18640405_lts012

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Letzte Änderung 02.07.2021, 18:05
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp01,lts1864,lt1864,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. Stenographischer Sitzungsbericht. XII. Sitzung am 5. April 1864. Unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Sebastian von Froschauer, im Beisein des landesfürstl. Herrn Commissärs, des k. k. StatthaltereiRathes Franz Ritter von Barth, und sämmtlicher Landtags-Abgeordneten, mit Ausnahme des Herrn Josef Anton Feuerstein. Beginn der Sitzung 10 1/4 Uhr Vormittags. Landeshauptmann: Ich eröffne die Sitzung mit Ablesung des Protocolles der 11. Sitzung. (Secretär verliest dasselbe.) Hochw. Bischof: Dort wo gesagt wird, daß zwei Mitglieder sich der Abstimmung enthalten haben, würde ich wünschen, daß mein Name ausdrücklich genannt werde. Landeshauptmann: Dem kann ich willfahren. Wenn keine andere Bemerkung erhoben wird, nehme ich das Protocoll der vorausgehenden Sitzung als richtig abgefaßt an. Ich habe der hohen Versammlung mitzutheilen, daß das Comite zur Berichterstattung über das Gesuch der Gemeinde Frastanz, um Genehmigung des Präliminare pro 1863, Herr Bertschler zu seinem Obmanne erwählt hat. Ferner hat das Comite, welches eingesetzt wurde, um über den selbstständigen Antrag des Herrn Baron von Seyffertitz betreffend die Mängel, der Diöcesan-Verordnung vom 2. September 1860, Bericht zu erstatten, den Hochw. Herrn Bischof zu seinem Obmann auserkoren. Zur Tagesordnung übergehend haben wir als erster Gegenstand derselben, die Bitte der Israeliten- Gemeinde Hohenems, um Bewilligung, des Verkaufes eines kleinen Hauses. (Secretär liest.) Ich würde mir erlauben, wenn kein Gegenantrag erhellt, vorzuschlagen, diesen Gegenstand dem Comite, welches über das Gesuch der Gemeinde Satteins Bericht zu erstatten hat, zuzuweisen. (Niemand meldet sich.) Ich nehme es als zugestanden an. Der zweite Gegenstand der Tagesordnung ist der Comite-Bericht über Herrn Spielers Antrag, betreffend die Abänderung der Bestimmung der RadfelgenBreite. Herr Berichterstatter Riedl wird ersucht, diesen Bericht der hohen Versammlung bekannt zugeben. (Berichterstatter Riedl verliest denselben.) Wünscht hierüber sich Jemand zu äußern? Da Niemand das Wort verlangt, bringe ich den Antrag des Herrn Spieler zur Abstimmung, er lautet dahin: „Der Landesausschuß wolle sich bei der hohen Staatsverwaltung verwenden, daß die Einführung der Radfelgen-Breite bei Lastfuhrwerken nicht wie bisher nach dem Gewichte der vorhandenen Ladung, sondern einfach nach Maßgabe der Bespannung (ohne Rücksicht auf Vorspann) in einer für die Früchten nicht drückenden zureichenden Frist ausgesprochen werden wolle." Jene Herren, welche damit einverstanden sind, bitte ich sich zu erheben. (Ist angenommen.) Dritter Gegenstand der heutigen Verhandlung ist die Zuschrift des k. k. Bezirks-Amtes Bludenz, die Kosten der Viehabsperre, entweder vom ganzen Lande, aus dem Marschconcurrenz-Fonde, oder aus den Lermoosergeldern zurückvergütet zu erhalten. Ich werde die Einlage des k. k. Bezirksamtes Bludenz der hohen Versammlung kund geben lassen. (Secretär verliest dieselbe.) Wird in Beziehung der formellen Behandlung dieses Gegenstandes ein Antrag erhoben? 132 Wohlwend: Dieser Gegenstand ist in zweifacher Beziehung von sehr großer Wichtigkeit für das Land. Nemlich erstens, in Beziehung auf die Natur der Lermooserfonde, dann in zweiter Beziehung, weil er von Seite des Landesfondes sehr große Summen in Anspruch nimmt. Ich beantrage daher, daß dieser Gegenstand sehr reiflich und genau in beiden Richtungen bearbeitet und durchgangen werde, und daher einem Ausschüsse von fünf Mitgliedern übergeben werden soll. Neper: Ich beantrage, daß, da die Viehabsperrungen, und überhaupt diese hier bezeichneten Kosten, zu Gunsten des ganzen Landes geschehen, auch das ganze Land die Kosten tragen soll. Diese Lermoosergelder sind ein noch unvertheilter Fond, und ich sehe nicht ein, warum die Kosten nicht aus solchen Mitteln bestritten werden sollten. Ich glaube, es liegt in der Billigkeit, daß das ganze Land diese Kosten trage. Landeshauptmann: Es handelt sich hier überhaupt nur um die formelle Behandlung des Gegenstandes. Herr Wohlwend hat den Antrag eingebracht, für denselben ein Comite von fünf Mitgliedern zu bestellen. Sind die Herren hiemit einverstanden? (Angenommen.) Ich werde am Schlusse der Sitzung die Wahl des Comite einleiten. Der vierte Gegenstand unserer heutigen Verhandlung ist der ComiteBericht, betreffend die Feststellung der Kosten der Servituten, Regulierungs- und Ablösungs-Verhandlungen. Herr Riedl, als Berichterstatter wird gebeten, seinen Vortrag zu halten. (Herr Riedl liest den Comite-Bericht vor.) Er lautet: Hoher Landtag! Der §. 42 des allerhöchsten Patentes vom 5. Juli 1853, betreffend die Kosten der Grundlasten-(Forstservituten-) Ablösung und Regulirung, normirt für alle Länder des Reiches: „daß die mit der Durchführung dieser Ablösung und Regulirung verbundenen Regie-Auslagen „vom Lande zu tragen sind." Der vorjährige Landtagsbeschluß vom 11. März stellte den Antrag, dieß Reichsgesetz dahin abzuändern, daß jener Theil der Regie-Kosten, welcher auf die Durchführung des Vergleichs- und Rechts- Verfahrens nach obigem Patente entfällt, statt dem Lande, den betreffenden Partheien aufgelastet werde. Das hohe k. k. Staatsministerium hat hierüber mit Decret vom 22. November 1863, Z. 1709, erklärt, daß es nicht in der Lage sei, einen Antrag auf Umänderung des Principes des bezüglichen Gesetzes bei der Reichsvertretung einzubringen. Es geht aber aus dem dießfälligen Decrete hervor, daß, da der citirte §. 42 nicht bestimmt, was Regie-Auslagen sind, diese Bestimmung auf Antrag des hohen Landtags ohne Änderung des bestehenden Reichsgesetzes im administrativen Wege erfolgen könnte. Das Comite erblickt nun hierin einen Fingerzeig, jene Kosten zu detailliren, welche zur möglichsten Schonung des Landesfondes und nach dem Rechtsgrundsatz, daß der, welcher den Vortheil hat, auch die Lasten tragen soll, von den Regie-Kosten ausgeschieden und den betreffenden Partheien aufgelastet werden sollten. Hier ist vor Allem zu bemerken, daß das Eintreten der Partheien in die Forstservituten-Ablösungs- und Regulirungs-Verhandlungen kein freiwilliges, sondern ein ihnen durch dgs gedachte Patent oft gegen ihren Willen octroirtes ist, und daß es daher gegen die Grundsätze der Gerechtigkeit und Billigkeit verstoßen würde, wollte man ihnen noch überdieß die Kosten dieses zwangsweisen Verfahrens aufladen. Dieß ist überall der Fall, wo das Rechtsverhältniß (Eigenthums- oder Servitutsrecht) zwischen den Berechtigten und Verpflichteten nicht streitig ist, weil hier keine privatrechtliche Nothwendigkeit vorliegt, in die Privatrechte so einzugreifen, wie dieß durch das citirte Patent geschieht. Anders verhält sich jedoch die Sache in jenen Fällen, in denen die Privatrechte (Eigenthums- oder Servitutsrechte) selbst streitig sind, und die also doch früher oder später, selbst wenn das gedachte Patent nicht erlassen worden wäre, vor dem ordentlichen Civilrichter hätten ausgetragen werden müssen und in welchen Fällen also die Partheien auch ohne den Bestand dieses Patents zur Richtigstellung ihrer Rechtsverhältnisse, betreffend die Forstservituten, Kosten hätten aufwenden müssen. In diesem letzten Falle ist es, obgleich die Regierung selbst aus höheren Rücksichten zur Ordnung dieser streitigen Rechtsverhältnisse die Initiative ergreift, sehr billig, daß die Partheien diese zur Austragung ihrer Streitigkeiten auch ohne das fragliche Patent nöthigen Kosten selbst zu bezahlen haben, daß daher diese Kosten aus den eigentlichen Regie-Kosten ausgeschieden werden, wie dieses aus der gleichen ratio legis ohnedies; schon bezüglich mehrerer, dahin einschlägiger Auslagen durch den weiteren Inhalt des citirten §. 42 selbst, dann durch die §§. 33, 36, 113 und 120 der DurchführungsInstruction vom 31. October 1857 normirt ist. Wenn man diese Sache vom praktischen Standpunkte aus betrachtet, so zeigt sich, daß gerade die 133 bedeutendsten Kosten, nemlich an Diäten und Reise-Gebühren der LocalCommissionen, an Auslagen für Zeugen und Sachverständigen dort erwachsen, wo das Rechtsverhältniß selbst streitig ist, in jenen Fällen also, in denen, bevor an die eigentliche Ablösungs- und Regulirungs-Verhandlung gegangen werden kann, über das streitige Privatrecht selbst entweder zur Erzielung eines Ausgleichs oder behufs der Schöpfung eines Erkenntnisses Seitens der Landes-Commission eine mit Kosten verbundene Verhandlung gepflogen werden muß. Der Fall tritt besonders dann grell hervor, wenn über das streitige Rechtsverhältniß bereits vor dem ordentlichen Civilrichter ein Prozeß begonnen und dieser nach Vorschrift des Gesetzes zur Austragung im Wege des mehrerwähnten Patents verwiesen wurde. Gestützt auf diese Ausführungen ladet das Comite den hohen Landtag ein, „derselbe wolle die von „ihm nach dem Inhalte des hohen Staatsministerial-Erlaß vom 22. November 1863, Z. 1709, zu erstattenden Anträge dahin formuliren: „Das hohe k. k. Staatsministerium wolle im administrativen Wege, sohin ohne Änderung des §. 42 des allerhöchsten Patents vom 5. Juli 1853, welcher den Begriff von Regie-Auslagen offen läßt, denselben in einer nachträglichen Erklärung zur Durchführungs-Instruction vom 31. October 1857 dahin erläutern, daß in Fällen, in denen das Rechtsverhältniß selbst streitig ist, die zur Erzielung eines Vergleichs oder behufs der Schöpfung eines Erkenntnisses nöthig fallenden Auslagen des Beweisverfahrens, nemlich die Diäten und Reisekosten der Mitglieder der Local-Commissionen und die Kosten der Zeugen und Sachverständigen nicht dem Lande, sondern den betreffenden Partheien zur Bezahlung obliegen, und daß über die Frage, welche Parthei und in welchem Ausmaße die Kosten zu tragen hat, im Falle eines Erkenntnisses die LandesCommission nach Maßgabe der hiefür in der Gerichtsordnung enthaltenen Normen den Ausspruch zu machen hat." Bregenz, den 19. März 1864. Joseph Feßler m. p., Bischof v. Nyssa, als Obmann. Riedl m. p., Berichterstatter. Landeshauptmann: Wünscht Jemand das Wort zu nehmen? Wenn nicht, so werde ich den Antrag des Comite nochmals verlesen und dann zur Abstimmung schreiten, er lautet: fliest obigen Antrag.j (Angenommen.) Ein weiterer Gegenstand der heutigen Tagesordnung betrifft den CollectivAntrag des ehemaligen Eheconsens-Comite. Ich ersuche den Herrn Baron Seyffertitz den Bericht zu erstatten. (Berichterstatter verliest den Comite-Bericht; wie ihn die Beilage enthält.) Ich eröffne die General-Debatte hierüber. Riedl Wenn ich mich in dieser Angelegenheit zum Worte melde, so geschieht es nicht, um den in diesem Bericht gestellten Anträgen entgegenzutreten, welchen ich mich als Antragsteller vollständig angeschlossen habe, vielmehr nur in der Absicht, um diesfalls einiges zu ergänzen und zu erläutern. Vor Allem muß bemerkt werden, daß es im Gutachten heißt, im vorliegenden Falle handle es sich, laut Zuschrift des hohen Staatsministerium vom 20. October vorigen Jahres, nur um die Beantwortung der Frage, welche Hindernisse der Aufhebung des bisherigen Eheconsenses in Vorarlberg entgegen stehen. Hieraus möchte man schließen, als wenn dem hohen Landtage, jede Ingerenz abgeschnitten wäre, in dieser Angelegenheit mehr zu sprechen, als nur die Anfrage des hohen Staatsministerium zu beantworten. Es handelt sich hier um einen sehr wichtigen, das Interesse des Landes tief berührenden Gegenstand. Das hohe Abgeordneten-Haus des Reichsrathes hat einen Beschluß gefaßt, welcher sich über die specielle Landesgesetzgebung hinweg setzt; ich glaube daher, daß das hohe Haus sich nicht nur auf die einfache Beantwortung, der vom hohen Ministerium gestellten Frage zu beschränken habe, sondern auch daß es im vollen Rechte ist, nach §. 19 der Landesordnung, sich überhaupt über die Rückwirkungen des betreffenden Eheconsens - Gesetzes vom Jahre 1820 auf das Wohl des Landes auszusprechen. In dieser Beziehung muß ich vor allem bemerken, daß es nöthig fällt die rechtliche und sittliche (Grundlage des Eheconsenses darzustellen. Ich bin ein Feind der Zweckmäßigkeits- und Nützlichkeits-Theorie, sowie jeder Politik, welche nicht auf Gerechtigkeit basirt; es handelt sich also vorerst darzuthnn, daß das Institut des Eheconsenses wirklich eine sittliche und rechtliche Grundlage habe. Ich vermisse dieses Expose im gegenständlichen Gutachten, und beziehe mich hinsichtlich dieses Mangels lediglich auf das was im Comite-Berichte vom 5. März dieses Jahres diesfalls gesagt wurde. Ferner ist zu erwägen, daß das Gutachten in allen seinen Theilen eine Begründung der am Schluffe desselben gesetzten Anträge zu erhalten habe. 134 Der Antrag Nr. 3 geht dahin, daß die hohe Regierung ersucht werde, eine Regierungsvorlage, behufs Erlassung eines Landesgesetzes, an den Landtag zu bringen. Es ist dieses meines Erachtens der wichtigste Punct; es haben sich nemlich sehr gewichtige Stimmen dafür ausgesprochen, daß dieser Gegenstand gar nicht in den Ressort der Landesgesetzgebung gehöre. Wäre dies richtig so würde Punct 3 des gegenständlichen Antrages entfallen; es muß daher nachgewiesen werden, daß wirklich der betreffende Gegenstand sich für die Landesgesetzgebung eigne. Den Beweis hiefür ist das Comite schuldig geblieben und ich liefere ihn aus dem Wortlaute des HofcanzleiDecretes vom 12. Mai 1820, Nr. 12, 614 und erkläre, daß dieses HofcanzleiDecret kein Reichsgesetz, sondern ein Landesgesetz ist. Ich begründe diese Behauptung dadurch, daß es in diesem Hofcanzlei-Decrete wörtlich heißt: „In Erwägung der besonderen Verhältnissen des Landes Tirol und Vorarlberg rc. rc." und dadurch, daß dieses Hofcanzlei-Decret nur für die Kronländer Tirol und Vorarlberg erlassen worden ist, und nicht auch für die übrigen Länder des Reiches. Ich glaube nun, daß die Central-Reichsgesetzgebung kein Recht hat ein specielles Landesgesetz, ohne Zustimmung der bezüglichen Landesvertretung, aufzuheben, und erachte, daß dieses Moment im gegenständlichen Gutachten besonders hätte hervorgehoben werden sollen, wie es im Gutachten des Comite vom 5. März 1864 hervorgehoben worden ist, wo es heißt: „es wird Act davon genommen, daß die hohe „Regierung im ersteren Gesetze wörtlich erklärt, sie erlasse dasselbe: .In Erwägung der eigenen „Verhältnisse des Landes Vorarlberg." Ich glaube, es dürfte ein weiterer Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung nicht nöthig fallen, und ich halte diesen Gegenstand für so important; daß ich diesfalls einen eigenen Antrag formulirt habe, der dahin lautet: „In Erwägung u. s. w. modificirt werden." Im Weitern habe ich nur noch zu bemerken, daß, was die Interpretation des Wortes „hiebei" in der Staatsministerial-Eröffnung vom 20. October vorigen Jahres anbelangt, dieses Wort hiebei wohl keinen andern Sinn haben kann als: „welche Vorsichtsmaßregeln bei Aufhebung des politischen „Eheconsenses erforderlich feien." Es läßt die grammatikalische Interpretation keinen andern Sinn zu, und in dieser Beziehung bin ich mit dem Antrage des Comite einverstanden, daß keine Vorsichtsmaßregeln vorzuschlagen seien, da wir einmal an den politischen Eheconsens festhalten; daher die Beantwortung dieses zweiten Theils der Ministerial-Anfrage von selbst entfällt. Dann möchte ich noch eine unrichtige Angabe in diesem Gutachten berichten, es heißt nemlich: nach dem Gubernial-Circulare vom 20. Mai 1820. Das Gubernial- Circulare datirt nicht vom 20. Mai 1820, sondern es muß heißen: „Hofkanzlei-Decret vom 20. Mai 1820." Es ist dieß nicht eine formelle Berichtigung, sondern von Wesenheit, da wir es nicht mit einer Verordnung des Landes-Guberniums, sondern mit einem Hofkanzlei-Decrete als Landesgesetz zu thun haben. Ganahl: Auch ich muß mir erlauben, über das Comite-Gutachten einige Bemerkungen zu machen, und wenn ich auch in Manchem dem Herrn Berichterstatter entgegentreten muß, so wird er es mir nicht übel deuten, indem er gewiß überzeugt ist, daß ich nur nach meiner Überzeugung spreche. Aus einem praktischen Bedürfnisse der Neuzeit sei der Eheconsens in Vorarlberg entsprungen, und dieses Bedürfniß ergebe sich in Folge der Übervölkerung des Landes Vorarlberg, so sagt der Bericht. Ich habe aber, so lange ich lebe, noch nie etwas verspürt von Übervölkerung unseres Landes, weder in den Bergen noch Thälern; weder in den Städten noch in den Landgemeinden habe ich zu viel, wohl aber zu wenig Leute gefunden, und wenn ich in der Residenz unseres Landes herumspaziere, und über meine Landtagssorgen nachdenke, so begegnet mir selten Jemand, der mich genirt. Ich wünschte, die Bevölkerung Vorarlbergs wäre noch einmal so groß als sie wirklich ist, wir haben eher ein zu wenig als ein zu stark bevölkertes Land, und ich bin überzeugt, daß noch einmal so viel Platz hätten. Je größer die Bevölkerung, desto mehr Wohlfahrt. Ich glaube also, daß die angeführte, in der Wirklichkeit aber nicht vorhandene Übervölkerung kein Grund sei, um die Ausrechthaltung des Eheconsenses und weitere Vorsichtsmaßregeln zur strengern Handhabung desselben zu befürworten. Tausende suchen, wie der Berichterstatter weiters sagt, im Auslande ihren Verdienst, und Tausende und aber Tausende arbeiten in Fabriken, dieß ist eine ganz wahre Thatsache. Allein diese Tausende gehen dahin, um mehr zu verdienen, als sie beim Ackerbau verdienen könnten, die Rente, die sie aus ihrer Arbeit ziehen, ist keine prekäre, wie der Bericht sagt, sondern eine sichere, denn so lange ich denke, wandern diese Leute alljährlich in's Ausland aus, und ich bin überzeugt, der Verdienst im Ausland hört nicht auf, die Baulust nimmt immer mehr zu, und der Verdienst für diese 135 Klasse von Leuten wächst daher immer mehr. Was die Fabriksarbeiter anbetrifft, so ist es allerdings wahr, daß Stockungen eintreten können, wie wir eben jetzt eine haben, allein diese sind vorübergehend, und es ist der Verdienst in den Fabriken in der Regel als ein beständiges Einkommen zu betrachten. Es ist also kein wahrer Grund vorhanden, nm zu sagen, man dürfe diese Klasse von Leuten nicht heirathen lassen, weil ihnen der dauernde Verdienst fehle. Ich komme nun zur im Berichte ebenfalls hervorgehobenen Überbürdung der Gemeinden, mit der Last der Armen-Versorgung. Es ist wohl wahr, manche Gemeinden haben hie und da Lasten mit den Armen, allein gar so überbürdet sind sie denn doch nicht. Ich kenne sehr viele Gemeinden im Lande und habe nie gehört, daß sie gar so große Noth mit den Armen hätten. Daß die Gemeinden für ihre Armen zu sorgen haben, ist selbstverständlich; man kann aber auch dadurch für sie sorgen, daß man Armenhäuser baut, wie dieß in manchen Gemeinden schon der Fall ist, ich nenne vorzüglich die Gemeinden Altenstadt, Tisis und Nenzing, dort haben die Gemeinden Armenhäuser hergestellt, und die Armen, die hineingegeben werden, müssen zugleich für die Gemeinde arbeiten, so daß die Kosten, welche der Gemeinde dadurch erwachsen, gar nicht bedeutend sind. Nun muß ich mir noch etwas zu bemerken erlauben über das Wort „hiebei." Ich bin nicht einverstanden, daß das Wort „hiebei" so gedeutet werden könne, wie es im Comite-Beuchte heißt. Der Auftrag lautet dahin, man solle sich aussprechen, ob der politische Eheconsens aufzuheben sei, und welche Vorsichtsmaßregeln hiebei zu beobachten wären. Jene Vorsichtsmaßregeln können sich nur für den Fall verstehen, als die Aushebung des Eheconsenses ausgesprochen würde. Wenn der Eheconsens aber fortzubestehen hat, so kann von weitern Vorsichtsmaßregeln, die in dem hohen Ministerial-Erlasse angedeutet find, natürlich keine Rede mehr sein, davon bin ich vollkommen überzeugt. Es heißt im Berichte weiter, wenn der politische Eheconsens aufgehoben würde, wären wirklich keine Vorsichtsmaßregeln zu finden, ich glaube doch, daß sie zu finden wären, und zwar in jenen, durch welche die Regelung des Armenwesens bestimmt wurde. Der Bericht sagt ferners, in der Schweiz bestehe in den meisten Kantonen ebenfalls der Eheconsens, soviel ich weiß, ist das nicht der Fall, ich glaube vielmehr, daß in den meisten Kantonen der Eheconsens nicht besteht, übrigens will ich auf einen Kanton Hinweisen, nemlich auf den Kanton Glarus; in jenem Kanton besteht seit langer Zeit gar kein Eheconsens, dort findet man nicht einen einzigen Bettler, obwohl jeder heirathen kann, der da will, das Armenwesen ist aber dort so gut besorgt, daß der Bettler Niemand zur Last fällt. Was daher der Kanton Glarus thun kann, das kann auch das benachbarte Vorarlberg thun. Ich gehe nun von dem Comite-Bericht auf einige allgemeine Bemerkungen über. Der Wiener Gemeinderath hat in dieser Angelegenheit die Initiative ergriffen, er that dieses, obwohl er wußte, daß er dadurch der Gemeinde Lasten auferlege, allein er that es, weil er überzeugt war, daß es seine Pflicht und Schuldigkeit sei, jedem Menschen sein natürliches Recht zu geben. Die Fortpflanzung ist ein Gesetz der Natur, und das Recht, sich einen eigenen Herd, sich eine eigene Familie zu gründen, ist eines der wesentlichsten Menschenrechte, das ist schon so oft, wiederholt und gesagt worden. Die Gleichheit eines jeden Staatsbürgers vor dem Gesetze in einem constitutionellen Staate nruß auch zur Geltung gebracht werden; wenn wir aber andere Gesetze für unser Land verlangen, als die andern Provinzen haben, so kann von Gleichheit keine Rede mehr sein. Aus diesem Grunde hat man kein Recht, auf strengen Maßregeln bezüglich der Schließung der Ehe zu bestehen. Der Hochw. Herr- Bischof hat sich bei der ersten Verhandlung der Fabriks-Arbeiter angenommen, ich bin ihm dafür sehr dankbar, und gerade für diese Leute will ich ein Wort reden. Seit meiner mehr als dreißigjährigen Thätigkeit als Gewerbstreibender, habe ich Gelegenheit gehabt, mich von dem Thun und Treiben der Fabriksarbeiter zu überzeugen. Ich habe gesehen, wie mancher lockere Bursche, wenn er einmal eine Frau genommen hat, ein braver Ehemann und ein thätiges Individuum geworden ist, diese Überzeugung habe ich mir häufig verschafft. Ich habe mir stets zur Aufgabe gemacht, mich um das Wohl und Wehe meiner Mitmenschen zu bekümmern. Ich habe Einsicht in das Familienleben, und nicht nur in jenes der Reichen, sondern besonders auch in jenes der Armen Klassen genommen, und habe mich überzeugt, was eine brave, wenn auch arme Hausfrau wirken kann und welche Macht sie über den Mann hat. Meine Herren! dieß sind die Gründe, warum ich sage, jeder soll heirathen dürfen, wenn er nicht ein Vagabund oder ein Bettler ist. Ein Fabriksarbeiter, der zwei Arme hat, der arbeiten will und arbeiten kann, der seinen täglichen Verdienst hat, einem solchen darf man die Verehelichung nicht verweigern. Es ist dieses ein Recht, das ihm vor Gott und den Menschen gebührt. Die Herren Gemeindevorsteherhaben freilich immer nur die Auslagen der Gemeinden, die ihnen durch ein erweitertes Recht der Verehelichung entspringen könnten, im Auge, allein, meine Herren! ich glaube, daß Sie hier nicht den 136 Geldbeutel, sondern vielmehr das Herz und das Gefühl reden lassen sollen. Ich sage daher mit dem Dichter: „Raum ist in der kleinsten Hütte, für ein glücklich liebend Paar", und citire zum Schluffe den Spruch der Schrift: „Wachset und vermehret euch." (Heiterkeit.) Hochw. Bischof: Nachdem die bisherige General-Debatte sich über den ganzen Bericht ergangen hat, und dabei auch Zusatz-Anträge gestellt worden sind, so glaube ich, daß es für mich zuläßig sei, dasjenige vorzubringen, was ich über diesen Gegenstand im Allgemeinen, und an Zusätzen im Einzelnen bemerken wollte. Die hohe Versammlung wird sich erinnern, daß ich bei der ersten Berathung dieses Gegenstandes erklärte, ich sei nicht unbedingt gegen die Festhaltung des politischen Eheconsenses, jedoch habe ich die damalige Vorlage zu hart gefunden. Der neue Vorschlag oder das Gutachten, wie es sich nennt, hat eine bedeutende Milderung vorgenommen, und ich kann mich jetzt sowohl im Principe, als auch in den gestellten Anträgen, nur mit demselben einverstanden erklären. Auch was die Begründung betrifft, habe ich keine wesentlichen Einwendungen zu machen, indem die von den beiden Herren Vorrednern dagegen vorgebrachten Gründe, wie mir vorkommt, nicht von so großem Gewichte sind. Eines jedoch möchte ich besonders hervorheben. Es wurde nemlich, und zwar mit Recht, auf eine Milderung gegenüber den frühern Anträgen jetzt hingearbeitet, und ich glaube, daß diese Milderung der einzige Weg ist, um möglicher Weise etwas zu erreichen, glaube aber ferner, daß die Hervorhebung eines Gesichtspunktes, welchen der Collectiv-Antrag enthalten hat, wie er hier an der Spitze des Berichtes steht, und auf welchen namentlich auch die Gründe des Herrn Ganahl hindeuten, daß, sage ich, die Hervorhebung dieses Gesichtspunktes noch mehr Aussicht geben würde, überhaupt etwas zu erreichen. Es hat nemlich der vom ehemaligen Eheconsens - Comite eingebrachte Collectiv-Antrag in seinem zweiten Punkte, wo er von dem neuen Gesetze spricht, den Zusatz enthalten: „worin insbesondere auch dem unbescholtenen Leumund und der Erwerbsfähigkeit des Eheconsenswerbers gebührende Rechnung getragen wird." Dieser Zusatz ist meines Erachtens von großer Wichtigkeit, weil derselbe die beiden Gesichtspunkte hervorkehrt, welche überhaupt die Beibehaltung des politischen Eheconsenses, wie ich glaube, auch in den Augen der Reichsvertretung zu rechtfertigen vermöchten, und weil die Beibehaltung dieser Gesichtspunkte eben dasjenige ist, was der Abgeordnete Herr Ganahl in seiner Rede insbesondere betont hat. Denn wenn ich den Sinn seiner Worte richtig faßte, so hat er mit den Worten: „daß, wenn ein lockerer Bursche ein Weib nimmt, ein ganz braver Mann aus ihm werden könnte", gewiß nichts Anderes sagen wollen, als daß, wenn ein lockerer Bursche ein gutes Weib, eine brave Hausfrau nehme, ein ganz braver Manu aus ihm werden könne, wodurch gerade einerseits die hohe Wichtigkeit des guten Leumundes der Eheconsenswerber gezeigt, und andererseits die Erwerbsfähigkeit des Mannes gesteigert wird. In diesem Sinne nun möchte ich zur Vervollständigung der vorliegenden Anträge und um denselben größere Aussicht auf Erfolg zu gewähren, indem sowohl dem hohen Ministerium als auch der Reichsvertretung gezeigt wird, in welchem billigen Sinne das Land diesen Gegenstand behandelt wissen wolle, zum dritten Antrag folgenden Zusatzantrag beibringen. Der dritte Antrag lautet: „Die hohe Regierung dringend zu ersuchen, bis zur nächsten Landtagssession in diesem Sinne eine Regierungs-Vorlage an den Landtag zu bringen", — Zusatz — „worin insbesondere auch dem unbescholtenen Leumunde und der Erwerbsfähigkeit der Eheconsenswerber (vielfache Zahl, nicht wie im Collectiv-Antrag des frühern Ausschusses blos die einfache Zahl: „des Eheconsenswerbers", weil ich beide Personen berücksichtigt wissen will) gebührende Rechnung getragen wird." Ich empfehle diesen Antrag zur Berücksichtigung bei der Debatte dem hohen Landtage. Landeshauptmann: Ich werde diesen Punct zur Sprache bringen, sobald wir den dritten Punct berühren. Neyer: In dieser eben besprochenen Angelegenheit, geht meine Ansicht dahin, die Gemeinde soll nur jenen die Verehelichung verwehren können, die sich das Zeugniß eines braven, ehrlichen, redlichen Mannes nicht verschaffen können, in allen übrigen Fällen soll das Heirathen ungehindert frei gestellt werden. Rhomberg: Bei den zuerst über den Eheconsens in diesem Landtage gepflogenen Verhandlungen, könnten die stenegraphischen Berichte, welche allerdings den ganz richtigen Abriß dieser Verhandlungen bieten, nach meinen in den Ferientagen gemachten Erfahrungen zu einem Irrthume Veranlassung geben, die ich an dieser Stelle recht gerne berichtigt haben möchte. Es lassen sich nemlich viele es nicht mehr ausreden, daß die in dieser Frage entstandene Minorität sammt und sonders zu den entschiedenen Gegnern des Eheconsenses gehören, und es ist mir heute eine große Befriedigung, zu erklären, daß das 137 heutige Gutachten, das wir schon das erstemal lieber gehabt hätten, als positive Vorschläge, wenn ich mir vorzugreifen erlauben darf, wahrscheinlich den Beifall des gestimmten Hauses erhalten wird. (Ganahl, ich meine nicht.) Der Zusatzantrag des Hochw. Herr Bischofes hat es sehr glücklich ergänzt, und in dieser Beziehung glaube ich, daß der vielbesprochene Irrthum behoben sein wird. Landeshauptmann: Wenn Niemand mehr das Wort verlangt, werde ich die General-Debatte schließen. Die allgemeine Debatte ist geschlossen. Haben Herr Berichterstatter noch etwas zu bemerken? Seyffertitz: Als Berichterstatter des Comite obliegt mir die Pflicht, den verschiedenen Einwürfen, meiner sehr verehrten Freunde in diesem Hause zu begegnen. Ich wende mich der Reihenfolge nach zunächst gegen jene Vorwürfe, welche der Abgeordnete Herr Riedl dem Comite-Berichte nicht aber der Fassung der Anträge entgegen gestellt hat. Ich finde es im Allgemeinen nur erklärlich und durch das menschliche Gefühl im höchsten Grade gerechtfertiget, wenn ein Vater aus väterlicher Liebe für sein Kind, dasselbe auch gegen spätere, nicht gerade directe Angriffe zu vertheidigen sucht. Aus diesem Gesichtspunkte habe ich daher in Beziehung auf die vorgebrachten Ausstellungen, des Abgeordneten Herrn Riedl nichts zu bemerken, ich stimme aus menschlichem Mitgefühl in dieser Beziehung ihm vollkommen bei, da, wie man weiß, väterliche Liebe hie und da sogar blind macht. Was insbesondere die Berichtigung betrifft, daß anstatt eines HofkanzleiDecretes ein Guberninal-Circulare citirt wurde, und da sich dieser Irrthum wirklich im Comite-Berichte eingeschlichen hat, so danke ich meinem geehrten Freunde auf dieser Seite des Hauses insbesondere für diese hochwichtige Aufklärung, sowohl im Namen des Comite als auch in meinem Namen, und erkenne speciell an, daß ich in dieser Beziehung einen außerordentlich großen und ungeheuer folgereichen Fehler begangen habe. Den Antrag des Herrn Riedl, werde ich mir dann zu besprechen vorbehalten, wenn die Special-Debatte hierüber eröffnet ist, er hätte eigentlich in der General-Debatte wohl nicht gestellt werden können. Ich komme nun zu der langen Exposition des Abgeordneten Herrn Ganahl. Ich habe in dieser Beziehung vor allem zu bemerken, daß sich dieser mein sehr verehrter Freund gegen die Behauptung des Comite-Berichtes, ausgesprochen hat, daß in Vorarlberg eine Übervölkerung bestehe. Dieser Behauptung muß ich mit einer sehr positiven Thatsache entgegentreten, und zwar mit Ziffern. Ziffern sind unanfechtbar, und sind sogar in gewisser Beziehung vorzugsweise Beweise, weil sie mathematisch beweisen. Mit Worten beweist man in der Regel nicht, nur mit Ziffern. Die Zahlen die im Comite-Bericht angeführt sind, sind in allen einzelnen Positionen gar nicht anzufechten; ich frage aber, ob es nicht vollkommen richtig ist, daß, wenn man von Übervölkerung des Landes spricht, man nur auf den fruchtbaren Boden des Landes Rücksicht nehmen darf? Denn Hochgebirgsmassen sind für den brodbedürftigen Vorarlberger gewiß als nicht vorhanden zu betrachten. Wenn es sich blos um Ernährungsfähigkeit des Bodens handelt, kann man große Heiden, schroffe Berglehnen sicher und mit Recht abschlagen. Es muß darauf hingewiesen werden, was eine anerkannte Thatsache in der statistischen Wissenschaft, daß außer der Lombardei und Belgien, welch' beide über 5000 Menschen auf die Quadrat-Meile zählen, es sehr wenige Länder gibt, welche annährend eine ähnliche relative Bevölkerung und nur strichweise zählen. Zu diesen Ländern und cultivirbaren nachgewiesen hat. Antwort auf diese gehört Vorarlberg, mit Rücksicht auf seinen cultivirten schlechten Boden, wie der Comite-Bericht es Ist dieses Übervölkerung oder nicht? Ich überlasse die Frage vollständig dem hohen Hause. Dem widerspreche ich nicht, was mein sehr verehrter Freund zum Beweise seiner Behauptung beigefügt hat, daß wenn man vertieft in die Landtagssorgen in dieser Stadt herumspaziert, keine Leute sieht; denn die Mafien der Menschen, die man auf irgend einem Punct sieht, ist weder ein sprechender Beweis für die Übervölkerung, noch ein sprechender Beweis dagegen. Dies sind Zufälligkeiten, und es ist um so ehrenvoller für die Bevölkerung Vorarlbergs, wenn sie sich nicht sehr viel auf den Straßen zeigt, obgleich das Land gewiß hinlänglich und mehr als hinlänglich bevölkert ist. (Sehr gut.) Es wurde ferner von dieser Seite des hohen Hauses, vorgebracht, man könne als „hiebei" nöthigfallende und mögliche Vorsichtsmaßregel einzig und allein die Regelung des Armenwesens, die Errichtung von Armenhäusern erblicken. Ich gestehe offen, daß mich eigentlich diese Behauptung in Bezug auf Vorarlberg überrascht hat, denn mir ist wenigstens bis jetzt unbekannt geblieben, daß in diesem Lande das Armenwesen der Gemeinden nicht in einem ziemlich entsprechenden Grade geregelt wäre, obgleich nickt gerade überall Armenhäuser und Arbeitsanstalten bestehen. Die Gemeinden müssen in der Beziehung sehr viel für die Armen thun und thun es allerdings auch; es ist dieß eine eine anerkannte Thatsache. 138 Auch möchte ich im hoher: Grade bezweifeln, ob die vom Herrn Abgeordneten Ganahl vorgeschlagenen Vorsichtsmaßregeln, der Regelung des Armenwesens durch Errichtung von Armenhäusern auch auf Verminderung der die Gemeinde am meisten beschwerenden legitimen oder illegitimen Geburten gänzlich armer und erwerbsloser Leute hinzuwirken im Stande sein werden. Es wurde ferner von dieser Seite des hohen Hauses noch die Behauptung aufgestellt, es solle Jedermann heirathen dürfen, und daß insbesondere die Erfahrung dafür spreche, daß in den niedern besitzlosen Schichten der bürgerlichen Gesellschaft, die sittigende Macht der Hausfrau so außerordentlich groß sei, daß sie in dieser Beziehung aus einem früher leichtsinnigen Patron, einen ausgezeichneten Hausvater zu schaffen im Stande sei. Es fällt mir nicht ein zu bestreiten, daß mein sehr verehrter Freund Herr Ganahl zehnmal mehr Gelegenheit gehabt haben wird, sich in dieser Beziehung Erfahrungen zu sammeln, allein es könnten wohl eben so viele oder eben so starke Beweise des Gegentheils aus der Erfahrung des täglichen Lebens beigebracht werden. Solche Anführungen, sprechen in der Regel gar nichts anders aus, als daß dort, wo von Natur gute Anlagen und ein gutes Herz noch vorhanden ist, die brave Hausfrau ein großes Gewicht und sittlichen Einfluß ausüben wird, daß aber dort, wo diese guten Grundlagen fehlen, auch diese Macht wie an einem Fels wirkungslos abprallt. Endlich hat sich mein sehr verehrter Freund diesmal vom practischen und festen Boden des Fabriks- und Gewerbe-Lebens bis zu den luftigen Höhen der Poesie verstiegen, und dabe: den allbekannten Spruch benützt: „Raum ist in der kleinsten Hütte, für ein glücklich liebend Paar." Dieses Citat in dieser Frage angewendet, würde fast zu eben so vielen guten und schlechten Witzen Veranlassung geben als es Worte enthält, wenn man dasselbe erläutern möchte. Einstweilen genügt es darauf hinzudeuten, daß dieses Citat von einem Paare spricht, welches überhaupt eine Hütte besitzt. Es gibt jedoch sehr viele heirathslustige Paare, welche nicht einmal eine Hütte besitzen, auf diese könnte das Citat also keine Anwendung haben. Auch wird mein sehr verehrter Freund nicht läugnen können, daß die an und für sich sehr schönen und unanfechtbaren Worte des Dichters davon sprechen, daß überhaupt ein „glücklich liebend" Paar in einer Hütte Raum finde. Wie aber leider das Glück der Liebe in diesen Klassen der Gesellschaft manchmal — gehandhabt wird, — möchte ich fast sagen, um mich nicht noch derber auszudrücken, das wissen wir ohnehin alle. Ich habe mich nun noch insbesondere bezüglich des vom Hochw. Herrn Bischöfe vorgebrachten dritten Punktes auszusprechen. Auch im Comite wurden dieselben Bemerkungen aufgeworfen, welche der Hochw. Herr Bischof zu einem Anträge formulirt hat; das Comite hat jedoch den damaligen Antrag weniger beachtet und findet sich nunmehr bewogen, diesem Antrage seine Zustimmung zu geben, nur behält sich dasselbe vor, diesen Zusatz-Antrag nicht zum Punkte 3, sondern in den Punkt 2 einzubeziehen, was jedoch Gegenstand der Spezial-Debatte sein wird. Landeshauptmann: Ich gehe nun über zu den einzelnen Anträgen des Comite, der erste lautet: „Es feie in Erwiderung der Zuschrift des k. k. Statthalterei-Präsidiums vom 27. October v. J., Z. 2923 , in Betreff des Eheconsenses das Gutachten dahin zu erstatten, daß auf Grundlage der in der vorstehenden Auseinandersetzung aufgezählten fünf Hindernisse an der Ausrechthaltung des Eheconsenses für Vorarlberg im Principe festgehalten werden müsse." Ich eröffne die Special-Debatte hierüber. Ganahl: Nachdem ich aber früher in der General-Debatte erklärt habe, daß ich diese Hindernisse nicht finden könne, so muß ich für meine Person darauf bestehen, , daß der Satz: „auf Grundlage der in der vorstehenden Auseinandersetzung aufgezählten fünf Hindernisse wegbleibe, und nur gesagt werde: „........dahin zu erstatten, daß an der Aufrechthaltung des Eheconsenses für Vorarlberg im Principe festgehalten werden müsse." Landeshauptmann: Verlangt noch Jemand das Wort? Wenn Niemand mehr zu sprechen wünscht, so schließe ich die Debatte über, diesen ersten Antrag. Wenn der Herr Berichterstatter ferner noch etwas zu bemerken findet, so bitte ich es vorzubringen. Seyffertitz: Ich erlaube mir nur einige kurze Bemerkungen vorzubringen. Herr Ganahl beantragt, aus dem ersten Punkte des Comite-Antrages die Worte wegzulassen: „Auf Grundlage der in der vorstehenden Auseinandersetzung aufgezählten fünf Hindernisse." Damit beantragt nun aber eigentlich Herr Ganahl gerade dasjenige auszulassen, was das Schreiben der k. k. Statthalterei von uns zu wissen wünscht; es heißt nemlich in der ursprünglichen Aufforderung, — 139 — die an den hohen Landtag ergangen ist, es seien die Hindernisse anzugeben, welche der Aufhebung des Eheconsenses im Wege stehen. Es ist uns daher gar nicht möglich, diesen Zusatz auszulassen, weil dadurch direct das Princip der Anfrage alterirt würde. In dieser Beziehung hätte der Herr Antragsteller vielleicht besser gethan, wenn er uns von seinem Standpunkte aus auch wieder Hindernisse angegeben hätte, die eben von seinem Standpunkte aus gegen die Aushebung des Eheconsenses sprechen, damit wir wenigstens in dieser Beziehung eine Aufklärung darüber erhalten würden, auf Grund welcher Hindernisse der hohe Landtag ein Gutachten abgeben könnte. Es war mir trotz der größten Aufmerksamkeit, mit der ich seinem Vortrage gefolgt bin, nicht möglich herauszufinden, welche Hindernisse er überhaupt gegen die Aufhebung des Eheconsenses noch als gewichtig anerkennt, und deßhalb dürfte wohl das Princip dieses ersten Antragsatzes mit und ohne Hinweisung auf die Motive für den geehrten Herrn Vorredner nicht mehr aufrecht bestehen. Landeshauptmann: Herr Ganahl beantragt den ersten Punkt des ComiteAntrages so zu fassen: „Es sei das Gutachten dahin zu erstatten, daß an der Aufrechthaltung des Eheconsenses für Vorarlberg im Principe festgehalten werden müsse." Es ist dieses ein Abänderungsantrag, den ich zuerst zur Abstimmung bringe. Jene Herren, welche dem Antrage des Herrn Ganahl beipflichten, wollen es durch Aufstehen zu erkennen geben. (Minorität.) Ich bitte nun über den Antrag des Comite abzustimmen, welchen ich bereits früher verlesen habe. Jene Herren, welche damit einverstanden sind, wollen sich erheben. (Angenommen.) Nun bringe ich den zweiten Gegenstand des Comite zur Abstimmung, und erkläre, daß ich ganz der Ansicht des Herrn Berichterstatters beipflichte, daß der Zusatz-Antrag des Hochw. Herrn Bischofs vielleicht besser hier in Betracht zu ziehen wäre. Der zweite Punkt des ComiteAntrages lautet: „Zweitens, seien bezüglich der hiebei erforderlichen Vorsichtsmaßregeln zu Gunsten der Ehewerber sowohl, als der Gemeinden, solche gesetzliche Bestimmungen zu treffen, welche durch präcise Fassung einerseits, und einen geregelten Instauzenzug andererseits, nach beiden Richtungen, insbesondere auch mit Rücksicht auf das Gewerbegesetz, volle Gewähr bieten." Nun würde der Zusatz-Antrag des Hochw. Herrn Bischofs kommen, und: „worin insbesondere auch dem unbescholtenen Leumunde und der Erwerbsfähigkeit der Eheconsenswerber gebührende Rechnung getragen werde." Ich eröffne die Special-Debatte über diesen Antrag und seinen ZusatzAntrag. Wünscht Jemand das Wort? Hochw. Bischof: Da es sich um die Stellung des von mir eingebrachten Zusatz-Antrages an einen andern Ort handelt, so habe ich mir das Wort zunächst nur für diesen Punkt erbeten. Ich hatte nemlich keinen andern Grund, diesen meinen Zusatz-Antrag zum dritten Punkte des Comite-Antrages vorzuschlagen, als den, daß er dort, ohne den Satz zu verwickeln, viel einfacher und deutlicher in's Auge fällt, also nur einen rein formellen Grund. Ich habe an und für sich gar nichts dagegen, wenn er dem zweiten Antrage beigefügt wird. Doch möchte ich sehr ersuchen, darauf zu achten, denselben klar hervortreten zu lassen, um den ohnedieß langen und verwickelten Satz nicht noch mehr zu verwickeln. Wenn aber die hohe Versammlung glaubt, meinen Zusatz-Antrag dem zweiten Punkte des ComiteAntrages in passender Weise beifügen zu können, so habe ich, wie gesagt, nichts dagegen einzuwenden. Was meinen Zusatz-Antrag selbst anbelangt, so erlaube ich mir, die hohe Versammlung darauf aufmerksam zu machen, daß er von dem vom ehemaligen Ehe- consens-Comite eingebrachten CollectivAntrage in einem Punkte etwas abweicht. Dieser frühere Antrag sagte nemlich, es sei dabei insbesondere auch zu achten auf den unbescholtenen Leumund und die Erwerbsfähigkeit des Eheconsenswerbers. Es scheint mir jedoch, daß man hiebei auf beide Personen achten müsse, sowohl auf den Eheconsenswerber, als auch auf die Eheconseuswerberin, und daß man sich erst aus beiden Factoren zusammen ein sicheres Urtheil bilden werde, ob man solchen die Ehe ohne Bedenke n bewilligen könne. Aus diesem Grunde habe ich in meinem Zusatz-Antrage die vielfache Zahl gesetzt: „der Eheconsenswerber." Seyffertitz: Der Grund, welcher mich bestimmt hat, darauf anzutragen, daß der Zusatz-Antrag des Hochwürd. Herrn Bischofs zum Punkte 2 gestellt werde, ist allerdings auch nur ein formeller, nemlich der: Das Comite faßt im zweiten Punkte seiner Anträge alle jene Bestimmungen zusammen, von denen es ihm Wünschenswerth erschien, daß sie bei der zukünftigen Regelung des Eheconsenses in das zu Stande kommende Gesetz ausgenommen werden. Aus diesem Grunde wäre es dem Comite im hohen Grade willkommen, wenn der Hochw. Herr Vorredner sich entschließen könnte, seinen ZusatzAntrag vielleicht 140 an folgender Stelle einzurücken: „.......welche durch präcise Fassung einerseits und einen geregelten Instanzenzug andererseits, nach beiden Richtungen, insbesondere auch mit Rücksicht auf das Gewerbegesetz", und nun käme der Zusatz-Antrag: „den unbescholtenen Leumund und die Erwerbsfähigkeit der Eheconsenswerber volle Gewähr bieten rc." Ich finde, an diese Stelle paßt dieser Zusatz-Antrag vollkommen, ohne die Periode übermäßig zu verlängern oder eine Unklarheit in die Fassung aller drei Anträge zu bringen. Würden wir diesen Zusatz-Antrag bei Punkt 3 einschalten, so würden wir etwas unter Punkt 3 bringen, was offenbar naturgemäß unter Punkt 2 zusammenzufassen ist. Hochw. Bischof: Nachdem ich mich bei dieser Art der Einfügung überzeuge, daß der Satz am Ende auch noch eine gute Fassung hat, so erkläre ich hiemit, daß ich einverstanden bin, daß dieser Zusatz- Antrag beim zweiten Antrage und zwar in dieser eben erwähnten Weise eingefügt werde. Riedl: Ich muß nur auf die Bemerkung Sr. bischöfl. Gnaden bezüglich der Stylisirung des Collectiv-Antrages: „Erwerbsfähigkeit des Eheconsenswerbers" ein paar Worte bemerken. Es beruht nemlich der dießfalls angeregte Anstand auf einem Druckfehler, denn im CollectivAntrage, welchen ich formulirt habe, heißt es: „Es sei die hohe Regierung zu ersuchen, daß . .. ein neues Gesetz erlassen werde, worin insbesondere auch dem unbescholtenen Leumunde und der Erwerbsfähigkeit der Eheconsenswerber gebührende Rechnung zu tragen ist." Aber durch einen Verstoß in der Druckerei wurde statt: „der Eheconsenswerber" „des Eheconsenswerbers" gesetzt. Ganahl: Ich muß mir nur die Frage erlauben, wer denn eigentlich das Leumundszeugniß zu ertheilen hat? Ohne Zweifel die Gemeinde-Vorsteher. Ich habe, meine Herren, alle Achtung und allen Respect vor den GemeindeVorstehern und der gesammten Gemeinde-Vorsteherschaft Vorarlbergs, allein, meine Herren, die Gemeindevorsteher sind denn doch auch sündige Menschen, wie wir, und so kann es leicht Vorkommen, daß der GemeindeVorsteher eine Person nicht wohl leiden mag, und obwohl dieselbe von gutem Leumunde ist, ihm dennoch ein gutes Leumundszeugniß verweigert. Ich will beispielsweise anführen, es hat Einer früher ein Verhältniß mit einer andern Person gehabt, die er dann aber sitzen ließ. Daraus könnte nun der Gemeinde-Vorsteher schließen, daß er keinen guten Leumund habe, derlei Fälle könnten viele vorkommen. Ich würde daher beantragen, daß der Satz so gefaßt werde, wie ihn das Comite gefaßt hat, um nicht noch weitere Schwierigkeiten den Eheconsenswerbern zu machen. Ich für meine Person stimme natürlich nicht für jenen Antrag, und wollte den Herren dieses nur zu bedenken geben. Wohlwend: Ich finde mich veranlaßt, dem Herrn Vorredner seine Anfrage zu beantworten. Der Ausschuß beantragt, daß hierüber dem Landtage von Seite der Regierung eine Regierungs-Vorlage eingebracht werde. In dieser Regierungs-Vorlage erwarten wir eben diese Bestimmungen, wovon Herr Ganahl nur eine einzige hier in Zweifel zieht. Der hohe Landtag wird dann dieses Gesetz in seine Berathung ziehen, und alle jene Bestimmungen, welche er noch in die Regierungs-Vorlage aufzunehmen für nothwendig findet, bei der Regierung beantragen. Landeshauptmann: Da Niemand mehr zu sprechen wünscht, so erkläre ich die Debatte über diesen Punkt 2 für geschlossen, und ertheile noch dem Herrn Berichterstatter das Wort. Seyffertitz: Ich habe nichts weiter zu bemerken. Landeshauptmann: Ich werde zuerst den Antrag des Comite mit dem Zusatze des Hochw. Herrn Bischofs zur Abstimmung bringen. Derselbe sollte nach diesem Verbesserungs-Antrage lauten: 2. „Seien bezüglich der hiebei erforderlichen Vorsichtsmaßregln zu Gunsten der Ehewerber sowohl, als der Gemeinden solche gesetzliche Bestimmungen zu treffen, welche durch präcise Fassung einerseits, und einen geregelten Instanzenzug andererseits nach beiden Richtungen, insbesondere auch mit Rücksicht auf das Gewerbegesetz und dem unbescholtenen Leumund und die Erwerbsfähigkeit der Eheconsenswerber volle Gewähr bieten." Jene Herren, welche mit dieser Fassung einverstanden sind, wollen es durch aufstehen zu erkennen geben. (Angenommen.) Der dritte Absatz des Comite-Antrages lautet: „Es sei die hohe Regierung dringend zu ersuchen, bis zur nächsten Landtagssession in diesem Sinne eine Regierungs-Vorlage an den Landtag zu bringen." Hat der Herr Berichterstatter noch etwas beizufügen? Seyffertitz: Nein. Landeshauptmann: Ich eröffne die Debatte auch über diesen dritten Punkt. — 141 Da Niemand das Wort wünscht, so bitte ich über diesen dritten Punct abzustimmen. (Angenommen.) Nun kömmt als Punkt 4 Herrn Riedl's Zusatz, er lautet: In Erwägung, daß das Hofkanzleidecret vom 12. Mai 1820, Z. 12, 614, kein Reichsgesetz, sondern ein Landesgesetz ist, wolle der hohe Landtag beschließen „der hohen Regierung gegenüber sich dahin auszusprechen, daß ohne seine Zustimmung dieses Gesetz nicht außer Kraft gesetzt, oder modificirt werde." Ich eröffne die Debatte hierüber. Findet der Herr Berichterstatter vorläufig etwas zu bemerken? Seyffertitz: Als Berichterstatter des Comite muß ich mich gegen den vorliegenden Antrag aussprechen, und zwar nicht deßhalb, weil ich ihn im Principe anfechte, sondern deßwegen, weil dasjenige, was er enthält, implicite bereits in den drei Anträgen enthalten ist. Indem wir sagen, daß die hohe Regierung dringend zu ersuchen sei, bis zur nächsten Landtagssession eine Regierungs-Vorlage diesfalls an den Langtag zu bringen, haben wir auch hiemit ausgesprochen, daß wir diese Sache als eine Landesangelegenheit betrachtet wissen wollen. Würden wir diese Sache nicht als eine Landesangelegenheit, sondern als eine Reichsangelegenheit betrachtet wissen wollen, so hätten wir offenbar Punct 3 dem Landtage zur Annahme nie empfehlen können. Ich halte daher den Zusatzantrag des Herrn Abgeordneten Riedl für überflüssig, und, da in der präcisen Fassung vom Gutachten alles Überflüssige auszuschließen ist, auch für zu verwerfen. Riedl: Ich bitte ums Wort. Ich kann mich zur Ansicht des Herrn Vorredners, daß dieser Antrag überflüssig sei, durchaus nicht bekennen. Es ist schon einmal ganz nahe daran gestanden, daß der Reichsrath in Wien ohne Rücksicht auf die specielle Landesgesetzgebung das Institut des Eheconsenses für das ganze Reich ausnahmslos beseitiget hätte. Es ist nun sehr leicht möglich, und dieser Fall muß Angesichts der hohen Wichtigkeit dieses Gegenstandes in Voraussetzung genommen werden, daß, wenn dieser Gegenstand neuerdings vor die beiden Häuser in Wien gelangt, er eine den speciellen Verhältnissen der einzelnen Länder nicht entsprechende Lösung finde. Ich habe schon früher die Gründe entwickelt, aus denen klar hervorgeht, daß das Hofcanzlei-Decret vom Jahre 1820 kein Reichsgesetz, sondern ein Landesgesetz ist, und muß daher darauf bestehen, daß Angesichts der Thatsache, daß sich dieses Hofcanzlei-Decret durch seinen Wortlaut und die Publication selbst als Landesgesetz erklärt, dasselbe kein Gegenstand der Abrogirung durch beide Häuser des Reichsrathes bildet. Ich bitte daher das hohe Haus die Wichtigkeit dieses Gegenstandes in's Auge zu fassen, und die Sache nicht für überflüssig zu halten. Denn, wie ein Damoklesschwert schwebt es über unsern Köpfen und kann es sich in nächster Zukunft ereignen, daß, wenn über diese wichtigen Momente hinausgegangen wird, der Eheconsens für das ganze Reich abgeschafft wird. Hochw. Bischof: Ich habe im Betreff der vorgeführten Gründe einen Zweifel, über welchen ich allein nicht wegzukommen vermag. Ich will denselben daher öffentlich aussprechen. Der Zweifel besteht darin, ob, wenn in irgend einem Lande ein Landesgesetz besteht, dieses ein Hinderniß sei, daß der nemliche Gegenstand, welchen es normirt, vom Ministerium als ein Gegenstand der Reichsgesetzgebung erklärt, und als solcher behandelt werde. Es ist allerdings wahr, daß die billige Rücksicht auf die schon bestehenden Landesgesetze es erheischen würde, dieselben nicht so leichthin zu beseitigen; ob man aber rechtlich auf Grund der Verfassung sagen kann, daß, weil in einem Lande ein Landesgesetz besteht, der durch dasselbe behandelte Gegenstand nicht durch ein Reichsgesetz geregelt werden könnte, ist mir ein zweifelhafter Punct, und ich möchte jene Herren, welche sich über diese Frage schon ihr Urtheil gebildet haben, ersuchen, sich hierüber öffentlich auszusprechen, da mir von diesem Punkte alles abzuhängen scheint. Denn wenn ein Landesgesetz durch ein Reichsgesetz beseitiget werden kann, dann hilft der Beisatz des Herrn Abgeordneten Riedl nichts, und der Landtag hat ohnehin schon deutlich genug ausgesprochen, was er will; wenn aber ein Landesgesetz durch ein Reichsgesetz nicht beseitigt werden kann, dann ist allerdings die Sache von großer Bedeutung und verdient eigens hervorgehoben zu werden. Landeshauptmann: Ich kann nur die thatsächliche Bemerkung vorbringen, daß, soweit mir aus den Verhandlungen des hohen Reichsraths bekannt ist, ähnliche Verordnungen betreffend gewisse Beschränkungen der Eingehung von Ehen auch in andern Provinzen durch Anordnungen eingeführt worden sind. Riedl: Ich bitte noch einmal um das Wort. Es sind hier nur zwei Fälle möglich, entweder kann der Eheconsens nur durch ein Reichsgesetz geregelt werden, oder er ist ein Gegenstand der Landesgesetzgebung. Das Comite hat, indem es den Antrag aufnahm, die hohe Regierung zu ersuchen, eine 142 Regierungsvorlage zu einem Landesgesetze in dieser Beziehung anher gelangen zu lassen, seine Meinung klar dahin ausgesprochen, daß das Institut des Eheconsenses nur ein Gegenstand der Landesgesetzgebung werden könne. Dieser Ansicht schließe ich mich vollkommen an. Hält man aber an dieser Ansicht fest, so muß man geradezu der CentralReichsgesetzgebung das Recht bestreiten, ein specielles Landesgesetz ohne Zustimmung des Landtages aufzuheben. Mein Antrag bezweckt nur, daß das Landesgesetz v. J. 1820 nicht durch einen Beschluß der Reichsgesetzgebung aufgehoben werde, ohne daß ein anderes Eheconsensgesetz an seine Stelle gesetzt werde. Es wäre nemlich der Fall sehr leicht möglich, daß wir das Gesetz über den Eheconsens durch ein Reichsgesetz aufgehoben sehen, und das Hofcanzleidecret v. J. 1820 obwohl es ein Landesgesetz ist, hiedurch außer Kraft und Wirksamkeit gesetzt würde; in solchem Falle hätten wir dann kein, diesen wichtigen Zweig der Gesetzgebung im Lande behandelndes Normativ mehr. Daher muß ich nochmals auf die Wichtigkeit meines Antrages hindeuten, welchen ich gestellt habe, und denselben dem hohen Landtage zur Annahme empfehlen; es handelt sich vorzüglich darum, daß der hohe Landtag dießfalls seine Ansicht der hohen Regierung zu erkennen gebe. Landesfürstl. Commissär: Ich glaube, auf die Zweifel, welche der Hochw. Herr Bischof ausgesprochen hat, erwiedern zu sollen, daß, wo es sich um ein allgemeines Princip handelt, jedenfalls der hohe Reichstag berufen ist, dasselbe auszusprechen, und für ein Gesetz zu formuliren. Um solche allgemeine Principien handelt es sich auch beim Eheconsense; dieses bethätigen auch die letzten Reichsraths- Verhandlungen, bei welchen diese Frage als seiner Competenz zustehend angeregt und verfassungsmäßig behandelt wurde. Das Ministerium hat erklärt, daß es diese Frage als eine offene betrachte, und daher den Landesvertretungen Gelegenheit werde geboten werden, mit Rücksicht auf die Landesverhältnisse und etwaige, bezügliche specielle Verordnungen sich zu äußern. Ich glaube daher, daß der Comite-Antrag, wie er vorliegt, vollkommen genüge, um die Besorgniß des Landes zu beseitigen, als dürften bezügliche Wünsche oder Anträge keine Beachtung finden. Indem der Comite-Antrag um ein solches Gesetz bittet, gibt er ja zu erkennen, daß er dasselbe zur Vorlage gebracht wissen wolle, in welchem Falle der Landtag dann darüber berathen, seine Ansicht darlegen und bei dieser Gelegenheit auch jene Verordnungen zur Sprache bringen kann, welche durch besondere Anordnungen speciell für das Land Vorarlberg gegeben worden sind, wie die oft angezogene vom Jahr 1820, und die Ministerial-Erklärung vom Jahr 1850. Ich muß daher wiederholen, daß ich glaube, es seien durch den Punkt 3 der Anträge des Comite-Berichtes die Interessen der Gemeinden vollkommen gewahrt. Riedl: Ich bitte noch einmal um das Wort. Der Herr Regierungs-Commissär setzt als ganz gewiß voraus, daß die hohe Regierung wirklich in Folge des gestellten Antrages eine Regierungsvorlage zu einem Landesgesetze an den Landtag herabgelangen lasse. Es ist dieß aber nach meinem Erachten sehr problematisch, und es muß auch der Fall in's Auge gefaßt werden, wenn keine solche Regierungs-Vorlage zu einem Landesgesetze an den Landtag gelangte, sondern wenn nur bei der Central-Gesetzgebung des Reiches darüber verhandelt wird, und in diesem Falle möchte ich noch einmal darauf zurückkommen, daß der hohe Landtag ausspreche, der hohen Regierung gegenüber, dieselbe wolle festhalten an der speciellen Landesgesetzgebung, d. h. an dem Hofkanzleidecrete vom Jahr 1820, insoferne daß dasselbe als Factor dieser Landesgesetzgebung, ohne Zustimmung dieses Landtages nicht abgeändert oder modisicirt werden könne. Hochw. Bischof: Es handelt sich in unserer Debatte, wie mir scheint, um Aufklärung meines Zweifels. Ich bin darüber noch nicht im Klaren, und muß daher noch die weitere Frage aufwerfen, wenn ein neues Reichsgesetz in dem Sinne erfolgen würde, wie das in der letzten Reichsraths-Sitzung beantragte war, ob Herr Riedl wohl glaubt, daß in diesem Falle das Landesgesetz dennoch fortdauern würde oder nicht? Darin liegt die praktische Bedeutung über diesen Punkt, und darüber möchte ich klar sein. Wenn trotz eines vom Reichsrath beschlossenen und allerhöchst sanctionirten allgemeinen Gesetzes, welches den politischen Eheconsens aufhebt, das hier bestehende Landesgesetz vom Jahr 1820 erhalten werden kann, so daß dieses allgemeine Reichsgesetz daran nichts ändert, dann hat dieser Zusatz große, praktische Bedeutung; wenn nicht, dann scheint dieser Antrag im Punkte 3 des Comite-Berichtes schon vollkommen enthalten, und daher überflüssig zu sein. Landesfürstl. Commissär: Ich möchte hierüber nur bemerken, daß auch, selbst im Falle die Voraussetzung des Hochw. Herrn Bischofes eintreten sollte, die Landes-Ordnung in §. 19 dennoch immer ein — 143 — Mittel bietet, sich dagegen zu verwahren. Die Bestimmungen des §. 19 der Landes-Ordnung sind Ihnen, meine Herren, ohnedieß bekannt, es ist nemlich nach diesem Paragraphe der Landtag berufen, über kundgemachte allgemeine Gesetze und Einrichtungen bezüglich ihrer besonderen Rückwirkung auf das Wohl des Landes Anträge zu stellen. Riedl: Der Herr Regierungs-Commissär hat ganz richtig bemerkt, daß §. 19 der Landes-Ordnung dem hohen Landtage das Recht einräume, bezüglich der nachträglichen Rückwirkung der Reichsgesetze auf das Anträge zu stellen; allein ich bezwecke durch meinen verhindern, daß solches Unheil durch Erlassung eines Gesetzgebung der Länder vernichtenden Reichsgesetzes es einmal geschehen ist, es sehr problematisch wäre, noch au solchen Reichsgesetzen etwas ändern könnten. Wohl des Landes Antrag eben zu die specielle geschehe, weil, wenn ob wir nachträglich Hochw. Bischof: Darüber eben möchte ich in's Klare kommen, ob dieser gestellte vierte Antrag im Stande sei, das Eintreten eines solchen Unheiles zu verhindern. Denn was hilft es, wenn der Landtag einstimmt, daß dieses Gesetz ohne seine Zustimmung nicht außer Kraft gesetzt oder modificirt werde; sowie man höheren Ortes in dieser Beziehung anderer Ansicht ist, ist diese ganze Erklärung nutzlos. Wenn man höheren Ortes aber der Ansicht des Landtages ist, daß man nemlich eine RegierungsVorlage an den Landtag gelangen lassen wolle, so ist dasselbe schon durch den dritten Punkt des Comite-Antrages erreicht, und auch in diesen! Falle der Riedl'sche Antrag unnütz. Riedl: Es handelt sich nicht um Erlassung eines Gesetzes, wodurch allgemeine Principien geregelt werden sollen, sondern lediglich nur um eine administrative Norm, denn als eine solche Norm erkläre ich das Gesetz über den Eheconsens und als eine solche hat es auch die Regierung aufgefaßt, sonst hätte sie nicht für einzelne Kronländer solche specielle Landesgesetze erlassen. Wenn auch heute nicht eine präcise Antwort dahin gegeben werden kann, daß durch unsern Beschluß absolut nothwendig jedes Hinwegschreiten der Central-Gesetzgebung über die speciellen Verhältnisse des Landes verhindert werde, so ist ein solcher Beschluß dennoch jedenfalls geeignet, auf die Wichtigkeit des Gegenstandes und die speciellen Verhältnisse des Landes die hohe Regierung aufmerksam zu machen, und es ist dieses ein Präcedenz-Fall auch für andere Zweige der Administration, indem auch in anderen Gebieten specielle Landesgesetze bestehen, deren Aufhebung durch den Reichsrath für die einzelnen Kronländer eine große Calamität bringen würde. Hochw. Bischof: Diese Aufklärungen machen mir die Sache nur noch dunkler, da in einem Athemzuge gesagt wird, es sei dieses eine administrative Norm, und dann wieder, es sei ein Landesgesetz. Ein Landesgesetz ist denn doch etwas von einer bloßen administrativen Norm ganz Verschiedenes, und ich bin daher durch die letzte Aufklärung in der Sache nur noch mehr unklar geworden, als ich es zuvor war. Riedl: Es handelt sich hier um einen Zweig der politisch-administrativen Landesgesetzgebung, und auf diese Art möchte ich meine Aufklärung ergänzt haben. Landeshauptmann: Da Niemand mehr zu sprechen verlangt, schließe ich die Debatte und ertheile noch dem Herrn Berichterstatter das Wort. Seyffertitz: Ohne mich in die principielle Frage des Zusatz-Antrages Herrn Riedl's einzulassen, dessen Tragweite mir vollkommen klar ist, gebe ich der hohen Versammlung nur Folgendes zu bedenken. Wenn Anwohner eines Flusses ihren Damm gegen die Wogen dieses Flusses nicht für vollkommen genügend erachten, so pflegen sie denselben in der Regel zu erhöhen oder in seiner Basis durch einen Rückwall aufgelegter Massen zu verstärken. Der Zusatz-Antrag des Herrn Riedl ist offenbar eine solche Auflage eines Dammes, welche gegen den Hereinbruch einer Fluth, wenn ich mich so ausdrücken darf, aufgeführt werden soll. Sehen sie aber, daß der Damm ohnehin gut, und daß, wenn der Damm nicht gut wäre, auch die Auflage nichts nützen werde, so werden sie auch diese unterlassen. Nun kann ich mir nicht denken, daß, wenn der Reichsrath überhaupt über unsere drei Anträge, wie sie das Comite formulirt hat, hinausschreiten will, er sich durch Riedl's Antrag noch ganz besonders aufhalten und bestimmen lassen werde, nicht darüber hinauszuschreiten. Das ist der Hauptgrund, der mich bestimmt hat, gegen die Aufnahme des vierten Antrages zu sprechen, und dieser Grund läuft eigentlich darauf hinaus, was ich zuvor als Begründung vorgebracht habe, nemlich daß er überflüssig ist. Aus diesem Grunde also beantragt das Comite die Verwerfung dieses Zusatz - Antrages. Landeshauptmann: Ich werde den Antrag des Herrn Riedl verlesen und lade die hohe Versammlung ein, zur Abstimmung desselben überzugehen. Jene Herren, welche ihn anzunehmen gedenken wollen es durch Aufstehen zu erkennen geben. (Minorität.) Herr Wohlwend hat mir den formellen Antrag überreicht, daß die ComiteAnträge sogleich in letzter — 144 — Lesung zur Abstimmung gebracht werden sollen. Ist die hohe Versammlung damit einverstanden? (Angenommen.) Somit werde ich dieselben nochmals vorlesen. (Abgelesen.) Ich bitte um Abstimmung hierüber. (Angenommen.) Diese drei Comite-Anträge sind also in letzter Lesung angenommen. Es liegt uns noch das Gesuch des Herrn Kaufmanns Alois Nummer von hier vor, um Schutz gegen Verfolgung. Die Herren haben von demselben bereits Kenntniß erhalten und nach den Besprechungen, die vorausgingen wurde der Vorschlag erhoben: „Dieses Gesuch der competenten Behörde zur Amtswirksamkeit zu übergeben." Ist die hohe Versammlung damit einverstanden. (Angenommen.) Nun erübriget noch zur Wahl des Fünfer-Comite zu schreiten, welches über das Gesuch des Bezirksamtes Bludenz wegen Bestreitung der Viehabsperrungs-Kosten überreicht worden ist. Ich bitte sieben Herren zu bezeichnen. (Herr Riedl scrutinirt.) Riedl: Es sind 19 Stimmzettel abgegeben worden. Landeshauptmann: Die absolute Stimmenmehrheit Herr Seyffertitz mit 16, Herr Hirschbühl mit 13, Herr Rhomberg mit 12, Herr Bertschler mit 12 und Herr Egender mit 11 Stimmen. Als Ersatzmann ist Herr Wohlwend bestimmt, somit muß noch der zweite Ersatzmann gewählt werden. Die meisten Stimmen nächst diesen haben erhalten die Herren Ender und Schneider mit je 7. Herr Riedl mit 6, die Herren Wachter, Ganahl und Widmer mit je 5 Stimmen. Die übrigen Stimmen haben sich zersplittert. (Wahl.) Riedl: Es sind nur 17 Stimmzettel abgegeben worden.