18661221_lts008

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Letzte Änderung 02.07.2021, 19:33
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp01,lts1866,lt1866,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag VIII. Sitzung am 21. Dezember 1866 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Sebastian v. Froschauer. — Gegenwärtig 18 Abgeordnete, — Landesfürstlicher Commissär Anton Ritter von Strele. — Abgeordneter Johann M. Schedler beurlaubt. Beginn der Sitzung um 9 1/4 Uhr Vormittags Landeshauptmann: Die Sitzung ist eröffnet. (Sekretär verliest das Protokoll.) Wenn keine Bemerkung erhoben wird, nehme ich das Protokoll als genehmigt an. Der erste Gegenstand der heutigen Verhandlung ist die Dankadresse an Se. Durchlaucht den Fürst Statthalter Carl zu Lobkowitz. Seyffertitz. Dem Landesausschusse wurde von Seite des hohen Landtages der Auftrag ertheilt, an Se. Durchlaucht den zurückgetretenen Statthalter eine Dankadresse für sein Wirken im Lande zu entwerfen und dieselbe dem hohen Hause zur Genehmigung zu unterbreiten. Im Auftrage des Herrn Landeshauptmann habe ich als Mitglied des Landesausschusses diesen Entwurf vollzogen und ich beehre mich hiemit denselben vorzulesen. Euere Durchlaucht! Durch einen, mit der Dauer der gegenwärtig ablaufenden Landtagsperiode beinahe übereinstimmenden Zeitraum haben Eure Durchlaucht die Verwaltung des Landes Vorarlberg — vereint mit jener von Tirol geleitet, und haben sich Hochdieselben nunmehr von den Staatsgeschäften zurückgezogen. Mit vollster innerer Befriedigung dürfen Sie verehrter Fürst! auf diese, wenn auch wenigen Jahre Ihrer Wirksamkeit zurückblicken, Ihre Leutseligkeit, Ihr gerader Sinn, Ihre Gerechtigkeitsliebe, Ihr offenes Herz für alle Anliegen des Volkes haben Ihnen stets das allgemeine Vertrauen zugewendet, die Vermittlung spannender Gegensätze war stets Ihr Bestreben, die Hebung der Forstkultur namentlich ist Ihr dauerndes Werk! Nur mit tiefem Leidwesen sieht daher das Land Euere Durchlaucht von jener einflußreichen Stelle abtreten, welche die Beziehungen desselben zum Zentrum des Reiche? zu vermitteln bestimmt. 80 ist, — nur mit lebhaften Bedauern ruft Ihnen, durchlauchtiger Fürst! die Vertretung dieses Landes im Namen desselben den Scheidegruß zu, indem sie Ihnen Vorarlbergs Dank für Ihr redliches Streben, für Ihr offenes Entgegenkommen, für Ihre segensreichen Bemühungen ausspricht. Hohe Ehren und Auszeichnungen schmücken zwar wohlverdient Ihre Brust, durchlauchtiger Fürst! dennoch dürfte es für Eure Durchlaucht wohlthuend sein, auch des Volkes Anerkennung aus dem Munde seiner Vertreter entgegen zu nehmen, welcher Ausdruck zu geben, dieselben durch diese Adresse beschlossen haben. Mögen Euer Durchlaucht unseres kleinen aber strebsamen Landes auch fortan eingedenk bleiben! Der Landtag des Landes Vorarlberg. (Nach Ablesung dieser Adresse erhob sich die ganze Versammlung zum Zeichen der Zustimmung. Landeshauptmann. Wir kommen nun zu dem Bericht über den Antrag des Abgeordneten Herrn Ganahl in Betreff der Abänderung des §. 11 der Landtagswahlordnung. Herr Berichterstatter Baron Seyffertitz wollen den Vortrag halten. (Seyffertitz verliest den Komitebericht.) Seyffertitz: Ich werde hier eine weitere Ausführung nicht vornehmen, sondern ich bitte mir, im Falle eine Einwendung erhoben werden sollte, als Berichterstatter das Schlußwort. Landesf. Kommissar. Ich erlaube mir Ihnen den Grund anzugeben, warum die hohe Negierung auf den früheren Antrag nicht eingegangen ist, und dieser Grund ist der, daß das Strafgesetzbuch noch nicht abgeschlossen ist. Es sonnte nicht abgeschlossen werden wegen den vielen Änderungen im Justizministerium; vorbereitet ist es. Die Hindernisse, die auf Seite der Regierung der Annahme des früheren Vorschlages entgegenstanden, stehen also auch heute noch entgegen. Landeshauptmann: Wünscht noch Jemand das Wort? Ganahl. Die Hindernisse, welche der Landesf. Kommissär soeben bekannt gegeben hat, ha! auch die Regierung benützt, um unsern Antrag abschlägig zu bescheiden. Allein, wenn wir aus das Zustandekommen der neuen Strafprozeßordnung warten wollten, wird auch die zweite Landtagssession vorübergehen, bis in dieser Beziehung eine Änderung geschieht. Gleich der im Bericht ausgesprochenen Ansicht kann auch ich nicht einsehen, warum hier so rigoros vorgegangen werden soll, nämlich in Beziehung auf den Ausschluß bei den Landtagswahlen gegenüber jenen bei den Gemeindewahlen. Der Landesvertreter hat ja ganz dieselben Pflichten wie der Gemeindevertreter, beide haben nach bestem Wissen und Gewissen für das Volk zu sorgen. Nun ist aber der Unterschied zwischen den Bestimmungen der Landtageswahlordnung und jenen der Gemeindewahlordnung ein sehr wesentlicher Im §. 11 der Landtagswahlordnung heißt es: sub a. Personen, welche eines Verbrechens oder Vergehens, rc. schuldig erkannt sind, sind vom Wahlrechte und der Wählbarkeit vom Landtage ausgeschlossen. Das Wort Vergehen allein kommt aber im Gemeindegesetze bei der Gemeindewahlordnung nicht vor, dort heißt es nur: „Ausgeschlossen sind Personen, welche eines aus Gewinnsucht oder gegen die öffentliche Sittlichkeit begangenen Vergehens schuldig erkannt worden sind." Ein bloßes Vergehen ist sehr leicht begangen. Man kann ein Vergehen begehen und dennoch ein ganz moralischer Mensch bleiben, es kommen z. BFälle vor, wie das schnelle Fahren und Reiten. Wenn Jemand aus Unvorsichtigkeit eine Person überreitet und zufälligerweise der Tod derselben erfolgt, so begeht er ein Vergehen er bliebe aber demungeachtet nach wie vor derselbe moralische Mensch und doch wäre er deshalb ausgeschlossen an der Landesvertretung Theil zu nehmen. Eine Masse solcher Fälle können vorkommen, z. B., wenn ich ein Blumengeschirr ans Fenster stelle 81 es fällt zufällig hinunter auf die Straße und tödtet Jemanden, so habe ich ein Vergehen begangen. Hauptsächlich aber durch die Presse ist gar bald ein Vergehen begangen, denn die ZZ. in Beziehung auf die Preßangelegenheiten sind so dehnbar, daß jeder Staatsanwalt sehr leicht ein Vergehen herausbringt. Ich glaube also aus diesem Grunde dem ho heu Landtag empfehlen zu sollen, meinem Antrage seine Zustimmung zu ertheilen und ich glaube er wird es um so mehr thun, weil er im vorigen Jahre denselben bereits angenommen hat. Rhomberg: Zur Begründung meiner Abstimmung in dieser Frage möchte ich bemerken, daß ich eigentlich auch nicht einsehe, welcher Unterschied in der Qualifikation zwischen dem Abgeordneten zum Landtage und zwischen der gleichwichtigen Stelle eines Gemeindevertreters fortbestehen soll, und ich werde weil mir dieser eben nicht einleuchtet, und in der Gemeinde das Vertrauen und die Tüchtigkeit und Verläßlichkeit des Mannes eben so nöthig ist als im Landtage, diesem Antrage aus Überzeugung zustimmen. Landeshauptmann. Verlangt Niemand mehr das Wort? Seyffertitz. Wenn die Debatte geschlossen ist, so habe ich als Berichterstatter das Wort. Landeshauptmann: Ich werde sie auch schließe» da ich sehe, daß Niemand mehr dasselbe verlangt. Seyffertitz: Ich glaube, daß wir hier vor einer prinzipiellen Entscheidung stehen, und zwar vor einer prinzipiellen Entscheidung, mit der das künftig einmal erscheinende Strafgesetz sehr wenig zu thun hat. Die Gründe, welche gegen den einstimmig gefaßten Antrag des Komites geltend gemacht worden sind, sind Gründe, allein sie kommen mir hier nicht begründet vor, ich unterscheide nemlich Vorwände von Gründen. Es beruft sich die hohe Regierung bei der Nichtsanktionirung des vorjährigen Landtagsbeschlusses auf den Grund, daß das neue Strafgesetz sich in Vorbereitung befinde und daß dieses Strafgesetz diese Bestimmungen regeln werde, und daß man daher zu warten habe, bis dasselbe erschienen sei. Bis dahin bleibt der merkwürdige Unterschied, daß einer eine Mackel haben, und doch Gemeindevertreter werden kann, und daß, wenn er diese Mackel hat, nicht Landtagsabgeordneter werden kann; das bleibt aufrecht. Ich sagte nun früher, dieser Grund scheine mir mehr Vorwand als Grund zu sein, denn merkwürdiger Weise hat die hohe Regierung im Jahre 1862, wo ebenfalls schon im Reichsrathe von Seite des Ministertisches aus mehrmals das Erscheinen des neuen Strafgesetzes betont wurde, dem ungeachtet am 5. März 1862 den Grundzügen für die neuen Gemeindeordnungen als Reichsgesetz ihre Sanktion ertheilt, in welchen Grundzügen wörtlich folgender Passus vorkommt: Artikel IX. „Das Strafgesetz wird die Bestimmungen festfetzen, ob und auf wie lange mit dem „Straferkenntnisse auch der Ausspruch über den Verlust des aktiven und passiven Wahlrechtes zu verbinden sei." „Bis dahin bleiben von dem Wahlrechte ausgeschlossen u. s. f.— Also damals konnte es die Regierung, und ich vermag nicht einzusehen —, warum sie nicht dieselbe Form, auch jetzt hätte wahren können, und sagen können im § 11 z. B.: bis dahin rc. finde ich diese Bestimmung zu erlassen. Allein der wahre Grund dürfte ein anderer sein. Ich muß jedoch vorher noch darauf aufmerksam machen, in welche Inkonvenienzen diese nunmehr sich wiedersprechenden zwei gesetzlichen Bestimmungen führen, nemlich die Bestimmungen des Reichsgesetzes vom 5. März 1862 und die Bestimmungen des noch aufrechten § 11 der Landtagswahlordnung. Wählbar in die Gemeindevertretung ist Jemand der auch ein Vergehen begangen hat, wenn dieses Vergehen nur nicht aus Gewinnsucht oder gegen die öffentliche Sittlichkeit verstößt, das ist der Punkt a des Artikels X. des Gesetzes vom 5. März 1862 welcher lautet: „bis dahin bleiben von dem Wahlrechte ausgeschlossen: a. Personen welche wegen »eines aus Gewinnsucht, oder gegen die öffentliche Sittlichkeit verübten Vergehens, schuldig erkannt worden sind." Wenn nun irgend Jemand einmal in der Gemeindevertretung sich zu befinden dar Glück hat, so kann er auch das Glück haben Gemeindevorsteher, beziehungsweise Bürgermeister zu werden. Nach dem § 11 wie er gegenwärtig lautet, ist ein solcher, ohHsch er^ Bürgermeister der größten Gemeinde des Landes sein kann, nicht bloß in den Landtag nicht Wähler, sondern er darf sogar nicht einmal in den Landtag wählen, den es heißt im § II: „von dem Wahlrechte und der Wählbarkeit zum Landtage sind ausgeschlossen, „Personen welche eines Verbrechens oder Vergehens oder einer aus Gewinnsucht, oder gegen „die öffentliche Sittlichkeit begangenen Übertretung schuldig erkannt worden." Dieser Wiederspruch gränzt wirklich an das komische! Ich habe früher gesagt, der wahre Grund dürfte ein anderer sein; dieser wahre Grund, den hat das gegenwärtige Ministerium nicht erfunden, sondern das war schon damals geltend als der § 11 am 26. Februar 1861 das Licht der Well erblickte. Damals fürchtete man sich gerade, wie man sich heute noch fürchtet vor Leuten, welche sich irgend eines politischen Vergehens schuldig gemacht haben, denn irgend einer Regierung ist es ziemlich gleichgültig, ob Einer wegen eines gewöhnlichen Vergehens verurtheilt wurde, aber nur diejenigen will Sie nicht in einem politischen Vertretungskörper haben, welche wegen eines politischen Vergehens verurtheilt wurden, (Ganahl ganz wahr) ebenso sind die Preßprozesse gefährliche Fußangeln, an denen mancher hängen bleibt. Nun bin ich übrigens der Meinung, ich weiß zwar nicht, ob ich hier auch die Meinung des Komites vertrete, allein von meinem Standpunkte aus muß ich gestehen, daß ich an einem politischen Vergehen keine andern politischen Folgen geknüpft sehen möchte, als au einem gewöhnlichen Vergehen, dann strafbar ist strafbar und soll mit gleichen Folgen belegt werden; allein es hat da noch einen andern Übelstand im Gefolge. Die politischen Vergehen sind heute Vergehen, meine Herren! Morgen sind sie es nicht mehr. Morgen sind vielleicht diese Leute verdienstvolle Männer. (Bravo.) Das öffentliche Leben, namentlich in einem parlamentarisch und konstitutionell gestalteten Staate, enthält Parteien, ohne Parteien gibt es gar kein solches Leben, diese Parteien werden wechseln in ihren Einflüssen, sie werden wechselnd an die Regierung gelangen, wie wir dieses in England durch Jahrhunderte sehen. Nun dann, wenn heute ein Mitglied einer Partei wegen eines politischen Vergehens gestraft wird, und die Partei, seine Partei kommt Morgen an das Staatsruder, dan ist er ja ein verdienstvoller Mann; er hat sich für seine Partei geopfert. Aus diesem Grunde allein wird der § 11 in der Fassung vom 26. Februar hervorgegangen, unhaltbar vom Standpunkte eines wahrhaften Politikers eines jeden constitutionellen Staates. Hiemit habe, glaube ich, so ziemlich den Gegenstand erschöpft. Was für uns den Ausschlag gibt hierin, ist der Wunsch, ja die dringende Nothwendigkeit, die Gemeindewahlordnung mit der Landtagswahlordnung in Übereinstimmung zu bringen, aus Gründen der öffentlichen Moralität. Hätte uns anstatt des Reichsgesetzes »om 5. März 1862, welches die Sanktion der Regierung — ich wiederhole es noch einmal — erhalten hat, hätte uns ein Landesgesetz ein erweitertes Wahlrecht in dieser Beziehung gegeben, so könnte man sagen — gut, wir in, Vorarlberg finden, daß man das Wahlrecht zur Gemeinde in Übereinstimmung bringen müsse mit dem Wahlrechte zum Landtage; nachdem aber die Regierung den § 11 der Landtags Wahlordnung, abzuändern sich weigert, so werden wir die Gemeindewahlordnung diesem § accommodiren müssen. Allein diese Wahlordnung in die Gemeindevertretung basirt sich auf ein Reichsgesetz, welches für uns unantastbar daher stirb wir nicht in der Lage auf anderem Wege zur Übereinstimmung der Landtags- Wahlordnung und der Gemeindewählordnung zu gelangen, als indem wir eben die LandtagswahlOrdnung, welche ein Landesgesetz ist, abändern. Ich glaube, die Gründe sind so überzeugend, daß ich im Namen des Comites weiters nichts mehr vorzubringen brauche. Landeshauptmann: Wir gehen über zur Spezialdebatte, wünscht Jemand das Wort zu ergreifen? Wenn nicht gehe ich zur Abstimmung über. Der Gesetzesantrag lautet: Gesetz wirksam für das Land Vorarlberg, betreffend die Abänderung des § 11 der Landtagswahlordnung. Über Antrag des Landtages Meines Landes Vorarlberg finde Ich zu verordnen wie folgt: „Der §11 der Landtagswahlordnung hat fortan folgendermassen zu lauten: „Vom Wahlrechte und der Wählbarkeit zum Landtage sind jene Personen aus„geschlossen, welche nach den Bestimmungen der §§ 3 und 11 der Gemeindewahlordnung „für Vorarlberg vom 22. April 1864 vom Wahlrechte und der Wählbarkeit in die Gemeindevertretung ausgeschloffen sind." Hat noch Jemand etwas zu bemerken? wenn nicht bitte ich um Abstimmung. (Ist angenommen.) Ich erlaube mir zu beantragen, sogleich die dritte Lesung dieses Gesetzes vorzunehmen. Die Herren, welche damit einverstanden sind, bitte ich um ihre Zustimmung. (Wird angenommen.) Ich erlaube mir nun die Frage, ob Sie gesonnen sind, diesen Gesetzesantrag in dritter Lesung anzunehmen. Ich bitte um Abstimmung. (Angenommen.) Der zweite Gegenstand der Tagesordnung ist der Bericht des Ausschusses über die Eingaben der Gemeinden Nenzing und Hard, Betreff der Maßnahmen zur Verminderung des Bettel- und Vagabundenwesens. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter seinen Vortrag zu halten. (Berichterstatter Wohlwend verliest den Comitebericht Seite 101 und die einschlägige Statt- Halterei-Verordnung vom 22. Juni 1862 Nr. 1820 und den IV. Abschnitt des Heimatsgsetzes vom 3. Dezember 1863. __ Wohlwend. Es sind später noch mehrere Verordnungen erlassen worden, ich glaube sie nicht zur Verlesung bringen zu sollen, weil dieß zu weil führen würde und der bezügliche Antrag auf alle Verordnungen hinweist. Der Antrag des Ausschusses lautet: „Es sei die Statthaltereiverordnung vom 28. November 1865 Nr. 2508, „welche nur für Tirol erlassen wurde, auch an die k. k. Bezirksämter und das Polizei- „Commissariat in Vorarlberg zu erlassen." Landeshauptmann: Ich eröffne hierüber die allgemeine Debatte. Dr Jussel. Ich glaube auf eine Bettelei aufmerksam machen zu sollen, die wohl nur ein Mißbrauch ist; das sind die sogenannten Brandbetteleien. Es ziehen solche Leute, die durch Brand ihr Haus eingebüßt oder überhaupt Schaden gelitten haben durch das ganze Land, ja sie begeben sich sogar in andere Länder. Es sind schon öfters Leute von Tirol auch hieher gekommen, sie haben gewöhnlich Zeugnisse, förmliche Bettelpasse. Es sind vielfältig in dieser Weise auch Betrügereien vorgekommen; Leute, die nicht abgebrannt waren, oder Leute die einen Schaden schon vor Jahrzehnten erlitten haben, sind unter dem Schutze unklarer Fassung dieser Zeugnisse herumgezogen und haben das Publikum mit ihren Anforderungen belästiget. Ich glaube derlei Betteleien sind gar nicht am Platze. So verlassen sich die Leute vielfältig auf diesen Bettel und lassen die Anstalten, die zur Hintanhaltung des Schadens bestehen, nemlich die vielen Assekuranzen, unbenützt. Es sind aber auch überdieß Sammlungen, öffentliche Sammlungen, die von der Staatsregierung bewilliget werden in solchen Fällen in Übung, und werden je nach der Größe des Brandes und Schadens auch für einen größeren Umfang bewilliget. Zudem, wenn eine Person durch Brand in Unglück kam, so ist die Heimatgemeinde und so sind die Nachbargemeinden immer werkthätig zu Hilfe geeilt. Ein solcher Mensch, der herumzieht um Sammlungen derart von Haus zu Haus zu machen, verzehrt viel Geld, braucht viel Zeit und vernachläßigt die Arbeit und deßhalb meine ich, daß gegen derartige Betteleien eine Maßregel am Platze wäre und ich würde in dieser Beziehung den Antrag stellen, deß die Gmeindevorstehungen von den Ausstellungen von derlei Bettelbewilligungen abgehalten werden sollen. Landeshauptmann. Ich bitte um die Formulirung dieses Antrages, damit ich ihn in der Spezialdebatte in Anregung bringen kann. Wünscht Jemand in der Generaldebatte noch das Wort zu nehmen? — 84 Seyffertitz. Der vorliegende Comitebericht enthält eine vollkommen richtige Thatsache oder vielmehr, er gibt derselben Ausdruck und das ist das, daß über diese öffentliche Klage sehr viele schöne und zweckentsprechende Gesetze und Verordnungen bestehen, seit lange schon bestehen, seit neuerer Zeit bestehen, und daß sie nicht gehandhabt werden. Würden diese Verordnungen und Gesetze von den Organen, die mit deren Handhabung betraut sind, gehandhabt werden, — so bemerkt der Bericht — so würden wir kein Bettelunwesen haben. Das ist gewiß ganz richtig. Würde das Nichtsein, so würden wir uns heute mit dieser höchst interessanten Frage nicht zu beschäftigen haben. Nun schlägt der Comitebericht, um eine Abhilfe für die bestehenden Übelstände zu schaffen auch Auskunftsmittel und Maßregeln vor. Diese Maßregeln sind aber eben wieder Gesetze und Verordnungen, wenn diese auch wieder nicht gehandhabt werden, so würden wir morgen dastehen wo wir heute stehen. Es ist zwar allerdings zweckmäßig, daß irgend etwas geschehe und wenn etwas geschehen soll, so muß eine Verordnung erlassen werden und die Sache wird dann gut sein. Allein vorzüglich und hauptsächlich wäre das zu empfehlen, daß die schon bestehenden Verordnungen von den Organen gehandhabt werden, wie auch der Bericht beantragt. Ich glaube nun, daß auf dieses das Hauptgewicht zu legen wäre und in dieser Beziehung sind nur die l- f. Regierungsorgane und Exekutivorgane der öffentlichen Gesellschaft und nicht die gesetzgebenden Organe nämlich den Landtag berufen. Der Landtag kann zwar Vorschläge und Anträge erheben, ausführen kann er weder aus sich selbst etwas noch dessen Organ der Landesausschuß. Wenn auch der Landesausschuß z. B. eine gewisse Instanz bildet für Gemeinde Angelegenheiten, so bildet er doch keine überwachende Instanz in diesen Dingen über die Gemeinden und es ist das ganz vollkommen unrichtig und unbegründet, was man von so mancher Seite dem Landesausschusse vorgeworfen hat, daß er nichts thue, um diesen Übelständen zu steuern. Ich glaube daher, obwohl ich mit diesen Anträgen im Ganzen genommen einverstanden bin, in der Generaldebatte darauf hinweisen zu sollen, ohne einen besondern Antrag zu erheben, daß man das Hauptgewicht darauf legen müße, die Exekutivorgane der staatlichen Gesellschaft zu ersuchen, in dieser Beziehung mit aller Strenge vorzugehen. Die besonderen Bemerkungen werde ich mir für die Spezialdebatte Vorbehalten. Landeshauptmann Wenn keiner der Herren sich in der Generaldebatte mehr melden sollte werde ich sie als geschlossen erklären, und ertheile dem Herrn Berichterstatter noch das Wort. Wohlwend: Herr Dr. Jussel machte noch auf eine Art Bettelei aufmerksam nemlich auf den mit sogenannten Brandbriefen. Diese auch ist dem Ausschuß nicht entgegen, indeß glaubte er auch diesem Übelstand dadurch schon gesteuert zu haben, daß er aus alle bestehenden Gesetze und Verordnungen und zur Handhabung derselben von Seite der Behörden hinweist. Es bestehen auch dies Bezugs verschiedene Verordnungen und wenn ich nicht irre aus den 20ger Jahren, welche genau bestimmen wer solche Zeugnisse ausstellen dürfe. Es steht dies nur den Bezirksämtern zu, während es den Vorstehern und Pfarrherren verboten ist solche auszustellen. Deßwegen ist der allgemeine Satz wohl in Berücksichtigung zu ziehen, daß die bestehenden Verordnungen auch ausgeübt werden sollen. Die Anträge welche der Ausschuß gestellt hat, sind Verbesserungen der bestehenden Vorordnungen, daher glaube ich, daß der Ausschuß nicht abgeneigt sein dürfte, wenn neue Anträge gestellt werden (in soweit sie weitere Verbesserungen solcher bestehenden Verordnungen enthalten, selbe anzunehmen, und ich werde solche auch befürworten, glaube aber, daß in dieser Beziehung kaum etwas Neues gesagt werden wird. Landeshauptmann. Ich glaube dem Herrn Antragsteller ist hier der Fall vor Augen gestanden, daß erst vor Kurzem, vor wenigen Tagen hier in Bregenz solche Abbrändler die bei keiner Feuerversicherungsgesellschaft eingeschrieben waren, herumgezogen sind und zwar in Folge — 85 — einer Bewilligung der k. k. Statthalterei. Das mag der Fall gewesen sein, warum der Antragsteller Veranlassung fand, diesen Antrag vorzubringen. Es ist ganz richtig, wie Herr Wohlwend bemerkte, daß die Gemeinden aus sich solche nicht erlassen sollten, nemlich solche Belege zum Herumziehen, allein den Staatsbehörden ist es bisher immer vorbehalten gewesen; einzelnen zu gestatten, Sammlungen von Haus zu Haus anzustellen. Ich wollte dieses nur zu diesem Zusatzantrag bemerken. — Wir gehen nun über zur Spezialdebatte. Der Komitebericht zerfällt im Allgemeinen in vier Abtheilungen. Die erste Abtheilung lautet: Es sei die Statthalterei-Verordnung vom 28. November 1865 p. 2508, welche nur für Tirol erlassen wurde, auch an die k. k. Bezirksämter und das Polizeikommissariat in Vorarlberg zu erlassen. Ich eröffne die Debatte hierüber. Ganahl: In dieser Verordnung §. 5 kommt vor „körperliche Züchtigung, " dieser Ausdruck, wenn ich ihn lese, reifst mir durch alle Glieder. Ich kann mich erinnern aus meiner Jugend, wie die damaligen Landrichter mit dieser körperlichen Züchtigung gleich bei der Hand waren, wie sie den nächst Besten oft wegen Kleinigkeiten auf die Bank legen ließen. Meine Herren! Dieser Ausdruck körperliche Züchtigung soll überhaupt in einem konstitutionellen Staate aus jedem Gesetz, aus jeder Verordnung verschwinden. Aus dem Grunde also stelle ich den Antrag, daß mit Ausnahme dieser zwei Worte körperliche Züchtigung die Verordnung für Tirol auch für Vorarlberg einzuführen sei. Seyffertitz: Ich entnehme den Motivirungen, welche diesem ersten Anträge des Komitederichtes beigegeben sind, mit vielem Vergnügen, daß das Comite auch wieder einer Thatsache Ausdruck gegeben hat, nämlich, daß das Dörcher und Karrenzieherwesen in Vorarlberg nicht besteht. Nun schlägt zwar das Komite gerade jene Verordnung auch in Vorarlberg zur Geltung zu bringen vor, welche speziell gegen das Dörcher und Karrenzieherwesen in Tirol, wenn ich mich nicht täusche von Stelle des Tiroler Landtages provocirt worden ist. Ich sage ich finde eine Befriedigung darin, daß das Komite diese Thatsache konstatirt und zwar zur Ehre des Landes und seiner arbeitsamen Bevölkerung. Das Dörcher und Karrenzieherwesen ist offenbar, wie so manches Andere, eine besondere tirolerische Spezialität. (Heiterkeit.) so ein gewisses Tiroler-Vorrecht, und wir besitzen eingeborne Dörcher und Karrenzieher nicht. Dagegen können wir uns derselben nicht erwehren, wenn sie mit ihrem Karren und deren ganzen Einrichtung und Einwohnerschaft über den Arlberg zu uns herüber kommen, denn das Einzig Mögliche, was hier helfen könnte, wäre, daß man auf Landesunkosten eine Scharwache auf der Höhe des Arlberges aufstellen würde um alle zurückzuweisen, das wird aber wohl nicht angehen. Ich unterlasse es jenen Umständen und Ursachen näher nachzuspüren, welche das kleine Land Vorarlberg bis jetzt glücklicherweise von der Erzeugung dieser Art Menschen bewahrt hat. Ich glaube aber und gebe dadurch meiner persönlichen Überzeugung Ausdruck, daß das wohl davon herkommt, weil man im Lande Vorarlberg zu arbeiten gewohnt ist, und weil man im Lande Vorarlberg dasjenige besitzt, was von mancher Seite in Tirol so sehr an den Pranger gestellt wird nämlich die Industrie und es fragt sich, ob die moralische und materielle Beschaffenheit der tirolischen Karrenzieher, wie wir sie im Lande Vorarlberg an uns vorüberziehen sehen und wir ihnen sehr viel Almosen zuwerfen, ob die moralische und materielle Eigenschschaft nicht oft unter der eines jeden vorarlbergischen Fabriksarbeiters steht. 86 — Obwohl ich nun ganz damit einverstanden bin, daß diese Verordnung auch auf Vorarlberg ausgedehnt werde, um eben als eine Art Prohibitivsystem gegen diese Tiroler Karrenzieher zu wirken, so scheint sie mir doch viele Bestimmungen zu enthalten, welche für uns überflüssig sind; denn der Entstehung dieses Tiroler Karrenzieherwesens können wir Vorarlberger nicht entgegen wirken und dennoch sind Bestimmungen in dieser Verordnung, welche nur bestimmt sind, dem Entstehen dieses Umwesens entgegen zu wirken. Wenn ich mir noch ein Wort hinzu zu fügen erlauben darf, so muß ich eigentlich gestehen, daß bei der Eintheilung in die verschiedenen Sorten von Bettlern, welche in Vorarlberg vorkommen, in diesen drei verschiedenen Kategorien, nämlich: Angehörige einer vorarlbergischen Gemeinde, dann solche, welche in andern österreichischen Königreichen und Ländern heimatberechtigt sind und Ausländer, ein großer Unterschied obwaltet. Daß vorarlbergische Angehörige sehr vielfach im Lande herum betteln, ist mir nicht bekannt, wenigstens hier ist mit Ausnahme von ein paar umliegenden Gemeinden, welche in dieser Beziehung vielleicht weniger Ordnung als andere halten, keine Klage. Dagegen die größte Plage sind eben die Ausländer; eine große auch jene, welche den übrigen österreichischen Königreichen und Ländern angehören. Die Fremden sind in dieser Beziehung viel lästiger als die einheimischen Vorarlberger. In der Beziehung werde ich mir erlauben, beim Punkt 4, welcher von den Ausländern spricht, wieder zurück zu kommen. Im Ganzen genommen glaube ich, sollte das Comite sich herbeilassen, jene Punkte aus dieser Statthaltereiverordnung vom 28. November 1865 wegzulassen, welcher eigentlich das Entstehen dieses Dörcher- und Karrenzieherwesens im Auge hat. Man sollte sich mit jenem Punkte begnügen, welcher auf das Herumziehen dieser Leute Bezug nimmt. Ich behaupte endlich, eigentlich gehört diese Verordnung unter Punkt 3 der allgemeinen Eintheilung und nicht unter Punkt 2 derselben, welche von vorarlbergischen Armen oder Bettler spricht. Landeshauptmann. Zum Punkt 1 wäre nun der Antrag des Herrn Dr. Jussel einzuschalten der dahin geht: „Der hohe Landtag wolle beschließen, es werde den Gemeindevorstehungen „die Ausstellung von Zeugnissen oder Bewilligungen zu Sammlungen an Brandbeschädigte untersagt und es sei das k. k. Statthalterei-Präsidium zu ersuchen, die Ausstellung derartiger Bewilligungen auch bei den k. k. Bezirksämtern abzustellen. Wünscht noch Jemand das Wort zu nehmen. 8eyffertitz. Ich erkläre mich mit diesem Antrage im Prinzipe einverstanden, und erkenne ebenfalls, daß eigentlich der Komitebericht in dieser Beziehung eine Lücke enthalte, welche ausgefüllt werden muß, allein ich halte ihn noch nicht für vollständig genug, er heißt nämlich: der hohe Landtag wolle beschließen: (Verließt den Antrag des Dr. Jussel.) Ich sage in einer Beziehung ist er mir nicht vollständig genug, und in einer Beziehung möchte ich sagen, geht er zu weit. Er geht zu weit, indem das Ansinnen an das hohe Statthaltereipräsidium, die Ausstellung derartiger Bettelpässe, oder wie soll ich sagen, Bewilligungen zu Sammlungen bei den Bezirksämtern gänzlich abzustellen eigentlich unthunlich sein wird, denn so viel mir wenigstens aus meiner Praxis erinnerlich ist, bestehen in dieser Beziehung bereits Verordnungen. Diese Verordnungen lauten dahin, daß die ehemaligen Landgerichte innerhalb ihrer Bezirke insbesondere in rücksichtswürdigen Fällen solche Sammlungsbewilligungen ertheilen konnten, wenn man eine solche Sammlung auf weitere Bezirke, auf Kreise oder ganze Laude ausdehnen wollte, war hiezu eine Gubernialbewilligung erforderlich. Der Antrag ist mir aber in einer Beziehung zu enge, und zwar, weil ich finde und aus eigener Erfahrung weiß, daß nicht bloß Gemeindevorstehungen Ausstellungen von solchen Zeugnissen wozu sie gar nie befügt sind, sich erlaubten, sondern auch noch Jemand anderer: das sind außer den Vorstehungen, die Seelsorger, die Pfarrer. Viele solche sind mir durch die Hände gegangen, und nicht bloß Brandbettelbriefe, die am allerwenigsten, wohl aber wegen Gebrechen, wegen erlittenem Schaden am Körper, wegen der Unmöglichkeit Medikamentenrechnungen zu bezahlen, u. s. w. Mit diesen wohlgemeinten, ich meine nemlich gewiß in guter Absicht geschehenen Bewilligungen, — 87 Bestätigungen, oder Zeugnissen, worin die Inhaber insbesondere der Wohlthätigkeit, der christlichen Milde empfohlen werden, durchziehen diese Leute das ganze Land. Ich glaube nur, dieser offenbare Übelstand sollte in diesem Antrag noch berührt werden, und ich erlaube mir daher den Herrn Antragsteller zu ersuchen in dieser Beziehung noch einen Zusatzantrag machen zu wollen. Dr. Jussel, Was die Ausführung des Herrn Baron Seyffertitz in Betreff dessen anbelangt, als ob mein Antrag 511 weit gehe, kann ich mich seiner Meinung nicht anschliessen. Ich habe bei Stellung des Antrages durchaus nicht vermeint einem Verunglückten durch Brand den Weg absperren zu wollen, an die Mildthätigkeit zu appelliren um sich seines Schadens erholen zu können. Ich weiß Bezirksämter haben auch das Recht Sammlungen in ihren Bezirken zu bewilligen, ich möchte nur das Betteln von Haus zu Haus, womit Zeitverlust verbunden ist, womit Kosten verbunden sind, wodurch die Leute belästiget sind, dieses möchte ich abstellen. Die Sammlungen wären dann öffentlich entweder von Vertretern der Gemeinde oder unter Mitwirkung der Herrn Seelsorger eingeleitet und durchgeführt, deßwegen glaube ich in dieser Beziehung beim Anträge stehen bleiben zu sollen. Was den zweiten Theil anbelangt so bin ich mit dem Antrage des Herrn Baron Seyffertitz einverstanden. Schwärzler: Ich erlaube mir noch im Namen des Comites zu bemerken, daß eben durch die citirten Verordnungen und Gesetze für alle diese Eventualitäten schon vorgebeugt ist. Wenn nun die Gemeindevorsteher oder der Ortsgeistliche ein solches Zeugniß ausstellt, so ist das eben eine ungesetzliche Handlung und der können wir nicht anders vorbeugen, als dag man das Gesetz republizirt. Ein neues Gesetz zu schaffen ist nicht nöthig man sorge nur, daß die bestehenden in Anwendung kommen. Man kann den Gemeindevorstehungen und Ortsgeistlichen die bestehenden Gesetze dadurch ins Gedächtniß rufen, daß man sie republizirt — dann wird dieser Unfug unterbleiben. Rhomberg. Mit diesen so genannten Abbrändlern die — wie ich zugebe, ganz unberechtigte Zeugnisse — in die Gemeinden bringen, ist es in der Praxis so geübt, daß sie zuerst zu den Gemeindevorstehungen kommen und um die Bewilligung zum Antritt ihrer Sammlung nachsuchen. Infoferne haben also die jeweiligen Gemeindevorstehungen vollkommen die Mittel in der Hand, solche Abbrändler abzuweisen, vorausgesetzt, daß sie ungesetzliche Attestate mit sich führen und so glaube ich, daß man sich füglich aus die diesbezugs schon bestehenden Gesetze, ohne neue Zusätze zu wache«, beschränken könne. tjanahl: Ich glaube, der Herr Vorredner ist dießfalls im Irrthum, denn wenn auch der Gemeindevorsteher dem Abbrändler ein Certifikat nicht ausstellen will, so stellt es ihm das Bezirksamt aus und wenn ihm das Bezirksamt ein solches ausstellt, so hat er das Recht zu sammeln und der Gemeindevorsteher hat nichts dagegen einzuwenden; es müßte denn in Dornbirn ganz anders fein, wo der Gemeindevorsteher vielleicht mehr Geltung hat als in anderen Gemeinden. In Feldkirch weiß ich auf das bestimmteste, daß, wenn der Bezirksvorsteher einem Abbrändler ein Zeugniß zum Sammeln im Bezirk ausstellt, der Gemeindevorsteher dagegen nichts zu sagen hat und so glaube ich, der Antrag des Herrn Dr. Jussel sei wohl einer Berücksichtigung werth. Rhomberg. Ich sehe, es waltet hier ein Mißverständniß ob. Wenn ich gesagt habe, daß die Gemeindevorstehungen die Mittel in der Hand haben, solchen von Auswärts kommenden illegale Zeugniße vorweisenden Abbrändlern die Sammlung in der Gemeinde zu verwehren, so ist das weil sich solche jedesmal bei der Vorstehung um die Bewilligung zur Sammlung vorstellen müßen, wobei sie bei nicht nachgewiesener Würdigkeit abgewiesen werden können, und wirklich auch abgewiesen werden. Ganahl. Ich möchte wißen, in was das Mittel zur Abweisung bestehe. In Dornbirn muß man ausnahmsweise ganz andere Mittel haben, als in den andern Gemeinden Vorarlbergs! Bei uns hat man so viel ich weiß das Mittel nicht, solche Abbrändler abzuweisen, wenn ihnen das Bezirksamt die Bewilligung ertheilt, zu betteln mittelst Certifikats. Landesf. Kommissär. Ich glaube daß in solchen Fällen die politische Obrigkeit doch nie etwas bewilliget, ohne die betreffende Gemeinde zu fragen; das wäre offenbar eigenmächtig ohne 88 — Gleichen; es würde sich das Bezirksamt über die bestehenden Vorschriften hinaus und damit einer Verantwortung aussetzen; denn die Verordnung lautet: „daß in Bezirken über gehörige Erhebungen und Einvernehmen mit der Gemeinde das Bezirksamt ermächtigt ist, solche Sammlungen zu bewilligen, von Haus zu Haus aber nur in äußerst seltenen Fällen. Bei einer Ausdehnung auf mehrere Bezirke war früher die Bewilligung des Kreisamtes nothwendig"; über mehrere Kreise hinaus, war die Bewilligung von der Statthaltern abhängig. Erstreckte sie sich auf mehrere Kronländer, so mußte man beim Staatsministerium einkommen. Keine dieser Behörden, welche die Bewilligung zu ertheilen hat, wird sie ertheilen, ohne die Informirung einzuholen. Das ist mein Erklären über den Umstand, welcher obwaltet. Hochw. Bischof. Ich glaube auch, daß die bisher schon gegebenen Gesetze in dieser Beziehung hinreichend sind, aber mir fällt auf, daß Abbrändlern, welche die Bewilligung haben, durchaus sollte das Sammeln bei einzelnen Personen oder in eigener Person verweigert werden. Ich weiß gar gut was solche allgemeine Sammlungen wirken. Es werden so oft Sammlungen ausgeschrieben für Abbrändler aus entfernten Gegenden; man begnügt sich gewöhnlich damit, am Sonntage das Unglück zu verkünden und dann am nächsten Sonntage eine Opfersammlung in der Kirche vorzunehmen. Ich weiß, was solche Sammlungen ertragen. Es kommen nicht alle diejenigen deren Herz zur Mildthätigkeit geregt ist zu diesem Gottesdienste in diese Kirche. Die Versammlung die hier erscheint, ist in ihrer Mehrzahl nicht von den Wohlhabenden, und es ist kein solcher Eindruck, der sie zu größerer Mildthätigkeit bestimmt, was doch geschieht, wenn ich den armen Elenden vor mir sehe, und aus seiner Erzählung, die auf Wahrheit sich gründet und durch ein Zeugniß bestätiget ist, sein wirklich bedauerliches Elend wahrnehme. Somit kommt es mir zu hart vor; im Allgemeinen diesen die persönliche Sammlung zu verbiethen oder zu fordern, daß die Sammlung durch Gemeindeglieder in Vereinigung mit der Seelsorge geschehe. Wenn man große Erfolge bewirken will, geschieht das Letztere, und ist bisher immer mit sehr gutem Erfolge angewendet worden. Aber für Einzelne oder sehr Wenige pflegt man zu diesem Mittel nicht die Zuflucht zu nehmen, und darum möchte ich bevorworten, daß im Allgemeinen die persönlichen Sammlungen denjenigen, welche eine gesetzliche Erlaubniß dafür erhalten haben, nicht verwehrt werde. Weiters bin ich selbst überzeugt, daß sowohl die Vorstehungen als auch die k. k. Bezirksbehörden und die Seelsorger sich an die bisher bestehenden Gesetze in Bezug aus die Ausstellung von Zeugnissen zu halten haben. Ich kann nur einen Fall in dieser Beziehung ausnehmen, der wirklich schon öfters vorgekommen ist. Es weiß ein Armer eine sehr mildthätige Hand, und hofft von dieser eine bedeutende Unterstützung. Weil aber diese mildthätige Hand nicht einem Unwürdigen geben will, auch nicht durch falsche Berichte will hintergangen werden, so verlangt diese Person ein Zeugniß der Sicherheit. Wenn nun der Seelsorger ein Brieflein, also ein Zeugniß oder vielmehr einen Bericht nur für diese wohlthätige Person giltig ausstellt nm sie zum Mitleid und zur Wohlthätigkeit zu bewegen, so kann das nach meiner Ansicht durchaus nicht verhindert werden. Da ist es auch schon geschehen, daß dann so ausgestellte Versicherungen von dem Empfangenden wieder dem Empfohlenen zurückgegeben worden sind, der dann auch an einem oder dem anderen Orte noch anklopft um durch die Bestätigung eine Wohlthat zu erlangen. Ich kann dieß nicht mißbilligen, Arme werden wir immer bei uns haben, durch alle möglichen Vorschriften wird die Armuth vor unsern Augen niemals entfernt werden können. Es ist dies das Schicksal der Welt und ich muß ferner sagen, wie man eä auch anderswo in den allgem. Armenversorgungsanstalten erfahren hat, der mit der Wohlthat Beschenkte weiß nicht mehr und kennt nicht mehr die Pflicht seiner Dankbarkeit und der die Wohlthat Gebende hat nicht jenes Gefühl in sich das ihn beruhigt, wenn er weiß, dieser Person habe ich in ihrer Noth geholfen. Dieses Gefühl der Dankbarkeit soll aus der menschlichen Gesellschaft nicht hinausgestoßen werden, es ist das Gefühl, welches die heilige Liebe unter den Menschen verbindet. — 89 Dr. Jussel, Ich glaube durchaus nicht hart fein zu wollen gegen den Nebenmenschen, es ist mir auch zuwider, und ich habe mit meinem Anträge durchaus nichts beabsichtiget was der Mildthätigkeit der Menschen Schranken setzen sollte. Es ist leider eine Thatsache in der Welt, daß die wahre Armuth, die stille die schweigende weniger bekannt, und daß dafür andere Personen es bekomen, die das Betteln sich zur Gewohnheit, möchte ich sagen, machen. (Bravo. Ich glaube es ist mildthätiger wenn man vielmehr durch Belehrung dahin zu wirkt, daß das Volk von den wohlthätigen Institutionen der Assekurranzen gegen Unglücksfälle Gebrauch macht. Was die Sammlungen anbelangt, das Herumgehen von Haus zu Haus, von Dorf zu Dorf, das führt die Menschen eben dahin, daß sie allmählig sich das Betteln zur Gewohnheit machen. Sie bekommen eine gewisse Frechheit. Ich habe aber gesehen und namentlich in Feldkirch wo ich Augenzeuge war, da geht ein Magistratsmitglied und Jemand von der Seelsorge oder Pfarrei mit und da sind bedeutende Sammlungen zu Stande gekommen. Ich glaube es ist dies viel besser für den Beschädigten, es ist das Betteln nicht jedem gegeben. Wenn er von Haus zu Haus selbst gehen müßte, und den Bettler machen, das greift den verschämten Armen an, wenn aber von Seite der Gemeinden Anstalten getroffen werden, solche Sammlungen vorzunehmen, so lind sie viel ergiebiger und es ist erst dann eine wahre Wohlthat für den Brandbeschädiglen, wenn er nicht selbst von Haus zu Haus gehen, und sich dem Bettel aussetzen muß. Seyffertitz: Vor allem erlaube ich mir ebenfalls einen Antrag einzubringen h. z. wie ich bereits früher bemerkt habe, kann ich nicht mit allen Ausführungen und mit dem Antrage des Herrn Abgeordneten für die Bezirke Bludenz und Montafon einverstanden fein. Ich habe mir unterdessen den Antrag so zu formuliren erlaubt: „Der hohe Landtag wolle beschließen die k. k. Regierung sei zu ersuchen dahin wirken zu wollen, daß den Gemeindevorstehungen sowie den Seelsorgern von ihren vorgesetzten Behörden, die Ausstellung von Bettelzeunissen gänzlich bei Verantwortung untersagt werde, und daß den k. k. Bezirksbehörden, die dießfalls bestehenden Vorschriften eingeschärft werden." Was nun die Ausführung betrifft, welche der hochwürdige Bischof von Europus uns vorgeführt hat, so sehe ich mich bemüssiget von meinem Standpunkte aus dagegen einiges einzuwenden. Es wurde gesagt, daß die Armenversorgung theilweise auch in das kirchliche Gebiete hinüber schlage, daß namentlich die Kirche, da sie dabei auf das christliche Gebiet der Wohlthäigkeit sich erstrecke, auch etwas mitzureden habe. Nun darüber ließe sich rechten. Es ist nemlich wohl zu unterscheiden zwischen christlichem Wohlthun und zwischen der Pflicht, welche der politischen Körperschaft zur Versorgung ihrer Armen obliegt. Allein dieser Apell an die heilige Liebe der hier gefallen ist, der würde nach meiner Meinung die Bettelei gleichsam im Namen des Christenthums verewigen. Wenn man die Armenversorgung nicht mehr der Privatwohlthätigkeit überlaste, sondern Armenversorgungsanstalten gründe, so gehe dabei eben diese heilige Liebe, diese christliche Milde und gute Folge zu Grunde. Nun das mag vielleicht sein, ich kann das nicht bestreiten, allein ganz gewiß hat andererseits diese Art, die Ausübung dieser Art der Armenversorgung, auf welche so sehr Gewicht gelegt wurde im Namen des Christenthums, eine ungeheure Demoralisation zur Folge, während gerade die Armenversorgung in wirklichen Anstalten für diese Demoralisation entgegen zu wirken bestimmt ist. Zur Unterstützung meines Antrages, den ich eingebracht habe, muß ich noch bemerken, daß ich es nicht für Überflüssig erachte, wenn die hohe Regierung ersucht wird, dahin zu wirken, daß nicht bloß die Gemeinden von Seite ihrer vorgesetzten Behörde, sondern auch die Herrn Seelsorger angewiesen werden möchten, sich der Ausstellung von solchen Armenzeugnissen gänzlich zu enthalten. So viel ich weiß besteht sogar schon eine solche Verordnung. - 90 — Sie dürfte aber im Laufe der Zeit ziemlich in Vergessenheit gerathen sein, denn mit dieser gewissen Ausnahme von dem Gesetze, welches nach den Worten die gefallen sind, auch von den Seelsorgern zu beobachten fei, mit dieser Ausnahme kann ich deßhalb mich nicht einverstanden erklären, weil dann eben das Gesetz zu bestehen aufhört, wenn dieses zugelassen wird, denn wenn einerseits der betreffende Seelsorger, das Gesetz keine solchen Bettelbriefe auszustellen, befolgen will, wie es gefordert wurde, dann andererseits aber dennoch wieder ermächtiget sein soll, im Namen der christlichen Liebe ein Brieflein auszufertigen, dann hat er dieses Gesetz nicht befolgt. Da gibt es nur eine Konsequenz; er darf es nicht thun — eine gewisse reservatio mentalis gibt es in dieser Beziehung nicht, wenn man das Gesetz befolgen will. Das habe ich nur bemerken wollen. Hochw. Bischof. Mich wundert, daß der Herr Vorredner H. Baron Seyffertitz, der sonst im Unterscheiden klug und richtig ist, eine solche Consequenz aus meiner Rede genommen hat. Mein erster Grundsatz war die Aufstellung der Behauptung, daß die bisherigen Gesetze die in dieser Hinsicht erflossen sind, beobachtet werden sollten. Meine zweite Rede war einfach die, daß ein allgemeines Verbot der persönlichen Sammlungen weder vom Standpunkte der h. Religion (ich spreche dieß nicht blos als Bischof sondern wie ein anderer Mensch der Religion hat) noch vom Politischen als gerechtfertiget erscheine. Schwerlich wird es die Gemeinde jedesmal übernehmen, für einen jeden einzelnen Unglücklichen eine Sammlung vorzunehmen; wenn er aber selber geht, ob er nun mehr oder weniger verschämt sei, ist es ein Zeichen, er wolle eine ergiebigere Unterstützung haben. Um dieses Gut möchte ich ihn nicht bringen. Das dritte ist, daß eben aus meiner Rede durchaus nicht folgte, daß das Betteln verewigt werde. Je mehr Wohlthätigkeitsanstalten und Armenversorgungsanstalten sind, die eben durch die Wohlthätigkeit des Christenthums gegründet werden, desto glücklicher schätze ich eine solch« Gemeinde. Da wir aber solche ausreichende Anstalten nicht haben und erst errichten müssen, und wenn auch an allen Orten solche errichtet sind, immer noch Roth und Elend in der Welt uns begegnen werden, so kann es nie an Anlaß fehlen, daß man diesen Dienst der Christlichen oder, wenn Sie wollen, der menschlichen Liebe dem Nothleidenden erweise. Landeshauptmann: Wünscht noch Jemand das Wort zu ergreifen? Dr. Jussel. Ich will nur erklären, daß ich über den motivirten Antrag von Seite des Hr. B. v. Seyffertitz meinen eigenen zurückziehe. Seyffertitz. Ich muß nur das Wort eigentlich zu einer persönlichen Bemerkung ergreifen. Entweder habe ich die Worte, die von Seite des hochw. Bischofs gefallen sind, unrichtig aufgefaßt, mir aber schienen sie dahin zu gehen und darüber wird das stenografische Protokoll seinerzeit Ausschluß geben! — mir schienen sie dahin zu gehen, daß gesagt wurde, man solle das Hilfesuchen Einzelner nicht verwehren, weil es einen Akt der christlichen Wohlthätigkeit begründe, und daß andererseits bei der Armenversorgung in gewissen großen Anstalten, wo der Einzelne verschwindet, bei dem Unterstützten auch die Dankbarkeit und beim Geber der christliche Sinn und der eigentliche Succus des Gebens, den die Kirche darin findet, auch verschwindet. So habe ich die Worte verstanden, und so habe ich auch die Ausführungen gemacht. Sollte ich es falsch verstanden haben, fällt auch natürlich meine Ausführung. Hochw. Bischof. Ich bitte Hr. Baron sich zu erklären, ob sie mit meiner Erklärung zufrieden sind. Seyffertitz: Ich habe nichts mehr weiter zu bemerken. Landeshauptmann. Ich Erkläre die Spezialdebatte für geschlossen, haben Hr. Berichterstatter noch etwas zu bemerken? Hr. Dr. Jussel hat seinen Antrag zurückgezogen, indem er erklärt hat, mit dem von Hr. Baron Seyffertitz eingebrachten einverstanden zu sein. Wohlwend: Es scheint mir, daß In der Debatte die Sache ganz verrückt worden ist. Die Absicht und den Zweck welchen das Comite zu befolgen glaubte, ist einzig und allein 91 nur auf die Abstellung des Bettel und Vagabundenwesens gerichtet. Das ist wie mir scheint ganz verschieden von Spenden und Hilfsbedürftige. Diese Absicht des Ausschusses erhellet schon aus dem Passus: Da es nicht der Zweck oder die Absicht der beantragten Maßnahme ist, Arme und Nothleidende zu drücken, im Gegentheil darauf gedrungen wird, daß für sie besser als bisher gesorgt werde und nur der verderbliche Gassenbettel und das Treiben der Vagabunden hintangehalten werden will, so .... zu dürfen. Ich wende mich nun an die Bemerkungen des Hr. Baron Seiffertitz, daß die Statthalterei- Verordnung vom 28. Novbr. 1865 einzig nur dahin gerichtet sei, das Dörcher- und Karrenzieherwesen in Tirol hintanzuhalten ist richtig, dießbezugs sagt der Ausschußbericht: wenn auch diese Verordnung auf Veranlassung des tirolisch. Landtages nur aus Abschaffung des Dörcher und Karrenzieherwesens direkt hinzuwirken bestimmt war und dieß in Vorarlberg nicht besteht, so sind die darin enthaltenen Anordnungen so allgemeiner Natur, daß sie überhaupt die geeigneten Maßregeln gegen alles Bettel und Vagabundenwesen enthalten, wodurch der angestrebte Zweck erreicht würde. Es ist mir auffallend, daß der Herr Baron keinen Antrag gestellt hat, oder wenigstens die Punkte bezeichnet hat, welche zu eliminiren wären. Der Ausschuß konnte in dieser Verordnung nichts finden, was nicht allgemeine Bestimmungen wären und deßwegen glaubte er daß sie auch zur Erreichung des Zweckes den wir erstrebten vollkommen hinreichend wären. Ich kann natürlich weiters über diesen Punkt nichts mehr sprechen, weil kein Antrag vorliegt. (Seiffertitz ich bitte.) Es ist nichts gesagt worden, was sich speziell auf das Dörcher und Karrenzieherwesen bezieht, und kein Antrag gestellt worden. Landeshauptmann: Es liegt nun ein Antrag vom Hr. Baron Seyfferiitz vor, ich werde ihn später zur Abstimmung bringen. Ich erkläre die Debatte für geschlossen und ertheile dem Herrn Berichterstatter noch das Wort. Wohlwend: Den nun vorliegenden Antrag kann ich zur Annahme empfehlen. Wenn aber der Hr. Baron die Unterscheidung, welche der Ausschuß im zweiten Punkte in Betreff der Abhaltung solcher Bettler und Vagabunden, welche Angehörige der vorarlbergischen Gemeinden sind, mißbilliget, und gesagt hat, daß in Vorarlberg keine solche Personen gefunden werden, (Seyffertitz: dieß wurde nicht gesagt, ) welche sich dem Bettel ergeben und Vorarlbergischen Gemeinden angehören, so muß ich mit Bedauern sagen, daß das nicht richtig ist. Woher dieß kommt will ich nicht weiter untersuchen. Nicht unberührt kann ich lassen, daß es solche Leute in Vorarlberg gibt die sich dem Bettel ergeben und Vorarlberger sind Wenn in einzelnen Ortschaften das nicht vorkommen sollte, so ist diesen zu gratuliren, zeigt, daß diese Gemeinden ihre Pflicht thun, ebenso gewiß ist es aber, daß sehr viele Gemeinden in Vorarlberg sind, welche ihrer Pflicht in dieser Beziehung, nemlich ihre Armen der Art zu unterstützen, daß sie Leben können, nicht nachkommen. Ich habe deßwegen auch schon im Beginne der Verhandlungen speziell auf das Heimathsgesetz hingewiesen, ich habe angeführt, daß der Abschnitt IV wichtig sei, und ergreife jetzt die Gelegenheit und sage es ist speziell den Gemeindevorstehern scharf einzuprägen, daß sie strenge diesen Gesetzen nachkommen, leider müssen wir aber auch sehen, daß die Bezirksämter dießbezugs nicht werkthätig ihrer Pflicht nachkommen. Die Vorsteher beschweren sich allerdings oft mit Recht, daß sie von den Behörden nicht unterstützt werden, da wenn sie die Vagabunden zum Bezirksamte abstellen, so werden selbe nicht nach den Verordnungen behandelt. Treten nun solche Fälle ein, so steht dem Vorsteher der Weg der Beschwerde an die höheren Behörden offen. Häufig aber ist es falsche Sparsamkeit, welche die Gemeindeversteher dahin verleitet, daß sie ihrer Pflicht nicht nachkommen dies ist das größte Übel. Diese Vorsteher glauben — vorzüglich ist dies der Fall bei den Landgemeinden — sie seien einzig und allein dazu berufen, um die ökonomische Verwaltung der Gemeinde zu führen, alles andere kümmert sie nichts. 92 Diese falsche Ökonomie treiben einzelne Vorsteher so weit, daß sie ihre Arme zum Bettel schicken, damit ihre Gemeindekasse keine Ausgaben machen muß. Meine Herren! das sind keine Armenversorgungen, und darin liegt ein Hauptgrund, daß der Bettel in Vorarlberg von Vorarlbergern betrieben wird. Jede Gemeinde soll darauf sehen und strenge dafür sorgen, daß die armen Leute in der Gemeinde, wenn sie noch jung sind zur Arbeit angehalten, in die Lehre gegeben und ihnen überhaupt Unterricht ertheilt werde. Sind sie arbeitsfähig, bemühe sich der Gemeindevorsteher, ihnen Arbeit zu verschaffen, für alte, elende und arbeitsunfähige Personen sollen Armenversorgungsanstalten errichtet, oder wenigstens derart für sie gesorgt werden, daß diese armen Leute leben können. Auf solche Weise wird für die Armen gesorgt, nie aber durch falsche Sparsamkeit, jene Vorstehung, welche nur das Sparsystem verfolgt, fehlt vorzüglich bei der Armenversorgung. Junge Leute zu Bettlern erzogen bleiben es auch für ihr ganzes Leben, sie werden für die Gesellschaft schädliche Leute. Das ist was ich vorzüglich gegenüber den Gemeinden zu sagen habe. Die Behauptung aber, daß keinerlei Bettler Vorarlberger sind, (Seyffertitz: das habe ich nicht gesagt“ Wohlwend: Ich bitte, die stenographischen Berichte werden es vorweisen.") ist unrichtig. Nachdem für alle Fälle von welcher in der Debatte gesprochen wurde bereits schon Verordnungen bestehen und ihr Ausschuß nur einige Verbesserungen beantragt, gegen die Anträge selbst keine Opposition gemacht wurde, so empfehle ich die gestellten Anträge zu Annahme. Landeshauptmann: Mit dem Vorbehalte den § 5 der Statthaltereiverordnung vom 28. November 1865 Z. 2508 zur besonderen Abstimmung zu bringen, wegen des Antrages des Hr. Ganahl, gehe ich jetzt zur Abstimmung des Komiteantrages über. Der Antrag des Konnte lautet: „Es sei die Statthaltereiverordnung vom 28. November 1865 Nr. 2508, welche nur für Tirol erlassen wurde, auch au die k. k. Bezirksämter und das Polizeikomissariat für Vorarlberg zu erlassen-" Bitte um Abstimmung. (Ist angenommen. In dieser Verordnung §. 11 heißt es: „Bestrafung mit Arrest, körperlicher Züchtigung und nach Umständen Ablieferung in das Zwangsarbeitshaus der Vagabunden, Bettler und Müssiggänger, welche wiederholt in die Heimath abgeschoben wurden, namentlich wenn sie den im Punkte 4 lit. a und c enthaltenen Bestimmung zuwieder gehandelt haben." Herr Ganahl hat den Antrag gestellt, auf Hinweglassung der Worte „körperliche Züchtigung." Wohlwend. Ich bin vollkommen überzeugt, daß der Ausschuß damit einverstanden sein wird. Landeshauptmann. Ich ersuche somit die Herren, die dem Antrage des Herr Ganahl beistimmen, sich gefälligst zu erheben. (Ist angenommen.) Nun haben wir den Antrag des Herrn Baron Seyffertitz. Er lautet. „Die k k. Regierung ist zu ersuchen, dahin wirken zu wollen, daß den Gemeindevorstehungen sowie den Seelsorgern von ihren vorgesetzten Behörden die Ausstellung von Bettelzeugnissen gänzlich bei Verantwortung untersagt werde, und daß den. k. k. Bezirksbehörden die dießfalls bestehenden Vorschriften eingeschärft werden/ Bitte um Abstimmung. Es ist Minorität, somit der Antrag gefallen. Wir gehen über zum zweiten Punkt des Komiteantrages. Es wird vom Komite der Antrag erhoben, dahin lautend: „Werden Personen, welche in einer Vorarlbergischen Gemeinde heimathberechtigt — 93 sind, beim Bettel oder sonstigen Vagieren aufgegriffen, so sind selbe, falls sie nicht eine strafbare Handlung verübt haben, von dem Gemeindevorsteher jeder Gemeinde, in welcher sie angehalten wurden, ihrer Zuständigskeitsgemeinde per Schub zu überstellen, diese hat sodann die Verpflichtung die Kosten des Transportes sogleich zu bezahlen. Hat ein solches Individuum seine Zuständigkeit in einem andern Vorarlbergischen Gerichtsbezirke als jenem, in weichem es angehalten wurde, so hat die Gemeindevorstehung, welche die Abschiebung veranlaßte, den Schübling der Vorstehung der ersten angränzenden Gemeinde des andern Bezirkes zur Weitertransportirung zu übergeben, welche gehalten ist, leibe zu übernehmen und die bis dahin erlaufenen Kosten aus der Gemeindekasse zu bezahlen, wogegen dieser das Recht zusteht, sowohl diese Auslagen als die ferneren Kosten von der Zuständigkeitsgemeinde sofort einzukassieren. Die Schubgebühr wird per Meile für Fuhre auf 70 kr. für den Begleiter 40 kr. für Fußtransport auf 40 fr. festgestellt. Sind solche Individuen nicht in einer Gemeinde Vorarlbergs, sondern in einem andern Kronlande Österreichs heimatberechtiget oder sann ihre Zuständigkeit nicht sogleich eruirt werden, so sind sie von der Vorstehung jener Gemeinde, in welcher die Anhaltung geschehen ist, dem k. k. Bezirksamte zur weitern Amtshandlung der statthalterischen Verordnung vom 22. Juni 1866 Nr. 1820 gemäß, zu überstellen; die deßhalb erlaufenen und nach obigem Maßstabe zu berechnenden Kosten aber hat das k. k. Bezirksamt dem Schubführer sofort aus der sogenannten Gerichtskasse zu bezahlen." Landeshauptmann. Ich eröffne die Debatte hierüber. Seyffertitz. Es hat zwar das Comite am Schluße seines Berichtes einen gewissen Generalantrag über die Form einzelner Beschlüße, die hier gefaßt werden, gestellt, nämlich die Sache dem Landesausschuße zu überweisen, die angenommenen Anträge nach der gesetzlichen Bestimmung abzuwickeln und sofort das Amt zu handeln. Ich Mächte mir die Frage erlauben, unter was für einer gesetzlichen constitutionellen Form dieser Antrag wie er formulirt ist, vom Landesausschuße behandelt werden soll? Ist es ein Landesgesetz, so muß die Sanktion der Krone eingeholt werden, ist es blos ein Ersuchen beim Statthalterei-Präsidium, daß dasselbe die betreffenden Verordnungen hinausgebe, so bedarf es der Sanktion nicht. Man muß in dieser Beziehung, da beide Wege möglich sind, dem Landesausschuße, wenn er nicht im Finstern tappen soll; einen gewißen Leitfaden geben, was eigentlich das Comite beziehungsweise der Landtag darüber verfügt haben wolle. Das ist nur Formsache. Allein ich komme auf die materielle Frage zu sprechen, nicht daß ich mit diesem Antrag nicht einverstanden wäre, denn im Grunde genommen wird er — natürlich wieder vorausgesetzt, daß die Leute ihre Pflicht thun, und diese Gesetze befolgen, — seinen Zweck erreichen^ Indessen hat die hohe Versammlung soeben meinen Antrag den ich zu dem vorigen Punkt gestellt habe bezüglich der Bettelbriefe verworfen. Nun in dieser Beziehung muß ick mir die Frage erlauben, weil sich dadurch die Sachlage gänzlich ändert, was geschieht mit diesen Personen, die einen solchen Bettelbrief haben? denn im Grunde genommen werden mit der Verwerfung dieses Antrages diese Bettelbriefe stillschweigend sanctionirt. Es müssen daher wohl nähere Bestimmungen hineingefügt werden, welche bettelnde Personen nach dem Modus des Zusatzantrages behandelt werden dürfen; denn natürlich, Personen, welche von Seite der Gemeindevorstehung diese Bettelbriefe haben, oder von Seite der Seelsorger mit einem solchen Brieflein versehen worden sind, solche werden nicht mehr als Vagabundirende und bettelnde Personen angesehen werden können. Also verändert sich durch die Verwerfung meines Antrages auch dieser Antrag nothwendigerweise, wie ich es wenigstens mit meinen schwachen Verstandeskräften aufzufaßen im Stande bin. Ich überlaße das natürlich, da es meine Sache nicht sein kann, — die Abänderung, die sich durch Verwerfung meines Antrages ergibt zu faßen — dem Comite. Allein das ist gewiß und ich wiederhole es noch einmal, daß, nachdem der hohe Landtag ausgesprochen hat, daß solche — 94 — Bettel-Briefe nicht verboten seien — das ist ausgesprochen — daß diese Personen nicht als Bettler behandelt werden können. Es muß daher nach meiner Meinung hier irgend eine Einschaltung gemacht werden, daß solche Personen von dieser bevorstehenden Behandlung auszunehmen seien. Bischof. Es ist allgemein angenommen worden, daß die bestehenden Gesetze in dieser Beziehung aufrecht erhalten werden, und unter diesen Gesetzen bestehet eben auch das Verbot der Ausstellung solcher Zeugnisse von Seite der Seelsorger und Gemeinden. Ich kann mein Wort nicht zurücknehmen, es ist keine Mental Reservation, indem ich es offen vor der hohen Versammlung gesprochen habe. Jemand kommt zum Herrn Baron und sagt, ich bin in diesem und diesem Elend. Der Herr Baron kennt sie nicht, findet sich aber bewogen, sie reichlich zu unterstützen wenn das wahr ist, was sie vorbringt. Der Herr Baron wird dem Pfarrer wohl nicht verbiethen, daß er ein Brieflein schreibe. um den Herrn Baron zu versichern, daß diese Person wirklich in dieser elenden Lage sei. Ich muß bekennen, ich war Pfarrer in zwei bedeutenden Orten, ich kannte solche wohl-tätige. Personen, und sie stellten an mich das Ersuchen: Wenn Jemand zu Ihnen kommt und sie um ein Zeugniß ersuchet, und Sie finden die Umstände wirklich so berücksichtigungswürdig, so geben sie ihm einen Zettel an