1998_0201_Heimat_Wolfurt_20

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Letzte Änderung 27.06.2021, 13:40
Gemeinde Wolfurt
Bereich oeffentlich
Schlagworte: heimatwolfurt
Dokumentdatum 1998-02-01
Erscheinungsdatum 1998-02-01
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Heft 20 Zeitschrift des Heimatkundekreises Februar 1998 Die Pfarrkirche St. Nikolaus wurde 1834 erbaut. Das Bild von 1902 zeigt sie noch mit dem alten kleinen Turm. Inhalt: 96. Vorsteher und Bürgermeister (1) 97. Alois Negrelli in Wolfurt 98. Als die Wolfurter ihre Kirche bauten 99. Flatz-Familien 100. Der Silbersee 101. Mi Wolfurt (Mohr-Wachter) Bildnachweis: Karl Hinteregger Franz Rohner Siegfried Heim Sammlung Heim Zuschriften und Ergänzungen Bilder 8, 9, 10, 11, 13, 14, 15, 16, 17 Bilder 4, 5, 6 Bild 18 Bilder 1, 2, 3, 7, 12, 19, 20 Weinbau in Wolfurt (Heft 19, S. 4) Laut Haltmeyer-Chronik (in Privatbesitz) ließ der Kreuzwirt Johann Haltmeyer im Jahre 1897 den allerletzten Wolfurter Weintorggel abbrechen. Er brauchte den Platz hinter dem Gasthof Kreuz für einen neuen riesigen Weinkeller. Darin lagerten nun 20 große Weinfässer von je 2000 bis 4000 Liter Inhalt. Bis zu 50 000 Liter Wein warteten manchmal hier auf den Versand. Fast gleichzeitig verschwanden um 1900 als letzte Wolfurter Weinberge die des Pfarrers am steilen Südhang des Kirchenbühels. An vielen Bauernhäusern ließ man aber noch einzelne Reben zwischen den Fenstern bis zum Dach hinauf klettern. Ihre Trauben gehörten zu den begehrtesten Süßigkeiten unserer Kindheit. Getrocknete Wi-Beerle konnte man damals schon kaufen. Bei hohen Festen tauchten sie im Hefeteig von Mamas Gugolupf auf. Der Ippachwald (Heft 18, S. 16 und Heft 19, S. 14) Bei dem Wolkenbruch am ersten Festspielsonntag, 20. Juli 1997, haben unsere neuen Forststraßen im Ippachwald ihre große Probe bestanden. Während am Vormittag viele Bäche im Pfändergebiet über die Ufer traten, gab es bei uns nur geringe Schäden an einigen Durchlässen, aber keine Vermurungen. Das gibt Hoffnung für die Zukunft, aber natürlich keine Garantie. Auch am Steußberg kann ein kommendes Jahrhundert-Hochwasser wieder einmal Muren bis ins Tal tragen! Von einer solchen berichten die Gemeinde-Akten aus dem Jahre 1883. Am 19. Juni 1883 war die Alte Bucherstraße, damals die einzige Verbindung nach Buch, an der unteren Katzensteig auf 100 Metern Länge in die Ach hinab gerutscht. Ein gräßliches Bild! Der Schaden dürfte sich hoch in die Tausende belaufen! schrieb Vorsteher J. M. Schertler an den Hohen Landesausschuß. Für das völlig abgeschnittene Buch verlangte Vorsteher Peter Böhler binnen 8 Tagen eine noth far Strasse. Die Gemeinde Wolfurt sträubte sich gegen ein Provisorium. Erst im September legte Landeshauptmann Graf Belrupt einen Plan für eine Tiefertrassierung der Straße vor. Am 3. April 1884 war die neue Straße dann endlich fertig und Buch aus seiner fast einjährigen Isolierung erlöst. Kein Wunder ist es daher, daß sich die Straßenbenützer durch ein Wegkreuz beim Ippa-Brünnele unter Gottes Schutz stellten! (Bild 8 in Heft 19, S. 24). Als die Bergsteiger die alte Straße 1975 wieder als Wanderweg begehbar machten, fand Helmut Heim in den morschen Kreuzbalken ein stark verwittertes Stück Papier, das jetzt im Gemeindearchiv aufbewahrt wird: Dieses Kreuz wurde ... im Jahre 1913 restauriert. / Wilhelm Fischer ... in Angriff genommen ... geführt... daran gearbeitet oder... /Engelbert Köb Malerarbeit / Martin Rohner / Gebhard Mohr / Mathias Geiger / Josef Böhler Küfer u. Oberkaßiner / Wilhelm Fischer ledig im Röhle / Dobler Sepp hat s Kreuz gezimmert / Flaschner Räschle / Der Schwanenwirth J. G. Kalb führt s Kreuz mit Roß herein. 3 Danke ! Sehr viele Leser unserer Zeitschrift haben mit dem letztes Mal beigelegten Erlagschein Spenden auf unser Konto 87 957 Raiba Wolfurt einbezahlt, einige davon in beachtlicher Höhe. Allen sagen wir herzlichen Dank! Besonderen Dank auch der Gemeinde Wolfurt, die den Abgang trägt. Herausgeber: Heimatkundekreis Wolfurt Für den Inhalt verantwortlich: Siegfried Heim, Funkenweg 11, A-6922 Wolfurt Satz und Grafik: Erik Reinhard, A-6922 Wolfurt Fotosatz: Mayr Record Scan, A-6922 Wolfurt Druck: Lohs Ges.m.b.H., A-6922 Wolfurt Das Jahr 1913 ist ein schlechtes Jahr. Die Stickerei geht nicht, der Balkan Krieg ... Obst gibt es heuer keinen Kräften, weil im April alles erfroren ist, also wird s keinen Most geben, man macht lauter Wasserburger. Wolfurt 19. July 1913 Engelbert Köb Maler u. sein Vetter Wilhelm Fischer Mit Tintenblei sind dann noch eigenhändige Unterschriften nachgetragen: / Fidel Schwerzler Zimmermeister / Joh. Martin Mohr Straßenmeister / Wilhelm Fischer Wuhrmeister / Josef Anton Rohner / Josef Schertler Sticker / Anton Fischer Sticker/ WilhelmSchwerzler/ Konrad Lenz Fuhrknecht Ganz genau hat Julius Müller das Bild 11 (S. 30) betrachtet und an Geweih und Ofenrohr herausgefunden, daß es sich nicht um das Imbohüsle im Sustall, sondern um Schwanenwirts Jagdhütte handelt. Diese stand unterhalb der Alten Bucherstraße vor dem Gschliof im Harder Ippach. Das heute beigefügte Bild zeigt die gleiche Hütte mit einigen Familien, die anfangs der 30er-Jahre hierher ihren Sonntagsausflug gemacht haben: Kolumban Thaler, Albert Gasser, Julius Ammann, ... Geradezu historisch ist das Bild wegen der Kinder: August Thaler, Seppl Gasser, Stefan Amann mit Postmoastors Daggol, ... Erika und Erich Gasser, Herbert (?) Amann, Karl (oder Siegbert?) Thaler. - Die Jagdhütte stand übrigens noch lange nach dem Krieg. Paul Geiger erzählt, daß nach dem großen Murbruch von 1957 die Holzarbeiter hier ihre Küche eingerichtet hätten. Zum ersten Schirennen (Heft 19, S. 27) berichtigt mich Emil Gunz aus BildsteinBereuter: Der Start sei niemals am Schneiderkopf, sondern erst am Waldrand oberhalb des heutigen Gasthauses Dreiländerblick erfolgt. Er selbst habe mit seinen Wolfurter Schifreunden (Winkels Hermann, Gassers Engelbert...) die Rennstrecke über Berüttar und Hoamolitto zur Hohlguß ausgesteckt. Die Neue Bucherstraße (S. 20) wurde in den Jahren 1931 bis 1935 gebaut. Aus dem Gemeinde-Sitzungsprotokoll vom 4. Dez. 1937 geht aber hervor, daß sie erst im Herbst 1937 endgültig fertiggestellt wurde. Vorsteher Hinteregger lud die Arbeiter jetzt zu einer Jause ein. Viele von diesen Arbeitern sind auf dem untenstehenden Bild zu erkennen. Aus Buch u. a. der spätere Bürgermeister Fidel Eberle, Gabrielo Franz, Sinz Anton zum Schwarzen ..., aus Wolfurt Kapeollars Filibert, Hannes Franz, Sammars Eugen, Haldobuob, Büocheles Artur, Büoblars Julius, an Kassiänlar ... . Das Foto wurde 1933 aufgenommen, als sich die beiden Partien beim Roden der Trasse auf halber Strecke getroffen hatten. Bild 2: Ausflug zu Schwanenwirts Jagdhütte im Ippach um 1935 Bild 3: Arbeiter an der Neuen Bucherstraße 1933 4 5 Wie hoch liegt Wolfurt? (Heft 19, S. 39) Ganz kritischen Lesern ist vielleicht aufgefallen, daß ich die Meereshöhe der Schneiderspitze, der höchsten Erhebung unseres Steußberges, auf Seite 41 mit 971 m angegeben habe, in Heft 18 auf Seite 19 dagegen mit 973 m. Was ist nun richtig? Höhenmessung bei Bergen war früher immer ungenau. In meiner Schulzeit vor 50 Jahren gab der Schulatlas beim Piz Buin noch 3316 m und bei der Schneiderspitze noch 973 m an. So habe ich es gelernt. Neue Meßmethoden ergaben seither alle paar Jahre andere Zahlen bei den vielen Bergen auf der ganzen Erde. Maßgebend ist für uns in Vorarlberg stets die letzte Ausgabe der Vorarlberger Schulwandkarte, auch für die Schreibart aller Ortsbezeichnungen. Und dort steht seit etlichen Jahren beim Piz Buin 3312 m, bei der Schneiderspitze aber 971 m. Nachkriegsjahre 1945-1949 (Heft 17, S. 9 und Heft 18, S. 3) Drei sensationelle Bilder überließ uns Frau M. L. Fuchs aus Bregenz. Sensationell deswegen, weil auf dem Besitz und dem Gebrauch einer Kamera damals die Todesstrafe stand. Franz Rohner, den Wolfurtern besser behannt als Kapeollars Fränzle, hielt von seinem Dachbodenfenster aus (Bregenzerstraße 33) den Augenblick fest, als am Morgen des 2. Mai 1945 einer der ersten französischen Panzer von der Brücke her auf den menschenleeren Wälderhofplatz einbog. Das zweite Bild zeigt den Panzer auf der Bregenzerstraße in Richtung Dorf. Ein paar Stunden später machten schon die tirailleures maroccaines, die berittenen marokkanischen Krieger mit Turban und Muli, beim Wälderhof Rast. Bild 4: 2. Mai 1945. Französischer Panzer vor dem Wälderhof. Bild 5: Vormarsch in Richtung Kirchdorf Bild 6: Marokkanische Reiter in Wolfurt 6 7 Siegfried Heim Wolfurter Vorsteher und Bürgermeister Am 1. Oktober 1806 wurde Wolfurt selbständige Gemeinde, aber erst am 1. Oktober 1811 konnte die erste Gemeinds Vorstehung ihre Tätigkeit aufnehmen. 1811-1817 1817 (2 Mon.) 1817-1821 1821-1824 1824 (11 Mon.) 1824-1829 1829-1832 1832-1840 1840-1856 1856-1859 1859-1861 1861-1867 1867-1872 1872-1873 1873-1879 1879-1891 1891-1901 1901-1906 1906-1919 1919-1924 1924-1938 1938-1945 1945-1950 1950-1952 1952-1957 1957-1960 1960-1985 19851. Joh. Georg Fischer (I.) 2. Xaver Flatz 3. Mathias Schneider 4/1 Leonhard Fink 5. Andreas Vonach 6. Bernhard Bildstein 7/1 Joh. Martin Schertler (I.) 4/2 Leonhard Fink 7/2 Joh. Martin Schertler (L), insges. 19 Jahre lang 8. Johann Höfle 9. Joh. Georg Fischer (II.) 10. Josef Halder 11. Johann Mai er 12. Jos. Anton Schertler 13. Joh. Georg Fischer (III.) 14. Joh. Martin Schertler (II.) 15/1 Lorenz Schertler 16. Fidel Kirchberger 17. Ferdinand Köb 15/2 Lorenz Schertler, insges. 15 Jahre lang 18/1 Ludwig Hinteregger 19. Theodor Rohner 18/2 Ludwig Hinteregger, insges. 19 Jahre lang 20. Emil Geiger 21. Alfons Gunz 22. Julius Amann 23. Hubert Waibel, 25 Jahre lang 24. Erwin Mohr Vorsteher und Bürgermeister von Wolfurt Innerhalb des Gerichtes Hofsteig hatten seine sechs Dörfer schon seit dem Mittelalter ein gewisses Eigenleben geführt.' Am 13. März 1806 übernahm Bayern das von Österreich im Frieden von Preßburg abgetretene Land Vorarlberg. Schon am 1. Oktober des gleichen Jahres wurden die 24 alten Gerichte aufgelöst. Die neue bayerische Gerichtsordnung sah selbständige Gemeinden innerhalb von sieben Landgerichten vor. Die Hofsteiggemeinden unterstanden jetzt dem Landgericht Bregenz. In jeder von ihnen sollten ein Vorsteher und zwei Räte gewählt werden. Es dauerte aber volle fünf Jahre, bis in Wolfurt am 1. Oktober 1811 erstmals ein Vorsteher sein Amt antreten konnte. Seither haben nacheinander 24 Männer das Vorsteheramt als hohe Ehre und verantwortungsvolle Aufgabe und manchmal auch als schwere Bürde auf sich genommen. Sie haben Wolfurt von einem Bauerndorf mit 1100 Seelen zur heutigen Marktgemeinde mit fast 8000 Einwohnern geführt. Schlichte Porträts der meisten Vorsteher - seit etwa 60 Jahren führen sie den Amtstitel Bürgermeister - schmücken den Sitzungssaal. Mit einigen Anmerkungen möchte ich ihre Namen und ihre Zeit in Erinnerung rufen. Eine erste Aufzählung versuchte schon im Jahre 1879 der damals neue Schulleiter Wendelin Rädler in seiner Schulchronik.2 Er verließ sich dabei auf die Aussagen des kurz zuvor verstorbenen Fidel Gmeiner im Holz. Der konnte ihm für die vergangenen 70 Jahre alle 13 Namen angeben, allerdings nicht immer in der richtigen Reihenfolge. Eine zweite Liste stellte 1982 der Journalist Wise Köhlmeier zusammen.3 Nach eingehenden Forschungen im Gemeindearchiv kann ich die auch in der zweiten Liste noch vorhandenen Lücken schließen und eine dritte Reihung der bisherigen 24 Vorsteher mit ihren Amtszeiten vorlegen. Am längsten hatte demnach Hubert Waibel das hohe Amt inne: volle 25 Jahre lang. Er wurde auch als einziger von allen Vorstehern zum Ehrenbürger ernannt. Am nächsten kamen ihm in der Dauer der Amtszeit Ludwig Hinteregger und Joh. Martin Schertler mit je 19 Jahren und Lorenz Schertler mit 15 Jahren. 9 8 Es fällt auf, daß drei von diesen Langzeitbürgermeistern Wolfurt und die anderen Hofsteiggemeinden auch im Vorarlberger Landtag vertreten haben: Hubert Waibel 1964-1984 20 Jahre lang Ludwig Hinteregger 1932-1937 5 Jahre Lorenz Schertler 1919-1923 4 Jahre Zu Joh. Martin Schertlers Zeiten hatte es bis 1861 noch keinen Landtag gegeben. Am allerlängsten, nämlich 24 Jahre, gehörte der aus Lauterach nach Wolfurt ins Wida zugezogene Schmied Josef Greussing von 1945-1969 dem Landtag an. Die Liste der Abgeordneten vervollständigen Manfred Rünzler, 1984-1989, und Dr. Fritz Schuler, Landtagsvizepräsident, seit 1994. Selbständige Gemeinde Wolfurt Sie ist also per Gesetz am 1. Oktober 1806 errichtet worden. Bis dahin hatte sie seit 1802 der letzte Hofsteig-Ammann Franz Josef Dörler von Hard aus verwaltet, wobei ihm aus Wolfurt die Geschworenen Joh. Georg Reiner, Xaver Gmeiner und Joh. Georg Fischer zur Seite standen. Nun schafften bayerische Beamte an. In den folgenden Wirren, die zum Aufstand von 1809 führten, gelang es nicht, die neue Gemeindeordnung in Kraft zu setzen. Daher beglaubigte im Namen der Gemeinde Wolfurt bis 1811 immer noch der zweitletzte Hofsteigammann Joh. Georg Reiner, der Wirt vom Alten Schwanen, die Rechtsfälle beim Landgericht.4 Zur Erstellung der Steuerlisten und zu Rekrutenaushebungen zogen die bayerischen Beamten den schreibgewandten Gotteshausammann Mathias Schneider heran5. Sogar der Schützenhauptmann Jakob Schertler erhielt Aufträge vom Königl. Bairisch. Landgericht. Schneider zählte im Jahre 1807 in Wolfurt 183 Häuser, die nun alle eine neue Hausnummer (B) erhielten. Mit Hilfe von vier Wolfurter Schätzleuten wurden alle Grundstücke im Bayerischen Kataster für die Steuereinhebung erfaßt. Die ebenfalls 1807 durchgeführte Volkszählung ergab 1143 Einwohner, 581 männliche und 562 weibliche. Schon am 15. Nov. 1806 hatten die Bayern die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. 99 ledige Männer standen in Schneiders Listen. Der Reihe nach wurden viele davon nun zu den Soldaten gerufen. Panik brach aus. In überstürzten Massenhochzeiten heirateten 22 Jungmänner, andere flüchteten aus dem Land.6 Jetzt forderte der köngl. bayr. Landrichter Joh. Nepomuk Matz den Schützenhauptmann Jakob Schertler in Unterlinden auf, die abwesenden Rekruten unverzüglich zu stellen.7. Die meisten der eingezogenen Männer starben ein paar Jahre später im Winter 1812 in Rußland. Im April 1809 kam es zum Aufstand gegen die Bayern, der mit einer Niederlage endete. Erst jetzt konnte die Behörde die neue Gemeindeordnung durchsetzen. 1811 wurde erstmals gewählt. Der frühere Hofsteig-Geschworene Joh. Georg Fischer wurde vom königl. bayr. Landrichter als Friedensrichter vereidigt und nahm mit seinen beiden Räten am 1. Oktober 1811 die Tätigkeit in der Gemeinds Vorstehung auf. Bild 7: Mathias Schneider schrieb in seine Chronik (Schneider 2): Pro 1811 den Iten Ocktber hat die Neue Gemeinds Vorstehung angefangen, und dato bey dem Königl Landgericht Bregenz beEidiget worden, alwo das allgemeine Gericht aufgehört hat. Zu Wolfurt Erstens ist als Friedens Richter erwählt Joh. Georg Fischer alt Geschworener) 2ten als Rath ist detto Joh. Zumtobel zu Rikenbach 3ten detto detto Johan Anwander zu wolfurt und als Gemeinds Waibel Kaspar Müller zur Linden. Diese haben alle Wochen jedes mall am Dinstag einen Verhandlungs Tag, jede Parti welche verhandlet wird hat 24 x zu bezahlen. 1. Joh. Georg Fischer (I.) 1811-1817 Geb. 10.6.1760, gest. 18.7.1817 Im Stammhaus der Spetenleher Fischer (Hofsteigstraße 27) war er als einziger Sohn des Martin Fischer (1729-1767) und der Christina Höfle zur Welt gekommen. Seine Sippe besaß damals großen Einfluß. Onkel Johann Fischer (1725-1776) war Kellhof-Ammann gewesen. Der andere Onkel, Löwenwirt Joseph Fischer (1723-1809), hatte sogar durch insgesamt sechs Perioden das wichtige Amt eines Hofsteig-Ammanns ausgeübt. Er hatte 1771 die Kellhofer aus der Herrschaft des Grafen von Hohenems freigekauft. Als Wolfurt seine erste Schule bauen mußte, hatte er als Rickenbacher dafür gesorgt, daß sie im Jahre 1778 nicht, wie sonst allgemein üblich, in die Nähe der Kirche, sondern möglichst weit nach Rickenbach an die Grenze zur Hub kam. Nun, da die Bayern die auseinanderstrebenden Dörfer Wolfurt und Rickenbach zu einer Gemeinde Wolfurt vereinigt hatten, war es des ersten Vorstehers Aufgabe, dieses Band zu festigen. Auch Buch und das mit damals 831 Einwohnern viel größere Bildstein mußten ja zusammen die Gemeinde Berg bilden. Während diese zwei sich aber schon nach wenigen Jahren wieder trennten, hielt die Verbindung in Wolfurt trotz mancher 11 10 Seine Frau Barbara Rohner hatte ihm 13 Kinder geboren. Von ihnen stammen die Schützenwirt-Fischer in Spetenlehen, Fischer Adolfs, Ruperts, Ratzers und die Familien Gmeiner-Mathis, aber auch die Lammwirt- und Sternenwirt-Fischer mit ihren vielen Familien. Zu den Nachkommen des ersten Wolfurter Vorstehers zählen auch die Nagler-Kalb im Tobel, Heims in der Bütze und noch einige andere. Bild 8. Haus Gmeiner-Mathis in Spetenlehen. Das Fischer-Stammhaus war ab 1811 das erste Wolfurter Gemeindeamt. 2. Xaver Flatz 1817 Geb. 10.2.1761, gest. 23.12.1843 Im Juni 1817 trat der zweite Wolfurter Vorsteher sein Amt an. Nach zwei Monaten legte er es bereits im August wieder zurück. Die Bürde der Verantwortung war im Hungerjahr 1817 allzu schwer für ihn. Im Sommer 1816 hatte es wegen des anhaltenden Regens keine Weizenernte gegeben, im Herbst fielen auch Kartoffeln und Mais völlig aus. Im Sommer 1817 vernichteten das höchste im Rheintal jemals verzeichnete Hochwasser und ein Hagelwetter abermals die Ernte. Eine ganz schreckliche Hungersnot war die Folge.9 Da berief die Gemeinde in der höchsten Not den 72 Jahre alten ehemaligen Gotteshaus-Ammann Mathias Schneider an ihre Spitze. Xaver Flatz diente aber noch viele Jahre lang als Gemeindekassier. Zu seiner Zeit gab es in Wolfurt gleich drei Xaver-Flatz-Familien, die alle aus Buch stammten und miteinander nahe verwandt waren. Vorsteher Flatz war an der Kreuzstraße im Dorf geboren worden, besaß zuerst an der Hub das Haus HofSteigstraße 14 (Soalars) und erbaute dann 1818 ein neues Haus, Flotzbachstraße 15 (Ruoschos). Weil seine beiden Kinder früh starben, blieb er auch nach drei Ehen ohne Nachkommen. Die nächsten Verwandten sind die Mohr-Familien, die alle von seiner Schwester Viktoria Flatz abstammen. Schwierigkeiten mit der von Rickenbach so weit entfernten Pfarrkirche seither unverändert. Dazu dürfte neben Vorsteher Fischer - vor seinem Haus in Spetenlehen verläuft nach alter Tradition die Grenze zu Rickenbach - besonders der Einfluß seines Schwagers, des hochangesehenen Schützenmajors Jakob Schertler, beigetragen haben. So lenkte also Vorsteher Fischer Wolfurt durch die kriegerische Bayernzeit. Als Vorarlberg am 7. Juli 1814 zu Österreich zurückgekehrt war, wollte man aber wieder die alte Gerichtsordnung einführen. Am 23. Mai 1816 wählten die Hofsteiger den Schwarzacher Kronenwirt Joh. Georg Haltmeyer zu ihrem allerletzten Ammann. Vergeblich! Kaiser Franz I. ließ die Gemeinden selbständig bestehen. Der gewählte Ammann Haltmeyer in Schwarzach mußte sich mit dem Titel Gemeinderepräsentant zufrieden geben. Noch lange Zeit verwaltete er eine gemeinsame Hofsteiger Kasse und berief jedes Jahr alle sechs Vorsteher zu sich, um mit ihnen neben anderen Problemen die Erhaltung gemeinsamer Brücken, der Ippachstraßen und vor allem der aufwendigen Straße über das Farnach in den Bregenzerwald zu beraten. Vorsteher Fischer erlebte am 4. Juli 1814 den Einzug des neuen Pfarrers Alois Graßmeyer. Dieser war früher Pfarrer von Hörbranz gewesen und dann von den Bayern nach Ingolstadt vebannt worden. Nun kehrte er heim und wurde vom GemeindeAusschuß an der Zollbrücke in Rieden mit Trummel und Pfeifen und fliegenden Fahnen begrüßt. Nach dem Te Deum in der Kirche krachten Böllerschüsse und Salve der Musketen} Es gab also 1814 in Wolfurt schon die Schützen, aber noch keine Blasmusik. Diese entstand erst zwei Jahre später und übte ab 1816 in einem Raum im Gasthof Engel beim Sammer (s Ammanns) Joh. Georg Fischer, einem gleichnamigen Vetter des Vorstehers. Dieser mußte sein Amt wegen einer schweren Erkrankung 1817 abgeben, wenige Monate später starb er, erst 57 Jahre alt, an Lungensucht. 12 3. Mathias Schneider 1817-1821 Geb. 24.2.1745, gest. 20.1.1833 Auf ihn richteten sich im Notjahr 1817 die Hoffnungen der hungernden Wolfurter, denn er war weit über das Dorf hinaus bekannt und allgemein geschätzt. Er stammte aus dem Ammann-Schneider-Geschlecht und besaß ein Haus an der Kirchstraße, dort wo heute Kirchstraße 29 steht. Viele Jahre lang hatte er als Gotteshaus-Ammann die Güter des Klosters Mehrerau bis zu deren Verkauf im Jahre 1807 verwaltet. Maßgebend war er bei der Verteilung der Wälder und des Riedes in Aktion und wurde als Feldmesser auch in die anderen Hofsteiggemeinden geholt. Die Bayern hatten ihm 1806 die Erstellung der Rekrutenlisten und die Vorarbeiten für den Steuerkataster anvertraut. Als Wuhrmeister war er dazu noch für die Dämme an der Ach verantwortlich. 13 Bild 9. Haus Schertler an der Hub. Das 1997 schön renovierte große Rheintalhaus ist eines jener Häuser, die Gotteshaus-Ammann Schneider um 1808 erbaut hat. Hier lebte 100 Jahre später der Vorsteher Lorenz Schertler. Für eine Hochzeit für Sponsalia & Kupelieren und 3mal verkünden Für Versehen durch die ganze Pfarre, für Pfarrer & Meßmer Für jede Heil. Meße, welche bei Besingnißen zu lesen gemacht werden Bei Begräbnißen für Seelgeräth, Begraben und Grab gehen durch 4 Wochen , solle dem H. Pfarrer bezahlt werden und dem Meßmer 2 fl 24 x 15 x 24 x 2 fl 2 x 36 x Nun mußte er sich um die Versorgung der Familien mit Nahrungsmitteln und um die Saat in den Feldern kümmern. Dann organisierte er die Gemeindeverwaltung mit Kassier, Gemeindediener, Schulaufseher, Dorfmeistern, Nachtwächter und anderen Ämtern. Aus seiner Amtszeit sind viele Rechnungsbelege erhalten geblieben, die Aufschluß über die Finanzen der Gemeinde geben. Damals hatte ein Gulden (1 fl) noch 60 Kreuzer (60 x). Ein Taglöhner verdiente pro Tag 30 x, ein Handwerker 40 bis 48 x. Ein Kilogramm Mehl kostete 10 x, ein Liter Milch 4 x. Die Hebamme bekam 50 fl Wartgeld im Jahr. Der Pfarrer erhielt von der Gemeinde jährlich 50 fl Holzgeld, 25 fl 36 x Opferweingeld und 22 fl 30 x Wachsgeld. Dem Vorsteher selbst wurde ein Jahresgehalt von 51 fl ausbezahlt, dazu aber noch Dieethen anläßlich der vielen Gänge zum Landgericht nach Bregenz. In der kleinen Schule an der Hofsteigstraße unterrichteten zwei Lehrer in zwei Stuben fast 200 Kinder. Für die Unterweisung seiner 94 Schüler in der zweiten Klasse erhielt Oberlehrer J. Gg. Müller 1818 ein Jahresgehalt von 121 fl. Unterlehrer Rochus Sohn bekam für 96 Schüler in der ersten Klasse nur 71 fl. Kein Wunder, daß er bei der ersten Gelegenheit kündigte und eine Stelle als Gerichtsdiener in Bregenz annahm! In einer gemeinsamen Sitzung mit Representant J. Gg. Haltmeyer, Vorsteher Jakob Flatz von Schwarzach und einigen Deputierten wurden in der Behausung des Pfarrers Aloys Graßmeyer 1818 die Stohlgebühren festgelegt, die dem Pfarrer zustanden. Einige davon waren: Für Taufen eines Kindes dem Pfarrer & Meßmer 36 x 6x detto für Aussegnung einer Kindbetterin Pfarrer & Meßmer 14 Im Jahre 1819 schickte Vorsteher Schneider eine Zählung an das Landgericht. Darin wies er ganz genau 194 Häuser mit 7705 Seelen aus. Bei den Tieren zählte er 75 Pferde, 245 Kühe und 10 Ziegen, keine Ochsen, keine Schafe, keine Schweine! Also im Durchschnitt fast 6 Personen in jedem Haus und meist nur eine Kuh! Auch nachdem er nach vier Vorsteherjahren 1821 zurückgetreten war, half Schneider den Nachfolgern noch häufig beim Schriftverkehr mit den Behörden und führte die Steuerbücher. Seine Erinnerungen hielt er in einem großen Notizbuch Märckwürdige Begebenheiten fest, das uns als wertvolles Zeitdokument überliefert geblieben ist.10 Ganz außergewöhnlich ist die Bemerkung, die Pfarrer Barraga über ihn nach seinem Tod im Jahr 1833 in ein Pfarrbuch schrieb: Er war klug, verständig, geschickt und fromm!" Mathias Schneider war zweimal verheiratet und hatte 18 Kinder. Für sie baute er drei damals besonders große und schöne Häuser: Rädlers (Kellhofstr. 6), Schertlers (Flotzbachstr. 11) und den Hirschen (Kirchstr. 31). Außerdem kaufte er für seinen Sohn Lorenz das Sammüllerhaus (Kellhofstr. 5). Heute leben in Wolfurt noch zahlreiche Schneider-Nachkommen12, den Namen Schneider tragen aber nur mehr die vielen ausgewanderten Kindeskinder in Amerika und in Augsburg. In Saskatchawan, Kanada, ist 1997 über diese Schneider aus Wolfurt und ihre Herkunft ein Buch erschienen.13 4/1 Leonhard Fink 1821-1824 Geb. 5.2.1777, gest. 21.4.1860 Als Schneiders Nachfolger wurde im April 1821 mit Leonhard Fink wieder ein Rickenbacher gewählt. Er stammte vom Sulzberg und hatte 1818 die Adlerwirtin Katharina Haltmayer als deren dritter Ehemann geheiratet. Schon ihr zweiter Mann, der Lehrer Johann Zumtobel aus Dornbirn, hatte als Adlerwirt die Rickenbacher im Gemeinderat vertreten. Sofort nach der Hochzeit war auch Fink Gemeinderat und nach drei Jahren nun Vorsteher geworden. Unter die vielen Aufgaben, die er zu lösen hatte, fallen die Auseinandersetzungen mit der Gemeinde Schwarzach, das damals eine eigene Pfarrei errichten wollte. Und Pfarrer Thomas Geiger von Bildstein wollte die jährlichen Stolgebühren des Habers, des Weihnachts Kreuzers und der 2 Pfingstpfennige auch nicht mehr an die Kirche Wolfurt zahlen, wie es seine Vorgänger seit der Pfarrwerdung 1790 immer brav getan hatten. 15 Bild 10. Der Adler in Rickenbach. Mehrmals waren Adlerwirte auch Gemeindevorsteher. Dann richteten sie hier auch das Gemeindeamt ein. Umgekehrt zahlte Vorsteher Fink immer noch jedes Jahr 3 fl 20 x, die Zehdengarben, an den Pfarrmeßner von St. Gallus in Bregenz, wie es schon 1512 (!) ausgemacht worden war. Alle Ausgaben für Reparaturen an Kirche und Pfarrhof trug damals noch die Gemeinde. Aus Sulzberg hatte Vorsteher Fink 1822 seine betagten Eltern nach Wolfurt geholt, wo sie nahe der Kirche auf dem Bühel (Oberfeldgasse 3) bei ihrer Tochter Katharina Flatz wohnten. Hier hat wohl Vater Joh. Georg Fink seine Sulzberger Chronik fertiggestellt, über die Kreishauptmann Ebner berichtet14. Vater Fink ist dann ganz plötzlich am 27. Juli 1823 bei einem Sturz über die Kammerstiege im Adler gestorben15. verschwägert sein durften. Empfohlen wurden als Revisoren Gegner des Vorstehers oder ein Alt-Vorsteher16. Bei der Wahl Vonachs war wieder die Macht des Geldes und einer mächtigen Verwandtschaft zum Tragen gekommen. Er stammte aus der Flötzer-Vonach Familie an der Ach, die mit den Ammann-Sippen der Fischer und der Schneider mehrfach verschwägert war. Sein Vater Anton Vonach hatte die reiche Witwe Franziska Rohner geheiratet und war dadurch Wirt im großen Gasthof des Ammanns Jerg Rohner (Kreuzstraße 1, abgebrannt 1869) geworden. Hier war nun Andreas Vonach mit 2 Pferden und 5 Kühen'7 der weitaus größte Bauer im Dorf. Zu seinem Hof gehörte auch seit 1731 der Kleine Brunnen als zweiter Dorfbrunnen. Nur elf Monate blieb Vonach bis zum Dezember 1824 im Amt. Mag sein, daß ihm der Vorsteher-Gehalt von 51 fl samt den Extra Dieethen von 29 fl, deren Empfang er am 11.12.1824 bestätigte, Mühe und Ärger des Amtes nicht aufwogen. In seine Amtszeit fällt ein hoher Besuch in Bregenz. Am 6. Juli 1824 rückten die Wolfurter Schützen zur Paradierung bei S. K. K. Hocheit Prinzen von Österreich aus. Es handelte sich um Erzherzog Franz Karl, den Vater des späteren Kaisers Franz Joseph I: Für diesen Ausmarsch zog der Schützenhauptmann Andreas Klocker bei der Gemeinde 44 fl ein. Auch die Mußigkanten von Wolfurt erhielten 24 fl 24 x. Also Schützen und Musikanten schon damals gemeinsam! Von Vorsteher Vonachs elf Kindern stammen die Flötzer-Vonach im Frickenesch und die Tobler-Schwerzler, aber auch die Ölz in Dornbirn und die Tizian in Bregenz. 6. Bernhard Bildstein 1824-1829 Geb. 20.4.1785, gest. 24.11.1840 Auf den reichen Vorsteher Vonach folgte mit Bernhard Bildstein wieder ein Dörfler. Er war das elfte von 13 Kindern des einzigen Wolfurter Krämers Crispin Bildstein in Hanso Hus neben der Kirchenstiege am Dorfplatz. 1806 hatte er Magdalena Dörler aus Hard geheiratet und mit ihr sein neues großes Haus in der Bütze bezogen (Schellings, Bützestraße 15). Gute Zeiten waren in das Land eingezogen, Krieg und Hungersnot überwunden. In fast jedem Haus klapperte ein Webstuhl. Man wob seit ein paar Jahren kaum mehr Leinen aus selbst angebautem Flachs. Aus der Schweiz brachten jetzt Fergger die aus Amerika eingeführte Baumwolle. In Lohnarbeit fertigten die Weber daraus feine Tücher, vor allem die zarten und kostbaren Musselin-Stoffe. Reich wurden davon allerdings nur die Fergger, etwa die Blattmacher-Schneider, die Fabrikanten-Gmeiner und die Haltmayer-Wirte in Rickenbach. Aber auch das Handwerk hatte jetzt goldenen Boden. In rascher Folge wurden Röhle, Ach und Bütze besiedelt. Auch Rickenbach wuchs bis in den Schlatt-Sumpf hinaus. In drei großen Ziegeleien an der Ach brannten die Schertler, die Dür und die Klocker den im Flotzbach gegrabenen Lehm zu Ziegeln und die im Bett der Ach gesammelten 17 5. Andreas Vonach 1824 Geb. 29.11.1777, gest. 1.7.1850 Im Jänner 1824 übergab Vorsteher Fink die Gemeindeakten mit einer genauen Aufstellung an seinen Nachfolger Vonach. Dieser war nach der neuen österreichischen Gemeindeordnung gewählt worden, die alle drei Jahre Neuwahlen vorsah. In Landgemeinden mußte jeder stimmfähige Bürger Mann für Mann persönlich seine Stimme für die Vorsteher- und für die Gemeindedienerwahl abgeben. Nur in den Städten war ausnahmsweise eine doppelte Wahl erlaubt. Hier wurden zuerst Wahlmänner und dann durch diese der Vorsteher gewählt. Mit dem Vorsteher bildeten die zwei nächstgereihten Gemeinderäte und der Gemeindediener den Gemeindeausschuß. Ein Gemeindekassier zog alle Gemeindegelder ein und bezahlte die Rechnungen. Dem Vorsteher war das ausdrücklich verboten. Die Gemeinderechnungen mußten von gewählten Revisoren überprüft werden, die zum Vorsteher weder verwandt noch 16 Steine zu Kalk. Zahlreiche Fuhren von Wolfurter Ziegeln gingen in die Schweiz und über den See und brachten viel Geld ein. Im Jahre 1826 spendierte Vorsteher Bildstein den Bregenzer Kapuzinern 700 Wolfurter Ziegel für ihr Klosterdach. Zwischen der unteren Straße und der Lauteracher Kirche dehnte sich aber immer noch ein riesiges Getreidefeld aus. Noch war die Ernte von Dinkel und Hafer die Grundlage der Ernährung. Der Anbau von Bodobiora nahm aber zu und allmählich verdrängte auch das Türggo-Mehl beim täglichen Stopfar und beim Hafoloab das Dinkelmehl.18 Über Anordnung des Landgerichts schaffte die Gemeinde am 18. Juli 1825 für 1 fl ein sehr gut gestochenes Siegel an, das seither die Akten zierte. Ein altes Siegel war aber auch noch vorhanden. Im Herbst 1826 grassierte die Angst vor der Tollwut. Der Vorsteher mußte den Bregenzer Waasenmeister rufen. Dieser erschoß an vier aufeinander folgenden Tagen 37 der Wuth verdächtige Katzen und zog dafür außer dem Taglohn von je 40 x auch noch 4 x für jeden Schuß ein. In den nächsten Tagen mußte er alle frey herumlaufenden Hunde erschlagen. Auch der Wolfurter Jäger Lorenz Klocker verrechnete für ein Pfund Pulver 48 x, für zwei Pfund Schrot 32 x, dazu drei Taglöhne zu je 40 x, zusammen also 3 fl 20 x. Am 2. September 1828 zog der neue Pfarrer Franz de Barraga ein. Dessen missionarische Bestrebungen führten schnell zu argen Differenzen mit der Gemeinde. Eigenmächtig und gegen den Willen des Vorstehers ordnete er für den Winter 1828/29 die Erstellung einer dritten Klasse in der Scheune des alten Schulhauses an. Die Gemeinde sollte dafür bezahlen. Mit Hilfe des Landgerichts setzte der Pfarrer seine berechtigte Forderung durch. Bereits seit 1806 galt in Österreich nämlich 80 als höchste zulässige Schülerzahl, die nur in Ausnahmsfällen überschritten werden durfte. Wolfurt hätte längst eine zusätzliche Klasse gebraucht. Die dritte Klasse blieb bestehen und machte natürlich ab jetzt auch die Besoldung eines weiteren Unterlehrers notwendig. Als der Pfarrer gar scharf gegen die Wirtshäuser predigte, setzte ihm der Vorsteher das Opferweingeld auf die Hälfte herab. Bald danach trat er aber zurück. Im Jänner 1829 wurde mit Joh. Martin Schertler ein neuer Vorsteher gewählt. Dieser suchte zwischen dem Pfarrer und dem Alt-Vorsteher zu vermitteln. Es kam zu einer Aussprache, allwo der Pfarrer davon geloffen. Am 19. Jänner 1829 übergab Bildstein das Amtsinventar an Schertler. Da wurden in der Bütze Bücher und Kisten aus der Stube auf einen Wagen geladen und zu Schertlers Stube in Unterlinden geführt, die ab jetzt als Kanzlei dienen mußte. Das Protokoll ist erhalten geblieben.19 Es umfaßt in 67 Punkten Hunderte von Aufträgen, Cirkularen, Gmeinds Rechnungen, Kapital Briefe, Weisen-Bücher, Steur & andere Bücher, aber auch ein harthölzerner Komothkasten samt schreibpolt mit zwey kleinen & sechs grosen Schubladen Bild 11: Strohdorf und Hub auf der Negrelli-Karte von 1826. 1. Gasthof Sternen 2. Erste Volksschule 3. Platz des heutigen Rathauses 4. Platz der heutigen Hauptschule, damals ein Getreideacker. eine Mit Eisen beschlagene Kisten in welcher zehen & drei alte Bücher sind zwey Gmeinds Singnet (Siegel) ein Müntzsorten Verzeichniß ein Messerner (aus Messing) Einsatz mit Wiener gewicht ein & ein halben Bayerischen Metzen (Getreidemaß) mit Eisen beschlagen ein & ein halb Bayerische Maaß aus Sturz (aus Weißblech). Demnach fühlte sich der Vorsteher immer noch, wie einst im Mittelalter, auch für die in der Gemeinde von Kaufleuten und Wirten verwendeten Maße, Gewichte und Geldsorten verantwortlich. Bildstein zog sich weitgehend aus der Gemeindepolitik zurück. Ein Jahr vor seinem Tod erbaute er 1839 noch für seinen Sohn Franz das schöne Haus Bützestraße 10 (Königs). Franz Bildstein verkaufte es aber bereits 1853 an Martin Dür, den Vater der später hier geborenen ersten Autofahrerin Düro Franzele. Bildstein wanderte nach Amerika aus und baute in der Nähe von New Ulm in Minnesota eine große Farm auf.20 Die Kinder von Vorsteher Bildsteins Tochter Magdalena übersiedelten nach Weiler und verkauften das Elternhaus (Schellings) ebenfalls. 18 19 7/1 Joh. Martin Schertler 1829-1832 Geb. 6.2.1793, gest. 18.6.1856 In der großen Familie des weit über Wolfurt hinaus geschätzten Schützenmajors Jakob Schertler und seiner zweiten Frau Maria Anna Fischer, einer Schwester des ersten Wolfurter Vorstehers, waren in der Schar der 14 Kinder zwei besonders tüchtige Söhne herangewachsen. Josef Anton Schertler (1791-1867) erhielt schon 1825 die verantwortungsvollen Aufgaben eines Gemeindekassiers übertragen. Der Ziegelfabrikant wurde der Begründer der großen Sippe der Röhle-Schertler, zu denen auch die Säge-Schertler in Kennelbach, die Sonnenwirt-Schertler in Schwarzach und die Kalkwerk-Rädler vom Wälderhof zählen. Den jüngeren Bruder Joh. Martin Schertler wählten die Wolfurter 1829, als es Probleme mit Pfarrer Barraga gab, zu ihrem Vorsteher. Schertler suchte nach allen Seiten zu vermitteln. Seine Arbeit fand bei den vorgesetzten Behörden Anerkennung. Den Streit um den Standort der geplanten Kirche vermochte er aber nicht zu schlichten. Dazu trug wohl bei, daß mit dem Maler Ferdinand Schneider (Kirchstraße) und dem Fergger und Blattmacher Jakob Schneider (Kellhofstraße) zwei Dörfler die AusschußPlätze als Gemeinderäte besetzten und Rickenbach dort gar nicht vertreten war. Schertler mußte also jetzt die Volksschule dreiklassig führen. Er stellte als Lehrer Gebhard Höfle, Jakob Müller und Ferdinand Stülz an. Zu den großen Kosten zählte damals noch die Erhaltung der Farnacher Straße in den Bregenzerwald. 30 bis 50 Gulden waren jedes Jahr zu bezahlen. Standesrepräsentant Haltmeyer verrechnete die Kosten ganz genau. So traf es z. B. 1831 auf Wolfurt 46 fl 46 1/2 x. Halbe Kreuzer! Um das Jahr 1830 begann man unter Anleitung von Kreisingenieurs-Adjunkt Alois Negrelli mit der Erstellung eines zweiten Dammes im Staudenvorland an der Ach. Innerhalb der heutigen Dammstraße konnte dadurch wertvoller Boden gewonnen werden. Der Kirchenstreit - darüber berichtet ein eigener Beitrag - führte im Jahre 1832 zum Umsturz in der Gemeinde. Ein Rickenbacher wurde Vorsteher. Das Landgericht setzte aber Alt-Vorsteher Schertler als Leiter des Kirchenbaus ein. So gut machte er seine Sache, daß ihn Ingenieur Kink im Kollaudierungsprotokoll von 1835 lobte: ... daß man diese entsprechende Bauausführung... der ununterbrochenen Wachsamkeit und sorgfältigen Nachsichtspflege des Bauaufsehers Schädler und des Inspizienten Matt zu verdanken hat... Aber Schertlers große Zeit als Vorsteher folgte erst später in seiner zweiten Periode ab 1840. 4/2 Leonhard Fink 1832-1840 Geb. 5.2.1777, gest. 21.4.1860 In ganz schwieriger Situation übernahm also der Rickenbacher Adlerwirt, der schon 1821-1824 Vorsteher gewesen war, noch einmal dieses Amt. Ganz sicher hatten seine kämpferisch vorgetragenen Argumente für einen anderen Kirchenstandort ihre Berechtigung. Die neue Kirche sollte in der Mitte der langgezogenen Gemeinde stehen. Sie würde ideal zu dem schon 50 Jahre früher dort erstellten Schulhaus passen. Die Rickenbacher Kinder sollten nicht wie Stiefkinder behandelt werden, die auch bei rauher und kalter Witterung einen gar weiten Weg auf sich nehmen müssen. Täglicher Meßbesuch vor Beginn des Unterrichts war ja damals Pflicht. Als sich aber schließlich die Behörden doch für den alten Standort entschieden, mußte Vorsteher Fink die Finanzierung übernehmen und den ungeliebten Kirchenbau organisieren. Weitere Aufgaben warteten. Eine der größten war die Bekämpfung der Schadensfeuer, die so oft die durch offene Herdstellen gefährdeten alten Holzhäuser vernichteten. Schon 1834 verlangte das Landgericht die Anschaffung einer fahrbaren Feuerspritze. Die Gemeinde wehrte sich vorerst mit Hinweis auf die Kirchenbaukosten und die noch fehlenden drei Altäre. Schließlich ließ sie aber doch durch den 1835 zugewanderten Drechsler und Mechaniker Carl Zuppinger eine Spritze anfertigen. Nach deren Überprüfung durch das Kreisamt bezahlte die Gemeinde im Juli 1838 die verlangten 750 Gulden. Noch im gleichen Jahr erließ der Vorsteher eine umfangreiche Feuerordnung21. Danach sollten im Brandfall jeweils der Vorsteher, die beiden Ausschüsse oder die gewählten Dorfmeister die Leitung der Löscharbeiten übernehmen und schleunigst die notwendigen Anordnungen treffen. Neben Alt-Vorsteher Schertler wurden etliche Schmiede und Schlosser zu Maschinisten der neuen Fahrfeuerspritze bestimmt, die sie von Hand an den Brandplatz ziehen sollten. Falls man die Spritze mit Pferden in andere Ortschaften ausführte, hatte Schertler dafür zu sorgen, daß das Gefährt nicht durch aufsitzende Männer überladen wurde. Bei einem Auswertigen Brandlermen soll dem ersten Paar Pferdt für ihren Eifer und Thätigkeit 2 fl 42 x, und dem anderen Paar 2fl, und dem 3ten Paar 1 fl zum Voraus vergütet werden. Das dritte Paar mußte Feuerhaken und Feuerleitern nachführen. Von den zwei alten Tragspritzen wurde die eine dem Schmied Lorenz Dür im Röhle anvertraut, die andere dem Schmied Joseph Böhler in Spetenlehen. Eine Reihe von Nachbarn wurden zur Bedienung bestimmt. Der Meßmer wurde verpflichtet, bei Ausbrechenden Feuersbrünsten Lermen zu leuthen. Den Brunnenmeistern im Dorf und in Rickenbach wurde aufgetragen, ihre Feuerweyer und Feuerbronnen in guter Ordnung zu halten. Außerdem waren der Müller im Holz, 21 20 Zuppinger zur Linden (Draiars Weiher) und der Müller zu Rickenbach verhalten, ihre Weyer auf der Stelle loos zu lassen. Bei sechs Wasserfallen konnten die Dorfbäche für die Feuerspritzen aufgestaut werden. Zur Sicherheitswacht wurden in Wolfurt (d. i. das Kirchdorf), in der Mitte im Dorf (Strohdorf) und in Rickenbach je zwei Männer bestellt. Andere hatten für die geflüchteten Wahren zu sorgen. Weitere 16 Männer, meist Holzer und Flötzer, wurden zu Zabinnen u. Flozer Haken bestimmt. Schließlich wurden mit Lorenz Schneider zu Wolfurt (Sammüllers) und Joh. Georg Reiner zu Steig bei Rickenbach noch zwei Feuerreiter aufgestellt, die Alarm zu schlagen und Meldungen zu überbringen hatten. Alle übrigen wurden verpflichtet, ihre Feuerkübel oder auch andere Schöpfgeschiere mit sich zu nehmen und sich am Brandplatz zur Verfügung zu stellen. Diese Feuerordnung wurde am 10. Dezember 1838 dem Landgericht zu Kenntnis gebracht. Über 50 Jahre lang hatte sie Gültigkeit, bis im Dezember 1889 durch die Gemeinde eine Freiwillige Feuerwehr gegründet wurde. Eine ganz entscheidende Veränderung im Erwerbsleben der Wolfurter Gemeindebürger fällt ebenfalls in Finks Vorsteherzeit. Im Jahre 1836 hatten die Harder Textilfabrikanten Jenny und Schindler in Wolfurt angeklopft. Sie wollten die Wasserkraft der Bregenzerach für eine große Spinnerei-Fabrik nützen. Die Wolfurter lehnten glatt ab. In Fabriken sahen sie eine große Gefahr für die Hausweberei, die damals unter dem Konkurrenzdruck schon arg angeschlagen war. Da bauten Jenny und Schindler 1837 einfach drüben in Kennelbach, wo es allerdings an Arbeitskräften mangelte. Kennelbach war ja damals eine Parzelle der Gemeinde Rieden. Es hatte nur 156 Einwohner, acht mal weniger als Wolfurt. Arbeitslose Weber mußten nun froh sein, jenseits der Ach für einen Arbeitstag von 13 (!) Stunden wenigstens 30 Kreuzer zu verdienen. Auch Schulkinder wurden während der langen Ferienzeit in der Fabrik angestellt. Als Aufstecker erhielten sie allerdings nur 12 Kreuzer pro Tag. Dafür konnte man gerade ein Kilogramm Mehl und einen halben Liter Milch kaufen. Als bei der nächtlichen Heimfahrt von der Arbeit am 24. April 1839 das mit 30 Personen überfüllte Fährschiff kenterte, ertranken zwei Jungfrauen und fünf Kinder. Der jüngste war der 7jährige Franz Xaver Geiger von der Kreuzstraße im Kirchdorf. Mit 7 Jahren nachts auf dem Heimweg von der Fabrik! Am anderen Morgen um 5 Uhr hätte er dort drüben wieder anfangen müssen! - Noch im gleichen Jahre bauten die Fabrikanten einen Holzsteg über die Ach. Im Jahre 1839 ließ Vorsteher Fink mehrere Bauten ausführen. Im Schulhaus wurde der Schopf untermauert, um Platz für die Fahrspritze zu schaffen. Dazu wurde ein Gestell zum Aufhängen der Schläuche errichtet. Gleichzeitig wurde der Pfarrhof für den schon 1836 eingezogenen Pfarrer Josef An22 Bild 12: Fabrik Kennelbach und Fabriksbrücke. Der hölzerne Steg wurde erstmals 1910 und dann endgültig 1932 weggerissen. ton Hiller renoviert. In die Pfarrküche wurde sogar - wohl erstmalig in Wolfurt! - ein Kuchelferger, ein Wasserabgießbecken aus Stein, eingemauert. Zum neuen Pfarrer hatte Vorsteher Fink ein ausgezeichnetes Verhältnis. Am 24. Jänner 1839 stiftete die Gemeinde unter seiner Vorstehung eine Kaplanei. Pfarrer, Vorsteher und die beiden Ausschüsse sammelten von Haus zu Haus das notwendige Kapital. Noch im gleichen Jahr begann die Gemeinde mit dem Bau des Kaplanhauses, in welches als erster im April 1840 Kaplan Gebhard Gorbach aus Bregenz einzog.22 Ab jetzt gab es zwei Sonntagsmessen. In allen kirchlichen Belangen und beim Religionsunterricht in der Schule konnte der Pfarrer seine Arbeit mit dem Kaplan teilen. Fast 150 Jahre lang! Bis im Jahre 1985 der letzte Kaplan German Amann Pfarrer wurde und die Kaplanstelle wegen des Priestermangels nicht mehr nachbesetzt werden konnte. Gemeinsam mit Pfarrer Hiller führte Vorsteher Fink 1839 wieder einmal eine Volkszählung durch: 230 Häuser, 236 Familien, 1311 Familienmitglieder und 21 Dienstboten. Zusammen 1332 Einwohner, 621 männlich, 711 weiblich. 16 sind Fremde aus Österreich, 14 weitere aus dem Ausland. Nach insgesamt elf Jahren gab Leonhard Fink 1840 das Vorsteheramt ab, doch blieb er der Gemeinde noch viele Jahre in verschiedenen Aufgaben verbunden. Den Adler übernahm 1844 Josef Anton Fischer, Sammers aus dem Engel, der Finks Stieftochter Katharina Zumtobel geheiratet hatte. Sie begründeten die Sippe Altadlerwirt-Fischer, die bald wieder einen Vorsteher stellen sollte. Alt-Vorsteher Fink starb ohne eigene Nachkommen als 83jähriger 1860. 23 7/2 Joh. Martin Schertler 1840-1856 Geb. 6.2.1793, gest. 18.6.1856 Als Vorsteher hatte Schertler 1832 wegen des Kirchenstreites dem Adlerwirt weichen müssen, aber schon bald stand er wieder an dessen Seite im Ausschuß. Bei wichtigen Beschlüssen wie Feuerordnung oder Kaplaneistiftung wirkte er entscheidend mit. Nun wurde er im Mai 1840 selbst wieder zum Vorsteher gewählt und am 17. Mai 1840 beim Landgericht in Bregenz vereidigt. Zudem übernahm er die Leitung der Blasmusik als Nachfolger von Steinhauer Andreas Rohner, der sie seit ihrer Gründung dirigiert hatte. Als am 29. Mai 1841 die Ganze Mußickgesellschaft bei der Ankunft das Gouverneurs Klemenz gespielt hatte, holte Kapellmeister Schertler dafür beim Gemeindekassier 24 Gulden ab. Der Pfarrhof erhielt 1841 endlich einen Brunnen. Der Maurer Gebhard Dür mauerte die Brunnenstube und Josef Anton Lenz lieferte die Täüchel, jedes der hölzernen Rohre für 34 x. Im November 1842 rechnete der Maler Kolumban Schneider ab:... im Monathe August 1842 Die Häuser im ganzen Dorf numeriert - die Nr für 4 x beträgt für 252 Häuser 16 fl 48 x. So stark hatte die Häuserzahl zuletzt zugenommen, daß man sich 1842 zu einer neuen Durchnumerierung der Häuser veranlaßt sah. Kolumban Schneiders Großvater Anton Schneider hatte 1784 die ersten 155 Nummern (A) aufgemalt. Bei den Bayern waren es 1807 schon 183 gewesen (B). Nun also 252 Hausnummern (C) von der Höll bis zum Schlatt. Sie sollten bis zum Jahre 1900 halten, als bei der vierten Numerierung Putzers Haus im Schlatt mit 290 die höchste Nummer (D) erhielt. Für jedes Haus bezahlte die Gemeinde seit langer Zeit jedes Jahr an die Stadt Bregenz pauschal je 15 x Zoll für die Benützung der Achbrücke in Lauterach. Schwerer lasteten die großen Kosten für die 1838 eröffnete neue Wälderstraße durch das Schwarzachtobel auf der Gemeindekasse, bis auch dort Zoll eingehoben werden durfte. Der Jahresgehalt des Vorstehers wurde erstmals 1845 auf 75 Gulden erhöht, weil die Einwohnerzahl auf über 1500 gestiegen war. Der Kammacher (Kampler) Josef Mohr, der Ururgroßvater unseres derzeitigen Bürgermeisters Erwin Mohr, erhielt als Gemeindediener jetzt 60 Gulden. Dagegen bekam der Lehrgehülf Jakob Müller, nun 43 Jahre alt und bereits seit 25 Jahren als Unterlehrer an der Volksschule im Dienst, am 6. Mai 1848 für den abgelaufenen Winterkurs nur 41 Gulden. Nur mit Nebenverdiensten konnte er sein Hungerleiderleben fristen. So bezog er etwa am 6. Hornung 1848 sechs Gulden für gelieferte Buschein zur Beheizung des Schulzimmers. Das war der ortsübliche Preis für 300 Buschein. Auch der Vorsteher selbst lieferte noch im gleichen Jahr 100 weitere Buschein für zwei Gulden an die Schule. Meist wurde dort aber mit Torf geheizt. Ganze sechs Gulden gab der Kassier aus für gegrabene gederte23 und aufgeladene Schollen zum Heizen der Schulöffen, 9 fuder a 40 x. Wie muß es wohl in den überfüllten Schulstuben geduftet haben, wenn auch noch ein Torffeuer mottete! In diesen Jahren war bittere Not im Dorf eingekehrt. Es gab kaum Arbeit und kaum mehr ein geregeltes Einkommen. Der Vorsteher war laufend mit Schätzungen und Pfändungen durch das Landgericht und durch die Advokaten beschäftigt. Aus nichtigen Anlässen wurden Möbel, Kleider, Arbeitsgeräte, aber auch Grundstücke und ganze Häuser versteigert. Seit dem Revolutionsjahr 1848 - in Wien hatte auch der Wolfurter Kunststudent Gebhard Schneider am Studentenaufruhr teilgenommen - lastete ein fast unerträglicher Behördendruck auf den einfachen Leuten. Nicht zu Unrecht fürchteten junge Burschen die Einberufung in einen der blutigen Kriege, die die Monarchie von allen Seiten bedrohten. Als erste flüchteten 1851 Ferdinand Heim vom Oberfeld und Franz Xaver Schneider aus Rickenbach nach Amerika. Ihre Briefe lösten eine gewaltige Auswanderungswelle aus.24 In den folgenden 20 Jahren bis 1872 suchten 200 Wolfurter ein neues Glück in den USA. Das waren 13 % der 1500 Einwohner. Manche brachten es im Wilden Westen zu Grund und Wohlstand. Viel mehr blieben verschollen. Nur ein einziges Mal hatte es Vorsteher Schertler mit Rückwanderern zu tun. In einer auf den 23. Februar 1854 eigens einberufenen Sitzung nahm er den ehemaligen Blattmacher Jakob Schneider mit seiner unglücklichen Frau Juditha, beides Nachkommen des reichen Vorstehers Mathias Schneider, wieder als Gemeindebürger in Wolfurt auf25. Allerdings mußten sie das übliche Einbürgerungsgeld bezahlen. Einbürgerungsgeld und Weibertaxe hatte es nach dem Hofsteigischen Landsbrauch zur Verhütung von Überfremdung schon seit dem Mittelalter gegeben. Mit Beschluß vom 29. Juni 1852 formulierte die Gemeindevertretung beides neu26: 1. Solte sich ein Gemeindsangehöriger um die Heurathsbewilligung ansuchen, u. mit einer fremden Weibsperson verehelichen wollen, so wurde vom Ausschuß festgesetz, daß eine solche fremde Weibsperson sich mit einem Gerichtlich Bestättigten Vermögen per 400 fl Sage in Worten Vier Hundert Gulden Rw. ausweise u. nöthigen fals dafür Bürgschaft zu leisten, bevor sie in der Gemeinde angenommen wird. 2. Nach dem früheren Gemeindebeschluß, Soll eine fremde Mannsperson, der sich in die hießige Gemeinde verehelichen oder ansäßig machen will, so hat derselbe an die Gemeinde, oder an den hiesigen Lokallarmenfond 50 fl Sage fünzig Gulden zu bezahlen. 3. Des gleich auch, wen eine Fremde Weibsperson, wen sie als Gemeindsbürgerin aufgenomen wird, Zwanzig u. fünf Gulden Rw. an den hiesigen Lokalarmenfond zu bezahlen, bevor ihr die aufnahm als Gemeindsbürgerin aufgenommen wird. (Die vielen Rechtschreibfehler möge der Leser dem Gemeindeschreiber in Anbtracht der damals sehr mangelhaften Schule nachsehen!) In den Jahren 1849 und 1850 hatte der junge Kaiser Franz Joseph zur Unterdrückung aller etwaigen liberalen Regungen ein ganzes Armeekorps mit 6000 Mann nach Vorarlberg verlegen lassen. Obwohl die Not dieser Zeit durch die Einquartierung der vielen meist fremdsprachigen Truppen noch gesteigert wurde, begann man ab dem Jahre 1850 den Fasnat-Zistag 21 jeweils mit Theater und Umzug zu feiern. Tragisch 25 24 mutet uns heute an, daß dabei die Armut der Weber noch zur Zielscheibe derben Spottes gemacht wurde. Daß es in der Fasnat auch zu Differenzen mit den fremden Soldaten, ja sogar zu Tätlichkeiten gegen den Vorsteher kam, erfahren wir aus den Lebenserinnerungen des Chronisten Ferdinand Schneider28: Von den Fastnacht-Spiele erstes im Jahr 1850. Das erste das ich gesehen habe wurde gespielt „Hans im Glück". Wehinger Mechaniker war Hans im Glück mit einem gewaltigen Goldklumpen, brachte es mit Handeln und Schachern zu einem schleiffer Karren, der ihm noch da er Waßer trinken wollte am Brunnen im Schwanen hineinfiel; dann war noch ein Leinenweber auf einem Wagen mit vielen Kindern sehr arm, es war fulgo Berüthers Hannesle der das das Geschäft gut versteht, dann ein Gerichtsschreiber der dem armen Weber alles zur Versteigerung aufgeschrieben hat, seine Frau & Kinder bettelten es war eine lustige Cumödi. auch hatte man eine ausgestopfte Kuh auf einem Wagen sehr intreßant, wieder auf einem andern Wagen eine Weiber Mühle, wo man alte Weiber jung gemahlen hatte, es war zum tod lachen wann man so eine alte Schachtel durch die Mühle lies und dann so eine schöne Jungfrau herausnahm Dann wieder auf einem andern Wagen eine Räuberhöhle, der Glaser auf dem Büchel war Hundsattler oder Räuber-Hauptmann, dieser wurde hingerichtet. Jos. Klocker Glaser war Scharfrichter, bei Naglertonis Haus war der Galgen aufgestellt (Die alte Nagelschmiede des Anton Kalb stand an dem Platz, wo erst später 1860 der neue Schwanen gebaut wurde). Die Räuber haben das schönste Leben, in den meisten Häusern hat mann Ihnen Schnaps, Most, Fleisch und Gugelhupf zum Stehlen hergerichtet, die noch tagelang zu Eßen und Trinken gehabt haben, ein Feldpater war auch dabei der Guldenschuh, auch ein Polizist war der horig Schuhmacher auf Steig. Dann die Musik per Wagen alle nobel Kostumirt, viele in Weibertracht mit Ohrenglonker, auch war Militär dabei beim Spiel. leider war der Ausgang dieses Spieles ein sehr trauriger, es war viel Militär in Wolfurt und Umgebung, da gab es eine furchtbare Streitigkeit mit dem Militär, das sogar Herr Vorsteher Martin Schertler alt, eine tüchtige Orfeige bekam, wann nicht ein Offizier sogleich Alarm schlagen ließe, so hätte es furchtbare Metzlerei gegeben, dem Scharfrichter haben die Soldaten den Säbel abgebrochen und dem Höfle an der Hub, mußten sich mit halben Kleidern flüchten, die Händel gingen im Rößle an. schuld war Schädlers Hannes & Schürpf Franz Anton, es sprang alles auseinander das Spiel wurde nicht zu Ende gebracht, ich war 9 Jahre alt, sprang wie ein Reh nach Hause hinter den Ofen, abends kam noch die Garnison von Bildstein herab und umringten das Gasthaus zum Adler, ist aber nichts mehr vorgefallen in Rickenbach. Um nicht zu vergeßen war noch eine Warme Küche auf einem Wagen wo Meschachers Hannesle die feinsten Trester Würste29 für die feinsten Schüblinge ausgab aber dafür kein Geld nahm. 26 Mit einiger Bitterkeit schied Vorsteher Schertler aus dem Amt. Er sei nur der Partei zulieb so lange geblieben, schrieb er auf eine seiner letzten Abrechnungen. Welcher Partei? Gab es denn jetzt Parteien? Die Staatspolitik hatte sich nach der Revolution von 1848 wieder verändert. Mehr denn je war sie im neuen Absolutismus durch Beamte und Militär beherrscht. Im Konkordat von 1855 überließ der Staat die Ehegesetzgebung und die Aufsicht über die Schule fast zur Gänze der Kirche. Dagegen wehrten sich auch im Lande Vorarlberg viele Leute. Es bildeten sich Interessengruppen. Die Liberalen, angeführt von dem Fabrikanten Carl Ganahl in Feldkirch, fanden vor allem bei den Fabrikanten und den reichen Bürgern Anhänger, aber auch bei Handwerkern und Bauern. Die Ausstrahlung der liberalen Ideen wirkte bald bis in die Dörfer hinaus. Bei uns in Wolfurt vertraten vor allem der sehr belesene Rickenbacher Schlosser Josef Anton Dür und der vom kleinen Drechsler an Draiars Weiher zum Industriellen und Großmüller im Kessel aufgestiegene Carl Zuppinger eine andere Meinung als die Konservativen. Das Amt des Vorstehers unparteiisch zu führen, war schwer geworden. Im Jänner 1856 gab es Schertler nach insgesamt 19 Jahren Einsatz für Wolfurt ab. Wenige Monate später starb er. In seinen zwei Ehen mit der schon 1833 verstorbenen Anna Maria Haltmayer und mit Christina Flatz waren ihm zwölf Kinder geboren worden. Fünf davon waren früh gestorben. Zwei von seinen Söhnen und dann noch ein Enkel sind später auch Vorsteher geworden, zuerst Josef Anton Schertler 1872, dann Joh. Martin Schertler jun. 1879 und schließlich der Enkel Lorenz Schertler 1891. Von seinem Haus in Unterlinden aus beteiligte sich Joh. Martin sen. an den Ziegeleien an der Ach. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder Josef Anton Schertler im Röhle kaufte er zu dessen oberem Ziegel werk (Achstraße 1) bald auch die große KlockerZiegelei (am Platz von Bützestraße 28). Dazu baute er 1838 auf der anderen Straßenseite das Gasthus Schiffle {Hansmarteies Hus, Bützestraße 41). Doch Vorsteher Schertler hatte noch größere private Pläne. Als sein ältester Sohn Josef Anton mit Agatha Dür eine der Erbinnen aus der begüterten Ziegler-Dür-Sippe heiraten wollte, baute er für ihn 1851 an der Ecke der neuen Wälderstraße ein großes steinernes Haus als Verwaltungszentrale für die Ziegeleien. Wir haben es noch als die Post am Platze des heutigen Gemeinde- und Postamtes gekannt. Hier waren damals die Fuhrwerke untergebracht, die den Lehm vom Flotzbach an die Ach und dann Kalk und Ziegel zu den Baustellen im Oberland und in der Schweiz führten. Hier kamen auch des Vorstehers Enkel Jakob und Lorenz Schertler zur Welt, die ein paar Jahrzehnte später die Firma ganz ins Flotzbach hinab verlegten. Sehr, sehr viele Kindeskinder stammen aus ihren Häusern. Viele andere stammen aber auch aus des Vorstehers eigenem Haus an der Kirchstraße, das sein jüngerer Sohn Johann Martin jun., übernahm. Ihm werden wir in einem der Fortsetzungskapitel begegnen. 27 Mit Vorsteher Schertlers Rücktritt gingen die ersten 50 Jahre der selbständigen Gemeinde Wolfurt zu Ende. Ganz bestimmt waren es nicht die guten alten Zeiten. Mit Krieg hatten sie begonnen, Hungersnot, Streit und Arbeitslosigkeit hatten viel Leid gebracht. Aber immer wieder haben sich die Menschen in unserem Dorf aufgerafft und Mut und Kraft zum Weitermachen gefunden. Heimat Wolfurt, Heft 13, S. 6 ff. 2 GA, Schulchronik I, S. 6 3 Marktgemeinde Wolfurt, Wolfurt in Chroniken und Berichten, Festgabe 1982, S. 52 4 VLA, Landgericht Bregenz, Hds 130, fol 200-257. 5 GA Wolfurt, Chronik Schneider 2 6 Lies nach Mit Napoleon nach Rußland in Heft 7, Seite 12, nach GA Wolfurt, Chronik Schneider 2 7 GA, Schachtel 1/1808 8 GA Wolfurt, Chronik Schneider 2, S. 53 9 Heimat Wolfurt, Heft 10, S. 4 und Heft 11, S. 11 nach Chronik Schneider 2, S. 4. 10 Die Chronik Schneider 2 im GA Wolfurt. " Pfarrarchiv, Familienbuch Ic, S. 126. 12 Siehe auch Heimat Heft 13, S. 38! 13 Wilfred Schneider, The Schneider Family, ISBN 0-921257-91-0 und GA Wolfurt 14 Ebner-Tagebuch 1839 unter 3. April 15 GA, Chronik Schneider 2, S. 65/2). 16 GA Wolfurt, Schachtel 1825 17 GA, Brunnenbrief 1823 18 Wolfurter Dialekt: Bodobiora = Kartoffeln, Tiirggo = Mais, Stopfar = Riebel (Schmarren), Hafoloab ist ein spezielles Gericht, nach welchem die Wolfurter ihren Übernamen Hafoloabar bekommen haben. 19 GA, Schachtel 1829 20 Meinrad Pichler, Auswanderer, S. 121 21 GA, Schachtel 1838 22 Rapp, Generalvikariat Vorarlberg, 1896, Band II, S. 798 23 gedörrte 24 Siehe die Reihe Auswanderer in Heft 5/S.25, 9/35, 11/32, 13/40 und 15/36! 25 Heft 13, S. 40 26 GA, Schachtel 1852 27 Faschings-Dienstag 28 GA Wolfurt, Chronik Schneider 3, S. 24 29 Trester sind die stinkenden Obstrückstände vom Schnapsbrennen. 1 Siegfried Heim Alois Negrellis Arbeiten in Wolfurt Was erinnert in Vorarlberg noch an den genialen Planer des Suezkanals? Nennt man in den Schulklassen seinen Namen überhaupt noch? - Mit einem neuen Buch und mit einer Ausstellung haben die drei Heimatforscher Bußjäger-Concin-Gerstgrasser vor kurzem Negrellis Spuren in Vorarlberg aufgezeichnet.1 Mit dem folgenden Beitrag möchte ich für Wolfurt ihr Werk ergänzen. Alois Negrelli Ritter von Moldelbe Geboren 23.1.1799 in Primiero (Trentino). Gestorben 1.10.1858 in Wien. Als Ingenieur im Straßen-, Wasser- und Eisenbahnbau in Österreich und in der Schweiz führend tätig. Planer des Suezkanals, der nach seinem Tod in den Jahren 1859 bis 1869 unter Leitung von Ferdinand de Lesseps erstellt wurde. Zwischen 1822 und 1832 arbeitete Negrelli in Vorarlberg, ab 1826 als KreisingenieursAdjunkt. Von seinen vielen Arbeiten berühren mindestens vier die Gemeinde Wolfurt: 1. Rheinkartenwerk. 1825 - 1827. Ein genauer Plan der Gemeinde. 2. Wälderstraße. Planung 1827. 3. Pfarrkirche St. Nikolaus. Bauplan 1829. 4. Achdamm. Erweiterung 1832. 1. Das Rheinkartenwerk Es wird als Baudirektionsplan P 13 im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck verwahrt. 97 Blätter beinhalten eine genaue Aufnahme des Vorarlberger Rheintals von Liechtenstein bis zum Bodensee. Unter Leitung von Baudirektions-Adjunkt Duile und dessen Vertreter Baudirektions-Praktikant Alois Negrelli wurden sie in den Jahren 1825 bis 1827 von Negrelli selbst und seinen Mitarbeitern gezeichnet. Seit 1985 besitzt das Gemeindearchiv Wolfurt Schwarzweiß-Kopien von den Wolfurter Blättern: Blätter 67 u. 68, Rickenbach und Schwarzach, aufgenommen im September und Oktober 1826 von Alois Negrellis Bruder Baudir.-Praktikant Franz Negrelli. Blätter 74 u. 75, Lauterach, Wolfurt und Kennelbach, aufgenommen 1826 von Baudir.Praktikant Ignatz Leeb. Blatt 83, Bregenzerach bei Wolfurt, aufgenommen im September 1826 von k.k. Straßenmeister Johann von Hörmann. 29 28 Bild 13: Die Ach auf der Negrellikarte von 1826. l.Wuhrstadel Z. Ziegeleien Schertler und Dür am Achdamm 5. Platz der heutigen Achbrücke Bild 14. Die Wälderstraße hat die St. Antone-Straße ersetzt. Das Rheinkartenwerk ist die dritte und weitaus genaueste Karte unseres Gemeindegebietes. Die älteste ist die Vorarlberg-Karte von Blasius Hueber aus dem Jahre 1774. Von den Wolfurter Straßen zeigt sie nur die kurz zuvor 1772 unter Maria Theresia gebaute neue Landstraße von Lauterach durch das Ried nach Dornbirn und die alte Hauptstraße von der Lauteracher Achbrücke über St. Antone nach Rickenbach. Die zweite ist die Artillerie-Karte von 1818 im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien (eine Photo-Kopie im VLA in Bregenz). Dieser Plan, der der Kriegsstrategie und der Unterbringung des österreichischen Heeres dienen sollte, zeigt erstmals die Häuserreihen am Talrand in Wolfurt, die Bäche und die Feldwege. Er wurde von Offiziersanwärtern der Artillerie gezeichnet, das Blatt 49 G von einem Fähnrich Weiß. Die Blätter des Rheinkartenwerks (NegreIli-Karte P13) aus dem Jahre 1826 weisen erstmals jedes Wolfurter Haus, jede Straße und auch die kleinen Feldwege und Hekken aus. Obstgüter umgeben die Häuser. Das offene Gebiet von der unteren Straße bis nach Lauterach ist aber ein riesiger Getreideacker, in dem man damals abwechselnd Dinkelkorn und Hafer anbaute. Das Ried reicht noch bis zur Brühlstraße herauf. Ein breites Achbett ist von der heutigen Achstraße und vom Kennelbacher Berg 30 begrenzt. Sogar ein Fährschiff ist eingezeichnet, denn über die Ach gab es damals ja nur eine Brücke in Lauterach. Weil die Zeichner nur das Rheintal aufnehmen mußten, sind die auf den Wolfurter Büheln (z. B. beim Schloß) eingetragenen Einzelheiten ungenau und manchmal auch falsch. Trotzdem sind die Rheinkarten für jeden Heimatforscher eine unentbehrliche Grundlage. Ihnen folgen dann 1857 als vierte Landkarten die Katasterpläne, die nun auch alle Bau- und Grundparzellen genau angeben. Ein Vergleich mit den 30 Jahre älteren Negrelli-Karten zeigt viele interessante Veränderungen. 2. Die Wälderstraße Zusätzlich zum Saumweg von Wolfurt über den Steußberg bestand schon 1561 ein erster Karrenweg als landstraß von Schwarzach über das Farnach nach Alberschwende. Um das Jahr 1772 wurde er zur Fahrstraße ausgebaut und mußte nun von den Hofsteig-Gemeinden bis zur Grenze von Alberschwende erhalten werden. Es kam zu vielen Streitigkeiten, weil die Kosten den Hofsteigern im Verhältnis zum geringen 31 Nutzen unzumutbar hoch erschienen. Am 5. Februar 1827 legte Kreisingenieurs-Adjunkt Alois Negrelli dem Kreisamt erstmals einen Plan für eine ganz neue Straße durch das Schwarzachtobel und dazu einen Kostenvoranschlag mit der ungeheuren Summe von 42 000 Gulden vor. Fast die Hälfte davon hätten die Hofsteig-Gemeinden und Alberschwende aufbringen müssen. Erst 1836 bis 1838 wurde die neue Straße unter der Leitung von Negrellis Nachfolger Kreisingenieurs-Adjunkt Martin Kink durch das Tobel gesprengt. Beim Zoll in Alberschwende wurden nun für jedes taleinwärts geführte Pferd 3 Kreuzer Maut eingehoben.2 Als Zubringerstraße wurde etwa gleichzeitig an Stelle der zu schmal gewordenen alten Straße von der Lauteracher Brücke über St. Antone nach Rickenbach die neue Wälderstraße von Lauterach ins Strohdorf nach Wolfurt gebaut. Weil darauf regelmäßig die Postkutsche verkehrte, wurden an ihr kurz nacheinander ein Postamt in Lauterach und 1868 auch eines in Wolfurt errichtet. Bis dahin hatte ein Wolfurter Bote täglich die für Wolfurt bestimmten Briefe in Bregenz abgeholt. Durch den Bau der Wälderstraße erhielt Wolfurt endlich wieder den für die Wirtschaft so notwendigen Anschluß an den überregionalen Verkehr, den es 60 Jahre vorher durch den Bau von Maria Theresias Landstraße durch das Ried verloren hatte. Das Rheinkartenwerk von 1826 zeigt also noch keine Wälderstraße, wohl aber die St. Antone-Straße nach Spetenlehen. Der Katasterplan von 1857 weist dagegen die Wälderstraße aus. In den paar Jahren waren an ihr auch bereits eine ganze Reihe von Häusern gebaut worden. Der St. Antone-Weg hat seither immer mehr an Bedeutung verloren. 1982 wurde er durch die Autobahn endgültig abgeschnitten. Die Wälderstraße ist dagegen als Landesstraße weiterhin ein wichtiger Zubringer. 3. Pfarrkirche St. Nikolaus Die heutige Pfarrkirche von Wolfurt ist keine Negrelli-Kirche! Viele Veröffentlichungen (u.a. DEHIO, S. 407) haben das bisher angenommen. Der Erweiterungsbau wurde aber 1833/34 nach neuen Plänen von einem ungenannten „k.k. Hofbaurath" der Hofkanzlei in Innsbruck erstellt. Ich kann diese Feststellung nach Studium des umfangreichen Kirchenbauakts des Kreisamts3 treffen. Damit muß ich auch manche frühere Äußerung korrigieren (etwa in Heimat Wolfurt, Heft 4-1989, S. 58 u. 60, und in Rheticus, Heft 4-1994, S. 478). Bis jemand den Namen jenes planenden Hofbeamten findet, nenne ich unseren Kirchenplan einfach den Hofbaurathsplan von 1832. Über die ganze Baugeschichte berichtet ein eigener Beitrag: Als die Wolfurter ihre Kirche bauten. Zwar hatte Negrelli 1829 zwei Pläne mit Kostenvoranschlägen für einen Kirchenerweiterungsbau erarbeitet, aber das Urteil der Hofkanzlei darüber war vernichtend! 32 Bild 15: Alois Negrellis Plan für die Wolfurter Kirche aus dem Jahre 1829. Er enhält auch den Grundriß der früheren Kirche. 33 Nach dreijährigem Streit - Lesen Sie darüber im oben genannten Kirchenbaubericht! - schickte das Gubernium 1832 ein ganz anderes ... dem ursprünglichen Antrage des Bregenzer Kreisingenieurs in jeder Hinsicht vorzuziehendes KirchenerweiterungsProjekt..., das der k.k. Hofbaurath in Innsbruck gezeichnet hatte. Als der Bau nach dem Hofbaurathsplan ausgeführt wurde, arbeitete Negrelli, dessen Pläne für eine Dorfkirche bei unseren Behörden keine Billigung gefunden hatten, bereits an größeren Aufgaben in der Schweiz. außerhalb des Dammes noch Plaz genug übrich bleibt, um ihre Hölzer gehörig abzulagern, worinn eigentlich der Grund zur eingereichten Beschwerde zu suchen ist... Der Katasterplan 1857 zeigt, daß die meisten der durch den neuen Damm gewonnenen Grundstücke bereits als Äcker Verwendung fanden. Als erster hatte dort (am Platz Achstraße 4) der Ziegeleibesitzer Dismas Dür schon 1835 ein Haus gebaut. Jetzt wurde der alte Achdamm bald auf beiden Seiten besiedelt. Erst 1866 bis 1870 wurde der von Negrelli 1830 begonnene zweite Damm bis zur Lauteracher Brücke verlängert. Seither gräbt sich die Ach in die Tiefe. Die Hochwassergefahr scheint gebannt zu sein. 1 4. Die Achdamm-Erweiterung Schon seit dem Mittelalter mußten sich die Hofsteiger gegen die Überflutung ihrer Äcker durch das Hochwasser der Bregenzerach wehren. 1771 ließ Kaiserin Maria Theresia zum Schutz ihrer beiden neuen Straßen von Bregenz nach Dornbirn und nach Fußach am Wolfurter Achufer den ersten großen Damm bauen, der bis heute als Achstraße erhalten geblieben ist. Die Rheinkarte von 1826 zeigt außerhalb dieses Dammes nur Stauden-Vorland und Kiesbänke mit Inseln. Als einziges Gebäude hatten die Wolfurter am Damm ihren Wuhrstadel errichtet, in dem Werkzeug und Baumstämme zur Abwehr der Fluten gelagert wurden. Um das Jahr 1830 ließ Alois Negrelli parallel zum ersten Damm im Vorland einen zweiten errichten, die heutige obere Dammstraße bis zum Kinderspielplatz. Die gewonnenen Grundstücke wurden am 5. Dezember 1831 versteigert. Mit dem Erlös konnten die Kosten das Dammes nahezu gedeckt werden. Gegen den neuen Damm protestierten aber jetzt einige „Wuhr-Interessenten", die bisher hier ihre auf der Ach aus dem Bregenzerwald geflößten Baumstämme gelagert hatten. Sie gaben an, der neue Damm staue das Hochwasser, sodaß es weiter oberhalb beim Haus des Jos. Ant. Höfle den alten Damm überflute. (J. A. Höfles Haus, Iorgobuobos, ist 1908 abgebrannt. Dort steht heute die „Beschützende Werkstätte", Bregenzerstraße 33.) Landrichter Maldoner lehnte die Beschwerde mit Hilfe eines umfassenden Berichtes von Kreis Ing. Adj. Alois Negrelli ab.4 Hier ein paar Zitate aus dem Bericht: ... Verkauf von 5 1/2 Jauchert der Wuhrinsel... (das sind rund 2 1/2 Hektar) ... Wenn bey großen Überschwemmungen die Ach bey Jos. Ant. Höfle über die Straße getreuen ist, hatte der Damm, welcher damals nicht existierte und weiter unten liegt, keine Schuld daran ... ... Wenn das Waßer über die Straße tretten u. Schaden bringen kann, so ist es schlecht genug, daß die alten erfahrenen Männer von Wolfurt bisher ... keine Mittel ergriffen haben. ... daß es gut seyn würde, wenn dieselbe auf eine Strecke von 36 Klafter (fast 70 Meter) um 1 Fuß erhöht würde, was mit 100 Haufen Kieß leicht geschehen kann ... ... Kann an den veräußerten Gründen bey Wolfurt keine Abänderung mehr stattfinden, weil diese durchaus nicht nöthig, u. der Damm schon größtentheils hergestellt ist, u. der Kreisingenieur ist vollkommen überzeugt, daß den Beschwerdeführern 34 Bußjäger-Concin-Gerstgrasser, Alois Negrelli und seine Spuren in Vorarlberg, Bludenz 1997, ISBN 3-901833-00-5. Diesem Buch sind viele der folgenden Daten entnommen. 2 Nach Walter Johler, Bregenzerwald-Heft 6/1987, S. 20 ff. 1 VLA, Repetit. KA1/57 von 1829 ff, Kirchenbau Wolfurt. Alle Akten ab Nr. 1238/1829 sind abgelegt bei Nr. 546/1837, Schachteln KAI, 90-92. 4 GA Wolfurt, Schachtel 1832 35 Siegfried Heim Als die Wolfurter ihre Kirche bauten Die uralte Kirche St. Nikolaus war zu Beginn des 19. Jahrhunderts viel zu klein geworden. In einem Akt für das Landgericht schrieb der Vorsteher im Jahre 1821, sie sei 1512 erbaut und 1760 renoviert worden und befinde sich in gutem Zustand, nur sei sie zu klein. Dabei kamen ja seit einigen Jahren die Bildsteiner und die Schwarzacher nicht mehr zur Sonntagsmesse. Aber die Einwohnerzahl von Wolfurt war stark im Steigen begriffen. Wir besitzen von der alten Kirche nur ein einziges Bild, aber dazu den genauen Grundrißplan, den Negrelli 1829 aufgenommen hat. Das Bild ist eine Skizze von Hannes Fischer. Er hat sie 1918 nach Angaben von Joh. Baptist Höfle angefertigt. Höfle, 5 alt Küofarle von der Hub, war 1826 geboren worden und hatte als siebenjähriger Bub noch den Abbruch der alten Kirche gesehen. Im Gegensatz zum NegrelliPlan weist die Fischer-Skizze eine Seitentüre und statt vier nur drei Seitenfenster auf. Sonst stimmen die beiden Grundrisse weitgehend überein. Demnach hatte die alte Kirche einen fast quadratischen kleinen Chor, ein rechteckiges Schiff mit hohen gotischen Fenstern, eine winzige Sakristei im Erdgeschoß des Kirchturms und ein kleines „Vorzeichen", eine Überdachung beim Haupteingang. Zum Läuten der vier Glokken führte vom Kirchenschiff eine steile Treppe direkt in den Turm hinauf. Bis 1814 war der rauhe Lorenz Gmeiner 33 Jahre lang Pfarrer in Wolfurt gewesen. Dann folgte ihm der aus Brixen stammende ehemalige Franziskanerpater Alois Grasmeyer, ein gelehrter Herr, der aber auch die Gaumenfreuden und den Wein schätzte. Als er 1827 gestorben war, herrschte Priestermangel. Im Jahre 1819 war das Vorarlberger Unterland nämlich als einziges österreichisch gebliebenes Stück der aufgeteilten Diözese Konstanz zu Brixen geschlagen worden. Nun fehlte es an Nachwuchs. Trotzdem bewarben sich gleich vier Geistliche um die begehrte Pfarre Wolfurt. Dazu nahm Generalvikar Galura in einem Schreiben an das Ordinariat in Bregenz1 Stellung:.... Diese Pfarre ist eine der gut dotierten und der angenehmsten im ganzen Lande: eine halbe Stunde von der Hauptstraße entfernt, eine Stunde von Bregenz, in einer schönen und fruchtbaren Gegend. Die Gemeinde braucht einen außerordentlichen Seelsorger, indem sie von den zwei verstorbenen Pfarrern, welche die Wirtshäuser zu sehr liebten, ziemlich vernachlässigt worden ist. Daher sind Unglauben, Verachtung des Heiligen, Roheit und auch Säumen mit dem Eifer für die Schule recht zu finden Vor allem muß das unterzeichnete Amt pflichtgemäß bemerken, daß da ein Seelsorger notwendig sei, der ein Feind des Wirtshausbesuches ist Der Generalvikar empfahl dann von den vier Kandidaten den Pfarrer von Damüls, Franz de Barraga, weil er.... einer der gesittetsten undfrömmsten Priester des Landes sei, der stets zu Hause ist und alle Wirtshäuser meidet.... Die drei anderen Geistli36 Bild 16: Eine Skizze von Hannes Fischer ist neben dem Negrelliplan das einzige Bild von der alten Wolfurter Kirche. chen hielt der Generalvikar .... für die sehr bedenkliche Pfarre Wolfurt nicht für geeignet.... So wird im September 1828 Franz de Barraga, ein 40jähriger aus Wien stammender Theologe, neuer Pfarrer von Wolfurt. Sofort beginnt er mit der Missionierung der sehr bedenklichen Pfarre. Von der Kanzel aus verdammt er die Wirtshäuser und scheut sich auch nicht, die Namen von unfolgsamen Besuchern zu nennen. Er läßt sich von Frauen das wichtigste aus der Gemeinde berichten. Vor allem kümmert ihn die Keuschheit. Den Frauen verbietet er die Kirchenstiege, weil dort böse Buben ihre Knöchel sehen könnten. Drei ausgewählte Jungfrauen läßt er das Verhalten der anderen kontrollieren2. Er verdammt ledige Mütter und will unehelich geborene Kinder nicht kirchlich beerdigen lassen. Die hölzerne Standlaube am Fuß der Kirchenstiege muß abgebrochen werden. Durch Jahrhunderte war sie der Versammlungsort des Gerichts Kellhof gewesen. Hier hatten die Grafen von Hohenems Gericht gehalten und die wehrfähige Mannschaft gemustert. Nun muß die Tanzlaube weg, weil sich dort am Abend manchmal Burschen und Mädchen treffen. Bald liegt der Pfarrer im Streit mit der ganzen Gemeinde, be37 sonders mit Vorsteher Bildstein, der ihm das Opferweingeld von 20 auf 10 Gulden herabgesetzt hat. Das allerwichtigste Anliegen des neuen Pfarrers ist die Erweiterung der zu kleinen Kirche. ... Als Gefertigter das erste Mahl dieß Gotteshaus durchschaute, konnte er sich der Thränen nicht enthalten, daß die angesehene Wolfurter Gemeinde ein so elendigliches Haus zu ihrer Andacht besitzt.... So schreibt er ein Jahr später.3 Kreishauptmann Ebner unterstützt ihn:... die derzeitige Kirche faßt nur 482 Personen, die Gemeinde hat aber 984 Individuen, welche die dortige Pfarrkirche besuchen sollen. ...4 .Wolfurt hatte zu dieser Zeit etwa 1200 Einwohner, für die der Pfarrer am Sonntag jeweils nur eine Messe feiern durfte. Im Jänner 1829 gab Vorsteher Bernhard Bildstein sein Amt ab. Ihm folgte Joh. Martin Schertler, der allgemein sehr geschätzte Sohn des Schützenmajors Jakob Schertler in Unterlinden. Gemeinsam mit Pfarrer Barraga bat er das Kreisamt um einen Kirchenbauplan. Kreisingenieur Ducati gab diese Aufgabe an seinen Adjunkten Alois Negrelli weiter. Negrelli untersuchte am 13. März 1829 die alte Kirche und legte am 21. April seinen Bericht beim Kreisamt vor. Als Beilagen hatte er auch bereits einen Bauplan und einen Kostenvoranschlag erstellt.5 In Negrellis umgangreichen Bericht heißt es u. a.:.... Bei der am 13. v. M. vorgenommenen Untersuchung hat sich nun gezeigt, daß die erwünschte Vergrößerung der befraglichen Kirche sich des Leichten, und der Volkszahl der Gemeinde Wollfurt welche sich auf 1148 Seelen beläuft, ganz angemeßen vornehmen läßt. ... ... Der Thurm, und die östliche, und nördliche Seite dieser auf einer sehr anmuthigen kleinen Anhöhe gelegenen Kirche würden beibehalten werden ... ... Aus diesem Gesichtspunkte ausgegangen, daß nemlich der Thurm und ein bedeutender Theil der alten Kirche stehen bleibt, war man beim Entwürfe des Adaptierung-Antrages an deren Bauart gebunden, daher an keine modernere fürgedacht werden konnte. ... ... Gewölb läßt sich sich nicht leicht eines anbringen, weil die stehenbleibende Seitenwand dessen Last zu tragen nicht vermögend seye ... ... Die neu zu erweiternde Kirche gewährt übrigens folgenden, nach den bestehenden höchsten Vorschriften bemeßenen Raum von 4 Quadratfuß für jede Person, und zwar im Langhause für 612 im Präsbiter für 102 und auf der Emporkirche für 126 Zusammen also für 840 Communicanten ... Der beigefügte Plan gab Aufschluß über den Grundriß der bisherigen Kirche und des Friedhofs. Die vorgesehene Erweiterung erschien ungemein kostengünstig. Der Voranschlag sah Barauslagen in der Höhe von 3591 Gulden und dazu noch Fronarbeiten vor. Besonders interessant ist eine Aufstellung über die ortsüblichen Preise des Baumaterials und über die Löhne. Demnach bekam ein Handlanger einen Taglohn von 30 Kreuzern, also einen halben Gulden. Maurer und Zimmerleute erhielten pro Tag 38 44 Kreuzer, ein Schreiner sogar 48 Kreuzer. Ein Handwerker konnte also, wenn er genug Arbeit fand, mit einem Jahresverdienst von höchstens 200 Gulden rechnen. Dagegen nimmt sich Negrellis Jahresgehalt von 350 Gulden geradezu fürstlich aus. Negrelli war sich über die Unzulänglichkeit seines vom Sparstift des Pfarrers beeinflußten Planes durchaus im klaren. Am 10. Mai 1829 stellte er ihn persönlich im alten Schulhaus der Gemeinde vor. Diese bedankte sich zwar, doch wünschte sie eine wesentlich größere Erweiterung um 6 Schuh noch breiter und auch einen neuen Chorabschluß mit einem Rundel, also gebogen wie der Chor der schönen Barockkirche in Bildstein. Schon am 17. Juli brachte Negrelli einen ganz neuen Plan und einen Kostenvoranschlag von nunmehr 5190 Gulden. Beide Akten mußten nun vom Kreisamt dem Gubernium in Innsbruck vorgelegt werden, von wo sie an die dortige Hofkanzlei weitergeleitet wurden. Hier erfahren wir also von dem komplizierten Instanzenzug, der in Metternichs Beamtenstaat der Obrigkeit alle Macht zukommen ließ: Gemeindevorstehung - Landgericht Bregenz - Kreisamt Bregenz - Gubernium Innsbruck - Hofkanzlei Innsbruck. Die meisten zu jener Zeit in Vorarlberg erstellten wichtigen Akten und Pläne liegen daher seit damals im Tiroler Landesarchiv. Das Urteil der Hofkanzlei über den Negrelliplan war vernichtend! - Sie schlug Änderungen mit einem massiven Deckengewölbe vor, die etwa 15 000 Gulden gekostet hätten. Das war für die Gemeinde unfinanzierbar. Ein schrecklicher Streit war die Folge. Es bildete sich eine Rickenbacher Partei unter Führung von Adlerwirt Leonhard Fink, die in Anbetracht der hohen Kosten einen völligen Neubau der Kirche beim Schulhaus in der Mitte der Gemeinde verlangte. Drei Jahre lang wanderten zahlreiche Schreiben über die vielen Instanzen nach Innsbruck und zurück und etliche Kommissionen reisten auf dem weiten Weg über den Arlberg an. Die Gemeinde mußte das vorbereitete Bauholz verkaufen, um es vor dem Verfaulen zu bewahren. Der fanatisch kämpfende Pfarrer Barraga verscherzte es sich mit allen Seiten. Dekan Josef Stadelmann verwarnte ihn und schrieb an den Bischof: ... Barraga hängt in allem, er macht sich immer odioser, ... erfragt niemand was nach, ist stolz und unbeugsam ... zu wünschen wäre, Barraga möchte auf eine Kaplanei oder auf ein subalternes Benefizium versetzt werden. ...6 Auch Landrichter Maldoner urteilte hart über den Pfarrer und versuchte, ihn ganz von dem im Jahre 1832 endlich in Aussicht stehenden Kirchenbau auszuschließen:... Altvorsteher Schertler bemerkte hiebei, daß der Pfarrer die Gemüther nur aufrege, u. daß es für die gute Sache förderlich wäre, wenn sich der Pfarrer um den Kirchenbau gar nicht annehme. Auch der Herr Dekan Stadelmann bemerkte, daß sich der Pfarrer in Wolfurt in dieser Bausache sehr unklug benehme. Was läßt sich aber auch von diesem Pfarrer erwarten, welcher, wie dem Landgerichte wiederholt angezeigt wurde, laut u. öffentlich erklärte, daß er fürchte, eine Todsünde zu begehen, wenn er sich nicht um diesen Bau annähme. Diejenigen, welche nicht für diesen Bau seyen, erklärte er in der öffentlichen Kirche als mit einer Tod39