschickt werden, den Feind zu vertreiben oder abzuhalten, oder die gestörte Ruhe und Ordnung im Lande herzustellen. Nun da glaube ich, wenn wir unsere ganze wehrpflichtige Mannschaft, welche nicht zur Ergänzung des Kaiser-Jägerreginentes benöthigt wird, zur Landwehr stellen und diese Mannschaft nach diesem Gesetze abgerichtet wild, die Bedingungen, die man an sie stellt, auch erfüllen wird. Diese in der Landwehr dienende Mannschaft wird dann im Kriege auch das leisten, wOs man fordert. Wir werden also gegenüber den anderen Provinzen nicht nur so viel wie diese, sondern, eben weil wir die ganzen übrigen nicht zu den Jägern benöthigten Wehrpflichtigen in die Landwehr stellen, noch mehr leisten, als die andern. Im Kriege haben also beide Theile gleiche Pflichten. Die Linie und Jäger sowohl als die Landwehrmänner; der Landwehrmann muß ausziehen eben so gut wie die Jäger und die Linientruppen und wenn es Krieg giebt, möchte ich lieber bei der Linie oder bei den Jägern, als bei der Landwehr dienen. Die Verpflichtung ist ganz gleich. Sie haben also in der Hauptsache, in dem, was die Bestimmung des Wehrgesetzes ausmacht, sowohl in der Landwehr als in der Linie die ganz gleichen Pflichten und auch die ganz gleichen Lasten. Ich glaube auch, daß wir von unserer Landwehr etwas erwarten können und dürfen und daß sie so viel leisten werden, wie die andern Truppen. 352 Es ist nun zu untersuchen, in wie weil eine Begünstigung wir im Frieden haben. Im Frieden sieht die Geschichte etwas anders aus. Im Friede» kann die Hälfte der Mannschaft, die sonst auch ins Jägerregiment zu stellen wäre, der Wehrpflicht in der Landwehr Genüge leisten; sie hat also da weit geringere Pflichten, sie hat nämlich nach diesem Gesetze im ersten Jahre durch acht Wochen und die übrigen Jahre jährlich durch 14 Tage Waffenübungen zu machen. Da ist die Begünstigung jedenfalls eine bedeutende. jetzt aber haben wir weiters zu untersuchen, was wir noch weiters für Verpflichtungen haben? diese wittere Verpflichtung besteht in der Stellung eines Landsturmes. Was ist der Landsturm? man sagt uns wohl, es sei nicht viel daran gelegen, er habe nicht viel zu bedeuten. Ein Landsturm meine Herren, aber ich nehme das Wort im schweren Sinne auf, hat denn doch eine schwerwiegende Bedeutung, kann eine verhängnißvolle Last werden. Wie sind in einem offenen Lande, was wird uns der Landsturm nützen können? und aber in was für eine Gefahr würde er uns bringen, wenn er einmal aufgerufen ist, einem Feinde gegen über gestellt würde und sich vertheidigen soll, wenn der Feind allenfalls ins Land hereingekommen ist. Was würde in diesem Falle der Landsturm in unserm größtentheils offenen Lande ausrichten? höchstens würde er einen Feind gegen das Land aufzureizen im Stande sein. Was wird man dann zu erwarten haben? da wird der Feind unsere Häuser und Dörfer und alles verheeren. Ich glaube, wir haben ein Beispiel im letzten Kriege gehabt. In Trautenau hat der Feind bloß gemeint, es sei so etwas von der Volksvertheidigung und augenblicklich sind viele der ersten Bürger dieser Stadt als Geißeln weggeführt und beinahe wäre die ganze Stadt niedergebräunt worden. Das war damals nur Schein. Wie würde es erst sein, wenn der Landsturm in Wirklichkeit da wäre und was würde er überhaupt nützen? In offenen Lande jedenfalls nichts. — Nützen könnte er allenfalls im Gebirge, drinn allenfalls bei Braz, Dalaas oder hinten im Bregenzerwald — wenn also ein Feind bereits das ganze Land besetzt hätte, was wäre dann die Folge? dann träte das, was ich vorhin gesagt habe, ein, der Feind, durch den Landsturm gegen das Land und Bevölkerung in Harnisch gebracht, würde sich durch Verheerung des Landes auf alle mögliche Weise zu rächen suchen. Nun hat uns der Herr Regierungsvertreter erklärt, daß, wenn wir den Landsturm nicht annehmen würden, man uns auch die Begünstigung nicht zugestehen würde. Man würde sie uns nicht sicher stellen können. Nun ist zu untersuchen, in wie weit wir Gefahr laufen würden, dieser Begünstigung verlustig zu werden. Nun gesetzlich, wie der Herr Vorredner gesagt hat, könnte man uns den Landsturm nicht zumuthen, auch gesetzlich sind wir nicht verpflichtet, den Landsturm anzunehmen. Nachdem der Reichsrath den Landsturmgesetzentwurf der Regierung abgelehnt hat, so hat meines Erachtens gar Niemand das Recht, einen Landsturm zu organisiren. Also in dieser Beziehung wäre keine Gefahr. Da sagt man uns aber, man werde uns eben dazu verhalten, u. das ganze Kontingent, das wir zu stellen haben wie die andern Provinzen, in das Jägerregiment stecken oder dorthin berufen. Nun diese Gefahr könnte wirklich eintreten, denn: Allenfalls könnte die Regierung selbst einen Entwurf einbringen, wodurch dann »er Artikel 3 im Wehrgesetze, welcher die eingeführte Begünstigung ausspricht, aufgehoben würde; oder es könnte einem Abgeordneten einer andern Provinz 353 einfallen, einen derartigen Antrag zu stellen. Da ist wirklich Gefahr vorhanden. Aber nachdem der Reichsrath den Landsturm schon abgelehnt hat, so glaube ich, daß er doch nicht darauf besteht, gerade uns den Landsturm zuzumuthen und ich glaube die Begünstigung, die er uns eingeräumt hat, könnte er uns allenfalls, ungeachtet wir den Landsturm nicht annehmen, doch belassen. Wie gesagt, das ist schwer zu beurtheilen. Es ist einerseits die Begünstigung wohl zu berücksichtigen; es ist wirklich viel, wenn die Halste von der sonst zu den Jägern zu stellenden Mannschaft gewissermaßen drei Jahre zu Hause bleiben kann, während sie sonst die ganze Zett dienen müßte. Andererseits ist der Landsturm eine allenfalls verhängnißvolle Last. Wenn ich an die Gefahr denke, die er bringen könnte, so möchte mir fast schaudern davor. Ich kann mich nicht entschließen, den Landsturm anzunehmen; wenn noch ein Ausweg zu finden wäre, so wäre ich gerne dabei, (Heiterkeit) ich meint, wenn wir das Gesetz ohne den Punkt über den Landsturm annehmen würden, mit dem, daß wir die Berathung über den Landsturm verschieben, biü uns ein Diesbezüglicher Gesetzentwurf vorgelegt fein wird, könnte die Regierung mit uns doch zufrieden sein. Karl Ganahl: Als Obmann des Comites und als derjenige, der auch der Majorität angehört, liegt es auch mir ob, den Majoritätsantrag zu vertheidigen. Es hat dieß zwar schon mein geehrter Kollege Esten in maßgebender Weise gethan, demungeachtet muß ich doch Einiges beifügen Was der Herr O. L. G. R. Hämmerle vorgebracht hat, ist schon im Comite theils von ihm, theils von anderen Mitgliedern desselben vielfach erörtert worden; demungeachtet glaubte die Majorität sich nicht beirren zu lassen, sondern sich an das Gesetz halten zu müssen. Ich habe das Reichsgesetz vom S. Dezember 1868 in Händen, womit für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder die Art und Weise der Erfüllung der Wehrpflicht geregelt wird. Der § ü dieses Gesetzes, den auch Hr. O. L. G. R. Hämmerle citirt und den ich mir erlaube vorzulesen, er lautet: „Im Falle durch ein besonderes Gesetz die Bildung eines Landsturmes beschlossen „wird, so darf derselbe nur aus Freiwilligen gebildet werden, welche weder dem stehenden „Heere oder der Kriegsmarine, noch der Landwehr angehören." Dieser § des Reichsgesetzes verbietet also die zwangsweise Errichtung des Landsturmes. Wenn wir uns daher an das Gesetz halten, so kann uns Niemand den Vorwurf machen, daß wir der Regierung entgegentreten. Der Herr O. L. G. R. Hämmerle als Mann des Gesetzes hat sich zwar daran gestoßen, daß wir uns stricte an das Gesetz holten; seine diesbezügliche Äußerung ist mir ganz besonders ausgefallen. Von einem Manne des Gesetzes hätte ich gerade das Gegentheil erwartet, ich hätte erwartet, daß er sagen würde, man habe sich an das Gesetz zu halten, nicht aber, daß man uns einen Vorwurf macht, wenn wir uns an das Gesetz halten. Wol gibt es in neuerer Zeit gewisse Leute, die sagen, was kümmern uns die Gesetze, welche die Herren in Wien machen, für uns besteht keine Verpflichtung, sie zu befolgen. Wenn aber der Herr Abgeordnete Hämmerle uns gewissermaßen einen Vorwurf macht, weil wir beim Gesetze bleiben, und wenn er ferner bemerkte, wir hätten auf advokatische Weise herausgeklügelt, das Gesetz enthalte für uns keine Verpflichtung zu einem zwangsweisen Landsturme, so ist dies doch gewiß sehr sonderbar. Es bedarf wahrlich keiner 554 advokatischen Klügelei, um uns das Gesetz zu Nutzen zu mache», sondern blos Der klaren Anwendung desselben im Interesse des Landes. Wenn man hätte annehmen wollen, daß der zwangsweise Landsturm auch in Zukunft für das Land Tirol und Vorarlberg zu bestehen hätte, so wäre ganz sicher im Reichsgesetze eine Bemerkung gemacht worden. Allein im ganzen Gesetze steht kein Wort davon; sondern der Artikel 3 desselben lautet folgendermaßen: „Über die Organisirung und Verwendung der in Tirol und Vorarlberg in Gemäßheit des gegenwärtigen Gesetzes wehrpflichtigen Mannschaft, welche zur Ergänzung des Jägerregiments nicht benöthigt wird, sowie über die Erfüllung der Wehrpflicht in der „Landwehr daselbst, werden die näheren Bestimmungen im Wege der Landesgesetzgebung „erfolgen." Non einem Landsturm ist also keine Rede. Nun hat dir Regierung uns einen Gesetz- Entwurf vorgelegt, betreffend das Institut der Landesvertheidigung. Ja diesem Entwurfe über die Landesvertheidigung kommt aber wirklich der Landsturm vor. Der § 1 lautet nämlich wie folgt: „Das auf diesem Gesetze beruhende Institut Der tirol-vorarlbergschen Landesvertheidigung bildet einen integrirenden Theil der bewaffneten Macht und theilt sich „1. in die Landesschützen und „1. in den Landsturm." Wenn wir daher das Gesetz annehmen, so übernehmen wir in Betreff des Landsturms eine Verpflichtung, während der erwähnte § 5 des Reichsgesetze« vom 5. Dezbr. 1868 eine solche absolut ausschließt und nur einen freiwilligen Landsturm zulassen würde. Deßhalb hat der Herr O. L. G. R. Hämmerle und haben auch noch andere rechtsgelehrte Mitglieder unseres Comites zugegeben, daß die Majorität die richtige Gesetzanschauung habe. Die Frage ist nun die, ob da Opportunitätsgründe vorhanden sind, die uns veranlassen können, vom Gesetze abzugeben, ob wir uns nämlich eine Last auflegen lassen sollen, die wir vermöge des Gesetzes zu tragen nicht schuldig sind. Es kommt also zu untersuchen, welche nachtheiligen Folgen für das Land daraus entstehen könnten, wenn wir beim Gesetze stehen bleiben würden. Man hat gesagt, die Regierung übe einen Druck auf uns aus, ein solcher Druck sei aber gerechtfertiget und sie würde also, wenn wir den Landsturm nicht annehmen, ohne Zweifel, zustimmen wenn im Reichsrathe ein Antrag gestellt würde, es seien dem Lande Tirol und Vorarlberg die Begünstigungen die demselben durch das Gesetz gewährt worden sind, wieder zu entziehen. Eine solche Meinung habe ich von unserer Regierung durchaus nicht. Ich holte unsere Regierung für zu ehrlich. Das hätte man allenfalls unter dem Belcredischen Systeme erwarten und befürchten müssen. Aber von der gegenwärtigen Regierung ist ein solches Vorgehen durchaus nicht zu befürchten. Die Regierung hat es wohl erwogen, als sie den Antrag stellte, es sei in Beziehung auf Tirol und Vorarlberg eine Ausnahme zu machen, und sie wird an dem gesetzlich Gewährten festhalten, wenn wir den Landsturm auch nicht annehmen. Ich habe daher die geäußerte Besorgniß durchaus nicht. 355 Nachdem ich also diese Besorgniß nicht habe, so kommt die Frage zu erörtern, in was die Gefahren bestehen, wenn wir den Landsturm annehmen. Mein Collega Herr Gsteu hat diese bereits angeführt und ich stimme seiner Ausführung vollkommen bei, muß mir aber doch noch erlauben, einige Worte darüber zu sagen. In früherer Zeit war der Landsturm ganz etwas anderes, die Kriegsführung war ganz eine andere. Damals konnte man mit Hacken und Schaufeln ausrücken und dem Feinde Angst einjagen, heut« ist aber die« nicht mehr der Fall. Ich frage, was wird der Landsturm in unserm Lande einen Feind, der mit Zündnadel- und Chassepotgewehren bewaffnet ist, genieren? Hundert Mann mit Hinterladern schießen in 10 Minuten den ganzen Landsturm zusammen. Solche Gefahr, meine Herren, fällt schwer in die Wage und insbesondere wenn man gleich mir der Überzeugung ist, daß der Landsturm in unserm offenen Lande gar nichts nützt, weil er bei der gegenwärtigen Kriegsführung de« Feinde keinen Respect mehr einflößt. Man hat mir auch gesagt, der Landsturm sei wegen des moralischen Eindrucks, den er auf den Feind mache, zweckmäßig. In früheren Zeiten mag der moralische Eindruck ein mächtiger gewesen sein, bei der gegenwärtigen Kriegsführung scheint mir dies wohl nicht mehr der Fall zu sein. Tirol ist, wie man sagt, eine natürliche Festung, dort ist es ein Unterschied. In Tirol könnte der Landsturm noch in irgend einer Weise wirken, bei uns aber durchaus nicht und wenn die Tiroler, wie Herr Abgeordneter Hämmerle sagt, aus Liebhaberei den Landsturm angenommen haben, so wollen wir ihnen diese Liebhaberei lasten. Ich glaube aber, daß in unserem Lande gar kein Mensch eine Liebhaberei an dem Landstürme findet. (Rufe: sehr richtig.) Der Landsturm sei eine verrottete Geschichte, sagt Hr. Hämmerle; ich bin auch damit einverstanden, daß et eine verrottete Geschichte ist, und darum will ich ihn selbst in der angedeuteten neuen Form nicht, wenn ich nicht gezwungen bin, ihn anzunehmen. Nun muß ich noch auf eine Bemerkung des Herrn O. L. G. R. Hämmerle zurückkommen. Er hat sogar erklärt, es wäre eine undelikate Sache, wenn man da beim Gesetze bliebe und das Gesetz strenge anwenden wollte. Ich muß gestehen, daß ein solcher Ausdruck aus dem Munde eines Rechtsgelehrten mich sehr unangenehm berührte. Nach dem Wehrgesetze hat Tirol und Vorarlberg seine Wehrpflicht theils durch die Ergänzung des Kaiserjägerregiments, theils durch die Landwehr zu erfüllen u d nachdem wir eben das Kaiserjägerregiment ergänzen und statt wie früher 6000 Mann, jetzt 14000 Mann in die Landwehr stellen, erfüllen wir unsere Wehrpflicht vollkommen. Ich glaube, daß man unter keinen Umständen von uns mehr beanspruchen kann, und dies um so mehr, weil schon das Gesetz sich dagegen ausspricht. (Rufe: Bravo.) Ich habe also die Gründe entwickelt, warum die Majorität des Comites sich gegen den Landsturm ausgesprochen hat. Es muß nun Sache jedes einzelnen Mitgliedes sein, mit sich selbst zu Rathe zu gehen, ob 356 es in der Verweigerung eine Gefahr des Landes erblicke, oder ob es leine darin sehe. Ich für meinen Theil gestehe offen, daß ich eine Gefahr nicht erblicke und daß ich glaube, wenn ich bei dem Gesetze bleibe, man mir unter keinen Umständen einen Vorwurf machen kann, wenn auch daraus möglicherweise nachtheilige Folgen entstehen könnten. Mögen nun die andern Herren eine andere Meinung haben, ich lasse mir wenigstens meine Meinung nicht nehmen und habe auch nur diese ausgesprochen, (Bravo) O. L. G. N. Hämmerle: Der Herr Vorredner hat mich in so vielfacher Weise angegriffen, daß ich ihm unmöglich eine Antwort schuldig bleiben darf. Vor allem ist es ganz richtig, daß ich erklärte, Saß die Auslegung des Gesetzes vom 5. Dezember 1868 allenfalls der Anschauung Raum geben dürfte, wir feien nicht verpflichtet, einen obligaten Landsturm zu stellen. Ich sagte, daß das eben nur Sache der Auslegung wäre, denn daß das Gesetz dies so klar und deutlich ausgedrückt habe, wie Herr Ganahl meint, ist auch nicht richtig. Herr Karl Ganahl hat sich allerdings auf den § 5 bezogen, der da sagt: „im Falle durch ein besonderes Gesetz die Bildung eines Landsturmes beschlossen wird, so darf derselbe nur aus Freiwilligen gebildet werden, welche weder dem stehende» „Heere oder Der Kriegsmarine, noch der Landwehr angehören." Das bezieht sich eben auf die „Errichtung" des Landsturmes; wie aber, wenn der Landsturm schon gesetzlich besteht, dann hat dieser Paragraph jedenfalls keine Anwendung mehr. Daß aber der Landsturm gesetzlich bestehen könne, wird Hr. Ganahl auch aus dem § S ersehen, wenn er ihn lesen will, dort heißt es im Nachsatze: „über den Bestand des Landsturms wird ein besonderes Gesetz verfügen.“ Man hat offenbar einen Landsturm in Aussicht genommen, welcher allenfalls rechtlich schon besteht; nun wurde eben, wie ziemlich allgemein bekannt ist, in der Debatte des Reichsrathes daraus hingewiesen, daß Tirol und Vorarlberg ein zu Recht bestehendes Landesvertheidigungsgesetz besitzen, in welchem der Landsturm als ein integrirender Theil der Wehrpflicht und zwar als obligater Landsturm aufgeführt ist. Das hat man den Gegnern im Reichsrathe entgegengehalten und hat gesagt, daß Tirol und Vorarlberg eine Ausnahmsstellung im Gesetze haben, weil sie sich verbindlich gemacht haben, nicht nur in der Landwehr, sondern auch im Landsturm zu dienen. Man hat ferner gesagt, dieses Institut des Landsturms habe sich in Tirol schon durch Jahrhunderte gut bewahrt, darum müsse es aufrecht erhalten werden, darum müße man Tirol und Vorarlberg dieses Privilegium zugestehen. Die andern Provinzen haben durch ihre Vertreter geantwortet: gut, wir wollen uns das merken u. es uns hinter Die Ohren schreiben, wie man zu sagen pflegt; bei der nächsten Veranlassung werden wir uns daran zu erinnern wissen. Nun sage ich, meine Herrn, Sie wollen nicht die Verantwortung dafür übernehmen, da allenfalls der Landsturm innerhalb 40 oder 50 Jahren einige Schüsse abfeuert und dann wieder nach Hause gehen kau«; diese Verantwortung wollen Sie nicht übernehmen; daß wir aber jährlich 400 Mann mehr zu stellen haben, vor dieser Verantwortung scheuen Sie sich nicht Versuchen Sie es einmal, wenn wir übermorgen ein neues Wehrgesetz und mit demselben 357 die allgemeine Wehrpflicht bekommen, versuchen Sie es und gehen Sie dann hinaus und fragen Sie Ihre Mandanten, ob sie mit Ihnen zufrieden sind? Ihre werden Ihnen sagen, " den Landsturm hätten wir uns schon gefallen lassen, weil er bei weitem als das kleinere Übel erscheint und weil wir darin keine große Gefahr ersehen; denn es wird am Ende nicht dazukommen, und der Landsturm ist heute nicht mehr das, was er vor 50 Jahren war. Herr Ganahl mag Recht haben, daß der Krieg jetzt in anderer Art geführt wird, als früher. Der Landsturm wird aber auch nicht mehr mit Hacken und Gabeln ausrücken, der Landsturm wird auch Gewehre haben; die Landstürmer werden auch mit Hinterladern schießen und dann kommt es nur darauf an, ob die Landstürmer bester treffen, oder die andern, die ihm gegenüber stehen. Nun die Gefahr, daß der Landsturm ausrückt, scheint mir nicht so drohend dazustehen, wie sich die Herrn dieselbe denken; aber die Gefahr, daß wir mehr Soldaten stellen müssen, liegt nach der Äußerung des Herrn Regierungsvertreters sehr nahe, und ich wundere mich darüber, wie Herr Ganahl sagen kann, er sehe gar keine Gefahr darin, wenn wir das Gesitz ablehnen. Der Herr Regierungsvertreter erklärte uns ja ganz unumwunden, daß wir das allgemeine Wehrgesetz bekommen und zwar bei der nächsten Veranlassung, — diese Veranlassung findet sich sehr leicht, wenn man sich die Eifersucht der andern Provinzen denkt — demnach begreife ich wirklich nicht, wie man die Gefahr nicht sehen will, man müßte denn absichtlich die Augen vor solch einer Gefahr verschließen. Meine rechtlichen Bedenken in der Sache beziehen sich auf den viel genannten Artikel 111. Herr Karl Ganahl meint, daß dieser Artikel 111 für uns ein Freibrief sei, mit dem wir mitten durch die Wehrpflicht ohne Landsturm hindurch segeln könnten; dem ist aber nicht so. Erstens bemerke ich, daß die Stärke des Kaiserjägerregiments, welches wir zu completiren haben, nicht ausgesprochen ist. Es können heute 10000 Mann sein, in ein paar Monaten aber 20000 Mann, die wir zu stellen haben, um dieses Regiment zu completiren. Der Begriff Regiment ist kein numerisch festgesetzter, das werden uns die Fachmänner sagen; man weiß dies aus der Geschichte des kaiserjäger-Regiments. Es dürfte auch den Herrn erinnerlich sein, ich erinnere mich sehr gut daran, daß vor Zeiten 4 Bataillone dasselbe formirten; dann gab es eine Zeit, wo es aus 8 Bataillonen bestand; warum soll es nicht auch eine Zeit geben, wo 16 Bataillone dieses Regiment formiren werden. Mit demselben Grunde, mit dem aus 4 Bataillonen 8 geworden sind, sönnen aus 8, 16 werden. Das ist weiter nichts als ein Rechenexempel, wenn Sie rechnen wollen. Weiters bemerke ich, daß der Artikel 111 über den Landsturm gar nicht« sagt; er sagt nicht, daß der Landsturm zu bestehen oder nicht zu bestehen habe, er sagt nur: was die Erfüllung der Wehrpflicht in der Landwehr anbelangt, darüber wird ein Landesgesetz erfolgen; was aber den Land sturm selbst anbelangt, darüber ist weder ja noch nein gesagt, darüber ist gar nicht gesagt. Wenn aber die Frage an uns herantritt: besteht das Gesetz vom Jahre 1861 noch zu Recht oder nicht? so haben wir gehört, daß, als es sich in der Debatte im Reichsrathe darum gehandelt hat, Tirol und Vorarlberg durch seine Vertreter sich beeilte zu erklären: wir haben ein zu Recht bestehendes 358 Landesgesetz, das darf nicht abgeändert werden. Heute kommen nun die Vertreter bei Lander und sagen: dieses Gesetz vom Jahre 1864 gilt nicht mehr, das ist aufgehoben, von dem reden wir nicht mehr, wir haben keinen obligaten Landsturm mehr. Man hat nur vorgeworfen, daß ich den Ausdruck gebraucht habe, es sei undelikat, in der angedeuteten Weise die Regierungsvorlage abzulehnen. Allein meine Herren, wenn man heute so und morgen so redet, blos einem Interesse zu Liebe, sei es auch ein Landesinteresse oder was immer für ein Interesse, es thut mit leid es zu sagen, so kommt mir immer wieder jenes Wort auf die Zunge, welches ich jedoch durch ein „beinahe" abzuschwächen gesucht habe. Es ist einmal eins augenscheinliche Inconsequenz, wenn wir gegen die gesetzliche allgemeine Wehrpflicht der übrigen Provinzen uns vertheidigen mit dem Landesgesetze und wenn wir gegen den Landsturm und das Landesgesetz uns vertheidigen mit der allgemeinen Wehrpflicht und dem Wehrgesetze. Das ist gewiß, daß uns die Regierung zur Dankbarkeit verpflichtet hat, indem sie uns einen bedeutenden Vortheil den andern Provinzen gegenüber errungen hat. Ob wir der Pflicht der Dankbarkeit Nachkommen, wenn wir heute sagen, wir nehmen dieses Gesetz nicht an, wenn wir, obgleich in voller Kenntniß, daß jenen Vortheilen die Last des Landsturmes als Eguivalent gegenüber stehend von der Regierung gedacht wurde, nun zum gerechten Erstaunen Aller erklären, wir stellen keinen Landsturm, ob wir also der Pflicht der Dankbarkeit entsprechen, das scheint mit mehr als zweifelhaft. Die Regierung stellt uns überdieß die Landsturmpflicht in einer Art in Aussicht, welche sogar viel weniger schwer wiegt als bisher. Die Herren haben den Landsturmentwurf eingesehen, derselbe trägt allen billigen Anforderungen des Landes die größtmögliche Rücksicht; die Dienstzeit, die bis auf 50Jahre ging nach dem Gesetze vom Jahre 1864, ist auf das 45 Altersjahr heruntergesetzt. Im Ganzen soll der Landsturm nie mehr als höchstens 1000 Mann betragen; nur im Vertheidigungsbezirke und die zweite Altersklasse nur im Gerichtsbezirke soll nie länger als 14 Tage dienstpflichtig sein. Es kommt sogar eine Bestimmung vor, welche, wenn sie stehen bleiben sollte, den obligaten Landsturm ich möchte sagen beinahe zu einen freiwilligen macht, nämlich die Bestimmung, daß der Gemeindevorsteher das Recht habe, zu sagen: der und der Darf zu Hause bleiben, weil er in der Familie nothwendig ist. Nun fragen wir uns, ob die Gemeindevorsteher den Muth haben werden, die Leute in den Landsturm zu schicken, wenn sie zu ihnen kommen und sagen, ich bin nothwendig zu Hause und wenn nicht, was wird die Folge fein? Meine Herren, wenn diese Bestimmung im Landsturmentwurf stehen bleibt, so können sie Gift darauf nehmen, daß gar kein Mensch zum Landsturme ausrückt, ausgenommen ein Freiwilliger. Karl Ganahl: Der Herr Vorredner hat erklärt, daß da eben große Gefahr vorhanden sei, daß auf einmal das Kaiserjäger Regiment von 10, 000 auf 20, 000 Mann erhöht werden könnte und hat gesagt, daß man blind sein müße, wenn man die Gefahr nicht sehe. Wenn ich diese Gefahr einsehen mürbe, so dürften die Herren sicher glauben, daß ich gleich derjenige wäre, der ohne weiters den Landsturm annehmen würde. Allein diese Gefahr sehe ich nicht, weil, wie ich schon erwähnt habe ich die Regierung für viel zu ehrlich halte, als daß sie uns eine solche Gefahr aufbürden wollte. Der Herr Vorredner hat auch gesagt, wir müssen der Regierung dankbar sein, weil sie uns eine solche Begünstigung eingeräumt hat. Nun ich bin ihr dafür dankbar; ich weiß wohl, daß das eine Begünstigung 359 für unser Land ist. Aber wenn man von mir verlangt, ich solle meine Dankbarkeit dadurch beweisen, daß ich eine grobe Last auf mich nehme, welche die Begünstigung wieder gänzlich aushebt, dann ist das nach meiner Ansicht zu viel verlangt. Ich sehe wohl ein, daß eine große Opposition gegen unseren Antrag besteht; ich habe das schon in den Comiteberathungen gesehen. Es sind eben zwei Rechtsverständige gegen uns gewesen und auch andere haben sich gegen unsere Ansicht ausgesprochen. Ich würde daher den Herrn Landeshauptmann bitten, der Majorität des Comites zu gestatte», einen Augenblick abzutreten, um sich zu berathen, ob wir nicht diesem Antrage eine andere Fassung geben könnten. Landeshauptmann: Ich kann dem nicht entgegentreten und bitte die Comitemitglieder sich zurück zu ziehen (Die Comitemitglieder entfernen sich ans 10 Minuten ins Nebenzimmer.) Ich nehme die Sitzung wieder auf. Herr Ganahl hat das Wort. Karl Ganahl: Wir wissen, daß der Tiroler Landtag den § 4 des L.-V.-G. (Landeshauptmann ihn unterbrechend: Ich bitte, dieß gehört nicht hieher, wir sind jetzt bei der Berathung des § 1), welcher bestimmt, daß die Landesschützen auch außer Land verwendet werden können, nicht angenommen hat. Diese Nichtannahme hat jedenfalls zur Folge, daß der Gesetzentwurf noch lange keine Gesetzeskraft erlangt. Dieses veranlaßte die Mehrheit des Comites, dem h. Landtag den Antrag zu unterbreiten, nämlich den früheren dahin abzuändern, daß es heiße: „Es sei die Berathung und Beschlußfassung über den Landsturm zu verschieben, bis dem Landtage eine Regierungsvorlage über die Einrichtung desselben vorgelegt sein werde." Es ist überhaupt schwer über einen Gesetzentwurf zu beschließen, welchen man gar nicht kennt. In dem Gesetzentwurf heißt es: „Die Bestimmungen über die Einrichtung des Landsturmes haben im Wege der „Landesgesetzgebung zu erfolgen." Also so lange man nicht weiß, was das für Bestimmungen und wie die Einrichtungen sind, so kann man auch füglich nicht darüber abstimmen. Ich erlaube mir daher, den h. Landtag zu bitten, diesen abgeänderten Antrag der Majorität des Comites anzunehmen. Regierungsvertreter: Gegen diesen Vertagungsantrag muß ich im Namen der Regierung entschieden Verwahrung einlegen. Der Regierung liegt sehr daran, daß das Gesetz sobald als möglich zu Stande komme. O. L. G. R. Hämmerle: Ich bitte ums Wort. Ich habe bereits in einer früheren Ansprache erwähnt, daß mir ein Entwurf eines Gesetzes für die Organisirung und Verwendung des Landsturmes bekannt geworden ist. Diesen Entwurf habe ich aus den Händen des Hr. Regierungsvertreters erhalten und es hat der Hr. Regierungsvertreter bei dieser Gelegenheit auch mir gegenüber die Äußerung gemacht, daß die Regierung gar nichts dagegen einzuwenden habe, wenn dieser Entwurf in der heurigen Landtagssession von einem Mitglieds des Landtage» oder vom Landtage selbst als Antrag eingebracht werde. Ich habe mich auch auf einige Bestimmungen dieses Entwurfes bereits in meiner früheren Ansprache bezogen, um dem Hr. Ganahl die Bedenken zu beheben, die ich ohne weiteres begründet fände, wenn man gar keine Ahnung davon hätte, was für Verpflichtungen durch ein Landsturmgesetz uns auferlegt werden sollen; nun aber ist der besprochene Entwurf höchst: 360 günstig. Ich erkläre, daß ich wenn möglich, mir morgen die Freiheit nehmen würde, diesen Entwurf der Landesvertheidigungsoberbehörde als neuen Antrag einzubringen. Dann werden die Herren Gelegenheit haben, wenn sie wünschen, vor der Beschlußfassung sich über den Landsturm-Entwurf zu informiren und allenfalls demnach ihre Stimmen abgeben zu können. Gsteu: Ich habe noch auf eine frühere Bemerkung des geehrten Hr. Vorredners etwas zu erwiedern. Er hat gemeint, der Landsturm sei nicht zu viel, es sei dadurch keine große Verpflichtung auf sich genommen. Er komme allenfalls in 40 Jahren etwa einmal zur Anwendung. Er hat uns auf der andern Seite selbst gesagt, daß er den Gesetzentwurf über den Landsturm vor sich liegen habe, daß nämlich die Landsturmpflicht vom 32. bis 45. Lebensjahre zu dauern habe — das macht also 13 Jahre. Er hat auch gesagt von 18 bis 20 Jahren, das macht 2 Jahre; also hätten wir jedenfalls 15 Jahre mehr Wehrdienste zu leisten als jede andere Provinz. Ich meine, das sei auch eine Last, 15 Jahre noch länger die Gefahr auf sich zu haben, in den Krieg ziehen zu müßen. Was das anbelangt, daß die Gefahr etwa in 40 Jahren nur Einmal vorkomme, meine ich, kann uns Herr Hämmerle nicht verbürgen. Wir sind nicht versichert, ob nicht bei den in ganz Europa so gespannten Verhältnissen das nächste Jahr schon der Landsturm aufgeboten werden wird. In einer anderen Bemerkung hat er gesagt, daß der Vorsteher nach dem Entwurfe das Recht habe, die nothwendigen Leute zu Hause zu behalten. Ja, wenn uns der Hr. Oberlandesgerichtsrath das versichern könnte, dann würden wir ohne weiteres in den Landsturm einwilligen; dann würde jeder Vorsteher sagen: ihr seid zu Hause nothwendig, ihr bleibt zu Hause. Das kann uni aber Hr. Hämmerle nicht versichern und das kann auch meines Erachtens nicht im Gesetze stehen. O. L. G. R. Hämmerle: (unterbrechend) Nun ich werde morgen die Herren davon überzeugen. Es ist schwarz auf weiß zu lesen. Ich würde el nicht gesagt haben, wenn ich es nicht selbst gelesen hätte. Mir ist es selbst so weit gehend vorgekommen, daß ich meinerseits nicht begreifen konnte, wie in diesem Entwurf eine solche Bestimmung ausgenommen werden konnte. Landeshauptmann: Ich halte Ihnen das Wort nicht ertheilt; ich bitte den Hr. Gsteu aussprechen zu lassen, damit keine Beirrung hier eintrete. Gsteu: Ich glaube, wenn wir mit der Mannschaft, die wir statt zu den Jägern in die Landwehr stellen, die Mannschaft, welche das jetzige Wehrgesetz fordert, in voller Zahl oder noch mehr stellen so werden wir, soviel ich bis jetzt berechnet habe, mit der Stellung der gesammten wehrpflichtigen Mannschaft in die Landwehr nicht nur das leisten, was die anderen Provinzen, sondern noch mehr — wenn wir, wie gesagt die Zahl der Wehrmänner nicht nur allgemein voll stellen, sondern noch mehr; so glaube ich, haben wir unsere Wehrpflicht zur Genüge erfüllt. Unsere Landwehrmänner werden im Kriege eben das leisten müßen, was die anderen leisten und sie werden es auch leisten;, wir können sie, meine ich, ganz getrost neben die Liniensoldaten aus Galizien, Bukowina und andern diesen ähnlichen Provinzen hinstellen. Ich kann daher nicht begreifen, wie man uns noch 15 Jahre dazu geben kann. Ich erkenne an die Begünstigung, die die Regierung uns zugewendet hat, daß wir Nämlich einen Theil der im Wehrgesetze ausgesprochenen Pflicht in der Landwehr abdienen können. Diese Begünstigung anerkenne ich und bin dankbar dafür; aber wenn wir noch einen größern Theil 361 neuer Wehrpflicht dazu übernehmen sollen, dann ist es keine Begünstigung mehr, bann ist es die Übernahme einer Mehrlast. Ich must gestehen, es ist eine harte Sache, wenn man so zu sagen zwischen zwei Klötze hineinkommt, wenn man nicht weiß, von welcher Seite man erdrückt wird. Da weiß ich wirklich nicht, wo hinaus. Ich muß nochmals erklären, es liegt der ganze Schwerpunkt in der Frage, in wie weit laufen wir Gefahr, wenn wir den Landsturm nicht annehmen, die uns im Artikel III uns zugewendete Begünstigung zu verlieren. Darin liegt der Schwerpunkt der Frage und die liegt mir so schwer auf dem Herzen, daß ich sie heute nicht zu beantworten weiß. Ich beantrage deßhalb Schluß der Sitzung und di« Debatte morgen fortzusetzen; dann wird vielleicht der Hr. O. L. G. R. Hämmerle uns seinen Landsturm-Gesetzentwurf vorlegen und wir könnten dann allenfalls bester zum Entschlusse kommen. Karl Ganahl: Wenn wir noch längere Zeil hätten, würde ich dem Antrage des Herrn Gsteu beistimmen. Nachdem uns aber gar keine Zeit mehr übrig bleibt — da wir kaum die Zeit haben, die anderen Gegenstände noch zu erledigen — so bin ich gegen den Schluß der Sitzung. Die Vorlage, welche Hr. Hämmerle uns zugesichert hat, würde unsere Ansicht nicht zu ändern vermögen. Es ist dieß keine Regierungsvorlage, man hat uns das nur vorgezeigt — die Regierung hat diesen Entwurf nicht eingebracht. Wenn es eine RegierungsVorlage wäre, so würde der Hr. Regierungsvertreter und nicht Herr O. L. G. R. Hämmerle beauftragt worden sein, diese Vorlage im Namen der Regierung einzubringen. Dr. Thurnherr: Ich beantrage den Schluß der Debatte. Landeshauptmann: Jene Herren, welche Schluß der Debatte anzunehmen gedenken, wollen sich gefälligst erheben. (Angenommen.) Ich bringe nun den Antrag des Hr. Gsteu auf Schluß der Sitzung zur Abstimmung. Jene Herren, welche Schluß der Sitzung wünschen, bitte ich, sich zu erheben. (Abgelehnt). Herr Berichterstatter haben das Wort. Dr. Fetz. Ich habe vorhin bereits erklärt, daß ich der Minorität des Comites angehöre. Im Berichte selbst habe ich den Antrag, den die Minorität stellt, nicht weiter begründet. Es wird mir daher gestattet sein, in kurze» Worten auf denselben zurückzukommen. Die Minorität des Comites beantragt die Paragraphe 1 und L inclusive den Landsturm nach der Regierungsvorlage anzunehmen. Wir haben keinen Augenblick übersehen, daß der Entschluß, diese beiden Paragraphe anzunehmen d. i. den Landsturm zu acceptiren, dem einen oder dem andern schwer fallen wird. Wir haben uns aber eine Frage, von der ich gleich reden werde, vorgelegt und die Herrn muffen sich meines Erachtens dieselbe auch vorlegen. Davon, wie diese Frage beantwortet wird, kann allein das Votum abhängen, das wir in dieser Sache abzugeben haben. Das ist gewiß, wenn wir mit einem Federstrich das Institut des Landsturmes wegdekretiren könnten und wenn ungeachtet besten diejenigen Vortheile gewährt blieben, welche das allgemeine Wehrgesetz Tirol und Vorarlberg gewährt, dann würden wir keinen Anstand nehmen, wir würden die Feder ergreifen und den Landsturm auslöschen. 362 Allein so steht meiner innersten Überzeugung nach die Sache nicht. Der Herr Oberlandesgerichtsrath Hämmerle, der in zwei Reden sich für den Antrag der Minorität erklärt hat, ist von der Ansicht, die er in rechtlicher Beziehung Anfangs über den Inhalt des Wehrgesetzes ausgesprochen hat, späterhin einigermassen abgegangen. Ich glaube, daß dasjenige, was er später sagte, der Wahrheit viel näher kommt, als dasjenige, was er Anfangs ausdrückte. Es ist durchaus nicht so klar aus dem Wehrgesetze zu entnehmen, daß nach demselben Tirol und Vorarlberg für immer und unter allen Umständen die Begünstigung haben sollen, die man ihnen gegenwärtig zuwendet. Ich glaube, daß man aus dem Wehrgesetze ganz gut herausinterpretiren kann, daß diese Begünstigung äußersten Falls diesen beiden Ländern nur dann zustehen wird, wenn das Institut des Landsturmes angenommen oder besser gesagt beinhalten wird. Allerdings handelt Artikel 111 des W. G. von der Wehrpflicht beider Länder im stehenden Heere und in der Landwehr. Dort ist gesagt: „Über die Organisirung und Verwendung der in Tiro! und Vorarlberg in Gemäßheit des gegenwärtigen Gesetzes wehrpflichtigen Mannschaft, welche zur Ergänzung des Jägerregiments nicht benöthigt wird, sowie über die Erfüllung der Wehrpflicht in der Land» „wehr daselbst werden die nähern Bestimmungen im Wege der Landesgesetzgebung erfolgen." Es ist aber im Artikel 111 nicht gesagt, daß der Landsturm, der nach der Landesvertheidigungsordnung besteht, abgeschafft sei. Auch kein späterer Paragraph des Wehrgesetzes erklärt, daß die Landesvertheidigungsordnung, welche den Landsturm für beide Länder als Verpflichtung statuirt, außer Kraft gesetzt werde. Nach juristischer Interpretation würde man also nur dann behaupten können, daß die Landesvertheidigungsordnung nicht mehr besteht, wenn sie mit dem allgemeinen Wehrgesetze im Widerspruch stehen würde und nur insoweit, als sie mit dem Wehrgesetze im Widerspruch steht. Nun wird Niemand sagen können, daß die Landsturmpflicht im Widerspruch stehe mit den Bestimmungen des Wehrgesetzes und wenn man glaubt, daß man das aus dem einen oder andern Paragraph herausinterpretiren könnte, allenfalls aus dem § 5, so wird ein Anderer ausstehen und das Gegentheil heraus interpretiren. Meines Erachtens fleht rechtlich die Sache so. — Die Landesvertheidigungsordnung, insoferne sie die Landsturm Pflicht normal, besteht gegenwärtig fort und wenn wir in das Gesetz aufnehmen würden, daß der Landsturm nicht mehr als Pflicht bestehe, dann würden wir ein neues Gesetz beschließen. Herr Karl Ganahl hat im Namen der Majorität des Comites einen Vertagungsantrag gestellt, er hat diesen Antrag motivirt mit dem Eingänge des dritten Absatzes zu § 2. Ich bedauere, daß er den dritten Absatz des § 2 nicht vollständig gelesen hat; Wenner ihn gelesen hätte, so glaube ich, würde er aus den Vertagungsantrag nicht gekommen sein. Der § 2 im dritten Absatz lautet: „Die Bestimmungen über die Einrichtung des Landsturmes haben im Wege der „Landesgesetzgebung zu erfolgen." Soweit hat Hr. Ganahl gelesen, dann aber folgt: 363 „bis dahin wird der Landsturm nach den Bestimmungen der Landesvertheidigungsordnung „vom 4. Juli 1864 gebildet." Das scheint mir das Wesentliche an der Dache zu sein; man kann nicht sagen, wie Herr Ganahl es gethan, daß wir einer altbekannten Größe gegenüberstehen; man kann dieß selbst dann nicht lagen, wenn uni auch ein neues Landsturmgesetz nicht vorgelegt wird, welche Vorlage ich für meine Person für diese Session gar nicht wünsche. Gegenwärtig besteht die Landesvertheidigungsordnung bezüglich des Landsturmes fort. Das ist eine bestimmte Sache, wir haben kein Phantom uns gegenüber, sondern eine sehr alte uns bekannte Institution. Aus diesem Grunde scheint mir der Vertagungsantrag des Herrn Ganahl nicht anehmbar zu sein. Abgesehen hievon ist er es auch aus demselben Grunde nicht, aus welchem der frühere Antrag der Majorität nicht annehmbar ist. Der Vertagungsantrag des Herrn Ganahl geht in seinen Consequenzen viel weiter, wie ich wenigstens glaube, als der ursprüngliche Comiteantrag. Der Vertagungsantrag ist eine totale Zurückweisung des Gesetzentwurfes; wie würden der Regierung und der Gesetzgebung des Reiches gegenüber einen viel ungünstigern Standpunkt einnehmen, als wenn wir selbst den ursprünglichen Antrag der Majorität des Comites annehmen würden. Können wir aber diesen Antrag annehmen, können wir es verantworten dem Land gegen» über, wenn erklärt wird, wir wollen den Landsturm nicht? Das können wir nicht thun. Ich bin dem Herrn Oberlandesgerichtsrath Hämmerle sehr dankbar für die statistischen Daten die er geliefert hat und die nicht wiederlegt worden sind. Aus diesen Daten geht mit Bestimmtheit hervor, daß, wenn das Land behandelt wird bezüglich der Wehrpflicht wie gegenwärtig, dieß den andern Ländern gegenüber ein sehr großer Vortheil ist. Das ist meine Ansicht. Der Hr. Abg. Gsteu mag der Ansicht sein, daß es anders ist. Darüber muß man sich klar sein. Auch in dem Landsturm sehe ich das Gespenst einer absoluten Gefahr durchaus nicht, wie andere es darin erblicken. Der Landsturm ist, wie schon gesagt, diesem Lande u. in Tirol keine unbekannte Einrichtung. Der Landsturm ist schon öfter aufgeboten worden, und ich bin der Ansicht, daß er fortan das sein wird, was in anderen vorgeschrittenen Ländern ebenfalls besteht und was man als letztes, als drittes oder viertes Aufgebot bezeichnet, je nach dem zwei, drei oder mehr Aufgebote vorkommen. Ich besorge nicht, daß den Wehrpflichtigen, die im Landstürme dienen werden, der Schutz des Völkerrechtes nicht zu Theil werde. Im Kriege gibt es ja auch Repressalien, und wenn ein Feldherr noch so siegreich ist, er wird nie gewiß sein, daß nicht auch einzelne seiner Leute in die Hände der Gegner fallen und diese muß er vor Repressalien schützen. Sobald ein Gesetz die Wehrpflicht statuirt, wenn man sie auch mit dem Worte Landsturm bezeichnet, wird ein feindlicher Feldherr nicht über das hinausgehen dürfen, was Geboth des Völkerrechtes ist. Es ist Trautenau angezogen worden. Das scheint mir ein sehr unglücklich gewähltes Beispiel zu sein. Dort ist das Schein gewesen, was hier Wirklichkeit ist. Eben weil es dort Schein war, sind jene Unglücksfälle vorgekommen; wenn diejenigen, welche sich dort den Preußen entgegengestellt haben sollen, verpflichtet gewesen wären zum Wiederstande, kraft eines Gesetzes verpflichtet gewesen 364 wären, so hätten nicht Repressalien ausgeübt werden können von Seite der Preußen. Sie sind eben deßhalb ausgeübt worden, weil das Institut des Landsturmes nicht bestanden hat. Man hat damals dem österreichischen Feldherrn, ob mit Recht oder mit Unrecht, vielfach den Vorwurf gemacht, daß er an der Gränze von Böhmen nicht den Landsturm organisirt habe und viele meinen, daß, wenn er es gethan hätte, das Eindringen der Preußen in Böhmen verhindert worden wäre. Herr Carl Ganahl meint, von einer ehrlichen Regierung könne man nicht erwarten, daß sie von dem abgehe, was im Gesetze steht. Ich habe vorhin gesagt, und glücklicherweise stimme ich mit Herrn Oberlandesgerichtsrath Hämmerle hierin überein, mir scheine durchaus nicht klar im Gesetze gesagt zu sein, daß wir den Landsturm nicht behalten müssen, falls wir den viel besprochenen Vortheil bezüglich der Stellung zur Armee und zur Landwehr uns wahren wollen? Gesetzt, es wäre ganz klar; wie erklärt man dann, daß die Regierung in dem uns vorgelegten Gesetzentwürfe die Anerkennung des Landsturmes verlangt, daß die Regierung verlangt, daß der Landsturm fortbestehe. Daraus geht hervor, daß die ehrliche Regierung den Landsturm haben will und was sie zu thun gedenkt, wenn wir ihn ablehnen. Wenn aber auch im Wehrgesetze bestimmt wäre, daß das Land kein größeres Contingent zur Armee zu stellen habe, als gegenwärtig, und wenn die Abänderung des Gesetzes nothwendig wäre, um eine größere Truppenstellung verlangen zu können, — was hindert die Regierung, diese Abänderung des Gesetzes herbeizuführen? etwa der Reichsrath? — Ich glaube nicht, daß, wenn sie im Reichsrathe beantragt würde, sich auch nur Eine Stimme dagegen erheben würde, falls wir zurückweisen, was von uns verlangt wird als Gegenleistung. Wenn wir die Erwiederung zurückweisen, dann können wir uns nicht beklagen, wenn man uns so behandelt wie die Andern. In einer Richtung jedoch, ich wiederhole es, muß man mit sich im Klaren sein. Wenn Sie glauben, daß das Institut des Landsturmes drückender sei, als die gleiche Behandlung bezüglich der Wehrpflicht mit den andern Ländern, dann werden Sie dieses Gesetz zurückweisen; wenn Sie aber wie ich, der Ansicht sind, daß trotz des Landsturmes die Ausnahmsstellung bezüglich der Heeresergänzung eine Begünstigung ist, dann müßen Sie die §§ 1 und t der Regierungsvorlage und damit den Landsturm annehmen. Landeshauptmann: Herr Carl Ganahl haben einen Vertagungsantrag zu § 1 und 2 gestellt? Ich komme nun zur Abstimmung. Ich werde diesen Paragraph getrennt zur Abstimmung vorbringen und bevor ich übergehe zum zweiten Punkt des ersten Paragraphen, den Vertagungsantrag des Herrn Carl Ganahl vorlegen; sollte dieser fallen, würde ich übergehen zum Antrag der Majorität, jedoch getrennt den Zusatz des § 5 des Reichsgesetzes vom 5. Dezember 1868 zur Abstimmung bringen, um dadurch dem Antrage der Minorität gerecht zu werden. Der § 1 lautet und zwar der erste Theil: