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Letzte Änderung 03.07.2021, 10:46
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp01,lts1866,lt1866,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

180 Vorarlberger Landtag XIV. Sitzung am 29. Dezember 1866 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Sebastian v. Froschauer. Gegenwärtig 17 Abgeordnete. — Landesfürstlicher Commissär Anton Ritter von Strele. — Die Abgeordneten Hochw. Bischof, Stemmer und Johann M. Schedler beurlaubt Beginn der Sitzung um 9 1/4 Uhr Früh. Landeshauptmann. Ich eröffne die Sitzung und werde das Protokoll der gestrigen zur Ablesung bringen lasten, und ersuche zugleich die Verehrtesten Herren, welche im Falle eine Bemerkung haben sollten, dieses zu erklären, widrigens ich das Protokoll als richtig abgefaßt annehmen werde. (Sekretär verliest dasselbe.) Herr Baron Seyffertitz hat einen Dringlichkeitsantrag überreicht, ich bringe denselben zur Kenntniß der hohen Versammlung. (Baron Seyffertitz verliest ihn.) Hoher Landtag! Am 7. April d. J. wurde von der Stellungskommission in Bezau Kaspar Gebhard Rupp von Bezau Loos Nr. 9 als zum Militärdienste zweifelhaft erklärt, und zur Überprüfungskommission nach Innsbruck bestimmt und an diesem Tage der Loostauscher Christian Albrecht von Bezau für Loos Nr. 13 (Bartlmä Meusburger von Großdorf) als Nachmann assentirt. Der zur Überprüfungskommission abgesandte Kaspar Gebhard Rupp Loos Nr. 9 wurde am 13. April d. J. von der Überprüfungskommission in Innsbruck als tauglich erkannt und am gleichen Tage als Treffer assentirt. 181 Das k. k. Bezirksamt Bezau richtete sofort unterm 27. April d. J. Z. 885 an das Kaiserjägerregimentskommando ein Schreiben worin unter Darstellung dieses Sachverhaltes um die Entlassungsveranlassung des als Nachmann assentirten Christian Albrecht ersucht wurde. Hierauf erfolgte die Antwort von Seite des Ergänzungsbezirkskommandos am 2. Mai d. J. Z. 5230, daß erst nach 4 Monaten die Nachmänner nach dem Wortlaute der Nachtragsverordnung II, 138 Pkt. F. entlassen werden. Später erschien dann die Verordnung, daß wegen des Krieges die Nachmänner gar nicht zu entlassen seien. Obwohl der Krieg vorüber und auch die 4 Monate längst um sind befindet sich Christian Albrecht als Rachman noch immer beim Militär, und hat der Losungsbezirk Bregenz einen Mann heuer zu viel stellen müssen. Ja was noch weniger den Volksanschauungen begreiflich erscheint, ist der Umstand, daß der Treffer Kasp. Gebhard Rupp gegenwärtig sich in Urlaub befindet, während sein Nachmann Christian Albrecht beim Regiments ist. Dringlichkeitsantrag. Der hohe Landtag wolle beschließen, diese auf ämtlichen Akten beruhende Darstellung dem Landesausschuße mit dem Auftrage zuzuweisen, mit allem Nachdrucke bei der Regierung darauf hinwirken zu wollen, daß diese gesetzwidrige Zurückbehaltung aufhöre, und auch für die Zukunft nicht mehr vorkomme. Bregenz, den 29. Dezember 1866. Seyffertitz. Landtagsabgeordneter. Landeshauptmann. Ich ertheile Ihnen das Wort zur Begründung der Dringlichkeit. Seyffertitz. Die Dringlichkeit beruht wohl bei diesem Gegenstände zunächst darauf, daß wir uns heute in der Schlußsitzung des Landtages befinden und daß durch den Abgeordneten Herr Egender und durch mich die Gemeindevorstehung von Bezau unter Anhandgabe sämmtlicher Daten sich an den Landtag gewendet hat, um durch Interzession bei den hohen Behörden die Abstellung dieses Übelstandes zu erlangen. Wollte man diesen Antrag, den ich hier erhoben habe, einer geschäftsordnungsmäßigen Behandlung unterziehen, so müßte er ad acta gelegt werden. Da jedoch der Landesausschuß zunächst berufen sein wird, diese Sache zu vertreten, da der Landesausschuß auch ein Ausschuß des Landtages ist und da ein selbstständiger Antrag einem Ausschusse zur Vorberathung zugewiesen werden muß, so glaube ich, daß es der Geschäftsordnung vollkommen entsprecht, daß es analog derselben ist, wenn ich beantragt habe, diese Vorstellung dem Landesausschusse zu übergeben. Landeshauptmann. Ich erlaube mir zuerst die Frage an die hohe Versammlung, ob sie gewillt sei, diesen Antrag als einen dringlichen zu betrachten? (Allgemeine Zustimmung.) Ich werde also diesen Antrag zur Behandlung führen. Schwärzten. Das eben vorgelesene Gesuch des Nachmannes Christian Albrecht veranlaßt mich zu bemerken, daß wir im Bezirke Bregenz drei gleiche Fälle haben, und zwar zwei im dritten und einen im vierten Losungsdistrikte. Es waren die Vorsteher der betreffenden Gemeinden anfangs auch gewillt, diese Angelegenheit vor den hohen Landtag zu bringen, zogen aber dann vop, sich diesfalls direkt an das hohe Ministerium zu wenden, was auch bereits vor längerer Zeit geschehen ist, wohl aber bisher noch keine Antwort darüber erfolgte. Nachdem nun diese Angelegenheit beim Landesausschuße doch zur Behandlung kommt, erlaube ich mir die Bitte zu stellen, daß auch auf die drei Nachmänner des Bezirkes Bregenz 182 Bedacht genommen werden möchte, zu welchem Behufe ich mir erlauben werde dem hohen Präsidium ine Abschrift des Gesuches, welches an das Ministerium eingereicht wurde zu übergeben. Ich möchte übrigens bei diesem Anlasse anempfehlen, daß der Landesausschuß seine Stimme gegen die so schmerzlichen Eingriffe der Regierung, in dieser Beziehung kräftigst erhebe, und es aufs Wärmste unterstütze, daß die fraglichen Nachmänner nach nun beendetem Kriege endlich vom Militärdienste entlassen werden. Landeshauptmann. Sie haben, meine Herren, den Antrag vernommen, der dahin geht, zu beschließen, diese auf ämtlichen Akten beruhende Vorstellung dem Landesausschusse mit dem Auftrage zuzuweisen, mit allem Nachdrucke bei der Regierung darauf hinwirken zu wollen, daß diese gesetzwidrige Zurückbehaltung aushöre und in Zukunft nicht mehr vorkomme. Hat noch Jemand in dieser Beziehung etwas zu bemerken? Wenn nicht gehe ich zur Abstimmung über und ersuche die hohe Versammlung durch Aufstehen oder Sitzenbleiben ihre Zustimmung oder Ablehnung erkennen zu geben. (Ist angenommen.) Wir kommen nun zum ersten Gegenstande der heutigen Tagesordnung, zum Komitebericht über den selbstständigen Antrag des Baron Seyffertitz betreffs Abänderung der §§. 21 und 31 der L.-W.O. Herr Berichterstatter wollen so gefällig fein, Ihren Vortrag zu halten. Dr. Jussel. Ich glaube, daß man gleichzeitig mit dem Berichte über die Abänderung der §§. 21 und 31 der L.-W.-O. auch jenen wegen der Abänderung des §. 24 der G.-W.-O. für Vorarlberg zur Verlesung bringen sollte, weil die Gründe, welche für den einen oder den andern Antrag und ebenso gegen den einen oder gegen den andern Antrag sprechen, ganz die gleichen sind und dabei Arbeit erspart wird. (Verliest den gedruckten Comtebericht Seite 119 bis „einzuholen." Dr. Jussel. Ich halte die Sache für wichtiger und von größerer Tragweite als sie beim ersten Augenblick erscheinen möchte, hierin bestärkt mich auch die Versicherung des Herrn Antragstellers Baron Seyffertitz. daß über diese Frage schon viele Folianten geschrieben worden sind. Da ich anderer Anschauung bin, so konnte ich mich in der Sache, welche ich als wichtig ansehe, dem Antrag der Majorität des Komites, obwohl ich die gewichtigen Gründe desselben nicht unterschätze, nicht anschließen. So ist mir nun die Pflicht erwachsen, mich selbst zu rechtfertigen, auch hier an dieser Stelle mich über die Gründe zu rechtfertigen, meine eigene Anschauung darzulegen und zu begründen. Ich werde etwas weit die Gründe wie es ein deutscher Mann zu thun pflegt, ausholen aber dennoch in schnellem Sprunge zum Konklusium übereilen um nicht mehr Geduld in Anspruch zu nehmen als geradezu nothwendig ist. Wahrheit und Recht sind die Grundlagen der sittlichen Weltordnung, sie sind das Gesetz, das jedem mit unvertilgbaren Lettern in die Brust geschrieben ist, sie sind die Lebensaufgabe für das Wesen der Person, sie sind der unerschöpfliche Urquell für das Glück und die Wohlfahrt der Bevölkerung. Die Wahrheit und das Recht sind gerade, natürlich einfach, wandeln immer offen einher, sie sind aber unbeugsam, gleichsam' matemalisch abgegrenzt, sie weißen jede, auch die geringste Abweichung oder Abirrung als fremdartig aus ihrer Sphäre weg. Dagegen ist die Lüge und das Unrecht das Element der Unordnung in der Welt, sie widerstreben dem Wesen des Menschen, sie sind in der Grundursache der Leidenschaft, des Hasses, der Unzufriedenheit und des Unglückes der Bevölkerung. Die Lüge und das Unrecht beugen sich unter falschem Scheine schleichen sich im Finstern, krümmen sich wie der Wurm und drängen sich durch alle Schlupfwinkel und durch allen Schlamm des Lebens hindurch. — 183 Diese Basis meiner Beweisführung, diese Vordersätze meiner Schlüsse kann ich hier nicht durch eine größere Abhandlung zu stützen suchen, sie sind übrigens dem Wesen der Person so homogen, daß sie wohl von selbst einleuchtend sind. Allerdings gehe ich da von dem idealen Standpunkte aus, ich gehe nämlich vom Standpunktaus wie die Welt, wie die Menschheit sein soll, und werden soll, und nicht wie die Welt w. lich ist. Indessen berufe ich mich auch auf die Erfahrung, auf die Weltgeschichte und glaube de- Häupten zu können, daß faktisch, je mehr die Wahrheit, je mehr das Recht in der Welt zur Herrschast gelangt, jemehr die Lüge und das Unrecht schwindet, desto mehr auch die Wohlfahrt und das Glück der Volker zunimmt. Ich gehe von der Anschauung aus, daß die gegenwärtige Welt nicht schlechter ist, ich zähle mich nicht zu denjenigen die sie für schlechter anschauen, als die Welt von vorher, als die Welt in den letzten Jahrhunderten, vielmehr gehe ich von der Überzeugung aus, daß die Welt in den letzten Jahrhunderten vielmehr gebe ich von der Überzeugung aus, daß die Welt, daß die Menschheit, daß die Völker im Fortschritte begriffen sind, daß sie ständig und unaufhaltsam der Vervollkommnung zugehen und die Weltgeschichte, und namentlich die Geschichte der letzten Jahrhunderte kann diese Thatsache nur bestätigen. Ja wäre die Wahrheit und das Recht zur allgemeinen Herrschaft auf der Erde gelangt, würde man keine Staatsstreiche, keine Rechtsbrüche mehr sehen. (Bravo.) Es würde kein Machtstaat mehr bestehen, alle hätten sie dem Rechtsstaats das Feld räumen müssen. Man ist freilich noch weit zurück, es sind noch viele Unvollkommenheiten auf der Welt, so glaube ich nicht, daß man annehmen kann, es sei das Wahrheit, es sei das Recht, wenn die hohe Politik, wie in weniger als einem Jahrzehent Österreich zweimal ergangen ist, den Überfallenen den auf Leben und Tod Bedrohten, zum Angreifer und Friedensstörer zu stempeln sucht, bloß deßwegen, weil er sich nicht wehrlos ausplündern lassen will, aber auch an demselben Österreich hat sich leider zu meinem tiefen Bedauern die Prinzipienlosigkeit in der sogenannten hohen Politik schnell und furchtbar zum Schaden der schuldlosen Bevölkerung rächen müssen. Es kann nicht Wahrheit und nicht Recht sein, wenn es noch vor ein paar Jahren Leute gegeben Hal, leider viele Leute gegeben hat, die der Sklaverei, der Verthierung der Menschheit in Nordamerika das Wort redeten, und ihrer Sache ihre Simpathien schenkten. Es kann nicht Recht sein, nickt Wahrheit und Recht herrschen, wenn es jetzt noch in Europa noch einen Staat gibt, der dem Gewissen seiner Unterthanen Zwang anthut, und durch Einkerkerung und durch andere Maßregeln sie zur Glaubensänderung zwingt. Aber was soll ich dazu sagen, wenn heutzutage in dem ruhigen friedlichen Vorarlberg an öffentlicher Stelle von Blutgerüsten geredet wird, die an die entsetzlichsten Momente der Weltgeschichte, an die rohesten Ausbrüche der Leidenschaft des Menschen die Erinnerung wachrufen. (Ganahl auf der Kanzel.) ES ist das doch nicht wahr und recht, es heißt das nicht die Gegensätze ausgleichen und versöhnen es heißt das geradezu Leidenschaft, Haß und Zwietracht in das friedliche Land säen. Indessen meine Herren, es sind das eben Abirrungen von dem Pfade des Rechtes und der Wahrheit, und ich bitte nicht zu glauben, daß ich diesen Abirrungen auch böse Absichten unterstelle es tonnen die besten Absichten mitunterlaufen, allein es genügt nicht, die gute Absicht und der gute Zweck, auch das Mittel muß gut sein. Es sind eben Institutionen in der Welt, die ihren Zweck und ihrer Zustimmung nach auf Wahrheit und Recht hingerichtet sind. — 184 — Allein die praktische Durchführung zeigt viele Blösen, viele Unvollkommenheiten, und es sind eben diese viele Blösen, diese vielen Unvollkommenheiten, die Ursache, die Grundursache des Rufes der Bevölkerungen, im allgemeinen und des Volkes von Vorarlberg nach Öffentlichkeit. Wer von der Wahrheit von dem Rechte ausgeht, der tritt gerade und offen vor, der braucht keinen falschen Schein, keinen Schlupfwinkel. Ich halte es eben für den Grundfehler der gegenwärtigen Zeit, daß sich mit der guten Absicht und dem guten Zweck zufrieden gestellt wird, und nicht auch die Mittel gut verlangt werden. Ich gehe von dem Grundsatze aus »der Zweck heiligt das Mittel nicht." (Ganahl bravo!) Ich glaube daher, daß die geheime Abstimmung nur dahin ginge, den offenen und geraden Charakter unseres Volkes zu verderben und es auf Geheimthuerei auf falschen Schein hinzuleiten. Ich gehe von dem Grundsatze aus, wenn ich ein Haus bauen will und könnte, so muß ich ein gutes Material dazu nehmen, damit es mir nicht der Wind wegträgt. Wenn nun die Landesvertretung von Vorarlberg ihrer Bestimmung nach auch dahin gerichtet sein muß, mit das Glück des Volkes von Vorarlberg bauen zu helfen, so soll sie nicht in den allgemeinen Fehler der Jetztzeit fallen, so soll sie auch gute Mittel brauchen. Die geheime Abstimmung ist kein gutes Mittel, es soll Offenheit und Geradheit herrschen. Man wird mir einwenden das Volk von Vorarlberg ist nicht reif gut, das Kind muß auch gehen lernen. Die Eltern, Vater und Mutter werden es auf die Beine stellen müssen, selbst auf Gefahr hin, daß es durch Fallen Schaden nehme. Ich glaube wäre unser Volk noch nicht dazu reif, so ist es Schuldigkeit der Landesvertretung, daß sie als Baumeister mit gutem Material baue, und daß sie daher die offene und gerade Abstimmung einführe. Aus diesem Grunde meine Herren! finde ich mich zu dem Antrage veranlaßt: Der hohe Landtag wolle beschließen: »Es sei über den selbstständigen Antrag des Herrn Abgeordneten Seyffertitz wegen Abänderung der §§. 21 und 31 der Landtagswahlordnung zur Tagesordnung überzugehen." Landeshauptmann. In Betreff der Gemeindewahlordnung wird dasselbe beantragt nicht wahr? Dr. Gusses. In der Gemeindewahlordnung stelle ich denselben Antrag es sind ganz die gleichen Gründe vorhanden. Landesfürstl. Kommissär. Bevor Sie in die Debatte über diesen Antrag eingehen, glaube ich Ihnen auch den Standpunkt der Regierung bezeichnen zu sollen. Gegenwärtig besteht das Prinzip der Öffentlichkeit, und dieses ist bisher in Österreich noch nie angestritten worden. Daß die Frage, ob öffentliche oder geheime Abstimmung eine gewichtige und in ihrer Lösung beinahe unlösbar ist, das zeigen glaube ich die Vorgänge in anderen Staaten, und die vielen Abhandlungen, die in dieser Beziehung geschrieben worden sind. Es soll ein ähnlicher Antrag in einem anderen Landtage zur Verhandlung gekommen sein, aber in Österreich ist man dort davon abgegangen, und die Regierung würde nur schwer sich entschließen können von dem bisher festgehaltenen Prinzipe der Öffentlichkeit für einzelne Länder abzugehen. 8chwärzler. Mich hat es wirklich sehr befremdet, und ich kann es auch heute nicht begreifen, wie es kommt, daß der Herr Abgeordnete Baron Seyffertitz einen Antrag auf geheime Abstimmung einbrachte und er bekanntermaßen doch zur Fortschrittspartei gehören will, auch schon bei so vielen Anlässen auf die benachbarte Schweiz hinwies, und uns deren Einrichtungen zum Muster vorführen wollte. Ich frage Sie nun meine Herren, ist es nicht gerade die Schweiz, das Land der Freiheit wo nicht die geheime, sondern die öffentliche Abstimmung eingeführt ist? Hier in Österreich hielt man es für einen Fortschritt, ja für eine große Errungenschaft, als im Jahre 1849 an die Stelle der geheimen Abstimmung die öffentliche getreten ist. Soll dieses Institut sich seitdem nun so schlecht bewährt haben, daß es schon wieder aufgehoben zu werden verdiene. Ich wenigstens konnte mir diese Überzeugung noch nicht verschaffen, wohl aber bei mehreren Wahlanläßen jene Überzeugung, daß das Volk bei uns nicht gar so schüchtern und so rücksichtsvoll ist, daß es nicht ungenirt und ohne Befangenheit wählen dürfte. Bei geheimen Wahlen würden Schleichwegen Eingang verschafft, und diese Wege meine Herren sollte man so viel möglich hintanzuhalten suchen. Wer feine Farbe nicht öffentlich bekennen darf gehört nach meiner Ansicht zur Klaffe der geringeren Charaktere und dieser Klasse zu lieb sollte man sich doch nicht der Gefahr zu Mißbräuchen bei den Wahlen aussetzen. Daß aber überhaupt bei Wahlhandlungen gar alle Übelstände und alle Unzukömmlichten beseitiget werden können wird wohl eine Unmöglichkeit sein und man wird dießfalls noch nicht so bald zu einer Vollkommenheit gelangen, wohl aber soll man nach meiner Ansicht in dieser Beziehung auf der Hut sein, und wenigstens dahin streben, daß man nicht das Bessere gegen das Schlechtere vertausche, daher den Weg, den uns die Mehrheit des Komites vorgeschlagen, jwohl anschaue und es gut überlege, bevor man ihn betritt und es später nicht bereuen zu müssen, ihn eingeschlagen zu haben dieses veranlaßt mich dem Antrage des Herrn Abgeordneten Dr. Jussel beizustimmen. Landeshauptmann. Wünscht noch Jemand das Wort zu nehmen? Seyffertitz. Wenn mein Herr Vorredner meine Worte gegenwärtig sich gehalten hätte, welche ich bei der allgemeinen Begründung meines Antrages gesprochen habe, so würde er es für überflüssig erachtet haben, dasjenige zu sagen was er soeben gesprochen hat. Damals habe ich gesagt, ich sei nur das neutrale Medium für diese Frage. Nach meiner Meinung hat es nämlich mit der Frage des Fortschrittes oder Rückschrittes gar nichts zu thun, ob die Wahlen geheim oder öffentlich sind. Die Öffentlichkeit meine Herren, ist dort am Platze, wo es sich darum handelt, den Einzelnen den das Volk gewählt hat zu kennen wie er stimmt und spricht, die Abstimmung selbst sei sie öffentlich oder geheim ist nur das Mittel, wie der Komitebericht sagt, die Majorität der Bevölkerung und ihren Sinn kennen zu lernen, und dem gegenüber behaupte ich trotz alledem, was gesagt worden ist, daß die geheime Abstimmung in jenem Stadium in welchem sich unser Volk gegenwärtig befindet, daß bessere und zuverlässigere Mittel ist als die Öffentlichkeit. Es ist unzulässig mir mit Beispielen der freien Schweiz zu kommen. Meine Herren wir sind noch lange keine Schweizer, dasjenige was für die Schweizer gut ist, ist daher für uns noch lange nicht gut. Ich habe bereits damals, als ich den Antrag begründete, darauf hingewiesen, daß ein politisch hochstehendes Volk, nämlich das englische, mit Macht auf die Einführung des geheimen Polls oder der geheimen Abstimmung bei den Parlamentswahlen dringt. Sicher kann man nicht sagen, daß die Engländer keine Charaktere seien, dennoch ist gegenüber einer abgeschlossenen herrschenden Kaste eine überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung vorhanden, welche sagt: „Wir wollen unabhängig von Euch in den Vertretungskörper des Reiches wählen, Um dieses thun zu können, müßen wir die geheime Abstimmung haben. Man hat insbesondere mehrere Gründe angewendet, die gegen diese geheime Abstimmung sprechen sollen. Von Allem, was vorgebracht worden ist, gibt es nach meiner Meinung nur Einen Grund, der halbwegs stichhaltig ist, obwohl ich ihn auch nicht dafür erkenne; man sagt nämlich, die geheime Abstimmung begünstige die Demoralisation des Charakters. Scheinbar ist dieser Grund vor - 186 — Handen; allein ich frage nur, ob er bei der öffentlichen Wahl nicht in noch viel Hähern Grade vorhanden ist. Wenn Jemand geheim wählt, so geht er eben hin, er braucht vor Niemanden sich zu fürchten, Niemanden zu fragen, hat Niemanden nachzufragen, wie er wählen soll; wenn er aber öffentlich vor die Wahlkommission tritt, die Namen jener zu nennen hat, welche nach seinem Wunsche seine Vertreter sein sollen, dann tritt ihm mit einemmale das ganze Gewicht seiner moralischen Abhängigkeit vor die Seele, wenn er fürchten muß, durch seine Abstimmung irgend Jemanden, von dem er abhängt, zu nahe zu treten; dann, meine Herren, steht er moralisch viel tiefer, als wenn er geheim abgestimmt hätte: denn er weiß, daß er nicht mehr frei abstimmen kann. Kein Mensch, der wich kennt, wird mir vorwerfen, daß ich ein Freund der Heimlichkeit, daß ich ein Feind der Öffentlichkeit und Geradheit sei- Allein der Politiker darf die Menschheit nicht ideal auffassen, er muß das Volk nehmen wie es ist und nicht — wie es sein sollte. Glauben Sie sicher meine Herren es ist mir in meiner eigenen Erfahrung vorgekommen, daß mir Leute, ehrenwerthe Leute ihr Leid geklagt haben, daß sie ihr Wahlrecht nicht ausüben können, sie seien zu abhängig dazu, sie können es nicht wagen, öffentlich ihre Wahl vorzunehmen, wie sie wollen — und so, wie jene wollen, von denen sie abhängig sind, so wollen sie nicht wählen. Glauben Sie sicher, ein Hauptgrund, daß unsere Wahlplätze nicht so häufig besucht sind als sie besucht wären, liegt darin, daß eine große Anzahl von Wählern t lieber nicht wählen geht, als öffentlich wähltIch habe damals gesagt, daß ich das neutrale Medium für diese Frage sei; nun ich muß sagen, im Lause der Berathungen, die über diesen Gegenstand im Comite gepflogen worden sind und je mehr ich darüber nachgedacht habe: diese Neutralität hat bei mir aufgehört! Ich pflichte wirklich den Vorzügen bei, welche das geheime Wahlverfahren hat, und obgleich ich mit jener Broschüre, die Ihnen Allen zugekommen sein wird, nichts zu thun habe, und von deren Geburt ich ebenso überrascht war, wie Sie alle, so habe ich doch gefunden, daß diese Broschüre in dieser Beziehung die Wahrheit enthält: und für dasjenige, was ich als Wahrheit erkenne, habe ich noch nie angestanden öffentlich Zeugniß abzulegen; allein ich glaube zwischen meiner Stellung, in der Gesellschaft, und der Stellung irgend eines abhängigen Wählers im Lande ist ein himmelweiter Unterschied, und so zu sprechen, wie ich in der Öffentlichkeit ru sprechen gewohnt bin, so glaube ich wird es in Vorarlberg nicht sehr viele Leute geben. Würde ich die Überzeugung haben, daß es viele solche Leute geben würde, dann würde ich auch für die Öffentlichkeit der Wahlen sein. Endlich muß ich noch den Herrn Vorredner Schwärzler an einen Umstand erinnern, wenn er so sehr von der Zweckmäßigkeit der Öffentlichkeit der Wahlen überzeugt ist, denn es ist etwas ganz anderes von der Zweckmäßigkeit der Öffentlichkeit, als von der Zweckmäßigkeit der öffentlichen Wahlen zu sprechen. Wenn er von dieser Zweckmäßigkeit so sehr überzeugt ist, warum stellt er nicht den Antrag auf Abänderung der Geschäftsordnung im Landtage, warum findet er es nicht sehr zweckmäßig, anstatt daß wir auf geheimen Papierzetteln die Comite-Wahlen vornehmen, daß nicht jeder von uns auch öffentlich hier in diesem Hause erkläre, wen er in dieses oder jenes Comite von seinen Collegen gewählt haben will? Das würde sicher auch zur Bildung des Charakters, es würde sicher auch für die Wahrheit ein Hauptmittel sein! Ebenso wenig aber als ich glaube, daß Herr Schwärzler diesen Antrag stellen wird, ebenso wenig glaube ich, daß die Majorität des vorarlbergischen Volkes mit uns einverstanden sein wird, wenn wir über diese Frage, welche heute auf der Tagesordnung steht zur Tagesordnung übergehen würden. Es ist eine andere Frage meine Herren, welche Stellung dazu die Regierung einnehmen wird. Wenn die Krone dem Prinzipe nicht huldigt, welches in der geheimen Abstimmung liegt, wenn sie glaubt, daß das Princip, welches in den Landesordnungen niedergelegt ist, das richtige 187 ist, dann wird sie allerdings die allfälligen Beschlüsse des hohen Hauses nicht sanktioniren. Nun dann wissen wir woran wir sind. Allein die Rücksicht, ob die hohe Regierung ein vom Landtage vorgeschlagenes und angenommenes Gesetz nicht sanktionirt, diese Rücksicht oder Aussicht kann mich nicht abhalten für das zu stimmen, was ich für das richtige Prinzip halte. Ein Conflict zwischen der Landes-Vertretung und der Regierung wird hier ohnehin nicht vorliegen können, denn deßwegen, daß irgend etwas noch nicht im Prinzipe genehmiget wird, was der Landtag im Prinzip beschlossen hat, darin liegt ein Konflikt nicht, weil es sich hier nicht um eine unmittelbar praktische Verfügung handelt, sondern eben nur um ein Prinzip, und weil wir ein Wahl-Gesetz schon da haben, welches, wenn auch die hohe Regierung auf die Anträge nicht eingehen sollte, dann dennoch zur Geltung kommen wird, so wie die Wahlen bisher ja vorgenommen wurden! __ Ganahl. Ich zähle zu jenen, die im konstitutionellen Leben die Mündlichkeit und Öffentlichkeit in der Regel an die Spitze gestellt wissen wollen. Wenn ich daher in dieser Beziehung für den vorliegenden Fall meine Meinung ändere, so thue ich es, weil ich die Überzeugung habe, daß die große Mehrheit des vorarlbergischen Volkes für die geheime Abstimmung sich ausspricht und weil ich ferner die Überzeugung habe, daß in der öffentlichen Abstimmung nicht der wahre Ausdruck des Volkswillens liegt. Ich bin mit dem Herrn Dr. Jussel vollkommen einverstanden, daß, wie er sagt: Wahrheit und Recht Grundlage der sittlichen Weltordnung sein sollen. Eben weil ich damit einverstanden bin, so muß ich mich für die geheime Abstimmung aussprechen, weil ich in der öffentlichen, diese Wahrheit nicht finde- _ Meine Herren! man muß hauptsächlich das Abhängigkeitsverhältniß der verschiedenen Volksklassen ins Auge fassen und dann wird man finden, daß Mancher seine Stimme anders abgibt, als er es thäte, wenn er den geheimen Stimmzettel in die Urne werfen könnteIch bitte zu berücksichtigen, was thut z. B. ein Subalterner Beamter, wenn sein Chef mehr als deutlich den Wunsch ausdrückt wer gewählt werden soll? Er wird seine Stimme einer ganz anderen Persönlichkeit geben, als die er wählen würde, wenn er geheim abstimmen könnte, und derjenige welcher nicht gerade auf die Ordre du Mufti eingeht, beweist schon viel Muth, wenn er nicht zur Abstimmung kommt. Ich frage weiter, was thut z. B. der Gevatter Schneider oder Schuster, wenn er erwägt im Falle er diesem oder jenem seine Stimme nicht gäbe, er leicht eine Einbuße seiner Kundschaft bekäme? Er rechnet mit seinem Interesse und wählt oft auch einen anderen als den er gerne haben möchte. So ist es bei allen mehr oder weniger abhängigen Leuten, der Fall, so z. B. beim Lehrer Organisten, Meßner u. dgl. Ich frage Sie meine Herren, ob die Stimme, die solche Leute abgeben, in der Regel jene ist, die sie in Wahrheit abgeben würden, wenn die geheime Abstimmung da wäre, ich bin vollkommen überzeugt, daß das nicht der Fall ist. Mit dem Vortrage des Herrn Dr. Jussel indem er sagt, daß er sich auf den idealen Standpunkt gestellt habe, dadurch daß er die öffentliche Abstimmung vertheidigte bin ich einverstanden. Er meint, das Volk sollte eben so sein, allein wir wissen, daß es nicht so ist, und so lange das Abhängigkeits-Verhältniß überhaupt besteht, wird das Volk auch nicht anders sein, allein nicht nur unser Volk meine Herren ist so, auch bei andern Völkern übt das Abhängigkeitsverhältniß in der Regel seine Wirkung und wird demselben Rechnung getragen. Groß ist die Zahl derjenigen, die unabhängig dastehen, in Vorarlberg nicht, es giebt, wohl solche, die in der Lage sind, ganz nach ihrer Überzeugung zu stimmen aber wie gesagt, groß ist bis Zahl nicht. 188 Auch nicht größer ist die Zahl derjenigen, die trotz des Abhängigkeitsverhältnisses dennoch den Muth haben, ihre Stimme öffentlich nach ihrer Überzeugung abzugeben. Aus diesem Grunde meine Herren und weil ich wie ich schon gesagt habe, die ganz bestimmte Überzeugung habe, daß die große Majorität des Vorarlbergischen Volkes für die geheime Abstimmung ist, und daß nur durch die geheime Abstimmung der wahre Volkswille ausgedrückt wird, stimme ich obwohl ich sonst für die Öffentlichkeit und Mündlichkeit bin für die geheime Abstimmung. Rhomberg. Ich habe im Lande verschiedene Meinungen über diesen Gegenstand vernommen und ich möchte mich nicht vermeßen, zu behaupten, daß die Majorität des Landes vielleicht nicht etwa für die öffentliche Abstimmung gestimmt ist; es wäre aber ein hartes Ding, wenn man seine innigste Überzeugung an die s. g. öffentliche Meinung hängen müßte. Das ist auch eine Abhängig, und ich glaube, daß wir hier nicht berufen sind, unsere Institutionen so zu modeln, daß der Furcht eilte Konzession gemacht werde. Jeder, der einmal im öffentlichen Leben es erfahren hat, wie schwierig es oft ist, eine Persönlichkeit zu finden, die ein öffentliches Zeugniß freiwillig abgibt, eine Gewährschaft stellt in irgend einem Gegenstände, der wird sich nie versucht fühlen, diese menschliche Schwäche noch mehr zu erweitern, und es ist durchaus nothtwendig, daß wir unsere dermaligen Institutionen auch fortan behaupten, weil sie auf die Kräftigung des Charakters, und nicht auf dessen Abschwächung hinzielen. Ich bin daher durchaus nicht in der Lage, einer geheimen Abstimmung, wie sie hier eingeführt werden will, beizustimmen, um so weniger, als sie ganz im Widerspruche mit den allen Institutionen, mit unseren bestehenden Gesetzen ist. Es handelt sich mehr um die Erhaltung derselben, und ich kann mich wirklich nicht entschließen, dem Antrag des Hrn. Barons Seyffertitz beizustimmen und muß mich jenem auf Übergang zur Tagesordnung anschließen. Schwärzler. Ich erlaube mir dem Hrn. Vorredner Baron Seyffertitz zu entgegnen, daß er nach meiner Ansicht das vorarlbergische Volk den Schweizern gegenüber doch zu weit zurücksetzt. Ich gebe zwar zu, daß wir noch nicht auf jener Stufe wie die Schweizer stehen, allein das muß ich widersprechen, daß der Vorarlberger an Bildung so weit zurück wäre, daß ihm die Fähigkeit zur Ausübung jedartiger Selbständigkeit abgesprochen werden könnte. Weiters muß ich auch darauf Hinweisen, daß, wie der Hr. Regierungskommissär bemerkt hat, in andern Landtagen diese Sache gar nicht, oder wenigstens nur an einem Orte in Anregung gekommen ist, und dürste es nicht gerade anderwärts, wo das Volk nach dem öffentlichen Urtheile noch weiter zurück ist, als in Vorarlberg, angezeigter sein dieses Institut zu verwerfen, allein dort hat man, wie es scheint, eben keine solchen Bedenken über die öffentliche Abstimmung, darum glaube ich, daß auch wir sie nicht haben sollen, und stimme daher wiederholt dem Antrage des Hrn. Dr. Jussel bei, zur Tagesordnung überzugehen. Seyffertitz. Die beiden Herren Vorredner haben aus Verschiedenem ihre Motive genommen. Der Herr Abgeordnete von Dornbirn hat uns darüber belehrt, daß, nicht weil, sondern obgleich die öffentliche Meinung sich in Vorarlberg vielleicht für die geheime Abstimmung ausspreche, er dennoch für die Öffentlichkeit sei, weil er von der öffentlichen Meinung nicht abhängig sein wolle. Der Ansicht bin ich nicht: ich glaube, daß wir hier die öffentliche Meinung nicht zu machen haben, sondern, daß jeder von uns dem Ausdruck zu geben habe, was ihm als die öffentliche Meinung erscheint. Was der Herr Abgeordnete von Schwarzach bemerkt hat, so glaube ich, hat er meine Worte, welche einen Vergleich zwischen Vorarlberg und der Schweiz enthalten, mißverstanden. Ich hätte mich auch deutlicher ausdrücken sollen, ich hätte sagen sollen: „Unsere öffentlichen Verhältnisse sind noch lange nicht die der Schweiz“ dann würde es besser zu verstehen gewesen sein; denn es ist sicher etwas anderes, ob ein Volk bis in die obersten Spitzen hinauf seine Behörde und seine Beamten selbst wählt, und selbst nach dreijähriger Periode sie wieder wegschickt, oder ob dieses nicht der Fall ist. 189 Dieser Umstand, daß die Schweiz eine republikanische Staatsverfassung hat, der Umstand muß, wenn man über die Öffentlichkeit des Wahlsystemes spricht, wohl ins Auge gefaßt werden. Ich habe nur dieses bemerken wollen um auf mir nicht allenfalls den Schein ruhen zu lasten, der vielleicht auf mich da hätte geworfen werden sollen, als ob ich das vorarlbergische Volk so tief unter seinen Nachbarn stehend erachte. Ich glaube die Worte, welche ich gesprochen habe, bewahren mich vollständig vor dieser Mißdeutung. Was endlich den Vergleich, der beliebt worden ist, mit jenen, wie soll ich sagen, mit jenen im Osten gelegenen österr. Ländern betrifft, so gilt es mir gerade als einen Beweis des polnischen Sinnes des vorarlbergischen Volkes, daß es, nach meiner Meinung in seiner Majorität, auf die geheime Abstimmung dringt. Ist es meine Herren, nicht denkbar, daß es Völkerschaften gibt, welche, wie soll ich sagen, politisch so stumpfsinnig sind, daß sie ihre eigene Abhängigkeit nicht einmal fühlen; ihnen gegenüber wird dasjenige Volk das höher stehende, das politisch gebildetere sein, welches, im Gefühle seiner Schwäche, gerade diese Schwäche zu entfernen bestrebt ist, indem es durch eine Art des Wahlverfahrens die Wähler vor den verderblichen Folgen ihrer sozialen Stellung bewahrt. Darum sehe ich gerade, daß das vorarlbergische Volk in Folge dieses seines Wunsches höher steht, als das manches anderen Königreiches und Landes, welches sonst noch mit uns in einem Staatsverbande sich befindet. Dr. Bickl. Von Allem, was bisher gegen die geheime Abstimmung vorgebracht wurde, scheint mir der größte Theil gar keine Anwendung auf dieselbe zu finden, Vieles aber sogar für die geheime Abstimmung zu sprechen. Es ist nämlich vor allem bemerkt worden, daß Wahrheit und Recht die Grundlage der sittlichen Weltordnung sind. Das wird wohl Niemand bezweifeln; allein es frägt sich eben immer dabei vor allem, was ist wahr und was ist recht? denn wir können mit diesem Grundsätze, daß Wahrheit und Recht die Grundlage der sittlichen Weltordnung bilden, nichts anfangen, wenn wir nicht früher nachforschen, was wahr ist und was recht ist. Es ist eben unsere Aufgabe die Wahrheit und das Recht zu suchen. Die Wahrheit in dem vorliegenden Falle zil suchen besteht aber darin, zu streben, daß das Volk jene Männer finde, welche ihrer vollsten Überzeugung Ausdruck geben, welche das Beste des Landes wollen; daß also das Volk diejenigen zu seinen Vertretern wähle, zu welchen es das beste Vertrauen hat, daß sie seine Sache gehörig erfassen und auch gehörig vertheidigen können. Es dienet aber gerade die geheime Abstimmung dazu, die Wahrheit zu finden. Wie mein Vorredner erörtert hat, ist die Art und Weise, wie man bei der öffentlichen Abstimmung vorgeht, zu bekannt, als daß der geringste Zweifel ausstoßen könnte, daß bei der öffentlichen Wahl der Wahrheit das Zeugniß nicht gegeben werde. Mancher muß bei der Wahl seine Stimme gegen seine beste Überzeugung abgeben, indem bei dem verschiedenartigen Drucke der auf dem Wähler lastet, dieser oft gegen seine Ansicht stimmt und oft jenen wählt dem er das vollste Vertrauen nicht gönnt, sondern lieber Jemand anderen vorziehen würde. Also wird dabei gerade der Wahrheit entgegen gearbeitet. — Es hat auch geheißen, das Recht sei die Grundlage der sittlichem Weltordnung; nun da ist sicher auch kein Zweifel darüber. In dieser Beziehung glaube ich aber auf etwas aufmerksam machen zu sollen, was noch gar nicht erwähnt wurde. Bei der Wahl nach der bisherigen Wahlordnung wird der Gleichberechtigung offenbar Eintrag gethan, und es kann bei öffentlichen Wahlen unmöglich anders geschehen. Diejenigen, welche die Stimmen bei der Wahl zuerst abgeben, sind offenbar nicht so gut daran, wie diejenigen, welche die Stimmen zuletzt abgeben können, nachdem einmal ein größerer Theil der Wahlmänner gestimmt hat, denn da sehen diejenigen, die übrig sind, was für Männer Aussicht haben gewählt zu werden, und können also den Kreiß viel genauer und enger ziehen als diejenigen, welche die ersten Stimmen abgegeben haben. Alle können aber bei der öffentlichen Wahl ihre Stimmen unmöglich aus einmal geben, deßhalb glaube ich, es wird dabei der Gleichberechtigung Eintrag gethan. Weilers wurde gegen die geheime Abstimmung die Phrase „der Zweck heiligt die Mittel nicht", vorgebracht; das ist allerdings richtig, allein es frägt sich eben, ob das Mittel die Wahrheit durch geheime Abstimmung zu erforschen etwas Unsittliches oder etwas Rechtswidriges enthalte. Rach meiner Ansicht steckt darin gar nichts Entgegenstehendes. Ich kann meine Meinung öffentlich äußern, oder ich kann sie auch mündlich äußern; das wird doch gleichgiltig sein, wie ich meine Ansicht äußere; habe ich Charakterfestigkeit genug, oder will ich einen besondern Werth Darauf legen, so kann ich dem Wahlzettel meinen Namen beisetzen oder öffentlich sagen so und so stimme ich; ich bin daran ungehindert; selbst wenn ich es geheim gethan habe, kann ich doch noch öffentlich bestätigen, daß ich es bin, der das gethan hat. Es ist also gar nichts Unsittliches an der Sache, (Sehr gut) sondern die geheime Abstimmung ist an und für sich so unschuldig als wenn ich sonst irgend eine Ansicht schriftlich abgebe. Wohl aber führt die Abstimmung auf öffentlichem Wege zur Unsittlichkeit wie der Hr. Vertreter der Handelskammer schon überzeugend erörtert hat. Offenbar zur Unsittlichkeit und Niederträchtigkeit führt es und erniedrigt den Wähler selbst im höchsten Grade, (Sehr gut) wenn er oft, in seiner Lage, in der er ist, ohne sich selbst, ohne seine Familie zu ruiniren, unmöglich anders wühlen kann, als gerade wie die Verhältnisse ihn zwingen. (Bravo.) Da muß er denken, die ganze Welt ist voll Lüge und Niederträchtigkeit; er muß es sich selbst gestehen und denken, er habe nicht recht gehandelt, und argwöhnen die ganze übrige Welt sei ebenso wie er, (Bravo) weil er sich durch den Druck der Verhältnisse bestimmen ließ. (Bravo) Ein dritter Einwand wurde gemacht, daß gegenwärtig das Prinzip der Öffentlichkeit herrsche; das ist sehr schön. Die Öffentlichkeit bei Verhandlung, wo man eben wissen will, daß keine Ungerechtigkeit vorgehe, daß keine Schliche geschehen — diese Öffentlichkeit ist allgemein zu vertheidigen - hat aber vorzüglich auf den Richterstand und andere Angelegenheiten der öffentlichen Berathungen und Verhandlungen Anwendung, aber auf die Wahl nicht. Es ist auch vorgebracht worden, daß die öffentlichen Wahlen das Beste seien, weil sie fast überall bestehen und namentlich auch in der freien Schweiz. Leider haben manche Institutionen schon lange, ja seit tausend Jahren bestanden und doch finden wir, daß sie abgeändert werden sollen und abgeändert werden müssen. Wir haben immer dahin zu arbeiten, Mißstände zu beseitigen, sobald wir sie als solche erkennen. Die öffentliche Abstimmung erkenne ich als einen solchen Mißstand, mithin soll er abgeschafft werden. — Es ist bemerkt worden, daß man der öffentlichen Meinung keine Konzession machen müsse. (Rhomberg: So ist es nicht gesagt worden.) Wenn ich den Ausdruck unrichtig verstanden habe oder wenn er zurückgenommen wird, so brauche ich ihn nicht zu widerlegen. (Ganahl: Es ist gesagt worden.) Es ist mir vielmehr sehr lieb, daß ich der Muhe überhoben werde, ihn zu widerlegen. Ich bemerke aber in dieser Beziehung im Allgemeinen, daß man der öffentlichen Meinung so lange Rechnung tragen soll, so lange man gegen die Wahrheit derselben nichts vorzubringen vermag. (Sehr gut, bravo.) Ich bin also ganz für die geheime Abstimmung und befürchte sogar, daß wir oder Gemeindevorsteher, welche gegen die öffentliche Abstimmung sprechen, den Verdacht auf sich laden, daß 191 sie — weil sie in Folge öffentlicher Abstimmung zu solchen Stellen gelangt sind — besorgen, sie möchten bei der geheimen Abstimmung nicht mehr dahin gelangen können. (Ausgezeichnet, bravo, richtig.) Wohlwend: Der in Frage siebende Gegenstand ist sowohl nach der Theorie als nach der Praxis gründlich, ich möchte sagen erschöpfend behandelt worden und es könnte in dieser Beziehung wohl nicht- mehr weiter gesprochen werden, wenn man nicht bezüglich der einzelnen Sätze förmliche Abhandlungen halten wollte. Das ist aber nicht unsere Sache — und ist auch nicht meine Absicht. Meine Absicht ist einzig nur die, mein Votum zu begrünten. Jeder der Herren, er mag sowohl auf dem Standpunkte der Theorie als der Praxis stehen, kann bezüglich seiner Anträge recht haben, jedoch nur in so ferne, als er von seinem Standpunkte ausgegangen ist. Mein Standpunkt ist dem der Praxis, und deßhalb stimme ich für die geheime Abstimmung. (Bravo.) Landeshauptmann. Wünscht noch Jemand das Wort? Ganahl. Ich erlaube mir die Frage ob über den Antrag wegen Abänderung des §. 24 der Gemeindewahlordnung eine besondere Debatte stattfinden werde oder nicht? Landeshauptmann. Nachdem Herr Dr. Jussel beide Anträge unter Einem begründet und vorgetragen hat, muß ich auch gestatten, daß für die Abänderung der §§. der G.-W.-O. gleichtig das Wort geführt werde. Wünscht noch Jemand das Wort? Ganahl, Ich möchte mir erlauben zu bemerken, welche Beobachtungen ich bei den Gemeindewahlen und namentlich auf dem Lande gemacht habe. Nach der Vorschrift sitzt da gewöhnlich eine Commission bestehend, wenn nicht gerade der Vorsteher da ist aus den Gemeinderäthen und den Kassiren u. f. w., und wenn der Vorsteher und die Gemeinderäthe nicht am Commissionstische sitzen, so sind sie doch in dem Abstimmungslokale. Nun oft habe ich zu so Leuten gesagt, warum geht Ihr nicht zur Wahl? Warum sollen wir gehen, sie sitzen ja am Commissionstisch und darum können wir nicht wohl andere wählen als die dort sitzen. (Heiterkeit.) Da gehen wir nicht hin, lieber wählen wir nicht und bleiben zu Hause. Das ist die Ursache warum bei den Wahlen oft so wenig Wahlberechtigte erscheinen. Da haben Sie den Fingerzeig der öffentlichen Meinung und wie ich gesagt habe, den Beweis, daß eine große Mehrzahl für die geheime Abstimmung ist, nur in der Geheim-Abstimmung meine Herren! liegt der Ausdruck der Wahrheit des Volkswillens, und nicht in der Öffentlichkeit. Die öffentliche Abstimmung ist, meine Herren, in dieser Beziehung gemacht für die Negierung. Darum meine Herren! ist auch die Regierung gegen die geheime Abstimmung. (Bravo, Bravo!) Rhomberg. Es ist von Vorgängen bei den Wahlen auf dem Lande gesprochen worden. Ich kann von diesen aus Erfahrung reden, und nehme jedenfalls keinen Anstand zu sagen, daß bei den Gemeindewahlen der Druck auf die öffentliche Meinung als Ausnahme dastehen durfte. Es hat auch von andern Wahlvorgängen schon verlautet, wie bei den Wahlvorgängen in Städten, wo ganz andere Leute da saßen, als quasi Kontrollkommission und deßhalb sage ich, daß die Wahl auf dem Lande jener in der Stadt an Moralität mindestens nicht zurücksteht. Ganahl: Ich habe durchaus nicht behauptet, daß die Landgemeinden in Beziehung auf die Wahl in der Moralität den Städten zurückstehen. 192 Ich gebe zu, daß in den Städten die gleichen Unzukömmlichkeiten Vorkommen wie auf dem Lande. Schwärmer. Dem Herrn Abgeordneten Ganahl gegenüber erlaube ich mir auch noch zu bemerken, daß ich mir schon die Überzeugung verschaffen konnte, daß die Wähler aus die anwesenden Personen, und besonders auf die Wahlkommission, die am Tische sitzt, gar keine Rücksichten nahmen, sondern sogar sich aussprachen, von diesen wählen wir keinen, und es dann auch wirklich so durchführten. Wenn nun auch nicht geleugnet werden kann, daß mitunter auch abhängige Leute darunter waren, so haben sie sich doch nicht gescheut. (Rhomberg: ganz richtig.) nach ihrer freien Überzeugung zu wählen, und somit ist dieses ein Beweis, daß gerade auf dem Lande die Leute so viel Courage haben, daß sie sich beim Wählen in ihren Meinungen nicht beirren lassen. Wenn mitunter Einer oder der andere als gewählt erscheint der nicht gerade jedermann anpaßt, so heißt es allerdings, es ist diese Wahl nur aus Rücksichten so ausgefallen, allein ich glaube, es können dießfalls auch ganz irrige Ansichten bestehen, und kann somit der Gewählte doch vollkommen der Mann des Vertrauens sein. Übrigens muß ich dem Herr Ganahl noch weiter bemerken, daß er ganz irrig daran ist wenn er glaubt, auf dem Lande werde bei Wahlen mehr Unfug getrieben, als in Städten, dafür dürfte er vielleicht keine Beweise haben, was aber in dieser Beziehung in Städten geschieht, ist mir auch zu wenig bekannt, und will mich daher nicht weiter darüber einlassen. Ganahl. Ich habe noch eine persönliche Bemerkung vorzubringen. Mein verehrter Herr Collega, der Abgeordnete von Schwarzach hat gesagt: „er könne nicht zugeben, wie ich gesagt habe, daß auf dem Lande Unfug getrieben werde. Ich habe von Unfug gar nichts gesprochen, ich habe nur von der Befangenheit der Wähler gesprochen ober von dem Widerwillen, den ihnen diese Commission oder die Herren, die am Commissionstische sitzen einflößen aber nicht von Unfug. Nach meiner Ansicht ist das kein Unfug, wenn einer nicht wählen will, wenn Jemand eben nicht wählen will, so hat er das Recht es bleiben zu lassen. Schneider. Ich muß auch ein Wort wegen meinem Herrn Nachbar Dr. Bickl reden, indem er glaubt, daß die öffentliche Wahl nur für die Vorstehungen günstig sei, die ihre Ämter verlieren oder nicht mehr zum Amte gelangen könnten, wenn die geheime Abstimmung eingeführt würde, daß also die öffentliche Wahl ein großer Vortheil für diejenigen sei, welche gegenwärtig schon in der Gemeindevertretung sind und wieder in die Gemeindevertretung kommen wollen, ich glaube aber, daß dieses der Fall nicht ist, da sowohl bei der öffentlichen Wahl als auch bei der geheimen Abstimmung Wahlumtriebe stattfinden können und gerade in diesem letzten Falle kann es vorkommen, daß mancher eine Beihülfe zum Schreiben der Zettel benöthigen wird man gibt die Zeltel aus läßt die Namen darauf schreiben und bringt sie dann wieder herbei., . Landeshauptmann. Wünscht Niemand mehr das Wort zu nehmen. Seyffertitz. Es ist soeben noch ein Grund gegen die geheime Abstimmung geltend gemacht worden, der in der früheren Debatte nicht berührt worden ist, das ist die Möglichkeit von Wahlumtrieben mittelst Stimmzettel, d' h. wie ich mir die Sache vorstelle nur so, daß irgend eine Parthei, irgend eine Persönlichkeit, welche gewählt werden will, oder welche ihren Anhang in die Vertretung bringen will, daß eine solche Partei Stimmzettel ausgebe, d. h. einzelnen Wählern solche Stimmzettel in die Hand drückt und sagt: Sei so gut und wirf den Stimmzettel in Urne. Dabei mag sein, daß diese Partei oder Persönlichkeit auf die Schreibfaulheit der Wähler spekulirt und sich denkt, er wirft lieber einen Zettel mit 6 oder 10 Namen in die Urne als daß er sich selbst die Mühe nimmt, darüber nachzudenken, wen er ausschreiben soll. Nun vor der Hand habe ich die Erfahrung gemacht, daß im Lande Vorarlberg jeder Wähler schreiben kann, es gibt keine Wähler in Vorarlberg, die nicht schreiben können — das sann also kein Hinderniß sein. -V3 — Allein ich sage, selbst wenn eine Parthei oder Persönlichkeit das thäte, was wäre da daran? Man muß voraussetzen, wenn er ihm gefällt, so wirst ci ihn in die Urne, dann ist es seine Meinung und ebensoviel als wenn er ihn selbst geschrieben hätte — oder, wenn er ihm nicht gefällt, dann ist er eben in Folge der geheimen Abstimmung viel eher in der Lage, den Zettel wegzuschmeißen und dafür einen andern zu schreiben, als wenn er öffentlich wählen würde, denn es ist denkbar und schon vorgekommen, daß einzelnen Persönlichkeiten oder Partheien auch bei dem gegenwärtig geltenden Wahlverfahren irgend eine Wählerliste zu den Wählern geschickt, ihnen präsentirt und gesagt hat: „Seid so gut und wählt diesen." Wenn nun ein solcher Wähler mit dieser Liste nicht einverstanden, aber zufälligerweise von demjenigen, der diese Liste in Umlauf gesetzt hat, abhängig ist, so wird er sich viel schwerer von dieser Liste trennen, als wenn er den geheimen Abstimmungszettel wegzuwerfen hätte. Wie es scheint schlägt alles was man vorgebracht hat, merkwürdigerweise zu Gunsten der geheimen Abstimmung aus. Das aber ist eben das eigenthümliche Prinzip des Wahren, daß immer dasjenige, was dagegen vorgebracht wird zu Gunsten der Wahrheit ausfallen muß. Landeshauptmann: Wünscht noch Jemand das Wort zu nehmen? Wenn nicht so erkläre ich die Debatte für geschlossen und ertheile dem Hrn. Berichterstatter das Wort. Dr. Jussel. Ich trage jeder Meinung Rechnung, die ein Abgeordneter bringt. Jeder hat nach Pflicht und Gewissen zu sprechen. Ich habe erklärt, daß die Gründe, welche die Majorität des Komites vorgebracht hat, schwerwiegend sind, und daß das Komite, wie ich aus den Verhandlungen weiß, immer auf den Punkt hingearbeitet hat, die Majorität des Volkswillens kennen zu lernen. Dieser Zweck ist unanfechtbar und entspricht der Sache ganz. Allein ich muß dennoch bei meinem Antrage verständig stehen bleiben. Die Erörterungen, die gemacht wurden, dürften denn doch auch zeigen, daß gerade dieser Zweck auch bei der geheimen Abstimmung in Frage ist. Ich bin über das Wahlverfahren zu wenig erfahren; ich glaube auch, es sind im Lande Vorarlberg noch nicht so viele Wahlen vorgekommen, wenigstens Landtagswahlen sind eben noch nicht so viele da gewesen, als daß die Erfahrung dabei hätte genugsam belehren und das Beste konstatiren können. Allein ich zweifle recht sehr, ob nicht die Umtriebe bei der geheimen Abstimmung, wenn nicht größer doch mindestens gleich groß wie bei der öffentlichen Abstimmung sind. Man hat das Abhängigkeitsverhältniß vorzüglich hervorgehoben, dieses Verhältniß ist leider fatal. — Aber recht — wenn das Volk von Vorarlberg gar so abhängig ist, so möchte ich wünschen, — daß es dasselbe vollständig erkennen und fühlen lerne, damit es desto eher sich von diesem Mißverhältnisse frei mache. Ich glaube im Interesse des Volkes darauf hinarbeiten zu sollen, — daß dieser Druck, diese Fesseln schwinden. Das Volk von Vorarlberg soll selbstständig werden, soll offen und gerade bleiben, seiner Überzeugung offen Ausdruck geben lernen, deßhalb bin ich immer für die offene Wahl. Der Hr. Abgeordnete Dr. Bickl hat bemerkt, das Mittel sei an sich nicht schlecht, allerdings ein sehr wichtiger Grund. Man kann seine Meinung mündlich oder schriftlich vortragen; allein der Grund, warum man die geheime Abstimmung will, ist an sich selbst nicht solid, nicht reel, vielmehr auf Verhüllung der Wahrheit gerichtet. Man will eben das verdecken, was man denkt, was man wünscht, weil man sich nicht getraut es offen zu sagen, es führt das zur Geheimnißthuerei, es führt zu falschem Scheine, zu Trug, und deßwegen muß ich dagegen sein, und samt von meiner Meinung nicht abgehen. Wenn ich, ich komme noch einmal auf das Hausbauen, ein Haus baue und entdecke, daß ein schlechtes Material stückweise genommen wurde, so würde Jedermann sagen, man wäre ein Thor - 194 — wenn man fortbauen, würde, man wird den Ban einstellen, zuerst diesen Fehler beseitigen, um nicht am Ende das Gebäude wie ein Kartenhaus zusammenstürzen zu sehen. Ich glaube auch, wenn die Umstünde wirklich so leidig sind, daß sie die geheime Abstimmung gleichsam zur Nothwendigkeit machen, so muß man diesem Umstand abhelfen, man muß nicht fortbauen auf solchen Zuständen, andern man muß ein gutes Fundament legen. Es ist allerdings der Standpunkt, wenn ich sage — wie die Menschen sein und werden sollen — ein idealer; allein ich kann dennoch nicht davon ablassen. Die Welt ist wirklich, allein alle Herren sind darin einverstanden, daß die Verhältnisse, seien es öffentliche oder Privatverhältnisse nicht derart sind, daß wir nicht viele Verbesserungen wünschen müssen. Wenn es fehlt, wie bei einem Staate, so wird man dann doch die Grundursache untersuchen müssen, woher denn diese widrigen Zustände kommen. Man wird die Grundursache erheben um eben diesen Übelständen abzuhelfen, man muß die Übelstände bei der Wurzel fassen um sie gründlich zu beseitigen. Ich bin nicht in der Lage, nachdem ich so viele Gegner habe und alle so vieles angebracht haben, jedem Einzelnen zu widerlegen. Ich bleibe bei den Grundsätzen, die ich geäußert habe und erkläre, daß wenigstens das, was ich vorgebracht habe, strenge die Consequenz für sich hat, und nicht zum Abgehen von Grundsätzen zur Gestattung einer Ausnahme davon zwingt. Ich habe erklärt, es sei der Zweck und die Absicht im Handeln nicht genug um gut zu sein, es muß auch das Mittel gut sein. Der Zweck heiligt nie das Mittel und deßwegen bleibe ich bei meinem Anträge vollständig stehen. Landeshauptmann. Herr Dr. Jussel hat im Allgemeinen über beide vorliegende Komite Anträge gesprochen und hat in dieser zweifachen Beziehung den Antrag gestellt, daß über die vorliegenden Anträge wegen Abänderung der §§. 21 und 31 der L.-W O. sowie wegen der Abänderung des §. 24 der G--W.-O. zur Tagesordnung übergegangen werde. Ich ersuche jene Herrn, welche mit dem Antrage auf die Tagesordnung überzugehen einverstanden sind, sich von den Sitzen zu erheben. (Wurde mit 10 gegen 6 Stimmen abgelehnt.) - Ich bringe nun den Antrag in Beziehung des ersten Berichtes betreffend die Abänderung der §§. 2i und 31 der L.-W.-O. zur Abstimmung. Derselbe lautet: »Der hohe Landtag wolle beschließen, es sei die geheime Abstimmung mittelst Stimmzettel an der Stelle der mündlichen Stimmgebung einzuführen; es sei zu dem Ende der Wortlaut der §§. 21, 30, 31, 33, 35, 36 und 40 der L--W.-O. nach Maßgabe der unten folgenden Fassung abzuändern und für diese Abänderung die allerhöchste Sanktion einzuholen." Ich bitte um Abstimmung hierüber. (Majorität.) - Ich gehe über zur Spezialdebatte und zwar in Beziehung des ersten Antrages- welcher die L.-W.-O. angeht. (Dr. Jussel verliest den Gesetzentwurf Seite 120 und es wurden sämmtliche §§. ohne Debatte angenommen.) Ich beantrage die dritte und endgiltige Lesung des so eben vernommenen Gesetzentwurfes Ist die hohe Versammlung damit einverstanden? (Zustimmung.) Diejenigen Herren, welche diesen soeben vernommenen Gesetzentwurf in dritter und end«, gütiger Lesung anzunehmen gesonnen sind, wollen sich gefälligst erheben. (Angenommen.) - 195 — Seyffertitz. Der Herr Berichterstatter hat, ohgleich er nicht der Ansicht der Majorität des Komites war mit dankenswerthem Eifer mitgearbeitet um die Komite-Anträge der Majorität zu fassen. Die Majorität des Komites hat jedoch noch einen anderen, blos mündlichen, Beschluß gefaßt und der ist der, bei Vorlage des heute beschlossenen Entwurfes an die hohe Negierung das Ersuchen -zu stellen; durch dieselbe die allerhöchste Sanction zu diesem Gesetzesentwurf oder seine Ablehnung, wenn erstere nicht möglich ist, rasch zu ermöglichen, damit die bereits bevorstehenden Landtagswahlen, wenn die Sanction erfolgt, nach der neuen Wahlordnung vorgenommen werden können. Ich erlaube mir diesen Antrag zu bringen, derselbe wäre jedoch nur als Wunsch vom Landtage auszusprechen. Landeshauptmann. Stimmt die hohe Versammlung in den eben vernommenen Wunsch bei? (Zustimmung) Ich gehe nun über zum zweiten Gegenstand, nämlich zur beantragten Abänderung des §. 24 der G.-W.-O. Ich bringe den Antrag zur Abstimmung, derselbe lautet: „Es sei die geheime Abstimmung mittels Stimmzetteln an der Stelle der mündlichen Stimmgebung einzuführen; es sei zu diesem Zwecke der Wortlaut ber. §§. 23, 24, 26, 27 und 30 der G.-W. O. nach Maßgabe der unten folgenden Fassung abzuändern und hiefür die allerhöchste Sanktion einzuholen." Findet noch Jemand etwas beizusetzen. (Niemand.) Ich bitte sohin um Abstimmung.